und Sicherheitsforschung
Management
und Organisation
in der Polizei
Studien zu Digitalisierung, Change
Management, Motivation und
Arbeitsgestaltung
Hrsg.
Rolf Ritsert Antonio Vera
Deutsche Hochschule der Polizei Deutsche Hochschule der Polizei
Münster, Deutschland Münster, Deutschland
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5
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Rolf Ritsert und Antonio Vera .................................................................... 7
Einleitung
Die Polizei gehört trotz ihrer hohen gesellschaftlichen Bedeutung und ihrer langen
Geschichte weiterhin zu den Organisationen, deren wissenschaftliche Erforschung
noch gravierende Lücken aufweist. Dies betrifft nicht nur ihre einsatztaktische und
kriminalistische Dimension, für die in Deutschland keine etablierten wissenschaft-
lichen Disziplinen existieren, sondern betrifft auch das Management und die Or-
ganisation der Polizei. Die originär hierfür zuständigen Disziplinen, die auf der
universitären Ebene Management- und Organisationsforschung betreiben, be-
schäftigen sich bevorzugt mit privatwirtschaftlichen, gewinnorientierten Unter-
nehmen, und auch in den auf den öffentlichen Sektor fokussierten Verwaltungs-
wissenschaften hat die Polizei einen schweren Stand. Dementsprechend werden
zwar immer wieder, aber eben nur punktuell und relativ selten, wissenschaftliche
Studien publiziert, die das Management und die Organisation der Polizei auf ho-
hem Niveau wissenschaftlich analysieren. Im Ergebnis bleibt der Forschungsstand
auf einem unbefriedigenden Niveau.
Die vorliegende Schriftenreihe, deren ersten Band der Leser gerade in den Händen
hält, soll dazu beitragen, diese Forschungslücke langfristig zu verkleinern, damit
ein zusammenhängendes, kohärentes, wissenschaftlich abgesichertes „Bild“ von
der Polizei entstehen kann. Im Mittelpunkt werden quantitative und qualitative
empirische Studien stehen, die sich mit den aktuellen Herausforderungen im Be-
reich Management und Organisation der Polizei beschäftigen. Diese werden
schwerpunktmäßig in den wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen angesiedelt
sein, wobei allerdings auch benachbarte Disziplinen wie die Arbeits- und Organi-
sationspsychologie, die Kommunikationswissenschaften, die Organisationssozio-
logie usw. eine wichtige Rolle spielen werden. Wie man an den Autoren der Bei-
träge im vorliegenden Band erkennen kann, sind die in dieser Reihe publizierten
Studien vorzugsweise von Personen durchgeführt worden, die zwar eine akademi-
sche Ausbildung, die aber auch tiefere Einblicke und möglichst praktische Erfah-
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
R. Ritsert und A. Vera (Hrsg.), Management und Organisation in der Polizei,
Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29053-5_1
8 Rolf Ritsert und Antonio Vera
rungen in polizeilichen Einrichtungen vorweisen können. Auf diese Weise soll si-
chergestellt werden, dass die neu generierten wissenschaftlichen Erkenntnisse
auch von praktischer Relevanz sind und dazu beitragen können, das Management
und die Organisation der Polizei tatsächlich zu verbessern.
Der vorliegende erste Band dieser Schriftenreihe umfasst fünf Beiträge.
Der erste Beitrag mit dem Titel „Nutzung und Motivationswirkung von Führungs-
und Steuerungssystemen in der Polizei, dargestellt am Beispiel ausgewählter Po-
lizeireviere in Baden-Württemberg“ von Markus Lehmann und Michael Evers un-
tersucht, wie Führungskräfte und Mitarbeiter das landesweit einheitliche, inte-
grierte Führungsinformationssystem FIS BW nutzen und welche Motivationswir-
kungen davon ausgehen. Mithilfe von qualitativen Experteninterviews und einer
quantitativer Onlinebefragung wird aufgezeigt, inwiefern die Verwendung von
Zielen und Kennzahlen als Steuerungsinstrument die Motivation der Akteure be-
einflusst und welche Auswirkungen organisationale und personale Rahmenbedin-
gungen auf das Nutzungsverhalten und die Motivation haben. Im Ergebnis zeigen
sich deutliche Unterschiede hinsichtlich der tatsächlichen und von den Führungs-
kräften wahrgenommenen Motivationswirkungen und des Nutzungsverhaltens der
Mitarbeiter. Die positiven Effekte, die nach Einschätzung der Leitungsebene vom
Einsatz von Zielen und Kennzahlen ausgehen, kommen bei der Mitarbeiterschaft
faktisch nicht an. Zur Überwindung dieses Dissenses und um die Motivationswir-
kungen und das Nutzungsverhalten hinsichtlich des Führungs- und Steuerungssys-
tems zu verbessern, werden zielgruppenorientierte, akzeptanz-, wissens- und ver-
ständnisfördernde Handlungsempfehlungen und Möglichkeiten diskutiert
Anschließend folgt ein Beitrag mit dem Titel „(De-)Zentralisierung in der Polizei-
organisation: Eine empirische Analyse am Beispiel der kriminalpolizeilichen Ana-
lyse und Auswertung im Deliktsfeld Cybercrime“. Der Autor, Florian Buchheit,
führt einen Organisationsstrukturenvergleich in den Polizeien zweier Bundeslän-
der im Tätigkeitsfeld der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung durch
und überträgt die dabei gewonnenen Erkenntnisse auf den Deliktsbereich Cyber-
crime. Dabei zeigt sich, dass keine bestimmte Organisationsstruktur besser geeig-
net für die Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung erscheint, da sich Vor-
und Nachteile bei beiden Organisationsformen ergeben. Die betrachteten Unter-
suchungsparameter stehen alle in enger Verbindung zueinander und beeinflussen
Einleitung 9
Die Autoren
Prof. Dr. Rolf Ritsert
Leiter des Fachgebiets „Betriebswirtschaftslehre – Public Management Polizei“
Deutsche Hochschule der Polizei
Münster
rolf.ritsert@dhpol.de
Inhaltsübersicht
1 Einleitung
2 Die Polizei Baden-Württemberg
2.1 Strukturierung
2.2 Umgang mit und Anwendung von Zielen und Kennzahlen
2.3 Das Führungs- und Steuerungssystem
2.4 Umsetzung im Polizeipräsidium Tuttlingen
3 Theoretische Grundlagen
3.1 Intrinsische und extrinsische Motivation
3.2 Inhalts- und Prozesstheorien
4 Zentrale Fragestellung und Hypothesen
5 Forschungsdesign und Datenerhebung
6 Auswertung der empirischen Daten
6.1 Auswertung der qualitativen Befragung
6.2 Auswertung der quantitativen Befragung
7 Darstellung der Ergebnisse der qualitativen Befragung
7.1 Organisationale Rahmenbedingungen
7.2 Einsatz/Wirkung von Zielen und Kennzahlen
7.3 Nutzungsverhalten bzgl. der Führungs- und
Informationssysteme
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
R. Ritsert und A. Vera (Hrsg.), Management und Organisation in der Polizei,
Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29053-5_2
12 Markus Lehmann und Michael Evers
7.4 Personelle Grenzen für die Nutzung von Zielen und Kennzahlen
8 Darstellung der quantitativen Ergebnisse
8.1 Soziodemographische Daten
8.2 Organisationale Rahmenbedingungen
8.3 Einsatz/Wirkung von Zielen und Kennzahlen
8.4 Nutzungsverhalten bzgl. der Führungs- und
Informationssysteme
9 Hypothesenbezug
9.1 Qualitative Befragung
9.2 Quantitative Befragung
9.3 Mixed Methods
10 Schlussbetrachtung und Ausblick
Literatur- und Quellenverzeichnis
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 13
1 Einleitung
1
Vgl. Preißler 2008: 3.
2
Ebd.: 4.
3
Vgl. Weber/Schäffer 2016: 210.
14 Markus Lehmann und Michael Evers
können. Durch die Festlegung von Zielen nimmt ein Unternehmen seine Definiti-
onsmacht wahr und zeigt sowohl nach innen als auch nach außen, wo die unter-
nehmerischen Schwerpunkte liegen. Die Zielfestlegung hat daher unmittelbare
Auswirkungen auf die Handlungsweisen der Führungskräfte und Mitarbeiter, die
ihre Arbeitsleistung den Vorgaben entsprechend ausrichten müssen.4
Die Art und Weise der Zielfestlegung sowie die Umsetzung der Ziele durch die
Führungskräfte haben erhebliche Auswirkungen auf die Motivation der Mitarbei-
ter und folglich auf deren Arbeitsleistung, die wiederum die Erreichung der Un-
ternehmensziele maßgeblich beeinflusst. Um eine hohe Motivationswirkung von
Zielen zu erreichen, müssen die Hintergründe und relevanten Einflussfaktoren
beleuchtet und analysiert werden. Diese finden sich insbesondere in den einschlä-
gigen Motivationstheorien. Mit welchem Interesse und mit welchem Engagement
eine Person die ihr obliegende Tätigkeit durchführt, hängt maßgeblich von der
Motivation des Einzelnen ab. Folglich steht der Unternehmenserfolg in direkter
Abhängigkeit von der Motivation der Mitarbeiter. Ziel jedes Unternehmens muss
es demzufolge sein, die optimale Motivationslage bei seinen Bediensteten auf
Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu schaffen.5
Die Polizei Baden-Württemberg sah sich um die Jahrtausendwende, spätestens
aber mit der zunehmenden Digitalisierung und der ständigen Erweiterung der Zu-
ständigkeiten und Kompetenzen mit einer Flut von zu verarbeitenden Daten kon-
frontiert. Eine Vielzahl von steuerungsrelevanten Informationen konnte nicht au-
tomatisiert genutzt und musste zeitaufwändig unter Einsatz erheblicher Ressour-
cen aufbereitet werden. Aufgrund dessen wurde mit Blick auf die Entwicklungen
in der freien Wirtschaft eine Adaption der dort eingesetzten Steuerungsinstru-
mente für die polizeilichen Zwecke geprüft.
Zur Steuerung der Polizei Baden-Württemberg wurde zum 15. September 2007 das
Führungsinformationssystem (FIS)6 implementiert, welches in der Lagesteue-
rungsrelevante Daten teilautomatisiert zu verarbeiten. In einem weiteren Schritt
wurde die Balanced Scorecard7 mit Beginn 2008 landesweit eingeführt.
4
Vgl. Ebd.: 70 f.
5
Vgl. Ehrlich 2003: 1.
6
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg 2010.
7
Vgl. Renter/Linsler 2007.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 15
Beide Systeme ermöglichten ab 2008 die Bildung und Ausweisung von Zielen und
deren Abbildung mittels Kennzahlen.
Die Einführung dieser neuen Steuerungsinstrumente erzeugte insbesondere bei der
Mitarbeiterschaft erhebliche Ressentiments. Trotz umfangreicher Schulungsmaß-
nahmen und Informationskampagnen bestehen –vor allem in den Basiseinheiten –
bis heute noch Vorbehalte hinsichtlich Nutzen und Umgang von/mit Zielen und
Kennzahlen. Ebenso sind noch erhebliche Umsetzungslücken, Akzeptanzprob-
leme sowie nicht ausgeschöpfte Potenziale in der Organisation zu erkennen und
zu erahnen.
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich deshalb auf die Identifizierung der mög-
lichen Potenziale, also konkret, wie sich Ziele und Kennzahlen mit Blick auf die
Motivationswirkung von Mitarbeitern auswirken und wie sich deren konkretes
Nutzungsverhalten darstellt. Dies soll einerseits aus der Perspektive der Mitarbei-
ter sowie aus Sicht der Führungskraft empirisch erhoben und hierdurch die fol-
gende Untersuchungsfrage beantwortet werden:
„Inwieweit können Unterschiede und/oder Gemeinsamkeiten bei den erzielten
Motivationswirkungen und beim Nutzungsverhalten von Kennzahlen und Zielen
mit Blick auf die Perspektiven von Führungskraft und Mitarbeiter identifiziert
werden?“
Es soll somit im weiteren Verlauf aufgezeigt werden, welche motivationale Wir-
kung die Verwendung von Zielen und Kennzahlen im Arbeitsalltag hat und wie
dies letztlich das Nutzungsverhalten der Führungs- und Informationssysteme be-
dingt. Insbesondere sollen dabei die jeweiligen Perspektiven der Mitarbeiter, also
der Endanwender, sowie die der Führungskräfte dargestellt werden, welche Ziele
und Kennzahlen als zentrale Steuerungshilfe einsetzten.
Zur Beleuchtung des konkreten Themenfeldes ist es erforderlich, eine ausführli-
che Literaturrecherche hinsichtlich relevanter motivationstheoretischer Ansätze
durchzuführen, die Einfluss auf die Akzeptanz und die Motivationswirkung von
Zielen und Kennzahlen haben können. Anhand dieser theoretischen Grundlagen
werden Hypothesen erstellt, die in der weiteren Bearbeitung Niederschlag im em-
pirischen Teil finden.
16 Markus Lehmann und Michael Evers
2.1 Strukturierung
Die Polizei Baden-Württemberg wurde zum 01.01.2014 in einem umfassenden
Reformprozess umstrukturiert und besteht seither aus zwölf regionalen Präsidien
sowie vier Spezialpräsidien, die dem Innenministerium/Landespolizeipräsidium
nachgeordnet sind. Den regionalen Präsidien obliegen die generellen Zuständig-
keiten für polizeiliche Aufgaben. Den Spezialpräsidien kommt eine unterstützende
Funktion in den Bereichen Aus- und Fortbildung, Einsatzunterstützung, techni-
sche/organisatorische Bündelung sowie Ermittlungsunterstützung zu.8
8
Vgl. Polizei Baden-Württemberg 2018.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 17
9
Vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2018
18 Markus Lehmann und Michael Evers
10
Renter/Reubold/Wagner 2008: 190.
11
Vgl. Hoffmann 2017: 6.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 19
12
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg 2010.
13
Vgl. Hoffmann 2017: 6.
14
Vgl. Ebd.: 6.
15
Vgl. Hoffmann 2017: 7 ff.
20 Markus Lehmann und Michael Evers
3 Theoretische Grundlagen
16
Vgl. Comelli/von Rosenstiel/Nerdinger 2014: 10.
17
Vgl. Ebd.: 11.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 21
18
Weinert 2004: 190.
19
Weinert 2004: 205.
20
Vgl. Ehrlich 2003: 34.
21
Vgl. Weinert 2004: 197.
22 Markus Lehmann und Michael Evers
22
Vgl. Lawler III 1973: 105 ff.
23
Nerdinger 1995: 43.
24
Vgl. ebd.: 42 f.
25
Ehrlich 2003: 37.
26
Vgl. Weinert 2004: 198.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 23
27
Ehrlich 2003: 104.
28
Weinert 2004: 205.
29
Vgl. Nerdinger 1995: 95.
30
Vgl. Weinert 2004: 207.
24 Markus Lehmann und Michael Evers
31
Ehrlich 2003: 105.
32
Vgl. Beckmann/Heckhausen 2010: 139 f.
33
Weinert 2004: 215.
34
Vgl. Weber/Schäffer 2016: 74.
35
Vgl. Weinert 2004: 216.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 25
Werden die Vorgaben als herausfordernd angesehen, steigt das Leistungs- und An-
spruchsniveau hingegen an.36 Bei weiterhin steigenden Vorgaben wird das An-
spruchsniveau jedoch nicht Schritt halten können und hinter dem Vorgabenniveau
zurückbleiben. Gleiches ist beim Leistungsniveau zu beobachten. Zwar werden
durch die hochgesteckten Ziele weiterhin positive Anreize für die Mitarbeiter ge-
setzt, jedoch nur solange, bis die beginnende Überforderung überbordend wird und
Entmutigung einsetzt. Die Folge ist ein starker Leistungsabfall.37
Um für die Mitarbeiter Handlungssicherheit zu schaffen, sind Ziele möglichst
exakt zu formulieren. Die erwarteten Ziele dürfen keine Zweideutigkeiten und
Handlungsspielräume zulassen, da ansonsten die Gefahr von Motivationsminde-
rung und Minder- bzw. Fehlleistungen besteht. Lassen Ziele die Möglichkeiten für
Interpretationen offen, werden diese Spielräume ausgeschöpft, gegebenenfalls
entgegen der eigentlichen Zielintention.38
Zur Umsetzung der Unternehmensziele ist Zielakzeptanz durch die Mitarbeiter
unerlässlich. Je höher die Zielakzeptanz ist, desto mehr Engagement der Mitarbei-
ter wird bei der Zielverwirklichung vorhanden sein. Die Motivationswirkung
hängt hierbei auch maßgeblich von der Art und Weise ab, wie das Ziel zustande
gekommen ist. In einem partizipativen Prozess mit den Mitarbeitern gemeinsam
festgelegte Ziele entfalten eine höhere Leistungsbereitschaft als reine Vorgaben
der Leitungsebene. Dies hat auch zur Folge, dass Ziele, deren Erreichbarkeit ins-
besondere externen Einflüssen zugeschreiben wird und die augenscheinlich selbst
nicht beeinflusst werden können, eine geringere Motivationswirkung entfalten
(externe Kontrollüberzeugung). Ziele, deren Verwirklichung hingegen der eige-
nen Kontrolle unterliegen, erzeugen eine interne Kontrollüberzeugung und fördern
die Zielakzeptanz.39
Direkt anschließend an die Zielakzeptanz ist noch die Verpflichtung zum Ziel als
erfolgskritischer Faktor zu beleuchten. Locke und Latham beschreiben, dass die
Verpflichtung der Ziele nur gegeben ist, wenn eine Verbindlichkeit der Vorgaben
wahrzunehmen ist. Ist es ohne Konsequenzen, ob die vereinbarten Ziele erreicht
36
Vgl. Brunstein/Heckhausen 2010: 177.
37
Vgl. Weber/Schäffer 2016: 75 f.
38
Vgl. Weber/Schäffer 2016: 77.
39
Vgl. Ebd.: 76.
26 Markus Lehmann und Michael Evers
werden oder nicht, besteht die Möglichkeit, dass die Mitarbeiter aus den mangeln-
den Konsequenzen eine mangelnde Wichtigkeit der Ziele folgern und die Bestre-
bungen zur Zielerreichung reduzieren.40 Ist die Verpflichtung hingegen von Seiten
der Unternehmensführung zu hoch, kann es zu dysfunktionalen Verhaltensweisen
kommen, die zur Erreichung der eigentlich angestrebten Ziele hinderlich sind. Ma-
nipulationen der Messgrößen sowie negative Gruppenphänomene wie soziales
Faulenzen oder Trittbrettfahren sind hier durchaus anzutreffen.41
Die Erfahrungen im Umgang mit der Goal-Setting-Theory zeigen, dass durch
Ziele Motivationspotentiale stimuliert und gefördert sowie Verhalten gelenkt wer-
den kann. Zudem dienen Ziele als wichtige Orientierungshilfe sowie als Kontrol-
linstrument für Mitarbeiter und Führungskräfte eines Unternehmens.
40
Vgl. Ebd.: 77.
41
Vgl. Ebd.: 78 f.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 27
Ziele von Motivation sind nach Nerdinger einerseits die im Fokus stehende Stei-
gerung der Leistung sowie die Erhöhung der Arbeitszufriedenheit,42 wobei die Zu-
friedenheit der Mitarbeiter aus ethischen Gesichtspunkten als auch aus unterneh-
merischer Sicht anzustreben ist.43
Zur Beantwortung der Forschungsfrage sind entsprechende Hypothesen als Ver-
mutungen der zu prognostizierenden Ergebnisse der empirischen Untersuchung
erforderlich. Diese auf Grundlage von theoretischen Erkenntnissen erstellten Hy-
pothesen sollen empirisch bestätigt oder widerlegt werden.
Unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen wurden die Hypothesen I
bis III identifiziert, die Auswirkungen auf die motivationale Wirkung von Zielen
und Kennzahlen und folglich auf das Nutzungsverhalten der Führungs- und Infor-
mationssysteme haben können.
Hypothese I:
Die Ausgestaltung des Arbeitsumfeldes (räumliche Unterbringung/Ausstat-
tung/Arbeitsklima/Führungsverhalten) unter Berücksichtigung der entsprechen-
den Grundbedürfnisse wirkt motivationsauslösend. Ziele und Kennzahlen stellen
hierbei extrinsische Anreize dar, die zu Motivation führen können.
Hypothese II:
Ziele und Kennzahlen wirken unter Beachtung der Erfordernisse und theoreti-
schen Grundlagen bei der Ausgestaltung und konkreten Anwendung motivations-
steigernd und führen so zu Verhaltensänderungen.
Hypothese III:
Die festgelegten Ziele und Kennzahlen der Organisation sind den Mitarbeitern
umfassend bekannt und deren Erfüllungsstände sind ausschlaggebend für die Aus-
richtung ihres Handelns.
42
Vgl. Vera 2015: 36 f.
43
Vgl. Nerdinger 2008: 105.
28 Markus Lehmann und Michael Evers
44
Vgl. Kuckartz 2014: 52.
45
Ebd.: 28.
46
Vgl. Ebd.: 72 ff.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 29
47
Vgl. Ebd.: 28.
48
Vgl. Hopf 1995: 177.
49
Vgl. Lamnek/Krell 2016: 191.
50
Mayring 2015: 114.
30 Markus Lehmann und Michael Evers
51
Vgl. Müller-Benedict 2011: 71.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 31
52
Anmerkung: Wie durch die Formatierung herausgestellt, handelt es sich hierbei und bei den
folgenden Zitaten um ein wörtliches Zitat aus den transkribierten Experteninterviews.
32 Markus Lehmann und Michael Evers
b) Leistungsvergleich/extrinsische Anreize
„Wir werden es nicht schaffen die Kollegenschaft zu einem zielge-
richteten Arbeiten zu führen, wenn wir hier nicht in der Lage sind
auch zum Teil zu unterscheiden, zu messen, aber auch mit entspre-
chenden Rückmeldungen zu arbeiten.“
Zu den organisationalen Rahmenbedingungen gehört auch die führungsseitige
Einordnung der Leistung von einzelnen Mitarbeitern im Vergleich zu anderen. Zur
möglichst objektiven Bewertung der eigenen Leistung benötigen die Mitarbeiter
entsprechende Rückmeldungen von ihren Vorgesetzten. Hierzu bedarf es formel-
ler und informeller Mechanismen in der Organisation. Nur durch diese verglei-
chende Betrachtung kann sich der Mitarbeiter seiner Stärken und Schwächen be-
wusstwerden und sich entsprechend weiterentwickeln. Dies stellt auch einen nicht
zu unterschätzenden motivationalen Anreiz dar.
„Ich glaube aber auch, dass es tatsächlich Anreiz für viele Kollegen
ist, die eigene Position in dieser engeren Bezugsgruppe z. B. in einer
Dienstgruppe zu erreichen. Die Kollegen sind sich denke ich schon
relativ genau bewusst, wo ihre Stärken und Schwächen liegen und
haben ihre soziale Position erobert, die sie eigentlich dann auch
gern beibehalten wollen.“
Durch die systematische Beurteilung und Bewertung der Leistungen der Mitarbei-
ter entsteht im Laufe der Zeit ein offizielles Hierarchiesystem, das unter anderem
für die Vergabe von Beförderungen oder sonstigen Anreizen herangezogen wird.
Gleichzeitig wird auch im Kollegenkreis die Leistung anderer wahrgenommen
und eingeordnet, so dass neben der offiziellen Rangfolge ein subjektives Ranking
entsteht. Die Mehrzahl der Mitarbeiter wird bestrebt sein, in beiden Systemen kon-
tinuierlich aufzusteigen und so Wertschätzung und Anerkennung zu erfahren. Dies
erfordert von Seiten des Mitarbeiters Leistung, die anerkannt wird (beispielsweise
die Erfüllung von Zielen und Kennzahlen).
„Da haben diese intrinsischen Anreize durchaus einen längerfristi-
gen und auch nachhaltigeren Effekt als dies extrinsische Anreize
tun. Allerdings würde ich sagen man darf nicht auf diese extrinsi-
schen Anreize verzichten, weil ohne diese Anreize, geht’s auch
nicht.“
34 Markus Lehmann und Michael Evers
entierte Aufgabenzuweisung ist daher nur sehr eingeschränkt möglich. Der proak-
tive Aufgabenbereich lässt hingegen deutlich mehr Spielraum bei der Aufgaben-
verteilung. Eine Vielzahl von Zielen und Kennzahlen wie beispielsweise im Be-
reich Verkehr und Prävention sind insbesondere auf proaktives Vorgehen der Po-
lizei ausgerichtet.
Hier können die vorhandenen Fähigkeiten und Neigungen der Mitarbeiter hervor-
ragend für die Zielerreichung eingesetzt werden. Die Erreichung der gesetzten
Ziele wird umso einfacher zu realisieren sein, wenn diese vornehmlich von Perso-
nen bearbeitet werden, die an der Aufgabenerfüllung Freude haben und gerne
diese Aufgaben übernehmen. Wie durch die Experten beschrieben ist eines der
gängigsten Beispiele die Bekämpfung von Drogen im Straßenverkehr. Der ge-
zielte Einsatz von Mitarbeitern, die in diesem Bereich geschult und interessiert
sind, wird sich positiv auf die Zielerreichung auswirken. Wird die gleiche Person
entgegen ihrer Fähigkeiten und Neigungen zur Durchführung von Präventionsver-
anstaltungen an Schulen verpflichtet, wird das Ergebnis mit großer Wahrschein-
lichkeit nicht die gewünschte Qualität haben.
Die Orientierungsfunktion von Zielen und Kennzahlen ist für eine landesweit agie-
rende Organisation wie die Polizei ein wesentlicher Bestandteil zur Gewährleis-
tung einheitlicher Aufgabenerfüllung und Qualitätsstandards. Durch die prinzipi-
ell einheitliche Ausrichtung aller Organisationseinheiten sind ein direkter Aus-
tausch und ein gegenseitiges Lernen von anderen Einheiten möglich und sinnvoll.
Diese grundsätzlich deckungsgleiche Ausrichtung ermöglicht es den Mitarbeitern
beispielsweise beim Wechsel des Arbeitsplatzes vertraute Strukturen und be-
kannte Prozesse vorzufinden. Dieser Umstand schafft bei den Mitarbeitern Sicher-
heit und zeigt deutlich auf, dass die Polizei einen gemeinsamen Weg beschreitet
und gemeinsame Ziele verfolgt.
„Aufgabe der nachgeordneten Führungskräfte ist es aber dann die-
sen Zielerreichungsprozess schlussendlich positiv zu begleiten und
die Motivation eben in den Dienstgruppen, in der Organisationsein-
heit dann auch zu vermitteln, so dass die Orientierungsfunktion der
Ziele zum Tragen kommt.“
„Sie sind so ein wenig der Orientierungsrahmen und setzen so quasi
die Leitplanken fest und signalisieren den Mitarbeitern auch was ist
denn in der Zeit wichtig und was ist unwichtig.“
Die Orientierungsfunktion, die auf Landesebene durch gemeinsame Zielsetzungen
gewährleistet wird, findet sich auch in den kleinsten Organisationseinheiten.
Durch die transparente Darstellung der Ziele und Kennzahlen ist jedem Mitarbei-
ter die grundsätzliche Ausrichtung bekannt. Anhand dieser Vorgaben hat der Mit-
arbeiter die Möglichkeit, eine Priorisierung seiner Aufgaben vorzunehmen und so
sein Handeln zielgerichtet zu gestalten. Durch klare Ziele und Vorgaben wissen
die Mitarbeiter stets, was von ihnen erwartet wird und diese Gewissheit gibt Si-
cherheit bei der täglichen Aufgabenerfüllung. Ohne das Ziel zu kennen, kann der
richtige Weg nicht eingeschlagen werden.
b) Selbstverwirklichung/Verantwortung
„Sie (Ziele und Kennzahlen: Anm. des Verfassers) bilden vielmehr
den Rahmen und den Orientierungsrahmen für den Bereich unserer
Tätigkeit, der eben nicht fremdbestimmt, sondern selbstbestimmt
ist.“
Das Führen mit Zielen und Kennzahlen erlaubt den Mitarbeitern in weiten Teilen
ein selbstbestimmtes Arbeiten. Das Ergebnis wird durch die vereinbarten Werte
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 37
vorgegeben, doch der Weg dorthin kann von den einzelnen Mitarbeitern grund-
sätzlich frei gewählt werden. Dies erlaubt dem Einzelnen seine eigenen Ideen und
Vorstellungen einzubringen und so dem Zielerreichungsprozess seine ganz per-
sönliche Note zu verleihen. Diese Art des Handelns überträgt zudem die Verant-
wortung für das Erreichen der Ziele und Kennzahlen auf die Akteure und lässt die
Ziele und Kennzahlen nicht mehr als anonyme Größen erscheinen, sondern als
individuelle, von jedem Mitarbeiter beeinflussbare Werte.
„Im Rahmen der Auftragstaktik ist es eine sehr praktische Sache. Es
gibt auch nochmal die Möglichkeit Schwerpunkte zu setzen und ich
denke trotzdem, dass man mehrere Kennzahlen bringen muss und
daher ein zu starker Fokus auf einzelne „Steckenpferde“ bei den
Schichten vermieden werden sollte“
Wenn die organisationalen Rahmenbedingungen für die Arbeitsverteilung anhand
von Zielen und Kennzahlen geschaffen sind, kann deren Einsatz in Auftragstaktik
die beschriebenen Stärken der Mitarbeiter nutzen und hierdurch neue Motivati-
onspotentiale erzeugen. Die Übertragung von Aufgaben, welche die persönlichen
Merkmale der Mitarbeiter berücksichtigen und Freiraum zur Ausgestaltung lassen,
kann zu einem Höchstmaß an Zufriedenheit führen.
„Ich glaube schon, dass Ziele, die in Auftragstaktik vergeben wer-
den, nachhaltiger erreicht werden. Der Weg dorthin erfordert aber
eine größere Anstrengung seitens der Führungskraft, weil ich die
Rahmenbedingungen bieten muss, um im Sinne der Auftragstaktik
dann auch diese Ziele zu vergeben.“
„Ich denke es sind genügend Freiräume da. Es gibt die Möglichkeit
der Spezialisierung und ermöglicht es mir auch im Rahmen der Auf-
tragstaktik, diese Ziele herunterzubrechen und den Mitarbeiter zu
sagen, das sind die Ziele, macht was draus.“
Die dargestellten Vorzüge der Auftragstaktik in Bezug auf die auszuschöpfenden
motivationalen Potentiale stellen jedoch auch Anforderungen, insbesondere an die
Führungskräfte. Um dem Mitarbeiter die Möglichkeit zu geben, sich zu verwirk-
lichen, sind ein Vertrauensvorschuss sowie die Abgabe von Verantwortung not-
wendig. Die Führungskraft muss bereit sein, die Art und Weise der Zielerreichung
in die Hände des Mitarbeiters zu legen, in der Hoffnung/Erwartung, dass dieser
38 Markus Lehmann und Michael Evers
Eine Anpassung der Vorgaben durch die Führungskräfte ist durchaus angezeigt
und bei einer Korrektur nach ‚oben‘ unproblematisch möglich. Eine offizielle Re-
duzierung beispielsweise landesweiter Vorgaben gilt es mit Bedacht und nur in
Absprache mit den zuständigen Stellen durchzuführen. Solche Anpassungen der
Zielhöhe, die möglichst in einem partizipativen Verfahren mit der Belegschaft o-
der zumindest mit den nachgeordneten Führungskräften vorzunehmen sind, kön-
nen im Idealfall erhebliche Akzeptanz für das Vorgehen der Führungskraft erzeu-
gen.
„Das hinterlege ich bereits in diesem Zielvereinbarungsprozess,
dass wir eben auch keine Zahlen frisieren oder Zahlen schönen,
sondern dass wir in dem Zielerreichungsprozess ein Abbild unserer
Tätigkeit haben wollen und dass wir dies schlussendlich auch so ha-
ben wollen, wie es auch tatsächlich passiert.“
Wenn Ziele festgelegt werden, müssen diese führungsseitig auch hinsichtlich der
Erreichung überprüft werden. Ohne Verpflichtung zur Zielerreichung und spürba-
ren Konsequenzen bei Nichterreichung wird die Wichtigkeit des Ziels von den
Mitarbeitern in Frage gestellt. Die Mitarbeiter müssen zweifellos wissen, dass die
vorgegebenen Ziele verpflichtend umzusetzen sind, jedoch darf die wahrgenom-
mene Verpflichtung nicht übermächtig sein. Wird ein zu hoher Druck wahrgenom-
men, kann es zu dysfunktionalen Verhaltensweisen kommen, die der eigentlichen
Zielsetzung zuwiderlaufen. Manipulationen der Ergebnisse und die nach außen
hin scheinbare Erfüllung der Ziele und Kennzahlen könnten die Folge sein. Dies
führt zu einer völligen Verzerrung der Realität und konterkariert den gesamten
Zielerreichungsprozess.
„Wir müssen da auch eine fehlerverzeihende Kultur, eine gesunde
Fehlerkultur in der Organisation einfach leben und durchaus dann
mal kritisch analysieren, wenn wir mal was nicht erreichen oder
wenn mal was nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen. Eigene Feh-
ler auch eingestehen, aber immer mit dem Duktus der positiven Wei-
terentwicklung nach vorne.“
„Wenn Mitarbeiter mir eine saubere Erklärung liefern, warum die-
ses oder jenes Ziel nicht erreicht werden konnte und es ist nachvoll-
ziehbar, dann kann ich das akzeptieren. Dann ist mir dieses nicht
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 41
erreichte Ziel mit einer sauberen Erklärung lieber, als wenn ein Mit-
arbeiter mir nur die Zahlen liefert, weil er mir sie liefern muss und
die Zahlen sind geschönt.“
Um dysfunktionale Verhaltensweisen zu verhindern, obliegt es den Führungskräf-
ten, eine Atmosphäre zu schaffen, die einen konstruktiven Umgang mit Rück-
schlägen und Fehlern ermöglicht. Nach einhelliger Meinung der Experten ist ein
Nichterreichen von Zielen in begründeten Einzelfällen als unproblematisch anzu-
sehen. Jedoch besteht die begründete Erwartung, die Einflussfaktoren, welche eine
Zielerreichung unmöglich gemacht haben, klar zu benennen, um bei einer folgen-
den Analyse Lösungsansätze entwickeln zu können. Die Organisation muss in der
Lage sein, von Rückschlägen und Fehlern zu lernen und diese Erkenntnisse bei
der zukünftigen Zielsetzung zu berücksichtigen. In einer Organisation, die von
vertrauensvoller Zusammenarbeit und einer fehlerverzeihenden Kultur geprägt ist,
sind Mitarbeiter motivierter und eher bereit Verantwortung und Eigeninitiative zu
übernehmen.
e) Leistung honorieren
„Die Kopplung zwischen beruflichem Vorankommen und Beförde-
rungen ist aber noch durch andere Faktoren soweit außer Kraft ge-
setzt, dass die teilweise eine Rolle spielt, aber nicht nur. Da ist es
dann zum Teil wirklich kritisch. Wer nur immer die ganze Zeit lobt,
ich mache eine super Arbeit und woanders wird befördert, dass
rächt sich natürlich langfristig.“
„Ich würde sagen, dass der, der die Ziele erreicht, sicherlich eine
gewisse Wertschätzung erfährt, aber ob das tatsächlich immer mit
einer Beförderung zusammenhängt, da sind wir zu sehr fremdbe-
stimmt.“
Werden Ziele und Kennzahlen zur effizienten und effektiven Organisationssteue-
rung sowie zur Motivationssteigerung eingesetzt, muss die Leistung der Mitarbei-
ter entsprechend honoriert werden. Die Anerkennung von Leistung und die kon-
krete Belohnung sind jedoch differenziert zu sehen. Gründe für hervorragende Ar-
beitsergebnisse und ein hohes Maß an Zielerreichung können auf dem Wunsch
nach beruflicher Anerkennung, Beförderung oder monetären Zuwendungen beru-
hen. Diese extrinsischen Anreize sind in der Lage, motivationsfördernd zu wirken.
Aufgrund der organisationsbedingten Gegebenheiten der Polizei ist eine direkte
42 Markus Lehmann und Michael Evers
geben und thematisiert werden. Davon ist abhängig, inwieweit tatsächlich kon-
krete Auswirkungen der Informationsnutzung auf das Verhalten wahrnehmbar
sind.
b) Auswirkungen der Informationsnutzung
„Nur allein die Möglichkeit, ein System aufzurufen und dann zu se-
hen, dass ich im grünen Bereich bin, ich weiß nicht, ob mich das
motiviert. Da muss schon auch der Prozess dahinterstehen, der füh-
rungsseitig begleitet wird.“
„Ich denke die Controlling Systeme, die ändern da relativ wenig an
der Motivation von Zielen. Also die Motivation, diese Ziele zu errei-
chen, die muss schon von vorne herein da sein, weil man sagt, das
macht Sinn und ich sehe die Wirkung, die da dahintersteckt. Es
könnte sogar eher ins Gegenteil umschlagen, dass der ein oder an-
dere Mitarbeiter sagt, ich gucke mal in das Controlling System hin-
ein, ach ja, Ziel erreicht, ich lege jetzt mal die Füße hoch.“
Die bloße Erkenntnis, ob ein Ziel oder eine Kennzahl erreicht wurde und der Um-
stand, dass diese Ergebnisse Einfluss in die entsprechenden Controlling Berichte
finden, sind nach Ansicht der Befragten ohne große Bedeutung. Eine entspre-
chende Wirkung entfalten die Ergebnisse erst dann, wenn die Motivation zur Zie-
lerreichung bereits zuvor vorhanden war. Nur wenn die Ziele aus Mitarbeitersicht
sinnvoll, akzeptiert und von Führungsseite eine entsprechende Priorisierung er-
folgt ist, werden diese umgesetzt, was zur Folge hat, dass die konkreten Zielerrei-
chungsstände Relevanz entfalten. Bildlich gesprochen motiviert die ‚Rote Ampel‘
neben einer Kennzahl nur dann, wenn ich bestrebt bin, diese auf ‚Grün‘ zu stellen.
