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Schriftenreihe zur Polizei-

und Sicherheitsforschung

Rolf Ritsert · Antonio Vera Hrsg.


Management
und Organisation
in der Polizei
Studien zu Digitalisierung, Change
Management, Motivation und
Arbeitsgestaltung
Schriftenreihe zur Polizei-
und Sicherheitsforschung

Reihe herausgegeben von


Rolf Ritsert, Münster, Deutschland
Antonio Vera, Münster, Deutschland
Die Reihe behandelt Themen der inneren Sicherheit und der Polizeiwissenschaft
aus verwaltungswissenschaftlicher, ökonomischer und sozialwissenschaftlicher
Perspektive. Dabei handelt es sich sowohl um theoriegeleitete als auch um empi-
rische Beiträge.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/16419


Rolf Ritsert · Antonio Vera
(Hrsg.)

Management
und Organisation
in der Polizei
Studien zu Digitalisierung, Change
Management, Motivation und
Arbeitsgestaltung
Hrsg.
Rolf Ritsert Antonio Vera
Deutsche Hochschule der Polizei Deutsche Hochschule der Polizei
Münster, Deutschland Münster, Deutschland

ISSN 2662-4656 ISSN 2662-4664  (electronic)


Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung
ISBN 978-3-658-29052-8 ISBN 978-3-658-29053-5  (eBook)
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29053-5

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5

Inhaltsverzeichnis

Einleitung
Rolf Ritsert und Antonio Vera .................................................................... 7

Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und


Steuerungssystemen in der Polizei:
Dargestellt am Beispiel ausgewählter Polizeireviere
in Baden-Württemberg
Markus Lehmann und Michael Evers ......................................................... 11

(De-)Zentralisierung in der Polizeiorganisation:


Eine empirische Analyse am Beispiel der kriminalpolizeilichen
Analyse und Auswertung im Deliktsfeld Cybercrime
Florian Buchheit .................................................................................... 75

Change Management in der Polizei:


Wie lassen sich Wandelhemmnisse bei
Reorganisationsmaßnahmen überwinden?
Tom Pisecky ........................................................................................ 135
6

Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt:


Eine qualitativ-empirische Untersuchung
am Beispiel der Polizei NRW
Andreas Hering und Antonio Vera ........................................................... 199

Teilzeitbeschäftigung und Motivation im


Vollzugsdienst der Polizei:
Eine empirische Untersuchung am Beispiel des
Polizeipräsidiums Mittelfranken
von Jörg Ottenschläger ......................................................................... 261

Autoren- und Herausgeberverzeichnis ....................................... 311


7

Einleitung

Rolf Ritsert und Antonio Vera

Die Polizei gehört trotz ihrer hohen gesellschaftlichen Bedeutung und ihrer langen
Geschichte weiterhin zu den Organisationen, deren wissenschaftliche Erforschung
noch gravierende Lücken aufweist. Dies betrifft nicht nur ihre einsatztaktische und
kriminalistische Dimension, für die in Deutschland keine etablierten wissenschaft-
lichen Disziplinen existieren, sondern betrifft auch das Management und die Or-
ganisation der Polizei. Die originär hierfür zuständigen Disziplinen, die auf der
universitären Ebene Management- und Organisationsforschung betreiben, be-
schäftigen sich bevorzugt mit privatwirtschaftlichen, gewinnorientierten Unter-
nehmen, und auch in den auf den öffentlichen Sektor fokussierten Verwaltungs-
wissenschaften hat die Polizei einen schweren Stand. Dementsprechend werden
zwar immer wieder, aber eben nur punktuell und relativ selten, wissenschaftliche
Studien publiziert, die das Management und die Organisation der Polizei auf ho-
hem Niveau wissenschaftlich analysieren. Im Ergebnis bleibt der Forschungsstand
auf einem unbefriedigenden Niveau.
Die vorliegende Schriftenreihe, deren ersten Band der Leser gerade in den Händen
hält, soll dazu beitragen, diese Forschungslücke langfristig zu verkleinern, damit
ein zusammenhängendes, kohärentes, wissenschaftlich abgesichertes „Bild“ von
der Polizei entstehen kann. Im Mittelpunkt werden quantitative und qualitative
empirische Studien stehen, die sich mit den aktuellen Herausforderungen im Be-
reich Management und Organisation der Polizei beschäftigen. Diese werden
schwerpunktmäßig in den wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen angesiedelt
sein, wobei allerdings auch benachbarte Disziplinen wie die Arbeits- und Organi-
sationspsychologie, die Kommunikationswissenschaften, die Organisationssozio-
logie usw. eine wichtige Rolle spielen werden. Wie man an den Autoren der Bei-
träge im vorliegenden Band erkennen kann, sind die in dieser Reihe publizierten
Studien vorzugsweise von Personen durchgeführt worden, die zwar eine akademi-
sche Ausbildung, die aber auch tiefere Einblicke und möglichst praktische Erfah-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
R. Ritsert und A. Vera (Hrsg.), Management und Organisation in der Polizei,
Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29053-5_1
8 Rolf Ritsert und Antonio Vera

rungen in polizeilichen Einrichtungen vorweisen können. Auf diese Weise soll si-
chergestellt werden, dass die neu generierten wissenschaftlichen Erkenntnisse
auch von praktischer Relevanz sind und dazu beitragen können, das Management
und die Organisation der Polizei tatsächlich zu verbessern.
Der vorliegende erste Band dieser Schriftenreihe umfasst fünf Beiträge.
Der erste Beitrag mit dem Titel „Nutzung und Motivationswirkung von Führungs-
und Steuerungssystemen in der Polizei, dargestellt am Beispiel ausgewählter Po-
lizeireviere in Baden-Württemberg“ von Markus Lehmann und Michael Evers un-
tersucht, wie Führungskräfte und Mitarbeiter das landesweit einheitliche, inte-
grierte Führungsinformationssystem FIS BW nutzen und welche Motivationswir-
kungen davon ausgehen. Mithilfe von qualitativen Experteninterviews und einer
quantitativer Onlinebefragung wird aufgezeigt, inwiefern die Verwendung von
Zielen und Kennzahlen als Steuerungsinstrument die Motivation der Akteure be-
einflusst und welche Auswirkungen organisationale und personale Rahmenbedin-
gungen auf das Nutzungsverhalten und die Motivation haben. Im Ergebnis zeigen
sich deutliche Unterschiede hinsichtlich der tatsächlichen und von den Führungs-
kräften wahrgenommenen Motivationswirkungen und des Nutzungsverhaltens der
Mitarbeiter. Die positiven Effekte, die nach Einschätzung der Leitungsebene vom
Einsatz von Zielen und Kennzahlen ausgehen, kommen bei der Mitarbeiterschaft
faktisch nicht an. Zur Überwindung dieses Dissenses und um die Motivationswir-
kungen und das Nutzungsverhalten hinsichtlich des Führungs- und Steuerungssys-
tems zu verbessern, werden zielgruppenorientierte, akzeptanz-, wissens- und ver-
ständnisfördernde Handlungsempfehlungen und Möglichkeiten diskutiert
Anschließend folgt ein Beitrag mit dem Titel „(De-)Zentralisierung in der Polizei-
organisation: Eine empirische Analyse am Beispiel der kriminalpolizeilichen Ana-
lyse und Auswertung im Deliktsfeld Cybercrime“. Der Autor, Florian Buchheit,
führt einen Organisationsstrukturenvergleich in den Polizeien zweier Bundeslän-
der im Tätigkeitsfeld der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung durch
und überträgt die dabei gewonnenen Erkenntnisse auf den Deliktsbereich Cyber-
crime. Dabei zeigt sich, dass keine bestimmte Organisationsstruktur besser geeig-
net für die Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung erscheint, da sich Vor-
und Nachteile bei beiden Organisationsformen ergeben. Die betrachteten Unter-
suchungsparameter stehen alle in enger Verbindung zueinander und beeinflussen
Einleitung 9

sich gegenseitig, so dass als „Stellschrauben“ dienen können, um die Kriminalpo-


lizeiliche Analyse und Auswertung zu optimieren und als Prozessorganisation in
die polizeilichen Abläufe zu integrieren.
Der dritte Beitrag wurde von Tom Pisecky geschrieben und trägt den Titel
„Change Management in der Polizei: Wie lassen sich Wandelhemmnisse bei Re-
organisationsmaßnahmen überwinden?“ Im Mittelpunkt der Arbeit steht die
Frage, wie sich notwendiger Wandel respektive eine erforderliche Reorganisati-
onsmaßnahme erfolgreich implementieren lässt und die normalerweise dabei auf-
tretenden Widerstände nachhaltig überwunden werden können. Dabei wählt der
Autor auf der Vielzahl der relevanten Faktoren zwei aus, nämlich Partizipation
und Kommunikation, die mit qualitativ-empirischen Methoden im Bundeskrimi-
nalamt genauer analysiert werden. Die elf durchgeführten, leitfadengestützten Ex-
perteninterviews lassen darauf schließen, dass eine frühzeitige, regelmäßige und
umfassende Kommunikation im Wandel im Allgemeinen und eine motivierende,
tragfähige und für die Belegschaft nachvollziehbare Vision für das Wandelvorha-
ben im Besonderen von herausragender Bedeutung sind.
Der folgende Beitrag mit dem Titel „Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt: Eine
qualitativ-empirische Untersuchung am Beispiel der Polizei NRW“ von Andreas
Hering und Antonio Vera beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit die Polizei im
Allgemeinen und die nordrhein-westfälische im Besonderen die Rahmenbedin-
gungen für einen Arbeitsplatz der Zukunft in einer digitalen Arbeitswelt bietet, um
im „Kampf um die besten Köpfe“ als attraktiver Arbeitgeber wettbewerbsfähig zu
sein. Auf der Grundlage von acht leitfadengestützten Experteninterviews mit Füh-
rungskräften der Polizei NRW wird skizziert, wie eine zukunftsorientierte Polizei
4.0 aussehen könnte und wie weit die Polizei NRW auf diesem Weg schon voran-
geschritten ist. Darüber hinaus wird aufgezeigt, dass die Polizei NRW noch erheb-
liches Potenzial für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen in Bezug auf den
„Arbeitsplatz der Zukunft“ in einer digitalen Arbeitswelt aufweist.
Den Abschluss bildet dann der Beitrag mit dem Titel „Teilzeitbeschäftigung und
Motivation im Vollzugsdienst der Polizei: Eine empirische Untersuchung am Bei-
spiel des Polizeipräsidiums Mittelfranken“ von Jörg Ottenschläger. Auf der
Grundlage von quantitativ-empirischen Analysen untersucht er die Motive, die ei-
10 Rolf Ritsert und Antonio Vera

ner Teilzeitbeschäftigung im Polizeivollzugsdienst zu Grunde liegen, die entspre-


chenden Rahmenbedingungen, die Wertschätzung, die Teilzeitbeschäftigten ent-
gegengebracht wird, sowie den Beratungsmöglichkeiten in diesem Kontext. Im
Ergebnis kommt der Autor zu einer durchaus positiven Einschätzung der Verein-
barkeit von Familie und Beruf im Polizeivollzugsdienst, zeigt aber auch Verbes-
serungspotenziale auf.
Wir hoffen, dass diese Schriftenreihe und die in diesem ersten Band enthaltenen
Beiträge sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis auf Interesse und posi-
tive Resonanz stoßen.

Die Autoren
Prof. Dr. Rolf Ritsert
Leiter des Fachgebiets „Betriebswirtschaftslehre – Public Management Polizei“
Deutsche Hochschule der Polizei
Münster
rolf.ritsert@dhpol.de

Prof. Dr. Dr. Antonio Vera


Leiter des Fachgebiets „Organisation und Personalmanagement in der Polizei“
Deutsche Hochschule der Polizei
Münster
antonio.vera@dhpol.de
11

Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und


Steuerungssystemen in der Polizei: Dargestellt am Beispiel
ausgewählter Polizeireviere in Baden-Württemberg

Markus Lehmann und Michael Evers

Inhaltsübersicht
1 Einleitung
2 Die Polizei Baden-Württemberg
2.1 Strukturierung
2.2 Umgang mit und Anwendung von Zielen und Kennzahlen
2.3 Das Führungs- und Steuerungssystem
2.4 Umsetzung im Polizeipräsidium Tuttlingen
3 Theoretische Grundlagen
3.1 Intrinsische und extrinsische Motivation
3.2 Inhalts- und Prozesstheorien
4 Zentrale Fragestellung und Hypothesen
5 Forschungsdesign und Datenerhebung
6 Auswertung der empirischen Daten
6.1 Auswertung der qualitativen Befragung
6.2 Auswertung der quantitativen Befragung
7 Darstellung der Ergebnisse der qualitativen Befragung
7.1 Organisationale Rahmenbedingungen
7.2 Einsatz/Wirkung von Zielen und Kennzahlen
7.3 Nutzungsverhalten bzgl. der Führungs- und
Informationssysteme

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
R. Ritsert und A. Vera (Hrsg.), Management und Organisation in der Polizei,
Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29053-5_2
12 Markus Lehmann und Michael Evers

7.4 Personelle Grenzen für die Nutzung von Zielen und Kennzahlen
8 Darstellung der quantitativen Ergebnisse
8.1 Soziodemographische Daten
8.2 Organisationale Rahmenbedingungen
8.3 Einsatz/Wirkung von Zielen und Kennzahlen
8.4 Nutzungsverhalten bzgl. der Führungs- und
Informationssysteme
9 Hypothesenbezug
9.1 Qualitative Befragung
9.2 Quantitative Befragung
9.3 Mixed Methods
10 Schlussbetrachtung und Ausblick
Literatur- und Quellenverzeichnis
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 13

1 Einleitung

Das Vorhandensein eines funktionierenden Kennzahlensystems ist in einem Wirt-


schaftsunternehmen ein erfolgskritischer Faktor geworden, der in unserer schnell-
lebigen, sich ständig verändernden Welt über Erfolg oder Misserfolg der Unter-
nehmung entscheiden kann. Die Entscheidungsträger müssen in die Lage versetzt
werden, aktuelle Entwicklungstendenzen und mögliche Problemstellungen zeit-
nah zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Der
hierzu erforderliche Gesamtüberblick über steuerungsrelevante Größen ist ohne
Vereinfachung und Reduzierung der Informationsflut kaum möglich.1
„Analysieren, steuern, reagieren und vor allem aber agieren ist ohne Kennzahlen
nicht möglich. Kennzahlen zeigen rechtzeitig Schwachstellen auf, signalisieren
Abweichungen und erfüllen somit die Funktionen des Beurteilungs- und Entschei-
dungsbarometers.“2
Die Nutzung von Zielen und Kennzahlen in der Unternehmensteuerung erlaubt
somit die Darstellung eines möglichst realitätsnahen Abbildes der Wirklichkeit
unter Berücksichtigung der erforderlichen Komplexitätsreduktion. Gleichzeitig
sollen Kennzahlen aber auch als Messgröße und Entscheidungsgrundlage dienen,
um steuernd bzw. korrigierend in den Unternehmensablauf eingreifen zu können.
Ziel ist es, den unternehmerischen Erfolg zu überprüfen und sicherzustellen. 3
Diese Funktionen sind jedoch nur dann gegeben, wenn Kennzahlen konkreten
Strategiebezug haben und die “richtigen Dinge“ messen und abbilden. Bei der
Auswahl der relevanten Kennzahlen gilt es zu prüfen, welche Ziele erfolgskritisch
für die Unternehmung sind und daher als Messgröße abgebildet werden müssen.
Ziele dienen folglich als Grundlage für die Erstellung von Kennzahlensystemen
und nehmen daher eine zentrale Rolle ein.
Unternehmen verfolgen in der Regel eine Fülle von Zielen gleichzeitig, die alle-
samt in unterschiedlicher Ausprägung Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben

1
Vgl. Preißler 2008: 3.
2
Ebd.: 4.
3
Vgl. Weber/Schäffer 2016: 210.
14 Markus Lehmann und Michael Evers

können. Durch die Festlegung von Zielen nimmt ein Unternehmen seine Definiti-
onsmacht wahr und zeigt sowohl nach innen als auch nach außen, wo die unter-
nehmerischen Schwerpunkte liegen. Die Zielfestlegung hat daher unmittelbare
Auswirkungen auf die Handlungsweisen der Führungskräfte und Mitarbeiter, die
ihre Arbeitsleistung den Vorgaben entsprechend ausrichten müssen.4
Die Art und Weise der Zielfestlegung sowie die Umsetzung der Ziele durch die
Führungskräfte haben erhebliche Auswirkungen auf die Motivation der Mitarbei-
ter und folglich auf deren Arbeitsleistung, die wiederum die Erreichung der Un-
ternehmensziele maßgeblich beeinflusst. Um eine hohe Motivationswirkung von
Zielen zu erreichen, müssen die Hintergründe und relevanten Einflussfaktoren
beleuchtet und analysiert werden. Diese finden sich insbesondere in den einschlä-
gigen Motivationstheorien. Mit welchem Interesse und mit welchem Engagement
eine Person die ihr obliegende Tätigkeit durchführt, hängt maßgeblich von der
Motivation des Einzelnen ab. Folglich steht der Unternehmenserfolg in direkter
Abhängigkeit von der Motivation der Mitarbeiter. Ziel jedes Unternehmens muss
es demzufolge sein, die optimale Motivationslage bei seinen Bediensteten auf
Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu schaffen.5
Die Polizei Baden-Württemberg sah sich um die Jahrtausendwende, spätestens
aber mit der zunehmenden Digitalisierung und der ständigen Erweiterung der Zu-
ständigkeiten und Kompetenzen mit einer Flut von zu verarbeitenden Daten kon-
frontiert. Eine Vielzahl von steuerungsrelevanten Informationen konnte nicht au-
tomatisiert genutzt und musste zeitaufwändig unter Einsatz erheblicher Ressour-
cen aufbereitet werden. Aufgrund dessen wurde mit Blick auf die Entwicklungen
in der freien Wirtschaft eine Adaption der dort eingesetzten Steuerungsinstru-
mente für die polizeilichen Zwecke geprüft.
Zur Steuerung der Polizei Baden-Württemberg wurde zum 15. September 2007 das
Führungsinformationssystem (FIS)6 implementiert, welches in der Lagesteue-
rungsrelevante Daten teilautomatisiert zu verarbeiten. In einem weiteren Schritt
wurde die Balanced Scorecard7 mit Beginn 2008 landesweit eingeführt.

4
Vgl. Ebd.: 70 f.
5
Vgl. Ehrlich 2003: 1.
6
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg 2010.
7
Vgl. Renter/Linsler 2007.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 15

Beide Systeme ermöglichten ab 2008 die Bildung und Ausweisung von Zielen und
deren Abbildung mittels Kennzahlen.
Die Einführung dieser neuen Steuerungsinstrumente erzeugte insbesondere bei der
Mitarbeiterschaft erhebliche Ressentiments. Trotz umfangreicher Schulungsmaß-
nahmen und Informationskampagnen bestehen –vor allem in den Basiseinheiten –
bis heute noch Vorbehalte hinsichtlich Nutzen und Umgang von/mit Zielen und
Kennzahlen. Ebenso sind noch erhebliche Umsetzungslücken, Akzeptanzprob-
leme sowie nicht ausgeschöpfte Potenziale in der Organisation zu erkennen und
zu erahnen.
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich deshalb auf die Identifizierung der mög-
lichen Potenziale, also konkret, wie sich Ziele und Kennzahlen mit Blick auf die
Motivationswirkung von Mitarbeitern auswirken und wie sich deren konkretes
Nutzungsverhalten darstellt. Dies soll einerseits aus der Perspektive der Mitarbei-
ter sowie aus Sicht der Führungskraft empirisch erhoben und hierdurch die fol-
gende Untersuchungsfrage beantwortet werden:
„Inwieweit können Unterschiede und/oder Gemeinsamkeiten bei den erzielten
Motivationswirkungen und beim Nutzungsverhalten von Kennzahlen und Zielen
mit Blick auf die Perspektiven von Führungskraft und Mitarbeiter identifiziert
werden?“
Es soll somit im weiteren Verlauf aufgezeigt werden, welche motivationale Wir-
kung die Verwendung von Zielen und Kennzahlen im Arbeitsalltag hat und wie
dies letztlich das Nutzungsverhalten der Führungs- und Informationssysteme be-
dingt. Insbesondere sollen dabei die jeweiligen Perspektiven der Mitarbeiter, also
der Endanwender, sowie die der Führungskräfte dargestellt werden, welche Ziele
und Kennzahlen als zentrale Steuerungshilfe einsetzten.
Zur Beleuchtung des konkreten Themenfeldes ist es erforderlich, eine ausführli-
che Literaturrecherche hinsichtlich relevanter motivationstheoretischer Ansätze
durchzuführen, die Einfluss auf die Akzeptanz und die Motivationswirkung von
Zielen und Kennzahlen haben können. Anhand dieser theoretischen Grundlagen
werden Hypothesen erstellt, die in der weiteren Bearbeitung Niederschlag im em-
pirischen Teil finden.
16 Markus Lehmann und Michael Evers

Weiterhin ist es essenziell, Begriffsbestimmungen vorzunehmen, sowie die Her-


kunft, die derzeitige Nutzung, die konkreten Einsatzmöglichkeiten und die aktu-
elle Entwicklung von Zielen und Kennzahlen bei der Polizei Baden-Württemberg
darzustellen.
Zur empirischen Bearbeitung der Untersuchungsfrage erfolgt eine quantitative
Befragung von Mitarbeitern auf drei ausgewählten Polizeirevieren des Polizeiprä-
sidiums Tuttlingen. Bei der Auswahl der Polizeireviere sind Kriterien wie Füh-
rungsphilosophie, Einsatz von Zielen und Kennzahlen sowie strukturelle Rahmen-
bedingungen maßgeblich.
In einer separaten qualitativen Befragung werden die jeweiligen Leiter der ausge-
wählten Polizeireviere in einem leitfadengestützten Experteninterview befragt.

2 Die Polizei Baden-Württemberg

2.1 Strukturierung
Die Polizei Baden-Württemberg wurde zum 01.01.2014 in einem umfassenden
Reformprozess umstrukturiert und besteht seither aus zwölf regionalen Präsidien
sowie vier Spezialpräsidien, die dem Innenministerium/Landespolizeipräsidium
nachgeordnet sind. Den regionalen Präsidien obliegen die generellen Zuständig-
keiten für polizeiliche Aufgaben. Den Spezialpräsidien kommt eine unterstützende
Funktion in den Bereichen Aus- und Fortbildung, Einsatzunterstützung, techni-
sche/organisatorische Bündelung sowie Ermittlungsunterstützung zu.8

8
Vgl. Polizei Baden-Württemberg 2018.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 17

Das Land Baden-Württemberg beheimatet auf einer Fläche von 35.673,71


Quadratkilometern insgesamt 10.951.893 Menschen.9 Die 44 Stadt- und Land-
kreise werden hierbei von über 24.000 Polizeivollzugsbeamten betreut.

Abbildung 1: Organigramm der Polizei Baden-Württemberg

9
Vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2018
18 Markus Lehmann und Michael Evers

2.2 Umgang mit und Anwendung von Zielen und Kennzahlen


„Auf dem Weg zum sichersten Bundesland mit der Balanced Scorecard“10 lautete
der Titel einer Publikation zur Einführung der Balanced Scorecard (BSC) bei der
Polizei Baden-Württemberg im Jahr 2008. Ziel war es, nach Vorbild der freien
Wirtschaft ein Managementinstrument einzuführen, das die Umsetzung und Kon-
trolle der strategischen Ziele ermöglicht und gleichzeitig die spezifischen Bedürf-
nisse der polizeilichen Basis berücksichtigt. Die BSC, welche zu Jahresbeginn
2008 durch das Innenministerium Baden-Württemberg eingeführt wurde, basiert
auf den Daten, die durch das am 15. September 2007 implementierte Führungsin-
formationssystem bereitgestellt werden.
In den folgenden Jahren differenzierten sich die Ziele sowie die daraus entste-
henden Kennzahlen immer weiter aus und es entstand eine Fülle von automati-
siert oder teilautomatisiert generierten Daten, die tagesaktuell durch das Füh-
rungsinformationssystem bereitgestellt wurden.
Zu Beginn des Jahres 2016 wurde von Seiten des Innenministeriums Baden-Würt-
temberg entschieden, den strategischen Zielvereinbarungsprozess und demzu-
folge die BSC vorläufig auszusetzen und zu überarbeiten. Gleichzeitig wurden
die Polizeidienststellen gebeten, die bisherigen Ziele und Kennzahlen weiterhin
als Orientierung und Grundlage für die Aufgabenerfüllung zu nutzen.11
Bis zur Fertigstellung der neuen BSC werden die in der Vergangenheit geltenden
Ziele und Kennzahlen fortgeführt und teilweise durch neue landesweite Orien-
tierungswerte/Ziele ergänzt.