Dies erfordert wie im gesamten Zielerreichungsprozess die partizipative Einbin-
dung der Mitarbeiter als relevanter Faktor der Zielerreichung sowie der Organisa-
tionsleitung zur kontinuierlichen Darstellung und Erläuterung der Ziele und Kenn-
zahlen. Ohne eine kontinuierliche Begleitung des Zielerreichungsprozesses sind
die Ergebnisse bloße Zahlen, die, ohne Steuerungswirkung zu entfalten, schnell
wieder vergessen werden.
„Meine Erwartung wäre, dass sich zumindest die Ebene der DGL
öfters darum kümmert. Wenn man dann mal nachfragt, ist es dann
so, dass man darauf verwiesen wird, dass es dann ab und zu ge-
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 45
macht wird oder auch gar nicht. Ich kann da jetzt aber keinen Zu-
sammenhang zwischen dem Erreichen von den Zielwerten oder
Kennzahlen erkennen oder nicht.“
„Die Erfüllungsstände werden berücksichtigt. Das ist so. Es ist al-
lerdings auch so, dass sag ich mal, dass die Kollegen, die jetzt ihre
Zahlen sehr gut bringen, in der Regel nicht nachlassen, nur, weil
man jetzt schon eine Übererfüllung hat.“
Diese Aussagen zeigen auf, dass in Bezug auf die Nutzung der Informationssys-
teme und die daraus resultierenden Folgen keine klare Tendenz abzuleiten ist.
Teilweise erfolgt eine Beachtung der Zielerreichungsstände, jedoch meist nur auf-
grund der persönlichen Einstellung der Mitarbeiter. Insbesondere eine Umorien-
tierung nach Erfüllung eines Zieles/einer Kennzahl auf Bereiche mit Defiziten
scheint ohne Impuls der Organisationsleitung schwierig. Dies könnte mit Blick auf
die persönlichen Fähigkeiten und Interessen erklärt werden, da eine Bearbeitung
von vertrauten Sachverhalten einfacher erscheint als die Befassung mit neuen The-
men (Problematik der Spezialisierung). Eine bewusste und gewollte Ausrichtung
des Arbeitsverhaltens an den Erfüllungsständen der Ziele und Kennzahlen scheint
daher nicht gegeben bzw. nicht erkennbar.
„Der ein oder andere Mitarbeiter kann das Ziel, dass jetzt noch of-
fen ist, vielleicht gar nicht von sich aus verfolgen. Wenn ich im Be-
reich „Alkohol“ auf grün bin und im Bereich „Drogen im Straßen-
verkehr“ noch deutlichen Optimierungsbedarf habe und der Mitar-
beiter, der das erkennt, aber allein aufgrund der fachlichen Aspekte
überhaupt nicht in der Lage ist, dieses Ziel zu erfüllen, dann ist es
nur bedingt im täglichen Dienst möglich, darauf steuernd einzuwir-
ken.“
Neben der willentlichen Verhaltensausrichtung bei der Zielerreichung sind jedoch
auch noch die tatsächlichen Möglichkeiten der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Ge-
nerell muss davon ausgegangen werden, dass die bei der Polizei festgelegten Ziele
und Kennzahlen von allen Mitarbeitern der Organisation, je nach Arbeitsgebiet
mehr oder weniger, erfüllt werden können. Ein Scheitern der Zielerreichung auf-
grund von fehlenden Fähigkeiten ist prinzipiell organisationsseitig auszuschlie-
ßen.
46 Markus Lehmann und Michael Evers
„Bei der momentanen Situation glaube ich, dass man mit den vor-
handenen Ressourcen vorsichtig umgehen muss. Im praktischen
Dienstbetrieb ist es tatsächlich so, dass ein großer Anteil des Orga-
nisationsaufwandes dafür betrieben wird, die Dienstgruppen und
den Polizeiposten am Laufen zu halten.“
„Herausfordernd sind die Kennzahlen und Ziele insbesondere der-
zeit in der Landespolizei Baden-Württemberg, aufgrund der Perso-
nalknappheit und der Talsohle. Daraus ergeben sich natürlich
Problemstellungen, die wieder auf die Akzeptanz der gewählten
Ziele zurückspiegeln.“
Die Fokussierung auf Ziele und Kennzahlen nimmt nach Aussage der Experten
ab, wenn die Bewältigung der täglichen Aufgaben nahezu die gesamten Ressour-
cen bindet. Die vornehmliche Aufgabe der Polizei ist die Abwehr von Gefahren
sowie die Bekämpfung von Straftaten. Entsprechende Einsatzlagen sind folglich
sofort und ohne Aufschub zu bearbeiteten, so dass die Sicherheit des Bürgers ge-
währleistet wird. Werden in Zeiten der hohen Einsatzbelastung nun von Seiten der
Führung noch Ziele und Kennzahlen priorisiert bzw. eingefordert, kann dies zu
erheblichen Akzeptanzproblemen führen. Das Selbstverständnis des ‚Polizeibe-
amten der Straße‘, der seine Tätigkeit oftmals nicht nur als Beruf, sondern als Be-
rufung wahrnimmt, sieht die Lösung von akuten Problemen als oberste Priorität
und nicht die Erfüllung von teils abstrakten Zielen und Kennzahlen. Eine Ziel-
wertfestlegung, die aufgrund der Rahmenbedingungen nicht erreichbar ist und
eine gleichzeitig hohe Verpflichtung zum Ziel können zu erheblich negativen Aus-
wirkungen führen. Resignation, Demotivation, Akzeptanzverlust und gegebenen-
falls dysfunktionale Verhaltensweisen könnten die Folge sein.
„Ja, es wäre nochmal interessant, eine ähnliche Untersuchung mit
einem anderen Personalkörper durchzuführen, weil ich glaube, dass
die Werte nochmal andere sein könnten, wenn wir mehr Luft für so-
was haben.“
Diese Aussage verdeutlicht nochmals die grundsätzlich positive Einstellung ge-
genüber den Führungs- und Steuerungsinstrumenten, die Ziele und Kennzahlen
bieten. In einer Organisation, die personell ausreichend aufgestellt ist und Ziele
und Kennzahlen folglich in adäquater Weise umgesetzt werden können, stellen
diese eine wichtige Komponente der strategischen Führung dar. Ebenso wurden
48 Markus Lehmann und Michael Evers
die in Teilen motivationsfördernden Wirkungen von den Experten erkannt und be-
rücksichtigt.
Dennoch gilt es, diese Aussagen kritisch zu beleuchten, da insbesondere bei be-
grenzten Ressourcen eine zielorientierte Aufgabenerfüllung von wesentlicher Be-
deutung ist. Durch eine strategische Ausrichtung der Ziele und Kennzahlen sollen
beispielsweise zukünftige Problemstellungen vermieden werden. Dieser Grundge-
danke findet sich auch in der Prävention. Durch den proaktiven Einsatz von Res-
sourcen, beispielsweise durch sicherheitstechnische Beratung zur Prävention von
Einbrüchen, können die zukünftigen Einbruchszahlen und damit die Einsatzbelas-
tung der Polizei gesenkt werden. Ähnliche Beispiele lassen sich in allen polizeili-
chen Aufgabenbereichen finden. Jedoch entfalten diese proaktiven Bemühungen,
wenn überhaupt, meist erst auf lange Sicht die gewünschten Wirkungen. Daher ist
bei über längere Zeit andauernder akuter Überlastung durch nicht beeinflussbare
äußere Umstände (Einsatzlagen) die Aussetzung von strategischen Zielen, insbe-
sondere im Aufgabenfeld der Polizei als Ergebnis einer Güterabwägung eines
nicht mehr auszugleichenden Personalmangels, nachvollziehbar und alternativlos.
Zur Gewährleistung, dass das Lebensalter und die geleistete Dienstzeit einen er-
wartbaren Zusammenhang aufweisen und keine eklatanten Unterschiede aufgrund
einer theoretisch möglichen Häufung lebensälterer Berufseinsteiger beim Polizei-
präsidium Tuttlingen vorliegt, wurde zudem die Länge der Dienstzeit als Kontrol-
linstanz genutzt.
Die Ergebnisse in Abbildung 3 entsprechen im Wesentlichen der Altersverteilung,
so dass eine deutliche Korrelation zwischen Lebensalter und Länge der Dienstzeit
zu erkennen ist. Die maximale Abweichung von 3,96 % war in der Altersgruppe
der 36–45-Jährigen mit 23 Teilnehmern (22,77 %) in Relation zur Gruppe der 16-
25 Dienstjahren mit 27 Teilnehmern (26,73 %) festzustellen. Entsprechende Er-
gebnisse konnten auch bei der Detailbetrachtung der Gesamtheit der Führungs-
kräfte bzw. Sachbearbeiter festgestellt werden. Eine differenzierte Betrachtung
wäre in der Folge nicht zielführend und ohne weiteren Erkenntnisgewinn.
50 Markus Lehmann und Michael Evers
Große Relevanz mit Blick auf die Motivationswirkung von Zielen und Kennzahlen
wird hingegen der konkreten Tätigkeit der Teilnehmer zugeschrieben. Von insge-
samt 101 Befragten konnten 65 (64,36 %) als Sachbearbeiter und 36 (35,64 %) als
Führungskraft klassifiziert werden.
Die größte Zustimmung findet sich bei den Führungskräften über 45 Jahren, deren
Antwortverhalten einen Mittelwert von 5,94 bei einer neutralen Standardabwei-
chung von 1,00 aufweist. Insgesamt ist festzustellen, dass die Zustimmung bei den
über 45-Jährigen sowohl in der Gesamtbetrachtung als auch differenziert auf die
Tätigkeitsgruppen am höchsten ist.
Ein noch positiveres Bild zeichnet sich bzgl. der Frage zu Organisationsanreizen wie
Lob, Anerkennung, Beförderung oder Ausübung der gewünschten Tätigkeit ab. Insbeson-
dere bei der Gruppe der Sachbearbeiter sahen von 65 Befragten lediglich 4 Be-
fragte (6,16 %) keine oder eine neutrale motivationale Wirkung der genannten
Organisationsanreize. Die überwiegende Mehrheit von 61 Befragten (93,84 %)
antwortete überwiegend zustimmend (vgl. Abbildung 5). Dies wird verdeutlicht
mit einem Mittelwert von 6,34 und einer im neutralen Bereich liegenden Stan-
dardabweichung von 0,94. Nahezu deckungsgleiche Ergebnisse sind mit Blick auf
die Gesamtteilnehmer der Befragung festzustellen, auch hier ergaben die Antwor-
ten der 101 Befragten einen deutlich im zustimmenden Bereich liegenden Mittel-
wert von 6,29 bei einer Standardabweichung von 1,01.
52 Markus Lehmann und Michael Evers
(1,98 %). Dieses heterogene Ergebnis (SD 1,51) mit einem Mittelwert von 3,95 im
neutralen Bereich lässt keine Tendenz zu.
Der Blick auf die Altersgruppen hingegen lässt erkennen, dass bei den unter 25-
Jährigen ein Mittelwert von 4,77 und folglich im überwiegend zustimmenden Be-
reich ausgewiesen wird. Mit steigendem Alter verringert sich der Mittelwert über
4,13 bei den 26–35-Jährigen, 3,87 bei den 36–45-Jährigen bis zum Tiefststand von
3,53 bei den ältesten Befragten. Noch deutlicher ist diese Tendenz bei der Gruppe
der Sachbearbeiter zu erkennen. Die über 45-jährigen Sachbearbeiter stimmen ei-
ner Orientierungsfunktion von Zielen und Kennzahlen überwiegend nicht zu (MW
3,17).
Eine weitere These, die vertreten wurde, war, dass anspruchslose Ziele keinen
Reiz haben, anspruchsvolle hingegen motivierend auf die Mitarbeiter wirken.
Auch hier war aus den Antworten der Teilnehmer keine eindeutige Aussage abzu-
leiten. Sowohl bei Betrachtung der Gesamtteilnehmer als auch bei den Kategorien
Sachbearbeiter und Führungskräfte lagen die Mittelwerte im neutralen Bereich
(von 4,26 über 4,33 bis 4,44) bei gleichzeitig hohen Standardabweichungen von
1,46 bzw. 1,48.
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Frage, ob die Erreichung der Organisations-
ziele wichtig für die Mitarbeiter ist und deshalb konkreten Einfluss auf die Aus-
richtung der Tätigkeit hat. Bei den Gesamtteilnehmern zeigte sich eine klare Ten-
denz zur Mitte. Die Antwort teils teils wurde von 34 (33,66 %) Teilnehmern ge-
wählt. Überwiegend zustimmend antworteten 29 (28,71 %) hingegen überwiegend
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 55
nicht zustimmend 38 (37,62 %), so dass bei einem Mittelwert von 3,82 (SD 1,37)
ein neutrales Ergebnis festzuhalten ist. Ein ähnliches Antwortverhalten mit neutra-
len Gesamttendenzen und inhomogener Antwortvergabe ist in allen Unterkatego-
rien erkennbar. Einzig die Altersgruppe der über 45-jährigen Sachbearbeiter zeigt
ein differierendes Ergebnis. Mit einem Mittelwert von 2,83 (SD 1,25) wird ein-
deutig eine überwiegend nicht zustimmende Haltung ausgedrückt.
Abbildung 8: Ausrichten der Tätigkeit auf Basis von Organisationszielen (Filter Sachbearbeiter)
Ein weiterer Fragenkomplex umfasste die von Zielen und Kennzahlen ausgehen-
den Möglichkeiten zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Arbeitsgestal-
tung. Die Mitarbeiter wurden um Einschätzung gebeten, inwieweit der Weg zur
Zielerreichung Freiheiten einräumt, um eigene Ideen und Konzepte einzubringen.
In der Gesamtbetrachtung liegen die erhaltenen Werte (MW 3,95) allesamt im als
Neutral definierten Rahmen. Die errechnete Standardabweichung beträgt bei den
Gesamtteilnehmern 1,49 und kennzeichnete das Antwortverhalten wiederum als
heterogen. Bei Analyse der möglichen Unterteilungen hinsichtlich Tätigkeit und
Alter sind bei geringen Schwankungen nahezu gleiche Werte zu finden. Einzig die
Sachbearbeiter über 45 Jahren bilden abermals mit einem Mittelwert von 3,17 eine
Ausnahme und sehen bei der Zielerreichung keine Freiräume, die für mögliche
Eigeninitiative genutzt werden können und stimmen der Aussage folglich über-
wiegend nicht zu.
Die konkrete Abfrage, ob der Einsatz von Zielen und Kennzahlen selbstbestimm-
tes Arbeiten ermöglicht, ließ deutlich erkennen, dass diese motivationale Wirkung
56 Markus Lehmann und Michael Evers
von Zielen und Kennzahlen nicht wahrgenommen wird. 14 (13,86 %) wählten die
Antwort stimme gar nicht zu, 20 (19,80 %) stimme nicht zu, 22 (21,78 %) stimme
eher nicht zu, 24 (23,76 %) antworteten mit teils teils und lediglich 21 (20,79 %)
wählten eine in den verschiedenen Ausprägungen zustimmende Antwort. Dies
führt zu einem Mittelwert von 3,31, wobei wie bei den vorherigen Fragen eine
erhebliche Streubreite der Antworten festzustellen ist (SD 1,55). Am stärksten ist
diese ablehnende Haltung bei den Gruppen der Sachbearbeiter im Alter von 36–
45 Jahren und über 45 Jahren ausgeprägt.
Abbildung 9: Möglichkeit eines selbstbestimmten Arbeitens mit Hilfe von Zielen und Kennzahlen
Die partizipative Festlegung von Zielen und Kennzahlen stellt laut einschlägigen
Theorien einen wesentlichen Motivationsfaktor dar. Ist diese Beteiligung der Mit-
arbeiter nicht gegeben, ist eine Umsetzung der Organisationsziele erheblich er-
schwert. Die Auswertung macht deutlich, dass die Mitarbeiter sich bei der Festle-
gung von Zielen nicht beteiligt fühlen. Bei den Gesamtteilnehmern liegt der Mit-
telwert bei 2,69 und folglich deutlich im überwiegend nicht zustimmenden Be-
reich. Noch deutlicher zeigt sich das Antwortverhalten der Sachbearbeiter (MW
2,45 bei SD 1,39). Von 65 befragten Sachbearbeitern votierten 6 (9,23 %) für eine
zustimmende Antwort, 10 (15,38 %) für teils teils und 49 (75,39 %) stimmten der
Aussage nicht zu. Werden Ziele partizipativ festgelegt, erfolgt in diesem Prozess
ein Austausch von Ideen und Informationen, so dass die Ziele für alle Beteiligten
nachvollziehbar und akzeptiert werden. Dieser Umstand kann große Auswirkun-
gen auf die Motivationswirkung von Zielen und Kennzahlen haben.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 57
Ziele und Kennzahlen werden unter anderem deshalb festgelegt, um den Mitarbei-
tern eine klare Richtschnur für die Ausrichtung ihrer Tätigkeiten zu geben und
zudem die Messung des Organisationserfolges zu gewährleisten. Ziel der Organi-
sationsleitung ist es zweifellos, dass die gesetzten Vorgaben erfüllt werden. Doch
auch bei noch so pedantischer Planung der Arbeitsprozesse kann die Zielerrei-
chung nicht garantiert und unvorhergesehene Einflüsse nicht ausgeschlossen wer-
den. In diesem Zusammenhang ist es von großer Wichtigkeit, wie Vorgesetzte da-
rauf reagieren, wenn Ziele nicht erreicht werden. Dabei stellt sich die Frage: Kön-
nen begründete Erklärungen angebracht werden, oder wird die Verpflichtung zum
Ziel von den Mitarbeitern als so hoch empfunden, dass Ziele und Kennzahlen
wahrheitswidrig positiver dargestellt werden, als dies der Realität entspricht? Die
Gesamtteilnehmer bewerten die Akzeptanz von Vorgesetzten bei Zielverfehlung
im oberen neutralen Bereich (MW 4,46). Die befragten Führungskräfte stimmten
gar überwiegend zu (MW 4,61) und stellen in begründeten Fällen Akzeptanz bei
der Organisationsleitung fest, obwohl die Ziele nicht erreicht wurden. Abermals
kann eine große Streubreite in den Antworten der Teilnehmer festgestellt werden,
die sich in hohen Werten bei der Gesamtstandardabweichung (SD 1,41) nieder-
schlägt. Dieses offensichtlich vorhandene Verständnis bei Verfehlen der Ziele
führt dazu, dass keine Veranlassung gesehen wird, die Zielwerte wahrheitswidrig
zu beschönigen. Sowohl die Gesamtteilnehmer stimmen der Aussage überwiegend
nicht zu (MW 3,32) und deutlicher noch die befragten Führungskräfte. Der Aus-
sage, dass Ziele und Kennzahlen oftmals positiver dargestellt werden als dies der
Realität entspricht, stimmen lediglich 5 (13,88 %) eher zu bzw. zu, 11 (30,56 %)
wählten die Antwort teils teils und die restlichen 20 Führungskräfte votierten für
eine nicht zustimmende Antwortvariante.
58 Markus Lehmann und Michael Evers
Ein sowohl bei den Gesamtteilnehmern als auch bei den einzelnen Untergruppen
nahezu identisches Bild weisen die Antworten auf die Frage, ob der Einsatz von
Zielen und Kennzahlen bei der Organisationsführung/Steuerung motivationsför-
dernd wirkt, auf. Dieser Aussage wird insgesamt eher nicht zugestimmt, bei den
Gesamtteilnehmern liegt der Mittelwert bei 2,97 (SD 1,40). In Abbildung 11 ist
eine deutliche Bündelung der Antworten im ablehnenden Bereich zu erkennen.
Lediglich 15 (14,85 %) Teilnehmer sahen eine motivationsfördernde Wirkung und
stimmten überwiegend zu. Der negativste Mittelwert mit 2,17 (SD 0,99) war bei
den Sachbearbeitern über 45 Jahren festzustellen.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 59
Abbildung 11: Motivationsfördernde Wirkung durch Steuerung mit Zielen und Kennzahlen
Zusammenfassend können somit im Bereich Einsatz und Wirkung von Zielen und
Kennzahlen Aussagen zu folgenden Bereichen getroffen werden:
Bei der Zielfestlegung fühlen sich die Mitarbeiter überwiegend nicht
beteiligt.
Noch deutlicher wird die zustimmende Tendenz bei Betrachtung der befragten
Führungskräfte. Von den 36 Teilnehmern gaben lediglich 5 (13,89 %) die Antwort
teils teils, 4 (11,11 %) stimme eher zu, 19 (52,78 %) stimme zu und 8 (22,22 %)
stimme voll und ganz zu. Der Mittelwert von 5,83 bei einer neutralen Standardab-
weichung von 0,94 verdeutlicht dies zustimmende Ergebnis. Der am wenigsten Zu-
stimmung ausdrückende Mittelwert von 4,94 bei einer heterogenen Standardabwei-
chung von 1,21 konnte bei den über 45-jährigen Sachbearbeitern festgestellt wer-
den.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 61
Neben der reinen Kenntnis der Ziele und Kennzahlen der Organisation ist die
Möglichkeit, sich eigenständig über diese zu informieren, ein wesentlicher Faktor.
Diesbezüglich wird die regelmäßige Nutzung der vorhandenen Informationsquel-
len zur Abfrage der Zielerreichungsstände von den Befragten jedoch nicht als
selbstverständlich betrachtet. Das mit einer Standardabweichung von 1,82 überaus
heterogene Befragungsergebnis der Gesamtteilnehmer ist mit einem Mittelwert
von 3,57 noch im neutralen Bereich zu finden. Lediglich die Gruppe der über 45-
jährigen Führungskräfte weist mit einem Mittelwert von 4,75 ein überwiegend zu-
stimmendes Ergebnis aus. Bei der Gruppe der Sachbearbeiter kann hingegen be-
reits ein eher nicht zustimmendes Ergebnis festgestellt werden (MW 3,37). Wie in
Abbildung 13 dargestellt, ist bei den Sachbearbeitern ein überaus inhomogenes
Antwortverhalten festzustellen, wobei eine deutliche Häufung der Antworten im
überwiegend nicht zustimmenden Bereich zu finden ist. Insgesamt 38 (58,46 %)
der befragten Sachbearbeiter sehen es als nicht selbstverständlich an, sich regel-
mäßig über den Zielerreichungszustand zu informieren. 10 (15,38 %) sind unent-
schlossen und nur 17 (26,16 %) der Befragten sehen diese Notwendigkeit.
über alle sieben Stufen (SD 1,45). Von 101 Befragten stimmen 9 (8,91 %) gar
nicht zu, 20 (19,80 %) nicht zu, 13 (12,87 %) eher nicht zu und 31 (30,69 %) wähl-
ten die Antwort teils teils. Lediglich 21 (20,79 %) stimmen eher zu, 6 (5,94 %)
stimmen zu und 1 (0,99 %) Teilnehmer wählte stimme voll und ganz zu. Im Mittel-
wert ergibt sich mit 3,56 ein noch im neutralen Bereich liegendes Ergebnis.
Insgesamt betrachtet sind den Befragten demnach die Ziele und Kennzahlen
grundsätzlich bekannt und es stehen ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung,
sich über diese zu informieren; allerdings sehen es die Mitarbeiter grundsätzlich
nicht als selbstverständlich an, sich über die Zielerreichungsstände zu informieren
und ihr Handeln daran auszurichten. Auch kann kein unmittelbarer Zusammen-
hang zwischen der Nutzung der Führungs- und Informationssysteme und der Iden-
tifikation mit den dort abgebildeten Zielen und Kennzahlen erkannt werden. Diese
Aussagen verstärken sich bzw. schwächen sich ab, je nach Zusammenstellung der
Befragten hinsichtlich deren Alter und Tätigkeit.
64 Markus Lehmann und Michael Evers
9 Hypothesenbezug
Die Überprüfung von Hypothese I ergab bei beiden Methodensträngen eine Be-
stätigung. Diese Übereinstimmung belegt die Wichtigkeit der organisationalen
Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter, zudem wird dies in gleicher Weise durch
die Organisationsleiter bestätigt.
Bei Untersuchung von Hypothese II können mit Blick auf die Ergebnisse der qua-
litativen bzw. der quantitativen Datenerhebung erhebliche Unterschiede festge-
stellt werden. Die befragten Organisationsleiter gaben an, dass die Ziele und
Kennzahlen ihrer Wahrnehmung nach unter Berücksichtigung der theoretischen
Erfordernisse in der Anwendung motivationssteigernd wirken und sie die Mitar-
beiter hierdurch zu Verhaltensänderungen bewegen. Hypothese II wurde anhand
der qualitativen Daten verifiziert. Diese Einschätzung kann durch die quantitative
Datenerhebung nicht bestätigt werden. Aus Sicht der Mitarbeiter entfalten Ziele
und Kennzahlen weder durch ihre Ausgestaltung noch durch ihre konkrete Ver-
wendung eine entsprechende Motivationswirkung. Dieser fundamentale Dissens
zwischen der Einschätzung der Organisationsleiter und ihren Mitarbeitern kann
erhebliche Auswirkungen auf die tägliche Aufgabenwahrnehmung sowie die Ak-
zeptanz von Zielen und Kennzahlen haben. Diese Problemstellung gilt es weiter
zu präzisieren und durch geeignete Maßnahmen zu beheben.
Bei der Überprüfung von Hypothese III konnte wieder ein übereinstimmendes
Bild beider Methodenstränge erkannt werden. Sowohl die quantitative als auch die
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 67
vation haben. Hierfür gelte es jedoch, die Voraussetzungen einzuhalten, unter wel-
chen Ziele und Kennzahlen die erstrebten Wirkungen entfalten können. Nach Ein-
schätzung der Organisationsleiter können Ziele und Kennzahlen die dargestellten
positiven Wirkungen hervorrufen, da deren Einsatz zielgerichtet und unter Beach-
tung der theoretischen Voraussetzungen erfolgt. Zweifellos seien auch bei bester
Begleitung der Prozesse nicht alle Mitarbeiter von diesem Instrument zu überzeu-
gen, doch sei es möglich, den Großteil der Belegschaft durch den Einsatz von Zie-
len und Kennzahlen zu motivieren. Einen zentralen Aspekt stelle hierbei die Ver-
mittlung von Sinnhaftigkeit und von Akzeptanz der eingesetzten Ziele und Kenn-
zahlen dar. Dies werde durch eine Vielzahl von verschiedenen Instrumenten wie
regelmäßige Besprechungen, persönliche Gespräche, Instruktionen der Führungs-
kräfte und umfangreiche Begleitliteratur sichergestellt.
Diesem Ergebnis widerspricht jedoch die Analyse der quantitativen Befragung.
Obwohl im Bereich Einsatz und Wirkung von Zielen und Kennzahlen ein ausge-
sprochen heterogeneres Antwortverhalten festzustellen ist, können die Einschät-
zungen der Experten nicht bestätigt werden. Aus Sicht der Mitarbeiter, ausgenom-
men einzelne Untergruppierungen differenziert nach Alter und Tätigkeit, können
keine motivationssteigernden Aspekte durch den Einsatz von Zielen und Kenn-
zahlen erkannt werden. Dies zeigt überdeutlich auf, dass ein fundamentaler Dis-
sens zwischen den Einschätzungen der Organisationsleiter und ihrer Mitarbeiter
besteht. Die positiven Effekte, die nach Einschätzung der Leitungsebene dem Ein-
satz von Zielen und Kennzahlen zugeschrieben werden, kommen bei der Mitar-
beiterschaft faktisch nicht an. Die Gründe für diese unterschiedliche Wahrneh-
mung können anhand der durchgeführten Erhebung nicht abschließend identifi-
ziert werden. Aus Sicht der Mitarbeiter wurde jedoch deutlich formuliert, dass bei-
spielsweise eine partizipative Zielfestlegung nicht gegeben ist. Dies kann zu einer
grundlegenden Abneigung gegenüber Zielen und Kennzahlen führen, da diese
nicht als die eigenen und lediglich als aufgezwungene Größen wahrgenommen
werden, die es verpflichtend umzusetzen gilt. Wenn die grundlegende Akzeptanz
nicht vorhanden ist, werden Ziele und Kennzahlen nicht als sinnstiftend und mo-
tivationsfördernd angesehen. Dies wirkt sich unmittelbar auf den Wunsch zur Zie-
lerreichung aus und auf die Vehemenz, mit welcher die Ziele verfolgt werden.
70 Markus Lehmann und Michael Evers
Neben den dargestellten Problemstellungen kann zudem die aktuell defizitäre Per-
sonalsituation Auswirkungen auf die Akzeptanz von Zielen und Kennzahlen ha-
ben. Bei der Befragung der Experten im Rahmen der Interviews wurde dieser As-
pekt einhellig als relevante Einflussgröße dargestellt und als neue Kategorie in die
Auswertung aufgenommen. Im Gesamtkontext kann festgehalten werden, dass die
Mitarbeiter der Basisorganisationen die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung in
den Bereichen Strafverfolgung und Gefahrenabwehr priorisieren. Die Erfüllung
von Zielen und Kennzahlen wird hingegen in Zeiten knapper Ressourcen und
überbordender Aufgaben als unnötige Zusatzbelastung angesehen und vielfach ab-
gelehnt. Folglich ist das Vorhandensein eines ausreichenden Personalkörpers für
die Erreichung der festgelegten Ziele und Kennzahlen der Organisation, auch in
der Mitarbeiterschaft, ein wesentlicher Faktor. Nur wenn dieses Kriterium erfüllt
ist, scheint derzeit die notwendige Akzeptanz für die Verfolgung der augenschein-
lich weniger relevanten Ziele und Kennzahlen gegeben zu sein. Eine Veränderung
dieser Einstellung und die Generierung von flächendeckender Akzeptanz sowie
die Vermittlung von Wissen über die Möglichkeiten/Wirkungen von Zielen und
Kennzahlen sind bei den Mitarbeitern mittelfristig nur durch gezielte Aus- und
Fortbildung zu erreichen.
Im Bereich Nutzungsverhalten der Führungs- und Informationssysteme zeigten
beide Methodenstränge wieder übereinstimmende Ergebnisse. Sowohl von den
Experten als auch von den Mitarbeitern wurde deutlich gemacht, dass ausreichend
Informationen zu den Organisationszielen vorhanden bzw. zur eigenständigen
Lektüre zugänglich sind. Eine konkrete Verhaltensänderung unter Berücksichti-
gung der Zielerreichungsstände ist hingegen nicht festzustellen.
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Datenanalyse kann festgehalten wer-
den, dass sowohl Gemeinsamkeiten als auch erhebliche Unterschiede bei den er-
zielten Motivationswirkungen und beim Nutzungsverhalten von Kennzahlen und
Zielen identifiziert werden konnten. Die unterschiedliche Sichtweise von Mitar-
beitern und Organisationsleitung fällt beim Einsatz und der Wirkung der Instru-
mente besonders ins Gewicht, da dies als zentraler Bereich der Motivationsauslö-
sung angesehen wird. Ziel muss es daher sein, erkannte Problemstellungen, die
eine Motivationswirkung negativ beeinträchtigen, zu erkennen und zu beheben.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 71
Durch das Innenministerium erfolgt zukünftig lediglich eine jährliche Prüfung der
Festlegungen bzw. der Zielerreichung. Diese Entwicklung ermöglicht es den Prä-
sidien ihre Mitarbeiter weit intensiver als zuvor in den Zielbildungsprozess einzu-
beziehen und zu beteiligen. Diese Chance gilt es vor allem in Bezug auf die Akti-
vierung vorhandener Motivationspotenziale zu nutzen.
Die Autoren
Markus Lehmann, M. A.
Polizei Baden-Württemberg
Michael Evers, M. A.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Fachgebiet „Betriebswirtschaftslehre – Public Management Polizei“
Deutsche Hochschule der Polizei
Münster
75
Florian Buchheit
Inhaltsübersicht
1 Thematische Einführung
2 Organisationstheoretische Grundlagen
2.1 Organisation und Organisieren
2.2 Effektivität, Effizienz und Flexibilität
2.3 Aufbau-, Ablauf- und Prozessorganisation
2.4 Spezialisierung, Delegation, Koordination und Konfiguration
2.5 Organisationsstrukturenvergleich
3 Kriminalpolizeiliche Grundlagen
3.1 Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung
3.2 Cybercrime
4 Zielsetzung und Abgrenzung
5 Methodik
5.1 Untersuchungsform
5.2 Auswahl der Vergleichsorganisationen
6 Organisationsstrukturenvergleich
6.1 Begriffsverständnisse sowie Aufbau- und Ablauforganisation
6.2 Zwischenfazit
6.3 Auswirkungen (de-)zentraler Organisationsstrukturen
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
R. Ritsert und A. Vera (Hrsg.), Management und Organisation in der Polizei,
Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29053-5_3
76 Florian Buchheit
1 Thematische Einführung
„Wissen und Macht des Menschen fallen zusammen, weil Unkenntnis der Ursache
über deren Wirkung täuscht.”53 Die Macht des Wissens erkannte Francis Bacon
bereits im Jahr 1620. Diese historischen Überlegungen sind vor dem Hintergrund
einer fortschreitenden Wissensgesellschaft54 aktueller denn je. Bacon‘ s Erkennt-
nisse dienen zugleich als Metapher zur Beschreibung eines Jahrhunderts, in dem
das Wissen tradierte Ansichten der Managementlehre zur Bedeutung von Produk-
tionsmittel, Kapital und Rohstoffen überholen und so über Wohl und Wehe von
Staaten, Gesellschaften, Unternehmen und Individuen mitentscheiden sollte. 55
Dieser Prozess verknüpft sich heute mit weiteren gesellschaftlichen Megatrends
wie der Globalisierung und grenzenloser Mobilität56. Doch keines dieser Phäno-
mene verändert das Leben der Menschheit annähernd so wie die Digitalisierung.
Digital Natives, Internet of Things oder auch Internet of Everything sind Schlag-
worte, die dieses Phänomen trefflich beschreiben. So sind „[…] in der heutigen
dualen Welt […] die Ausschlag gebende reale Welt und die von ihr abhängige
digitale Welt durch Kommunikationsbeziehungen, Webdienste, E-Commerce und
Onlinebanking vielfach und eng miteinander verbunden.“57 Diese allgegenwärtige
Nutzung informationsverarbeitender Systeme und deren Verknüpfungen wirken
sich zweifellos auf viele Bereiche wie Bildung und Gesundheit positiv aus. Kehr-
seite dieser Entwicklung ist allerdings die Entstehung neuer Kriminalitätsformen
und die Übertragung tradierter Phänomene in den virtuellen Raum. Dabei reicht
die Nutzung informationstechnischer Systeme und des Internets als Tatmittel von
einfach gelagerten Betrügereien, über Erpressungen und staatsgefährdenden Straf-
taten bis hin zu DDoS-Angriffen oder dem Einsatz von Ransomware.58 Hierdurch
wird eine deliktische Unterscheidung zwischen Terrorismus, organisierter Krimi-
nalität und Cybercrime immer mehr zur Farce.
53
Bacon (2016).
54
Vgl. Poltermann (2013).
55
Vgl. Jänig (2004), S. 129 ff.
56
Vgl. Piepenbrink (2015).
57
Kochheim (2015), S. 2.
58
Vgl. BSI (2017), S. 15 ff.
78 Florian Buchheit
Eine zunehmend wichtige Rolle spielen die hierbei erzeugten digitalen Spuren. Sie
ergänzen klassische Spuren wie Fingerabdrücke und DNA-Spuren nicht nur, son-
dern generieren völlig neue Ermittlungsansätze. 59 Das Stichwort Big Data vereint
trefflich die Schwierigkeiten der Speicherung und Analyse großer Datenmengen,
die Geschwindigkeit der Datenerzeugung sowie die regelmäßig nicht vergleich-
und kombinierbaren Datenformate. 60 Die Sicherung, Aufbereitung und Auswer-
tung derartiger Daten ist aufgrund dynamischer Innovationszyklen – neben diver-
genten Nutzungsmöglichkeiten des Internets und IT-basierter Kommunikations-
netze durch Kriminelle – eine komplexe Herausforderung für die deutsche Poli-
zei.61
Die Tätigkeit der Auswertung gilt vor diesem Hintergrund unbestritten als ein
Kernprozess zur Erreichung polizeilicher Ziele, der sich ob der Komplexität zu
einer eigenen Profession fortentwickelt. Dieser in quantitativer und qualitativer
Hinsicht definierbare Auswerteprozess umfasst neben der Erhebung und Speiche-
rung der Daten auch den Bereich der Datenanalyse. Das Digitalzeitalter erfordert
zwischenzeitlich dynamische Anpassungen dieses Prozesses und eine stärkere Fo-
kussierung auf bestimmte Teilprozesse.
Bundesweit stehen somit kriminalpolizeiliche Analyse- und Auswerteprozesse auf
dem Prüfstand. Eine Neuausrichtung in diesem Bereich führt zu einem teils neuen
kriminalpolizeilichen Betätigungsfeld mit prognostisch hohen Sach- und Perso-
nalbedarfen. Angesichts dynamischer Umweltbedingungen, einem allgegenwärti-
gen Fachkräftemangel und begrenzten Ressourcen ergeben sich neben kriminal-
polizeilichen Kernzielen zwingend weitere Formalziele, wie ein effizienter Res-
sourceneinsatz.62
Die Erreichung dieser Ziele ist zuvorderst eine Frage des Organisierens und der
Organisation. Vor dem Hintergrund des in der Organisationstheorie gängigen in-
stitutionellen Organisationsbegriffs richtet sich der Fokus etwaiger Anpassungen
hierbei also auf die Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung als Teil des
Gesamtsystems Polizei.63 Hier geht es um die Frage, wie diese Aufgabe bewältigt
59
Vgl. Kunze (2018), S. 163 f.
60
Vgl. Trost (2015), S. 7 ff.
61
Vgl. Wernert (2017), S. 18.
62
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 14.
63
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 5.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 79
2 Organisationstheoretische Grundlagen
64
Schreyögg/Geiger (2016), S. 19.
65
Schreyögg/Geiger (2016), S. 18.
66
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 5.
67
Schreyögg/Geiger (2016), S. 5.
80 Florian Buchheit
68
Schreyögg/Geiger (2016), S. 8.
69
Vgl. Kosiol (1976), S. 28.
70
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 8 f.
71
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 441 ff.
72
Schreyögg/Geiger (2016), S. 442.
73
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 9.
74
Schreyögg/Geiger (2016), S. 10.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 81
dadurch auszeichnen, dass sie sich von der Umwelt abgrenzen kann.75 Dieses in-
stitutionelle Organisationsverständnis ermöglicht Perspektiverweiterungen auf
Bereiche, die im Bürokratiemodell unzureichende bzw. keine Berücksichtigung
finden, bspw. informale Aspekte und Dysfunktionen. Hieraus ergeben sich auch
Auswirkungen auf das Organisieren. Demnach versteht man heute unter Organi-
sieren „[…] eine Herstellungspraxis.“76
75
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 10 ff.
76
Schreyögg/Geiger (2016), S. 11.
77
Bea/Göbel (2010), S. 246.
78
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 10 f. und S. 246 f.
79
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 26 ff.
82 Florian Buchheit
80
Vgl. McFarlan (1999), S. 64 ff.
81
Vgl. Rid (2016), S. 4.
82
Scholz (2000), S. 69.
83
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 10 ff.
84
Bea/Göbel (2010), S. 12.
85
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 12 f.
86
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 13.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 83
87
Bea/Göbel (2010), S. 13.
88
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 14.
89
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 14.
90
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 15 f.
84 Florian Buchheit
werden zwar wesentliche Kritikpunkte an NPM und NSM offenbar, die sich auf
eine zu starke Binnenorientierung der Verwaltung und eine zu geringe Beteiligung
von Bürgern und Politik richten. Allerdings hat gerade diese Kritik dazu geführt,
dass sich ein neuer Entwicklungsansatz dieser Thematik annimmt: Good Gover-
nance.91 Grundsätzlich lassen sich hierunter Merkmale wie Beteiligung, Rechts-
staatlichkeit, Transparenz, ein adäquates Verantwortungsbewusstsein gegenüber
der Gesellschaft, Konsensdenken sowie Effektivität und Effizienz fassen.92
91
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 15 ff.
92
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 17.
93
Schreyögg/Geiger (2016), S. 25.
94
Schreyögg/Geiger (2016), S. 25.
95
Bea/Göbel (2010), S. 247.
96
Bea/Göbel (2010), S. 247.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 85
nach den Kriterien Verrichtung, Objekt, Phase, Rang und Zweckbeziehung zu ana-
lysieren.97 Das Ziel dieser Aufgabenanalyse ist demnach die detaillierte Beschrei-
bung aller Teilaufgaben, die erforderlich sind, um das Organisationsziel zu errei-
chen.98 Nach Kosiol ist das Ende des Analyseprozesses erreicht, wenn die Teilauf-
gabe nicht mehr sinnvoll auf verschiedene Personen aufgeteilt werden kann. „Eine
noch tiefergehende Zerlegung der Elementaraufgaben […], bis hin zu einzelnen
Handgriffen, erfolgt erst im Rahmen der Arbeitsanalyse, welche die Grundlage
der Arbeitsorganisation verstandenen Ablauforganisation bildet.“99 Die im Rah-
men der Aufgabenanalyse identifizierten Basisaufgaben müssen in der Ko-
siol‘schen Systematik innerhalb der Aufgabensynthese so zusammengeführt wer-
den, dass eine optimale Verteilung auf die fiktiven Aufgabenträger erreicht wer-
den kann.100 Während Kosiol keine stringente Trennung der Gliederungsmöglich-
keiten identifizierter Aufgaben fordert, setzen Bea und Göbel eine solche voraus:
„Bei der Synthese ist man gemeinhin bestrebt, ähnliche Teilaufgaben zusammen-
zufassen, um Spezialisierungsvorteile zu verwirklichen.“ 101
In Abhängigkeit der Arbeitsteilung gilt es, eine optimale Struktur zu formen. Die
erste zu bildende Verteilungseinheit heißt Stelle. „Eine Stelle ist die kleinste
selbstständig handelnde Organisationseinheit.“102 Die Stellenbildung erfolgt in
der Regel fiktiv und damit unabhängig von einem etwaigen Stelleninhaber.103 Eine
so geschaffene Stelle kann in Abhängigkeit ihrer Personenanzahl als (Einzel-
)Stelle oder Stellenmehrheit bezeichnet werden.104
Nach der klassischen Sichtweise der Organisationslehre schließt sich die Ablauf-
organisation als Arbeitsorganisation der Aufbauorganisation an, sodass die
nächste gestalterische Überlegung dem Vollzug der zuvor verteilten Aufgaben
97
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 29 ff.; Fiedler (2010), S. 11 ff.; Bea/Göbel (2010), S. 251
ff.; Kosiol (1976), S. 41 ff.
98
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 251 ff.
99
Bea/Göbel (2010), S. 253.
100
Vgl. Kosiol (1962), S. 81.
101
Bea/Göbel (2010), S. 254.
102
Bea/Göbel (2010), S. 264.
103
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 256 f.
104
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 263.
86 Florian Buchheit
gilt. Nach Kosiol erfolgt nunmehr eine Arbeitsanalyse, die nicht mehr nur die Ele-
mentaraufgaben berücksichtigt, sondern jede darin enthaltene Tätigkeit. 105 Letzt-
lich wird dieses noch diffizilere Analyseergebnis im Rahmen der abschließenden
Arbeitssynthese personellen, zeitlichen und räumlichen Parametern zugeordnet.106
Im Ergebnis offenbart die traditionelle Sichtweise einer Arbeitsorganisation aller-
dings deutlich nachvollziehbare Schwächen. Die künstlich vorgenommene Tren-
nung der Aufbau- und Ablauforganisation verlangt schließlich von den jeweiligen
Organisatoren, „[…] Struktur und Prozess, Aufbau und Ablauf […]“107 getrennt
voneinander zu bewerten.108
Folgerichtig rückt heute die Zusammenführung spezialisierter Aufgaben und kom-
plexer Teilprozesse in den Fokus der organisationalen Betrachtung.109 Ausgehend
von diesen Überlegungen entwickelt sich die Arbeitsorganisation zu einer Pro-
zessorganisation. Der Kerngedanke dieses modernen Verständnisses ist die Be-
wältigung komplexer und variabler werdender Aufgaben, die aufgrund eines he-
terogenen und dynamischen Organisationsumfeldes im Sinne einer Gesamtschau
bewertet werden müssen.110 Es gilt eine künstliche Zergliederung von Aufgaben,
damit einhergehende Schnittstellen, Informations- und Verantwortungsdefizite zu
vermeiden.111 Bea und Göbel verdeutlichen die Kernelemente einer Prozessorga-
nisation trefflich: „Zusammenhängende Verrichtungen sowie Denken und Han-
deln, Entscheiden und Ausführen sollen kundenorientiert zusammengefügt und ei-
nem Prozessverantwortlichen (bzw. einem Team) übertragen werden.“112 Eine so
verstandene Prozessorganisation vermag demnach die Ansätze zu vereinen, die
einer effektiven, effizienten und trotzdem flexiblen Organisation dienlich erschei-
nen. Als unmittelbare Konsequenz entwickelte sich die alleinige Arbeits- zu einer
komplexen Prozessanalyse (Schritt 1) fort, aus der „[…]ganzheitliche Arbeitsein-
105
Vgl. Kosiol (1962), S. 192 ff.
106
Vgl. Kosiol (1962), S. 212 ff.
107
Schreyögg/Geiger (2016), S. 35.
108
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 35 f.
109
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 25.
110
Vgl. Hammer/Champy (1994), S. 1 ff.
111
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 34 ff.; vgl. Bea/Göbel (2010); S. 259 f. und S. 406 ff.;
vgl. Vahs (2012), S. 242 ff.
112
Bea/Göbel (2010), S. 406.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 87
heiten oder Tätigkeitsfolgen mit möglichst klaren Anfangs- und Endpunkten abge-
leitet werden.“113 Schreyögg und Geiger verdeutlichen, dass diese Analyse in je-
dem Fall über „[…] die Art des Zusammenhangs zwischen den Verrichtungen (In-
terdependenzen), die Teilbarkeit der Prozesse und die Prozessunterbrechungskos-
ten“114 informieren muss. Nicht minder notwendig ist damit das Begriffsverständ-
nis in Bezug auf einen Prozess im Sinne der Organisationsgestaltung. Die Literatur
bietet eine schier unüberschaubare Anzahl an Prozessdefinitionen an. Nach Vahs
wird „[u]nter einem Prozess […] die zielgerichtete Erstellung einer Leistung
durch eine Folge von logisch zusammenhängenden Aktivitäten verstanden, die in-
nerhalb einer Zeitspanne nach bestimmten Regeln durchgeführt wird.“115 Hierun-
ter fallen die regelmäßig auf externe Kunden ausgerichteten Kernprozesse zur Er-
reichung des Leistungs- und Marktziels der Organisation sowie die regelmäßig auf
interne Kunden ausgerichteten Supportprozesse, die eben gerade die Kernprozesse
unterstützen und beispielsweise auf die Beschaffung von Personal und Sachmit-
teln ausgerichtet sind.116 Vahs erkennt darüber hinaus Innovationsprozesse, die
eben der Neuentwicklung von Produkten und deren Einführung dienen.117 Hierauf
folgt die Prozesssynthese (Schritt 2), mittels derer die vorab identifizierten Teil-
prozesse sinnvoll koordiniert werden. Auch diese neuere Sichtweise verzichtet
nicht auf eine Trennung von Aufgaben im Sinne einer Aufgabenteilung. 118 Die
Zuweisung der einzelnen Aufgaben zu den Stellen (Schritt 3) erfolgt unter Berück-
sichtigung der Prozesssynthese nach unterschiedlichen Kriterien.119
Das Prozessdenken gewinnt ebenso in öffentlichen Organisationen an Bedeu-
tung.120 Die frühere Struktursicht, welche Zuständigkeiten und Funktionen in den
Fokus rückte, weicht einer modernen Denkart, die interne und externe Kundenbe-
dürfnisse als Schwerpunkt anerkennt. 121 Im Sinne eines moderneren Prozessden-
kens könne den oft als verwaltungsimmanent und bürokratisch erkannten
113
Schreyögg/Geiger (2016), S. 35
114
Schreyögg/Geiger (2016), S. 36.
115
Vahs (2012), S. 233.
116
Vgl. Vera (2015), S. 44.
117
Vgl. Vahs (2012), S. 238 ff.
118
Vgl. Hach (2012), S. 72.
119
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 34.; vgl. Bea/Göbel (2010), S. 250.
120
Vgl. Stierle/Renter (2017), S. 719 ff.
121
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 201 ff.
88 Florian Buchheit
122
Thom/Ritz (2006), S. 285.
123
Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 51. und S. 285.
124
Bea/Göbel (2010), S. 289.
125
Bea/Göbel (2010), S. 289.
126
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 290 f.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 89
Aufgaben jeweiliger Stellen und Abteilungen. 127 Die Art der Spezialisierung be-
schreibt im Grundsatz die inhaltliche Erwartung an die Tätigkeit einer Stelle. So
kann eine Spezialisierung nach der Verrichtung, dem Objekt oder dem Rang er-
folgen. Im Rahmen der Verrichtungsspezialisierung werden Stellen mit jeweils
derselben Verrichtung, bspw. Bohren geschaffen.128 Bei der Objektspezialisierung
widmet sich das Organisationsmitglied der Bearbeitung eines gewissen Objektes,
bspw. eines Fahrrades oder einer Region. Bei der Objektspezialisierung liegt re-
gelmäßig ein geringerer Grad der Spezialisierung vor, da hier verschiedene Tätig-
keiten zusammengefasst werden.129 Eine Spezialisierung nach dem Rang liegt vor,
wenn diese an der Funktion des Stelleninhabers festgemacht wird. 130
Die Begrifflichkeit der Spezialisierung wird in der Literatur immer wieder durch
verschiedene Synonyme ersetzt, so z. B. durch den Begriff der Zentralisation. Ab-
hängig von der Übertragung gleichartiger Aufgaben auf eine Stelle liegt eine Zent-
ralisation vor. Werden diese jedoch auf mehrere Stellen verteilt, liegt eine Dezent-
ralisation vor.131
Vorteile der Spezialisierung sieht die Wissenschaft in einer Optimierung der Kos-
ten, einer erhöhten Produktqualität sowie nachvollzieh- und überprüfbaren Ver-
antwortlichkeiten.132 Unbestritten ist heute allerdings, dass Spezialisierung neben
Vorteilen auch Nachteile aufweist. Nach Bea und Göbel sei insbesondere der
durch die Spezialisierung geförderte einschränkende Blick auf die Gesamtzusam-
menhänge und die Entidentifikation vom Gesamtprozess infolge monotoner Ar-
beit problematisch. Schnittstellen- und Interdependenzproblematiken sowie die
damit notwendige Koordination würden hierdurch erhöht. 133 Letztlich laufen diese
angeführten Parameter einer humanen Ausrichtung der Arbeit, die den Arbeitneh-
mer erfüllen und sein Wissenspotential nutzen, diametral entgegen. 134
127
Vgl. Kieser/Walgenbach (2010), S. 72 f. und S. 93 f.
128
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 30.
129
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 292.
130
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 30.
131
Vgl. Fiedler (2010), S. 14 ff., Bleicher (1991), S. 49 ff.
132
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 290.; vgl. Kieser/Walgenbach (2010), S. 74 f.
133
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 291.
134
Vgl. Vahs (2012), S. 160.
90 Florian Buchheit
135
Vgl. Groß/Frevel/Dams (2008), S. 11 ff.
136
Vgl. Van Sluis/Ringeling/Frevel (2009), S. 12 f.
137
Vgl. Alkaya/Vera (2013), S. 56.
138
Vgl. Alkaya/Vera (2013), S. 56.
139
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 292.
140
Bea/Göbel (2010), S. 293.
141
Bea/Göbel (2010), S. 293.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 91
Zentralisation führt demnach eher zu einer Vielzahl von Über- und Unterord-
nungsverhältnissen und damit zu einer steilen Hierarchie. Dezentralisation be-
gründet regelmäßig weniger Über- und Unterordnungsverhältnisse und prägt eine
eher flache hierarchische Struktur aus.142 Im Ergebnis zeigen sich verschiedene
Vor- und Nachteile der Delegation. So kann Dezentralisation zur „Entstehung von
Kontrollproblemen, […] Überlastung und Überforderung der Mitarbeiter, […]
Demotivierung der Instanzen durch Macht und Statusverluste, […] Inkonsistenz
von Teilentscheidungen“143 führen. Andererseits können aber auch Motivation
und Flexibilität ansteigen, die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter gut
genutzt sowie eine Entlastung der hierarchischen Strukturen erreicht werden.144
Eine Übertragbarkeit der dargestellten Überlegungen zur Delegation auf die öf-
fentliche Verwaltung ist grundsätzlich denkbar. Aufgrund der Vielschichtigkeit
der Teilbereiche ist regelmäßig von einer Mischstruktur auszugehen. Bestimmte
Budget- und Personalentscheidungen können eine starke Zentralisation aufweisen,
wohingegen Entscheidungen hinsichtlich des Personaleinsatzes von Dezentralisa-
tion bestimmt sind. Die Wissenschaft erkennt für die öffentliche Verwaltung den
spezifischen Nachteil, dass die Erzielung eines höheren Entgeltes in der Regel nur
durch einen hierarchischen Aufstieg möglich ist, wodurch Motivationseinbußen
aufgrund fehlender Aufstiegsmöglichkeiten zu erwarten sind. Als vorteilhaft wer-
den demgegenüber Einsparpotenziale und eine Verkürzung des Dienstweges er-
kannt.145
Als eine spezifische Ausprägung wird neben der Delegation in der deutschen und
anglo-amerikanischen Polizeiliteratur die sog. Entscheidungsdelegation für den
Polizeibereich beleuchtet. So sei eine Polizeistruktur dann als zentralistisch einzu-
stufen, wenn Entscheidungen konzentriert getroffen werden und in der Folge in-
nerhalb des hierarchischen Systems nach unten weitergegeben werden. 146 In
Deutschland ist die Delegation fester Bestandteil des Kooperativen Führungssys-
tems der Polizei. Die Ausgestaltung der Delegation ist jedoch stark von der Füh-
rungskraft abhängig. Eine Untersuchung des kriminalistischen Forschungsinstituts
142
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 293 f.
143
Bea/Göbel (2010), S. 296.
144
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 296.
145
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 190 ff.
146
Vgl. Bayley (1985), S. 64 ff.
92 Florian Buchheit
Niedersachsens aus dem Jahr 2002 hat hervorgebracht, dass die Delegation von
Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung innerhalb der Polizei zu einer insge-
samt höheren Berufszufriedenheit beitragen kann. 147 Die Wissenschaft erkennt im
Zusammenhang mit Delegation bei der Polizei jedoch auch Gefahren. So weist
Scholz auf die zwingende Notwendigkeit zielorientierter Kontrollen hin. Dies vor
dem Hintergrund, dass im Gegensatz zu Forprofit-Organisationen, Instrumente
wie Boni und Strafzahlungen für die Umsetzung der übertragenen Kompetenzen
im Sinne des Leistungsziels der Organisation nicht zur Verfügung stehen.148
Die im Rahmen der Spezialisierung vorgenommene Aufgabenteilung führt zu un-
terschiedlichen Einzelaufgaben, die im Sinne der Gesamtzielerreichung auch wie-
der zusammengesetzt werden müssen. Wie bereits dargestellt, hat die Spezialisie-
rung maßgeblichen Einfluss auf die Schnittstellen in der Organisation und damit
auf die Notwendigkeit geringerer oder stärkerer Koordination.149 Unter „Koordi-
nation ist die Abstimmung von Einzelaktivitäten zu einer gemeinsamen Aufgaben-
erfüllung“150 zu verstehen. Die zur Verfügung stehenden Koordinationsmöglich-
keiten liegen einerseits darin begründet, dass die betroffenen Mitarbeiter sich un-
tereinander abstimmen oder dass diese Abstimmung von außen vorgenommen
wird. Im Grunde unterscheidet die Literatur zwischen Instrumenten der Fremdko-
ordination „[…] durch persönliche Weisung, […] durch Programme, […] durch
Pläne.“151 und der Selbstkoordination „[…] durch Selbstabstimmung, […] durch
Märkte, […] durch Unternehmenskultur, […] durch Professionalisierung.“ 152
Innerhalb der Polizeiorganisation zeigt sich sowohl eine Anwendung von Instru-
menten der Fremd- als auch der Selbstkoordination. Am Beispiel einer Verkehrs-
unfallaufnahme kann dies veranschaulicht werden. Die Tatsache, dass in einem
Bundesland Verkehrsunfälle verpflichtend aufzunehmen sind, ergibt sich aus der
Verkehrsunfallaufnahmerichtlinie (Fremdkoordination durch Programme). Nach
dem Eingang eines Kundenauftrags in Form einer Mitteilung über einen Verkehrs-
unfall bei einer Polizeiinspektion erfolgt regelmäßig die Beauftragung eines Strei-
147
Vgl. Ohlemacher et al. (2002). S. 70 ff.
148
Vgl. Scholz (2013), S. 6 ff.
149
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 297 ff.
150
Bea/Göbel (2010), S. 297.
151
Bea/Göbel (2010), S. 298.
152
Bea/Göbel (2010), S. 304.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 93
153
Bea/Göbel (2010), S. 311.
154
Fiedler (2010), S. 33 ff.
155
Schreyögg/Geiger (2016), S. 44.
94 Florian Buchheit
tion entscheidend, die Dezentralisation im Sinne der Delegation und das zur Ko-
ordination eingesetzte Mehrlinienprinzip. 156 Diese Objektspezialisierung bzw.
Objektzentralisation kann z. B. in Form von Produkten oder Regionen erfolgen.
Die Divisionen ihrerseits können sodann ab der dritten Hierarchieebene auch wie-
der nach Objekten oder aber nach anderen Parametern wie nach Verrichtungen
strukturiert werden.157 Trotzdem bleibt innerhalb der Divisionen die Notwendig-
keit bestehen, „[…], dass die erfolgswirksamen Verrichtungen in den Sparten an-
gesiedelt sein müssen.“158 Unteilbare Funktionen – regelmäßig sind diese Funkti-
onen aus Ressourcengründen bzw. wirtschaftlichen Überlegungen nicht teilbar –
werden in sogenannte Zentralbereiche gegliedert.159
Die Matrixorganisation ist geprägt von Mehrdimensionalität, vom Mehrliniensys-
tem und der Dezentralisation. Sozusagen ist die Matrixorganisation eine Ver-
schmelzung von funktionaler und divisionaler Formgebung.160
Die Organisationslehre hat über diese klassischen Organisationsmodelle hinaus-
gehende Überlegungen zu einer modernen Weiterentwicklung organisatorischer
Strukturen angestellt. In diesem Zusammenhang sei auf die Trends zur „[…] Pro-
zessorientierung, Teamorientierung, Empowerment [und, F. B.] Dynamisie-
rung“161 hingewiesen. Diese Forschungslinien liefern einen klaren Hinweis, dass
die der Prozessorganisation immanente Ausrichtung auf die Kundenzufriedenheit,
die Reduktion von Schnittstellen und die interdisziplinäre Herangehensweise be-
sonders gut durch die Teamarbeit umgesetzt werden können und gleichfalls ein
sehr effizientes Arbeiten ermöglichen. Eng damit verbunden ist auch die stärkere
Dezentralisation von Kompetenzen auf die Mitarbeiter im Rahmen des Empower-
ment, so dass diesen insgesamt mehr Verantwortung in diesem betrieblichen Pro-
zess zukommt. Durch den Trend der Dynamisierung wird organisationaler Wan-
del und die Transformation stärker betont.162
Auf die öffentliche Verwaltung erscheinen die in der Betriebswirtschaftslehre auf-
gezeigten Probleme und Erkenntnisse zu den benannten Organisationsformen
156
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 364 ff.
157
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 46.
158
Schreyögg/Geiger (2016), S. 46.
159
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 47 f.
160
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 378 f.
161
Bea/Göbel (2010), S. 393.
162
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 393 ff.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 95
2.5 Organisationsstrukturenvergleich
Ein Vergleich bestimmter Organisationsstrukturen und -formen führt zur Generie-
rung von Erkenntnissen und kann Verbesserungsmöglichkeiten hervorbringen.
Dieser ist allerdings nur dann durchführbar, wenn bestimmte vergleichbare Eigen-
schaften einer Organisation wie z. B. Hierarchie, Arbeitsteilung und Vorgabe von
163
Vgl. Potthast (2010), S. 61.
164
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 169 ff.
165
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 170 f.
166
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 171
167
Vgl. Vera (2015), S. 50 ff.
96 Florian Buchheit
3 Kriminalpolizeiliche Grundlagen
168
Vgl. Kieser/Walgenbach (2010), S. 65.
169
Schreyögg/Geiger (2016), S. 403.
170
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 445 ff.
171
Vgl. BLPG Polizeiliche Auswertung (2007), S. 15 f.
172
Vgl. BLPG Polizeiliche Auswertung (2007), S. 19.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 97
3.2 Cybercrime
Mit der ‚Convention on Cybercrime‘des Europarates hat sich die Begrifflichkeit
Cybercrime im allgemeinen und polizeilichen Sprachgebrauch fest etabliert.
Deutschland ratifizierte diese EU-Konvention im Jahr 2009.173 Demzufolge passte
die AG Kripo die Begrifflichkeit der Informations- und Kommunikations- (IuK-
)Kriminalität dem internationalen Sprachgebrauch an. „Cybercrime umfasst [im
engeren Sinne, F. B.] die Straftaten, die sich gegen das Internet, weitere Daten-
netze, informationstechnische Systeme oder deren Daten richten.“ Konkret lassen
sich hierunter Straftaten wie der Computerbetrug, das Ausspähen und Abfangen
von Daten, die Datenveränderung und Computersabotage sowie die missbräuchli-
che Nutzung von Telekommunikationsdiensten subsumieren. Cybercrime umfasst
[im weiteren Sinne, F. B.] auch solche Straftaten, die mittels dieser Informations-
technik begangen werden.“ Insoweit beinhaltet diese Begrifflichkeit auch Strafta-
173
Vgl. Wernert (2017), S. 27.
98 Florian Buchheit
4 Zwischenfazit
5 Methodik
5.1 Untersuchungsform
Wie in anderen Wissenschaftsdisziplinen existiert auch in der Sozialwissenschaft
eine Vielzahl von Erhebungs- und Auswertetechniken für Daten.174 Für die vor-
liegend notwendige Untersuchung wählte der Verfasser die Exploration sowie
zwei qualitative Erhebungsmethoden in Form leitfadengestützter Experteninter-
views und einer Gruppendiskussion aus. Erster Untersuchungsschwerpunkt war
die Integration der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung in die Polizei-
organisationen der beiden Bundesländer. (Empirischer Teil I). Der zweite Unter-
suchungsschwerpunkt (Empirischer Teil II) lag in der Untersuchung der Übertrag-
barkeit der gewonnenen Erkenntnisse auf den Phänomenbereich Cybercrime i. w.
S.
In Bezug auf qualitative Forschungsvorhaben bestehen in der Wissenschaft regel-
mäßig Bedenken dahingehend, dass so gewonnene Resultate im Vergleich zur
quantitativen Forschung nicht den Gütekriterien der intersubjektiven Nachvoll-
ziehbarkeit, der Objektivität und der Reliabilität entsprechen. Um diesen Mängeln
entgegenzutreten, galt es, den Prozess der Datenauswertung möglichst nachvoll-
ziehbar zu machen. Ein bewährtes Instrument hierzu bietet die qualitative Inhalts-
analyse. Mayring hat diesbezüglich ein neunstufiges Ablaufmodell beschrieben,
welches sogleich drei Techniken, die zusammenfassende, die explizierende und
die strukturierende Inhaltsanalyse, beinhaltet.175 Dieses Modell fand zur Auswer-
tung der erhobenen qualitativen Daten im Rahmen des Forschungsvorhabens An-
wendung.
174
Vgl. Diekmann (2017), S. 18.
175
Vgl. Mayring (2015), S. 62.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 101
spricht einander in hohem Maße, hier die zentrale Koordinations- und Aufsichts-
funktion beider Landeskriminalämter sowie die divisionale Gliederung der Flä-
chen-Präsidien. Ein weiteres gemeinsames Merkmal findet sich in der Kriminali-
tätsbelastung. Häufigkeitsziffern und Aufklärungsquoten liegen in ähnlichen Be-
reichen. Die Tätigkeit der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung wird in
beiden Ländern als ein neuer Aufgabenschwerpunkt erkannt. Hierbei ist zu be-
rücksichtigen, dass innerhalb der Polizei in Bundesland A bereits weitreichendere
gesamt-konzeptionelle Überlegungen zu diesem Aufgabenbereich angestellt wur-
den. Anders verhält es sich in Bundesland B. Hier befindet sich die Kriminalpoli-
zeiliche Analyse und Auswertung im gesamt-konzeptionellen Aufbau. Insoweit
erscheint ein Vergleich der beiden Polizeiorganisationen hinsichtlich des Aufga-
benbereichs der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung durchführbar.
Die räumliche Nähe beider Bundesländer lässt weiterhin positive Ergebnisse auf-
grund beidseitig angepasster Prozesse hinsichtlich der Effektivität, Effizienz und
Flexibilität erwarten. So könnten beide Länder von gemeinsamen personellen und
technischen Ressourcen, Aus- und Fortbildungsmaßnahmen und medienbruchar-
men Informationswegen profitieren.
6 Organisationsstrukturenvergleich
6.1.6 Stellenbildung
Methoden- und Fachkompetenzen sind in unterschiedlicher Ausprägung für die
Tätigkeiten der Kriminalpolizeilichen Analyse, Auswertung und Ermittlung erfor-
derlich. Dies bedingt auch Unterschiede in Art und Grad der Spezialisierung. Zu-
gleich erfordert das Ausfüllen eines Tätigkeitsfeldes auch Grundkompetenzen der
anderen Bereiche. Während bei der Kriminalpolizeilichen Analyse eine hohe da-
tentechnische Methoden- und Fachkompetenz von den Experten als notwendig be-
trachtet wird, sehen sie im Bereich der Auswertung eine Schwerpunktsetzung im
Sinne eines tiefgreifenden phänomenologischen Hintergrundwissens als erforder-
lich an. Im Analysebereich verorten die Experten demnach zuvorderst IT-Fach-
kräfte, im Auswertebereich eher Polizeibeamte mit kriminalpolizeilicher Ermitt-
lungsexpertise. Die spezifischen Software-Werkzeuge, welche mittlerweile in al-
len Bereichen Anwendung finden, benötigen eine grundsätzliche Methodenkom-
petenz in allen Fachbereichen. Diese Kompetenz lässt sich nur mittels regelmäßi-
ger Fortbildung sowie fortlaufender Bedienung der Systeme erhalten.
Innerhalb des hoch spezialisierten Analysebereichs erkennt ein Experte gar das
Erfordernis einer weiterführenden internen Spezialisierung zwischen Technikern,
Informatikern, Netzwerk-Forensikern und Data-Engineers. Auch die Notwendig-
keit der gutachterlichen Befassung der Sachbearbeiter vor Gericht wird als ein
Spezialisierungskriterium im Bereich der Analyse angeführt. Demgegenüber se-
110 Florian Buchheit
6.2 Zwischenfazit
Es kann resümiert werden, dass im Bundesland A die Kriminalpolizeiliche Ana-
lyse verrichtungsspezialisiert erfolgt. Darüber hinaus wurde im Grundsatz eine bü-
rokratieimmanente Entscheidungszentralisation nachgewiesen, die sich allerdings
hinsichtlich der Kern-, Support- und Innovationsprozesse in unterschiedlicher In-
tensität darstellte. Während Entscheidungen im Rahmen von Kernprozessen maß-
geblich von der operativen Führungsebene getroffen werden, erfolgen bei Sup-
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 113
Anwendung. Auch für die Polizei des Bundeslandes B kann somit von einer divi-
sionalen Organisationsform ausgegangen werden, bei der zunehmend projekt- und
prozessorientierte Arbeiten eingeführt werden.
Unterschiede in der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung zwischen den
beiden Bundesländern zeigen sich vorzugsweise in einer unterschiedlichen Aus-
prägung der räumlichen Zentralisation der Analyse innerhalb der Divisionen. Im
Bundesland A bestehen weitergehend für einzelne Kriminalitätsbereiche verrich-
tungsspezialisiert arbeitende Auswertebereiche mit einer modularen Abgrenzung
zu anderen Kriminalitätsphänomenen. Gegensätzlich hierzu, erfährt das Tätig-
keitsfeld der Kriminalpolizeilichen Auswertung grundsätzlich im Bundesland B
eine Objektspezialisierung innerhalb der Ermittlungskommissariate. Weitere Un-
terschiede finden sich in der konzeptionellen Verortung der beiden Tätigkeitsfel-
der.
6.3.1 Organisationsziele
Für alle befragten Experten steht klar die Erfüllung des gesetzlichen Auftrages zur
Gefahrenabwehr und zur Gewährleistung einer effektiven Strafverfolgung seitens
der Polizei im Vordergrund. Zur Erfüllung dieser formellen Organisationsziele fo-
kussieren die Experten einvernehmlich den Stakeholderansatz. So gilt es, neben
der Berücksichtigung polizeiinterner Interessenshaltungen, wie die der Mitarbei-
ter, auch die Belange externer Stakeholder, so der Politik oder der Bevölkerung,
zu berücksichtigen. Gleichwohl schätzen die Experten, wegen begrenzter Ressour-
cen, Effizienz, Nachhaltigkeit, Bürgerorientierung, Professionalität und Qualität
der Polizeiarbeit als zu berücksichtigende Parameter ein. Die Beurteilung der Ex-
perten bestätigt demnach im Grundsatz die organisationstheoretischen Annahmen,
wonach öffentliche Organisationen der Bereitstellung gewisser Leistungspro-
gramme dienen – bei gleichzeitig effizientem Ressourceneinsatz.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 115
7.1 Prozessanalyse
Ein Abgleich der Begriffsverständnisse zur Kriminalpolizeilichen Analyse und
Auswertung im Allgemeinen und unter Berücksichtigung des Deliktsfeldes Cy-
bercrime i. w. S. offenbart eine grundsätzliche Übereinstimmung der Rahmenbe-
dingungen. Insbesondere in Feststellungen zum technischen Schwerpunkt der
Analyse, zum phänomenologischen Bezug der Auswertung sowie zum hohen
Grad an Interdependenz der beiden Tätigkeitsfelder finden sich deckungsgleiche
Einschätzungen. Überwiegend wird zudem die Notwendigkeit einer Definition der
Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung gesehen. Auch die ermittelten
Prozesse sind vergleichbar. Dabei sehen alle Experten innerhalb der Kernprozesse
signifikante Schwerpunkte im Qualitätsmanagement und in der Nachvollziehbar-
keit. Prozesse der Kriminalpolizeilichen Analyse sind demnach von einer Siche-
rung, Strukturierung und einer informationstechnischen Ergebnisableitung von
Daten geprägt. Kriminalpolizeiliche Auswerteprozesse beinhalten schwerpunkt-
mäßig eine phänomenologische Bewertung und Kontextsetzung von Daten. Die
beschriebenen Prozesse erfahren innerhalb einer Bearbeitung von Fällen der Cy-
bercrime i. w. S. vergleichbare Anwendung. Lediglich das Ausmaß bestimmter
126 Florian Buchheit
Prozessschritte, wie der Erhebung, Speicherung und Strukturierung von Daten, er-
folgen intensiver. Vor- und Nachteile der innerhalb des Bundeslandes B erhobe-
nen Verfahrensweise der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung bleiben
ebenso unter Berücksichtigung des Deliktsfelds Cybercrime i. w. S. konstant. In-
nerhalb der Gruppendiskussion ergeben sich lediglich tendenzielle Hinweise auf
eine weitere Intensivierung der Abhängigkeit von Personal- und Sachressourcen.
Untersuchung, dass gerade diese Ansätze die Organisation in die Lage versetzen,
die spezifischen Nachteile der möglichen organisationalen Gestaltungsparameter
bestmöglich auszugleichen und deren Vorteile optimal zu nutzen.
Der Organisationsstrukturenvergleich ergab, dass die Kriminalpolizeiliche Ana-
lyse in beiden Ländern einen hohen Grad der Spezialisierung (Verrichtungsspezi-
alisierung) aufweist. Im Bereich der Kriminalpolizeilichen Auswertung hingegen
zeigten sich Unterschiede zwischen den Organisationen. So gestaltet Bundesland
A die Kriminalpolizeiliche Auswertung in bestimmten Phänomenbereichen ver-
richtungsspezialisiert. Bundesland B strukturiert diesen Bereich grundsätzlich im
Sinne einer Objektspezialisierung. Es lässt sich resümieren, dass in Bundesland A
diese Organisationsstrukturen bereits konzeptionell hinterlegt sind. Vor dem Hin-
tergrund der erhöhten Komplexität erscheinen jedoch eine konzeptionelle Ausdif-
ferenzierung von Stellen, Aufgaben, Produkten sowie die Notwendigkeit einer
landesweiten Definition der Tätigkeitsbereiche und deren praktische Umsetzung
zielführend.
Die Untersuchung hat im Kern ergeben, dass keine bestimmte Organisationsstruk-
tur besser geeignet für die Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung er-
scheint. Vor- und Nachteile zeigten sich bei beiden Polizeiorganisationen. Alle
Untersuchungsparameter stehen in enger Verbindung miteinander und beeinflus-
sen sich gegenseitig. Insoweit sind diese Gestaltungsparameter einzelne Stell-
schrauben, um die Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung zu optimieren
und als Prozessorganisation in die polizeilichen Abläufe zu integrieren. So erfor-
dert die Entscheidung, einen bestimmten Tätigkeitsbereich verrichtungs- oder ob-
jektspezialisiert zu organisieren, geeignete Kompensationsmaßnahmen. Diese
sollten an den organisationstheoretischen Effektivitätskriterien ausgerichtet wer-
den.
Insgesamt wurden in dieser Arbeit zehn Effektivitätskriterien mit Strukturierungs-
parametern der Spezialisierung, der Delegation sowie der Koordination abgegli-
chen. Überdies konnte neben diesen organisationstheoretisch fundierten Parame-
tern auch die von den befragten Experten als relevant eingeschätzte räumliche
(De-)Zentralisation auf deren Auswirkungen auf die Effektivitätskriterien unter-
sucht werden. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Komplexität eines
130 Florian Buchheit
Der Autor
Florian Buchheit, M. A.