2.3 Das Führungs- und Steuerungssystem


Als zentrales Medium steht jedem Mitarbeiter der Zugang zum Intranet der Polizei
offen. Je nach Rechtekonzept, welches teilweise sehr inhomogen ist, können alle
Führungskräfte bis auf Ebene der Dienstgruppenleiter das landesweite Führungs-
informationssystem (FIS) nutzen. Dieses System ist in der Lage, tagesaktuelle

10
Renter/Reubold/Wagner 2008: 190.
11
Vgl. Hoffmann 2017: 6.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 19

Zielerreichungsstände sowie die Kennzahlen der BSC unter Verwendung selbst


gestalteter Filter bis auf die unterste Organisationsebene zu liefern.12
Weit wichtiger als dieses Management-Tool sind jedoch die Serviceleistungen der
Stabstellen Controlling/Qualitätsmanagement, die im Z uge der Polizeistrukturre-
form bei jedem Polizeipräsidium verpflichtend eingeführt wurden.13
Die durch die Stabsstelle gefertigten Ausarbeitungen und Berichte werden den
Mitarbeitern einerseits direkt zur Verfügung gestellt und bilden andererseits die
Datengrundlage für Besprechungen und Zielüberprüfungen.
Im Hierarchiesystem der Polizei obliegt es der Führungskraft, den jeweils nachge-
ordneten Bereich mit relevanten Informationen zu versorgen und die Einhaltung
von Zielen zu überwachen. Aufgrund dessen kommt den Führungskräften aller
Hierarchieebenen eine wesentliche Bedeutung zu, da sie als Multiplikator für die
Organisationsziele fungieren und deren Sinnhaftigkeit vermitteln müssen.

2.4 Umsetzung im Polizeipräsidium Tuttlingen


Trotz vorübergehender Aussetzung des strategischen Zielvereinbarungsprozesses
und der BSC auf Landesebene orientiert sich das Polizeipräsidium Tuttlingen wei-
terhin an den bis dato gültigen Zielen und Kennzahlen.14
Durch die Stabstelle Controlling/Qualitätsmanagement (C/QM) werden die vor-
gegebenen Ziele und Kennzahlen systematisch aufbereitet und einer turnusmäßi-
gen Kontrolle unterzogen. Die Zielerreichungsstände werden monatsaktuell im In-
tranet des Polizeipräsidiums für jeden Mitarbeiter zugänglich veröffentlicht.
Darüber hinaus wird von der Stabstelle C/QM jährlich ein detaillierter Manage-
mentbericht für das abgelaufene Kalenderjahr erstellt, der die Bereiche Lage (29
Kennzahlen), Leistungskennzahlen (31 Kennzahlen), Personal (15 Kennzahlen),
Haushalt (10 Kennzahlen) und Sonstiges (10 Kennzahlen) umfasst.15 Der an die

12
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg 2010.
13
Vgl. Hoffmann 2017: 6.
14
Vgl. Ebd.: 6.
15
Vgl. Hoffmann 2017: 7 ff.
20 Markus Lehmann und Michael Evers

obere Führungsebene adressierte Managementbericht ermöglicht überaus detail-


lierte Einblicke in die einzelnen Bereiche und erlaubt auf dieser Datengrundlage
fundierte Analysen und Anpassungen der Prozesse.

3 Theoretische Grundlagen

3.1 Intrinsische und extrinsische Motivation


In der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus von Motivation im Umfeld von Arbeit
und Beruf, weshalb arbeits- und organisationspsychologische Erklärungsansätze
im Vordergrund stehen.
Unter intrinsischen Anreizen können Faktoren gefasst werden, deren Befriedi-
gungspotentiale aus der Tätigkeit selbst entstehen. Die Person handelt folglich aus
eigenem Antrieb und verrichtet die Tätigkeit aufgrund der dadurch erfahrenen Be-
friedigung gerne und ohne dass externe Anreize eine dominante Rolle spielen.
Bildlich gesprochen motiviert nicht nur das Ziel an sich, sondern insbesondere
der Weg dorthin. Bei extrinsischer Motivation bewegen externe Anreize Men-
schen dazu, eine bestimmte Handlung auszuführen. Die Tätigkeit selbst entfaltet
in der Arbeitswelt oftmals keine ausreichende Befriedigung, sondern vielmehr die
erwartete Entlohnung des Einsatzes.16 Wesentlicher Aspekt bei extrinsischen Tä-
tigkeiten ist somit die Erwartung von externen Handlungsfolgen (u. a. Auszahlung
von Leistungsprämien, Gehaltserhöhung, beruflicher Aufstieg) auf ein gezeigtes
Verhalten.
Die Mitarbeiter eines Unternehmens stellen in der Arbeitswelt eine der wichtigs-
ten Ressourcen zur Beeinflussung des Unternehmenserfolges dar. Aus diesem
Blickwinkel betrachtet ist es aus Führungssicht naheliegend, sowohl auf die
intrinsische als auch die extrinsische Motivation einwirken zu wollen. Die Schaf-
fung von Arbeitsbedingungen und Tätigkeitsgebieten, die von den Mitarbeitern
als herausfordernd angesehen und zur Selbstverwirklichung geeignet sind, werden
in Kombination mit einem als angemessen empfundenen Anreizsystem folglich
die intrinsische und extrinsische Motivation fördern können.17

16
Vgl. Comelli/von Rosenstiel/Nerdinger 2014: 10.
17
Vgl. Ebd.: 11.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 21

3.2 Inhalts- und Prozesstheorien


„Die Inhalts-Ursachen-Theorien beschreiben, welche Faktoren den Menschen zur
Arbeit motivieren.“18 Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf Einflussfaktoren in
der Person selbst, die konkrete Verhaltensweisen veranlassen. Es soll also ergrün-
det werden, welche Motive und Bestrebungen ein Mensch hat.
Zu den Inhaltstheorien gehören unter anderem die Bedürfnispyramide nach
Maslow, die Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg und die Theorie der gelernten
Bedürfnisse nach McClelland.
Als Prozesstheorien werden Erklärungsansätze bezeichnet, die die Frage zu beant-
worten versuchen, „wie Verhalten energetisiert, gelenkt und beendet wird und wa-
rum Menschen bestimmte Verhaltensweisen wählen, um ihre Ziele zu errei-
chen.“19 Vertreter dieses Bereichs sind die Zielsetzungstheorie von Locke und
Latham, das Rubikonmodell von Heckhausen und die Valenz-Instrumentalitäts-
Erwartungstheorie von Vroom.
Die Inhaltstheorien beschreiben somit die Motive und Bestrebungen der Mitarbei-
ter und die Prozesstheorien die Realisierbarkeit der erstrebten Folgen.

3.2.1 Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg


Die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg stellt im Wesentlichen eine Theorie zur
Arbeitszufriedenheit dar, die jedoch starke Bezüge zur Arbeitsmotivation auf-
weist.20 Vergleichbar zur Bedürfnishierarchie von Maslow liegt der Theorie von
Herzberg ebenfalls die Annahme von menschlichen Grundbedürfnissen zu
Grunde, deren Befriedigung von den Menschen selbst angestrebt wird.21 Bezüg-
lich einer Einteilung vertritt Herzberg die Auffassung, dass die Mitglieder von Ar-
beitsorganisationen sogenannte Motivations- und Hygienefaktoren aufweisen, die
Einfluss auf Arbeitszufriedenheit und Motivation haben.

18
Weinert 2004: 190.
19
Weinert 2004: 205.
20
Vgl. Ehrlich 2003: 34.
21
Vgl. Weinert 2004: 197.
22 Markus Lehmann und Michael Evers

Unter die Hygienefaktoren, auch Contextfaktoren genannt, werden unter anderem


Gehalt, Beziehungen zu Untergebenen/Kollegen/Vorgesetzten und Statuszuwei-
sungen subsumiert, die nicht unmittelbar mit der Tätigkeit, sondern mit dem Ar-
beitsumfeld in Verbindung gebracht werden.22 „Da die Contextfaktoren überwie-
gend in negativen, mit Unzufriedenheit verbundenen Situationen genannt wurden,
bezeichnen sie die Autoren auch als Hygienefaktoren.“23 Diese sprachliche Ein-
ordnung verdeutlicht die Relevanz der Hygienefaktoren als Indikator für entste-
hende Unzufriedenheit. Wird die erforderliche Hygiene im Unternehmen von den
Mitarbeitern beispielsweise aufgrund unangemessener Bezahlung als nicht ausrei-
chend angesehen, entsteht Unzufriedenheit. Im Umkehrschluss kann aber bei gu-
ten Arbeitsbedingungen nicht auf Zufriedenheit geschlossen werden, da maximal
ein Zustand der Neutralität oder der sogenannten “Nicht-Unzufriedenheit“ erreicht
werden kann. Daher wird den Hygienefaktoren auch keine Motivationswirkung
zugeschrieben.24
Die Motivationswirkung und Zufriedenheit wird in Herzbergs Theorie durch die
Contextfaktoren (Motivationsfaktoren) hervorgerufen, die aus der Tätigkeit selbst
entstehen und intrinsischer Natur sind. Hierunter fallen beispielsweise Anerken-
nung, Selbstbestätigung oder Leistungserlebnisse, die mit positiven Erlebnissen
und Zufriedenheit der Probanden verknüpft sind und motivierend wirken. „Diese
Motivatoren sind der zentrale Bestandteil der Theorie Herzbergs für die Erklärung
von Arbeitsmotivation, denn sie können als Motivierungspotentiale bzw. situative
Anreize angesehen werden, die das von Herzberg formulierte Selbstverwirkli-
chungsmotiv eines Menschen in der Arbeit anregen kann.“25 Sind diese Faktoren
in Unternehmen nicht vorhanden, folgt hieraus nicht zwangsläufig Unzufrieden-
heit, jedoch werden hierdurch die Motivationspotentiale der Mitarbeiter nicht aus-
geschöpft und drohen zu verkümmern. Um Motivation tatsächlich zu fördern oder
auszulösen, bedarf es in der beruflichen Praxis einer auf die Bedürfnisse des Ein-
zelnen ausgerichtete Tätigkeit, die auf das Individuum interessant und anregend
wirkt.26

22
Vgl. Lawler III 1973: 105 ff.
23
Nerdinger 1995: 43.
24
Vgl. ebd.: 42 f.
25
Ehrlich 2003: 37.
26
Vgl. Weinert 2004: 198.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 23

3.2.2 Valenz-Instrumentalitäts-Erwartungstheorie nach Vroom


Das Valenz-Instrumentalitäts-Erwartungsmodell (VIE-Modell) „kann als Basis-
modell für alle Erwartungs-Wert-Theorien bezeichnet werden“.27 Bei der Ent-
wicklung des VIE-Modells von Vroom wurde dieser von zentralen Fragen der Ar-
beitspsychologie geleitet. Zur Beantwortung der Fragen, warum Menschen be-
stimmte Beschäftigungen bevorzugen, wie hierbei Arbeitszufriedenheit entsteht
und wie Unterschiede bei den gezeigten Leistungen erklärt werden können, führte
Vroom drei neue Parameter ein. Mit Hilfe der Valenz, der Instrumentalität und der
Erwartung sollte ein neuer Ansatz generiert werden, wobei die Motivation das ma-
thematische Produkt von Erwartung und Valenz darstellt. Unter Valenz kann der
subjektive Wert eines Ziels oder einer Handlung für eine Person verstanden wer-
den. Instrumentalität bezeichnet die Handlung, die ausgewählt wird, um das Ziel
zu erreichen. „Die Handlung wird also zu einem „Instrument.“28 Die Erwartung
bezeichnet die subjektive Wahrscheinlichkeit, das angestrebte Ziel/Ergebnis zu er-
reichen.29
Unter Anwendung der VIE-Theorie werden Mitarbeiter bei Vorliegen folgender
Kriterien gute Leistungen erbringen:

 Die Bemühungen des Mitarbeiters führen mit hoher Wahrscheinlichkeit


zu einer hohen Arbeitsleistung (Erwartung).

 Aus der hohen Arbeitsleistung resultiert mit hoher Wahrscheinlichkeit


der gewünschte Erfolg (Instrumentalität).

 Die angestrebten Ziele werden als positiv angesehen (Valenz).


Nur bei Erfüllung aller genannten Kriterien ist eine Verhaltensänderung der Mit-
arbeiter wahrscheinlich. Ist das angestrebte Ziel beispielsweise auch ohne Erhö-
hung der Arbeitsleistung zu erreichen, wird hingegen keine Veränderung erfol-
gen.30 „Die Besonderheit der Theorie von Vroom liegt darin begründet, dass die

27
Ehrlich 2003: 104.
28
Weinert 2004: 205.
29
Vgl. Nerdinger 1995: 95.
30
Vgl. Weinert 2004: 207.
24 Markus Lehmann und Michael Evers

Valenz (der Anreizwert der Handlungsfolgen) mit der sogenannten Instrumentali-


tät verknüpft ist.“31 Sind verschiedene Handlungsalternativen zu bewerten, so ist
die Variante auszuwählen, deren multiplikatives Ergebnis aus Erwartung und Va-
lenz (unter Berücksichtigung der entsprechenden Instrumentalität) am höchsten
liegt.32

3.2.3 Zielsetzungstheorie nach Locke und Latham


Die Zielsetzungstheorie (Goal-Setting-Theory) nach Locke und Latham geht in
ihrer ursprünglichen sowie in der erweiterten Form davon aus, dass die gesetzten
Ziele und Absichten einer Person die bestimmenden Faktoren ihres Handelns sind:
„Menschen streben danach, Ziele zu erreichen, um ihre Wünsche z u befriedigen
und Ziele sind richtungsweisend für das Verhalten.“33
Durch die Formulierung und Festlegung von Zielen besteht die Möglichkeit, den
Fokus zu schärfen, Aktivitäten in bestimmte Bahnen zu lenken und Aufgaben trotz
möglicher Rückschläge entschlossen und zielgerichtet zu verfolgen. Um dies zu
gewährleisten kommt der Ausgestaltung der Ziele eine besondere Bedeutung zu,
denn nur bei Berücksichtigung bestimmter Kriterien können Ziele gemäß den Un-
tersuchungen von Locke und Latham ihre erstrebte Motivationswirkung entfalten.
Die maßgeblichen Einflussfaktoren sind demnach die Schwierigkeit des Ziels, die
Exaktheit des Ziels, die Akzeptanz des Ziels sowie die Verpflichtung zum Ziel.34
Die Festlegung der Zielhöhe hat erhebliche Auswirkungen auf die Motivations-
wirkung eines angestrebten Zieles. Untersuchungen verdeutlichten, dass heraus-
fordernde/schwierigere Ziele, die aus Sicht der Mitarbeiter als erreichbar einge-
stuft werden, höhere Motivationswirkung entfalten als leicht zu erreichende.35
Wenn die Vorgaben unter dem Anspruchs- und Leistungsniveau des Mitarbeiters
liegen, kann kein leistungssteigernder Effekt erkannt werden, vielmehr wird die
Leistung abflachen.

31
Ehrlich 2003: 105.
32
Vgl. Beckmann/Heckhausen 2010: 139 f.
33
Weinert 2004: 215.
34
Vgl. Weber/Schäffer 2016: 74.
35
Vgl. Weinert 2004: 216.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 25

Werden die Vorgaben als herausfordernd angesehen, steigt das Leistungs- und An-
spruchsniveau hingegen an.36 Bei weiterhin steigenden Vorgaben wird das An-
spruchsniveau jedoch nicht Schritt halten können und hinter dem Vorgabenniveau
zurückbleiben. Gleiches ist beim Leistungsniveau zu beobachten. Zwar werden
durch die hochgesteckten Ziele weiterhin positive Anreize für die Mitarbeiter ge-
setzt, jedoch nur solange, bis die beginnende Überforderung überbordend wird und
Entmutigung einsetzt. Die Folge ist ein starker Leistungsabfall.37
Um für die Mitarbeiter Handlungssicherheit zu schaffen, sind Ziele möglichst
exakt zu formulieren. Die erwarteten Ziele dürfen keine Zweideutigkeiten und
Handlungsspielräume zulassen, da ansonsten die Gefahr von Motivationsminde-
rung und Minder- bzw. Fehlleistungen besteht. Lassen Ziele die Möglichkeiten für
Interpretationen offen, werden diese Spielräume ausgeschöpft, gegebenenfalls
entgegen der eigentlichen Zielintention.38
Zur Umsetzung der Unternehmensziele ist Zielakzeptanz durch die Mitarbeiter
unerlässlich. Je höher die Zielakzeptanz ist, desto mehr Engagement der Mitarbei-
ter wird bei der Zielverwirklichung vorhanden sein. Die Motivationswirkung
hängt hierbei auch maßgeblich von der Art und Weise ab, wie das Ziel zustande
gekommen ist. In einem partizipativen Prozess mit den Mitarbeitern gemeinsam
festgelegte Ziele entfalten eine höhere Leistungsbereitschaft als reine Vorgaben
der Leitungsebene. Dies hat auch zur Folge, dass Ziele, deren Erreichbarkeit ins-
besondere externen Einflüssen zugeschreiben wird und die augenscheinlich selbst
nicht beeinflusst werden können, eine geringere Motivationswirkung entfalten
(externe Kontrollüberzeugung). Ziele, deren Verwirklichung hingegen der eige-
nen Kontrolle unterliegen, erzeugen eine interne Kontrollüberzeugung und fördern
die Zielakzeptanz.39
Direkt anschließend an die Zielakzeptanz ist noch die Verpflichtung zum Ziel als
erfolgskritischer Faktor zu beleuchten. Locke und Latham beschreiben, dass die
Verpflichtung der Ziele nur gegeben ist, wenn eine Verbindlichkeit der Vorgaben
wahrzunehmen ist. Ist es ohne Konsequenzen, ob die vereinbarten Ziele erreicht

36
Vgl. Brunstein/Heckhausen 2010: 177.
37
Vgl. Weber/Schäffer 2016: 75 f.
38
Vgl. Weber/Schäffer 2016: 77.
39
Vgl. Ebd.: 76.
26 Markus Lehmann und Michael Evers

werden oder nicht, besteht die Möglichkeit, dass die Mitarbeiter aus den mangeln-
den Konsequenzen eine mangelnde Wichtigkeit der Ziele folgern und die Bestre-
bungen zur Zielerreichung reduzieren.40 Ist die Verpflichtung hingegen von Seiten
der Unternehmensführung zu hoch, kann es zu dysfunktionalen Verhaltensweisen
kommen, die zur Erreichung der eigentlich angestrebten Ziele hinderlich sind. Ma-
nipulationen der Messgrößen sowie negative Gruppenphänomene wie soziales
Faulenzen oder Trittbrettfahren sind hier durchaus anzutreffen.41
Die Erfahrungen im Umgang mit der Goal-Setting-Theory zeigen, dass durch
Ziele Motivationspotentiale stimuliert und gefördert sowie Verhalten gelenkt wer-
den kann. Zudem dienen Ziele als wichtige Orientierungshilfe sowie als Kontrol-
linstrument für Mitarbeiter und Führungskräfte eines Unternehmens.

4 Zentrale Fragestellung und Hypothesen

Die theoretische Aufarbeitung einschlägiger Motivationstheorien stellt die Grund-


lage dar, die formulierte Forschungsfrage empirisch zu beleuchten:
„Inwieweit können Unterschiede und/oder Gemeinsamkeiten bei den erzielten
Motivationswirkungen und beim Nutzungsverhalten von Zielen und Kennzahlen
mit Blick auf die Perspektiven von Führungskraft und Mitarbeiter identifiziert
werden?“
Eine genauere und differenzierte Betrachtung des Themenfeldes ist durch die Bil-
dung von Unterkategorien möglich. Es gilt die organisationalen Rahmenbedingun-
gen, den Einsatz und die Wirkung von Zielen und Kennzahlen sowie das daraus
resultierende Nutzungsverhalten der Führungs- und Informationssysteme anhand
der empirischen Ergebnisse zu beleuchten und darzustellen.
Die Forschungsfrage impliziert, dass ein Unternehmen oder eine Organisation und
somit auch die Polizei Baden-Württemberg stets bestrebt sein wird, ihre Mitarbei-
ter durch extrinsische Faktoren zu motivieren.

40
Vgl. Ebd.: 77.
41
Vgl. Ebd.: 78 f.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 27

Ziele von Motivation sind nach Nerdinger einerseits die im Fokus stehende Stei-
gerung der Leistung sowie die Erhöhung der Arbeitszufriedenheit,42 wobei die Zu-
friedenheit der Mitarbeiter aus ethischen Gesichtspunkten als auch aus unterneh-
merischer Sicht anzustreben ist.43
Zur Beantwortung der Forschungsfrage sind entsprechende Hypothesen als Ver-
mutungen der zu prognostizierenden Ergebnisse der empirischen Untersuchung
erforderlich. Diese auf Grundlage von theoretischen Erkenntnissen erstellten Hy-
pothesen sollen empirisch bestätigt oder widerlegt werden.
Unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen wurden die Hypothesen I
bis III identifiziert, die Auswirkungen auf die motivationale Wirkung von Zielen
und Kennzahlen und folglich auf das Nutzungsverhalten der Führungs- und Infor-
mationssysteme haben können.
Hypothese I:
Die Ausgestaltung des Arbeitsumfeldes (räumliche Unterbringung/Ausstat-
tung/Arbeitsklima/Führungsverhalten) unter Berücksichtigung der entsprechen-
den Grundbedürfnisse wirkt motivationsauslösend. Ziele und Kennzahlen stellen
hierbei extrinsische Anreize dar, die zu Motivation führen können.
Hypothese II:
Ziele und Kennzahlen wirken unter Beachtung der Erfordernisse und theoreti-
schen Grundlagen bei der Ausgestaltung und konkreten Anwendung motivations-
steigernd und führen so zu Verhaltensänderungen.
Hypothese III:
Die festgelegten Ziele und Kennzahlen der Organisation sind den Mitarbeitern
umfassend bekannt und deren Erfüllungsstände sind ausschlaggebend für die Aus-
richtung ihres Handelns.

42
Vgl. Vera 2015: 36 f.
43
Vgl. Nerdinger 2008: 105.
28 Markus Lehmann und Michael Evers

5 Forschungsdesign und Datenerhebung

Die Bearbeitung der Forschungsfrage, insbesondere bei Berücksichtigung der zu


erforschenden Motivationswirkung sowie des Nutzungsverhaltens von Zielen und
Kennzahlen mit den Perspektiven von Mitarbeiter und Führungskraft stellt ein
komplexes Unterfangen dar. Die Auswahl des Forschungsdesigns zur Untersu-
chung der Forschungsfrage hat maßgeblichen Einfluss auf die zu erwartenden Er-
gebnisse und ist daher sorgfältig und mit Bedacht zu wählen.
Die Vielschichtigkeit der Forschungsfrage lässt es zielführend erscheinen, eine
multiperspektivische Untersuchung und somit eine Kombination von qualitativen
und quantitativen Methoden vorzunehmen.44 Diese Methodenkombination, auch
Mixed Methods genannt, hat zur Folge, „dass im Rahmen eines Forschungspro-
jektes beide Methoden und Datenarten, qualitative und quantitative, in sinnvoller
Weise miteinander verbunden werden.“45
Für die empirische Bearbeitung der Forschungsfrage fällt unter Berücksichtigung
der theoretischen Ausführungen die Wahl auf ein paralleles Design, wobei die
durchgeführten qualitativen und quantitativen Befragungen einen gleichwertigen
Stellenwert einnehmen. Es werden separate Studien unter Einhaltung der jeweili-
gen Standards durchgeführt, ohne dass es zu Querverbindungen kommt. Die er-
haltenen Ergebnisse werden erst am Ende bei der Datenanalyse in das Gesamter-
gebnis integriert. Ein Mixed-Methods-Ansatz zielt darauf ab, einen größeren Er-
kenntnisgewinn zu generieren als die reine Zusammenfassung der beiden Metho-
denstränge. Vielmehr soll durch eine Horizonterweiterung und ein neues Problem-
verständnis eine zumindest teilweise neue Sichtweise ermöglicht werden.46
Im Rahmen der quantitativen Befragung werden mittels Fragebogen die Beschäf-
tigten von drei ausgewählten Polizeirevieren des Polizeipräsidiums Tuttlingen be-
fragt. Im qualitativen Teil erfolgt eine Befragung der drei Leiter der Polizeireviere
mit Hilfe eines leitfadengestützten Experteninterviews. Ziel ist die Erhebung von

44
Vgl. Kuckartz 2014: 52.
45
Ebd.: 28.
46
Vgl. Ebd.: 72 ff.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 29

Erkenntnissen und Erfahrungen bezüglich der Motivationswirkung von Zielen und


Kennzahlen auf die Mitarbeiter.
Als theoretische Basis für die Befragung dienen die ausgearbeiteten Grundlagen
zum Umgang mit Zielen und Kennzahlen sowie ausgewählten Motivationstheo-
rien.
Bei den Beschäftigten der drei Polizeireviere kann aufgrund der Anzahl der po-
tentiellen Befragungspartnern mit Hilfe eines standardisierten Erhebungsinstru-
mentes/Fragebogens vorgegangen und so numerische Daten erhoben werden. 47
Hierdurch soll die Forschungsfrage mit Blick auf die Perspektive der Mitarbeiter
beleuchtet werden.
Die qualitative Befragung der Leiter der Polizeireviere durch leitfadengestützte
Experteninterviews erlaubt einen Einblick in die Sichtweise der jeweiligen Füh-
rungskräfte.48

6 Auswertung der empirischen Daten

6.1 Auswertung der qualitativen Befragung


Zur Bearbeitung und Auswertung des erhobenen Datenmaterials ist es erforder-
lich, die durchgeführten Experteninterviews strukturiert zu erfassen und so eine
Vergleichbarkeit herzustellen, jedoch ohne die Originalität der einzelnen Exper-
tenaussagen zu verwässern.49
Durch die Kategorisierung der Expertenaussagen und Beibehaltung des Wortlau-
tes berücksichtigt die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring diesen Anspruch.
Hierbei wird das Datenmaterial zerlegt und schrittweise bearbeitet. „Im Zentrum
steht dabei ein theoriegeleitetes am Material entwickeltes Kategoriensystem;
durch dieses Kategoriensystem werden diejenigen Aspekte festgelegt, die aus dem
Material herausgefiltert werden sollen.“50

47
Vgl. Ebd.: 28.
48
Vgl. Hopf 1995: 177.
49
Vgl. Lamnek/Krell 2016: 191.
50
Mayring 2015: 114.
30 Markus Lehmann und Michael Evers

6.2 Auswertung der quantitativen Befragung


Die Auswertung der Fragebögen erfolgt ausschließlich über die Befragungsplatt-
form 2ASK. Durch die dort systemseitig bestehenden Möglichkeiten ist eine Fil-
terung der Daten entsprechend der Parameter Alter, Dienstzeit und Funktion mög-
lich. Bei Betrachtung der einzelnen Fragen wird die Gesamtteilnehmerzahl (abso-
lut und prozentual) sowie das konkrete Antwortverhalten dargestellt. Durch den
Export der Daten in Excel kann auf Diagramme zur bildlichen Darstellung der
Ergebnisse zurückgegriffen werden. Zudem erfolgt eine Detailbetrachtung der
einzelnen Fragen unter Darstellung des Mittelwerts (arithmetisches Mittel), der
den bekanntesten und wichtigsten Lageparameter darstellt.51
Der Mittelwert ist Indikator für die Gesamtbewertung der jeweiligen Frage. Die
Berechnung erfolgt, indem die Anzahl der Antworten je Antwortmöglichkeiten
mit dem zugeordneten nummerischen Wert multipliziert werden (z. B. stimme gar
nicht zu = 1, stimme nicht zu = 2 etc.). Die Summe der errechneten Antwortmög-
lichkeiten wird durch die Gesamtzahl der Antworten dividiert.
Unter Berücksichtigung der verwendeten siebenstufigen Skala wurde folgende
Klassifizierung der arithmetischen Mittelwerte vorgenommen:

 Werte kleiner als 3,50 als überwiegend nicht zustimmend.