Polizei Rheinland-Pfalz
135
Tom Pisecky
Inhaltsübersicht
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen und Stand der empirischen Forschung
2.1 Organisationaler Wandel im Verständnis dieses Beitrages
2.2 Der Begriff der Organisation
2.3 Das Wandelformat Reorganisation
2.4 Gegenstand und Zielsetzung des CM
2.5 Widerstand dem organisationalen Wandel gegenüber
2.6 Das Change Element Partizipation
2.7 Der Faktor Kommunikation im Veränderungsprozess
2.8 Organisationaler Wandel in Polizeiorganisationen
3 Vorgehensweise und Methodik
3.1 Datenerhebung und -auswertung
3.2 Leitfadengestützte Experteninterviews
3.3 Qualitative Inhaltsanalyse
4 Darstellung und Interpretation der Interviewergebnisse
4.1 Diskussion der Interviewbefunde
4.2 Widerstände gegenüber dem Wandel
4.3 Maßnahmen der Partizipation der MA im Wandel
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
R. Ritsert und A. Vera (Hrsg.), Management und Organisation in der Polizei,
Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29053-5_4
136 Tom Pisecky
1 Einleitung
Der Erfolg oder Misserfolg einer Organisation wird zunehmend abhängig von ih-
rer Fähigkeit zum organisationalen Wandel respektive von der erfolgreichen Ge-
staltung organisationaler Veränderungen sein. Das erfolgreiche Management von
Reorganisationsvorhaben wird hierbei eine maßgebliche Rolle spielen. Einem
Aphorismus Henry Fords gelingt sehr pointiert die Beschreibung des Spannungs-
feldes, in dem sich Organisationen und ihre MitarbeiterInnen (MA) gegenwärtig
befinden sowie absehbar weiterhin befinden werden:
„If you always do what you’ve always done, you will always get
what you’ve always got.“176
Dem Diktum Fords folgend, lässt sich konstatieren, dass sich die Polizei – wie
auch andere Organisationen – einer hohen Umweltdynamik gegenüberstehen
sieht. Die sogenannten Megatrends Globalisierung der Arbeitswelt, zunehmende
Konnektivität und demografischer Wandel werden dabei durch kulturelle sowie
gesellschaftliche Umbrüche flankiert.177 Für diese veränderten Anforderungen
sind die Rahmenbedingungen einer „digitalen Transformation“178, einer ubiquitä-
ren Diskontinuität sowie die Notwendigkeit eines umfassenden Informations- und
Datenmanagements prägend und gewinnen exponentiell an Bedeutung. 179 Aus
dieser beschleunigten Entwicklung des Organisationsumfeldes erwächst die es-
sentielle Herausforderung einer hohen Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft
der Organisation sowie folglich auch der Mitglieder der Organisation180. Dem Ein-
flussfaktor Mensch kommt mithin eine exponierte Bedeutung zu.
Neben dieses ubiquitäre Phänomen der Imponderabilität und Volatilität treten mit
Blick auf die Polizei die besonderen Herausforderungen aufgrund der handlungs-
leitenden phänomenologischen Entwicklungen des internationalen Terrorismus,
176
Henry Ford (1863 – 1947).
177
Vgl. Loeffelholz (2011): S. 34 ff.; vgl. Naisbitt (2015): S. 5; vgl. IBM (2014): S. 2 f.
178
Der Begriff adressiert die Veränderungen infolge einer rasanten technologischen Evolution.
Vgl. Capgemini (2016): S. 2 f.
179
Vgl. Siller (2017): S. 639 f.; vgl. Krüger (2014a): S. 15 f.; vgl. Capgemini (2016): S. 2 f.;
vgl. IBM (2014): S. 2 f.
180
In der Lesart dieser Arbeit umfasst der Begriff Organisationsmitglieder sowohl MA als auch
Führungskräfte unterschiedlicher Hierarchieebenen.
138 Tom Pisecky
181
Vgl. Bundeskriminalamt (2016): S. 1.
182
Vgl. Vera (2015): S. 90; vgl. Krüger (2006): S. 6172.
183
Vgl. Vera (2015): S. 90 f.
184
Vera (2015): S. 90.
185
Vgl. Thom/Ritz (2006): S. 51; vgl. Müller et al. (2011): S. 211 ff.; vgl. Cohen (2017): S.
112 ff.
186
Allein der Bund beabsichtigt – gemäß dem Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode –
für den Bereich Sicherheitsbehörden zusätzliche 7.500 Stellen zu schaffen. (Vgl. Bundes-
regierung (2018): S. 123)
187
Vgl. Bundesregierung (2018): S. 123.
Change Management bei der Polizei 139
gleichzeitig auch die Zielsetzung dieses Beitrages dar. Die Relevanz der Ausei-
nandersetzung mit potentiellem Widerstand aus den Reihen der Organisationsmit-
glieder verdeutlichen einschlägige Studien, die bisweilen Veränderungsprojekten
eine tendenziell als gering zu bewertende Erfolgsquote attestieren.188 Eine europa-
weite Studie des Beratungsunternehmens Mercuri Urval konstatiert bei internen
Veränderungsprojekten einen Zielerreichungsgrad von lediglich 66 Prozent sowie
Produktivitätsverluste während des Wandelprozesses von 43 Prozent.189 Wenn-
gleich die Zahlenbasis nicht dem öffentlichen Sektor entspringt 190, so zeigt sich
eindrucksvoll, dass die erfolgreiche Gestaltung von bedeutsamen Change Prozes-
sen mitnichten als trivial zu bezeichnen ist. Die grundlegende Klassifikation als
gewichtige Herausforderung bei gleichzeitig geringer Erfolgsquote und eklatan-
tem Verbesserungspotential des Managements von Wandelprozessen betont eben-
falls die IBM Studie zum CM aus dem Jahr 2014.191 Zudem weisen Wandelvor-
haben als emergente Prozesse häufig unplanmäßige Verläufe auf.192
Unter Veränderungen werden in diesem Beitrag die sich aufgrund „der Entschei-
dung für eine bestimmte organisationale Strategie ergebenden Veränderungen in
der Organisation und in den Ressourcen“ verstanden. 193 Eine Studie der Bera-
tungsgesellschaft Capgemini aus 2015 zum Themenfeld CM resümiert, dass Re-
organisationen und Umstrukturierungen den hauptausschlaggebenden Anlass bei
Veränderungsprojekten194 abbilden.195 Demgemäß werden Reorganisationsmaß-
nahmen hier als eine mögliche Ausformung von Veränderung näher beleuchtet.
Die Auswahl begründet sich aus der Relevanz von Reorganisationsvorhaben für
Polizeiorganisationen sowie der Notwendigkeit der Fokussierung auf ein Wandel-
format. Die Veränderungen in Organisationen sind dabei komplexe Projekte in
denen es gilt, das Neue zu ermöglichen, aber ebenso „das zu Bewahrende nicht
188
Vgl. Capgemini (2015): S. 12; vgl. Lauer (2014): S. 47.
189
Vgl. Mercuri Urval (2012): S. 7 u. 10.
190
Teilnehmer der Studie waren Manager kleinerer und mittelständischer Privatunternehmen
(50–500 Beschäftige). (Vgl. Mercuri Urval (2012): S. 2).
191
Vgl. IBM (2014): S. 2 ff.
192
Vgl. Krüger (2006): S. 6173; vgl. Schirmer (2006): S. 5001.
193
Siller (2017): S. 642.
194
Die Studie spricht von einem Reorganisationshintergrund bei 35 Prozent der Veränderungs-
projekte. (Vgl. Capgemini (2015): S. 12)
195
Vgl. ebd.: S. 11 f.
140 Tom Pisecky
196
Capgemini (2015), S. 12.
197
Vgl. Capgemini (2015): S. 36; vgl. Spichalsky (2016): S. 19 f.; vgl. Berner (2015): S. 163.
198
Vgl. Vera (2015), S. 90 f.; vgl. Capgemini (2015): S. 13.
199
Die Begriffe Veränderung, Change und Wandel werden nachfolgend synonym verwandt.
200
Vgl. Capgemini (2015): S. 13; vgl. Kotter (2016): S. 76 ff.
201
Vgl. Burke (2003): S. 295.
202
Vgl. Lauer (2014): S. 145.
203
Vgl. Lauer (2014): S. 71, 124–131 u. 145; vgl. Cohen (2017): S. 118 ff.
204
Vgl. Lauer (2014): S. 145; vgl. Berner (2015): S. 174 f.
205
Doppler/Lauterburg (2014): S. 368 f.
Change Management bei der Polizei 141
206
Vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 193 ff. u. 368 f.; vgl. Lauer (2014): S. 150 ff.
207
Vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 199 ff. u. 368 f.; vgl. Berner (2015): S. 165 ff.
208
Bundeskriminalamt (2016): S. 3.
209
Unter dem Rubrum Strategieentwicklungsprozess wurde zwischen Februar 2015 und Juli
2016 die organisationale Struktur des BKA für die gegenwärtigen und zukünftigen Heraus-
forderungen ausgerichtet. (Vgl. Bundeskriminalamt (2016): S. 3)
210
Vgl. Krüger (2014a): S. 28 ff.; vgl. Lauer (2014): S. 77 ff.
211
Vgl. Lauer (2014): S. 150 ff.; vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 193.
142 Tom Pisecky
ihrer Umsetzung im Wege des CM in den Mittelpunkt. Dies adressiert nicht zuletzt
die definitorische Eingrenzung des Begriffs, welcher die „speziellen Manage-
menttechniken, die zur Steuerung der Prozesse im Rahmen von Wandel selbst er-
forderlich sind“212 umfasst.
Intention des Beitrages ist, dass sich im Sinne eines ‚Lessons learned‘ ggf. aufge-
zeigte Verbesserungspotentiale in kommenden Veränderungsprojekten verwen-
den lassen. Eine nachhaltig erfolgreiche und die MA ‚mitnehmende‘ Gestaltung
ubiquitärer Veränderungsbemühungen bedarf nicht zuletzt steter Evolution. Ziel-
setzung müssen elaborierte Prozesse des Managements von notwendigen und häu-
fig zeitkritischen Veränderungen sein.
212
Lauer (2014): S. 3 f.
213
Vgl. Schreyögg (2016): S. 203.
214
Ebd.: S. 203.
215
Ebd.: S. 203.
216
Vgl. ebd.: S. 203
Change Management bei der Polizei 143
217
Gergs (2016): S. 33; Schreyögg (2016): S. 212 ff.
218
Gergs (2016): S. 33.
219
Schreyögg (2016): S. 212; vgl. Schreyögg/Noss (2000): S. 42 f.
220
Vgl. Schreyögg (2016): S. 212 f.; vgl. Schreyögg/Noss (2000): S. 35 ff.
221
Vgl. Gergs (2016): S. 33.
222
Vgl. Schreyögg (2016): S. 213 f.; vgl. Vera (2015): S. 97 f.; vgl. Frei et al. (1996): S. 139.
223
Gergs (2016): S. 34.
224
Vgl. ebd.: S. 34.
225
Vgl. Schreyögg (2016): S. 213; vgl. Schreyögg/Noss (2000): S. 55; vgl. Jacobs et al. (2013):
S. 773.
226
Vgl. Schreyögg (2016): S. 213; vgl. Schreyögg/Noss (2000): S. 42; vgl. Doppler et al.
(2017): S. 5 ff.
144 Tom Pisecky
in Gang gesetzt und wies einen expressis verbis determinierten Beginn sowie ei-
nen avisierten Endpunkt auf, weshalb auch von einem episodischen Wandel ge-
sprochen werden kann. Gleichfalls stellt die erfolgte Reorganisation keinen apo-
diktischen Abschluss notwendiger Veränderungen dar und verfolgte auch explizit
nicht diesen Anspruch. Im Ergebnis wird hier dem Verständnis eines „permanen-
ten organisatorischen Wandels“227 gefolgt, jedoch ein episodischer Veränderungs-
ausschnitt einer Organisation analysiert.
227
Schreyögg/Noss (2000): S. 49.
228
Vgl. Vera (2015): S. 26 f.; vgl. Schreyögg/v. Werder (2006): S. 4143 ff.
229
Dabei stellt er auf funktionale Zuständigkeiten, verbindliche Aufgabenteilung sowie hierar-
chische Macht- und Kontrollbefugnisse ab. (Vgl. Schreyögg (2008): S. 4 ff.).
230
Vgl. Schreyögg (2008): S. 4 ff.; vgl. Vera (2015): S. 26 f.
231
Vera (2015): S. 27.
232
Ebd.: S. 27.
233
Vgl. Vera (2015): S. 27; vgl. Schreyögg/v. Werder (2006): S. 4145 f.
234
Aus der Vielfalt konstituierender Hintergründe organisationalen Wandels seien beispielhaft
noch Remodellierung, Mergers and Acquisition und Kostensenkungsprogramme zu nennen
(Vgl. Capgemini (2015): S. 12; vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 3 f.; vgl. Schirmer (2006): S.
4996), wenngleich Reorganisationen den Löwenanteil ausmachen. (Vgl. Capgemini (2015):
S. 11 f.).
Change Management bei der Polizei 145
235
Schirmer (2006): S. 4996.
236
Vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 4; vgl. Krüger (2006): S. 617; vgl. Schirmer (2006): S. 4996;
Vgl. Berner (2015): S. 163; vgl. Krüger (2014a): S. 11.
237
Vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 4; vgl. so auch Berner (2015): S. 182 f.
238
Vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 7.
239
Vgl. Spichalsky (2016): S. 9.
240
Vahs/Weiand (2010): S. 7.
241
Rank/Scheinpflug (2010): S. 18 f.
242
Lauer (2014): S. 3 f.
243
Vgl. ebd.: S. 4.
146 Tom Pisecky
die Maßnahmen des CM zuvorderst nach innen.244 Nicht zuletzt die Definition von
Rank und Scheinpflug deutet auf das Erfordernis der Bereitschaft zur Veränderung
von Seiten der Organisationsmitglieder im Rahmen eines Wandels hin245, weshalb
dieser in der Einführung angesprochene Aspekt in der weiteren Analyse invariant
aufgegriffen wird. Dem Begriffsverständnis von Vahs und Weiand folgend, unter-
gliedert sich CM in unterschiedliche Phasen.246 In der Literatur finden sich dem-
gemäß verschiedene Phasenmodelle. Schein konstatiert, dass es letztendlich
Hauptaufgabe bei Veränderungsprozessen sei, „sowohl die Angst der Mitarbeiter
vor Veränderung an sich als auch die Angst vor Kompetenzverlust […] zu berück-
sichtigen und zu bekämpfen“.247 Wenn auch in einem strengen Duktus formuliert,
so verdeutlicht dies die grundlegende Zielsetzung von CM Modellen. Die inhären-
ten Faktoren auf dem Weg zu diesem Ziel werden jedoch ebenso kontrovers dis-
kutiert wie die Begriffsdimension des CM selbst.248 Es existieren hier keine allge-
meingültigen Erfolgsfaktoren mit Alleinstellungsmerkmal, vielmehr kommt es
hier auf den konkreten Einzelfall an.249 Nichtsdestotrotz lassen sich die zentrale
Erfolgsfaktoren feststellen. Hierunter fallen unter anderem die Elemente Partizi-
pation und Kommunikation im Veränderungsprozess. 250
244
Vgl. ebd.: S. 4.
245
Vgl. Spichalsky (2016): S. 12; vgl. Greif et al. (2004): S. 196.
246
Für die hiesige Betrachtung ist der vollumfängliche Prozess und mithin die u. a. von
Rank/Scheinpflug aufgeführten Phasen der „Planung, Implementierung, Kontrolle und Sta-
bilisierung“ (Rank/Scheinpflug (2010): S. 18 f.) von Relevanz.
247
Schein (2009): S. 45.
248
Vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 7 f.
249
Vgl. Doppler et al. (2017): S. 10 f.
250
Vgl. Lauer (2014): S. 121 ff.; vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 8; vgl. Doppler/Lauterburg
(2014): S. 192 f. u. 199 f.; vgl. Reiß/Spejic (2008): S. 61.
251
Vgl. Jacobs et al. (2013): S. 773.; vgl. Lauer (2014): S. 47.
252
Vgl. Groth (2013): S. 95 u. 108 f.; vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 354 u. 363.
253
Vgl. Berner (2015): S. 183.
Change Management bei der Polizei 147
das Konterkarieren der Umsetzungsziele können das Ergebnis sein. 254 Die Gefahr
der Einbuße eng bemessener Zeit, wichtiger Ressourcen sowie insbesondere der
potentiellen positiven Erträge der Veränderung geht mit jedem Wandel einher.
Lauer konstatiert erschwerend, dass bisweilen keine „gravierenden Gründe“255 für
Widerstand gegeben sein müssen und eben gerade dieser „erklärungsbedürftige
Widerstand“256 maßgeblich für die Gestaltung eines Veränderungsprojektes ist, da
dieser zum einen schwerer zu prognostizieren und zum anderen der Umgang hier-
mit diffiziler erscheint.257 Diesen Aspekt aufgreifend, lässt sich feststellen, dass
Mitglieder der Organisation den Wandel ungleich schnell und intensiv durchlau-
fen. Inwieweit eine Person eine ablehnende Haltung gegenüber der Veränderung
einnimmt, hängt hierbei unter anderem von der konkreten Betroffenheit im Ein-
zelfall, biografischen Hintergründen sowie der zeitlichen Frequenz zurückliegen-
der Veränderungen ab.258 Ferner durchlaufen unterschiedliche Hierarchieebenen
den Wandelprozess in differenter Form, hierfür können zum Beispiel der Zeitver-
zug der Kenntnis über den avisierten Wandel und ein inkongruentes Mitbestim-
mungs- und Gestaltungsrecht ursächlich sein.259 Die Feststellung, dass von fort-
währenden Wandelprozessen und einer gewissen Schnelllebigkeit gesprochen
werden muss, birgt überdies die Gefahr, dass gerade auch diese Häufigkeit einen
potentiellen Ablehnungsgrund darstellen kann – das negative Gefühl der Endlos-
schleife.260
Widerstand ist, der Definition von Doppler und Lauterburg folgend, dann gege-
ben, „[…] wenn vorgesehene Entscheidungen oder getroffene Maßnahmen, die
auch bei sorgfältiger Prüfung als sinnvoll […] oder dringend notwendig erschei-
nen, aus zunächst nicht ersichtlichen Gründen bei einzelnen Individuen, bei ein-
zelnen Gruppen oder bei der ganzen Belegschaft auf diffuse Ablehnung stoßen,
254
Vgl. Vera (2015): S. 92; vgl. Lauer (2014): S. 47.
255
Ebd.: S. 50.
256
Ebd.: S. 50.
257
Vgl. ebd.: S. 50.
258
Vgl. Groth (2013): S. 37 ff.
259
Vgl Groth (2013): S. 41 f.; vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 364 f.
260
Vgl. Groth (2013): S. 42 f.
148 Tom Pisecky
261
Doppler/Lauterburg (2014): S. 354.
262
Vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 355 ff.
263
Vgl. Groth (2013): S. 93 f.
264
Vgl. Vera (2015): S. 92 f.; vgl. Thom/Ritz (2000): S. 9. Nachfolgend werden lediglich die
subjektiven Ursachen beleuchtet werden.
265
Vera (2015): S. 93.
266
Vgl. ebd.: S. 93.
267
Vgl. ebd.: S. 93.
268
Vgl. Vera (2015): S. 93 f.; vgl. Robbins (2003): S. 559 ff.
269
Vgl. Vera (2015): S. 94; vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 355 f.;
Vgl. Groth (2013): S. 96 ff.
270
Vera (2015): S. 94.
271
Vgl. Vera (2015): S. 94; vgl. Hauschildt/Salomo (2007): S. 199 f.; vgl. Robbins (2003): S.
563 f. u..576.
Change Management bei der Polizei 149
272
Vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 355; vgl. Robbins (2003): S. 559 f.
273
Doppler/Lauterburg (2014): S. 355 f.
274
Vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 356.
275
Vgl. Krüger (2014b): S. 35; vgl. auch Helpap/Bekmeier-Feuerhahn (2016): S. 911 f.
276
Vgl. Krüger (2014b): S. 35; vgl. auch Helpap/Bekmeier-Feuerhahn (2016): S. 911 f.
277
Vgl. Cameron/Green (2015): S. 31; vgl. Groth (2013): S. 24 f.
278
Vgl. Groth (2013): S. 37 ff.; vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 358 ff.
150 Tom Pisecky
werden sowie deren Ablauf unterscheiden sich hierbei.279 Cameron und Green
sprechen unter Verweis auf die Untersuchungsergebnisse von Kübler-Ross von
einem „psychodynamic approach“280. Sie verstehen unter diesem Schlagwort, dass
ein MA angesichts einer Veränderung seiner (Arbeits-)Umgebung mannigfaltige
psychologische Stadien evolviert und die Kenntnis hierüber von Bedeutung für die
Gestaltung von Veränderungsprojekten ist.281 Wenngleich das Ausmaß des Wi-
derstands im Wandel kein zuverlässiger Gradmesser zu sein scheint, da nicht zu-
letzt ein Fehlen von Widerstand auch Anhaltspunkt für ein gänzlich mangelndes
Commitment der Organisationsmitglieder für den Prozess sein kann.282 Wider-
stand kann nach diesem Verständnis auch eine positive Signalfunktion haben. 283
279
Vgl. Groth (2013): S. 24 ff.
280
Cameron/Green (2015): S. 31.
281
Vgl. ebd.: S. 31 ff. u. 37.
282
Vgl. Groth (2013): S. 104 ff. u. 110 ff.
283
Vgl. Groth (2013): S. 111.
284
Capgemini (2003): S. 21.
285
Vgl. Lauer (2014): S. 146; vgl. Robbins (2003): S. 562.
286
Lauer (2014): S. 146.
287
Ebd.: S. 146.
288
Vgl. ebd.: S. 146.
289
Vgl. ebd.: S. 65 ff.
290
Vgl. ebd.: S. 147.
291
Vgl.. Lauer (2014): S. 146 f.
Change Management bei der Polizei 151
292
Vgl. Lauer (2014): S. 148 ff.
293
Vgl. ebd.: S. 148.
294
Vgl. Lauer (2014): S. 148 f.; vgl. Höfliger (2018): S. 16; vgl. Krüger (2014b): S. 41; vgl.
Omari/Paull (2015): S. 610; vgl. Cohen (2017): S. 115 ff.
295
Vgl. Lauer (2014): S. 149.
296
Vgl. Capgemini (2003): S. 25.
297
Vgl. Lauer (2014): S. 149; vgl. Hasanaj/Manxhari (2017): S. 16.
298
Vgl. Lauer (2014): S. 149.
299
Vgl. Lauer (2014): S. 149; vgl. Doppler et al. (2014): S. 260 ff.
152 Tom Pisecky
300
Vgl. Lauer (2014): S. 150.
301
Vgl. ebd.
302
Vgl. Lauer (2015): S. 150; vgl. ähnlich auch Jacobs et al. (2006): S. 186.
303
Vgl. Vera (2015): S. 102 f.
304
Vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 185 f. u. 192 ff.
305
Ebd.: S. 185.
306
Vgl. ebd.: S. 185 f.
307
Vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 192.
Change Management bei der Polizei 153
ernst genommen“308, was drittens zu einer besseren Identifikation mit der Organi-
sation in Gänze zeitigt.309 Eine aktive Partizipation der Mitglieder der Organisa-
tion muss nach Doppler und Lauterburg frühzeitig erfolgen, d. h. bereits zum Zeit-
punkt der Analyse der Ist-Situation. Vordergründiges Argument ist hierbei, dass
der/die Betroffene nur dann mit Überzeugung die Konsequenzen einer Verände-
rung mittragen und unterstützen kann, wenn er/sie die hierfür ursächliche Aus-
gangslage sowie Hintergründe kennt.310
Im Ergebnis ist eine Beteiligung von MA in einem Veränderungsprozess dabei
grundsätzlich in verschiedenen Ausformungen denkbar. Es lässt sich zunächst
zwischen mittelbarer und unmittelbarer Beteiligung differenzieren. Die mittelbare
Beteiligung gliedert sich in das Informieren (auch im Vorfeld) und Involvieren
(Einstellungen der MA abfragen, ernst nehmen und berücksichtigen). Unmittel-
bare Beteiligung meint indes das Verhandeln mit (Konflikte in tragbaren Konsens
überführen) und Einbinden der MA (erhalten konkrete Aufträge und werden aktiv
beteiligt). Der Einfluss der MA steigt hier stufenartig bis zu der direkten Einbin-
dung an.311 Insbesondere bei der unmittelbaren Beteiligungsform ist eine klare
Zielvereinbarung unvermeidlich, da ein Fehlen dieser im Wandel (ggf. zusätzli-
che) Unsicherheiten zeitigt. Zielvereinbarungen sollten hierbei realistisch, sinn-
voll, erreichbar, motivierend, eindeutig in ihrer Formulierung sowie kohärent zu
anderen (Organisations-)Zielen sein.312
308
Ebd.: S. 192.
309
Vgl. ebd.: S. 192.
310
Vgl. ebd.: S. 192 f.
311
Vgl. Erdmann (2000): S. 224 ff.
312
Vgl. Plog (2011): S. 83 ff.
313
Es wurden 1.400 Personen befragt, welche in ihren Unternehmen für CM zuständig sind.
(Vgl. IBM (2014): S. 1).
314
IBM (2014): S. 6.
315
Ebd.: S. 6.
154 Tom Pisecky
316
Ebd.: S. 6.
317
Vgl. ebd.: S. 6.
318
Vgl. Lauer (2014): S. 121; vgl. Berner (2015): S. 165 ff.
319
Vgl. Lauer (2014): S. 65 u. 77.
320
Vgl. Lauer (2014): S. 77 f. u. 121 ff.; vgl. Krüger (2014b): S. 41; vgl. Omari/Paull (2015):
S. 610.
321
Gergs (2016): S. 64.
322
Mit seinem Modell adressiert Gergs ausschließlich die Perspektive des „kontinuierlichen
Wandels“ und nicht den hier ebenfalls relevanten episodischen Wandel; dennoch sind seine
Überlegungen durchaus von Bedeutung für die hiesige Untersuchung. (Vgl. Gergs (2016):
S. 64 ff.).
323
Gergs (2016): S. 64.
324
Ebd.: S. 64.
325
Vgl. ebd.: S. 64.
326
Ebd.: S. 64.
327
Vgl. ebd.: S. 64 f.
Change Management bei der Polizei 155
328
Vgl. Lauer (2014): S. 121; vgl. Berner (2015): S. 166 ff.; vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 317
ff.
329
Vgl. Gergs (2016): S. 64 f.; vgl. Berner (2015): S. 166 ff.
330
Lauer (2014): S. 122.
331
Lauer (2014): S. 124; vgl. Kotter (2016): S. 73; vgl. Elving (2005): S. 131.
332
Lauer (2014): S. 124.
333
Vgl. Lauer (2014): S. 124; Lauer benennt vier Ziele, wobei hier das Ziel der Impulsgebung
und Nutzung dislozierten Wissens (partizipativ, rückkoppelnde Ebene) ergänzt wurde. (Vgl.
Gergs (2016): S. 69 ff.).
334
Vgl. Lauer (2014): S. 124; vgl. Robbins (2003): S. 562.
335
Vgl. Elving (2005): S. 131 f.; vgl. Hasanji/Manxhari (2017): S. 15.
336
Vgl. Lauer (2014): S. 127 ff.
337
Vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 320.
338
Vgl. Lauer (2014): S. 122 ff.; vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 318 f.
156 Tom Pisecky
339
Lauer (2014): S. 122.
340
Vgl. Deutinger (2017): S. 84 f.; vgl. Lauer (2014): S. 122; vgl. Robbins (2003): S. 290 ff.
341
Lauer benennt zwei Zielrichtungen informeller Kommunikation. Zum einen erfolgen hier-
über Maßnahmen der informellen Einflussnahme – Stichwort: Mikropolitik. (Vgl. Vera
(2015): S. 76 ff. / 83 ff.). Zum anderen dient sie der Wissenszirkulation in der Organisation.
(Vgl. Lauer (2014): S. 122).
342
Vgl. Lauer (2014): S. 122; vgl. Robbins (2003): S. 292.
343
Vgl. Robbins (2003): S. 290.
344
Vgl. ebd.: S. 290 f.
345
Vgl. ebd.: S. 292.
346
Vgl. ebd.: S. 292.
347
Vgl. Lauer (2014): S. 122.
Change Management bei der Polizei 157
348
Vgl. Robbins (2003): S. 292.
349
Vgl. Lauer (2014): S. 123.
350
Vgl. ebd.: S. 123.
351
Vgl. ebd.: S. 123.
352
Vgl. ebd.: S. 123.
353
Ebd.: S. 123.
158 Tom Pisecky
onen gilt es gewinnbringend zu nutzen und hierbei auch interaktive Web 2.0 Kom-
munikationskanäle, wie bspw. Blogs354, (Video-)Chats, Podcasts355 etc. zu bedie-
nen.356 Mit Blick auf die Anwendung ‚neuer‘, interaktiver Medien357 resümieren
Reiß und Spejic in ihrer Studie, dass sich diese durchaus im Change Projekt als
förderlich für dessen Akzeptanz bei den Organisationsmitgliedern erweisen kann,
wobei insbesondere Wikis358 und Social-Network-Plattformen359 aufgrund ihres
interaktiven Charakters positiv hervorstechen. Dies fördert den Austausch von An-
regungen, Sorgen und Ängsten und führt bei schnellem Feedback360 zur Förderung
von Engagement und Motivation, zu einem Mehr an Partizipation im Prozess so-
wie zu der Nutzbarmachung disloziert verorteten Fachwissens. 361 Sie verweisen
allerdings auch auf Risiken respektive Schwachstellen des Einsatzes jenes Medi-
entyps mit Blick auf Kosten und Zeitdauer sowie ein geringeres Potential für
Schaffung einer Vertrauensbasis gegenüber dem persönlichen Gespräch. 362
354
Hierunter werden „journalartige geführte Aufzeichnungen von Ereignissen“ (Reiß/Spejic
(2008): S. 62) verstanden.
355
Plattform zur Einsichtnahme sowie zum Herunterladen von Audio- oder Videodateien.
(Vgl. Reiß/Spejic (2008): S. 62).
356
Vgl. Lauer (2014): S. 123; vgl. Azeem/Yasmin (2016): S. 698 f.; vgl. Deutinger (2017): S.
19 ff.
357
Die hier in Rede stehenden Medien/Kommunikationskanäle werden bisweilen als Web 2.0
bezeichnet. (Vgl. Reiß/Spejic (2008): S. 62).
358
Hierbei handelt es sich um „Internet- oder Intranetseiten, die von den Benutzern nicht nur
gelesen, sondern auch geändert werden können. Die einzelnen Seiten und Artikel können
auf einfache Weise durch Links miteinander verbunden werden“ (Reiß/Spejic (2008): S.
62).
359
Der Begriff umfasst „Webseiten und Webapplikationen, die beim Herstellen von Kontakten
nützlich sind“ (Reiß/Spejic (2008): S. 62).
360
Ein erfolgskritischer Faktor jener Kommunikationskanäle (vgl. Reiß/Spejic (2008): S. 62).
361
Vgl. Reiß/Spejic (2008): S. 63/65 f.; vgl. Azeem/Yasmin (2016): S. 698 f./701 f.; vgl.
Deutinger (2017): S. 36 ff.
362
Vgl. Reiß/Spejic (2008): S. 62, 64 u. 66.
363
Vgl. ebd.: S. 125 f.
364
Vgl. ebd.: S. 126.
Change Management bei der Polizei 159
365
Vgl. Lauer (2014): S. 126; vgl. Berner (2015): S. 165 ff.
366
Vgl. Lauer (2014): S. 126.
367
Vgl. Lauer (2014): S. 125.
368
Vgl. Lauer (2014): S. 126.
369
Vgl. Lauer (2014): S. 126; vgl. Kotter (2016): S. 103 ff.
370
Die Begrifflichkeit deklariert leistungs- oder erfolgsbezogene Kennzahlen, welche
herangezogen werden, um bspw. Unternehmensprozesse zu controllen. Vgl.
https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/key-performance-indicator-kpi-52670/ver-
sion-275788.
371
Vgl. Lauer (2014): S. 126.
372
Vgl. ebd.: S. 125 f.
160 Tom Pisecky
Wandels. Es liegt jedoch in der Natur der Sache, dass eine Verlinkung einer hoch-
rangigen Kommunikation mit dem persönlichen Dialog schlechterdings nicht dar-
stellbar ist, weshalb Lauer auf eine „kaskadenförmige Kommunikation“ 373 ab-
stellt.374 Kaskadenförmig meint dabei die Dissemination wesentlicher Informatio-
nen der Reorganisation auf asymmetrischen Wege von Seiten des Top Manage-
ments und hierauf aufbauend die an den OE ausgerichtete und schließlich detail-
liertere, zielgerichtete sowie nicht zuletzt persönlichere Kommunikation durch die
jeweiligen Hierarchieebenen darunter.375 Wenngleich hierbei differente Kommu-
nikationsmedien zum Tragen kommen werden (asymmetrische Kommunikation
wird sich primär Versammlungen, E-Mails, Briefe etc. bedienen), gilt es mit Blick
auf die Akzeptanz, stets Möglichkeiten des Feedbacks zu etablieren. Wie bereits
weiter oben ausgeführt, ist der Einsatz interaktiver Kommunikationskanäle (wie
bspw. Chats) hierbei prädestiniert. 376 Andernfalls droht die eingangs postulierte
Zielsetzung hochrangiger Kommunikation, also das Aufzeigen von Wertschät-
zung und Fördern von Motivation durch eingesetzte Kommunikationsmethoden,
konterkariert zu werden.
Einer elaborierten Kommunikationsarchitektur im Wandel muss folglich der in-
formatorische Spagat über diverse Hierarchieebenen und Zielgruppen hinweg ge-
lingen. Kommunikation sollte dabei zudem adäquat, nachhaltig, zeitnah und zeit-
gleich und nicht zuletzt effizient sowie bestenfalls interaktiv erfolgen. Dabei soll-
ten reziproke Kommunikationsabläufe ermöglicht sowie differenzierte Kanäle res-
pektive Medien bedient werden.377
373
Ebd.: S. 126.
374
Vgl. Lauer (2014): S. 126; vgl. auch Vahs/Weiand (2010): S. 320; vgl. Deutinger (2017):
S. 85 f.
375
Vgl. Lauer (2014): S. 126; vgl. Robbins (2003): S. 294 ff.
376
Vgl. Lauer (2014).: S. 126.
377
Vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 318; vgl. Kotter (2016): S. 76 ff.
Change Management bei der Polizei 161
tionen in der Praxis nur schwer realisierbar. Zum anderen wird ein geringerer Par-
tizipations- und Teamgedanke im Vergleich mit anderen Organisationen attes-
tiert.378 Christe-Zeyse verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass sich ma-
nagementorientierte Veränderungsintentionen und „starke Organisationskultur
[mit] ausgeprägter professionelle[r] Identität“379 konterminierend verhalten. Er re-
sümiert, dass sich bei Veränderungen innerhalb von Polizeiorganisationen mit der
Frage zu beschäftigen ist, „welche Bestandteile der Organisationskultur elemen-
tarer Bestandteil der professionellen Identität sind und welche nicht“380.381 Christe-
Zeyse führt hierbei das „Professionsparadigma“382 als handlungsleitend auf und
identifiziert zwei dominante Handlungslogiken: die Denklogiken des Einsatzge-
schehens und der polizeilichen Sachbearbeitung383. Die Aufgeschlossenheit ge-
genüber Wandel adressierend, definiert sich die Polizeiorganisation mit ihrer star-
ken Professionskultur dahingehend, dass die Qualität ihres Produktes (hier ggf. als
innere Sicherheit definierbar) entscheidend von der Professionalität und dem En-
gagement der MA abhängig ist. Hinzu kommt die Ermangelung von (ohnehin
streitbaren) Maßnahmen zur Erhöhung einer ‚Wandeldisziplin‘ wie bspw. die Dro-
hung mit der Entlassung oder die mittels monetärer Incentivierung 384 avisierte För-
derung der Motivation der Beteiligten. 385 Aus diesem Grunde präferiert Christe-
Zeyse resümierend ein „kulturkompatibles Veränderungsmanagement“ 386. Stark
verkürzt sind managerial orientierte Reorganisationen mit dem Ziel verbesserter
378
Vgl. Vera (2015): S. 96; vgl. Thom/Ritz (2006): S. 101 ff.;
Vgl. Christe-Zeyse (2007b): S. 175.
379
Christe-Zeyse (2007a): S. 60.
380
Ebd.: S. 198.
381
Vgl. Christe-Zeyse (2007b): S. 198; vgl. so auch Nixon (2015): S. 208 f.
382
Unter Paradigma versteht Christe-Zeyse „eine Konstellation von fest etablierten, allgemein
akzeptierten und bewährten Verfahrensweisen, Standards und Regeln, die für ein soziales
System […] prägend ist.“ (Christe-Zeyse (2007a): S. 62).
383
Für das BKA besitzt nach der Lesart Christe-Zeyses insb. die Denk- und Handlungslogik
der Sachbearbeitung Relevanz. (Vgl. Christe-Zeyse (2007b): S. 189 f.).
384
Unter dem Begriff werden hier Anreize, „mit denen Mitarbeiter motiviert oder belohnt wer-
den“, verstanden. Die Belohnung erfolgt dabei für eine bestimmte Leistung und fungiert als
Personalführungsinstrument.
Vgl. http://www.wirtschaftslexikon.co/d/incentive/incentive.htm
385
Vgl. Christe-Zeyse (2007a): S. 63 ff.; vgl. auch Anl. 2.8, Z. 38 ff. u. 410 ff.; vgl. Anl. 2.6,
Z. 198 ff.
386
Christe-Zeyse (2007a): S. 66.
162 Tom Pisecky
387
Christe-Zeyse (2007a): S. 66; vgl. ergänzend Christe-Zeyse (2007b): S. 191 u. 195 ff.
388
Vgl. Christe-Zeyse (2007a): S. 66; vgl. auch Nixon (2015): S. 206.
389
Christe-Zeyse (2006): S. 41.
390
Vgl. Christe-Zeyse (2007b): S. 189.
391
Vgl. Hart (1996): S. 217.
392
Vgl. Hirschmann/Christe-Zeyse (2016): S. 156.
393
Vgl. ebd.: S. 158.
394
Vgl. Seeberg (2008): S. 20; vgl. Müller et al. (2011): S. 212 f. u. 214 f.
Change Management bei der Polizei 163
395
Vgl. Seeberg (2008): S. 20.
396
Vgl. Christe-Zeyse (2007b): S. 192 ff.; vgl. Seeberg (2008): S. 20.
397
Seeberg (2008): S. 20.
398
Vgl. ebd.: S. 20.
399
Fuchs (2001): S. 24.
400
Fuchs (2001): S. 24.
401
Vgl. Fuchs (2001): S. 232 f.
402
Vgl. Jacobs et al. (2005): S. 319.
403
Vgl. ebd. : S. 319.
164 Tom Pisecky
404
Jacobs et al. (2005): S. 319.
405
Vgl. Jacobs et al. (2005): S. 319 f.
406
Vgl. ebd.: S. 319.
407
Christe-Zeyse (2007b): S. 198.
408
Ebd.: S. 198.
409
Vgl. ebd.: S. 198.
410
Vgl. Jacobs et al. (2005): S. 331 f.