 Werte von 3,50–4,50 als neutral.

 Werte größer als 4,50 als überwiegend zustimmend.


Als weitere relevante Größe wird die Standardabweichung (SD) ausgewiesen. Die
Ausweisung der Streuung der Daten wird bei kleiner 0,90 als homogen, von 0,90
–1,10 als neutral und bei größer 1,10 als heterogen angesehen.

51
Vgl. Müller-Benedict 2011: 71.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 31

7 Darstellung der Ergebnisse der qualitativen Befragung

7.1 Organisationale Rahmenbedingungen


Von allen Befragten wurden die vorhandenen Rahmenbedingungen am Arbeits-
platz als ein wesentlicher Faktor beschrieben, der Einfluss auf die Motivation der
Mitarbeiter hat. Anhand der extrahierten Antworten der Experten wurde diese Ka-
tegorie noch in die Unterkategorien Allgemeine Rahmenbedingungen, Leistungs-
vergleich/extrinsische Anreize sowie Aufgabenverteilung untergliedert.
a) Allgemeine Rahmenbedingungen
„Die Führungskraft hat die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaf-
fen, sodass jeder einzelne Mitarbeiter sein Arbeitspotenzial vollum-
fänglich entfalten kann.“52
Diese Aussage, die sinngemäß von allen Experten getroffen wurde, macht deut-
lich, dass die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz eine generelle Wirkung auf
die Mitarbeiterschaft und deren Motivation haben. Sind diese Faktoren nicht im
erforderlichen Maße vorhanden, besteht die konkrete Gefahr, dass die Mitarbeiter
nicht in der Lage sind, ihr tatsächliches Arbeitspotential zu erbringen. Die Ge-
währleistung eines leistungserlaubenden und motivationsfördernden Arbeitsum-
feldes mit den entsprechenden Rahmenbedingungen ist hierbei Aufgabe der Füh-
rungskraft.
„Natürlich können organisationale Rahmenbedingungen dazu maß-
geblich beitragen, dass man diese (Arbeitspotentiale: Anm. des Ver-
fassers) entfalten kann. Solche einfachen Beispiele, wie das ausrei-
chende Vorhandensein von Arbeitsmaterialien, gehört da dazu, wie
auch ein vernünftiges Arbeitsumfeld, eine ausreichende Ausstattung
von PCs, entsprechende Räumlichkeiten, in denen man arbeitet, sind
da maßgebliche Faktoren die einfach stimmen müssen, damit die
Kollegenschaft schlussendlich motiviert ist und gerne zum Dienst
kommt und dort dann entsprechend auch ihrer Tätigkeit nach-
kommt.“

52
Anmerkung: Wie durch die Formatierung herausgestellt, handelt es sich hierbei und bei den
folgenden Zitaten um ein wörtliches Zitat aus den transkribierten Experteninterviews.
32 Markus Lehmann und Michael Evers

„Ich bin der Meinung, wenn die räumliche Unterbringung nicht


stimmt, die Ausstattung, was Führungs- und Einsatzmittel betrifft,
nicht stimmt, wir in einem Arbeitsklima arbeiten, das nicht sonder-
lich toll ist, dann hat das durchaus Auswirkungen auf die Motivation
der einzelnen Mitarbeiter.“
Die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz beinhalten nach Einschätzung der Ex-
perten eine Vielzahl von Faktoren. Die Basisvoraussetzungen sind adäquate räum-
liche Unterbringung und sachliche Ausstattung mit den benötigten Arbeits- und
Einsatzmitteln. Ohne diese Grundbedürfnisse ist ein motiviertes Arbeiten nur
schwerlich möglich, da eine stetige Ablenkung von der eigentlichen Tätigkeit hin
zu Nebensächlichkeiten erfolgt. Der Mitarbeiter ist bestrebt, die Basisvorausset-
zungen selbst zu schaffen, was zu Lasten seiner eigentlichen Arbeitsleistung geht.
Einen weiteren genannten Faktor stellt das Arbeits- bzw. Betriebsklima dar. Dies
ist auch maßgeblich durch die Führungskraft beeinflussbar, indem die Rahmenbe-
dingungen des Miteinanders vorgegeben werden. Eine offene, transparente und
konsequente Führung vermag eine erlaubende und positive Arbeitsumgebung zu
schaffen, die negative Tendenzen grundsätzlich verbannt.
„Auch das Führungsverhalten, wie gehe ich mit den Mitarbeitern
um? Wie ist das Klima an sich? Dies spielt hier eine tragende Rolle.
Erst wenn diese Grundbedürfnisse eben befriedigt sind, finde ich
mich in einem Arbeitsumfeld wieder, das es mir dann auch ermög-
licht, die jeweiligen Ziele, die vorgegeben sind, von der Organisa-
tion auch zu verwirklichen.“
Die Experten teilten übereinstimmend mit, dass zur Gestaltung der allgemeinen
Rahmenbedingungen die Führungskraft ein wesentlicher Aspekt ist. Sie muss ih-
rer Führungsrolle gerecht werden und die Missstände in einer Organisation erken-
nen und beheben. Bei der Polizei können die Organisationsleiter nur begrenzt auf
die räumliche Unterbringung und die Mittelzuweisung Einfluss nehmen, doch
kann mit den vorhandenen Ressourcen möglichst effektiv und effizient umgegan-
gen werden. Zudem kann das Führungsverhalten mit Blick auf das vorgegebene
Wertesystem, den kollegialen Umgang und die möglichen extrinsischen Anreize
die Organisation in grundlegender Weise beeinflussen. Erst wenn diese Voraus-
setzungen erfüllt sind, ist eine Verwirklichung der vorgegebenen Ziele uneinge-
schränkt möglich und wahrscheinlich.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 33

b) Leistungsvergleich/extrinsische Anreize
„Wir werden es nicht schaffen die Kollegenschaft zu einem zielge-
richteten Arbeiten zu führen, wenn wir hier nicht in der Lage sind
auch zum Teil zu unterscheiden, zu messen, aber auch mit entspre-
chenden Rückmeldungen zu arbeiten.“
Zu den organisationalen Rahmenbedingungen gehört auch die führungsseitige
Einordnung der Leistung von einzelnen Mitarbeitern im Vergleich zu anderen. Zur
möglichst objektiven Bewertung der eigenen Leistung benötigen die Mitarbeiter
entsprechende Rückmeldungen von ihren Vorgesetzten. Hierzu bedarf es formel-
ler und informeller Mechanismen in der Organisation. Nur durch diese verglei-
chende Betrachtung kann sich der Mitarbeiter seiner Stärken und Schwächen be-
wusstwerden und sich entsprechend weiterentwickeln. Dies stellt auch einen nicht
zu unterschätzenden motivationalen Anreiz dar.
„Ich glaube aber auch, dass es tatsächlich Anreiz für viele Kollegen
ist, die eigene Position in dieser engeren Bezugsgruppe z. B. in einer
Dienstgruppe zu erreichen. Die Kollegen sind sich denke ich schon
relativ genau bewusst, wo ihre Stärken und Schwächen liegen und
haben ihre soziale Position erobert, die sie eigentlich dann auch
gern beibehalten wollen.“
Durch die systematische Beurteilung und Bewertung der Leistungen der Mitarbei-
ter entsteht im Laufe der Zeit ein offizielles Hierarchiesystem, das unter anderem
für die Vergabe von Beförderungen oder sonstigen Anreizen herangezogen wird.
Gleichzeitig wird auch im Kollegenkreis die Leistung anderer wahrgenommen
und eingeordnet, so dass neben der offiziellen Rangfolge ein subjektives Ranking
entsteht. Die Mehrzahl der Mitarbeiter wird bestrebt sein, in beiden Systemen kon-
tinuierlich aufzusteigen und so Wertschätzung und Anerkennung zu erfahren. Dies
erfordert von Seiten des Mitarbeiters Leistung, die anerkannt wird (beispielsweise
die Erfüllung von Zielen und Kennzahlen).
„Da haben diese intrinsischen Anreize durchaus einen längerfristi-
gen und auch nachhaltigeren Effekt als dies extrinsische Anreize
tun. Allerdings würde ich sagen man darf nicht auf diese extrinsi-
schen Anreize verzichten, weil ohne diese Anreize, geht’s auch
nicht.“
34 Markus Lehmann und Michael Evers

Zweifellos sind intrinsisch motivierte Mitarbeiter der Idealzustand, so dass die


Mitarbeiter aus ihrer Tätigkeit selbst die erforderliche Motivation und Selbstver-
wirklichung schöpfen können. Doch dieser Zustand wird nur selten in seiner Rein-
form zu finden sein. Vielmehr kann die Organisation durch gezielte extrinsische
Anreize Motivationspotentiale erzeugen und hierdurch Mitarbeiter zu zielgerich-
tetem Verhalten bewegen. Von welcher Dauer die motivationsfördernde Wirkung
der jeweiligen Anreize ist, muss situativ und personenbezogen beurteilt werden.
Jedoch haben beispielsweise Führungskräfte die Möglichkeit, jederzeit neue An-
reize zu schaffen.
c) Aufgabenverteilung
„Man muss sich dann überlegen, dass natürlich Menschen, die be-
sondere Talente haben, dann dort auch Erfolg erleben. Das dann im
Prinzip auch selbstverstärkend wieder machen. Das ist ein gutes
Beispiel: Jemand der viele Drogenaufgriffe hat, damit also auch die
dementsprechenden Zahlen bringt, der macht das dann gerne und
immer öfter, wenn er damit erfolgreich ist.“
„Natürlich macht es aber durchaus Sinn, dass gerade im Bereich
Verkehr wo der ein oder andere einen Fable hat für Gurt oder
Handy, oder in einem anderen extremen Bereich wie für Fahrten
unter Alkoholeinfluss und Drogeneinfluss auf einzelne Mitarbeiter
zu zugehen. Dann müssen wir diese Stärken und Schwächen bei der
Arbeitsverteilung berücksichtigen.“
Ein wichtiger Aspekt der organisationalen Rahmenbedingungen einer Organisa-
tion ist die Art und Weise der Aufgabenverteilung. Wie können die anfallenden
Aufgaben einerseits im Sinne einer ausgeglichenen Belastung gerecht verteilt wer-
den und wie können in diesem Prozess die persönlichen Stärken und Fähigkeiten
der Mitarbeiter berücksichtigt werden? Die polizeiliche Arbeit gliedert sich prin-
zipiell in die Bereiche der reaktiven und der proaktiven Aufgabenerfüllung.
Der reaktive Bereich ist durch die Organisation höchstens langfristig beeinfluss-
bar, indem beispielsweise durch gezielte Schwerpunktsetzungen einzelne Delikts-
bereiche mit dem Ziel der zukünftigen Reduzierung bearbeitet werden. Aktuelle
Einsatzanlässe sind hingegen je nach Dringlichkeit sofort und durch den/die am
schnellsten verfügbaren Beamten zu bearbeiten. Eine neigungs- und fähigkeitsori-
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 35

entierte Aufgabenzuweisung ist daher nur sehr eingeschränkt möglich. Der proak-
tive Aufgabenbereich lässt hingegen deutlich mehr Spielraum bei der Aufgaben-
verteilung. Eine Vielzahl von Zielen und Kennzahlen wie beispielsweise im Be-
reich Verkehr und Prävention sind insbesondere auf proaktives Vorgehen der Po-
lizei ausgerichtet.
Hier können die vorhandenen Fähigkeiten und Neigungen der Mitarbeiter hervor-
ragend für die Zielerreichung eingesetzt werden. Die Erreichung der gesetzten
Ziele wird umso einfacher zu realisieren sein, wenn diese vornehmlich von Perso-
nen bearbeitet werden, die an der Aufgabenerfüllung Freude haben und gerne
diese Aufgaben übernehmen. Wie durch die Experten beschrieben ist eines der
gängigsten Beispiele die Bekämpfung von Drogen im Straßenverkehr. Der ge-
zielte Einsatz von Mitarbeitern, die in diesem Bereich geschult und interessiert
sind, wird sich positiv auf die Zielerreichung auswirken. Wird die gleiche Person
entgegen ihrer Fähigkeiten und Neigungen zur Durchführung von Präventionsver-
anstaltungen an Schulen verpflichtet, wird das Ergebnis mit großer Wahrschein-
lichkeit nicht die gewünschte Qualität haben.

7.2 Einsatz/Wirkung von Zielen und Kennzahlen


Der zentrale Aspekt der vorliegenden Arbeit bezieht sich auf die Einsatzmöglich-
keiten und insbesondere die Wirkung von Zielen und Kennzahlen in Bezug auf die
Mitarbeitermotivation. Dieser Kernbereich nahm in den Experteninterviews den
größten Raum ein und brachte demzufolge auch eine Vielzahl relevanter Antwor-
ten. Zur strukturierten Aufarbeitung wurden die in der Folge dargestellten Unter-
kategorien a bis e gebildet.
a) Orientierungsfunktion
„Kennzahlen sind für eine so große und letzten Endes aber dezentral
aufgestellte Organisation wie die Polizei nicht ersetzbar. Der Ein-
satz von Zielen ist sinnvoll, der wird auch mitgetragen. Ich stehe
dem ganzen positiv gegenüber mit der Maßgabe, dass der Anteil an
der gesamten Arbeitszeit und am gesamten Aufwand in einem gesun-
den Verhältnis stehen sollte.“
36 Markus Lehmann und Michael Evers

Die Orientierungsfunktion von Zielen und Kennzahlen ist für eine landesweit agie-
rende Organisation wie die Polizei ein wesentlicher Bestandteil zur Gewährleis-
tung einheitlicher Aufgabenerfüllung und Qualitätsstandards. Durch die prinzipi-
ell einheitliche Ausrichtung aller Organisationseinheiten sind ein direkter Aus-
tausch und ein gegenseitiges Lernen von anderen Einheiten möglich und sinnvoll.
Diese grundsätzlich deckungsgleiche Ausrichtung ermöglicht es den Mitarbeitern
beispielsweise beim Wechsel des Arbeitsplatzes vertraute Strukturen und be-
kannte Prozesse vorzufinden. Dieser Umstand schafft bei den Mitarbeitern Sicher-
heit und zeigt deutlich auf, dass die Polizei einen gemeinsamen Weg beschreitet
und gemeinsame Ziele verfolgt.
„Aufgabe der nachgeordneten Führungskräfte ist es aber dann die-
sen Zielerreichungsprozess schlussendlich positiv zu begleiten und
die Motivation eben in den Dienstgruppen, in der Organisationsein-
heit dann auch zu vermitteln, so dass die Orientierungsfunktion der
Ziele zum Tragen kommt.“
„Sie sind so ein wenig der Orientierungsrahmen und setzen so quasi
die Leitplanken fest und signalisieren den Mitarbeitern auch was ist
denn in der Zeit wichtig und was ist unwichtig.“
Die Orientierungsfunktion, die auf Landesebene durch gemeinsame Zielsetzungen
gewährleistet wird, findet sich auch in den kleinsten Organisationseinheiten.
Durch die transparente Darstellung der Ziele und Kennzahlen ist jedem Mitarbei-
ter die grundsätzliche Ausrichtung bekannt. Anhand dieser Vorgaben hat der Mit-
arbeiter die Möglichkeit, eine Priorisierung seiner Aufgaben vorzunehmen und so
sein Handeln zielgerichtet zu gestalten. Durch klare Ziele und Vorgaben wissen
die Mitarbeiter stets, was von ihnen erwartet wird und diese Gewissheit gibt Si-
cherheit bei der täglichen Aufgabenerfüllung. Ohne das Ziel zu kennen, kann der
richtige Weg nicht eingeschlagen werden.
b) Selbstverwirklichung/Verantwortung
„Sie (Ziele und Kennzahlen: Anm. des Verfassers) bilden vielmehr
den Rahmen und den Orientierungsrahmen für den Bereich unserer
Tätigkeit, der eben nicht fremdbestimmt, sondern selbstbestimmt
ist.“
Das Führen mit Zielen und Kennzahlen erlaubt den Mitarbeitern in weiten Teilen
ein selbstbestimmtes Arbeiten. Das Ergebnis wird durch die vereinbarten Werte
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 37

vorgegeben, doch der Weg dorthin kann von den einzelnen Mitarbeitern grund-
sätzlich frei gewählt werden. Dies erlaubt dem Einzelnen seine eigenen Ideen und
Vorstellungen einzubringen und so dem Zielerreichungsprozess seine ganz per-
sönliche Note zu verleihen. Diese Art des Handelns überträgt zudem die Verant-
wortung für das Erreichen der Ziele und Kennzahlen auf die Akteure und lässt die
Ziele und Kennzahlen nicht mehr als anonyme Größen erscheinen, sondern als
individuelle, von jedem Mitarbeiter beeinflussbare Werte.
„Im Rahmen der Auftragstaktik ist es eine sehr praktische Sache. Es
gibt auch nochmal die Möglichkeit Schwerpunkte zu setzen und ich
denke trotzdem, dass man mehrere Kennzahlen bringen muss und
daher ein zu starker Fokus auf einzelne „Steckenpferde“ bei den
Schichten vermieden werden sollte“
Wenn die organisationalen Rahmenbedingungen für die Arbeitsverteilung anhand
von Zielen und Kennzahlen geschaffen sind, kann deren Einsatz in Auftragstaktik
die beschriebenen Stärken der Mitarbeiter nutzen und hierdurch neue Motivati-
onspotentiale erzeugen. Die Übertragung von Aufgaben, welche die persönlichen
Merkmale der Mitarbeiter berücksichtigen und Freiraum zur Ausgestaltung lassen,
kann zu einem Höchstmaß an Zufriedenheit führen.
„Ich glaube schon, dass Ziele, die in Auftragstaktik vergeben wer-
den, nachhaltiger erreicht werden. Der Weg dorthin erfordert aber
eine größere Anstrengung seitens der Führungskraft, weil ich die
Rahmenbedingungen bieten muss, um im Sinne der Auftragstaktik
dann auch diese Ziele zu vergeben.“
„Ich denke es sind genügend Freiräume da. Es gibt die Möglichkeit
der Spezialisierung und ermöglicht es mir auch im Rahmen der Auf-
tragstaktik, diese Ziele herunterzubrechen und den Mitarbeiter zu
sagen, das sind die Ziele, macht was draus.“
Die dargestellten Vorzüge der Auftragstaktik in Bezug auf die auszuschöpfenden
motivationalen Potentiale stellen jedoch auch Anforderungen, insbesondere an die
Führungskräfte. Um dem Mitarbeiter die Möglichkeit zu geben, sich zu verwirk-
lichen, sind ein Vertrauensvorschuss sowie die Abgabe von Verantwortung not-
wendig. Die Führungskraft muss bereit sein, die Art und Weise der Zielerreichung
in die Hände des Mitarbeiters zu legen, in der Hoffnung/Erwartung, dass dieser
38 Markus Lehmann und Michael Evers

den Anforderungen gerecht wird. Zweifellos können verschiedene Unterstüt-


zungsprozesse initiiert werden, die beispielswiese durch Aus- und Fortbildung der
Mitarbeiter die erforderlichen Kompetenzen und Fähigkeiten vermitteln. Wird
dieser Weg jedoch erfolgreich beschritten, kann durch den Einsatz von Zielen und
Kennzahlen eine Motivationssteigerung sowie eine persönliche Weiterentwick-
lung der Mitarbeiter erreicht werden.
c) Akzeptanz/Sinnhaftigkeit
„Werden Ziele sinnstiftend und transparent gemeinsam entwickelt
und vereinbart, sind die Rahmenbedingungen durch die Führungs-
kräfte optimal ausgestaltet, dann wirken Ziele und Zielprozesse mo-
tivierend.“
„Es geht insbesondere darum Akzeptanz zu schaffen. Akzeptanz bei
den Mitarbeitern f ür die gewählten Ziele. Die größte Herausforde-
rung ist es eben diese Akzeptanz zu generieren. Hier versuche ich
auf die Wirkung, die hinter diesen Zielen steckt, hinzuweisen.“
Eine zentrale Voraussetzung für die Umsetzung von Zielen und Kennzahlen ist
nach einhelliger Auffassung der Experten die Vermittlung von Akzeptanz und
Sinnhaftigkeit. Nur wenn Ziele und Kennzahlen von den Mitarbeitern verstanden
und akzeptiert werden, k önnen diese eine motivationale Wirkung entfalten. Dies
erfordert aber insbesondere von den Führungskräften eine intensive Beschäftigung
mit der Thematik. Die Aufgabe der Führungskräfte im Zielerreichungsprozess ist
die Vermittlung der Hintergründe, die zur Zielfestlegung geführt haben, sofern
keine partizipative Zielfestlegung unter Einbeziehung der Mitarbeiter erfolgt ist,
und somit sinnstiftend tätig zu w erden. Die Gründe, weshalb genau diese Ziele
verfolgt werden und die daraus erhoffte Wirkung muss den Mitarbeitern vermittelt
werden, da nur so ein tieferes Verständnis und Akzeptanz erzeugt werden können.
Die Motivationswirkung, die von Zielen, die aus eigener Überzeugung und mit der
Erwartung, eine entsprechende Wirkung zu erzielen, ausgeht, ist um ein Vielfa-
ches höher, als wenn dies lediglich aufgrund von Vorgaben und Anweisungen er-
folgt.
„Und wenn ich den Prozess so betreibe, dass die Kollegen wissen,
worum es geht, warum wir dies machen, warum das ein Ziel ist, wa-
rum wir das wollen und da drin einen Sinn erkennen, dann ist beim
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 39

durchschnittlichen Kollegen oder Kollegin, der eine normale Ar-


beitsmotivation hat, und das unterstelle ich per se allen Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeitern, das auch ein Stückweit ein Selbstläufer
ist.“
„Deswegen ist es dann eher, wenn es bei den Zahlen problematisch
ist, etwas Grundsätzliches gewesen. Sinnhaftigkeit vermitteln,
schauen, dass es ein Selbstläufer wird und wenn das nicht so ist,
dann muss man auch mit Druck agieren. Das gehört natürlich auch
dazu.“
Wenn es gelingt, bei den Mitarbeitern eine grundsätzliche Akzeptanz für die Ziele
und Kennzahlen der Organisation zu schaffen, ist eine Verselbständigung des Zie-
lerreichungsprozesses möglich. Ist eine gewisse Anzahl von Mitarbeitern moti-
viert, das gesteckte Ziel zu erreichen, kann deren Verhalten und Zielstrebigkeit
sich auf die restliche Gruppe ausweiten. Wahrgenommene Erfolge bei der Zieler-
reichung können motivierend und anspornend auf die bisher Untätigen wirken und
so bei der Zielverfolgung zu einer Verselbständigung führen. Dieser Idealzustand
muss von der Führungskraft lediglich unter Beachtung möglicher negativer Ent-
wicklungen begleitet werden.
d) Zielhöhe/Verpflichtung zum Ziel
„Ziele sind wichtig. Ziele müssen ja auch messbar sein und trans-
parent sein und die ganzen Eigenschaften, die Ziele haben müssen,
smart oder wie es so schön heißt. Insgesamt also auch erreichbar
in der Höhe.“
„Wenn eine Kennzahl sowieso erreicht wird, egal ob ich mich jetzt
bemühe oder nicht, dann entfaltet das bei den Kollegen draußen kei-
nerlei Steuerungsmöglichkeiten.“
Die Zielhöhe stellt ein wesentliches Kriterium mit Blick auf die Motivationswir-
kung von Zielen und Kennzahlen dar. Die Ziele müssen herausfordernd und nicht
ohne ein leistbares Maß an Anstrengung erreichbar sein. Ohne eine zuvor er-
brachte Anstrengung ist das Erreichen eines Zieles ohne wirkliche Befriedigung
für die Mitarbeiter und folglich ohne motivationalen Anreiz. Die Einschätzung, ob
ein Ziel erreichbar ist oder nicht, obliegt dem Organisationsleiter, der die Ziele
und Kennzahlen an seine Mitarbeiter weitergibt. Hier gilt es einen Mittelweg zwi-
schen zu leicht zu e rreichenden und deutlich zu hoch gesteckten Zielen zu finden.
40 Markus Lehmann und Michael Evers