411
Vgl. Jacobs et al. (2005): S. 331.
412
Vgl. ebd.: S. 331 ff.
413
Vgl. ebd.: S. 334.
Change Management bei der Polizei 165
414
Vgl. ebd.: S. 335.
415
Kieser et al. (1998): S. 259; vgl. Christe-Zeyse (2007b): S. 199.
416
Vgl. Hart (1996): S. 216; vgl. Krüger (2014b): S. 41.
417
Es wurden 134 belgische Polizeibeamte aus zwei Einheiten befragt, welche im unmittelba-
ren Vorfeld der Untersuchung zusammengelegt worden waren. (Vgl. Rogiest et al. (2015):
S. 1094).
418
Vgl. Rogiest et al. (2015): S. 1101 f.
419
Vgl. ebd.: S. 434 f.
420
Vgl. Mayer (2009): S. 26; vgl. Diekmann (2011): S. 33 f.
166 Tom Pisecky
421
Vgl. Bortz/Döring (2006): S. 358 f. u. 372 ff.
422
Vgl. Gläser/Laudel (2010): S. 12; vgl. Bortz/Döring (2016): S. 322, 356 f. u. 375 ff.
423
Vgl. Gläser/Laudel (2010): S. 200.
424
Vgl. Diekmann: S. 531.
425
Vgl. Bortz/Döring (2016): S. 372 ff.
426
Vgl. Strübing (2013): S. 116.
427
Vgl. Frevel et al. (2010): S. 123.
428
Vgl. Gläser/Laudel (2009): S. 137; vgl. Strübing (2013): S. 96.
Change Management bei der Polizei 167
429
Vgl. Bogner/Menz (2005): S. 46.
430
Als Definitionsbasis diente die Zugehörigkeit der betreffenden ExpertInnen zum h. D.
431
Bspw.: Tarifbeschäftigte, Verwaltungsbeamte und Verwaltungsbeamtinnen, Polizeivoll-
zugsbeamte und Polizeivollzugsbeamtinnen.
168 Tom Pisecky
sons learned & Verbesserungspotentiale), wobei diese nicht zwingend eine gleich-
rangige Unterteilung der untersuchten Themenstellung bedeuten. Zum Ende eines
jeden Interviews sollten subjektive Vorschläge der Optimierung – basierend auf
den bisherigen Erfahrungen der ProbandInnen in Wandelprozessen – erhoben wer-
den.432 Im Vorfeld der eigentlichen Erhebung wurden zwei leitfadengestützte Ex-
perteninterviews433 – als Pretest – effektuiert.434 Maßgebliche Intention des Pre-
tests war dabei die Feststellung der Tauglichkeit bzw. möglicher Fehlerquellen des
Leitfadens.435
432
Vgl. Bortz/Döring (2016): S. 356 ff. u. S. 372; vgl. Schnell et al. (2008): S. 344.
433
Die Ergebnisse der beiden Interviews flossen nicht in diese Arbeit ein.
434
Dies stellt nach Schnell et al. eine empfehlenswerte Variante der Pretest-Techniken dar.
(Vgl. Schnell et al. (2008): S. 348). Vgl. auch Diekmann (2011): S. 192 u. 195; vgl. Mayer
(2009): S. 45.
435
Vgl. Diekmann (2011): S. 195; vgl. Gillham (2000): S. 54 ff.
436
Vgl. Bortz/Döring (2016): S. 599 ff.
437
Vgl. ebd.: S. 603.
438
Vgl. ebd.: S. 603.
Change Management bei der Polizei 169
439
Nach Bortz und Döring erfolgt durch die Codes eine zusammenfassende oder erklärende
Zuschreibung zu den als relevant identifizierten Textstellen.
(Vgl. Bortz/Döring (2016): S. 603).
440
Vgl. Bortz/Döring (2016): S. 603.
441
Schnell et al. (2008): S. 409.
442
Vgl. Bortz/Döring (2016): S. 599 u. 603; vgl. Schnell et al. (2008): S. 409.
443
Vgl. Mayring (2010): S. 65.
170 Tom Pisecky
denziell hoch. Vier Experten schätzen sie auch im Vergleich zu bspw. Wirtschafts-
unternehmen eher niedrig ein. Demnach wird dem BKA von Seiten der ExpertIn-
nen tendenziell eine hohe Veränderungsbereitschaft und mithin ein differentes
Bildnis zu der Auffassung in der Literatur attestiert. Von Interesse sind überdies
jedoch weit mehr die konstituierenden Hintergründe für die attribuierte Verände-
rungsbereitschaft respektive welche Aspekte nach Auffassung der ExpertInnen
hier von besonderer Relevanz erscheinen. Hierbei stechen im Wesentlichen vier
Dimensionen hervor:
(1) historisch begründete Vorbehalte respektive Akzeptanz-Hemmnisse
(2) notwendiger (nachvollziehbarer) Bezug der organisationalen Verände-
rung zu der alltäglichen, polizeilichen Aufgabenwahrnehmung
(3) Reaktanz und Beharrungstendenz der Organisationsmitglieder
(4) fehlende exogene, für den Wandel ursächliche Krisensituation
(1) Die Reaktion einer Organisation auf einen Wandel unterliegt neben der Ziel-
richtung und Umsetzung ebenso einem nicht unerheblichen Einflussfaktor der Er-
fahrungswerte aus der Vergangenheit. 444 Mit Blick auf die historische Dimension
sind im Ergebnis der Interviews u. a. die für die Beschäftigen des BKA – aufgrund
der Dislozierung auf drei Standorte – hohe Sprengkraft der Standortfrage sowie
Erfahrungen aus den Modernisierungsbestrebungen der Öffentlichen Verwaltung
anlässlich des New Public Management445 in den 1980er/1990er Jahren446 von Be-
deutung.
(2) In Übereinstimmung mit den einschlägigen Befunden aus der Literatur bedarf
es zwingend der Konnotation des auf strategischer Ebene gesehenen Verände-
rungsbedarfs mit der operativen Arbeitsebene und mithin die Verdeutlichung der
positiven Anpassung der alltäglichen polizeilichen Aufgabenwahrnehmung im
Rahmen der Reorganisation.
444
Vgl. Berner (2015): S. 21 ff.
445
Vgl. so auch Christe-Zeyse (2007b): S. 195 f.
446
Unter New Public Management wurden u. a. Privatisierungsmaßnahmen im öffentlichen
Sektor sowie die Übertragung von Managementansätzen der Privatwirtschaft in der öffent-
lichen Verwaltung zusammengefasst verstanden. (Vgl. Oschmiansky (2010)).
Change Management bei der Polizei 171
447
Vgl. Kotter (2016): S. 31 ff.
172 Tom Pisecky
448
Christe-Zeyse (2007b): S. 199.
Change Management bei der Polizei 173
449
Die Stakeholderanalyse, welche hier nur äußerst rudimentär Anwendung findet, intendiert
die Identifizierung und sodann zielgerichtete Einbindung von relevanten Interessengruppen,
orientiert an ihrer Bedeutung für das gegenständliche Projekt. (Vgl. Kerth et al. (2011): S.
148 ff.).
450
Vgl. Groth (2013): S. 182 f.; vgl. Deutinger (2017): S. 67 ff.; vgl. Berner (2015): S. 171 f.
u. S. 176 ff.; vgl. Nixon (2011): S. 206 f.
174 Tom Pisecky
451
Vgl. u. a. Lauer (2014): S. 205 ff.
Change Management bei der Polizei 175
452
Der Begriff meint die Einbindung der Organisationsmitglieder in „Netzwerke politischen
Handelns […], um eigene Interessen durchzusetzen und Vorteile zu erringen“ (Doppler et
al. (2014): S. 46).
453
Berner konstatiert, dass die Interimsphase vor Inkrafttreten der neuen Organisation mög-
lichst kurzgehalten werden sollte. (Vgl. Berner (2015): S. 180 f. u. 186).
176 Tom Pisecky
Wandel geht stets mit einer gewissen Unsicherheit und naturgemäß – vor dem
Hintergrund der oben genannten vier Einflussdimensionen – mit einer Malaise für
Teile der Organisationsmitglieder einher. Drei ExpertInnen stellen hierbei jedoch
explizit – auch wenn dies aus einer Organisation heraus nur eingeschränkt taxier-
bar ist – keine eklatanten Abweichungen zu anderen Organisationen fest. Im Er-
gebnis deuten die vorgenannten Feststellungen auf ein Vorliegen von Widerstän-
den differenzierter Ausformung mit unzweifelhafter Relevanz als Hemmnis des
Wandels hin und ermuntern hinsichtlich künftiger Veränderungsprojekte zur in-
tensiveren Befassung hiermit. Im Hinblick auf die Bandbreite der von Seiten der
InterviewpartnerInnen abgedeckten Organisationsbereiche ist anzunehmen, dass
es sich bei den Wahrnehmungen um einen relevanten Prozess von in Teilen nega-
tiver Zuschreibung gegenüber der Veränderung respektive ausbaubarer Akzeptanz
innerhalb der Organisation handeln könnte. Entscheidende Triebfeder dürfte hier-
bei des Öfteren die weiter oben skizzierte Wandel-Dimension der alltäglichen po-
lizeilichen Aufgabenwahrnehmung sein.
454
Vgl. Groth (2013): S. 134 ff.
Change Management bei der Polizei 177
455
Teilnahme durch ausgewählte Referatsleitungen resp. erfahrene Sachgebietsleiter/innen.
178 Tom Pisecky
456
Berner (2015): S. 174.
457
Vgl. ebd.: S. 174 f.
458
Vgl. Höfliger (2018): S. 16.
Change Management bei der Polizei 179
459
Vgl. Groth (2013): S. 168 ff.; vgl. Deutinger (2017): S. 62 u. 88; vgl. Doppler et al. (2014):
S. 260 ff.
460
Stanislaw Jerzy Lec (1909–1966).
461
Vgl. Erdmann (2000): S. 223 ff.
462
Vgl. Groth (2013): S. 178 f.
180 Tom Pisecky
P6 Dienstversammlungen
Eingedenk dieser Situationsbeschreibung soll nun der Blick auf fünf wesentliche
– in den Interviews artikulierte – Aspekte gelenkt werden.
(1) In der Literatur wird auf die Erforderlichkeit der kommunikativen Sichtbarma-
chung kurzfristiger Erfolge respektive erreichte KPIs und die hieraus erwachsen-
den förderlichen Emotionen im Zusammenhang mit diesen Erfolgserlebnissen
verwiesen.463 Drei ExpertInnen bestätigen die motivierende Bedeutung von Zwi-
schenständen sowie der Mitteilung von „Updates [zu erreichten] Meilensteinen“.
P8 unterstreicht in diesem Zusammenhang die notwendige realistische Zeit- und
Meilensteinplanung.
(2) Im Rahmen eines Veränderungsprozesses muss eine Vielzahl an Informationen
und Botschaften innerhalb der Organisation distribuiert werden. Eine Herausfor-
derung besteht hierbei in der „Reduktion [von] Komplexität“ und mithin der Iden-
tifikation der prioritären Botschaften, die es sodann pointiert sowie repetitiv zu
vermitteln gilt.464
(3) Die ExpertInnen schätzen die Bedeutung informeller Kanäle überwiegend als
sehr hoch ein. Dabei können hieraus im positiven Verständnis neue Ideen und An-
regungen entstehen. Es besteht jedoch auch die Gefahr der Dissemination von Ge-
rüchten durch „negative Meinungsmacher“. Wichtig ist es in diesem Zusammen-
hang, aus Organisationssicht ein Ohr an den Flurfunk „als kritische Masse“ zu
463
Vgl. Groth (2013): S. 135 f., 157 f. u. 179 f.; vgl. Kotter (2016): S. 102 ff.
464
Vgl. Groth (2013): S. 170 f.; vgl. Deutinger (2017): S. 109 f.
Change Management bei der Polizei 181
465
Vgl. Groth (2013): S. 163
466
Berner (2015): S. 168.
467
Vgl. ebd.: S. 167 f.
182 Tom Pisecky
Eine diesbezügliche Diskrepanz zeigt sich indes im Hinblick auf das ‚Flurfunkin-
terview‘ des PR des BKA, das mit gewissem Aufwand gestaltet worden ist (MA
konnten im Vorfeld Fragen einreichen) und gleichwohl im Rahmen hiesiger Un-
tersuchung annähernd keinerlei Erwähnung durch die ExpertInnen findet. Dabei
gilt es, der organisationalen Veränderung ein ‚Gesicht zu geben‘. P2 konstatiert,
dass sich im Wege dieser ‚Personifizierung‘ der organisationalen Veränderung mit
dem „Sympathieträger [PR des BKA] Münch“, Akzeptanz generieren lässt. Neben
lediglich konventionellen Medien kommen demgemäß bspw. (Video)Chats, Po-
dcasts, Infografiken, Foren und Blogs in Frage, auch wenn Web 2.0 Medien mit
interaktivem Charakter sicherlich kein Allheilmittel darstellen. Limitierend wird
von P8 und P11 noch ergänzt, dass es hierfür zunächst der Gewährleistung der
strukturellen Bedingung sowie umfänglicher finanzieller und personeller Ressour-
cen bedarf.
(5) Eingedenk der Feststellungen, dass es für erfolgreiche Veränderungen der Be-
dienung einer emotionalen Ebene und mithin der emotionalen Distribution von
Informationen bedarf, ist eine reine Übermittlung von Fakten zur Untermauerung
der avisierten Veränderung insuffizient.468 Neun von elf Experten konstatieren ab-
schließend eine hohe Bedeutung der Determination und sodann Distribution einer
greifbaren und motivierenden, ggf. Slogan- oder Leitbild-artigen Vision zu dem
Veränderungsprojekt. Dieser Aspekt wird als essentiell für den Erfolg einer an-
sonsten durchaus elaborierten Kommunikationsarchitektur gesehen. P11 unter-
streicht die Bedeutung der Vision und argumentiert, dass es eines „überzeu-
gend[en] Bild[es] für die Zukunft“ bedarf und der Beantwortung der Frage „Wa-
rum machen wir das eigentlich?“. Dabei muss die Vision nachvollziehbar und „aus
dem Alltagserlebnis [des/der einzelnen Beschäftigten] ableitbar sein“. Dieser Um-
stand genießt hohe Wirkmächtigkeit. P4 sieht in dem gegenwärtigen disruptiven
und dynamischen Organisationsumfeld eine deutliche Erschwernis bei der Ent-
wicklung einer tragfähigen Vision.
468
Vgl. u. a. Groth (2013): S. 67 ff. u. 82 f.
Change Management bei der Polizei 183
469
Groth (2013): S. 78.
470
Ziel ist es „führende Geschäftspraktiken“, mithin Erfolgsmodelle, zu identifizieren und
diese nachhaltig zu machen. (Kerth et al. (2011): S. 153).
471
Vgl. u. a. Groth (2013): S. 88 f.; vgl. Berner (2015): V; vgl. Cameron/Green (2015): S. 6.
184 Tom Pisecky
P6 Vision & Prozess kontinuierlicher kleiner Schritte & Externe Beratungsleistung mit
Blick auf Kommunikation
P7 Vision
5 Fazit
Abschließend soll ein Fazit gezogen und im Lichte der Experteninterviews ein
Blick in die Zukunft – aufbauend auf den ‚Lessons learned‘ aus selbigen Inter-
views – gewagt werden. Die Schlussfolgerungen unterliegen einigen restringie-
renden Merkmalen der angewandten Methodik, welche hier ebenfalls kritisch re-
flektiert werden.
Eingedenk der skizzierten Bedeutungsschwere erfolgreich gestalteten organisati-
onalen Wandels in einem dynamischen und im gewissen Maße disruptiven Orga-
nisationsumfeld kommt der Befassung mit den Erfolgsfaktoren eines Verände-
rungsprojektes wesentliche Bedeutung zu. Dies scheint umso mehr für das Feld
der Polizeiorganisationen als bisher noch wenig empirisch analysiertes Anwen-
dungsgebiet des CM zwingend angezeigt. Die Polizei als (Change) Management
Umfeld weist dabei spezifische Charakteristika auf, die es zu kennen, zu verstehen
und hieran anknüpfend im konkreten Veränderungsprojekt zu berücksichtigen gilt.
Change Management bei der Polizei 185
Diesen Ausschnitt der Analyse adressierend, werden noch einmal drei Aspekte
hervorgehoben werden. Erstens: Entgegen des Postulats der Literatur schildern die
interviewten ExpertInnen ein weitaus optimistischeres Bild der Veränderungsbe-
reitschaft der MA. Den Interviews lassen sich in der Gesamtschau vier konstituie-
rende Dimensionen für die attribuierte generelle Veränderungsbereitschaft entneh-
men. Zweitens: Von herausgehobener Bedeutung scheint dabei die Dimension der
notwendigen Verlinkung zwischen avisiertem organisationalem Wandel und der
einhergehenden und darüber hinaus konkret wahrnehmbaren Optimierung für die
alltägliche polizeiliche Aufgabenwahrnehmung. Drittens: Der Veränderungspro-
zess wird durch exogene Kontexte sowie vielfältige Stakeholder beeinflusst, wo-
bei dem mittleren Management (als ein Stakeholder) eine bedeutende Scharnier-
funktion und Multiplikatorrolle zukommt. Die in der Literatur bisweilen anemp-
fohlene Konsultation externer Beratungsleistung wurde überaus kontrovers be-
wertet. Darüber hinaus bestätigt sich indes mehrheitlich die Ubiquität von Wider-
stand seitens der Organisationsmitglieder angesichts von Veränderungsprojekten.
Ebenso wurde dabei die exponierte Bedeutung subjektiver – ggf. irrational wir-
kender – Motive seitens der ExpertInnen affirmiert.
Berner postuliert alludierend auf Reorganisationen anstelle eines „Durchsetzungs-
[…] ein Motivationsproblem“472 und unterstreicht hierbei die Notwendigkeit eines
„transparenten und korrekte[n] Vorgehens“473 von Seiten des Top Manage-
ments.474 Eingedenk dieser Maxime sollen rekurrierend auf die Lessons learned
nachfolgende Feststellungen zu den in hiesiger Analyse im Fokus stehenden Er-
folgsfaktoren Partizipation und Kommunikation pointierend unterstrichen werden.
Bei einer Organisation der Größe des BKA erscheint eine umfassende, unmittel-
bare Einbindung aller MA in den Planungs- und Entscheidungsprozess des orga-
nisationalen Wandels allein aus Effizienz- und Effektivitätsgesichtspunkten nicht
notwendigerweise erforderlich und überdies nachteilig respektive nur äußerst
schwer realisierbar.475 Es bedarf organisationsseitig einer Abwägung zwischen
bestmöglicher Einbindung der MA sowie größtmöglicher Effektivität. Dies nicht
472
Berner (2015): S. 181.
473
Ebd.: S. 181.
474
Vgl. ebd.: S. 181.
475
Vgl. Sementelli (2016): S. 1089 ff.
186 Tom Pisecky
476
Ein konkretes Referenzieren auf einzelne Soziale Medien oder Tools unterbleibt hier vor
dem Hintergrund ihrer in Teilen festzustellenden Kurzlebigkeit.
Change Management bei der Polizei 187
477
Vgl. u. a. Lauer (2014): S. 72 ff. u. 148.
478
Unter der Begrifflichkeit Benchmarking wird hier die „Analyse der eigenen Position im
Markt im Vergleich zu den Besten“ verstanden. Ziel ist es hierbei von den Besten zu lernen
und die eigene Organisation respektive Herangehensweise zu verbessern. (Kerth et al.
(2011): S. 63 u. 153 ff.)
479
Hierbei handelt es sich um einen berufsspezifischen Terminus für die Aufbereitung und
Evaluation polizeilicher Anlässe (wie bspw. Einsatzlagen).
188 Tom Pisecky
480
Schnell et al. (2008): S. 354 f.
481
Vgl. Bortz/Döring (2016): S. 357; vgl. Diekmann (2011): S. 443 u. 447 ff.
482
Schnell et al. (2008): S. 357.
483
Vgl. Schnell et al. (2008): S. 357 f.; vgl. Diekmann (2011): S. 443 u. 447 ff.
484
Vgl. Diekmann (2011): S. 445; vgl. Gillham (2000): S. 91.
Change Management bei der Polizei 189
qualitativen Befragung zudem nur sehr eingeschränkt eignen. Dies begründet sich
in der exklusiven Befragung von Beschäftigten einer Organisation, in Korrelation
mit den strukturellen und kulturellen Besonderheiten der Organisation sowie dem
spezifischen Aufgabenportfolio.485
Schließlich begründet sich in der limitierenden Fokussierung auf die zwei Erfolgs-
faktoren Partizipation und Kommunikation die hiermit unweigerlich verbundene
weitgehende Elimination weiterer Schlüsselfaktoren. Diese Einschränkung der
Untersuchung gilt es ebenso zu berücksichtigen.
Der retrospektiven Beleuchtung der differenzierten Perspektiven der Inter-
viewpartnerInnen erwächst dennoch ein nicht zu vernachlässigendes ‚Lessons
learned‘ oder ‚Best Practice‘ Sujet, das sich als gewinnbringend für zukünftige
Veränderungsprojekte zumindest in der beispielhaft herangezogenen Organisation
BKA erweisen könnte. Die beiden hier gegenständlichen Erfolgsfaktoren des CM
sind dabei eng mit einander verwoben. Angesichts des sehr komplexen Themen-
feldes ermöglicht eine Eingrenzung auf wenige Faktoren des CM den tiefergehen-
den Blick. Demgegenüber muss eine Ausblendung anderer – ggf. ebenso gewich-
tiger – Faktoren in Kauf genommen werden.
Berner verweist auf eine „normative Kraft des Faktischen“486 bei der Umsetzung
von Reorganisations-Ansinnen und konstatiert, dass die neue Organisation zeitnah
„zu leben beginnt [sobald] sie steht“487. Unbenommen der Bedeutung hierarchi-
scher Strukturen in Polizeiorganisationen und entsprechend angenommener
Durchsetzungskraft selbiger, könnte dabei jedoch verkannt werden, welche Be-
deutung der Akzeptanz und Motivation der Organisationsmitglieder sowie der ste-
tigen Evaluation innewohnt. Auf diese erfolgskritischen Dimensionen nehmen
Maßnahmen der Kommunikation und Partizipation erheblichen Einfluss. Hinzu
tritt die, in hiesiger Befragung immer wieder als essenziell attribuierte, Definition
und Distribution einer tragfähigen, motivierenden und die konkrete (polizeiliche)
485
Vgl. Jones (2008): S. 453.
486
Berner (2015): S. 181.
487
Ebd.: S. 181.
190 Tom Pisecky
488
Nelson Mandela (1918–2013).
Change Management bei der Polizei 191
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waltung – Herausforderung und Chance der Verwaltungsmodernisierung.
192 Tom Pisecky
Der Autor
Tom Pisecky, M. A.
Polizeirat
Bundeskriminalamt
199
Inhaltsübersicht
1 Einleitung
2 IT-Strategie der Polizei NRW
3 Theoretische Grundlagen
3.1 Begriffsabgrenzungen
3.2 Rahmenbedingungen der Digitalisierung
3.3 Arbeitsplatz der Zukunft in einer digitalen Arbeitswelt
4 Methodik
4.1 Expertenauswahl
4.2 Interviewleitfaden
4.3 Datenerhebung
4.4 Transkription und Auswertung
5 Diskussion der Ergebnisse
5.1 Begriff „Polizei 4.0“
5.2 Rahmenbedingungen der Digitalisierung
5.3 Arbeitsplatz der Zukunft in einer digitalen Arbeitswelt
6 Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
R. Ritsert und A. Vera (Hrsg.), Management und Organisation in der Polizei,
Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29053-5_5
200 Andreas Hering und Antonio Vera
1 Einleitung
489
Vgl. Morozov 2013, S. 14.
490
Vgl. Dengler & Matthes 2015, S. 6.
491
Vgl. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/digitalisierung.html.
492
Vgl. Hinrichsen & Jasperneite 2013, S. 45; vgl. Kagermann 2014, S. 603.
493
Vgl. Baumann et al. 2017, S. 6.
494
Vgl. Kranstedt 2018, S. 28.
495
Vgl. Stern et al. 2018, S 35.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 201
Beratungsbedarf zur Umsetzung des EGovG NRW ist hier das „Competence Cen-
ter Digitalisierung“ beim „Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-
Westfalen“ (IT.NRW) im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, In-
novation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.
Eine besondere Rolle nimmt in diesem Zusammenhang die Polizei ein. IT-Inno-
vationen von Big Data bis hin zum IoT beeinflussen die Umgebung, in der die
Polizei agiert und ihren Aufgaben gerecht werden muss.496 Darüber hinaus bieten
sich Kriminellen neue Tatmittel und Angriffsflächen, aus denen sich wiederum
neue Deliktsbereiche und Modi Operandi generieren. 497 Eine fortschreitende In-
ternationalisierung von Kriminalität erfordert nicht nur eine enge und effektive
Zusammenarbeit von Bund und Ländern, sondern auch internationale Koopera-
tion, gemeinsame Datenbanken, zunehmende Mobilität und Vernetzung sowie ein
effektives und effizientes Informationsmanagement der Strafverfolgungsbehör-
den.498 Insofern hat es sich auch die Bundesregierung im Koalitionsvertrag auf die
Fahne geschrieben, die Sicherheit Deutschlands durch bessere Ausstattung der Po-
lizei und konsequente Digitalisierung zu stärken. Mit dem „Programm 2020“ wird
deshalb auf Bundesebene ein zentrales Informationssystem geschaffen, das auf
modernen Technologien und technischen Strukturen basiert, die künftig zentral
vom Bundeskriminalamt (BKA) für die gesamte deutsche Polizei weiterentwickelt
werden. Darüber hinaus sollen die Vorteile der Digitalisierung auch für weitere
Plattformen – z. B. bei der Auswertung digitaler Spuren – genutzt werden. Die
Neu- und Weiterentwicklungen der Technik für Einsatz, Kommunikation und
Auswertung sollen bundeseinheitlich erfolgen, so z. B. auch bei der Entwicklung
eines Einsatzkommunikations- und -unterstützungssystems.499
Der Polizei NRW werden allerdings im Zuge der Digitalisierung nicht nur durch
gemeinsame Plattformen auf Bundesebene Veränderungen ins Haus stehen. Der
digitale Lebensstil der Gesellschaft 4.0500 und die damit einhergehende Bürgerer-
wartung an die Kommunikationsmöglichkeiten mit der Polizei werden sich nicht
496
Vgl. Rüdiger & Bayerl 2018, S. 11.
497
Vgl. Münch 2017, S. 3.
498
Vgl. Münch 2017, S. 2.
499
Vgl. Münch 2017, S. 8.
500
Vgl. Matuschek 2016, S. 7.
202 Andreas Hering und Antonio Vera
nur auf den Verwaltungsbereich der Polizei erstrecken, sondern auch die Kernauf-
gaben in den Bereichen Einsatz, Kriminalität und Verkehr erreichen. Ziel der vor-
liegenden qualitativ empirischen Studie ist es, herauszuarbeiten, inwieweit die Po-
lizei im Allgemeinen und die nordrhein-westfälische im Besonderen die Rahmen-
bedingungen für einen Arbeitsplatz der Zukunft in einer digitalen Arbeitswelt bie-
tet, um in diesem Kampf um die besten Köpfe zukünftig als attraktiver Arbeitgeber
wettbewerbsfähig zu sein.
Wesentlicher Teil der zukunftsweisenden Ausrichtung der Polizei NRW ist die
„IT-Strategie 2020“. In dieser werden die mittel- und langfristigen Erwartungen
an die IT unter Berücksichtigung der technologischen Entwicklungen und der sich
ändernden Bedürfnisse der Mitarbeiter festgelegt. Agilität durch flächendeckende
Einführung mobiler Endgeräte für den täglichen Dienst, stärkere Automatisierung
von Standardprozessen, der Informationsaustausch mit allen Sicherheitsbehörden
in Echtzeit, die Verbesserung der Datenqualität zur zielgerichteten Auswertung
der immer größeren und komplexeren Datenmengen, der konsequente Ausbau der
IT-Sicherheit sowie eine Neuausrichtung und intensive Verstärkung der Personal-
entwicklung in den technischen Disziplinen sind die wesentlichen Zielsetzungen
dieser IT-Strategie.
Durch die Integration externer Kompetenzen sollen eigene Kapazitäten entlastet
und für notwendige Innovationen freigesetzt werden. Das Landesamt für Zentrale
Polizeiliche Dienste (LZPD) übernimmt dabei eine Zentralstellenfunktion für das
Lizenz-, Beschaffungs-, Anwendungs- und Sicherheitsmanagement, stellt opti-
mierte Auswertungs- und Analyseplattformen bereit, koordiniert die länderüber-
greifende polizeiliche Zusammenarbeit im IT-Bereich, unterstützt die Behörden
durch ein agiles Projekt- und IT-Servicemanagement und ist zentrale Controlling-
stelle im IT-Bereich. Die Anpassung der polizeilichen IT-Infrastruktur an die
Standards des Landes NRW soll u. a. durch das Outsourcing von technischen
Dienstleistungen an IT.NRW gewährleistet werden. Zur Bewältigung der immer
komplexeren und schneller wachsenden Aufgabenraten gilt es, die Personalsitua-
tion im IT-Bereich durch Erarbeitung von Konzepten zur Rekrutierung und Ent-
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 203
wicklung von IT-Fachpersonal anzupassen und neue Wege in Form von gemein-
samen Weiterbildungskonzepten mit IT.NRW als Spezialisten zu gehen. Durch
entsprechende technische Expertise soll auf sich abzeichnende Zukunftstrends
frühzeitig reagiert werden können.
Bei der Einrichtung der Arbeitsplätze mit IT-Standardausstattung soll zwischen
typischen Büroarbeitsplätzen, hybriden Arbeitsmodellen und mobilen Arbeitsra-
ten sowie einzelnen Spezialbereichen polizeilicher Aufgabenfelder differenziert
werden. Geeignete Nutzungskonzepte für mobile Endgeräte sollen zu einer erheb-
lichen Kostensenkung durch Vermeidung von Doppelausstattung mit Hardware
und Lizenzen für Software führen und gleichzeitig die Präsenz des Wach- und
Wechseldienstes auf der Straße durch Wegfall der Übertragung handschriftlicher
Notizen ins IT-System auf der Wache erhöhen.
Die Speicherung von Daten soll flexibel skalierbar erfolgen, um auch große Da-
tenmengen (Big Data) einer qualifizierten Analyse und Auswertung unterziehen
zu können. Hierzu soll die Definition von Informationssicherheitskonzepten die
Nutzung privater Cloud-Lösungen ermöglichen, so dass diese zum festen Bestand-
teil des IT-Architekturmodells der Polizei NRW werden. Dezentrale IT-Verfahren
sollen sukzessive in ein zentrales Verfahrensmanagement überführt werden. Dar-
über hinaus sollen in der freien Wirtschaft etablierte technologische Standards,
wie digitale Signatur, E-Learning-Module, biometrische Authentifizierungsme-
thoden sowie digitale Erkennungsmöglichkeiten im Logistikbereich implemen-
tiert werden. In einem Data-Warehouse sollen die verschiedenen Datenbestände
der Kreispolizeibehörden über geeignete Schnittstellen für Analyse- und Auswer-
tezwecke zusammengeführt werden. Zudem werden die Bürger- und Internetser-
vices ausgebaut, die elektronische Personalakte eingeführt und auf vollständige
elektronische Aktenführung umgestellt sowie der elektronische Rechtverkehr mit
der Justiz gewährleistet.
Aus der Vielzahl der zurzeit laufenden IT-Großprojekte der Polizei NRW zur Um-
setzung der IT-Strategie 2020 ist das neue „Verfahren zur integrierten Vorgangs-
bearbeitung und Auskunft“ (ViVA) hervorzuheben, weil es zukünftig das zentrale
Werkzeug aller Polizisten im Land sein wird und sinnbildlich für die angestrebte
Agilität und Reduzierung von Medienbrüchen stehen soll. Es soll durch Optimie-
rung der Geschäftsprozesse die Arbeit der ca. 50.000 Beschäftigten der Polizei
204 Andreas Hering und Antonio Vera
3 Theoretische Grundlagen
3.1 Begriffsabgrenzungen
3.1.1 Polizei 4.0
Eine einheitliche Definition für den Begriff „Polizei 4.0“ gibt es natürlich nicht.
Insofern wird im Folgenden die Bedeutung des Begriffs hermeneutisch aus seiner
Zusammensetzung und seiner Verwendung abgeleitet.
Bei 4.0 Prozessen geht es grundsätzlich um die Verknüpfung von Maschinen, Pro-
zessen, Dienstleistungen, Dingen und Menschen, wobei diese Begrifflichkeit i. d
R. mit dem Begriff „Industrie 4.0“ verbunden wird. Während in anderen Ländern
in diesem Zusammenhang üblicherweise eher von Digitalisierung oder dem IoT
gesprochen wird, hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer Hightech-Strategie
die Bezeichnung „Industrie 4.0“ gewählt. 501 Dabei handelt es sich um ein Zu-
kunftsprojekt, das darauf abzielt, die deutsche Industrie in die Lage zu versetzen,
für die Produktion von morgen gerüstet zu sein. 502
Die Ziffer „4.0“ soll darauf hindeuten, dass zurzeit eine vierte industrielle Revo-
lution stattfindet. Während die erste industrielle Revolution im 18. Jahrhundert
durch die Mechanisierung von Arbeit zur Industrialisierung einzelner Industrie-
zweige führte,503 war die zweite industrielle Revolution Ende des 19. Jahrhunderts
durch arbeitsteilige Massenproduktion und Fließbandarbeit mithilfe elektrischer
Energie gekennzeichnet. Die dritte industrielle Revolution Anfang der sechziger
Jahre des 20. Jahrhunderts zeichnete sich durch den Einsatz von Elektronik und
IKT aus.504 Die nun stattfindende vierte industrielle Revolution ist geprägt von
einer hochautomatisierten, vernetzten, smarten und weitestgehend selbstorgani-
sierten Produktion auf Grundlage von Digitalisierung, Robotik, Sensorik, cy-
berphysischen Systemen und Big Data.505 Zentrale Annahme ist dabei, dass neue
501
Vgl. Reinheimer 2017, S. V.
502
Vgl. https://www.bmbf.de/de/zukunftsprojekt-industrie-4-0-848.html.
503
Vgl. Siepmann 2016, S. 19.
504
Vgl. Siepmann 2016, S. 19.
505
Vgl. Hinrichsen & Jasperneite 2013, S. 45; Kagermann 2014, S. 603;
Dengler & Matthes 2015, S. 6.
206 Andreas Hering und Antonio Vera
506
Vgl. Baumann et al. 2017, S. 6.
507
Vgl. https://www.fhoev.nrw.de/nachrichten/artikel/19-europaeischer-polizeikongress/.
508
Vgl. https://it-rebellen.de/2017/02/01/polizei-setzt-im-netz-auch-auf-verdeckte-
ermittler/?doing_wp_cron=1531333710.4642970561981201171875.
509
Vgl. https://it-rebellen.de/2017/02/01/polizei-setzt-im-netz-auch-auf-verdeckte-
ermittler/?doing_wp_cron=1531333710.4642970561981201171875.
510
Vgl.Münch 2017.
511
Vgl. Mohrherr 2017, S. 1 f.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 207
wie der Begriff Polizei 4.0 aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Hessen
belegt ist. Hinsichtlich der erheblichen Herausforderungen durch die rasante Di-
gitalisierung, die gesellschaftliche Gemengelage und die anhaltende Terrorgefahr
und die hieraus erforderlichen IT-Prozesse und -vernetzungen verwies die GdP
Hessen auf die Ausführungen des BKA Präsidenten Holger Münch. Darüber hin-
aus wurden aber auch Fragen zur Veränderung der Behördenkultur, des Umgangs
der Beschäftigten miteinander und zwischen Vorgesetzten und Nachgeordneten
und der Attraktivität des Polizeiberufes aufgeworfen. Die Vereinbarkeit von Fa-
milie und Beruf wurde im Kampf um die besten Köpfe am Arbeitsmarkt ebenfalls
in diesem Kontext subsumiert. Kurz zusammengefasst steht Polizei 4.0 für die
hessische GdP für mehr Technik und den Kampf um mehr Personal und IT-Spe-
zialisten sowie nachhaltige Perspektiven für die Polizeibeschäftigten.
Die SPD-Fraktion in Thüringen titelte im Januar 2018: „Polizei 4.0 – Rot-Rot-
Grün macht Thüringer Polizei fit für die digitale Zukunft“ und resümierte darunter
die Modernisierung der Polizei, eine Reaktion auf den digitalen Wandel der Ge-
sellschaft, die Einführung von mobilen Kommunikationsendgeräten, die Einrich-
tung einer Online-Wache, die Einführung von Messenger Systemen für die ver-
schlüsselte interne Kommunikation, eine Verbesserung der IT-gestützten Krimi-
nalitätsbekämpfung, den Ausbau von Computerarbeitsplätzen mit Internetzugang,
die Digitalisierung und multimediale Aufbereitung von Präventionsangeboten und
die Verstärkung der Social Media Teams. 512
Aus den jeweiligen Kontexten der hier dargestellten Verwendungen des Begriffes
Polizei 4.0 lässt sich ein wesentlicher Zusammenhang erkennen. Es geht in allen
Fällen um IT: IT-Systeme, IT-Infrastruktur, IT-Architektur, IT-Prozesse, IT-Spe-
zialisten, Informationsverarbeitung durch IT oder Vernetzung von IT. Es geht je-
doch nicht nur um die Technik und die technischen Prozesse, sondern auch um
deren Auswirkungen auf den Arbeitsplatz Polizei, die veränderten Anforderungen
an die Organisation und ihre Mitarbeiter, d. h. um die Veränderungen der Polizei
als Ganzes im Rahmen der Digitalisierung. Diese Bedeutung soll der Begriff Po-
lizei 4.0 auch im Rahmen der vorliegenden Studie haben.
512
Vgl. https://www.spd-thl.de/polizei-4-0-rot-rot-gruen-macht-thueringer-polizei-fit-fuer-
die-digitale-zukunft/.
208 Andreas Hering und Antonio Vera
3.1.2 Digitalisierung
Der Begriff der Digitalisierung wird 7 i. d. R. ohne weitere Erläuterungen verwen-
det, obwohl ihm verschiedene Bedeutungen zukommen,513 zahlreiche Synonyme
verwendet werden, im Jahr 2015 ca. 56 % der bundesdeutschen Beschäftigten
nicht wussten, was unter „Digitalisierung“ zu verstehen ist, und ein Drittel noch
nicht einmal von diesem Begriff gehört hatte.514 Digitalisierung meint im ur-
sprünglichen Sinne die Umwandlung von Informationen von einer analogen Spei-
cherung – z. B. auf Videokassetten – in eine digitale Speicherung bzw. die digitale
Durchführung von Information und Kommunikation oder die digitale Modifika-
tion von Instrumenten, Geräten und Fahrzeugen.515 Ziel dieser Umwandlung war
ursprünglich die Verwendung, Bearbeitung, Wiedergabe, Speicherung oder Ver-
teilung der Informationen mittels Datenverarbeitungssystemen, 516 das Herstellen
einer maschinellen Lesbarkeit, um die Informationen schneller verarbeiten und
durchsuchen zu können, sowie die Anwendung von Komprimierungsalgorithmen
auf die Daten, um den Speicherbedarf zu reduzieren.517 Synonym für den Begriff
der Digitalisierung wurden Schlagworte wie „digitale Revolution“, „dritte Revo-
lution“, „digitaler Wandel“, „Computerisierung“ oder „Automatisierung“ verwen-
det.
Heute wird Digitalisierung vielfach als Oberbegriff für alle Formen des Einsatzes
von IKT genutzt und als Ursache und Treiber grundsätzlicher Veränderungen im
Sinne von gesellschaftlichen Transformationsprozessen gesehen, die sich nicht auf
einzelne Lebensbereiche beschränken, sondern Berufs-, Alltags- und Freizeitwelt
gleichermaßen tangieren.518 Der Begriff der Digitalisierung steht somit als Schlag-
wort für die informationstechnologisch getriebenen Veränderungen von Wirt-
schaft, Arbeit und Gesellschaft,519 die sich in Diskussionen um mobile oder Cloud-
513
Vgl. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/digitalisierung-54195.
514
Vgl. Hofstetter 2017, S. 74.
515
Vgl. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/digitalisierung-54195.
516
Vgl. Erpenbeck 2017, S. 116.
517
Vgl. Litzl 2017, S. 2.
518
Vgl. Schulz-Schaeffler & Funken 2008, S. 15.
519
Vgl. BMAS 2017, S. 19.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 209
Computing-Technologien, soziale Medien, Analytics, Big Data oder das IoT wi-
derspiegeln.520 Die „Digitalisierung“ gilt als der zentrale Treiber der vierten in-
dustrielle Revolution und ist damit untrennbar mit den Begriffen „Industrie 4.0“
oder eben auch „Polizei 4.0“ verbunden.
520
Vgl. Chalons & Dufft 2016, S. 28 ff.
521
Vgl. BMAS 2017, S. 19.
522
Vgl. Betz & Henkes 2016, S. 7.
523
Vgl. Betz & Henkes 2016, S. 8.
524
Vgl. Weinländer 2017, S. 5.
210 Andreas Hering und Antonio Vera
525
Vgl. Betz & Henkes 2016, S. 8.
526
Vgl. Tuszik & Korff 2018, S. 36.
527
Vgl. Betz & Henkes 2016, S. 9.
528
Vgl. Weinländer 2017, S. 22 ff.
529
Vgl. Kampe & Walter 2017, S. 17.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 211
2016 bis 2025 soll sich dabei allein im verarbeitenden Gewerbe auf ca. 21,1 Mrd.
€ belaufen.530 Auf der anderen Seite bedeutet die digitale Integration letztlich aber
auch, dass Arbeitsprozesse in kürzerer Zeit erledigt werden können und so wiede-
rum Ressourcen eingespart werden.531 Insofern ist einer Investition in neue Tech-
nologien grundsätzlich eine Kosten-Nutzen-Relation voranzustellen.532 Hinsicht-
lich der Investitionskosten in „Industrie 4.0“ ab dem Jahr 2016 wird z. B. prog-
nostiziert, dass sich diese im Jahr 2024 amortisiert haben werden. 533
Die betriebswirtschaftlichen Ziele der Rationalisierung und der Kostensenkung
durch Digitalisierungsprozesse spielen auch in der öffentlichen Verwaltung eine
Rolle.534 Mehr Digitalisierung ermöglicht schnellere Verfahren, besseren Service
und niedrigere Kosten für die Verwaltung. So könnten hier durch medienbruch-
freie Prozesse im Rahmen der Digitalisierung zwischen 30 und mehr als 70 % der
Kosten bei einzelnen Verwaltungsprozessen eingespart werden, wenn diese voll-
ständig elektronisch abgewickelt würden.535 Vor allem der Verzicht auf Unter-
schriften, Identitätsprüfungen oder persönliche Vorsprachen bei der Antragstel-
lung sowie die Verwendung elektronischer Formulare und die Möglichkeit elekt-
ronischen Bezahlens, eine Upload-Möglichkeit für erforderliche Nachweise oder
die Beschaffung von Nachweisen durch die Behörden untereinander würden zu
erheblichen Kosteneinsparungen beitragen.536
In Bezug auf die Polizei NRW kündigte der amtierende Innenminister an, dass für
die Erneuerung und Verbesserung der IT-Ausstattung 31,7 Mio. € zur Verfügung
stünden, um mit der technischen Entwicklung und daran gekoppelt auch mit dem
polizeilichen Gegenüber Schritt halten und Kriminalitätsphänomene wie Cyber-
crime wirkungsvoll bekämpfen zu können. Hierin inbegriffen ist auch die An-
schaffung neuer mobiler Endgeräte. Des Weiteren stünden die finanziellen Mittel
zur Verfügung, um die Behörden in die Lage zu versetzen, effektiv und effizient
530
Vgl. Wolter et al. 2015, S. 26.
531
Vgl. Kampe & Walter 2017, S. 4.
532
Vgl. Kampe & Walter 2017, S. 20.
533
Vgl. Wolter et al. 2015, S. 35.
534
Vgl. Schilff 2017, S. 1.
535
Vgl. Siegfried & Schumacher 2016, S. 4.
536
Vgl. Siegfried & Schumacher 2016, S. 3 f.
212 Andreas Hering und Antonio Vera
bei Ermittlungen mit Big Data umzugehen und die Videoüberwachung auszuwei-
ten.537
537
Vgl. Reul 2017, S. 3 f.
538
Vgl. Kampe & Walter 2017, S. 80.
539
Vgl. Reul 2017, S. 5.
540
Vgl. Siegfried & Schumacher 2016, S. 10–14.
541
Vgl. Humer 2008, S. 222–231.
542
Vgl. BMAS 2017, S. 143.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 213
543
Vgl. Hickisch 2017, S. 83.
544
Vgl. Schilff 2017, S. 1 f.
545
Vgl. Schilff 2017, S. 1 f.
546
Vgl. Hebeler 2017, S. 32.
214 Andreas Hering und Antonio Vera
547
Vgl. Jarolimek 2017, S. 23.
548
Vgl. acatech 2016, S. 16.
549
Vgl. Ledinger 2017, S. 31.
550
Vgl. acatech 2016, S. 19.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 215
Ist-Zustand für die Lieferantenauswahl und -steuerung voraus. Auch hier sind ent-
sprechende Kompetenzvermittlung und Qualifizierung im Rahmen der Aus- und
Fortbildung zu berücksichtigen.
Neben der Entwicklung und Einführung der Technologie und der Prozesse durch
„IT-Hybridspezialisten“ sind die Mitarbeiter als Anwender das Kernelement einer
digitalen Transformation.551 Insofern sind nicht nur die Notwendigkeit und Dring-
lichkeit des Wandels den Beschäftigten gegenüber zu kommunizieren, sondern
auch deren Akzeptanz und Veränderungsbereitschaft zu fördern. 552 Die Beleg-
schaft ist bei der digitalen Transformation nicht nur „mitzunehmen“, sondern soll
diese vielmehr aktiv mitgestalten.
551
Vgl. Betz & Henkes 2016, S. 15.
552
Vgl. Wiegand 2018, S. 20.
553
Vgl. BMAS 2017, S. 19; acatech 2016, S. 11; Bruckner et al. 2018, S. 5.
554
Vgl. Weitzel et al. 2015, S. 5.
216 Andreas Hering und Antonio Vera
durch das Angebot von Kinderbetreuung, von 68 %.555 Bemerkenswert sind diese
Ergebnisse insbesondere im Vergleich zum Jahr 2004, als Kriterien wie Flexibili-
tät der Arbeitszeiten und Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf mit nur 28 %
bzw. 27 % deutlich hinter dem Inhalt der Tätigkeit und dem Einkommen mit 68 %
bzw. 64 % rangierten.556 Gerade das Homeoffice wurde in Bezug auf flexible Ar-
beitszeitmodelle als Indikator für die Attraktivität von Unternehmen genannt, weil
es verschiedene Vorteile wie das Entfallen von Pendelzeiten (84,4 %), eine räum-
liche Unabhängigkeit (77,6 %), eine verbesserte Work-Life-Balance (69,0 %) so-
wie eine erhöhte Eigenverantwortung (67,9 %) bietet. Als Nachteile wurden neben
dem Verschwimmen der Grenze zwischen Arbeit und Familie (53,2 %) die Ver-
ringerung sozialer Kontakte (43,8 %), das Nicht-Vorhandensein technischer Un-
terstützung (32 %) sowie sinkende Karrierechance (24,5 %) benannt.557
„Wertewelten Arbeiten 4.0“ ist eine vom Bundesministerium für Arbeit und Sozi-
ales (BMAS) geförderte Studie aus dem Jahr 2016, in der 1.200 Erwerbstätige in
Deutschland auf Basis von IT-gestützten, kombiniert quantitativ-qualitativen Tie-
feninterviews nach ihren Wünschen und Hoffnungen sowie Befürchtungen und
Ablehnungen befragt wurden.558 Im Verlauf der Studie stellte sich eine recht hohe
Vielfalt und zugleich Gegensätzlichkeit in den Wünschen und Ansprüchen der Er-
werbstätigen heraus. Mithilfe einer Clusteranalyse wurden sieben verschiedene
Wertewelten identifiziert.559 Der Wertewelt „Sorgenfrei von der Arbeit leben kön-
nen“ lassen sich 28 % der Befragten zuordnen, gefolgt von „Den Wohlstand hart
erarbeiten“ mit 15 %, „Balance zwischen Arbeit und Leben finden“ mit 14 %,
„Sinn außerhalb seiner Arbeit suchen“ mit 13 %, „Engagiert Höchstleistung er-
zielen“ mit 11 %, „Sich in der Arbeit selbst verwirklichen“ mit 10 % und „In einer
starken Solidargemeinschaft arbeiten“ mit 9 %.560 Im Ergebnis wird herausge-
stellt, dass in fünf dieser sieben Wertewelten mobile Arbeit und Telearbeit positiv
durch die Erwerbstätigen bewertet werden, die Mehrheit eine Individualisierung
der Arbeitszeiten anstrebt und sich wünscht, die eigene Arbeit flexibel einteilen
555
Vgl. Weitzel et al. 2015, S. 8 f.
556
Vgl. Weitzel et al. 2015, S. 33.
557
Vgl. Weitzel et al. 2015, S. 20.
558
Vgl. BMAS/Nextpractice 2016, S. 4 ff.
559
Vgl. BMAS/Nextpractice 2016, S. 18 f.
560
Vgl. BMAS 2017, S. 35.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 217
zu können.561 Ebenfalls erwies sich in allen Wertewelten das Bedürfnis nach ei-
nem Sinn in der Arbeit und einer individuell auszugestaltenden Balance zwischen
Arbeit und Privatleben als relevant.562 In technischen Innovationen werden Poten-
ziale zur Selbstverwirklichung und Teilhabe an der Gestaltung der eigenen Ar-
beitswelt gesehen.563 Homeoffice, flexible Arbeitszeiten und ein individuell ge-
staltetes Arbeitsumfeld bieten bessere Chancen auf eine Work-Life-Balance als
bisher.564 Materiellen Werten wird hingegen eher eine geringe Anreizbedeutung
beigemessen.565 Damit geht jedoch die Befürchtung einer Entgrenzung von Arbeit
und Privatleben und der ständigen Erreichbarkeit und Verfügbarkeit einher.
In der Studie „Arbeitsplatz der Zukunft 2017“ wurde anhand von insgesamt 1.519
Interviews der Frage nachgegangen, wie eine zukunftsträchtige Arbeitsgestaltung
aus Sicht von Führungskräften und Mitarbeitern aussehen müsste.566 Im Ergebnis
gaben 57 % der befragten Unternehmen an, mit dem Arbeitsplatz der Zukunft in
erster Linie Mobilität und Technologie zu assoziieren, gefolgt von 48 % die das
Überdenken von Arbeitszeitmodellen und Home- bzw. Remote-Arbeit im Vorder-
grund sahen.567 Aus Sicht der Mitarbeiter ist die Frage nach dem Arbeitsplatz der
Zukunft im Wesentlichen daran geknüpft, wo sie in Zukunft arbeiten. Dement-
sprechend gaben 79 % der Befragten eine Veränderung von Arbeitszeitmodellen
sowie Home- bzw. Remote-Arbeit als wesentliches Charakteristikum eines zu-
kunftsorientierten Arbeitsplatzes an. Dies drückt sich auch in den Werten von
73 % bzgl. Mobilität und Technologie und 63 % bzgl. einer verstärkten Nutzung
technischer Möglichkeiten aus, da diese Grundvoraussetzung für das Aufbrechen
traditioneller Arbeitsmodelle sind.568 Im Weiteren stellt die Studie heraus, dass in
ca. 66 % der Unternehmen die Mitarbeiter nicht ausreichend in die entsprechenden
Wandlungsprozesse einbezogen werden.569 Wird nach den Zielen neuer Arbeits-
561
Vgl. BMAS/Nextpractice 2016, S. 37 ff.
562
Vgl. BMAS/Nextpractice 2016, S. 46.
563
Vgl. BMAS/Nextpractice 2016, S. 46.
564
Vgl. BMAS/Nextpractice 2016, S. 46.
565
Vgl. BMAS/Nextpractice 2016, S. 46.
566
Vgl. IDG Research Services 2017, S. 3, 57 ff.
567
Vgl. IDG Research Services 2017, S. 20.
568
Vgl. IDG Research Services 2017, S. 21.
569
Vgl. IDG Research Services 2017, S. 26 f.
218 Andreas Hering und Antonio Vera
570
Vgl. IDG Research Services 2017, S. 28 f.
571
Vgl. IDG Research Services 2017, S. 31.
572
Vgl. IDG Research Services 2017, S. 32.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 219
573
Vgl. BMAS 2017, S. 70.
574
Vgl. Weitzel et al. 2015, S. 20; BAuA 2016, S. 53.
575
Vgl. Winiger 2011, S. 120 f.; Hellert 2014, S. 86.
576
Vgl. Winiger 2011, S. 129.
220 Andreas Hering und Antonio Vera
bis 15:00 Uhr festgelegt. Die Mittagspause sollte in der Zeit von 11:30 Uhr bis
14:00 Uhr liegen und 90 Minuten nicht überschreiten. Die Gleitzeit ist von Montag
bis Freitag von 06:30 bis 09:00 Uhr und von 15:00 bis 20:00 Uhr festgelegt. In-
nerhalb dieser Zeit können die Beschäftigten unter Abwägung dienstlicher Erfor-
dernisse Beginn und Ende der Arbeit selbst bestimmen.
Flexibilität der Arbeit betrifft aber nicht nur die zeitliche, sondern auch die räum-
liche und organisatorische Abkopplung vom Betrieb. Telearbeit, häufig auch als
Homeoffice oder Remote-Arbeit bezeichnet, ist die von Informationstechnologien
unterstützte, in kooperative betriebliche Kontexte eingebundene Erwerbsarbeit,
die zumeist anteilsmäßig von einem oder mehreren wechselnden dezentralen Ar-
beitsorten anstatt an einem zentralen betrieblichen Arbeitsplatz ausgeübt wird.577
9 % der abhängig Beschäftigten haben die Arbeit im Homeoffice mit ihrem Ar-
beitgeber vereinbart.578 Prinzipiell lässt sich zwischen stationärer und mobiler Te-
learbeit unterscheiden.
Stationär bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Beschäftigte einen festen
Arbeitsplatz außerhalb des Unternehmens hat, i. d. R. zu Hause. Die alternierende
Telearbeit ist die meist genutzte Form der stationären Telearbeit, bei der die Be-
schäftigen ihre Arbeit sowohl im Unternehmen als auch zu Hause verrichten. 579
Kollektive Telearbeit hingegen wird in sogenannten Satellitenbüros erbracht, die
per Telekommunikation an die Zentrale des Unternehmens angebunden sind. 580
Daran anlehnend haben sich in den vergangen Jahren weitere externe Arbeitsplatz-
konzepte, wie „Co-Working Spaces“ oder „Co-Rental Spaces“ etabliert, die räum-
lich verteiltes Arbeiten unterstützen.581 Co-Working Spaces vermieten einzelne
Arbeitsplätze auf einer größeren Fläche und stellen ihren Mitgliedern eine typische
Büro-Infrastruktur zur Verfügung. Sie bieten ihren „Gästen“ die Möglichkeit, z.
B. in einer Lounge miteinander in Kontakt zu treten und sich über ihre Projekte
und Ideen auszutauschen. Auf diese Art und Weise wird, anders als beim klassi-
schen Homeoffice, trotz der räumlichen Distanz von den eigenen Arbeitskollegen
577
Vgl. Kleemann & Matuschek 2008, S. 56.
578
Vgl. BAuA 2016, S. 53.
579
Vgl. Hellert 2014, S. 109.
580
Vgl. Winiger 2011, S. 94.
581
Vgl. Klaffke 2016, S. 16 ff.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 221
ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt und nicht zuletzt die Motivation und Produktivi-
tät gefördert. Co-Rental Spaces sind durch mehrere Parteien gemeinsam angemie-
tete Büroflächen oder -komplexe, bei denen ebenfalls die gemeinsame Infrastruk-
turnutzung und das motivations- und kreativförderliche Arbeitsumfeld im Vorder-
grund stehen.
Als mobile Telearbeit werden alle Tätigkeiten bezeichnet, die von Beschäftigten
telekommunikationsgestützt von unterwegs, also i.d.R. über mobile Endgeräte,
vollkommen ortsunabhängig erbracht werden. 582 Um die Mobilität der Beschäf-
tigten zu gewährleisten, ist eine IT-Infrastruktur erforderlich, die den zeit- und
ortsunabhängigen Zugriff auf die IT-Ressourcen des Unternehmens zulässt. Au-
ßerhalb des Unternehmens erfolgt diese Verbindung über das Internet per Mobil-
funk oder aus einem öffentlichen WLAN, was zusätzlich die Einrichtung eines
Virtual Private Network (VPN) erfordert, um die Datensicherheit durch eine ver-
schlüsselte Verbindung zwischen dem Endgerät und dem Unternehmensserver zu
garantieren. Darüber hinaus ist entweder eine lokale Installation der benötigten
Arbeitsplatzanwendungen oder das Einrichten eines virtuellen Desktops (Arbeits-
platzes) mittels entsprechender Softwarelösung (z. B. Citrix oder VMWare) auf
dem mobilen Endgerät erforderlich. 583 Um die eigenen personellen und finanziel-
len Kapazitäten zu entlasten, kann die Bereitstellung der benötigten IT-Ressour-
cen auch im Zuge von „Cloud Computing“ an einen externen Dienstleister ausge-
lagert werden.584
Hinsichtlich der Beschäftigten der Polizei NRW ist festzustellen, dass zunächst
die gesetzliche Vorgabe der AZVO gilt, wonach der Dienst grundsätzlich an der
Dienststelle und innerhalb der regelmäßigen Dienststunden zu leisten ist, soweit
nicht eine andere Regelung erforderlich oder zweckmäßig ist. Insbesondere bei
Telearbeit kann jedoch von dieser Regelung abgewichen werden, wenn dienstliche
Gründe nicht entgegenstehen. Hierzu gibt es in den 51 Behörden der Polizei NRW
Dienstvereinbarungen zwischen Behördenleitung und Personalrat. Abgesehen da-
von, dass in allen Behörden nur das Modell der alternierenden Telearbeit angebo-
ten wird, ist die Anzahl der vereinbarten Telearbeitsplätze im Verhältnis zu der
582
Vgl. Winiger 2011, S. 95.
583
Vgl. Klaffke & Reinheimer 2016, S. 147 f.
584
Vgl. Klaffke & Reinheimer 2016, S. 149.
222 Andreas Hering und Antonio Vera
Anzahl der Mitarbeiter in den Behörden sehr heterogen. So bietet das PP Duisburg
z. B. seit 2006 die Möglichkeit der alternierenden Telearbeit an, die zurzeit durch
15 von 1.600 Beschäftigten wahrgenommen wird. Beim LKA NRW gibt es seit
2009 das Modell der alternierenden Telearbeit, das von den mehr als 1.200 Be-
schäftigten 20 nutzen. Im LZPD NRW wird die 2007 eingeführte, alternierende
Telearbeit von mehr als 100 der ca. 1.300 Beschäftigten genutzt. Im LAFP NRW
sind 57 von ca. 1.300 Beschäftigten in alternierender Telearbeit tätig. Beim Land-
rat Viersen gibt es hingegen bisher für die ca. 480 bei der Polizei Beschäftigten
keinen Telearbeitsplatz.
Das Besprechungswesen, das in einer Vielzahl deutscher Unternehmen aktuell
noch in Präsenztreffen stattfindet, stellt durch die heute zur Verfügung stehende
Technik ebenfalls einen Bereich dar, dessen Flexibilisierung zu Zeit- und Kosten-
einsparungen und mehr Mobilität führen kann. Neben klassischen Telefon- oder
Videokonferenzen erlauben z. B. Voice-Over-IP-Lösungen, zeit- und ortsunab-
hängig mit einem mobilen Endgerät ohne großen Aufwand eine Videokonferenz
zu starten. Dies ermöglicht auch die Zusammenarbeit in einem virtuellen Team,
dessen Mitglieder über die ganze Welt verteilt sein können. 585 Gleiches gilt im
Bereich der Aus- und Fortbildung durch die Nutzung neuer Methoden des E-Lear-
nings, Webinaren oder deren Verknüpfung mit klassischen Lernformen, dem so-
genannten Blended Learning.586
585
Vgl. Werther et al. 2018, S. 54.
586
Vgl. Rumpf 2018, S. 54.
587
Vgl. Hoff 2015, S. 9.
588
Vgl. Winiger 2011, S. 122.
589
Vgl. BAuA 2016, S. 64.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 223
sich zusätzliche Zeitpotenziale für die Beschäftigten durch den Wegfall von Fahr-
ten zum Arbeitsplatz sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. 590
Die Organisation wiederum profitiert von der verbesserten Motivation, Zufrieden-
heit591 und Loyalität der Beschäftigten,592 die nicht nur zu einer Leistungssteige-
rung593 und mehr Arbeitsproduktivität führen,594 sondern auch die Bindung595 der
Beschäftigten verbessert und personalwirtschaftliche Gestaltungsspielräume er-
weitert.596
Betrachtet man die erschwerte Arbeitskräftegewinnung und -sicherung in Zeiten
des demografischen Wandels597 und bezieht die Entwicklung der Teilzeitbeschäf-
tigung, die in Deutschland von 18 % im Jahr 1991 kontinuierlich auf 39 % im Jahr
2016 angestiegen ist,598 mit ein, liegt es auf der Hand, dass Telearbeit ein wesent-
liches Potenzial bietet, nicht nur als attraktiver Arbeitgeber auf dem umkämpften
Arbeitsmarkt aufzutreten,599 sondern auch mehr Stundenpotenziale von Teilzeit-
beschäftigten, die bereits im Unternehmen arbeiten, zu generieren. Hierfür spricht
auch das Ergebnis einer empirischen Studie des BMAS, dass 49 % der Beschäf-
tigten mit Kindern unter 14 Jahren gerne mehr im Homeoffice arbeiten würden,
um damit ihre effektive Arbeitszeit zu erhöhen.600 Für Nachwuchskräfte bestätigt
die 17. Shell Jugendstudie, dass auch die „Generation Z“ hohen Wert auf flexible
Arbeitsformen und Vereinbarkeit von Familie und Beruf legt. 601
Dies könnte insbesondere auch für die Polizei NRW eine Chance sein. Mit dem
kontinuierlichen Anstieg des Frauenanteils seit der Öffnung der Schutzpolizei
1982 (von 2 % auf 23 % im Jahr 2015) ging im gleichen Zeitraum auch ein Anstieg
der Teilzeitbeschäftigung von 0,1 % auf 7,3 % einher, der nominal durch 3.195
590
Vgl. Brübach-Schlickum 2016, S. 274; BMAS 2015, S. 14.
591
Vgl. BMAS 2015, S. 7, 15.
592
Vgl. Gajendran & Harrison 2007, S. 1527.
593
Vgl. Bloom et al. 2013, S. 1; BMAS 2015, S. 1.
594
Vgl. Hellert 2014, S. 112.
595
Vgl. BMAS 2015, S. 7, 15.
596
Vgl. dbb beamtenbund und tarifunion 2002, S. 17.
597
Vgl. BMAS 2017, S. 140.
598
Vgl. http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/15-millionen-arbeitnehmer-arbeiten-in-
teilzeit-a-1145212.html.
599
Vgl. BMAS 2017, S. 79.
600
Vgl. BMAS 2015, S. 17.
601
Vgl. Leven et al. 2015, S. 77, 84.
224 Andreas Hering und Antonio Vera
PVB, die zu 80 % weiblich sind, repräsentiert wird. Geht man von einer durch-
schnittlichen Arbeitszeit von 23,1 Stunden pro Woche für einen Teilzeitbeschäf-
tigten602 und einer 41-Stunden Woche für Vollzeitbeschäftigte aus, ergäbe sich
hier gegenwärtig ein zusätzliches Potenzial von bis zu 57.000 Wochenstunden
bzw. fast 1.400 Vollzeitäquivalenten. In Anbetracht des vermutlich weiter anstei-
genden Frauenanteils in der Polizei NRW und der dargestellten veränderten An-
forderungen an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf dürfte dieses Potenzial in
der Zukunft noch deutlich anwachsen.
Den positiven Effekten von mobiler und flexibler, orts- und zeitungebundener Ar-
beit können aber durch eine Verdichtung oder Entgrenzung der Arbeit auch Nega-
tivfolgen für die physische und psychische Gesundheit der Beschäftigten gegen-
überstehen.603 Vertrauensarbeitszeiten und zunehmende Erreichbarkeit in der Frei-
zeit können die Balance von Arbeits- und Privatleben gefährden, weil die Grenzen
zwischen Arbeitszeit und Freizeit immer fließender werden.604 Den betroffenen
Mitarbeitern fehlt es an festen Ruhezeiten und das Abschalten von der Arbeit fällt
ihnen häufig schwer.605 Den Ergebnissen der Betriebs- und Beschäftigtenbefra-
gung des BMAS zufolge arbeiten Beschäftigte, die auch von zuhause arbeiten,
insgesamt 4,1 Stunden pro Woche mehr, 65 % werden gelegentlich in ihrer Frei-
zeit dienstlich kontaktiert, 5 % sogar täglich. 56 % der Beschäftigten arbeiten ohne
vertragliche Regelungen zusätzlich in ihrer Freizeit von zu Hause, was weder
durch Freizeitausgleich noch finanziell kompensiert wird.606 Dabei ist zu berück-
sichtigen, dass mit zunehmender Anzahl an Überstunden häufig Termin- und Leis-
tungsdruck, Überforderung und letztlich ein zunehmendes Risiko gesundheitlicher
Einschränkungen einhergeht. Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Müdigkeit,
Niedergeschlagenheit oder körperliche Erschöpfung sind in diesem Zusammen-
hang häufig auftretende Symptome. 607 Gleiches gilt auch für das Arbeiten am Wo-
chenende.608
602
Vgl. BAuA 2016, S. 40.
603
Vgl. BMAS 2017, S. 135.
604
Vgl. BMAS 2017, S. 117; Werther et al. 2018, S. 51.
605
Vgl. Werther et al. 2018, S. 51.
606
Vgl. BMAS 2015, S. 10 ff.
607
Vgl. BAuA 2016, S. 37 ff.
608
Vgl. Werther et al. 2018, S. 52; BAuA 2016, S. 44 ff.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 225
Wer in seiner Freizeit von zuhause arbeitet, sieht sein Familienleben durch die
Arbeit stärker beeinträchtigt, weil die steigende Tendenz der Erreichbarkeit in der
Freizeit als Last empfunden wird und Rollenkonflikte zwischen Arbeit und Privat-
leben forciert werden.609 Gerade lange Arbeitszeiten, Überstunden und Arbeiten
am Wochenende erschweren dabei die angestrebte Vereinbarkeit von Familie und
Beruf.610 Viele der „Telebeschäftigten“ klagen über schlechtere Kontakte zu Kol-
leginnen und Kollegen und über eine schlechtere Leistungswahrnehmung durch
Vorgesetzte, weil diese häufig großen Wert auf die persönliche Anwesenheit le-
gen.611 Werden darüber hinaus viele Überstunden, Wochenendarbeit oder Arbeit
zur sozial wertvollen Zeit geleistet, sinkt die Arbeitszufriedenheit trotz Mobilität
und Flexibilität deutlich.612
Die Ergebnisse einer Studie der Universität St. Gallen, die sich mit den Auswir-
kungen der Digitalisierung auf die Gesundheit von Berufstätigen in der Bundesre-
publik Deutschland auseinandergesetzt hat, zeigen ebenfalls signifikante Zusam-
menhänge zwischen dem Grad der Digitalisierung am Arbeitsplatz, emotionaler
Erschöpfung (Burnout) und Konflikten zwischen Arbeit und Familie. Diese Ne-
gativauswirkungen ergeben sich Aussage der Studie jedoch mehr aus der Interde-
pendenz von Informationsmenge, technologischen Anforderungen, Kommunika-
tionsflut und technologischem Anpassungsdruck als aus der Flexibilisierung von
Arbeitszeit und -ort.613 Vielmehr führe eine flexible Arbeitsgestaltung grundsätz-
lich eher zu einer Verringerung von Krankheitstagen, mehr Zufriedenheit und ei-
ner besseren Work-Life-Balance.614 Es komme also im Wesentlichen auf die kon-
krete Ausgestaltung der Flexibilität an. 615 Insgesamt lässt sich festhalten, dass so-
wohl die Organisation als auch die Beschäftigten davon profitieren, wenn es ge-
lingt, die Flexibilisierung der Prozesse mit der Flexibilität der Beschäftigten in
Einklang zu bringen.
609
Vgl. BMAS 2015, S. 15, 22, 7.
610
Vgl. BAuA 2016, S. 37, 39 f., 44 ff.
611
Vgl. BMAS 2015, S. 14, 16.
612
Vgl. BAuA 2016, S. 37 ff., 52.
613
Vgl. Böhm et al. 2016, S. 27.
614
Vgl. BAuA 2016, S. 58 ff.; Böhm et al. 2016, S. 30.
615
Vgl. BMAS 2015, S. 21; BAuA 2016, S. 53.
226 Andreas Hering und Antonio Vera
616
Vgl. Hellert 2014, S. 14; Lohmann-Haislah 2012, S. 178.
617
Vgl. Jacobs et al. 2018, S. 26.
618
Vgl. Möllers 2018, S. 48.
619
Vgl. Bruckner et al. 2018, S. 13.
620
Vgl. Jacobs et al. 2018, S. 33.
621
Vgl. Möllers 2018, S. 40, 54 f.
622
Vgl. Möllers 2018, S. 56.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 227
sind dabei auch sogenannte hybride Kompetenzen, die Software-, Daten- und be-
triebswirtschaftliche Kenntnisse vereinen. 623 Übertragen auf die Polizei bedeutet
dies, dass auch polizeiliches Erfahrungswissen zu den genannten Kompetenzen
hinzutreten muss, um die digital gewonnenen Erkenntnisse bewerten und nutzen
zu können. Mit der Digitalisierung wird ein Bedeutungszuwachs von Wissen ein-
hergehen,624 und der Zugang zu Wissen wird im Rahmen globaler Vernetzung und
digitaler Medien immer weiter erleichtert, so dass die zukünftige Herausforderung
darin liegen wird, zu selektieren, welches Wissen relevant ist, wo und wie dieses
verfügbar ist und wie es im Zusammenhang mit Big Data und künstlicher Intelli-
genz genutzt werden kann.625
Während bei den klassischen Arbeitsformen die Organisation die Arbeit für ihre
Beschäftigten gestaltet, rückt bei den modernen Arbeitsformen eine aktive und
autonome Eigenstrukturierung der Beschäftigten bei der Gestaltung ihrer Arbeits-
bedingungen in den Mittelpunkt.626 Dementsprechend müssen die Mitarbeiter über
entsprechende Kompetenzen verfügen.627 Dabei geht es keineswegs nur um tech-
nologische Kompetenzen im Umgang mit der digitalen Technik am Arbeits-
platz,628 sondern vielmehr um Selbstkompetenz und Abgrenzung.629 Bei der Wahr-
nehmung von orts- und zeitunabhängigen Arbeitsmodellen werden die Planung
und Strukturierung der eigenen Arbeitsaufgaben, die Regulation von Qualität und
Anspruch der Arbeitsergebnisse, die Entwicklung von Strategien zur eigenen Mo-
tivierung, die Gestaltung des sozialen Umfelds sowie die Regulation der Grenze
zwischen Arbeit und Freizeit und die bewusste Gestaltung der arbeitsfreien Erho-
lungszeit darüber entscheiden, wie zufrieden, motiviert und letztlich arbeits- und
leistungsfähig ein Beschäftigter ist. Zusammengefasst werden diese organisatori-
schen Fähigkeiten unter dem Begriff der „Arbeitsgestaltungskompetenz“.630
623
Vgl. Jacobs et al. 2018, S. 28.
624
Vgl. Jacobs et al. 2018, S. 37.
625
Vgl. Wald et al. 2018, S. 183; Rumpf 2018, S. 66.
626
Vgl. Dettmers & Clauß 2018, S. 14.
627
Vgl. Winiger 2011, S. 26.
628
Vgl. Jacobs et al. 2018, S. 25.
629
Vgl. Bruckner et al. 2018, S. 4.
630
Vgl. Dettmers & Clauß 2018, S. 14.
228 Andreas Hering und Antonio Vera
Die Beschäftigten müssen angesichts der rasanten Verbreitung von IT lernen, sich
Regeln für den Umgang mit IKT zu setzen, das dienstliche Handy am Wochen-
ende oder im Urlaub auszuschalten, sich zeitliche Restriktion von Arbeitstätigkei-
ten zu verschaffen, sich aktive Ruhezeiten zu gönnen und sich sozialen, entspan-
nenden und körperlichen Ausgleich zu verschaffen.631 Einige Studien belegen,
dass mögliche Gestaltungsspielräume durch die Beschäftigten nicht immer als
Ressource genutzt werden und ungünstig gestaltete Arbeitsbedingungen zusätzli-
che Belastungen bis hin zum Burnout hervorrufen können.632 Hier besteht die Auf-
gabe des Personalmanagements darin, entsprechende Maßnahmen der betriebli-
chen Weiterbildung und Gesundheitsförderung, z. B. durch Trainings, zu entwi-
ckeln.
631
Vgl. Werther et al. 2018, S. 52.
632
Vgl. Dettmers & Clauß 2018, S. 14.
633
Vgl. Herde 2017, S. 343; Jacobs et al. 2018, S. 44.
634
Vgl. Schöning 2018, S. 192.
635
Vgl. Werther et al. 2018, S. 48 f.
636
Vgl. Wald et al. 2018, S. 183.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 229
637
Vgl. Rumpf 2018, S. 53 ff.
638
Vgl. Greve & Kruse 2017, S. 390.
639
Vgl. Rumpf 2018. S. 65.
640
Vgl. Kleemann & Matuschek 2008, S. 56 ff.
641
Vgl. BMAS 2017, S. 119.
642
Vgl. Werther et al. 2018, S. 51.
643
Vgl. Köper 2012, S. 150.
230 Andreas Hering und Antonio Vera
4 Methodik
644
Vgl. Lohmann-Haislah 2012, S. 180.
645
Vgl. Stilijanow 2012, S. 123 ff.
646
Vgl. BMAS 2015, S. 9.
647
Vgl. BMAS 2015, S. 138.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 231
len eine Sonderform der Befragung dar, deren Schwerpunkt auf der Informations-
gewinnung und gleichzeitigen Rekonstruktion subjektiver Deutungen und Inter-
pretationen liegt.648
4.1 Expertenauswahl
In der vorliegenden Studie wurde die Auswahl der Interviewpartner von dem Ge-
danken getragen, ein breites Spektrum an fundiertem Wissen, persönlichen Mei-
nungen und Einstellungen sowie Erfahrungen zu erlangen, die das Themenfeld der
digitalen Transformation in der Polizei NRW und der damit einhergehenden ver-
änderten Anforderungen an die Gestaltung von Arbeitsplätzen und die sich daraus
ergebenden erforderlichen Kompetenzen von Mitarbeitern und Führungskräften
erörtern. Demzufolge wurden Experten befragt, die über Wissen verfügen, das sie
nicht notwendigerweise alleine besitzen, welches aber nicht jedermann im rele-
vanten Handlungsfeld zugänglich ist. Auf diesen Wissensvorsprung sollten die
Experteninterviews abzielen.649
Bei den acht ausgewählten Interviewpartnern wurde darauf geachtet, dass ihr Ar-
beitsbereich unmittelbare oder mittelbare Berührungspunkte zum Thema digitale
Transformation in der Polizei NRW haben und sie zudem Personalverantwortung
tragen sollten. Darüber hinaus sollte ihre Vita Berührungspunkte zur Aus- und
Fortbildung, Personalentwicklung oder zum Projektmanagement aufweisen. Unter
den Interviewpartnern waren zwei Erste Polizeihauptkommissare, vier Polizeidi-
rektoren, ein Leitender Polizeidirektor und eine Leitende Regierungsdirektorin.