Eine Anpassung der Vorgaben durch die Führungskräfte ist durchaus angezeigt
und bei einer Korrektur nach ‚oben‘ unproblematisch möglich. Eine offizielle Re-
duzierung beispielsweise landesweiter Vorgaben gilt es mit Bedacht und nur in
Absprache mit den zuständigen Stellen durchzuführen. Solche Anpassungen der
Zielhöhe, die möglichst in einem partizipativen Verfahren mit der Belegschaft o-
der zumindest mit den nachgeordneten Führungskräften vorzunehmen sind, kön-
nen im Idealfall erhebliche Akzeptanz für das Vorgehen der Führungskraft erzeu-
gen.
„Das hinterlege ich bereits in diesem Zielvereinbarungsprozess,
dass wir eben auch keine Zahlen frisieren oder Zahlen schönen,
sondern dass wir in dem Zielerreichungsprozess ein Abbild unserer
Tätigkeit haben wollen und dass wir dies schlussendlich auch so ha-
ben wollen, wie es auch tatsächlich passiert.“
Wenn Ziele festgelegt werden, müssen diese führungsseitig auch hinsichtlich der
Erreichung überprüft werden. Ohne Verpflichtung zur Zielerreichung und spürba-
ren Konsequenzen bei Nichterreichung wird die Wichtigkeit des Ziels von den
Mitarbeitern in Frage gestellt. Die Mitarbeiter müssen zweifellos wissen, dass die
vorgegebenen Ziele verpflichtend umzusetzen sind, jedoch darf die wahrgenom-
mene Verpflichtung nicht übermächtig sein. Wird ein zu hoher Druck wahrgenom-
men, kann es zu dysfunktionalen Verhaltensweisen kommen, die der eigentlichen
Zielsetzung zuwiderlaufen. Manipulationen der Ergebnisse und die nach außen
hin scheinbare Erfüllung der Ziele und Kennzahlen könnten die Folge sein. Dies
führt zu einer völligen Verzerrung der Realität und konterkariert den gesamten
Zielerreichungsprozess.
„Wir müssen da auch eine fehlerverzeihende Kultur, eine gesunde
Fehlerkultur in der Organisation einfach leben und durchaus dann
mal kritisch analysieren, wenn wir mal was nicht erreichen oder
wenn mal was nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen. Eigene Feh-
ler auch eingestehen, aber immer mit dem Duktus der positiven Wei-
terentwicklung nach vorne.“
„Wenn Mitarbeiter mir eine saubere Erklärung liefern, warum die-
ses oder jenes Ziel nicht erreicht werden konnte und es ist nachvoll-
ziehbar, dann kann ich das akzeptieren. Dann ist mir dieses nicht
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 41

erreichte Ziel mit einer sauberen Erklärung lieber, als wenn ein Mit-
arbeiter mir nur die Zahlen liefert, weil er mir sie liefern muss und
die Zahlen sind geschönt.“
Um dysfunktionale Verhaltensweisen zu verhindern, obliegt es den Führungskräf-
ten, eine Atmosphäre zu schaffen, die einen konstruktiven Umgang mit Rück-
schlägen und Fehlern ermöglicht. Nach einhelliger Meinung der Experten ist ein
Nichterreichen von Zielen in begründeten Einzelfällen als unproblematisch anzu-
sehen. Jedoch besteht die begründete Erwartung, die Einflussfaktoren, welche eine
Zielerreichung unmöglich gemacht haben, klar zu benennen, um bei einer folgen-
den Analyse Lösungsansätze entwickeln zu können. Die Organisation muss in der
Lage sein, von Rückschlägen und Fehlern zu lernen und diese Erkenntnisse bei
der zukünftigen Zielsetzung zu berücksichtigen. In einer Organisation, die von
vertrauensvoller Zusammenarbeit und einer fehlerverzeihenden Kultur geprägt ist,
sind Mitarbeiter motivierter und eher bereit Verantwortung und Eigeninitiative zu
übernehmen.
e) Leistung honorieren
„Die Kopplung zwischen beruflichem Vorankommen und Beförde-
rungen ist aber noch durch andere Faktoren soweit außer Kraft ge-
setzt, dass die teilweise eine Rolle spielt, aber nicht nur. Da ist es
dann zum Teil wirklich kritisch. Wer nur immer die ganze Zeit lobt,
ich mache eine super Arbeit und woanders wird befördert, dass
rächt sich natürlich langfristig.“
„Ich würde sagen, dass der, der die Ziele erreicht, sicherlich eine
gewisse Wertschätzung erfährt, aber ob das tatsächlich immer mit
einer Beförderung zusammenhängt, da sind wir zu sehr fremdbe-
stimmt.“
Werden Ziele und Kennzahlen zur effizienten und effektiven Organisationssteue-
rung sowie zur Motivationssteigerung eingesetzt, muss die Leistung der Mitarbei-
ter entsprechend honoriert werden. Die Anerkennung von Leistung und die kon-
krete Belohnung sind jedoch differenziert zu sehen. Gründe für hervorragende Ar-
beitsergebnisse und ein hohes Maß an Zielerreichung können auf dem Wunsch
nach beruflicher Anerkennung, Beförderung oder monetären Zuwendungen beru-
hen. Diese extrinsischen Anreize sind in der Lage, motivationsfördernd zu wirken.
Aufgrund der organisationsbedingten Gegebenheiten der Polizei ist eine direkte
42 Markus Lehmann und Michael Evers

Verknüpfung zwischen hervorragender Leistung und Beförderung nicht zwangs-


läufig gegeben. Leistung kann auch durch Lob, Anerkennung oder Übertragung
von Verantwortung anerkannt werden und so zu einer hohen Arbeitszufriedenheit
bei den Mitarbeitern führen. Dennoch muss beachtet werden, dass diese Art der
Anerkennung nur solange geeignet ist, wie die finanzielle Bestätigung (Beförde-
rung) in annähernd gleicher Weise vergeben wird. Die Beförderung von Personen,
die keine Leistung erbringen, kann zur Irritation der mit Lob und Anerkennung
bedachten Mitarbeiter und zu einer Infragestellung des gezeigten leistungsstarken
Verhaltens führen.
„Wenn wir vermitteln können, dass Ergebnisse eines Arbeitsprozes-
ses, eines Zielerreichungsprozesses (…) Identität stiften, dann ist
das glaube ich für die Berufszufriedenheit mehr wert als die persön-
liche Zielerreichung, im Sinne einer Beförderung.“
Diese Irritation könnte nur dann vermieden werden, wenn Beförderungsentschei-
dungen, die teilweise nicht aufgrund der erbrachten Leistung vorgenommen wer-
den, ehrlich angesprochen und erläutert würden. Diese Entkoppelung der Beför-
derung vom Leistungsprinzip und die Schaffung von Anreizsystemen, die auf die
persönlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter zugeschnitten sind, würden neue Wege
der Personalführung und Motivationsförderung eröffnen. Dies stünde aber in di-
rektem Konflikt mit den hergebrachten Prinzipien des Berufsbeamtentums, der
Beurteilungsverordnung sowie der Rechtsprechung.

7.3 Nutzungsverhalten bzgl. der Führungs- und


Informationssysteme
a) Möglichkeiten zur Informationsgewinnung
„Wir nehmen aber den Controlling Bericht zum Anlass, in regelmä-
ßigen Besprechungen die aktuellen Stände gemeinsam zu bespre-
chen. Wichtig ist für mich, dass alle wissen, wo wir hinwollen und
auf welchem Weg wir dorthin wollen. Ebenfalls wichtig ist für mich,
dass jede Führungskraft weiß, dass es ihre Aufgabe ist, da danach
zu schauen.“
„Es ist so, dass bei jeder unserer Besprechungen die jeweiligen
Controlling Berichte thematisiert werden und auch die Bespre-
chungsprotokolle genutzt werden, um hier ggf. bei Zielabweichun-
gen nachzusteuern. Auf diese Besprechungsprotokolle, da hat jeder
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 43

Mitarbeiter Zugriff. Wie gesagt, auch über die E-Mail Funktion


werden Controlling Berichte an die DGL weitergeleitet.“
Zur Umsetzung von Zielen und Kennzahlen ist eine breite Informationsbasis er-
forderlich, welche die Mitarbeiter in die Lage versetzt, zielgerichtet agieren zu
können. Bereits bei der Festlegung und Implementierung von Zielen und Kenn-
zahlen ist eine umfassende Information aller Beteiligten ratsam, um die partizipa-
tive Komponente im Zielbildungsprozess abzubilden.
Um einen aktuellen Überblick über die relevanten Ziele und Kennzahlen der Or-
ganisation zu erhalten, muss es den Mitarbeitern möglich sein, sich selbständig
Informationen einzuholen. Hierfür können die vorhandenen Führungs- und Steu-
erungssysteme genutzt werden, die bei der Polizei in vielfältiger Art und Weise
vorhanden sind. Es ist Aufgabe der Führungskräfte, Informationen zielgerichtet
und mit dem notwendigen Kontext an die nachgeordneten Mitarbeiter schriftlich
und/oder mündlich in Form von Besprechungen und Protokollen weiterzugeben
und so die Zielerreichung zu begleiten und zu forcieren. Zudem kann der Mitar-
beiter weitergehende Informationen über Intranetportale selbstständig und zu je-
dem Zeitpunkt abrufen und sich noch intensiver mit der Thematik auseinanderset-
zen. Über die verschiedenen Kommunikationskanäle hat der Mitarbeiter folglich
die Möglichkeit, sich umfassend über die gegenwärtigen Ziele und Kennzahlen
der Organisation zu informieren und die aktuellen Zielerreichungsstände abzufra-
gen.
„Die Leute, die es interessiert, die wissen in der Regel, wo die Infos
zu finden sind. Das Know how wäre da, wenn es dann jetzt im Prin-
zip gewollt wäre.“
Die genannten Systeme und Informationsstränge geben den Mitarbeitern nach ein-
helliger Meinung der befragten Experten ausreichend Gelegenheit sich zu infor-
mieren. Die organisationalen Rahmenbedingungen liegen unstrittig vor. Ob dies
jedoch von den einzelnen Mitarbeitern im erforderlichen Umfang auch wahrge-
nommen wird, ist unklar. Dies hängt im Wesentlichen von der persönlichen Ein-
stellung zu den Zielen und Kennzahlen der Organisation ab und inwieweit diese
sinnstiftend und mit dem erforderlichen Nachdruck der Führungskräfte weiterge-
44 Markus Lehmann und Michael Evers

geben und thematisiert werden. Davon ist abhängig, inwieweit tatsächlich kon-
krete Auswirkungen der Informationsnutzung auf das Verhalten wahrnehmbar
sind.
b) Auswirkungen der Informationsnutzung

„Nur allein die Möglichkeit, ein System aufzurufen und dann zu se-
hen, dass ich im grünen Bereich bin, ich weiß nicht, ob mich das
motiviert. Da muss schon auch der Prozess dahinterstehen, der füh-
rungsseitig begleitet wird.“
„Ich denke die Controlling Systeme, die ändern da relativ wenig an
der Motivation von Zielen. Also die Motivation, diese Ziele zu errei-
chen, die muss schon von vorne herein da sein, weil man sagt, das
macht Sinn und ich sehe die Wirkung, die da dahintersteckt. Es
könnte sogar eher ins Gegenteil umschlagen, dass der ein oder an-
dere Mitarbeiter sagt, ich gucke mal in das Controlling System hin-
ein, ach ja, Ziel erreicht, ich lege jetzt mal die Füße hoch.“
Die bloße Erkenntnis, ob ein Ziel oder eine Kennzahl erreicht wurde und der Um-
stand, dass diese Ergebnisse Einfluss in die entsprechenden Controlling Berichte
finden, sind nach Ansicht der Befragten ohne große Bedeutung. Eine entspre-
chende Wirkung entfalten die Ergebnisse erst dann, wenn die Motivation zur Zie-
lerreichung bereits zuvor vorhanden war. Nur wenn die Ziele aus Mitarbeitersicht
sinnvoll, akzeptiert und von Führungsseite eine entsprechende Priorisierung er-
folgt ist, werden diese umgesetzt, was zur Folge hat, dass die konkreten Zielerrei-
chungsstände Relevanz entfalten. Bildlich gesprochen motiviert die ‚Rote Ampel‘
neben einer Kennzahl nur dann, wenn ich bestrebt bin, diese auf ‚Grün‘ zu stellen.
Dies erfordert wie im gesamten Zielerreichungsprozess die partizipative Einbin-
dung der Mitarbeiter als relevanter Faktor der Zielerreichung sowie der Organisa-
tionsleitung zur kontinuierlichen Darstellung und Erläuterung der Ziele und Kenn-
zahlen. Ohne eine kontinuierliche Begleitung des Zielerreichungsprozesses sind
die Ergebnisse bloße Zahlen, die, ohne Steuerungswirkung zu entfalten, schnell
wieder vergessen werden.
„Meine Erwartung wäre, dass sich zumindest die Ebene der DGL
öfters darum kümmert. Wenn man dann mal nachfragt, ist es dann
so, dass man darauf verwiesen wird, dass es dann ab und zu ge-
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 45

macht wird oder auch gar nicht. Ich kann da jetzt aber keinen Zu-
sammenhang zwischen dem Erreichen von den Zielwerten oder
Kennzahlen erkennen oder nicht.“
„Die Erfüllungsstände werden berücksichtigt. Das ist so. Es ist al-
lerdings auch so, dass sag ich mal, dass die Kollegen, die jetzt ihre
Zahlen sehr gut bringen, in der Regel nicht nachlassen, nur, weil
man jetzt schon eine Übererfüllung hat.“
Diese Aussagen zeigen auf, dass in Bezug auf die Nutzung der Informationssys-
teme und die daraus resultierenden Folgen keine klare Tendenz abzuleiten ist.
Teilweise erfolgt eine Beachtung der Zielerreichungsstände, jedoch meist nur auf-
grund der persönlichen Einstellung der Mitarbeiter. Insbesondere eine Umorien-
tierung nach Erfüllung eines Zieles/einer Kennzahl auf Bereiche mit Defiziten
scheint ohne Impuls der Organisationsleitung schwierig. Dies könnte mit Blick auf
die persönlichen Fähigkeiten und Interessen erklärt werden, da eine Bearbeitung
von vertrauten Sachverhalten einfacher erscheint als die Befassung mit neuen The-
men (Problematik der Spezialisierung). Eine bewusste und gewollte Ausrichtung
des Arbeitsverhaltens an den Erfüllungsständen der Ziele und Kennzahlen scheint
daher nicht gegeben bzw. nicht erkennbar.
„Der ein oder andere Mitarbeiter kann das Ziel, dass jetzt noch of-
fen ist, vielleicht gar nicht von sich aus verfolgen. Wenn ich im Be-
reich „Alkohol“ auf grün bin und im Bereich „Drogen im Straßen-
verkehr“ noch deutlichen Optimierungsbedarf habe und der Mitar-
beiter, der das erkennt, aber allein aufgrund der fachlichen Aspekte
überhaupt nicht in der Lage ist, dieses Ziel zu erfüllen, dann ist es
nur bedingt im täglichen Dienst möglich, darauf steuernd einzuwir-
ken.“
Neben der willentlichen Verhaltensausrichtung bei der Zielerreichung sind jedoch
auch noch die tatsächlichen Möglichkeiten der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Ge-
nerell muss davon ausgegangen werden, dass die bei der Polizei festgelegten Ziele
und Kennzahlen von allen Mitarbeitern der Organisation, je nach Arbeitsgebiet
mehr oder weniger, erfüllt werden können. Ein Scheitern der Zielerreichung auf-
grund von fehlenden Fähigkeiten ist prinzipiell organisationsseitig auszuschlie-
ßen.
46 Markus Lehmann und Michael Evers

7.4 Personelle Grenzen für die Nutzung von Zielen und


Kennzahlen
Die befragten Experten gaben einhellig an, dass Ziele und Kennzahlen einen be-
deutenden Stellenwert bei der Organisationsleitung einnehmen. Insbesondere die
motivationssteigernden Potentiale sowie die generelle Wirkung auf die Mitarbei-
ter sind durchaus wahrnehmbar. In Zeiten steigender Arbeitsbelastung, die geprägt
ist von nahezu ausschließlich reaktivem Tätigwerden auf vorhandene Einsatzla-
gen, wird die Verfolgung von strategischen Zielen ein Balanceakt.
Des Weiteren reglementiert die personelle Ausstattung die Möglichkeit, in ereig-
nisarmen Zeiten erkannte Problembereiche proaktiv zu bearbeiten und hierdurch
selbst gesteckte Ziele und Kennzahlen zu verfolgen. Der Personalbestand der Or-
ganisationseinheiten könnte gleichwohl unter der Kategorie organisationale Rah-
menbedingungen subsumiert werden, da dies zweifellos eine Grundvoraussetzung
für effektives und effizientes Arbeiten darstellt. Doch dieser Faktor hat solch im-
mense Auswirkungen auf die gesamte polizeiliche Arbeit, dass hierfür eine eigene,
vierte Kategorie geschaffen wurde.
„Zunächst einmal muss man konstatieren, dass wir aufgrund der ak-
tuellen Personalknappheit, unter der wir momentan leiden, mit dem
momentanen Einsatzaufkommen, das ist jetzt schon seit mehreren
Jahren der Fall, nur punktuell eigene Revierziele verfolgen, die la-
geabhängig entsprechend immer einer Dynamik unterliegen.“
Dieses Zitat macht deutlich, dass die Ressource Personal wesentlich für die stra-
tegische Ausrichtung der Polizei ist. Ist es den Einsatzkräften aufgrund der ständig
aufflammenden Einsatzlagen nicht möglich, proaktiv tätig zu werden, ist ein blo-
ßes reagieren auf externe Einflüsse möglich. Zweifellos sind auch bei der Abar-
beitung des Einsatzgeschehens diverse Ziele und Kennzahlen hinterlegt, wie bei-
spielsweise zur Kriminalitätsbelastung (u. a. Häufigkeitszahl WED, Aufklärungs-
quote), zur Einsatzlage (u. a. Einsatzreaktionszeiten, Einsatzstunden) oder zur
Verkehrslage (u. a. Unfallrate, Unfallbelastung). Doch zur positiven Beeinflus-
sung der genannten Ziele und Kennzahlen sind in aller Regel proaktive Maßnah-
men wie Präventionsveranstaltungen und Kontrollmaßnahmen erforderlich.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 47

„Bei der momentanen Situation glaube ich, dass man mit den vor-
handenen Ressourcen vorsichtig umgehen muss. Im praktischen
Dienstbetrieb ist es tatsächlich so, dass ein großer Anteil des Orga-
nisationsaufwandes dafür betrieben wird, die Dienstgruppen und
den Polizeiposten am Laufen zu halten.“
„Herausfordernd sind die Kennzahlen und Ziele insbesondere der-
zeit in der Landespolizei Baden-Württemberg, aufgrund der Perso-
nalknappheit und der Talsohle. Daraus ergeben sich natürlich
Problemstellungen, die wieder auf die Akzeptanz der gewählten
Ziele zurückspiegeln.“
Die Fokussierung auf Ziele und Kennzahlen nimmt nach Aussage der Experten
ab, wenn die Bewältigung der täglichen Aufgaben nahezu die gesamten Ressour-
cen bindet. Die vornehmliche Aufgabe der Polizei ist die Abwehr von Gefahren
sowie die Bekämpfung von Straftaten. Entsprechende Einsatzlagen sind folglich
sofort und ohne Aufschub zu bearbeiteten, so dass die Sicherheit des Bürgers ge-
währleistet wird. Werden in Zeiten der hohen Einsatzbelastung nun von Seiten der
Führung noch Ziele und Kennzahlen priorisiert bzw. eingefordert, kann dies zu
erheblichen Akzeptanzproblemen führen. Das Selbstverständnis des ‚Polizeibe-
amten der Straße‘, der seine Tätigkeit oftmals nicht nur als Beruf, sondern als Be-
rufung wahrnimmt, sieht die Lösung von akuten Problemen als oberste Priorität
und nicht die Erfüllung von teils abstrakten Zielen und Kennzahlen. Eine Ziel-
wertfestlegung, die aufgrund der Rahmenbedingungen nicht erreichbar ist und
eine gleichzeitig hohe Verpflichtung zum Ziel können zu erheblich negativen Aus-
wirkungen führen. Resignation, Demotivation, Akzeptanzverlust und gegebenen-
falls dysfunktionale Verhaltensweisen könnten die Folge sein.
„Ja, es wäre nochmal interessant, eine ähnliche Untersuchung mit
einem anderen Personalkörper durchzuführen, weil ich glaube, dass
die Werte nochmal andere sein könnten, wenn wir mehr Luft für so-
was haben.“
Diese Aussage verdeutlicht nochmals die grundsätzlich positive Einstellung ge-
genüber den Führungs- und Steuerungsinstrumenten, die Ziele und Kennzahlen
bieten. In einer Organisation, die personell ausreichend aufgestellt ist und Ziele
und Kennzahlen folglich in adäquater Weise umgesetzt werden können, stellen
diese eine wichtige Komponente der strategischen Führung dar. Ebenso wurden
48 Markus Lehmann und Michael Evers

die in Teilen motivationsfördernden Wirkungen von den Experten erkannt und be-
rücksichtigt.
Dennoch gilt es, diese Aussagen kritisch zu beleuchten, da insbesondere bei be-
grenzten Ressourcen eine zielorientierte Aufgabenerfüllung von wesentlicher Be-
deutung ist. Durch eine strategische Ausrichtung der Ziele und Kennzahlen sollen
beispielsweise zukünftige Problemstellungen vermieden werden. Dieser Grundge-
danke findet sich auch in der Prävention. Durch den proaktiven Einsatz von Res-
sourcen, beispielsweise durch sicherheitstechnische Beratung zur Prävention von
Einbrüchen, können die zukünftigen Einbruchszahlen und damit die Einsatzbelas-
tung der Polizei gesenkt werden. Ähnliche Beispiele lassen sich in allen polizeili-
chen Aufgabenbereichen finden. Jedoch entfalten diese proaktiven Bemühungen,
wenn überhaupt, meist erst auf lange Sicht die gewünschten Wirkungen. Daher ist
bei über längere Zeit andauernder akuter Überlastung durch nicht beeinflussbare
äußere Umstände (Einsatzlagen) die Aussetzung von strategischen Zielen, insbe-
sondere im Aufgabenfeld der Polizei als Ergebnis einer Güterabwägung eines
nicht mehr auszugleichenden Personalmangels, nachvollziehbar und alternativlos.

8 Darstellung der Ergebnisse der quantitativen Befragung

8.1 Soziodemographische Daten


Die Datenerhebung zur Person erfolgte mit Hilfe der Parameter Alter, Dienstzeit
und Tätigkeit, wodurch eine detaillierte und differenzierte Auswertung der Ant-
worten in den jeweiligen Kategorien des Fragebogens ermöglicht werden sollte.
Die Verteilung auf die Altersgruppen bei den gesamten Befragungsteilnehmern
weist bei den über 45-Jährigen die Höchstzahl von 34 Teilnehmern auf, wobei die
Altersgruppe der 26–35-Jährigen mit 31 Teilnehmern ebenfalls stark vertreten ist.
Lediglich die Gruppe der bis 25-Jährigen ist mit 13 Personen aufgrund der be-
kannten Altersstruktur des Polizeipräsidiums Tuttlingen erwartungsgemäß gerin-
ger ausgeprägt. Noch deutlicher wird die Häufung in den betagteren Altersgruppen
bei Betrachtung der Führungskräfte. Von insgesamt 36 befragten Führungskräften
befinden sich 7 (19,44 %) in der Altersgruppe 2, 13 (36,11 %) in 3 und 16
(44,45 %) in der Altersgruppe der über 45-Jährigen.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 49

Abbildung 2: Altersstruktur der Befragten

Zur Gewährleistung, dass das Lebensalter und die geleistete Dienstzeit einen er-
wartbaren Zusammenhang aufweisen und keine eklatanten Unterschiede aufgrund
einer theoretisch möglichen Häufung lebensälterer Berufseinsteiger beim Polizei-
präsidium Tuttlingen vorliegt, wurde zudem die Länge der Dienstzeit als Kontrol-
linstanz genutzt.
Die Ergebnisse in Abbildung 3 entsprechen im Wesentlichen der Altersverteilung,
so dass eine deutliche Korrelation zwischen Lebensalter und Länge der Dienstzeit
zu erkennen ist. Die maximale Abweichung von 3,96 % war in der Altersgruppe
der 36–45-Jährigen mit 23 Teilnehmern (22,77 %) in Relation zur Gruppe der 16-
25 Dienstjahren mit 27 Teilnehmern (26,73 %) festzustellen. Entsprechende Er-
gebnisse konnten auch bei der Detailbetrachtung der Gesamtheit der Führungs-
kräfte bzw. Sachbearbeiter festgestellt werden. Eine differenzierte Betrachtung
wäre in der Folge nicht zielführend und ohne weiteren Erkenntnisgewinn.
50 Markus Lehmann und Michael Evers

Abbildung 3: Länge der Dienstzeit der Befragten

Große Relevanz mit Blick auf die Motivationswirkung von Zielen und Kennzahlen
wird hingegen der konkreten Tätigkeit der Teilnehmer zugeschrieben. Von insge-
samt 101 Befragten konnten 65 (64,36 %) als Sachbearbeiter und 36 (35,64 %) als
Führungskraft klassifiziert werden.

8.2 Organisationale Rahmenbedingungen


Der Aussage, dass die vorherrschenden Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz gro-
ßen Einfluss auf die Arbeitsmotivation haben, wurde von den Gesamtteilnehmern
der Befragung bei einem Mittelwert von 5,55 und folglich mit überwiegender Zu-
stimmung bedacht. Die Antworten konzentrieren sich eindeutig auf den zustim-
menden Bereich, wobei 16 Teilnehmer (15,84 %) stimme eher zu, 50 (49,50 %)
stimme zu und 17 Teilnehmer (16,83 %) stimme voll und ganz zu wählten. 18
Teilnehmer entschieden sich für die neutrale oder eine der drei ablehnenden Ant-
wortvorgaben. Dies zeigt sich in einer Standardabweichung von 1,20.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 51

Abbildung. 4: Motivationale Auswirkungen der Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz

Die größte Zustimmung findet sich bei den Führungskräften über 45 Jahren, deren
Antwortverhalten einen Mittelwert von 5,94 bei einer neutralen Standardabwei-
chung von 1,00 aufweist. Insgesamt ist festzustellen, dass die Zustimmung bei den
über 45-Jährigen sowohl in der Gesamtbetrachtung als auch differenziert auf die
Tätigkeitsgruppen am höchsten ist.
Ein noch positiveres Bild zeichnet sich bzgl. der Frage zu Organisationsanreizen wie
Lob, Anerkennung, Beförderung oder Ausübung der gewünschten Tätigkeit ab. Insbeson-
dere bei der Gruppe der Sachbearbeiter sahen von 65 Befragten lediglich 4 Be-
fragte (6,16 %) keine oder eine neutrale motivationale Wirkung der genannten
Organisationsanreize. Die überwiegende Mehrheit von 61 Befragten (93,84 %)
antwortete überwiegend zustimmend (vgl. Abbildung 5). Dies wird verdeutlicht
mit einem Mittelwert von 6,34 und einer im neutralen Bereich liegenden Stan-
dardabweichung von 0,94. Nahezu deckungsgleiche Ergebnisse sind mit Blick auf
die Gesamtteilnehmer der Befragung festzustellen, auch hier ergaben die Antwor-
ten der 101 Befragten einen deutlich im zustimmenden Bereich liegenden Mittel-
wert von 6,29 bei einer Standardabweichung von 1,01.
52 Markus Lehmann und Michael Evers

Abbildung 5: Motivationale Auswirkungen der Organisationsanreize

Den Bereich organisationale Rahmenbedingungen abschließend, wurde zudem


der Einfluss des Umfeldes auf die eigene Einstellung zu Zielen und Kennzahlen
erhoben. Die Darstellung der Gesamtbefragung in Abbildung 6 zeigt einen leich-
ten Schwerpunkt der Antworten der 101 Befragten im überwiegend zustimmenden
Bereich. Insgesamt 22 Befragte (21,78 %) stimmten der Aussage eher nicht zu und
sahen den Einfluss des Umfeldes auf die eigene Einstellung zu Zielen und Kenn-
zahlen folglich als nicht relevant an. Die größte Gruppe mit 29 Teilnehmern (28,71
%) bewerteten die Aussage mit der neutralen Mittelkategorie. 50 Befragte (49,50
%) stimmten überwiegend zu, was den Mittelwert von 4,55 bei einer überaus he-
terogenen Standardabweichung von 1,57 erklärt. Die differenzierte Betrachtung
der Funktionen sowie der Altersgruppen zeigte hier keine weiteren Auffälligkei-
ten.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 53

Abbildung 6: Motivationale Auswirkungen des Umfeldes auf die eigene Einstellung

In der Gesamtschau kann festgehalten werden, dass insbesondere

 Rahmenbedingungen wie räumliche Unterbringung und Ausstattung am


Arbeitsplatz (MW: 5,55),
 Organisationsanreize wie Lob, Anerkennung und Beförderung (MW:
6,29) sowie
 Objektive Einordnung der Leistung durch Vorgesetzte (MW: 5,41)
Einfluss auf die Motivation der Mitarbeiter haben und daher mit zustimmenden
Antworten bedacht wurden.

8.3 Einsatz/Wirkung von Zielen und Kennzahlen


Eine wichtige Funktion von Zielen und Kennzahlen ist die Vermittlung von Ori-
entierung bei der Aufgabenerfüllung. Nur wenn den Mitarbeitern bekannt ist, wel-
che Ziele priorisiert zu bearbeiten sind und welche Schwerpunkte durch die Orga-
nisation gesetzt werden, können diese zielgerichtet angegangen und erfüllt wer-
den. Ob Ziele und Kennzahlen diese Funktion tatsächlich erfüllen können bleibt
jedoch mit Blick auf die Auswertung ohne klare Aussage. Von den 101 Befragten
wurde wie folgt geantwortet: stimme gar nicht zu 4 (3,96 %), stimme nicht zu 18
(17,82 %), stimme eher nicht zu 13 (12,87 %), teils teils 34 (33,66 %), stimme
eher zu 10 (9,90 %), stimme zu 20 (19,80 %) und stimme voll und ganz zu 2
54 Markus Lehmann und Michael Evers

(1,98 %). Dieses heterogene Ergebnis (SD 1,51) mit einem Mittelwert von 3,95 im
neutralen Bereich lässt keine Tendenz zu.

Abbildung 7: Orientierungsfunktion von Zielen und Kennzahlen

Der Blick auf die Altersgruppen hingegen lässt erkennen, dass bei den unter 25-
Jährigen ein Mittelwert von 4,77 und folglich im überwiegend zustimmenden Be-
reich ausgewiesen wird. Mit steigendem Alter verringert sich der Mittelwert über
4,13 bei den 26–35-Jährigen, 3,87 bei den 36–45-Jährigen bis zum Tiefststand von
3,53 bei den ältesten Befragten. Noch deutlicher ist diese Tendenz bei der Gruppe
der Sachbearbeiter zu erkennen. Die über 45-jährigen Sachbearbeiter stimmen ei-
ner Orientierungsfunktion von Zielen und Kennzahlen überwiegend nicht zu (MW
3,17).
Eine weitere These, die vertreten wurde, war, dass anspruchslose Ziele keinen
Reiz haben, anspruchsvolle hingegen motivierend auf die Mitarbeiter wirken.
Auch hier war aus den Antworten der Teilnehmer keine eindeutige Aussage abzu-
leiten. Sowohl bei Betrachtung der Gesamtteilnehmer als auch bei den Kategorien
Sachbearbeiter und Führungskräfte lagen die Mittelwerte im neutralen Bereich
(von 4,26 über 4,33 bis 4,44) bei gleichzeitig hohen Standardabweichungen von
1,46 bzw. 1,48.
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Frage, ob die Erreichung der Organisations-
ziele wichtig für die Mitarbeiter ist und deshalb konkreten Einfluss auf die Aus-
richtung der Tätigkeit hat. Bei den Gesamtteilnehmern zeigte sich eine klare Ten-
denz zur Mitte. Die Antwort teils teils wurde von 34 (33,66 %) Teilnehmern ge-
wählt. Überwiegend zustimmend antworteten 29 (28,71 %) hingegen überwiegend
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 55

nicht zustimmend 38 (37,62 %), so dass bei einem Mittelwert von 3,82 (SD 1,37)
ein neutrales Ergebnis festzuhalten ist. Ein ähnliches Antwortverhalten mit neutra-
len Gesamttendenzen und inhomogener Antwortvergabe ist in allen Unterkatego-
rien erkennbar. Einzig die Altersgruppe der über 45-jährigen Sachbearbeiter zeigt
ein differierendes Ergebnis. Mit einem Mittelwert von 2,83 (SD 1,25) wird ein-
deutig eine überwiegend nicht zustimmende Haltung ausgedrückt.

Abbildung 8: Ausrichten der Tätigkeit auf Basis von Organisationszielen (Filter Sachbearbeiter)

Ein weiterer Fragenkomplex umfasste die von Zielen und Kennzahlen ausgehen-
den Möglichkeiten zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Arbeitsgestal-
tung. Die Mitarbeiter wurden um Einschätzung gebeten, inwieweit der Weg zur
Zielerreichung Freiheiten einräumt, um eigene Ideen und Konzepte einzubringen.
In der Gesamtbetrachtung liegen die erhaltenen Werte (MW 3,95) allesamt im als
Neutral definierten Rahmen. Die errechnete Standardabweichung beträgt bei den
Gesamtteilnehmern 1,49 und kennzeichnete das Antwortverhalten wiederum als
heterogen. Bei Analyse der möglichen Unterteilungen hinsichtlich Tätigkeit und
Alter sind bei geringen Schwankungen nahezu gleiche Werte zu finden. Einzig die
Sachbearbeiter über 45 Jahren bilden abermals mit einem Mittelwert von 3,17 eine
Ausnahme und sehen bei der Zielerreichung keine Freiräume, die für mögliche
Eigeninitiative genutzt werden können und stimmen der Aussage folglich über-
wiegend nicht zu.
Die konkrete Abfrage, ob der Einsatz von Zielen und Kennzahlen selbstbestimm-
tes Arbeiten ermöglicht, ließ deutlich erkennen, dass diese motivationale Wirkung
56 Markus Lehmann und Michael Evers

von Zielen und Kennzahlen nicht wahrgenommen wird. 14 (13,86 %) wählten die
Antwort stimme gar nicht zu, 20 (19,80 %) stimme nicht zu, 22 (21,78 %) stimme
eher nicht zu, 24 (23,76 %) antworteten mit teils teils und lediglich 21 (20,79 %)
wählten eine in den verschiedenen Ausprägungen zustimmende Antwort. Dies
führt zu einem Mittelwert von 3,31, wobei wie bei den vorherigen Fragen eine
erhebliche Streubreite der Antworten festzustellen ist (SD 1,55). Am stärksten ist
diese ablehnende Haltung bei den Gruppen der Sachbearbeiter im Alter von 36–
45 Jahren und über 45 Jahren ausgeprägt.

Abbildung 9: Möglichkeit eines selbstbestimmten Arbeitens mit Hilfe von Zielen und Kennzahlen

Die partizipative Festlegung von Zielen und Kennzahlen stellt laut einschlägigen
Theorien einen wesentlichen Motivationsfaktor dar. Ist diese Beteiligung der Mit-
arbeiter nicht gegeben, ist eine Umsetzung der Organisationsziele erheblich er-
schwert. Die Auswertung macht deutlich, dass die Mitarbeiter sich bei der Festle-
gung von Zielen nicht beteiligt fühlen. Bei den Gesamtteilnehmern liegt der Mit-
telwert bei 2,69 und folglich deutlich im überwiegend nicht zustimmenden Be-
reich. Noch deutlicher zeigt sich das Antwortverhalten der Sachbearbeiter (MW
2,45 bei SD 1,39). Von 65 befragten Sachbearbeitern votierten 6 (9,23 %) für eine
zustimmende Antwort, 10 (15,38 %) für teils teils und 49 (75,39 %) stimmten der
Aussage nicht zu. Werden Ziele partizipativ festgelegt, erfolgt in diesem Prozess
ein Austausch von Ideen und Informationen, so dass die Ziele für alle Beteiligten
nachvollziehbar und akzeptiert werden. Dieser Umstand kann große Auswirkun-
gen auf die Motivationswirkung von Zielen und Kennzahlen haben.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 57

Ziele und Kennzahlen werden unter anderem deshalb festgelegt, um den Mitarbei-
tern eine klare Richtschnur für die Ausrichtung ihrer Tätigkeiten zu geben und
zudem die Messung des Organisationserfolges zu gewährleisten. Ziel der Organi-
sationsleitung ist es zweifellos, dass die gesetzten Vorgaben erfüllt werden. Doch
auch bei noch so pedantischer Planung der Arbeitsprozesse kann die Zielerrei-
chung nicht garantiert und unvorhergesehene Einflüsse nicht ausgeschlossen wer-
den. In diesem Zusammenhang ist es von großer Wichtigkeit, wie Vorgesetzte da-
rauf reagieren, wenn Ziele nicht erreicht werden. Dabei stellt sich die Frage: Kön-
nen begründete Erklärungen angebracht werden, oder wird die Verpflichtung zum
Ziel von den Mitarbeitern als so hoch empfunden, dass Ziele und Kennzahlen
wahrheitswidrig positiver dargestellt werden, als dies der Realität entspricht? Die
Gesamtteilnehmer bewerten die Akzeptanz von Vorgesetzten bei Zielverfehlung
im oberen neutralen Bereich (MW 4,46). Die befragten Führungskräfte stimmten
gar überwiegend zu (MW 4,61) und stellen in begründeten Fällen Akzeptanz bei
der Organisationsleitung fest, obwohl die Ziele nicht erreicht wurden. Abermals
kann eine große Streubreite in den Antworten der Teilnehmer festgestellt werden,
die sich in hohen Werten bei der Gesamtstandardabweichung (SD 1,41) nieder-
schlägt. Dieses offensichtlich vorhandene Verständnis bei Verfehlen der Ziele
führt dazu, dass keine Veranlassung gesehen wird, die Zielwerte wahrheitswidrig
zu beschönigen. Sowohl die Gesamtteilnehmer stimmen der Aussage überwiegend
nicht zu (MW 3,32) und deutlicher noch die befragten Führungskräfte. Der Aus-
sage, dass Ziele und Kennzahlen oftmals positiver dargestellt werden als dies der
Realität entspricht, stimmen lediglich 5 (13,88 %) eher zu bzw. zu, 11 (30,56 %)
wählten die Antwort teils teils und die restlichen 20 Führungskräfte votierten für
eine nicht zustimmende Antwortvariante.
58 Markus Lehmann und Michael Evers

Abbildung 10: „Beschönigung“ des Erfüllungsgrades von Zielen und Kennzahlen

Ein sowohl bei den Gesamtteilnehmern als auch bei den einzelnen Untergruppen
nahezu identisches Bild weisen die Antworten auf die Frage, ob der Einsatz von
Zielen und Kennzahlen bei der Organisationsführung/Steuerung motivationsför-
dernd wirkt, auf. Dieser Aussage wird insgesamt eher nicht zugestimmt, bei den
Gesamtteilnehmern liegt der Mittelwert bei 2,97 (SD 1,40). In Abbildung 11 ist
eine deutliche Bündelung der Antworten im ablehnenden Bereich zu erkennen.
Lediglich 15 (14,85 %) Teilnehmer sahen eine motivationsfördernde Wirkung und
stimmten überwiegend zu. Der negativste Mittelwert mit 2,17 (SD 0,99) war bei
den Sachbearbeitern über 45 Jahren festzustellen.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 59

Abbildung 11: Motivationsfördernde Wirkung durch Steuerung mit Zielen und Kennzahlen

Zusammenfassend können somit im Bereich Einsatz und Wirkung von Zielen und
Kennzahlen Aussagen zu folgenden Bereichen getroffen werden:
 Bei der Zielfestlegung fühlen sich die Mitarbeiter überwiegend nicht
beteiligt.

 Ziele und Kennzahlen werden überwiegend nicht positiver dargestellt


als dies der Realität entspricht.
 Der Einsatz von Zielen und Kennzahlen bei der Organisationsteuerung
wirkt überwiegend nicht motivationsfördernd.
 Durch den Einsatz von Zielen und Kennzahlen ist selbstbestimmtes
Arbeiten überwiegend nicht möglich.
60 Markus Lehmann und Michael Evers

8.4 Nutzungsverhalten bzgl. der Führungs- und Informations-


systeme
Inwieweit das Nutzungsverhalten der Führungs- und Informationssysteme und die
hieraus abgeleiteten Erkenntnisse Auswirkungen auf die Motivation der Mitarbei-
ter haben können, wurde in einem weiteren Fragenkomplex erhoben.
Damit Ziele und Kennzahlen entsprechende motivationale Wirkungen entfalten
können, müssen sie den Mitarbeitern umfassend bekannt sein. Diesbezüglich
wählte die überwiegende Mehrheit mit 76 (75,24 %) Befragten eine zustimmende
Antwortvariante aus. Dies verdeutlicht auch der Mittelwert von 5,46 (SD 1,19),
der im zustimmenden Bereich verortet ist.

Abbildung 12: Kenntnisstand bzgl. der Ziele und Kennzahlen

Noch deutlicher wird die zustimmende Tendenz bei Betrachtung der befragten
Führungskräfte. Von den 36 Teilnehmern gaben lediglich 5 (13,89 %) die Antwort
teils teils, 4 (11,11 %) stimme eher zu, 19 (52,78 %) stimme zu und 8 (22,22 %)
stimme voll und ganz zu. Der Mittelwert von 5,83 bei einer neutralen Standardab-
weichung von 0,94 verdeutlicht dies zustimmende Ergebnis. Der am wenigsten Zu-
stimmung ausdrückende Mittelwert von 4,94 bei einer heterogenen Standardabwei-
chung von 1,21 konnte bei den über 45-jährigen Sachbearbeitern festgestellt wer-
den.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 61

Neben der reinen Kenntnis der Ziele und Kennzahlen der Organisation ist die
Möglichkeit, sich eigenständig über diese zu informieren, ein wesentlicher Faktor.
Diesbezüglich wird die regelmäßige Nutzung der vorhandenen Informationsquel-
len zur Abfrage der Zielerreichungsstände von den Befragten jedoch nicht als
selbstverständlich betrachtet. Das mit einer Standardabweichung von 1,82 überaus
heterogene Befragungsergebnis der Gesamtteilnehmer ist mit einem Mittelwert
von 3,57 noch im neutralen Bereich zu finden. Lediglich die Gruppe der über 45-
jährigen Führungskräfte weist mit einem Mittelwert von 4,75 ein überwiegend zu-
stimmendes Ergebnis aus. Bei der Gruppe der Sachbearbeiter kann hingegen be-
reits ein eher nicht zustimmendes Ergebnis festgestellt werden (MW 3,37). Wie in
Abbildung 13 dargestellt, ist bei den Sachbearbeitern ein überaus inhomogenes
Antwortverhalten festzustellen, wobei eine deutliche Häufung der Antworten im
überwiegend nicht zustimmenden Bereich zu finden ist. Insgesamt 38 (58,46 %)
der befragten Sachbearbeiter sehen es als nicht selbstverständlich an, sich regel-
mäßig über den Zielerreichungszustand zu informieren. 10 (15,38 %) sind unent-
schlossen und nur 17 (26,16 %) der Befragten sehen diese Notwendigkeit.

Abbildung 13: Eigenständige Informierung bzgl. der Zielerreichungsstände (Filter Sachbearbeiter)

Ebenso wurde erhoben, ob die Informationen hinsichtlich der Zielerreichungs-


stände der vorgegebenen Ziele und Kennzahlen genutzt werden, um eine zielge-
richtete Ausrichtung der Aktivitäten vorzunehmen. Die Befragung der Gesamtteil-
nehmer zeigt wiederum ein sehr heterogenes Bild, mit einer Antwortverteilung
62 Markus Lehmann und Michael Evers

über alle sieben Stufen (SD 1,45). Von 101 Befragten stimmen 9 (8,91 %) gar
nicht zu, 20 (19,80 %) nicht zu, 13 (12,87 %) eher nicht zu und 31 (30,69 %) wähl-
ten die Antwort teils teils. Lediglich 21 (20,79 %) stimmen eher zu, 6 (5,94 %)
stimmen zu und 1 (0,99 %) Teilnehmer wählte stimme voll und ganz zu. Im Mittel-
wert ergibt sich mit 3,56 ein noch im neutralen Bereich liegendes Ergebnis.

Abbildung 14: Ausrichtung der Handlungen auf Grundlage der Zielerreichungsstände

Als abschließende Frage wurden die Teilnehmer um Einschätzung gebeten, ob ihr


Nutzungsverhalten der Führungs- und Informationssysteme von ihrer Identifika-
tion mit den dort abgebildeten Zielen abhängt. Bei der Analyse der Antworten
zeigte sich ein überaus inhomogenes Antwortverhalten, welches sich bei den Ge-
samtteilnehmern in einer Standardabweichung von 1,55 niederschlug. Bei der
Verteilung der Antworten ist ein Spitzenwert in der grafischen Mitte und ein Ab-
fallen zu den jeweiligen Skalenrändern feststellbar. Konkret stimmen 8 (7,92 %)
gar nicht zu, 15 (14,85 %) nicht zu und 20 (19,80 %) eher nicht zu. Den höchsten
Wert verzeichnet die Kategorie teils teils mit 26 (25,74 %) bevor die Anzahl über
stimme eher zu mit 15 (14,85 %), stimme zu mit 15 (14,85 %) hin zu stimme voll
und ganz zu mit 2 (1,98 %) Antworten abfallen. Aus dem Antwortverhalten lässt
sich ein Mittelwert von 3,77 errechnen, der dem neutralen Bereich zugordnet wer-
den kann.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 63

Abbildung 15: Nutzungsverhalten der Führungs- und Informationssysteme

Insgesamt betrachtet sind den Befragten demnach die Ziele und Kennzahlen
grundsätzlich bekannt und es stehen ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung,
sich über diese zu informieren; allerdings sehen es die Mitarbeiter grundsätzlich
nicht als selbstverständlich an, sich über die Zielerreichungsstände zu informieren
und ihr Handeln daran auszurichten. Auch kann kein unmittelbarer Zusammen-
hang zwischen der Nutzung der Führungs- und Informationssysteme und der Iden-
tifikation mit den dort abgebildeten Zielen und Kennzahlen erkannt werden. Diese
Aussagen verstärken sich bzw. schwächen sich ab, je nach Zusammenstellung der
Befragten hinsichtlich deren Alter und Tätigkeit.
64 Markus Lehmann und Michael Evers

9 Hypothesenbezug

9.1 Qualitative Befragung


In Bezug auf Hypothese I zeigen die Experten eindeutig auf, dass die vorhandenen
Rahmenbedingungen wie beispielsweise räumliche Unterbringung und sachliche
Ausstattung erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsleistung und Motivation der
Mitarbeiter haben. Sind die entsprechenden Grunderfordernisse vorhanden, kann
eine motivationsauslösende Wirkung erkannt werden. Der Einsatz von Zielen und
Kennzahlen als extrinsische Anreize (Lob, Anerkennung und Leistungsvergleich)
zur Motivationssteigerung wurde ebenfalls bejaht. Folglich kann unter Zugrunde-
legung der erhobenen Daten die Hypothese I als bestätigt betrachtet werden.
Die Aussagen der Experten machen deutlich, dass ihrer Wahrnehmung zur Folge
die Ausgestaltung der Ziele und Kennzahlen und deren zielgerichteter Einsatz Mo-
tivationspotenziale bei den Mitarbeitern freisetzen. Hierdurch ist es möglich, das
Verhalten der Mitarbeiter wesentlich zu beeinflussen und hin zu einer motivierten
und zielorientieren Aufgabenerfüllung zu lenken. Diese wesentliche Erkenntnis
verdeutlicht die große Bedeutung, die Ziele und Kennzahlen bei der Mitarbeiter-
führung und Organisationsleitung einnehmen können, und bestätigt die Aussage
von Hypothese II.
Bei Analyse der Aussagen zum Bereich Nutzungsverhalten der Führungs- und In-
formationssysteme kann festgestellt werden, dass die Mitarbeiter nach Ansicht al-
ler Experten umfassende Möglichkeiten haben, sich über verschiedenste Kanäle
über die Ziele und Kennzahlen der Organisation zu informieren. Das Wissen über
die aktuellen Zielerreichungsstände hat augenscheinlich jedoch keine motivatio-
nale Wirkung und dementsprechend keine Auswirkungen auf die Ausrichtung der
Handlungen der Mitarbeiter. Diese Aussagen berücksichtigend kann Hypothese
III nicht als uneingeschränkt bestätigt betrachtet werden. Zutreffender wäre die
modifizierte Hypothese III: Die festgelegten Ziele und Kennzahlen der Organisa-
tion sind den Mitarbeitern umfassend bekannt, jedoch haben die Erfüllungsstände
der Organisationsziele keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Ausrichtung
des Mitarbeiterhandelns.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 65

9.2 Quantitative Befragung


Unter Zugrundelegung der Analyseergebnisse kann festgehalten werden, dass die
Mitarbeiter den Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz eine hohe Priorität einräu-
men. Dies betrifft die räumliche Unterbringung als auch die Ausstattung am Ar-
beitsplatz. Zudem stellen Anreize wie Lob, Anerkennung, Beförderung sowie die
objektive Leistungseinordnung immens wichtige Instrumente zur Steuerung der
Mitarbeitermotivation dar, die unter die Rahmenbedingungen der Organisation zu
fassen sind. Dies berücksichtigend kann konstatiert werden, dass die positive Aus-
gestaltung des Arbeitsumfeldes unter Berücksichtigung der entsprechenden
Grundbedürfnisse als motivationsauslösend bezeichnet und Hypothese I als bestä-
tigt angesehen werden kann.
Bezüglich des Bereichs Einsatz/Wirkung von Kennzahlen war das Antwortverhal-
ten der Befragten von einer starken Heterogenität geprägt. Bei der Analyse der
einzelnen Fragen konnte festgestellt werden, dass die theoretisch vorhandenen
Vorteile von Zielen und Kennzahlen von den Mitarbeitern nicht im entsprechenden
Ausmaß erkannt werden. Lediglich die Sachbearbeiter bis 25 Jahren stimmen der
Orientierungsfunktion von Zielen und Kennzahlen überwiegend zu. Die Möglich-
keit, am Zielbildungsprozess partizipativ teilzunehmen, die Nutzung von Freihei-
ten bei der Auftragserledigung oder die priorisierte Aufgabengabenwahrnehmung
werden, um nur beispielhaft einige Bereiche zu nennen, als nicht vorhanden oder
als nicht relevant angesehen. Dies führt zu einer generell neutralen bis negativen
Wahrnehmung von Zielen und Kennzahlen, so dass eine Motivationswirkung von
den Befragten nicht genannt oder wahrgenommen wird. Demzufolge wirkt sich der
Einsatz von Zielen und Kennzahlen auch nicht positiv und steuernd auf das Ver-
halten der Mitarbeiter aus. Bei Detailbetrachtung einzelner Untergruppen (Auftei-
lung nach Funktion und Alter) konnten – wie beschrieben – teilweise unterschied-
liche Auffassungen erkannt werden. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Hypo-
these II nicht verifiziert werden konnte.
In Hypothese III wurde postuliert, dass die festgelegten Ziele und Kennzahlen der
Organisation den Mitarbeitern umfassend bekannt und deren Erfüllungsstände
ausschlaggebend sind für die Ausrichtung ihres Handelns. Die Analyse der Befra-
66 Markus Lehmann und Michael Evers

gungsergebnisse zeigt dahingehend auf, dass die Organisationsziele den Mitarbei-


tern sehr wohl gänzlich bekannt sind und zudem der weit überwiegende Teil der
Befragten in der Lage ist, diese eigenverantwortlich abzurufen und sich so selbst
in ausreichender Weise zu informieren. Dies berücksichtigend kann der erste Teil
der Hypothese III bestätigt werden. Um die gesamte Hypothese zu verifizieren,
müssten die Ziele und Kennzahlen, insbesondere die Erfüllungsstände, einen di-
rekten Einfluss auf die Handlungen der Mitarbeiter haben. Die Analyse der Ant-
worten der Befragten lässt diesen Schluss jedoch nicht zu und ein aktives Ausrich-
ten des Mitarbeiterverhaltens anhand der Zielerreichungsstände ist nicht gegeben.