Zwei Probanden waren beim LZPD NRW, einer beim LAFP NRW, einer beim IM
NRW und vier bei Kreispolizeibehörden oder Polizeipräsidien beschäftigt.
4.2 Interviewleitfaden
Basierend auf den Erkenntnissen einer ausgiebigen Literaturrecherche wurde ein
Interviewleitfaden erstellt, der alle relevanten Themenkomplexe abdeckte. Mit of-
fenen Fragen sollten die einzelnen Themenkomplexe systematisch nacheinander
abgearbeitet werden, wobei die konkreten Formulierungen der Fragen sowie deren
648
Vgl. Bogner et al. 2014, S. 1 f.
649
Vgl. Meuser & Nagel 2009, S. 37 f.
232 Andreas Hering und Antonio Vera
4.3 Datenerhebung
Die Experteninterviews wurden im Zeitraum im Juli 2018 in den Büros der jewei-
ligen Dienststellen der Interviewpartner im Face-to-Face Modus in ungestörter At-
mosphäre durchgeführt, aufgezeichnet und gespeichert. Die Dauer der Interviews
lag zwischen 28 und 49 Minuten. Die chronologische Reihenfolge des Interview-
leitfadens wurde dabei weitgehend eingehalten. Über den Interviewleitfaden hin-
ausgehende Informationen mit Kontext zur Forschungsfrage waren ausdrücklich
zugelassen und erwünscht, so dass sich ein offener Kommunikationsprozess ent-
faltete.650
650
Vgl. Gläser & Laudel 2010, S. 108.
651
Vgl. Kuckartz 2016, 166 ff.
652
Vgl. Mayring 2016, S. 114 ff.; Gläser & Laudel 2010, S. 47.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 233
653
Vgl. Mayring 2016, S. 114 f.
654
Vgl. Mayring 2016, S. 116 f.
234 Andreas Hering und Antonio Vera
der Begriff „Industrie 4.0“ kurz erläutert und gefragt, inwieweit dieser auf die Po-
lizei übertragbar sei und was die wesentlichen Charakteristika einer Polizei 4.0
seien.
Eine Übertragung des Begriffes Industrie 4.0 auf die Polizei wurde überwiegend
kritisch gesehen, weil es bei Industrie 4.0 um die selbstorganisierte Herstellung
von Produkten gehe, bei der Polizei aber der Faktor Mensch im Fokus stehen
müsse:
E1: „Ich halte das in der direkten Übernahme allerdings in diesem
gedachten Sinn, wie es dann in der Industrie vorgesehen ist, für et-
was problematisch, denn wenn ich mir die Prozesse im polizeilichen
Bereich angucke, dann geht es ja in aller erster Linie um Dienstleis-
tungen, und zwar um Dienstleistungen, die eben mit handelnden
Personen, eben mit Menschen zu tun haben, also nicht um irgend-
welche Fertigungsprozesse.“
E5: „Digitalisierung oder eine Polizei 4.0, wenn man sie so nennen
wollen würde, wird niemals die unmittelbare menschliche Interak-
tion, die Bewältigung des polizeilichen Einsatzanlasses durch den
Menschen ersetzen können.“
In diesem Zusammenhang wurde auch der technische Stand bzw. die bisherige
digitale Entwicklung der Polizei NRW kritisch angemerkt:
E1: „Ich denke auch insgesamt, dass wir – ich hoffe, dass man das
jetzt nicht nur für die Polizei Nordrhein-Westfalen unterstellen
muss – schon noch Aufholbedarf haben in den vorweggehenden
Versionen.“
Grundsätzlich herrschte jedoch Einigkeit, dass es auch im Bereich der Polizei eine
digitale Transformation mit entsprechenden Veränderungsprozessen in vielen Be-
reichen geben wird. Als Charakteristika für eine Polizei 4.0 bzw. eine digitalisierte
Polizei wurden insbesondere die mobile oder digitale Kommunikation, automati-
sierte Prozesse, papierlose Büros, vernetzte Systeme bzw. der Wegfall von
Schnittstellenproblemen oder Medienbrüchen sowie die Einmalerfassung und
Mehrfachnutzung von Daten genannt. Auch der Verwaltungsbereich mit Sicht auf
das E-Government und ein digitales Personalmanagement wurden mit einer mo-
dernen Polizei in Verbindung gebracht. Es wurde jedoch nicht nur die interne Di-
gitalisierung als Treiber von Veränderungen aufgeführt:
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 235
E7: „Ich glaube auch im Übrigen, dass sich auch die Kriminalität
digitalisiert, zunehmend. Also Cybercrime ist ein wichtiges Stich-
wort. Die Angreifbarkeit von strukturrelevanten Systemen durch
Hackerangriffe und, und, und.“
E4: „Was ich sehr wohl sehe ist, dass wir als Polizei sehr stark mit
den Auswirkungen dieser Industrie 4.0 – oder wie man es auch im-
mer nennen möchte – konfrontiert sind. Ich sage mal selbstfahrende
Autos und ähnliche Dinge. Die gesamte Technik im Verkehrsbe-
reich verändert sich maßgeblich, was natürlich auch Einfluss auf un-
sere Arbeit haben wird.“
Ebenfalls wurde Polizei 4.0 nicht nur auf digitale, technische oder elektronische
Prozesse und Entwicklungen reduziert:
E5: „…wir müssen auf dem Weg sein, Polizeitechnik 4.0 zur Ver-
fügung zu stellen. Das tun wir auch in vielen Bereichen und nicht
nur im IT-Bereich. Wenn ich an Schutzausrüstung, Kleidung oder
Einsatzmittel denke, wie Fahrrad, Roller, E-Mobilität und alles, was
daran hängt, dann sind wir in dem Bereich gut unterwegs. Die ent-
scheidende Frage ist nur, und das ist in vielen Aspekten des Ge-
sprächs rausgekommen, wie wir den Menschen mitnehmen.“
darstellen,655 sollte durch die Frage nach der Einschätzung finanzieller Hürden bei
der Polizei NRW herausgestellt werden, ob die Zukunftsvisionen, die sich aus den
laufenden oder geplanten Projekten, Programmen oder Strategien ergeben, auch
zeitnah mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln realisiert werden
können. Grundsätzlich sind sich die Experten einig, dass eine digitale Transfor-
mation mit erheblichen Kosten verbunden sein wird, finanzielle Aspekte in der
öffentlichen Verwaltung und eben auch in der Polizei immer eine relevante Rolle
spielen und schon so manches Projekt an dieser Hürde gescheitert ist:
E8: „Ich nehme zwar wahr, dass man bereit ist, mehr Geld auszuge-
ben, aber in der Vergangenheit ist einiges an finanziellen Fragen
gescheitert, […]“
E1: „Alles, was mit Ressourcen zusammenhängt, ist natürlich heute
absolut schwierig, […]“
Allein der finanzielle Aufwand für die 14.000 anzuschaffenden Smartphones und
die Schaffung der entsprechenden Infrastruktur wird mit ca. 70 Mio. EUR betitelt.
Hinzu kommen die Kosten, die sich aus der Erfüllung der zuvor beschriebenen
technischen Rahmenbedingungen ergeben, wie z. B. der Bereitstellung von Re-
chenzentrumsflächen und deren Betrieb oder der Aufbau einer stabilen Infrastruk-
tur mit entsprechenden Speicherkapazitäten und Sicherheitsanforderungen. Dabei
ist davon auszugehen, dass sich die kalkulierten Kosten im Laufe eines Projekts
auch deutlich erhöhen können:
E1: „[…] die ganzen Projekte, die wir im technischen Bereich fah-
ren, das sind ja Projekte, die unsäglich teuer sind, und wie bei vielen,
vielen Projekten steigt man mit bestimmten Preisangaben ein und
stellt dann auf der Strecke fest, dass immer wieder neue Dinge hin-
zukommen und sich Projekte dann auch verteuern.“
Ob bei der Polizei – genau wie in der Industrie – durch ein Investment in die Di-
gitalisierung auch Einsparpotenzial generiert werden kann, wird teilweise ange-
zweifelt. Jedoch herrscht Einigkeit darüber, dass es sich um eine erforderliche In-
vestition in die Zukunft handelt, von der die Polizei und alle Beteiligten letztlich,
655
Vgl. Kampe & Walter, 2017, S. 17.
238 Andreas Hering und Antonio Vera
Genauso herrscht Einigkeit darüber, dass die Polizei NRW als öffentlicher Arbeit-
geber nicht nur gesetzlich verpflichtet ist, Barrierefreiheit bei allen Systemen zu
gewährleisten, sondern auch mit Blick auf eine Vielzahl schwerbehinderter Men-
schen in den eigenen Reihen auch alle Bemühungen daransetzen muss, diesen
Menschen die Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Jedoch werden auch durch zwei
Interviewpartner Einschränkungen vorgenommen bzw. konkrete Schwierigkeiten
in der Umsetzung geschildert:
E6: „Wenn ich andererseits wieder an das Thema Mobilität denke
und davon rede, dass wir Handys an den operativen Dienst geben,
zum Beispiel an jeden Streifenwagen, dann muss ich davon ausge-
hen können, dass da eine absolute Barrierefreiheit in diesem Bereich
nicht notwendig ist, weil die Person sonst überhaupt diese polizeili-
che Aufgabe nicht wahrnehmen könnte. Aber auch da müssen wir
uns natürlich bemühen, Barrierearmut herzustellen. Ich denke zum
Beispiel an Rot-Grün-Schwächen oder Ähnliches. Das muss be-
rücksichtigt werden bei der Entwicklung.“
E5: „Total schwieriges Thema. Das kann ich gerade auch aus eige-
ner Betroffenheit sagen. Natürlich muss der Anspruch sein, jedes
System, das wir polizeilich betreiben, vollständig barrierefrei zur
Verfügung zu stellen. Die Wahrheit ist allerdings auch, dass insbe-
sondere solche, in Anführungsstrichen, doch proprietären Systeme,
die ja ausdrücklich für unsere polizeilichen Einsatzzwecke entwi-
ckelt werden, dies im Standard oft nicht vollständig mit sich brin-
gen. Ich habe das Problem auch aktuell in ViVA, dass wir immer
noch Teile haben, wo wir beispielsweise vollständig erblindete Kol-
legen nur mit Schwierigkeiten an das System heranbringen.“
656
Vgl. Ledinger 2017, S. 31.
657
Vgl. Wiegand 2018, S. 20.
242 Andreas Hering und Antonio Vera
„Polizei“ sei heute geprägt durch digitale Datenverarbeitung und IT-gestützte Sys-
teme. Zusätzlich zu den sozialen, taktischen und körperlichen Fähigkeiten, die ein
Polizeianwärter schon immer mitbringen musste, ist heute auch IT-Affinität und
IT-Kompetenz erforderlich. Letztere fänden jedoch nicht nur im Auswahlverfah-
ren, sondern auch in der Ausbildung zu wenig Berücksichtigung. Diese Ansicht
wird eindeutig durch die Einstellungsvoraussetzungen, das Auswahlverfahren und
das Ausbildungscurriculum der Polizei NRW bestätigt, so dass sicherlich auch zu-
recht die Auffassung geäußert wird, dass eine Anpassung unumgänglich sei.
Es wird aber auch zurecht die Ansicht vertreten, dass Polizisten keine IT-Spezia-
listen, sondern nur IT-Anwender sein sollten. Hier sei die IT-Affinität und -Kom-
petenz der nachrückenden jungen Generation, die mit Smartphone und Tablet auf-
wächst, grundsätzlich ausreichend und es sei durch sie eine zunehmend starke Of-
fenheit für Technik in der Organisation zu verspüren. Jedoch müssten die älteren
Generationen, die „Nicht-Digital-Natives“, denen zum Teil das Vertrauen in die
Technik fehle, auf dem Weg in die digitale Arbeitswelt „mitgenommen“, mental
überzeugt und an die neuen Techniken herangeführt werden.
E2: „Ich weiß noch, als wir die ersten PCs eingeführt haben. Da ha-
ben bis zum Schluss, haben die an ihrer Schreibmaschine festgehal-
ten. Und es gibt immer noch Gerüchte, dass immer noch einige auf
der Schreibmaschine schreiben.“
Grundsätzlich werden die Mitarbeiter bei neuen IT-Vorhaben in sogenannte
„Proof-of-Concepts“ oder „Pilot-Versuche“ eingebunden, um die polizeiliche
Fachlichkeit und Erfahrung von Anfang an mit einzubeziehen:
E5: „[…] der Grundsatz ist schon, dass man bei allen größeren Pro-
jekten die Fläche so intensiv beteiligt, wie es unter den gegebenen
Voraussetzungen möglich ist.“
Der Großteil der Mitarbeiter wird mit den Veränderungen aber erst wesentlich
später konfrontiert, weil diese meistens als Einführungsprojekte und nicht als
große Changeprojekte gestaltet werden, was das „Aufbrechen“ der bisherigen Pro-
zesse und Strukturen deutlich erschwert. Dementsprechend werden die Mitarbeiter
erst durch Fortbildungsmaßnahmen an die neuen Prozesse herangeführt. Am Bei-
spiel ViVA wurde verdeutlicht, wie eine solche Fortbildung aussehen kann. Zu-
nächst wurden durch das LAFP die Multiplikatoren für die 47 KPB beschult, die
dann wiederum die Mitarbeiter in ihrer KPB anlernten. In Recklinghausen wurde
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 243
abgedeckt werden müssten, wie im Wach- und Wechseldienst (WWD), in der Be-
reitschaftspolizeihundertschaft (BPH) oder der Kriminalwache. Doch auch hier sei
durch Poollösungen anstatt starrer Dienstgruppen, softwareunterstützte Schicht-
dienstpläne und effizientere Schwerpunkt- und Brennpunktanalysen eine größere
Flexibilität für die betroffenen Kollegen zu verspüren, die der Work-Life-Balance
und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegenkomme. Kritisch anzumer-
ken sei jedoch in diesem Zusammenhang, dass eine Genehmigung von Teilzeitar-
beit derzeit bei der Polizei NRW, anders als in vielen Kommunen, nur aus famili-
ären Gründen in Frage komme. Zwar gebe es auch im WWD Teilzeitkräfte, doch
gerade hier gestalte sich die Teilzeitarbeit als große Herausforderung, an der man
häufig mit der Konsequenz scheitere, dass die betroffenen Beschäftigten länger in
Elternzeit bleiben und der Organisation mit ihrer Arbeitskraft vollständig fehlten.
Konkret nach der Bedeutung von orts- und zeitunabhängiger Arbeit im Wettkampf
um qualifizierten Nachwuchs gefragt, war eine deutliche Übereinstimmung in den
Ansichten zu vernehmen, wobei insbesondere die Telearbeit hervorgehoben
wurde:
E1: „[…] Telearbeitsplätze […] Also ich glaube, dass da viele Mög-
lichkeiten noch bestehen, sich viel besser auch als Organisation auf-
zustellen. […] wir müssen uns Gedanken machen über Arbeitsbe-
reiche, die tatsächlich auch in Telearbeit von zu Hause ausgenutzt
werden können.“
E2: „[…] um attraktiver Arbeitsgeber zu sein, müssen wir attraktive
Arbeitszeitmodelle anbieten.“
E6: „Ich glaube aber auch, dass wir den Arbeitsplatz des Polizisten
modern und attraktiv halten müssen. Und dazu zählt auch das
Thema Mobilität und Flexibilität. Wie ich gerade schon sagte: Te-
learbeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“
Insofern bestätigen die Experteninterviews die im Theorieteil herausgestellten An-
nahmen. Orts- und zeitunabhängige Arbeitsgestaltungsmöglichkeiten haben einen
hohen Stellenwert für die Beschäftigten, großen Nutzen für die Organisation und
sind im Kampf um die besten Bewerber nahezu unverzichtbar. Das Erfordernis,
sich hier als Polizei NRW zukünftig besser aufzustellen, wurde durch die Aussa-
246 Andreas Hering und Antonio Vera
658
Vgl. Klaffke 2016, S. 16 f.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 247
ren. Es gibt aber auch die Meinung, dass viele Mitarbeiter mit der Selbstorganisa-
tion überfordert seien und mit der Einrichtung eines Telearbeitsplatzes grundsätz-
lich entsprechende interne oder externe Fortbildungsmaßnahmen angeboten wer-
den müssten.
Die „Rahmenkonzeption Behördliches Gesundheitsmanagement der Polizei
NRW“ (BGM Pol) enthält bereits einige Aspekte, unter denen die entsprechenden
Anforderungen abstrakt subsumiert werden könnten, wie z. B. die konsequente
Motivation zu gesundheitsförderlichem Verhalten der Beschäftigten durch die
Führungskräfte, die für jeden Arbeitsplatz durchzuführende Gefährdungsbeurtei-
lung hinsichtlich der immanenten und der von außen bedingten Belastungsfakto-
ren und deren Folgen unter Nutzung von Arbeitsbelastungsprofilen oder der Bau-
stein Stressmanagement. Bisher werden die alternierende Telearbeit und alterna-
tive Arbeitszeitmodelle im BGM Pol unter dem Handlungsfeld „Vereinbarkeit von
Beruf und Familie“ explizit als erfolgssichernde Maßnahmen genannt. Hier wäre
zu überlegen, das Rahmenkonzept der Bedeutung dieser Aspekte entsprechend an-
zupassen und hieraus ein eigenes Handlungsfeld mit entsprechenden Maßnahmen
zu konzipieren.
Ein explizites Aus- und Fortbildungsangebot für Führungskräfte der Polizei NRW
im IT-Bereich gibt es derzeit nicht, zumindest ist ein solches den Interviewpart-
nern nicht bekannt. Jedoch findet jährlich ein Lehrgang „Neue Medien“ statt, ver-
einzelt gibt es Vorträge und Seminare zu diesem Themenbereich und in der Aus-
bildung zum h. D. können die Ratsanwärter in viele Themenfelder „reinschnup-
pern“. Trotz der eingangs dargestellten Einschätzung der Bedeutung von IT-
Kenntnissen lassen einige Formulierungen darauf schließen, dass eine Veranke-
rung dieses Themenbereiches in der Aus- und Fortbildung für Führungskräfte
durchaus befürwortet wird:
E4: „Man wird irgendwann das Curriculum der Deutschen Hoch-
schule […] anpassen müssen, […].“
E6: „Letztendlich müssen wir das über eine behördeninterne oder
landesweite oder auch externe Fortbildung gewährleisten, dass die
Kollegen da fit sind.“
In Anlehnung an die Ergebnisse zur zukünftigen Bedeutung von Mobilität und
Flexibilität wurden die Experten abschließend danach gefragt, wie sich Führung
im Zuge von orts- und zeitunabhängigen Arbeitsmodellen verändern werde. In der
konkreten Einsatzbewältigung von Großlagen werde sich voraussichtlich nichts
ändern, da bei der Polizei NRW das „Prinzip des Führens von hinten“ mit Auf-
tragstaktik gilt, d. h. der Polizeiführer ist abseits des Einsatzortes im Führungs-
raum der Behörde und erhält Informationen und erteilt Aufträge über digitale Me-
dien. Aber auch im dienstlichen Alltag müssen sich Führungskräfte daran gewöh-
nen, in vielen Situationen nicht mehr vis-a-vis zu führen, sondern über digitale
Kommunikationsmittel – sei es das Handy, die E-Mail oder sogar die Videokon-
ferenz – mit den Mitarbeitern in Kontakt zu treten. Im Vordergrund stehe dann die
Führung über Zielvereinbarung und Ergebnis- und Qualitätskontrolle. Die Bezie-
hung zum Mitarbeiter muss dabei maßgeblich von Vertrauen geprägt sein. Eine
wesentliche Rolle spiele dabei die Fürsorgepflicht des Vorgesetzten, der eine
Über- oder Unterforderung oder Überlastung trotz räumlicher Dislozierung erken-
nen und gegensteuern muss. Um dem schon präventiv entgegenzuwirken, sind
konkrete Absprachen und Regelungen nicht nur hinsichtlich der Ziele, sondern
auch bzgl. der Arbeitszeiten und Erreichbarkeiten zu treffen.
250 Andreas Hering und Antonio Vera
6 Fazit
Die Digitalisierung hat nicht nur unseren Alltag im privaten Bereich maßgeblich
verändert, sondern auch die gesamte Arbeitswelt revolutioniert. Als Reaktion auf
die dynamische Entwicklung neuer Technologien und deren Einfluss auf die poli-
zeiliche Aufgabenwahrnehmung und Zusammenarbeit hat die Polizei NRW ihre
perspektivische Ausrichtung mit der IT-Strategie 2020 klar dahingehend formu-
liert, die digitale Transformation der Organisation zu erreichen. Sie unterstreicht
dieses Vorhaben durch zukunftsweisende IT-Großprojekte, welche die Polizeiar-
beit und den dienstlichen Alltag stark verändern werden. Diese Umstrukturierung
stellt zwar eine riesige finanzielle Herausforderung dar, doch der politische Wille
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 251
ist eindeutig formuliert und wird durch entsprechende Haushaltsmittel und das Be-
streben zur Umsetzung der Vorgaben aus dem EGovG NRW unterstrichen.
Die Entwicklung, Einführung und Begleitung der erforderlichen Digitalisierungs-
prozesse obliegt zunächst dem LZPD NRW als internem IT-Dienstleister der Po-
lizei NRW. Maßgebliche Unterstützung erhält dieses durch Outsourcing an oder
gemeinsame Projekte mit dem externen Dienstleister IT-NRW. Dennoch ergeben
sich hier zwei wesentliche Herausforderungen in personeller Hinsicht. Erstens
wird der Bedarf an IT-Spezialisten in der Polizei NRW sowohl für die Entwick-
lung und den Betrieb von IT als auch in der Sachbearbeitung zur Analyse und
Auswertung erheblich steigen, was die Rekrutierung externen Fachpersonals er-
forderlich machen wird. Hier könnte sich künftig im „War for Talent“ ein Problem
für die Polizei NRW ergeben, da durch die Tarifbindung kaum finanzielle Anreize
für potenzielle Bewerber existieren. Umso wichtiger wird es, sich als attraktiver
Arbeitgeber am Markt zu präsentieren. Die zweite personelle Herausforderung
liegt in der Einbindung der Mitarbeiter. Als Anwender der neuen Technologien
sind sie das Kernelement der digitalen Transformation, und ihre Akzeptanz und
Veränderungsbereitschaft ist maßgeblicher Erfolgsgarant für den Wandel. Bisher
gibt es jedoch kein großangelegtes strategiebezogenes Changemanagement in Be-
zug auf die IT-Strategie 2020. Langfristig gesehen muss der erste Schritt bei der
Einbindung der Mitarbeiter aber schon vor der Einstellung in den Polizeidienst
durch eine Anpassung des Anforderungsprofils, das auch IT-Affinität und -Kom-
petenz enthalten muss, erfolgen.
Die Faktoren, die einen Arbeitgeber aus der Sicht der Bewerber und Mitarbeiter
attraktiv machen, haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Karrierechan-
cen und gutes Einkommen sind für jüngere Generationen eindeutig zugunsten von
Mobilität, Flexibilität, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und einer ausgewo-
genen Work-Life-Balance in den Hintergrund getreten. Insbesondere orts- und
zeitunabhängige Arbeitsmodelle, allen voran die Telearbeit, gewinnen immer
mehr an Bedeutung. Zwar bieten alle Polizeibehörden des Landes ihren Mitarbei-
tern Modelle der gleitenden Arbeitszeit an, jedoch herrscht bezüglich der Telear-
beit derzeit ein extrem heterogenes Bild, das einer genaueren Analyse bedarf, um
Verbesserungspotenziale zu erkennen. Die technischen Möglichkeiten lassen zu-
künftig eine deutliche Ausweitung der Telearbeit erwarten. Darüber hinaus wird
252 Andreas Hering und Antonio Vera
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254 Andreas Hering und Antonio Vera
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256 Andreas Hering und Antonio Vera
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Die Autoren
Andreas Hering, M. A.
Polizeirat, Polizei Nordrhein-Westfalen
Jörg Ottenschläger
Inhaltsübersicht
1 Einleitung
2 Teilzeitarbeit – Theoretische Hintergründe
2.1 Begriffserläuterungen/Teilzeitvarianten
2.2 Untersuchungsrelevanter Forschungsstand
2.3 Umfang von Teilzeitarbeit
2.4 Motive für Teilzeitarbeit
3 Forschungsleitende Fragestellungen
4 Methodik
4.1 Untersuchungsform und Stichprobe
4.2 Gestaltung des Fragebogens
4.3 Durchführung der Befragung
4.4 Prüfung und Aufbereitung der Daten
5 Darstellung und Diskussion der Ergebnisse
5.1 Deskriptive Analyse
5.2 Arbeitszeitgestaltung und Tätigkeitsfeld
5.3 Arbeitszeitumfang und Überstunden
5.4 Motive für die Teilzeitarbeit und Teilzeitdauer
5.5 Hilfestellungen und etwaige Arbeitszeiterhöhungen
5.6 Motivation und empfundene Wertschätzung
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
R. Ritsert und A. Vera (Hrsg.), Management und Organisation in der Polizei,
Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29053-5_6
262 Jörg Ottenschläger
1 Einleitung
659
Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr 2017, S. 2.
660
Statistisches Bundesamt 2017, S. 362.
661
Vgl. Spitznagel 2010, S. 55 ff.
662
Die Daten wurden durch den Verfasser beim PP MFr erhoben (Stand: 01.10.2017).
Die Berechnung erfolgte anhand der Summe der einzelnen AZ-Reduzierungen der TZB.
264 Jörg Ottenschläger
2.1 Begriffserläuterungen
„Teilzeit“ i. S. der Untersuchung beschreibt, wenn die AZ von Personen regel-
mäßig weniger als die übliche volle Wochenarbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten
Person beträgt.665 Hierbei wurde sich an die Definition des Bundesamtes für Sta-
tistik angelehnt. TZB i. S. der Arbeit kann sowohl mit hohen AZ-Anteilen nahe
der Vollzeitbeschäftigung als auch mit geringen AZ-Anteilen, wie beispielsweise
während der Elternzeit, einhergehen. Dabei wurden alle Varianten der Teilzeitar-
beit mit den unterschiedlichsten Beweggründen in die Betrachtung mit einbezo-
gen.
663
Vgl. Vera 2015, S. 105 ff.
664
Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr 2017, S. 2.
665
Statistisches Bundesamt 2017, S. 378.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 265
666
Art. 88 Abs. 1 BayBG, Art. 5 Abs. 3 BayBG.
667
Art. 88 Abs. 4 BayBG.
668
Vgl. Art. 89 Abs. 1 BayBG, Art. 4 BayBG, Art. 5 Abs. 3 BayBG.
669
Vgl. Art. 12 Abs. 5 der Urlaubsverordnung.
670
Es gelten hier die Bestimmungen des § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX.
266 Jörg Ottenschläger
Anteil hinaus gearbeitet, die zu viel geleistete AZ wird in einer sich anschließen-
den Freistellungsphase ausgeglichen.671
Die Untersuchung zielte auf den Tätigkeitsbereich des PVD ab. Deshalb wurden
als Beschäftigte ausschließlich Beamte betrachtet, Tarifbeschäftigte im Polizei-
dienst wurden im Rahmen der Untersuchung nicht in die Betrachtung mit einbe-
zogen. Unter dem Begriff der behördlichen Rahmenbedingungen wurden in der
Arbeit schwerpunktmäßig die Bereiche der Arbeitszeitgestaltung sowie die Bedin-
gungen der jeweiligen polizeilichen Tätigkeitsfelder betrachtet.
Motivation im Kontext der vorliegenden Untersuchung bezieht sich zunächst auf
die allgemeinen Beweggründe für die Ausübung einer Teilzeitarbeit. Hier wurde
demnach die Ursache, das Motiv für die Ausübung der TZB beleuchtet. Im Wei-
teren zielte der Motivationsbegriff auf die Gründe ab, warum die Beamten genau
den ausgeübten AZ-Anteil auswählen. Dies wurde insbesondere im Kontext der
behördlichen Rahmenbedingungen als mögliche Ursache beleuchtet. Als hypothe-
tischer Umkehrschluss wurde hier zudem betrachtet, ob die TZ-Beschäftigen mög-
licherweise einen höheren AZ-Anteil wählen würden, wenn die behördlichen Rah-
menbedingungen verändert wären. Hier wurden auch die Erkenntnisse zu einer
intrinsischen oder extrinsischen Motivlage der TZ-Beschäftigten in die Bewertung
mit einbezogen. Weiter diente der Motivationsbegriff für die Beschreibung der
allgemeinen Arbeitsmotivation der TZ-Beschäftigten, demnach der Frage, wie
motiviert die Beamten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sind und welche Zusam-
menhänge hierzu bestehen. Hierzu wurde die Befundsituation über die Hilfsgrö-
ßen der subjektiven Einschätzung nicht nur in Bezug auf die Frage nach der ge-
fühlten Arbeitsmotivation, sondern auch über die Abfrage der selbst empfundenen
Verbundenheit/Identifikation mit dem Polizeiberuf, des empfundenen Karriere-
verlaufs sowie der verspürten Wertschätzung im Kollegen- und Vorgesetztenkreis
erhoben.
671
Vgl. Art. 91 Abs. 1– 4 BayBG.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 267
672
Vgl. Schneider et al. 2008, S. 5.
673
Vgl. Zapf/Weber 2017, S. 4.
674
Vgl. Buschoff/Rückert 2015, S. 3.
268 Jörg Ottenschläger
Schlusslicht bildet Bulgarien mit 1,7 %. Sowohl im Vergleich zu den sieben füh-
renden Industrieländern (G7-Staaten)675 mit zusammen 17,5 % als auch im Ver-
gleich zur EU insgesamt (16,9 %) sind demnach in Deutschland (22,2 %) über-
durchschnittlich viele Personen in einer TZB. Dabei ist jedoch zu beachten, dass
diese Erhebung auf der international häufig verwendete Definition: „Part-time
employment is defined as people in employment […] who usually work less than
30 hours per week in their main job.“676 basiert. Da bei nationalen Erhebungen
hingegen oft die Definition des Statistischen Bundesamtes (siehe Ziffer 1.2) Ver-
wendung findet, erklärt dies bei der Betrachtung von nationalen und internationa-
len Erhebungen im Vergleich die teilweise stark abweichenden TZQ.
Nach gesamteuropäischen Untersuchungsergebnissen aus dem Jahr 2011 in Bezug
auf die Teilzeitbeschäftigungsquoten bei allen Erwerbstätigen lag Deutschland im
Bezugsjahr 2010 mit 26 % auf Platz sieben und damit im oberen Bereich. Platz
eins belegte die Niederlande (49 %), gefolgt von der Schweiz (35 %) und Norwe-
gen (28 %). Im Jahr 2000 lag demnach der Anteil in Deutschland noch bei 19 %.
Im Vergleich der zehn Länder mit den höchsten Anteilen an TZ-Beschäftigen stieg
in den Jahren 2000 bis 2010 der TZ-Anteil damit in Deutschland um 7 % an. Ähn-
lich hohe Steigerungsraten waren nur in den Niederlanden (von 41 auf 49 %) und
Österreich (von 17 auf 25 %) mit jeweils 8 % zu verzeichnen. 677
Nach Veröffentlichungen des Bundesamtes für Statistik waren im Jahr 2016 in der
Bundesrepublik Deutschland rund 4,8 Millionen Erwerbstätige teilzeitbeschäftigt.
Im Jahr 2000 war dieser Anteil noch bei 3,9 Millionen gelegen. Gemessen an der
Gesamtzahl der Erwerbstätigen in Höhe von 37,1 Millionen lag die TZQ im Jahr
2016 damit bei 12,94 %. Geschlechterspezifisch waren von den TZ-Beschäftigten
4,1 Millionen Frauen (85,4 %) und 0,7 Millionen Männer (14,6 %). 678
Bundesweit waren im Jahr 2016 im öffentlichen Dienst rund 4,69 Millionen Per-
sonen beschäftigt, rund 1,5 Millionen davon arbeiteten in TZ. Dies entspricht einer
TZQ von rund 32 %.679 Ähnliche Quoten finden sich auch im Öffentl. Dienst der
675
Die Gruppe der G 7 umfasst die Länder Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada,
Großbritannien, USA.
676
Vgl. https://data.oecd.org/emp/part-time-employment-rate.htm.
677
Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/204036/umfrage/teilzeitbeschaeftigung-
in-europa/.
678
Vgl. Statistisches Bundesamt 2017, S. 358.
679
Vgl. Statistisches Bundesamt 2017, S. 365.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 269
680
In allen Antworten blieben Polizeibeamte in Ausbildung unberücksichtigt.
681
Die Zahlen gehen aus der Antwort-E-Mail des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung
und Migration Baden-Württemberg vom 24.05.2018 hervor.
682
Die Zahlen gehen aus der Antwort-E-Mail des Hessischen Ministeriums des Innern und für
Sport vom 22.06.2018 hervor. Der Stand der Daten ist mit 01.09.2017 datiert.
683
Die Zahlen gehen aus der Antwort-E-Mail des Bayerischen Ministeriums des Innern und
für Integration vom 23.05.2018 hervor.
270 Jörg Ottenschläger
paralleles Studium bzw. eine parallele Ausbildung (26,4 %). Erst mit Abstand fol-
gen die Gründe Krankheit/Unfallfolgen (7,1 %) oder persönliche/familiäre Ver-
pflichtungen (4,1 %). Die Kinderbetreuung/Pflege von Angehörigen ist bei den
Männern (2,7 %) nach wie vor sehr unterdurchschnittlich verbreitet, was wieder-
rum bei den Frauen (25,5 %) ein dominierendes Motiv ist. Nur der Grund „anderer
privater/familiärer Verpflichtungen“ erreicht (25,7 %) bei den Frauen einen noch
höheren Wert. Keine Vollzeitstelle finden 14,7 % der Frauen, parallel in Ausbil-
dung/Studium befinden sich 6,3 %. Die Gründe Krankheit/Unfallfolgen sind bei
den Frauen mit 2,3 % angegeben. Bei immerhin noch 21 % aller Befragten ist eine
Vollzeittätigkeit aus sonstigem Grund nicht gewünscht. In dieser Kategorie gehen
die Nennungen der Frauen (20,6 %) und die der Männer (21,4 %) nicht weit aus-
einander.684
3 Forschungsleitende Fragestellungen
Das Thema Teilzeit findet nach wie vor auch große gesamtgesellschaftliche Be-
achtung im Zusammenhang mit Studien, Untersuchungen, Umfragen oder Veröf-
fentlichungen. Auch daraus resultieren immer wieder neue Ansatzmöglichkeiten
zur Verbesserung der Rahmenbedingungen. So finden sich auch in den Polizei-
dienststellen zwischenzeitlich zahlreiche Angebote zur Verbesserung der Situa-
tion von TZ-Beschäftigten. An dieser Schnittstelle der bereits umgesetzten und
möglicherweise noch erforderlichen Maßnahmen setzte das Erkenntnisinteresse
der vorliegenden Untersuchung an. Die theoretischen Erkenntnisse sowie die Ziele
der Untersuchung bildeten die Basis für die weitergehenden Überlegungen zur
Entwicklung der forschungsleitenden Fragestellungen. Um damit zielgerichtet die
Auswirkungen von behördlichen Rahmenbedingungen auf die Motivation von
TZ-Beschäftigten im PVD untersuchen zu können, wurden die nachfolgenden vier
Hauptfragestellungen (F 1 – F 4) als elementar erachtet. Die Bezeichnung von
etwaigen Unterfragestellungen erfolgte jeweils alphabetisch.
F 1: Welche Motive liegen einer Teilzeitbeschäftigung im Polizeivollzugsdienst
zu Grunde?
684
Vgl. Wanger 2015, S. 3 f.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 271
F 1A: Welche dieser Gründe sind entscheidend für die Wahl des Teilzeitanteils?
F 2: Sind und gegebenenfalls in welchem Umfang sind Beamtinnen und Beamte
in Teilzeit grundsätzlich an einer Erhöhung ihrer Arbeitszeitanteile interessiert,
wenn für sie besser in Einklang zu bringende Rahmenbedingungen geschaffen
werden?
F 2A: Wie müssten gegebenenfalls die Rahmenbedingungen bezogen auf die indi-
viduelle Dienstverrichtung verändert werden?
F 2B: Inwieweit wären die Beschäftigten auch zu örtlichen Veränderungen oder
zu Veränderungen im Tätigkeitsspektrum bereit?
F 3: Wie empfinden Teilzeitbeschäftigte die ihnen entgegengebrachte Wertschät-
zung und hat diese Auswirkung auf die Motivation im Allgemeinen und bezogen
auf den gewählten Arbeitszeitanteil?
F 4: Sind allgemein Beratungsmöglichkeiten im Vollzugsdienst der Polizei bezo-
gen auf Teilzeitbeschäftigung vorhanden und sind diese den Beschäftigten auch
bekannt?
4 Methodik
685
Vgl. Raithel 2008, S. 65 ff.; Schnell et al. 1995, S. 11.
686
Vgl. Schnell et al. 1995, S. 255.
272 Jörg Ottenschläger
einbezogen und deshalb auf die empirische Untersuchung am Beispiel des PP MFr
begrenzt. Für die Befragung wurden alle TZ-Beschäftigten (Stichtag 01.01.2018)
beim PP MFr als potenzielle Teilnehmer ausgewählt. Dabei handelte es sich um
396 Personen, 303 Frauen (76,5 %) und 93 Männer (23,5 %). Die TZQ beim PP
MFr betrug zum Untersuchungszeitpunkt 9,48 %.