9.3 Mixed Methods


Nach getrennter Analyse des quantitativen und des qualitativen Forschungsstrangs
gilt es, die erhobenen Daten zu integrieren.

Die Überprüfung von Hypothese I ergab bei beiden Methodensträngen eine Be-
stätigung. Diese Übereinstimmung belegt die Wichtigkeit der organisationalen
Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter, zudem wird dies in gleicher Weise durch
die Organisationsleiter bestätigt.
Bei Untersuchung von Hypothese II können mit Blick auf die Ergebnisse der qua-
litativen bzw. der quantitativen Datenerhebung erhebliche Unterschiede festge-
stellt werden. Die befragten Organisationsleiter gaben an, dass die Ziele und
Kennzahlen ihrer Wahrnehmung nach unter Berücksichtigung der theoretischen
Erfordernisse in der Anwendung motivationssteigernd wirken und sie die Mitar-
beiter hierdurch zu Verhaltensänderungen bewegen. Hypothese II wurde anhand
der qualitativen Daten verifiziert. Diese Einschätzung kann durch die quantitative
Datenerhebung nicht bestätigt werden. Aus Sicht der Mitarbeiter entfalten Ziele
und Kennzahlen weder durch ihre Ausgestaltung noch durch ihre konkrete Ver-
wendung eine entsprechende Motivationswirkung. Dieser fundamentale Dissens
zwischen der Einschätzung der Organisationsleiter und ihren Mitarbeitern kann
erhebliche Auswirkungen auf die tägliche Aufgabenwahrnehmung sowie die Ak-
zeptanz von Zielen und Kennzahlen haben. Diese Problemstellung gilt es weiter
zu präzisieren und durch geeignete Maßnahmen zu beheben.
Bei der Überprüfung von Hypothese III konnte wieder ein übereinstimmendes
Bild beider Methodenstränge erkannt werden. Sowohl die quantitative als auch die
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 67

qualitative Datenanalyse bestätigten, dass die festgelegten Ziele und Kennzahlen


der Organisation bekannt sind, jedoch wurde ein Beeinflussen der Handlungen der
Mitarbeiter aufgrund der Erfüllungsstände jeweils verneint.
Bei der Analyse der qualitativen Daten wurde durch die Befragten die aktuelle
Personalsituation thematisiert und als überaus problembehaftet für die Umsetzung
von Zielen und Kennzahlen dargestellt. Dieser Faktor wurde bei der Hypothesen-
erstellung sowie bei der Erstellung des Fragebogens und des Interviewleitfadens
nicht berücksichtigt bzw. als relevant eingestuft. Durch die offene Herangehens-
weise an die Experteninterviews konnte dieser Ansatz durch die Experten einge-
bracht und in der Folge aufgenommen werden. Bei der quantitativen Befragung
war dies aufgrund der vorgegebenen Antworten nicht möglich.
Durch die Verwendung eines Mixed-Methods-Ansatzes konnten in der durchge-
führten Untersuchung die Perspektiven der Mitarbeiter sowie der Organisations-
leiter erhoben und abgeglichen werden. Hierdurch war es möglich, einen größeren
Erkenntnisgewinn sowie eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen Problem-
stellungen zu gewährleisten. Der Abgleich der jeweiligen Ergebnisse der Hypo-
thesenüberprüfung ermöglichte weiterhin eine Triangulation der Ergebnisse sowie
die Identifizierung neuer Ansätze und Problembereiche.

10 Schlussbetrachtung und Ausblick

In der vorliegenden Arbeit wurden die Motivationswirkung und das Nutzungsver-


halten von Zielen und Kennzahlen aus Perspektive der Mitarbeiter und der Füh-
rungskräfte bei ausgewählten Polizeirevieren des Polizeipräsidiums Tuttlingen un-
tersucht.
Die Polizei als Organisation stellt mit all ihren Eigenheiten und den gewachsenen
Strukturen ein besonderes Arbeitsumfeld dar. Insbesondere bei Anpassungen und
Veränderungen reagiert die Organisation oftmals kritisch oder gar ablehnend. Hier
ist die Führungskraft gefragt, welche die notwendigen Veränderungsprozesse an-
stoßen und mitarbeiterorientiert begleiten muss. Nur wenn die Mitarbeiter den
Wert von Veränderungsprozessen erkennen und akzeptieren, kann eine nachhal-
tige und zielorientierte Anpassung erfolgen. Ziele und Kennzahlen können einen
68 Markus Lehmann und Michael Evers

solchen Veränderungsprozess initiieren und konkrete Auswirkungen auf das Ver-


halten und die Motivation von Mitarbeitern haben.
Bei Betrachtung der konkreten Untersuchungsergebnisse konnte festgestellt wer-
den, dass sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten bei der erzielten Moti-
vationswirkung und beim Nutzungsverhalten von Zielen und Kennzahlen, die Per-
spektiven Führungskraft und Mitarbeiter betreffend, identifiziert werden konnten.
Sowohl die quantitative Befragung der Mitarbeiter als auch die qualitative Daten-
erhebung bei den Organisationsleitern zeigte deutlich auf, dass die Rahmenbedin-
gungen der Organisation erhebliche Auswirkungen auf die Motivation der Mitar-
beiter haben können. Diese Erkenntnis nutzend obliegt es der Organisationsleitung
eine entsprechende Arbeitsumgebung zu schaffen, die den Anforderungen der
Mitarbeiter Rechnung trägt. Dies bedeutet, dass eine kontinuierliche Beleuchtung
der vorhandenen Rahmenbedingungen erforderlich ist, um Missstände frühzeitig
zu erkennen und Anpassungsbedarfe zu identifizieren. Dies ist mit Blick auf die
Schnelllebigkeit der Entwicklungen in Gesellschaft und Technik unumgänglich.
Die erkannten Bedürfnisse der Mitarbeiter sind teilweise je nach Altersgruppe und
Tätigkeit unterschiedlich stark ausgeprägt. So haben die allgemeinen Rahmenbe-
dingungen beispielsweise für ältere Mitarbeiter einen höheren Stellenwert als für
ihre jüngeren Kollegen. Die objektive Einordnung der Leistung hat bei den jünge-
ren Befragten hingegen eine höhere Gewichtung. Dieses Beispiel veranschaulicht,
dass Motivationspotenziale nicht bei allen Mitarbeitern in gleicher Weise angeregt
werden können und eine differenzierte Betrachtung erforderlich ist. Die Organisa-
tionsleitung muss in der Lage sein, zielgruppenorientiert Anreize zu bieten, wel-
che die Erfordernisse der angesprochenen Gruppe befriedigen, gleichzeitig aber
eine Ausgewogenheit beibehalten, welche grundsätzlich die gesamte Mitarbeiter-
schaft berücksichtigt.
Bei Einsatz und Wirkung von Zielen und Kennzahlen konnten uneinheitliche Er-
gebnisse festgestellt werden. Von den Organisationsleitern werden Ziele und
Kennzahlen einhellig als motivationsfördernde Aspekte eingestuft. Als relevante
Bereiche werden beispielsweise die selbstständige und eigenverantwortliche Ar-
beitsausführung, die sinnstiftende und akzeptanzfördernde Funktion sowie die Ho-
norierung von Leistung genannt. Aus Sicht der Leitungsebene können Ziele und
Kennzahlen folglich einen positiven Einfluss auf die Mitarbeiter und deren Moti-
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 69

vation haben. Hierfür gelte es jedoch, die Voraussetzungen einzuhalten, unter wel-
chen Ziele und Kennzahlen die erstrebten Wirkungen entfalten können. Nach Ein-
schätzung der Organisationsleiter können Ziele und Kennzahlen die dargestellten
positiven Wirkungen hervorrufen, da deren Einsatz zielgerichtet und unter Beach-
tung der theoretischen Voraussetzungen erfolgt. Zweifellos seien auch bei bester
Begleitung der Prozesse nicht alle Mitarbeiter von diesem Instrument zu überzeu-
gen, doch sei es möglich, den Großteil der Belegschaft durch den Einsatz von Zie-
len und Kennzahlen zu motivieren. Einen zentralen Aspekt stelle hierbei die Ver-
mittlung von Sinnhaftigkeit und von Akzeptanz der eingesetzten Ziele und Kenn-
zahlen dar. Dies werde durch eine Vielzahl von verschiedenen Instrumenten wie
regelmäßige Besprechungen, persönliche Gespräche, Instruktionen der Führungs-
kräfte und umfangreiche Begleitliteratur sichergestellt.
Diesem Ergebnis widerspricht jedoch die Analyse der quantitativen Befragung.
Obwohl im Bereich Einsatz und Wirkung von Zielen und Kennzahlen ein ausge-
sprochen heterogeneres Antwortverhalten festzustellen ist, können die Einschät-
zungen der Experten nicht bestätigt werden. Aus Sicht der Mitarbeiter, ausgenom-
men einzelne Untergruppierungen differenziert nach Alter und Tätigkeit, können
keine motivationssteigernden Aspekte durch den Einsatz von Zielen und Kenn-
zahlen erkannt werden. Dies zeigt überdeutlich auf, dass ein fundamentaler Dis-
sens zwischen den Einschätzungen der Organisationsleiter und ihrer Mitarbeiter
besteht. Die positiven Effekte, die nach Einschätzung der Leitungsebene dem Ein-
satz von Zielen und Kennzahlen zugeschrieben werden, kommen bei der Mitar-
beiterschaft faktisch nicht an. Die Gründe für diese unterschiedliche Wahrneh-
mung können anhand der durchgeführten Erhebung nicht abschließend identifi-
ziert werden. Aus Sicht der Mitarbeiter wurde jedoch deutlich formuliert, dass bei-
spielsweise eine partizipative Zielfestlegung nicht gegeben ist. Dies kann zu einer
grundlegenden Abneigung gegenüber Zielen und Kennzahlen führen, da diese
nicht als die eigenen und lediglich als aufgezwungene Größen wahrgenommen
werden, die es verpflichtend umzusetzen gilt. Wenn die grundlegende Akzeptanz
nicht vorhanden ist, werden Ziele und Kennzahlen nicht als sinnstiftend und mo-
tivationsfördernd angesehen. Dies wirkt sich unmittelbar auf den Wunsch zur Zie-
lerreichung aus und auf die Vehemenz, mit welcher die Ziele verfolgt werden.
70 Markus Lehmann und Michael Evers

Neben den dargestellten Problemstellungen kann zudem die aktuell defizitäre Per-
sonalsituation Auswirkungen auf die Akzeptanz von Zielen und Kennzahlen ha-
ben. Bei der Befragung der Experten im Rahmen der Interviews wurde dieser As-
pekt einhellig als relevante Einflussgröße dargestellt und als neue Kategorie in die
Auswertung aufgenommen. Im Gesamtkontext kann festgehalten werden, dass die
Mitarbeiter der Basisorganisationen die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung in
den Bereichen Strafverfolgung und Gefahrenabwehr priorisieren. Die Erfüllung
von Zielen und Kennzahlen wird hingegen in Zeiten knapper Ressourcen und
überbordender Aufgaben als unnötige Zusatzbelastung angesehen und vielfach ab-
gelehnt. Folglich ist das Vorhandensein eines ausreichenden Personalkörpers für
die Erreichung der festgelegten Ziele und Kennzahlen der Organisation, auch in
der Mitarbeiterschaft, ein wesentlicher Faktor. Nur wenn dieses Kriterium erfüllt
ist, scheint derzeit die notwendige Akzeptanz für die Verfolgung der augenschein-
lich weniger relevanten Ziele und Kennzahlen gegeben zu sein. Eine Veränderung
dieser Einstellung und die Generierung von flächendeckender Akzeptanz sowie
die Vermittlung von Wissen über die Möglichkeiten/Wirkungen von Zielen und
Kennzahlen sind bei den Mitarbeitern mittelfristig nur durch gezielte Aus- und
Fortbildung zu erreichen.
Im Bereich Nutzungsverhalten der Führungs- und Informationssysteme zeigten
beide Methodenstränge wieder übereinstimmende Ergebnisse. Sowohl von den
Experten als auch von den Mitarbeitern wurde deutlich gemacht, dass ausreichend
Informationen zu den Organisationszielen vorhanden bzw. zur eigenständigen
Lektüre zugänglich sind. Eine konkrete Verhaltensänderung unter Berücksichti-
gung der Zielerreichungsstände ist hingegen nicht festzustellen.
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Datenanalyse kann festgehalten wer-
den, dass sowohl Gemeinsamkeiten als auch erhebliche Unterschiede bei den er-
zielten Motivationswirkungen und beim Nutzungsverhalten von Kennzahlen und
Zielen identifiziert werden konnten. Die unterschiedliche Sichtweise von Mitar-
beitern und Organisationsleitung fällt beim Einsatz und der Wirkung der Instru-
mente besonders ins Gewicht, da dies als zentraler Bereich der Motivationsauslö-
sung angesehen wird. Ziel muss es daher sein, erkannte Problemstellungen, die
eine Motivationswirkung negativ beeinträchtigen, zu erkennen und zu beheben.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 71

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Untersuchung lassen sich Handlungs-


empfehlungen ableiten, die geeignet sind, die Motivationswirkung und das Nut-
zungsverhalten des Führungs- und Steuerungssystems zu verstärken. Folgende po-
tenzielle Handlungsfelder konnten identifiziert werden:
 Konsequente Umsetzung der theoretischen Handlungsansätze in die Pra-
xis
Die in den einschlägigen Theorien vorhandenen Ansätze zur Stei-
gerung der Motivation gilt es praxiskompatibel umzusetzen. Nur
wenn die Mitarbeiter beispielsweise tatsächlich in den Zielbildungs-
prozess miteinbezogen werden, können die erwarteten positiven Po-
tentiale aktiviert werden. Die Reibungsverluste zwischen Theorie
und Praxis sind auf ein Minimum zu beschränken. Die erwartete
Wirkung muss im Wesentlichen der tatsächlich erzielten entspre-
chen und bedarf daher einer regelmäßigen Evaluation.
 Kontinuierliche Überprüfung der organisationalen Rahmenbedingungen
mit dem Ziel der Verbesserung
Zur Gewährleistung eines motivationsfördernden Arbeitsumfeldes gilt
es, die vorhandenen Rahmenbedingungen kontinuierlich und systema-
tisch zu überprüfen und an die Erfordernisse anzupassen. Insbesondere
der technische und gesellschaftliche Fortschritt ist mit einzubeziehen
und in geeigneter Form zu berücksichtigen. Hier gilt die Maxime ‚Still-
stand ist Rückschritt‘
 Schaffung von zielgruppenorientierten Anreizen
Wie in der Analyse der quantitativen Datenerhebung deutlich zu er-
kennen ist, können Anreize je nach Altersgruppe und Tätigkeit un-
terschiedliche Wirkungen auf die Mitarbeiter haben. Dies gilt es zu
berücksichtigen und die Mitarbeiter zielgruppenorientiert zu akti-
vieren.
 Verstärkte Aus- und Fortbildung
Ein wesentlicher Faktor, welcher die Akzeptanz und das Verständ-
nis von Zielen und Kennzahlen beeinflusst, ist die Aus- und Fortbil-
dung. Ohne detailliertes Hintergrundwissen über das Zustandekom-
men und die geplante Wirkung sind Ziele und Kennzahlen reine Ab-
72 Markus Lehmann und Michael Evers

sichtserklärungen ohne Bindung. Der praktische Umgang mit die-


sen Instrumenten ist für Angehörige des mittleren Polizeivollzugs-
dienstes lange Zeit kein bzw. nur ein Randthema der Ausbildung
gewesen. Selbst bei Polizeibeamten des gehobenen Dienstes nimmt
dieser Themenkomplex nur eine untergeordnete Rolle im Bachelor-
studium ein. Dies hat zur Folge, dass das erforderliche Fachwissen
in der Mitarbeiterschaft nur marginal vorhanden ist. Diesem erkann-
ten Defizit könnte durch gezielte Aus- und Fortbildungsmaßnahmen
begegnet werden, wodurch mittelfristig eine breite Informationsba-
sis geschaffen und hierdurch Akzeptanz für den Einsatz und die
Wirkung von Zielen und Kennzahlen geschaffen werden könnte.
 Erstellung eines Gesamtkonzeptes zur Steigerung der Akzeptanz von Zie-
len und Kennzahlen
Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Punkte kann durch
die Erstellung eines Gesamtkonzeptes die Steigerung der Akzeptanz
von Zielen und Kennzahlen erreicht und ein Großteil der Mitarbei-
ter für die Umsetzung gewonnen werden. Durch den verbesserten
Zugang und das gesteigerte Wissen um die Möglichkeiten, die Ziele
und Kennzahlen mit sich bringen, können die Motivationspotenzi-
ale der Mitarbeiter zielgerichtet angesprochen und aktiviert werden.
Die Notwendigkeit, Ziele und Kennzahlen auch weiterhin möglichst effizient und
effektiv einzusetzen, zeigen die aktuellen Entwicklungen in Baden-Württemberg.
Laut aktuellem Beschluss der Polizeichefrunde wird die Balanced Scorecard in
der aktuellen Form nicht mehr weitergeführt und grundlegend überarbeitet. Den-
noch bleiben Ziele und Kennzahlen ein wesentlicher Baustein der strategischen
Steuerung der Polizei Baden-Württemberg. Zukünftig wird sich das Innenminis-
terium jedoch verstärkt auf die strategische Ebene zurückziehen und den örtlichen
Dienststellen/Präsidien mehr Freiräume bei der Zielgestaltung zugestehen. Auf-
gabe der Präsidien wird es sein, eine eigenverantwortliche Lageanalyse, Schwer-
punktsetzung und Zieldefinition vorzunehmen. Dies ermöglicht eine zielgenaue
Reaktion auf regionale Besonderheiten und erkannte Brennpunkte. Damit einher-
gehend wird die Verantwortung für die Zielauswahl und Zielumsetzung ebenfalls
delegiert.
Nutzung und Motivationswirkung von Führungs- und Steuerungssystemen in der Polizei 73

Durch das Innenministerium erfolgt zukünftig lediglich eine jährliche Prüfung der
Festlegungen bzw. der Zielerreichung. Diese Entwicklung ermöglicht es den Prä-
sidien ihre Mitarbeiter weit intensiver als zuvor in den Zielbildungsprozess einzu-
beziehen und zu beteiligen. Diese Chance gilt es vor allem in Bezug auf die Akti-
vierung vorhandener Motivationspotenziale zu nutzen.

Literatur- und Quellenverzeichnis

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Die Autoren
Markus Lehmann, M. A.
Polizei Baden-Württemberg

Michael Evers, M. A.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Fachgebiet „Betriebswirtschaftslehre – Public Management Polizei“
Deutsche Hochschule der Polizei
Münster
75

(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation: Eine empirische


Analyse am Beispiel der kriminalpolizeilichen Analyse und
Auswertung im Deliktsfeld Cybercrime

Florian Buchheit

Inhaltsübersicht
1 Thematische Einführung
2 Organisationstheoretische Grundlagen
2.1 Organisation und Organisieren
2.2 Effektivität, Effizienz und Flexibilität
2.3 Aufbau-, Ablauf- und Prozessorganisation
2.4 Spezialisierung, Delegation, Koordination und Konfiguration
2.5 Organisationsstrukturenvergleich
3 Kriminalpolizeiliche Grundlagen
3.1 Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung
3.2 Cybercrime
4 Zielsetzung und Abgrenzung
5 Methodik
5.1 Untersuchungsform
5.2 Auswahl der Vergleichsorganisationen
6 Organisationsstrukturenvergleich
6.1 Begriffsverständnisse sowie Aufbau- und Ablauforganisation
6.2 Zwischenfazit
6.3 Auswirkungen (de-)zentraler Organisationsstrukturen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
R. Ritsert und A. Vera (Hrsg.), Management und Organisation in der Polizei,
Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29053-5_3
76 Florian Buchheit

7 Cybercrime im weiteren Sinne – Übertragbarkeit der Ergebnisse


7.1 Prozessanalyse
7.2 Übertragbarkeit der Ergebnisse
8 Fazit und Ausblick
Literatur- und Quellenverzeichnis
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 77

1 Thematische Einführung

„Wissen und Macht des Menschen fallen zusammen, weil Unkenntnis der Ursache
über deren Wirkung täuscht.”53 Die Macht des Wissens erkannte Francis Bacon
bereits im Jahr 1620. Diese historischen Überlegungen sind vor dem Hintergrund
einer fortschreitenden Wissensgesellschaft54 aktueller denn je. Bacon‘ s Erkennt-
nisse dienen zugleich als Metapher zur Beschreibung eines Jahrhunderts, in dem
das Wissen tradierte Ansichten der Managementlehre zur Bedeutung von Produk-
tionsmittel, Kapital und Rohstoffen überholen und so über Wohl und Wehe von
Staaten, Gesellschaften, Unternehmen und Individuen mitentscheiden sollte. 55
Dieser Prozess verknüpft sich heute mit weiteren gesellschaftlichen Megatrends
wie der Globalisierung und grenzenloser Mobilität56. Doch keines dieser Phäno-
mene verändert das Leben der Menschheit annähernd so wie die Digitalisierung.
Digital Natives, Internet of Things oder auch Internet of Everything sind Schlag-
worte, die dieses Phänomen trefflich beschreiben. So sind „[…] in der heutigen
dualen Welt […] die Ausschlag gebende reale Welt und die von ihr abhängige
digitale Welt durch Kommunikationsbeziehungen, Webdienste, E-Commerce und
Onlinebanking vielfach und eng miteinander verbunden.“57 Diese allgegenwärtige
Nutzung informationsverarbeitender Systeme und deren Verknüpfungen wirken
sich zweifellos auf viele Bereiche wie Bildung und Gesundheit positiv aus. Kehr-
seite dieser Entwicklung ist allerdings die Entstehung neuer Kriminalitätsformen
und die Übertragung tradierter Phänomene in den virtuellen Raum. Dabei reicht
die Nutzung informationstechnischer Systeme und des Internets als Tatmittel von
einfach gelagerten Betrügereien, über Erpressungen und staatsgefährdenden Straf-
taten bis hin zu DDoS-Angriffen oder dem Einsatz von Ransomware.58 Hierdurch
wird eine deliktische Unterscheidung zwischen Terrorismus, organisierter Krimi-
nalität und Cybercrime immer mehr zur Farce.

53
Bacon (2016).
54
Vgl. Poltermann (2013).
55
Vgl. Jänig (2004), S. 129 ff.
56
Vgl. Piepenbrink (2015).
57
Kochheim (2015), S. 2.
58
Vgl. BSI (2017), S. 15 ff.
78 Florian Buchheit

Eine zunehmend wichtige Rolle spielen die hierbei erzeugten digitalen Spuren. Sie
ergänzen klassische Spuren wie Fingerabdrücke und DNA-Spuren nicht nur, son-
dern generieren völlig neue Ermittlungsansätze. 59 Das Stichwort Big Data vereint
trefflich die Schwierigkeiten der Speicherung und Analyse großer Datenmengen,
die Geschwindigkeit der Datenerzeugung sowie die regelmäßig nicht vergleich-
und kombinierbaren Datenformate. 60 Die Sicherung, Aufbereitung und Auswer-
tung derartiger Daten ist aufgrund dynamischer Innovationszyklen – neben diver-
genten Nutzungsmöglichkeiten des Internets und IT-basierter Kommunikations-
netze durch Kriminelle – eine komplexe Herausforderung für die deutsche Poli-
zei.61
Die Tätigkeit der Auswertung gilt vor diesem Hintergrund unbestritten als ein
Kernprozess zur Erreichung polizeilicher Ziele, der sich ob der Komplexität zu
einer eigenen Profession fortentwickelt. Dieser in quantitativer und qualitativer
Hinsicht definierbare Auswerteprozess umfasst neben der Erhebung und Speiche-
rung der Daten auch den Bereich der Datenanalyse. Das Digitalzeitalter erfordert
zwischenzeitlich dynamische Anpassungen dieses Prozesses und eine stärkere Fo-
kussierung auf bestimmte Teilprozesse.
Bundesweit stehen somit kriminalpolizeiliche Analyse- und Auswerteprozesse auf
dem Prüfstand. Eine Neuausrichtung in diesem Bereich führt zu einem teils neuen
kriminalpolizeilichen Betätigungsfeld mit prognostisch hohen Sach- und Perso-
nalbedarfen. Angesichts dynamischer Umweltbedingungen, einem allgegenwärti-
gen Fachkräftemangel und begrenzten Ressourcen ergeben sich neben kriminal-
polizeilichen Kernzielen zwingend weitere Formalziele, wie ein effizienter Res-
sourceneinsatz.62
Die Erreichung dieser Ziele ist zuvorderst eine Frage des Organisierens und der
Organisation. Vor dem Hintergrund des in der Organisationstheorie gängigen in-
stitutionellen Organisationsbegriffs richtet sich der Fokus etwaiger Anpassungen
hierbei also auf die Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung als Teil des
Gesamtsystems Polizei.63 Hier geht es um die Frage, wie diese Aufgabe bewältigt

59
Vgl. Kunze (2018), S. 163 f.
60
Vgl. Trost (2015), S. 7 ff.
61
Vgl. Wernert (2017), S. 18.
62
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 14.
63
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 5.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 79

und organisational verknüpft werden kann. In diesem Zusammenhang erkennen


Schreyögg und Geiger fünf Basis-Probleme, die sie auch als „Die fünf generischen
Probleme der Organisationsgestaltung“64 bezeichnen. Hierunter lassen sich die
„[…] Strukturierung von Aufgaben […] Integration von Individuum und Organi-
sation […] Organisation und Umwelt […] Emergente Prozesse in Organisationen
[…] organisatorischer Wandel und Transformation“65 subsumieren.
Diese empirische Studie fokussiert zuvorderst die Strukturierung von Aufgaben.
Eine vergleichende Untersuchung organisatorischer Strukturgestaltung kriminal-
polizeilicher Analyse und Auswertung in zwei Bundesländern soll Lösungsper-
spektiven aufzeigen, inwiefern eine optimale organisatorische Differenzierung
und Integration dieser Tätigkeiten gelingen kann. Letztlich erfolgt eine Überprü-
fung der Übertragbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse auf den interdisziplinären
Deliktsbereich der Cybercrime.

2 Organisationstheoretische Grundlagen

2.1 Organisation und Organisieren


Das instrumentelle Organisationsverständnis der betriebswirtschaftlich geprägten
Organisationslehre herrschte jahrzehntelang vor, wonach das organisatorische Re-
geln im Vordergrund stand. Das Resultat dieses Organisierens entwickelte sich
sodann in die Organisation.66 Die prominentesten Sichtweisen innerhalb dieser
Strömung liefern im deutschsprachigen Raum die Wirtschaftswissenschaftler
Erich Gutenberg und Erich Kosiol. Nach Gutenbergs funktionalem Organisations-
verständnis „[…] wird Organisation als eine Funktion der Unternehmensführung
gesehen, also als eine Aufgabe, die wahrgenommen wird, um die Zweckerfüllung
der Unternehmung sicherzustellen.“67 Erich Kosiol, als ein Vertreter des konfigu-
rativen Organisationsbegriffes, versteht unter Organisation demgegenüber die
„[…] dauerhaft gedachte Strukturierung von Arbeitsprozessen, ein festes Gefüge

64
Schreyögg/Geiger (2016), S. 19.
65
Schreyögg/Geiger (2016), S. 18.
66
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 5.
67
Schreyögg/Geiger (2016), S. 5.
80 Florian Buchheit

(Konfiguration), das allen anderen Maßnahmen und Dispositionen vorgelagert


ist.“68 Kosiol‘s Ansatz definiert Organisation insofern als ein durch Stabilität ge-
prägtes und auf Dauer angelegtes Gebilde, welches den Rahmen dispositiver Ma-
nagemententscheidungen vorgibt und demnach auch nur generelle Regelungen be-
inhaltet.69 Die Organisationsgestaltung ist vor diesem Hintergrund eine Überle-
gung, die von dem jeweiligen Geschäftsfeld des Unternehmens ausgeht. Erst nach
der Aufspaltung und optimierten Verknüpfung der damit notwendigen Aufgaben
erfolgt die Installation dieses Ordnungsrahmens als generelle Regelung in Form
der Aufbauorganisation.70
Fraglich ist, ob diese instrumentelle Sichtweise heutigen Anforde-
rungen und Realitäten privater und öffentlicher Organisationen ge-
recht wird?
Die bürokratische Organisation nach Max Weber und die damit einhergehende
Herrschaftstheorie dienen bis in die heutige Zeit als Referenzpunkte und Grund-
lage der modernen Organisationstheorie. Gleichwohl unterliegt dieser Bürokratie-
ansatz mannigfaltiger und berechtigter Kritik.71 Diese bezieht sich im Wesentli-
chen „[…] auf Dysfunktionalitäten starrer Regeltreue, die verengte Perspektive
organisationaler Beziehungen und die unterlegte stabile Welt gleichförmiger Auf-
gaben.“72 Unter Berücksichtigung heutiger Herausforderungen versteht die mo-
derne Organisationstheorie deshalb Organisationen als Systeme mit spezifischer
Zweckorientierung, geregelter Arbeitsteilung und beständigen Grenzen.73 Die Or-
ganisation und ihre Mitglieder verfolgen vor diesem Hintergrund jeweils spezifi-
sche Ziele. Hierauf aufbauend ermöglicht eine geregelte Arbeitsteilung die Errei-
chung unternehmerischer Ziele. Dieses Muster ermöglicht in Form entsprechender
Regelungen ein bedingt vorhersehbares Zusammenwirken der Organisationsmit-
glieder. Demnach bilden formale Regelungen die Organisationsstruktur. Die sich
hieraus ergebenden Vorteile werden „[…] gemeinhin als Grund für die Entste-
hung von Organisationen angesehen.“74 Letztlich muss sich eine Organisation

68
Schreyögg/Geiger (2016), S. 8.
69
Vgl. Kosiol (1976), S. 28.
70
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 8 f.
71
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 441 ff.
72
Schreyögg/Geiger (2016), S. 442.
73
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 9.
74
Schreyögg/Geiger (2016), S. 10.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 81

dadurch auszeichnen, dass sie sich von der Umwelt abgrenzen kann.75 Dieses in-
stitutionelle Organisationsverständnis ermöglicht Perspektiverweiterungen auf
Bereiche, die im Bürokratiemodell unzureichende bzw. keine Berücksichtigung
finden, bspw. informale Aspekte und Dysfunktionen. Hieraus ergeben sich auch
Auswirkungen auf das Organisieren. Demnach versteht man heute unter Organi-
sieren „[…] eine Herstellungspraxis.“76

2.2 Effektivität, Effizienz und Flexibilität


Die Kernüberlegung der organisatorischen Strukturgestaltung ist die Frage, wie
„[…] die Sicherstellung der effektiven Erfüllung des Leistungsziels der Unterneh-
mung“77 gelingen kann. In diesem Zusammenhang können Leistungsziele von Or-
ganisationen vielschichtig und höchst unterschiedlich sein. Klassische, gewinnori-
entierte Organisationen verwirklichen mit dem Leistungsziel das eigentliche Er-
folgsziel einer Gewinnmaximierung. Insoweit dient die Organisation zuvorderst
den Interessen sogenannter Stakeholder, die Ansprüche gegen das Unternehmen
erklären können (Stakeholder-Ansatz). Ein weiterer Ansatz ist der Shareholder-
Value-Ansatz, wonach die Anteilseigner in den Vordergrund des Unternehmens-
ziels gerückt werden. In öffentlichen oder nicht gewinnorientierten Organisatio-
nen dient bereits das Leistungsziel in Form der Bereitstellung eines Leistungspro-
gramms oder einer staatlichen Grundversorgung als Betätigungsgrundlage. 78 Zu-
nehmend spielen aber auch bei öffentlichen Organisationen die betriebswirtschaft-
lichen Stakeholder und Shareholder-Value Überlegungen eine wichtige Rolle.
Im Ergebnis verfolgen Organisationen verschiedene Leistungsziele, die im Grund-
satz den Kriterien der Effektivität, der Effizienz und der Flexibilität folgen. 79 In
Abhängigkeit des jeweiligen Ownership-Status der verschiedenen Organisationen
können so bei gewinnorientierten Organisationen Effizienzkriterien eine größere

75
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 10 ff.
76
Schreyögg/Geiger (2016), S. 11.
77
Bea/Göbel (2010), S. 246.
78
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 10 f. und S. 246 f.
79
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 26 ff.
82 Florian Buchheit

Rolle spielen, wohingegen bei Nonprofit-Organisationen die effektive Aufgaben-


erfüllung im Vordergrund steht.80 Öffentliche Organisationen bewegen sich regel-
mäßig zwischen diesen beiden Polen, wobei der Effizienz zuweilen eine überge-
ordnete Rolle zukommt.81 Fraglich ist in diesem Zusammenhang, wo die jeweili-
gen Unterschiede zwischen Effektivität und Effizienz liegen.
Die deutschsprachige Organisations- und Betriebswirtschaftslehre versteht unter
Effektivität „[…] das Ausmaß der Zielerreichung, unter Effizienz ihre Wirtschaft-
lichkeit.“82 Demnach ist effizientes Verhalten regelmäßig geeignet die Effektivität
der Zielerreichung von Organisationen zu erhöhen.83 Wenngleich die Literatur
eine Vielzahl möglicher Effektivitätskriterien bereithält, lässt sich im Grundsatz
zwischen unternehmens- und umweltbezogenen Kriterien unterscheiden.
Die unternehmensbezogenen Kriterien „[…] beziehen sich auf den internen Wert-
schöpfungsprozess, der dadurch gekennzeichnet ist, dass Personen (Mitarbeiter)
Aufgaben erledigen. Daraus leiten sich die Mitarbeiterorientierung und die Auf-
gabenorientierung der Effektivität ab.“84 Innerhalb dieser Aufgabenorientierung
sind die effiziente Ressourcennutzung, die Nutzung von Synergieeffekten, die
Verminderung des Koordinationsbedarfs, die Verbesserung der Entscheidungs-
qualität und die Optimierung des Informationsmanagements geeignet, die Effek-
tivität von Organisationen zu verbessern.85
Unter die mitarbeiterorientierten Parameter lassen sich die Motivationssteigerung,
ein minimiertes Konfliktpotenzial und eine erhöhte Innovations- und Lernfähig-
keit subsumieren, um die organisationale Effektivität zu erhöhen. 86
Die umweltbezogenen Kriterien „[…] beziehen sich auf den Interaktionsprozess
zwischen Unternehmung und Umwelt. Umweltsegmente sind die Marktteilnehmer
und die Stakeholder, also jene Personen und Gruppen von Personen, die ein be-

80
Vgl. McFarlan (1999), S. 64 ff.
81
Vgl. Rid (2016), S. 4.
82
Scholz (2000), S. 69.
83
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 10 ff.
84
Bea/Göbel (2010), S. 12.
85
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 12 f.
86
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 13.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 83

rechtigtes Interesse an der Entwicklung des Unternehmens geltend machen kön-


nen.“87 Unter die Marktorientierung lässt sich zuvorderst die Verbesserung der
Organisationsausrichtung auf Kunden und Märkte subsumieren. Diese ist dann ge-
geben, wenn Organisationen von einer Binnenorientierung abweichen und sich
stattdessen den Anforderungen dynamischer Markt- und Kundenanforderungen
stellen. Hiermit in engem Zusammenhang steht die Optimierung der Flexibilität
der Organisation. Letztlich kann die Nutzung von Reserven bzw. Redundanzen
oder aber auch die Delegation von Entscheidungen auf die kunden- und marktnah
installierten Organisationsteile diesem Kriterium gerecht werden. 88
Abschließend gewährleisten stakeholderorientierte Kriterien wie Partizipations-
möglichkeiten der Stakeholder an Organisationsentscheidungen und die Qualität
der Stakeholderinformation eine Effektivitätssteigerung. So beeinflussen Ent-
scheidungen in Organisationen regelmäßig die Interessen verschiedener Stakehol-
der. In diesem Zusammenhang rücken interne Stakeholder, wie z. B. Vorgesetzte
und Mitarbeiter oder auch externe Stakeholder, wie z. B. Auftraggeber und Öf-
fentlichkeit, in den Fokus der Betrachtung. Die Harmonisierung etwaig widerstrei-
tender Positionen, im Sinne der Beteiligung dieser Gruppen, erhöht in der Regel
die Effektivität. Auch die Qualität der Stakeholderinformationen spielt hier eine
entscheidende Rolle. Eine Beteiligung und Partizipation der verschiedenen An-
spruchsgruppen ist nur durch Transparenz und eine umfassende Informationsver-
pflichtung möglich.89
Trotz dieser umfassenden Kriterien sehen Bea und Göbel die Umsetzung bzw.
Überprüfung der aufgeführten Effektivitätskriterien in Organisationen als prob-
lembehaftet an, da einzelne Kriterien offensichtlich gegenläufige Ziele verwirkli-
chen können.90
Die Übertragung der bislang veranschaulichten Überlegungen zur Effektivität, Ef-
fizienz und Flexibilität auf öffentliche Organisationen erscheint vor dem Hinter-
grund der nunmehr über 15-jährigen Erfahrungen des New Public Managements
(NPM) und des Neuen Steuerungsmodells (NSM) durchaus zielführend. Zunächst

87
Bea/Göbel (2010), S. 13.
88
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 14.
89
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 14.
90
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 15 f.
84 Florian Buchheit

werden zwar wesentliche Kritikpunkte an NPM und NSM offenbar, die sich auf
eine zu starke Binnenorientierung der Verwaltung und eine zu geringe Beteiligung
von Bürgern und Politik richten. Allerdings hat gerade diese Kritik dazu geführt,
dass sich ein neuer Entwicklungsansatz dieser Thematik annimmt: Good Gover-
nance.91 Grundsätzlich lassen sich hierunter Merkmale wie Beteiligung, Rechts-
staatlichkeit, Transparenz, ein adäquates Verantwortungsbewusstsein gegenüber
der Gesellschaft, Konsensdenken sowie Effektivität und Effizienz fassen.92

2.3 Aufbau-, Ablauf- und Prozessorganisation


Die Ziele von Organisationen sind in aller Regel zu komplex, um von einer Person
alleine realisiert zu werden. Vielmehr besteht die Gesamtaufgabe aus verschiede-
nen Einzelaufgaben, die durch das Zusammenwirken der Organisationsmitglieder
bewältigt werden müssen. Diese Aufgabenbewältigung muss organisiert werden.
Wie die Ziele der Organisation als Ergebnis einer optimalen Gestaltung erreichbar
werden, ist somit eine Grundsatzfrage, die sich primär mit Erkenntnissen zur „[…]
effektivsten Teilung und Spezialisierung der Aufgaben (Differenzierung)“ 93 und
sekundär mit der geordneten „[…] Zusammenführung weit verstreut liegender
spezialisierter Aktivitäten und komplexer Teilleistungsprozesse (Integration)
[…]“94 beantworten lässt. Insoweit fokussiert sich der Organisationsgestalter auf
die Aufbau- und Ablauforganisation. Demnach spiegelt die „[…] Aufbauorgani-
sation die Verteilung von Aufgaben und Kompetenzen […] (statischer Aspekt)“ 95
wider, während sich die Ablauforganisation mit der „[…] Wahrnehmung von Auf-
gaben und Kompetenzen in Raum und Zeit (dynamischer Aspekt)“96 befasst.
Bis in die 1990er Jahre beschäftigte sich die Organisationsgestaltung maßgeblich
mit der effektiven Aufgabenteilung innerhalb der Aufbauorganisation. Ein pro-
minenter Vertreter dieser Systematik war Erich Kosiol, dessen Gestaltungskon-
zept zunächst die Aufgabenanalyse vorsieht, um die zu verteilenden Aufgaben

91
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 15 ff.
92
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 17.
93
Schreyögg/Geiger (2016), S. 25.
94
Schreyögg/Geiger (2016), S. 25.
95
Bea/Göbel (2010), S. 247.
96
Bea/Göbel (2010), S. 247.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 85

nach den Kriterien Verrichtung, Objekt, Phase, Rang und Zweckbeziehung zu ana-
lysieren.97 Das Ziel dieser Aufgabenanalyse ist demnach die detaillierte Beschrei-
bung aller Teilaufgaben, die erforderlich sind, um das Organisationsziel zu errei-
chen.98 Nach Kosiol ist das Ende des Analyseprozesses erreicht, wenn die Teilauf-
gabe nicht mehr sinnvoll auf verschiedene Personen aufgeteilt werden kann. „Eine
noch tiefergehende Zerlegung der Elementaraufgaben […], bis hin zu einzelnen
Handgriffen, erfolgt erst im Rahmen der Arbeitsanalyse, welche die Grundlage
der Arbeitsorganisation verstandenen Ablauforganisation bildet.“99 Die im Rah-
men der Aufgabenanalyse identifizierten Basisaufgaben müssen in der Ko-
siol‘schen Systematik innerhalb der Aufgabensynthese so zusammengeführt wer-
den, dass eine optimale Verteilung auf die fiktiven Aufgabenträger erreicht wer-
den kann.100 Während Kosiol keine stringente Trennung der Gliederungsmöglich-
keiten identifizierter Aufgaben fordert, setzen Bea und Göbel eine solche voraus:
„Bei der Synthese ist man gemeinhin bestrebt, ähnliche Teilaufgaben zusammen-
zufassen, um Spezialisierungsvorteile zu verwirklichen.“ 101
In Abhängigkeit der Arbeitsteilung gilt es, eine optimale Struktur zu formen. Die
erste zu bildende Verteilungseinheit heißt Stelle. „Eine Stelle ist die kleinste
selbstständig handelnde Organisationseinheit.“102 Die Stellenbildung erfolgt in
der Regel fiktiv und damit unabhängig von einem etwaigen Stelleninhaber.103 Eine
so geschaffene Stelle kann in Abhängigkeit ihrer Personenanzahl als (Einzel-
)Stelle oder Stellenmehrheit bezeichnet werden.104
Nach der klassischen Sichtweise der Organisationslehre schließt sich die Ablauf-
organisation als Arbeitsorganisation der Aufbauorganisation an, sodass die
nächste gestalterische Überlegung dem Vollzug der zuvor verteilten Aufgaben

97
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 29 ff.; Fiedler (2010), S. 11 ff.; Bea/Göbel (2010), S. 251
ff.; Kosiol (1976), S. 41 ff.
98
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 251 ff.
99
Bea/Göbel (2010), S. 253.
100
Vgl. Kosiol (1962), S. 81.
101
Bea/Göbel (2010), S. 254.
102
Bea/Göbel (2010), S. 264.
103
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 256 f.
104
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 263.
86 Florian Buchheit

gilt. Nach Kosiol erfolgt nunmehr eine Arbeitsanalyse, die nicht mehr nur die Ele-
mentaraufgaben berücksichtigt, sondern jede darin enthaltene Tätigkeit. 105 Letzt-
lich wird dieses noch diffizilere Analyseergebnis im Rahmen der abschließenden
Arbeitssynthese personellen, zeitlichen und räumlichen Parametern zugeordnet.106
Im Ergebnis offenbart die traditionelle Sichtweise einer Arbeitsorganisation aller-
dings deutlich nachvollziehbare Schwächen. Die künstlich vorgenommene Tren-
nung der Aufbau- und Ablauforganisation verlangt schließlich von den jeweiligen
Organisatoren, „[…] Struktur und Prozess, Aufbau und Ablauf […]“107 getrennt
voneinander zu bewerten.108
Folgerichtig rückt heute die Zusammenführung spezialisierter Aufgaben und kom-
plexer Teilprozesse in den Fokus der organisationalen Betrachtung.109 Ausgehend
von diesen Überlegungen entwickelt sich die Arbeitsorganisation zu einer Pro-
zessorganisation. Der Kerngedanke dieses modernen Verständnisses ist die Be-
wältigung komplexer und variabler werdender Aufgaben, die aufgrund eines he-
terogenen und dynamischen Organisationsumfeldes im Sinne einer Gesamtschau
bewertet werden müssen.110 Es gilt eine künstliche Zergliederung von Aufgaben,
damit einhergehende Schnittstellen, Informations- und Verantwortungsdefizite zu
vermeiden.111 Bea und Göbel verdeutlichen die Kernelemente einer Prozessorga-
nisation trefflich: „Zusammenhängende Verrichtungen sowie Denken und Han-
deln, Entscheiden und Ausführen sollen kundenorientiert zusammengefügt und ei-
nem Prozessverantwortlichen (bzw. einem Team) übertragen werden.“112 Eine so
verstandene Prozessorganisation vermag demnach die Ansätze zu vereinen, die
einer effektiven, effizienten und trotzdem flexiblen Organisation dienlich erschei-
nen. Als unmittelbare Konsequenz entwickelte sich die alleinige Arbeits- zu einer
komplexen Prozessanalyse (Schritt 1) fort, aus der „[…]ganzheitliche Arbeitsein-

105
Vgl. Kosiol (1962), S. 192 ff.
106
Vgl. Kosiol (1962), S. 212 ff.
107
Schreyögg/Geiger (2016), S. 35.
108
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 35 f.
109
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 25.
110
Vgl. Hammer/Champy (1994), S. 1 ff.
111
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 34 ff.; vgl. Bea/Göbel (2010); S. 259 f. und S. 406 ff.;
vgl. Vahs (2012), S. 242 ff.
112
Bea/Göbel (2010), S. 406.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 87

heiten oder Tätigkeitsfolgen mit möglichst klaren Anfangs- und Endpunkten abge-
leitet werden.“113 Schreyögg und Geiger verdeutlichen, dass diese Analyse in je-
dem Fall über „[…] die Art des Zusammenhangs zwischen den Verrichtungen (In-
terdependenzen), die Teilbarkeit der Prozesse und die Prozessunterbrechungskos-
ten“114 informieren muss. Nicht minder notwendig ist damit das Begriffsverständ-
nis in Bezug auf einen Prozess im Sinne der Organisationsgestaltung. Die Literatur
bietet eine schier unüberschaubare Anzahl an Prozessdefinitionen an. Nach Vahs
wird „[u]nter einem Prozess […] die zielgerichtete Erstellung einer Leistung
durch eine Folge von logisch zusammenhängenden Aktivitäten verstanden, die in-
nerhalb einer Zeitspanne nach bestimmten Regeln durchgeführt wird.“115 Hierun-
ter fallen die regelmäßig auf externe Kunden ausgerichteten Kernprozesse zur Er-
reichung des Leistungs- und Marktziels der Organisation sowie die regelmäßig auf
interne Kunden ausgerichteten Supportprozesse, die eben gerade die Kernprozesse
unterstützen und beispielsweise auf die Beschaffung von Personal und Sachmit-
teln ausgerichtet sind.116 Vahs erkennt darüber hinaus Innovationsprozesse, die
eben der Neuentwicklung von Produkten und deren Einführung dienen.117 Hierauf
folgt die Prozesssynthese (Schritt 2), mittels derer die vorab identifizierten Teil-
prozesse sinnvoll koordiniert werden. Auch diese neuere Sichtweise verzichtet
nicht auf eine Trennung von Aufgaben im Sinne einer Aufgabenteilung. 118 Die
Zuweisung der einzelnen Aufgaben zu den Stellen (Schritt 3) erfolgt unter Berück-
sichtigung der Prozesssynthese nach unterschiedlichen Kriterien.119
Das Prozessdenken gewinnt ebenso in öffentlichen Organisationen an Bedeu-
tung.120 Die frühere Struktursicht, welche Zuständigkeiten und Funktionen in den
Fokus rückte, weicht einer modernen Denkart, die interne und externe Kundenbe-
dürfnisse als Schwerpunkt anerkennt. 121 Im Sinne eines moderneren Prozessden-
kens könne den oft als verwaltungsimmanent und bürokratisch erkannten

113
Schreyögg/Geiger (2016), S. 35
114
Schreyögg/Geiger (2016), S. 36.
115
Vahs (2012), S. 233.
116
Vgl. Vera (2015), S. 44.
117
Vgl. Vahs (2012), S. 238 ff.
118
Vgl. Hach (2012), S. 72.
119
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 34.; vgl. Bea/Göbel (2010), S. 250.
120
Vgl. Stierle/Renter (2017), S. 719 ff.
121
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 201 ff.
88 Florian Buchheit

Schwachstellen, wie einer „[…] horizontalen Arbeitsteilung bei gleichzeitig star-


rer Hierarchie, der fehlenden Zielorientierung, der ‚organisierten Verantwor-
tungslosigkeit‘ und der mangelnden Kundenorientierung“122, wirksam entgegen
getreten und der organisationale Wandel im Sinne einer ganzheitlichen Steigerung
der Flexibilität vorangetrieben werden. 123