Die Fragen 1–10 (Modul 1) zielten dabei auf die allgemeinen Angaben zur jewei-
ligen TZB ab. Hier wurde der individuelle TZ-Anteil, die Arbeitszeitgestaltung,
das Verwendungsfeld sowie Gründe zur Teilzeitarbeit abgefragt. Weiterhin um-
fasste dieses Modul das Thema Überstunden sowie die bisherige Dauer der jewei-
ligen TZB. Zum Ende dieses Themenblockes folgte die Meinungsabfrage zu be-
stimmten Hilfsangeboten sowie eine hypothetische Frage hinsichtlich einer mög-
lichen AZ-Erhöhung.
687
Vgl. Raithel 2008, S. 75; Schnell et al. 1995, S. 320 ff.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 273
Die Fragen 11–19 (Modul 2) bezogen sich auf Vergleiche der TZB zur vorherigen
Vollzeitbeschäftigung, berufliche Belange wie beispielsweise der bisherige Karri-
ereverlauf sowie der empfundenen Wertschätzung von Kollegen und Vorgesetz-
ten. Zum Abschluss dieses Bereiches wurde die empfundene Vereinbarkeit von
Familie/Freizeit zum Beruf sowie die eigene Arbeitsmotivation und Verbunden-
heit/Identifikation mit dem Polizeiberuf erfragt. Die Überschrift „Motivation und
empfundene Wertschätzung“ für das Modul 2 wurde dabei als „Zusammenfas-
sung“ für dieses Modul im Hinblick auf die Untersuchungsfragestellung F3 ge-
wählt.
Die Fragen 20–22 (Modul 3) umfasste die Bereiche der Kenntnis und Nutzung von
Informations- und Beratungsangebote sowie einer Einschätzung über die ausrei-
chende Anzahl dieser Angebote. Dieses Modul wurde bewusst auch im Hinblick
auf die Untersuchungsfragestellung F4 so gewählt.
Die Fragen 23–27 (Modul 4) umfasste die Angaben zur Person nach Geschlecht,
Alter, Fragen zu Kindern sowie die zeitliche Zugehörigkeit zum Polizeiberuf.
Beim Layout und Format wurde insbesondere darauf geachtet, dass die Führung
durch den Onlinefragebogen einfach und selbsterklärend war. 688 Der Befragung
vorangestellt wurde ein Anschreiben an die Teilnehmer. Hier wurden sie über das
Thema informiert und kurz die Untersuchungszielrichtung dargestellt. Besonderen
Wert wurde dabei auf die Erklärung des Verfahrensablaufes im Hinblick auf die
Gewährleistung der Anonymität gelegt. Dadurch sollte zum einen den Teilneh-
mern die Sorge genommen werden, dass etwaige kritische Antworten zu ihnen
zurückverfolgt werden könnten und zum anderen erreicht werden, dass eine mög-
lichst offene Rückmeldung im Sinne der Forschung erfolgt. 689 Weiterhin wurde
auf die voraussichtliche Dauer der Befragung von etwa zehn Minuten hingewie-
sen. Der internetgestützte Fragebogen wurde so konzipiert, dass nach der Beant-
wortung der letzten Frage ein Dank für die Teilnahme erfolgte. 690
Bei der Gestaltung der Fragen und Antworten wurde auf einfache, verständliche
und kurze Formulierungen geachtet.691 Um ein tendenzielles Antwortverhalten der
688
Vgl. Porst 2014, S. 169; Raithel 2008, S. 77.
689
Vgl. Porst 2014, S. 47; Raithel 2008, S. 77 ff.
690
Vgl. Raithel 2008, S. 77.
691
Vgl. Porst 2014, S. 99 ff.; Raithel 2008, S. 73; Schnell et al. 1995, S. 312 ff.
274 Jörg Ottenschläger
692
Vgl. Porst 2014, S. 47 ff.; Schnell et al. 2013, S. 132 ff.
693
Vgl. Porst 2014, S. 47.
694
Vgl. Raithel 2008, S. 65, Schnell et al. 1995, S. 303 f.
695
Vgl. Raithel 2008, S. 74 f.
696
Vgl. ebenda, S. 43 f.; Schnell et al. 1995, S. 321 f.
697
Vgl. Porst 2014, S. 139 ff.; Raithel, S. 75 f.
698
Vgl. Schnell et al. 1995, S. 321 f.
699
Vgl. ebenda, S. 305.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 275
halboffene Fragen, da bezogen auf die jeweilige Frage noch zusätzliche freitextli-
che Eintragungen unter „Sonstiges“ möglich waren.700 Im Modul 3 kamen zudem
zwei Filterfragen zum Einsatz. Hier wurden entsprechend der gewählten Antwort
„Ja“ oder „Nein“ noch zusätzliche weitere Informationen erfragt. 701 Die Formu-
lierung von Frage 10 mit der Zielrichtung, „sich bessere Rahmenbedingungen im
Hinblick auf etwaige AZ-Erhöhungen vorzustellen“, hatte einen gewissen hypo-
thetischen Charakter. Auch wenn dies für gewöhnlich bei Befragungen vermieden
werden sollte, wurde hier im Hinblick auf das Forschungsinteresse von diesem
Grundsatz abgewichen.702 Die Einholung dieser Informationen erschien auf an-
dere Weise nicht möglich.
700
Vgl. Raithel 2008, S. 68; Schnell et al. 1995, S. 308 ff.
701
Vgl. Raithel 2008, S. 71 f.
702
Vgl. ebenda, S. 74.
703
Vgl. Raithel 2008, S. 63; Schnell et al. 1995, S. 325 f.
704
Vgl. Raithel 2008, S. 63 f.
276 Jörg Ottenschläger
Echterhebung
Zur Gewährleistung der Anonymität wurde der Link zur Befragung zunächst an
die Personalabteilung beim PP MFr übermittelt. Von dort erfolgte der Versand des
Links an die betreffenden 396 TZ-Beschäftigten.
705
Vgl. Brosius 2008, S. 139 ff.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 277
706
Vgl. Brosius 2008, S. 139 ff.; Raithel 2008, S. 91 f.
707
Vgl. Raithel 2008, S. 120 ff.; Rumsey 2015, S. 107 ff.
708
Vgl. Brosius 2008, S. 223 ff.
709
Vgl. Raithel 2008, S. 190 ff.
710
Vgl. Raithel 2008, S. 148 ff.; Brosius 2008, S. 239 ff.
711
Vgl. Brosius 2008, S. 249 ff.; Field 2013, S. 266 ff.
278 Jörg Ottenschläger
über 50 60 25 41,7 %
Bei der Betrachtung der Tabelle ist festzustellen, dass prozentual die Altersgruppe
„31 – 40 Jahren“ die höchste Teilnahmequote (69 %) verzeichnet, gefolgt von der
Altersgruppe „41–50 Jahre“ (47,3 %). Die Gruppen „bis 30“ und „über 50“ ha-
ben mit 42, 9 % und 41,7 % ähnliche Teilnahmequoten. Damit haben die beiden
Altersgruppen mit den meisten TZ-Beschäftigten auch das prozentual höchste In-
teresse an der Umfrageteilnahme gezeigt.
Regelmäßige Arbeitszeitgestaltung
(n = 244)
2%
7% 1% Tagesdienst mit Gleitzeit; (n = 118)
Tagesdienst mit festen Zeiten; (n = 12)
Komb. Heimarbeit und and.
Arbeitsgestaltung; (n = 7)
48 % Schichtdienst flex. gestaltbar; (n = 30)
22 %
Schichtdienst starres Modell (fester
Rhythmus); (n = 54)
Wechselnde Dienste frei einteilbar
(bedarfsorientiert); (n = 18)
Wechsel. Dienste fest vorgegeben
12 % (bedarfsorientiert); (n = 1)
Sonstige; (n = 4)
3% 5%
Tätigkeitsfeld
Bezogen auf die Verwendung im PVD gaben die TZ-Beschäftigten mit 59 % am
häufigsten eine schutzpolizeiliche Verwendung (n = 144) an. Davon arbeiteten 39
% (n = 94) im uniformierten schutzpolizeilichen Dienst und 20 % in sonstigen
schutzpolizeilichen Tätigkeiten (n = 50). Das weitere Haupttätigkeitsfeld war mit
26 % (n = 63) die Kriminalpolizei. Die wenigsten Nennungen entfielen auf die
Verwendung bei den Einsatzeinheiten mit nur 1 % (n = 3). Bei sieben Angaben
unter der Rubrik „Sonstige“ handelte es sich um Tätigkeiten im administrativen
Bereich, wie insbesondere der Informationstechnik sowie Aufgaben zur Qualitäts-
sicherung.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 281
39 % Einsatzeinheiten (Einsatzzüge,
USK); (n = 3)
Aus der Kreuztabelle ist ersichtlich, dass die genannten häufigsten Nennungen
nicht gleichzeitig auch der häufigsten Kombination entsprachen. Demnach war die
häufigste Kombination aus Arbeitszeitgestaltung und Tätigkeitsfeld die „krimi-
nalpolizeiliche Verwendung im Tagesdienst mit Gleitzeit“ (n = 46). Die „sonstige
schutzpolizeiliche Verwendung im Tagesdienst mit Gleitzeit“ (n = 43), die „uni-
formierte schutzpolizeiliche Tätigkeit im starren Schichtmodell“ (n = 39) sowie
die „uniformierte schutzpolizeiliche Tätigkeit im flexiblen Schichtmodell“ (n = 27)
folgten auf den Plätzen zwei bis vier. Ein Chi-Quadrat-Test nach Pearson ergab
zwar höchst signifikante Unterschiede (χ² [42] = 201,15, p < 0,001), aufgrund der
teils sehr niedrigen und unterschiedlichen Zahlenwerte in den Zellen ist dieser sta-
tistische Wert jedoch nur sehr eingeschränkt aussagekräftig.
712
Vgl. https://www.iab.de/de/informationsservice/presse/presseinformationen/az1701.aspx
284 Jörg Ottenschläger
Überstundensituation
Bei der Bewertung der Aussage „in meiner Teilzeittätigkeit mache ich regelmä-
ßig Überstunden!“ ergab sich ein sehr differentes Antwortverhalten. Die häufigs-
ten Antworten fanden sich hier bei der Antwortmöglichkeit „teils/teils“ mit 29,5
% (n = 72), gefolgt von „trifft zu“ mit 28,7 % (n = 70). Aber auch bei den Ant-
worten „trifft eher nicht zu“ (n = 34) mit 13,9 % und „trifft nicht zu“ (n = 25) mit
10,2 % waren mehrere Nennungen vorhanden. Komplettiert mit der Antwortkate-
gorie „trifft eher zu“ (n = 43) mit 17,6 % ergab sich bei einer zu Grunde liegenden
beginnenden negativen Antwortausprägung von links „trifft nicht zu (1)“ bis
286 Jörg Ottenschläger
rechts „trifft zu (5)“ ein Mittelwert von = 3,41. Der Medianwert lautete XMed =
3. Die differenten Antworten spiegelten sich auch in der Standardabweichung von
SD = 1,31 wider. Bei einem Test des Mittelwertes ( = 3,41) gegen den Testwert
(3) ergab sich im Ergebnis ein höchst signifikanter Unterschied (t [243] = 4,84; p
< 0,001). Damit lässt das Ergebnis den Rückschluss zu, dass die TZ-Beschäftigten
in Richtung „trifft eher zu“ und demnach zur Zustimmung der Aussage tendierten.
Diese Ergebnisse könnten auch einen Erklärungsansatz für die festgestellten AZ-
Anteilen geben. Demnach war die „TZB aus Gründen der Kinderbetreuung“ der
Beweggrund, bei dem die niedrigsten AZ-Anteile gearbeitet werden. Zudem
wurde festgestellt, dass Frauen durchschnittlich niedrigere AZ-Anteile wählen. Da
aus Gründen der Kinderbetreuung sehr häufig die weiblichen PVB in TZ arbeiten,
erscheint dies somit schlüssig.
Auch bei den „TZ-Beschäftigten zur Betreuung von Angehörigen“ ergaben sich
mit 2,09 % bei den Frauen (n = 4) und 14,29 % bei den Männern (n = 5) geschlech-
terspezifische Unterschiede. Bemerkenswert war hierbei, dass häufiger männliche
PVB zur Betreuung von Angehörigen in TZ arbeiteten als weibliche. Aus „Sons-
tigen Teilzeitgründen“ gaben die Frauen (n = 15) mit 7,85 % und die Männer (n =
9) mit 25,71 % als Grund für die TZB an. Auch hier wurden die Unterschiede
zwischen den Geschlechtern deutlich.
Bei der Teilzeitdauer der Beschäftigten mit Kindern gab es deutliche Unterschiede
nach der Anzahl der Kinder. Beamte mit einem Kind (n = 67) arbeiteten durch-
schnittlich 4,4 Jahre, mit zwei Kindern (n = 109) 8,0 Jahre, mit drei Kindern (n =
24) 6,76 Jahre und mit vier Kindern (n = 3) 9,67 Jahre in TZ. Auffällig bei der
Betrachtung der Ergebnisse war, dass Beschäftigte mit drei Kindern demnach kür-
zer in TZ arbeiteten als diejenigen mit zwei Kindern. Das Ergebnis wurde auf
mögliche Korrelationen hin überprüft. Dabei konnte zwischen der „Anzahl der
Kinder“ und „Teilzeitdauer“ ein durchaus hoher Zusammenhang festgestellt wer-
den (r = 0,261**, p < 0,01). Dies deutet darauf hin, dass grundsätzlich ein hoher
Zusammenhang zwischen der Anzahl der Kinder und der Teilzeitdauer besteht.
Die hier vorliegende Abweichung bei den TZ-Beschäftigten mit drei Kindern (
= 6,76) könnte eventuell den geringen Antwortzahlen geschuldet sein. Möglich-
erweise würde sich das Ergebnis bei einer größeren Stichprobe nivellieren.
Skalierung: (1=würde mir sehr gut helfen, 2=würde mir gut helfen, 3=würde mir zum
Teil helfen, 4=würde mir eher nicht helfen, 5=würde mir überhaupt nicht helfen)
Die höchste Zustimmung bezogen auf alle zur Auswahl gestellten Hilfestellungen
wurde bei der „flexiblen Arbeitsgestaltung“ mit = 2,31 (n = 209) festgestellt.
„Andere Verwendungen innerhalb der eigenen Dienstelle“ oder „eine temporäre
Verwendung in einer wohnortnäheren Dienstelle für die Dauer der Teilzeit“ stie-
ßen mit = 4,16 (n = 206) und = 4,07 (n = 202) mehrheitlich auf Ablehnung.
Auch eine „dauerhafte wohnortnahe Verwendung“ der TZ-Beschäftigen fand mit
= 3,58 (n = 204) keinen mehrheitlich positiven Zuspruch. Ähnlich verhielt es
sich mit der Einrichtung von sogenannten „Eltern-Kind-Büros“ mit = 3,62 (n =
217). Da die zur Auswahl gestellten möglichen Hilfen mehrheitlich auf die TZ-
Beschäftigten mit Kindern abzielten, wurde ein expliziter Vergleich für die „TZ-
Beschäftigten aus Gründen der Kinderbetreuung“ durchgeführt. Bezogen auf
diese Gruppe zeigten sich tendenziell ähnliche, insgesamt leicht positivere Werte.
Die „flexible Arbeitsgestaltung“ (n = 175) erzielte auch hier mit = 2,25 die
höchste Zustimmung. Eine „andere Verwendung in der eigenen Dienstelle“
wurde auch hier mit = 4,07 (n = 174) am kritischsten gesehen. Auch eher negativ
wurden die „wohnortnäheren Verwendungen“ mit = 3,49 (dauerhaft, n = 174)
und = 3,99 (temporär, n = 171) angegeben. Ebenso wurde das Angebot eines
„Eltern-Kind-Büros“ in dieser Vergleichsgruppe mit = 3,51 (n = 190) mehrheit-
lich negativ gesehen. Von den angebotenen Hilfestellungen wurde damit im Er-
gebnis einzig die „flexible Arbeitszeitgestaltung“ positiv bewertet. Alle anderen
möglichen Hilfen stießen sowohl bei den TZ-Beschäftigten insgesamt als auch bei
der Vergleichsgruppe der „TZ-Beschäftigten aus Gründen der Kinderbetreuung“
mehrheitlich auf Ablehnung.
Nach einer gesamtgesellschaftlichen Untersuchung der Forschungseinrichtung der
Bundesagentur für Arbeit (IAB) aus dem Jahr 2011 würde eine bessere Betreuung
der Krippen- und Schulkinder, familienfreundliche Arbeitsmodelle sowie eine
ausgewogene Arbeitsteilung in den Familien helfen. 713 Nach den vorliegenden Er-
gebnissen und bezogen auf die teilzeitbeschäftigten Polizeibeamten scheint dies
jedoch nur eingeschränkt für den Bereich der flexibleren AZ-Gestaltung zuzutref-
fen.
713
Vgl. Wanger 2011, S. 1.
292 Jörg Ottenschläger
714
Vgl. Wanger 2011, S. 1.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 293
im PVD insgesamt“ noch für die „TZ-Beschäftigten aus Gründen der Kinderbe-
treuung“ bestätigt werden können.
715
Vgl. Brenke 2011, S. 3.
294 Jörg Ottenschläger
„trifft zu“. Ähnliche Werte waren über alle Kategorien hinweg feststellbar. Die
unterschiedlichen Bewertungen zeigten sich auch im XMed = 3 und SD = 1,454.
Geschlechterspezifisch lag bei den Frauen (n = 190) bei 2,95 und bei den Män-
nern (n = 35) bei 3,69. Dieser geschlechterspezifische Unterschied stellt statistisch
einen hohen signifikanten Unterschied dar (t [223] = -2,792; p < 0,01).
Das Ergebnis deutet darauf hin, dass im geschlechterspezifischen Vergleich die
teilzeitbeschäftigten Männer zufriedener mit dem Karriereverlauf sind. Die
Gründe für die geschlechterspezifischen Unterschiede könnten möglicherweise in
den dargestellten Untersuchungsergebnissen liegen. Demnach wurde festgestellt,
dass die teilzeitbeschäftigten Männer im PVD durchschnittlich kürzer in TZ ver-
bleiben und zudem während der TZ höhere AZ-Anteile wählen. Die kürzeren „Ab-
wesenheitszeiten“ in Form von höheren AZ-Anteilen könnten darauf hindeuten,
dass dadurch auch die Karriereverläufe weniger stark beeinträchtigt werden. Wie
aus einer Veröffentlichung des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2017
hervorgeht, zeigen sich ähnliche Erkenntnisse auch in anderen Arbeitsmarktberei-
chen. Demnach können bereits vollzeitnahe TZB mit 80 – 90 % dazu führen, dass
Mitarbeiter voll in ihre Projekte und die Arbeitsorganisation eingebunden blei-
ben.716
716
Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2017, S. 20.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 295
„teils/teils“ etwas häufiger genannt. In Bezug auf die „Vorgesetzten“ wurde häu-
figer „trifft nicht zu“ angegeben. In den anderen drei Kategorien waren in beiden
Fragen ähnliche Antwortzahlen zu verzeichnen, wobei die Häufigkeiten bei den
positiven und auch bei den negativen Antwortkategorien in Bezug auf die „Vor-
gesetzten“ etwas ausgeprägter waren. Die genauen Antworthäufigkeiten sind aus
der nachfolgenden Grafik ersichtlich.
Beide Ergebnisse wurden auf eine mögliche Korrelation hin überprüft. Dabei
konnte zwischen der von den TZ-Beschäftigten „empfundenen Wertschätzung von
den direkten Kollegen“ und der „empfundenen Wertschätzung von den Vorgesetz-
ten“ ein hoher Zusammenhang auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant
nachwiesen werden (r =0,605**, p < 0,01). Dies deutet darauf hin, dass die TZ-
Beschäftigten, die sich von den „direkten Kollegen“ wertgeschätzt fühlen, sich
auch von den „Vorgesetzten“ wertgeschätzt fühlen (und/oder umgekehrt).
296 Jörg Ottenschläger
Berufliche Belange
Bei der Aussage „mir sind heute in meiner Teilzeittätigkeit private Belange
wichtiger als vorher in meiner Vollzeittätigkeit!“ (n = 225) wurde mit 34,8 %
(n = 85) am häufigsten die Kategorie „trifft zu“ benannt. Die zweithäufigste Nen-
nung war „trifft eher zu“ mit 18 % (n = 44), die am wenigsten genannte Antwort
lautete „trifft nicht zu“ mit 11,1 % (n = 27). Der rechnerische liegt bei 3,59, der
XMed bei 4. Die Aussage „mir sind heute in meiner Teilzeittätigkeit berufliche
Belange genauso wichtig wie vorher in meiner Vollzeittätigkeit!“ (n = 226)
wurde mit = 3,87 noch eindeutiger beantwortet. Hier waren die häufigsten Nen-
nungen mit 45,4 % (n = 111) bei „trifft zu“ und die zweithäufigsten mit 18 % (n =
44) bei „teils/teils“ feststellbar. Antworten mit negativer Ausprägung „trifft nicht
zu“ waren mit 4,9 % (n = 12) und „trifft eher nicht zu“ mit 12,3 % (n = 30) ange-
geben. Der Median liegt ebenfalls bei XMed = 4. Diese Ergebnisse wurden im Hin-
blick auf eine mögliche Korrelation überprüft. Dabei konnte zwischen den Ant-
worten ein hoher Zusammenhang auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant
nachwiesen werden (r = 0,385**, p < 0,01). Dies deutet darauf hin, dass den teil-
zeitbeschäftigen PVB zwar im Vergleich zur vorherigen Vollzeittätigkeit private
Belange wichtiger werden, dies aber nicht zugleich die Wichtigkeit von berufli-
chen Belangen reduziert. Diese bleiben mehrheitlich für die Beschäftigten kon-
stant wichtig.
den Testwert (3) ergibt sich im Ergebnis erwartungsgemäß ein höchst signifikanter
Unterschied (t [227] = 10,635; p < 0,001). Im Gesamtergebnis scheint für TZ-
Beschäftigte eine gute Arbeitssituation in Bezug auf Familie/Freizeit und Beruf
im PVD vorzuherrschen. Bei deutschlandweiten Meinungsumfragen in Bezug auf
alle Erwerbstätigen hatten im Jahr 2011 noch 63 % insgesamt und 72 % der Mütter
mit Kindern unter 18 Jahren eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf ver-
neint.717 Im Jahr 2015 gaben bei einer repräsentativen Umfrage in der Bevölkerung
etwa zwei Drittel der Befragten an, dass sich im Hinblick auf Familienfreundlich-
keit der Unternehmen in den letzten Jahren vieles positiv verändert habe.718 Trotz
dieser gesamtgesellschaftlich wohl zwischenzeitlich positiven Entwicklung deu-
ten die Ergebnisse der hier vorliegenden Untersuchung darauf hin, dass im Ver-
gleich zur gesamtgesellschaftlichen Situation im PVD eine bessere Vereinbarkeit
von Familie und Beruf vorherrscht.
Arbeitsmotivation
„Wie schätzen Sie Ihre allgemeine Arbeitsmotivation ein?“ (n = 229). Auf diese
Frage antworteten die TZ-Beschäftigten mehrheitlich mit „sehr gut“ (n = 97), ge-
folgt von „ziemlich gut“ (n = 80) und „teils/teils“ (n = 47). „Ziemlich schlecht“
gaben nur drei Personen und „sehr schlecht“ nur zwei Personen an. Die beiden
positiven Antwortkategorien „sehr gut“ und „ziemlich gut“ erreichten zusammen
77 % (n = 177) aller Nennungen. Die beiden negativen Antwortmöglichkeiten
„sehr schlecht“ und „ziemlich schlecht“ erreichten zusammen nur 2 % (n = 5)
aller Antworten. Diese deutliche Antworttendenz wird durch den rechnerischen
Mittelwert von = 4,17, den Median XMed = 4 und der geringen Standardabwei-
chung von SD = 0,858 bestätigt. Komplettiert mit einem höchst signifikanten Un-
terschied beim Test des Mittelwertes ( = 4,17) gegen den Testwert (3), (t [228] =
20,573; p < 0,001) deuten die Ergebnisse auf eine hohe allgemeine Arbeitsmoti-
vation hin. Geschlechterspezifisch entspricht bei den Frauen (n = 191) 4,18 und
bei den Männern (n = 35) 4,06. Bei den „TZ-Beschäftigten mit Kindern“ (n = 210)
entspricht = 4,18, bei den „TZ-Beschäftigten ohne Kinder“ (n = 16) = 4,00.
Bemerkenswert erscheint dabei, dass damit der Wert bei den TZ-Beschäftigten mit
717
Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/180855/umfrage/meinung-zur-
vereinbarkeit-von-familie-und-beruf/.
718
Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2015, S. 2.
298 Jörg Ottenschläger
Kindern positiver als bei denen ohne Kinder ist. Zu berücksichtigen ist jedoch,
dass aufgrund der geringen Antworthäufigkeit die Aussagekraft dieser Feststel-
lung nur eingeschränkt ist.
Zusammenhänge Arbeitsmotivation/Arbeitszeit/Wertschätzung
Auch im Hinblick auf die Untersuchungsfragestellung F3 wurde der Frage nach-
gegangen, ob bzw. wie stark die allgemeine Arbeitsmotivation mit der AZ und der
empfundenen Wertschätzung korreliert. Deshalb wurde ein statistischer Zusam-
menhang mit Korrelation nach Pearson überprüft. Hierbei konnte kein statistisch
signifikanter Zusammenhang zwischen der gewählten AZ und der Arbeitsmotiva-
tion nachgewiesen werden (r = - 0,048, p = 0,466). Auch korreliert die empfun-
dene Wertschätzung weder bei den direkten Kollegen (r = - 0,031, p = 0,651),
noch bei den Vorgesetzten (r = - 0,000, p = 0,996) auf statistisch signifikantem
Niveau mit dem gewählten AZ-Umfang. Jedoch konnte sowohl bei der Korrela-
tion der „empfundenen Wertschätzung von direkten Kollegen*Arbeitsmotivation“
(r = 0,178**, p < 0,01) als auch bei der Korrelation „empfundene Wertschätzung
von Vorgesetzten*Arbeitsmotivation“ (r = 0,186**, p < 0,01) eine statistische Sig-
nifikanz auf dem Niveau 0,01 (2-seitig) nachgewiesen werden. Damit deuten die
Ergebnisse darauf hin, dass die gewählte AZ zwar nicht mit der empfundenen
Wertschätzung oder der Arbeitsmotivation zusammenhängt, jedoch die empfun-
dene Wertschätzung und Arbeitsmotivation in Zusammenhang stehen.
dem Wohnort am nächsten ist. Bei „aufgezwungenen“ Modellen und einer unter-
stellten Unvereinbarkeit eines Modells wären nach Ansicht des Verfassers abwei-
chende Motivationstendenzen erwartbar. Zwar wurde die Flexibilität als die wün-
schenswerteste Hilfestellung durch die TZ-Beschäftigten genannt, möglicher-
weise erscheint aber auch das „starre Schichtmodell“ nur auf den ersten Blick
unflexibler. Trotz der Auswahl der jeweiligen Schichten im Rhythmus eines star-
ren Modells ist durchaus Flexibilität gewährleistet. Zudem kann im starren
Schichtrhythmus bereits lange Zeit im Voraus geplant werden. Beim flexiblen
Modell erfolgt die Planung regelmäßig erst ein bis zwei Monate vorher. Möglich-
erweise wird daher das starre Modell häufiger und auch durchaus bewusst durch
die TZ-Beschäftigten ausgewählt.
Arbeitsmotivation
sehr ziemlich teils / ziem- sehr Ge-
schlecht schlecht teils lich gut gut samt
Schutzpolizei uniform. 1 2 24 31 32 90
Schutzpolizei sonstige 0 0 5 18 20 43
Tätigkeitsfeld
Kriminalpolizei 1 0 10 18 31 60
Einsatzeinheiten 0 0 0 1 1 2
Stabsverwendung 0 0 4 8 3 15
Sonderverwendungen 0 1 3 3 5 12
Sonst. Tätigkeitsfeld 0 0 1 1 5 7
Gesamt 2 3 47 80 97 229
Tabelle 4: Kreuztabelle aus Arbeitsmotivation und Tätigkeitsfeld
300 Jörg Ottenschläger
gut“ nannten hier 47,6 % (n = 109) der Teilnehmer; 36,2 % (n = 83) wählten die
Antwort „ziemlich gut“. Auf „sehr schlecht“ entfielen nur 1,6 % (n = 4) und auf
„ziemlich schlecht“ nur 2,5 % (n = 6) der Antworten. „Teils/teils“ wählten 11,1
% (n = 27) der Befragten. Die beiden positiven Antwortkategorien zusammenge-
rechnet ergeben 83,8 % (n = 192) aller Nennungen. Die SD liegt bei 0,892, der
XMed bei 4. Beim Test des Mittelwertes ( = 4,25) gegen den Testwert (3) ergibt
dies erwartungsgemäß einen höchst signifikanten Unterschied (t [228] = 21,268;
p < 0,001). Dies unterstützt die Annahme über die mehrheitliche Zustimmung der
Aussage und deutet auf eine hohe Verbundenheit/Identifikation der TZ-Beschäf-
tigten mit dem Polizeiberuf hin. Einen Einfluss auf die gewählte AZ scheint dieses
Ergebnis jedoch nicht zu haben. Eine Überprüfung von Korrelation „Verbunden-
heit/Identifikation*Arbeitszeitanteil“ ergab keinen statistisch signifikanten Zu-
sammenhang (r = 0,035, p = 0,596). Nach dem sogenannten Engagement Index
der Gallup-Studie für das Jahr 2016 haben 70 % der Arbeitnehmer nur eine geringe
emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber. Nur 15 % geben an, eine hohe und
weitere 15 % keine emotionale Bindung zum Unternehmen zu haben. Die Erhe-
bung zur emotionalen Bindung scheint nach Ansicht des Verfassers sehr ähnlich
der hiesigen Frage nach der Verbundenheit und Identifikation zu sein. Damit un-
terstützt das vorliegende Ergebnis die Annahme, dass die TZ-Beschäftigten im
PVD im Vergleich zu den Erkenntnissen aus der Gallup-Studie eine deutlich hö-
here emotionale Verbundenheit/Identifikation zu ihrem Arbeitgeber aufweisen.
Zudem scheint eine verkürzte AZ in TZ keine wesentliche Auswirkung auf die
Verbundenheit/Identifikation mit dem Polizeiberuf zu haben.
bezogen bislang nur 14 und über sonstige Quellen acht Personen ihre Erkennt-
nisse. Damit stellen Ansprechpersonen/-stellen die am häufigsten genutzte Be-
zugsquelle für Beratungs- und Informationsmöglichkeiten dar. Hinsichtlich der
Frage, eine solche Beratungs- oder Informationsmöglichkeit schon einmal genutzt
zu haben, gaben 33,2 % (n = 76) „ja“ und 66,8 % (n = 153) „nein“ an. Bei der
gewählten Antwortoption „nein“ wurden im Anschluss die Gründe hierfür erfragt.
Mehrfachnennungen waren auch hier möglich. Demnach sahen bislang 80 Perso-
nen hierzu keinen Bedarf und 47 Personen waren die entsprechenden Ansprech-
personen/-stellen unklar. 32 Teilnehmer sahen bislang keinen Mehrwert in solchen
Angeboten und 17 Personen geben sonstige Gründe hierfür an. Nach den vorlie-
genden Ergebnissen nutzte bislang etwa ein Drittel der TZ-Beschäftigten entspre-
chende Informations- oder Beratungsangebote. Auf die Frage, ob sich die Be-
troffenen mehr Beratungs- und/oder Informationsmöglichkeiten in ihrer Dienst-
stelle/ihrem Präsidium in Bezug auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen
für TZ-Beschäftigte wünschen, gaben 44,5 % (n = 102) „ja“ an. „Nein“ antwor-
teten 24 % (n = 55) und 31,4 % (n = 72) wählten die Option „weiß nicht“. Damit
wünschten sich knapp die Hälfte aller TZ-Beschäftigten mehr solcher Informa-
tions- und Beratungsangebote. Nur etwa ein Viertel verneinte dies.
6 Zusammenfassung
7 Handlungsempfehlungen
Besonders die positiven Ergebnisse in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und
Familie/Freizeit scheinen ein Indiz dafür zu sein, dass in der polizeilichen Praxis
beim Zusammenwirken der polizeilichen Entscheidungsträger und der TZ-Be-
schäftigten vieles erfolgreich unternommen und umgesetzt wird. Demnach wäre
die Schlussfolgerung naheliegend, man könne alles so belassen und Änderungen
seien nicht nötig. Jedoch lassen sich die dargestellten Ergebnisse aber auch dahin-
gehend interpretieren, dass punktuell und mit Blick auf die Zukunft noch Anpas-
sungen angezeigt wären. So ist die Feststellung von Bedeutung, dass durch die
Verbesserung der behördlichen Rahmenbedingungen noch auszuschöpfende AZ-
Potenziale vorhanden sind. Das höchste Potenzial wurde dabei bei den „TZ-Be-
schäftigen aus Gründen der Kinderbetreuung“ identifiziert. Neben dieser Ziel-
gruppe ergibt sich für vorgesetzte Behörden und Personen ein zusätzlicher Ansatz
bei den Informations- und Beratungsmöglichkeiten. Dabei können möglicher-
weise die Erkenntnisse zum Nutzungsverhalten und Informations- und Beratungs-
bedürfnis Aufschlüsse geben. Bislang wählten die Betroffenen mehrheitlich die
Möglichkeiten der persönlichen Kontakte, fast die Hälfte der TZ-Beschäftigten
wünschen sich mehr Informations- und Beratungsangebote. Die Untersuchungs-
erkenntnisse deuten darauf hin, dass in den individuellen Gesprächen zwischen
Entscheidungsträgern und TZ-Beschäftigten das höchste Potenzial für Vereinba-
rungen im Hinblick auf etwaige AZ-Erhöhungen steckt. „Flexibleres Arbeiten“
könnte dabei in solchen Gesprächen im Sinne beider Seiten zielgerichtet ausgelo-
tet werden. Komplettiert mit Angeboten beispielsweise zielgruppengerechter In-
formationsveranstaltungen oder Workshops könnte dem Informations- und Bera-
tungsbedürfnis der TZ-Beschäftigten entsprochen werden.
Der errechnete derzeit akquirierbare AZ-Anteil der Stichprobe (0,35 % Mehrung
Personal / 14,74 Vollzeitstellen), gemessen am Gesamtpersonal des PP MFr, mag
zunächst gering erscheinen. Dabei sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden,
dass jeder zusätzliche Beschäftigte, insbesondere auf kleineren Polizeidienststel-
len, eine spürbare Entlastung für die anderen Mitarbeiter bewirken kann. Das Po-
tenzial an AZ-Kapazitäten der Beamtinnen, die durch die erfolgreichen partner-
schaftlichen Maßnahmen wieder früher von der Elternzeit in die Beschäftigung
306 Jörg Ottenschläger
719
Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2017, S. 20.
720
Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2007, S. 14.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 307
8 Fazit
Allgemein zum Thema TZ lagen auch bereits vor der Erforschung im Rahmen
dieser Untersuchung umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse vor. Die empi-
rische Untersuchung am Beispiel des PP MFr konnte jedoch die Auswirkungen
von behördlichen Rahmenbedingungen auf die Motivation von TZ-Beschäftigten
speziell für den Polizeibereich aufhellen. Der große Mehrwert in der Ergänzung
zur bisherigen Forschung ergibt sich daraus, dass eine Stichprobe speziell für den
Bereich des PVD vorgenommen wurde. So konnte beispielsweise durch die Erhe-
bung von Zahlen bei unterschiedlichen Polizeibehörden festgestellt werden, dass
der Umfang der TZB im PVD erheblich vom gesamtgesellschaftlichen Umfang
und auch von dem im Öffentlichen Dienst allgemein abweicht. Auch weitere Un-
terschiede im Vergleich zu den gesamtgesellschaftlichen Erkenntnissen wie bei-
spielsweise die hohen AZ-Anteile, das Anspruchsniveau der TZ-Tätigkeiten sowie
die enorme Verbundenheit/Identifikation mit dem Polizeiberuf konnten durch die
Untersuchung aufgezeigt werden. Auf der anderen Seite zeigen die Ergebnisse
auch zum Teil ähnliche oder gleiche Tendenzen wie bei gesamtgesellschaftlichen
Untersuchungen. Beispielhaft seien hier die Motive oder die Erkenntnis über die
Wichtigkeit des flexiblen Arbeitens während einer TZB genannt. Ein Ansatz für
den Erhalt der Motivation der TZ-Beschäftigten sind dabei die dargestellten indi-
viduellen persönlichen Informations- und Beratungsmöglichkeiten. Dies wird
auch durch die Gallup-Studie für das Jahr 2016 unterstützt. Demnach fördern Mit-
arbeitergespräche die Bindung zum Unternehmen. 721 Durch den aufgezeigten Zu-
sammenhang von „Verbundenheit/Identifikation*Motivation“ können diese Ge-
spräche entsprechend motivierend wirken. Wenn diese Gespräche dann zusätzlich
noch inhaltlich qualitativ hochwertig durchgeführt werden, wirken sie zunehmend
positiv verstärkend.
Im Sinne eines Ausblicks darf prognostiziert werden, dass durch die Zunahme von
TZ-Beschäftigten im PVD auch die Erkenntnisse der Untersuchung weiter an Be-
deutung gewinnen könnten. Im Rahmen einer nachhaltigen Personalpolitik liegt
721
Ergebnisse und Präsentationen der Gallup-Studie sind online verfügbar unter:
http://www.gallup.de/183104/engagement-index-deutschland.aspx.
308 Jörg Ottenschläger
722
Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2007, S. 2.
723
Vera 2015, S. 105 ff.
724
Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr 2017, S. 2.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 309
Der Autor
Jörg Ottenschläger, M. A.
Polizeirat, Polizei Bayern
311
Vera, Antonio, Prof. Dr. Dr., Leiter des Fachgebiets „Organisation und Personal-
management in der Polizei“, Deutsche Hochschule der Polizei, Münster.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
R. Ritsert und A. Vera (Hrsg.), Management und Organisation in der Polizei,
Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29053-5