2.4 Spezialisierung, Delegation, Koordination und


Konfiguration
„Spezialisierung, Delegation und Koordination stellen die zentralen Bestim-
mungsfaktoren der Organisationsstruktur dar und können insofern als Gestal-
tungsparameter eingesetzt werden.“124 Mittels Einbeziehung dieser Parameter
wird eine Organisation gestaltet, die unter Berücksichtigung der Arbeitsteilung,
der damit verbundenen Abstimmungsmaßnahmen sowie der Übertragung von
Kompetenzen und Verantwortung der optimalen Erfüllung des Organisationsziels
dient. Im Ergebnis wird eine von den jeweiligen Parametern abhängige Organisa-
tionsstruktur geschaffen – die Konfiguration.
Die Ressourcen eines Menschen sind begrenzt. Hingegen sind die Leistungsziele
von Unternehmen und Organisationen regelmäßig zu komplex, um sie durch eine
Person alleine zu bewältigen. Vielmehr bedarf es einer gemeinsamen Erarbeitung
von Teilaufgaben durch die Organisationsmitglieder. Die Organisationslehre be-
fasst sich mit dieser Arbeitsteilung innerhalb des Terminus Spezialisierung. „Spe-
zialisierung ist die Zerlegung einer Aufgabe in einzelne voneinander verschiedene
Teilaufgaben.“125 Innerhalb der Spezialisierung gilt es zwischen Grad und Art der
Spezialisierung zu unterscheiden. Unter dem Grad der Spezialisierung versteht
man die Zerlegung der zur Erreichung des Leistungsziels erforderlichen Gesamt-
aufgabe in diffizile Aufgabenpakete.126 Dieses Begriffsverständnis kann zusätz-
lich um die Spezialisierungstiefe innerhalb der Organisation erweitert werden.
Demnach steigt der Grad der Spezialisierung mit zunehmender Spezifikation der

122
Thom/Ritz (2006), S. 285.
123
Vgl. Thom/Ritz (2006), S. 51. und S. 285.
124
Bea/Göbel (2010), S. 289.
125
Bea/Göbel (2010), S. 289.
126
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 290 f.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 89

Aufgaben jeweiliger Stellen und Abteilungen. 127 Die Art der Spezialisierung be-
schreibt im Grundsatz die inhaltliche Erwartung an die Tätigkeit einer Stelle. So
kann eine Spezialisierung nach der Verrichtung, dem Objekt oder dem Rang er-
folgen. Im Rahmen der Verrichtungsspezialisierung werden Stellen mit jeweils
derselben Verrichtung, bspw. Bohren geschaffen.128 Bei der Objektspezialisierung
widmet sich das Organisationsmitglied der Bearbeitung eines gewissen Objektes,
bspw. eines Fahrrades oder einer Region. Bei der Objektspezialisierung liegt re-
gelmäßig ein geringerer Grad der Spezialisierung vor, da hier verschiedene Tätig-
keiten zusammengefasst werden.129 Eine Spezialisierung nach dem Rang liegt vor,
wenn diese an der Funktion des Stelleninhabers festgemacht wird. 130
Die Begrifflichkeit der Spezialisierung wird in der Literatur immer wieder durch
verschiedene Synonyme ersetzt, so z. B. durch den Begriff der Zentralisation. Ab-
hängig von der Übertragung gleichartiger Aufgaben auf eine Stelle liegt eine Zent-
ralisation vor. Werden diese jedoch auf mehrere Stellen verteilt, liegt eine Dezent-
ralisation vor.131
Vorteile der Spezialisierung sieht die Wissenschaft in einer Optimierung der Kos-
ten, einer erhöhten Produktqualität sowie nachvollzieh- und überprüfbaren Ver-
antwortlichkeiten.132 Unbestritten ist heute allerdings, dass Spezialisierung neben
Vorteilen auch Nachteile aufweist. Nach Bea und Göbel sei insbesondere der
durch die Spezialisierung geförderte einschränkende Blick auf die Gesamtzusam-
menhänge und die Entidentifikation vom Gesamtprozess infolge monotoner Ar-
beit problematisch. Schnittstellen- und Interdependenzproblematiken sowie die
damit notwendige Koordination würden hierdurch erhöht. 133 Letztlich laufen diese
angeführten Parameter einer humanen Ausrichtung der Arbeit, die den Arbeitneh-
mer erfüllen und sein Wissenspotential nutzen, diametral entgegen. 134

127
Vgl. Kieser/Walgenbach (2010), S. 72 f. und S. 93 f.
128
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 30.
129
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 292.
130
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 30.
131
Vgl. Fiedler (2010), S. 14 ff., Bleicher (1991), S. 49 ff.
132
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 290.; vgl. Kieser/Walgenbach (2010), S. 74 f.
133
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 291.
134
Vgl. Vahs (2012), S. 160.
90 Florian Buchheit

Im Grundsatz sind Überlegungen zur Gestaltung einer polizeilichen Aufbau- und


Ablauforganisation durchaus mit denen von Forprofit-Organisationen vergleich-
bar. Einschränkend wirken sich im Bereich der Polizei allerdings rechtliche Rah-
menbedingungen und politische Entscheidungen aus. In Deutschland ist eine Viel-
zahl verschiedener Polizeiorganisationen vorhanden, die offensichtliche Unter-
schiede in Art und Grad der Spezialisierung aufweisen. 135 Häufig entsteht ein Mit-
telweg, der Vor- und Nachteile im Sinne der effektivsten, effizientesten und flexi-
belsten Lösung herausarbeitet.136 Dies verdeutlicht auch eine vergleichende Un-
tersuchung von Kriminaldauerdiensten in deutschen Großstädten, wonach jedes
Organisationsmodell spezifische Vor- und Nachteile aufweist.137 Zusätzlich sind
die der Polizei übertragenen Aufgaben insgesamt von einer hohen Komplexität
und Dynamik geprägt. Dadurch werden Anpassungen der polizeilichen Reaktions-
mechanismen im Sinne spezialisierter Kenntnisse erforderlich, wie z. B. der Spu-
rensuche und -sicherung und Cybercrime beobachtbar. Alkaya und Vera sehen in-
nerhalb der Polizei die Notwendigkeit der Spezialisierung für die Bereiche der
(Kriminal-)Technik, der Ermittlungsführung und des beweiskräftigen Strafverfah-
rens.138
Komplexe – von Arbeitsteilung geprägte – Organisationen verfügen regelmäßig
über ein Konglomerat aus Instanzen und untergeordneten Stellen. Hier besteht ein
hierarchisch konstruiertes System der Über- und Unterordnung. In Abhängigkeit
des organisationalen Gestaltungsparameters der Rangzentralisation oder Rangde-
zentralisation entwickelt sich der Terminus der Delegation innerhalb einer Orga-
nisation heraus.139 „Unter Delegation versteht man die Übertragung von Kompe-
tenzen auf andere.“140 Bea und Göbel bezeichnen einen hohen Grad der Delega-
tion als Zentralisation. Demnach liegt diese dann vor, „[…] wenn die Kompeten-
zen – insbesondere die Entscheidungskompetenzen – auf die oberste Leitungs-
ebene konzentriert sind.“141 Im Umkehrschluss liegt Dezentralisation vor, wenn
diese auf die jeweiligen Stellen in der Hierarchie nach unten übertragen werden.

135
Vgl. Groß/Frevel/Dams (2008), S. 11 ff.
136
Vgl. Van Sluis/Ringeling/Frevel (2009), S. 12 f.
137
Vgl. Alkaya/Vera (2013), S. 56.
138
Vgl. Alkaya/Vera (2013), S. 56.
139
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 292.
140
Bea/Göbel (2010), S. 293.
141
Bea/Göbel (2010), S. 293.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 91

Zentralisation führt demnach eher zu einer Vielzahl von Über- und Unterord-
nungsverhältnissen und damit zu einer steilen Hierarchie. Dezentralisation be-
gründet regelmäßig weniger Über- und Unterordnungsverhältnisse und prägt eine
eher flache hierarchische Struktur aus.142 Im Ergebnis zeigen sich verschiedene
Vor- und Nachteile der Delegation. So kann Dezentralisation zur „Entstehung von
Kontrollproblemen, […] Überlastung und Überforderung der Mitarbeiter, […]
Demotivierung der Instanzen durch Macht und Statusverluste, […] Inkonsistenz
von Teilentscheidungen“143 führen. Andererseits können aber auch Motivation
und Flexibilität ansteigen, die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter gut
genutzt sowie eine Entlastung der hierarchischen Strukturen erreicht werden.144
Eine Übertragbarkeit der dargestellten Überlegungen zur Delegation auf die öf-
fentliche Verwaltung ist grundsätzlich denkbar. Aufgrund der Vielschichtigkeit
der Teilbereiche ist regelmäßig von einer Mischstruktur auszugehen. Bestimmte
Budget- und Personalentscheidungen können eine starke Zentralisation aufweisen,
wohingegen Entscheidungen hinsichtlich des Personaleinsatzes von Dezentralisa-
tion bestimmt sind. Die Wissenschaft erkennt für die öffentliche Verwaltung den
spezifischen Nachteil, dass die Erzielung eines höheren Entgeltes in der Regel nur
durch einen hierarchischen Aufstieg möglich ist, wodurch Motivationseinbußen
aufgrund fehlender Aufstiegsmöglichkeiten zu erwarten sind. Als vorteilhaft wer-
den demgegenüber Einsparpotenziale und eine Verkürzung des Dienstweges er-
kannt.145
Als eine spezifische Ausprägung wird neben der Delegation in der deutschen und
anglo-amerikanischen Polizeiliteratur die sog. Entscheidungsdelegation für den
Polizeibereich beleuchtet. So sei eine Polizeistruktur dann als zentralistisch einzu-
stufen, wenn Entscheidungen konzentriert getroffen werden und in der Folge in-
nerhalb des hierarchischen Systems nach unten weitergegeben werden. 146 In
Deutschland ist die Delegation fester Bestandteil des Kooperativen Führungssys-
tems der Polizei. Die Ausgestaltung der Delegation ist jedoch stark von der Füh-
rungskraft abhängig. Eine Untersuchung des kriminalistischen Forschungsinstituts

142
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 293 f.
143
Bea/Göbel (2010), S. 296.
144
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 296.
145
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 190 ff.
146
Vgl. Bayley (1985), S. 64 ff.
92 Florian Buchheit

Niedersachsens aus dem Jahr 2002 hat hervorgebracht, dass die Delegation von
Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung innerhalb der Polizei zu einer insge-
samt höheren Berufszufriedenheit beitragen kann. 147 Die Wissenschaft erkennt im
Zusammenhang mit Delegation bei der Polizei jedoch auch Gefahren. So weist
Scholz auf die zwingende Notwendigkeit zielorientierter Kontrollen hin. Dies vor
dem Hintergrund, dass im Gegensatz zu Forprofit-Organisationen, Instrumente
wie Boni und Strafzahlungen für die Umsetzung der übertragenen Kompetenzen
im Sinne des Leistungsziels der Organisation nicht zur Verfügung stehen.148
Die im Rahmen der Spezialisierung vorgenommene Aufgabenteilung führt zu un-
terschiedlichen Einzelaufgaben, die im Sinne der Gesamtzielerreichung auch wie-
der zusammengesetzt werden müssen. Wie bereits dargestellt, hat die Spezialisie-
rung maßgeblichen Einfluss auf die Schnittstellen in der Organisation und damit
auf die Notwendigkeit geringerer oder stärkerer Koordination.149 Unter „Koordi-
nation ist die Abstimmung von Einzelaktivitäten zu einer gemeinsamen Aufgaben-
erfüllung“150 zu verstehen. Die zur Verfügung stehenden Koordinationsmöglich-
keiten liegen einerseits darin begründet, dass die betroffenen Mitarbeiter sich un-
tereinander abstimmen oder dass diese Abstimmung von außen vorgenommen
wird. Im Grunde unterscheidet die Literatur zwischen Instrumenten der Fremdko-
ordination „[…] durch persönliche Weisung, […] durch Programme, […] durch
Pläne.“151 und der Selbstkoordination „[…] durch Selbstabstimmung, […] durch
Märkte, […] durch Unternehmenskultur, […] durch Professionalisierung.“ 152
Innerhalb der Polizeiorganisation zeigt sich sowohl eine Anwendung von Instru-
menten der Fremd- als auch der Selbstkoordination. Am Beispiel einer Verkehrs-
unfallaufnahme kann dies veranschaulicht werden. Die Tatsache, dass in einem
Bundesland Verkehrsunfälle verpflichtend aufzunehmen sind, ergibt sich aus der
Verkehrsunfallaufnahmerichtlinie (Fremdkoordination durch Programme). Nach
dem Eingang eines Kundenauftrags in Form einer Mitteilung über einen Verkehrs-
unfall bei einer Polizeiinspektion erfolgt regelmäßig die Beauftragung eines Strei-

147
Vgl. Ohlemacher et al. (2002). S. 70 ff.
148
Vgl. Scholz (2013), S. 6 ff.
149
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 297 ff.
150
Bea/Göbel (2010), S. 297.
151
Bea/Göbel (2010), S. 298.
152
Bea/Göbel (2010), S. 304.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 93

fenteams durch den Dienstgruppenleiter im Rahmen eines Kommunikationsvor-


gangs. (Fremdkoordination durch persönliche Weisung). Gleichermaßen wäre
auch eine Selbstkoordination durch Unternehmenskultur denkbar, indem sich ein
Streifenteam freiwillig zur Auftragsübernahme bereit erklärt. Vor Ort entscheiden
in der Regel die Beamten durch Selbstkoordination, in Form der Professionalisie-
rung, über die Verantwortlichkeiten und die Vorgangsabarbeitung der Verkehrs-
unfallaufnahme. Die abschließende Dokumentation erfolgt wiederrum durch das
Koordinationsinstrument Programme. Dieses Beispiel zeigt anschaulich, dass eine
Pauschalisierung angewandter Instrumente innerhalb der Polizeiorganisationen
nicht zielführend ist. Vielmehr kommt es auf die jeweilige Situation an.
Die Möglichkeiten, auf die Organisationsstruktur Einfluss zu nehmen, sind durch
die Spezialisierung, die Delegation und die Koordination umfassend dargestellt.
Nunmehr gilt es, die Kombinationen und Abhängigkeiten dieser Parameter im
Sinne der Konfiguration zu beleuchten. Die Organisationstheorie definiert die
Konfiguration wie folgt: „Als Konfiguration bezeichnen wir bestimmte Kombina-
tionen von Organisationsmerkmalen, wie sie sich in Theorie und Praxis heraus-
gebildet haben.“153 Demnach veranschaulicht die Konfiguration eine Art Verbin-
dung theoretischer und praktischer Erkenntnisse zur Spezialisierung, Delegation
und Koordination in Modellen. Sogenannte „Organisationsformen“154 verdeutli-
chen diese modellhaften Darstellungen als Entscheidungshilfe für Organisatoren
und Entscheider. Die Literatur unterscheidet zwischen den klassischen Organisa-
tionsmodellen, wie z. B. der funktionalen Organisation, der divisionalen Organi-
sation und der Matrixorganisation. Dabei sind der Grad und die Art der Speziali-
sierung, der Grad der Delegation und die Form der Koordination entscheidend für
die Ausprägung der Organisationsform. Die funktionale Organisation ist geprägt
von der Verrichtungszentralisation bzw. der Verrichtungsspezialisierung, einem
Einliniensystem zur Koordination und einer Zentralisation im Sinne der Delega-
tion. Bei der divisionalen Organisation ist auf der zweiten Hierarchieebene – auch
„Supra-Struktur“155 genannt – die Objektspezialisierung bzw. Objektzentralisa-

153
Bea/Göbel (2010), S. 311.
154
Fiedler (2010), S. 33 ff.
155
Schreyögg/Geiger (2016), S. 44.
94 Florian Buchheit

tion entscheidend, die Dezentralisation im Sinne der Delegation und das zur Ko-
ordination eingesetzte Mehrlinienprinzip. 156 Diese Objektspezialisierung bzw.
Objektzentralisation kann z. B. in Form von Produkten oder Regionen erfolgen.
Die Divisionen ihrerseits können sodann ab der dritten Hierarchieebene auch wie-
der nach Objekten oder aber nach anderen Parametern wie nach Verrichtungen
strukturiert werden.157 Trotzdem bleibt innerhalb der Divisionen die Notwendig-
keit bestehen, „[…], dass die erfolgswirksamen Verrichtungen in den Sparten an-
gesiedelt sein müssen.“158 Unteilbare Funktionen – regelmäßig sind diese Funkti-
onen aus Ressourcengründen bzw. wirtschaftlichen Überlegungen nicht teilbar –
werden in sogenannte Zentralbereiche gegliedert.159
Die Matrixorganisation ist geprägt von Mehrdimensionalität, vom Mehrliniensys-
tem und der Dezentralisation. Sozusagen ist die Matrixorganisation eine Ver-
schmelzung von funktionaler und divisionaler Formgebung.160
Die Organisationslehre hat über diese klassischen Organisationsmodelle hinaus-
gehende Überlegungen zu einer modernen Weiterentwicklung organisatorischer
Strukturen angestellt. In diesem Zusammenhang sei auf die Trends zur „[…] Pro-
zessorientierung, Teamorientierung, Empowerment [und, F. B.] Dynamisie-
rung“161 hingewiesen. Diese Forschungslinien liefern einen klaren Hinweis, dass
die der Prozessorganisation immanente Ausrichtung auf die Kundenzufriedenheit,
die Reduktion von Schnittstellen und die interdisziplinäre Herangehensweise be-
sonders gut durch die Teamarbeit umgesetzt werden können und gleichfalls ein
sehr effizientes Arbeiten ermöglichen. Eng damit verbunden ist auch die stärkere
Dezentralisation von Kompetenzen auf die Mitarbeiter im Rahmen des Empower-
ment, so dass diesen insgesamt mehr Verantwortung in diesem betrieblichen Pro-
zess zukommt. Durch den Trend der Dynamisierung wird organisationaler Wan-
del und die Transformation stärker betont.162
Auf die öffentliche Verwaltung erscheinen die in der Betriebswirtschaftslehre auf-
gezeigten Probleme und Erkenntnisse zu den benannten Organisationsformen

156
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 364 ff.
157
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 46.
158
Schreyögg/Geiger (2016), S. 46.
159
Vgl. Schreyögg/Geiger (2016), S. 47 f.
160
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 378 f.
161
Bea/Göbel (2010), S. 393.
162
Vgl. Bea/Göbel (2010), S. 393 ff.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 95

durchaus übertragbar.163 So sei die funktionale Organisation aufgrund der Spezia-


lisierungsvorteile insbesondere auf Bereiche anwendbar, in denen es eine Vielzahl
von gleichartigen Vorgängen abzuarbeiten gelte. Stehe hingegen die Befriedigung
der Kundenerwartungen an erster Stelle, biete sich die divisionale Organisation
an. Für den Bereich der Matrixorganisation bleibe hingegen lediglich der Einsatz
in komplexen Bereichen wie den Hochschulen der Polizei und im Zusammenhang
mit der Abwicklung von Projekten denkbar.164 Betrachtet man nun die Entwick-
lung von funktionaler, divisionaler und Matrixorganisation als Reaktion auf sich
ändernde Umweltbedingungen, wird schnell das Konglomerat von verschiedenen
sich bedingender Spannungsfelder wie Spezialisierungsvorteilen, Kundenbedürf-
nisse, Effektivitäts- und Effizienzerwägungen und Wünsche nach Flexibilität of-
fenbar. Für den Bereich der öffentlichen Verwaltung hat sich im Rahmen des
NSM-Prozesses gezeigt, dass offensiv beworbene Neuerungen wie seinerzeit die
Einführung divisionaler Organisationsformen durchaus auch Nebenwirkungen in
der betriebswirtschaftlich beschriebenen Form provozieren können. 165
Im Zusammenhang mit der Konfiguration besteht in der Literatur ein erweitertes
Begriffsverständnis der Dezentralisation und Zentralisation. So sei (De-)Zentrali-
sation nicht nur innerhalb einer Behörde denkbar, sondern auch auf Landes- und
Bundesebene sowie zwischen Behörden. Als beispielhaft hierfür könne die Zent-
ralisation des Reisekostenmanagements und der Beihilfegewährung angesehen
werden.166 Vera setzt hier mit seiner Unterscheidung hinsichtlich einer Interorga-
nisationalen und Intraorganisationalen Dezentralisierung an.167

2.5 Organisationsstrukturenvergleich
Ein Vergleich bestimmter Organisationsstrukturen und -formen führt zur Generie-
rung von Erkenntnissen und kann Verbesserungsmöglichkeiten hervorbringen.
Dieser ist allerdings nur dann durchführbar, wenn bestimmte vergleichbare Eigen-
schaften einer Organisation wie z. B. Hierarchie, Arbeitsteilung und Vorgabe von

163
Vgl. Potthast (2010), S. 61.
164
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 169 ff.
165
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 170 f.
166
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 171
167
Vgl. Vera (2015), S. 50 ff.
96 Florian Buchheit

Arbeitsverfahren identifiziert und operationalisiert werden können.168 Ein in der


Betriebswirtschaft gebräuchlicher Vergleichsansatz ist das sogenannte Benchmar-
king – „das Lernen von den erfolgreichen [Organisationen] im Sinne eines Mo-
delllernens oder Imitierens.“169 Für den Bereich der öffentlichen Verwaltung kann
ein Organisationsvergleich jedoch auch klar positive Effekte haben, da eine Kon-
kurrenzsituation zwischen Behörden regelmäßig nicht gegeben ist und
Art. 91 d GG eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz dieses Managementin-
struments schafft.170

3 Kriminalpolizeiliche Grundlagen

3.1 Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung


Im Qualitätsmanagement orientieren sich unternehmerische Entscheidungen am
PDCA-Zyklus. Die Polizei nutzt hierzu den vergleichbaren Planungs- und Ent-
scheidungsprozess. Grundlage beider Methoden ist zunächst die Erhebung des Ist-
Zustandes im Rahmen einer Analyse. Auch der Begriff der Auswertung unterliegt
einer mannigfaltigen Nutzung innerhalb der polizeilichen Fachliteratur. So ver-
wendet die PDV 100 den Begriff der Auswertung in vielfältigem Zusammenhang.
Eine einheitliche Definition der Begrifflichkeiten Analyse und Auswertung exis-
tiert für den Polizeibereich nicht. Dabei kann Auswertung sowohl strategisch als
auch operativ erfolgen und mithin der Initiierung, der Begleitung sowie der Un-
terstützung von Ermittlungen dienen. Ausgehend von diesem Verständnis lässt
sich konstatieren, dass die Analyse als Teilschritt in dem der Auswertung imma-
nenten Informationsverarbeitungsprozess enthalten ist und diese Begrifflichkeiten
in einem engen Bezug zueinanderstehen. Infolgedessen werden Analyse und Aus-
wertung im polizeilichen Sprachgebrauch häufig fälschlich synonym verwandt.171
Ein bundesweit einheitliches Analyse- und Auswerteverständnis fehlt. Darüber
hinaus besteht in der Literatur Uneinigkeit, ob unter Analyse lediglich die (tech-
nische) Analyse im engeren Sinne (i. e. S.) 172 oder vielmehr die Aufbereitung von

168
Vgl. Kieser/Walgenbach (2010), S. 65.
169
Schreyögg/Geiger (2016), S. 403.
170
Vgl. Gourmelon/Mroß/Seidel (2018), S. 445 ff.
171
Vgl. BLPG Polizeiliche Auswertung (2007), S. 15 f.
172
Vgl. BLPG Polizeiliche Auswertung (2007), S. 19.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 97

Informationen und die darauf aufbauende Ableitung eines Erkenntnisgewinnes zu


subsumieren ist. Die polizeiinterne Betrachtung der Gesamtthematik erfolgte
zentriert ab dem Jahr 2007. Die Fokussierung auf den digitalen Bereich mit dem
Schwerpunkt Analyse folgte im Jahr 2013. Bundesweit untersuchten und optimier-
ten Arbeitsgruppen in der Folge die polizeiliche Datenanalyse. Im Fokus standen
Analyseprozesse u. a. im Zusammenhang mit Bild- und Videodaten im Anschlags-
fall, IT-Forensik und Auswerteinfrastruktur. Trotz der Vielzahl an bundesweiten
Bestrebungen, die Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung einheitlich aus-
zurichten, muss bis heute konstatiert werden, dass Bund und Länder diese Thema-
tik bisher unterschiedlich handhaben. Potenziert wird dies zusätzlich durch die dy-
namische Entwicklung der Themenfelder. Gleichwohl sind Lösungsansätze auf
Bundes- und Landesebene erkennbar. Die Bund-Länder Projektgruppe (BLPG)
‚Informationsmanagement und IT-Architektur der Polizei‘ sowie das Programm
‚Polizei 2020‘ sind mit den Zielen einer Datenmehrfachnutzung und einheitlichen
Datenstandards/-formaten in den Vorgangs- und Fallbearbeitungssystemen ver-
knüpft. Damit im engen Zusammenhang steht auch der polizeiliche Informations-
und Analyseverbund (PIAV).

3.2 Cybercrime
Mit der ‚Convention on Cybercrime‘des Europarates hat sich die Begrifflichkeit
Cybercrime im allgemeinen und polizeilichen Sprachgebrauch fest etabliert.
Deutschland ratifizierte diese EU-Konvention im Jahr 2009.173 Demzufolge passte
die AG Kripo die Begrifflichkeit der Informations- und Kommunikations- (IuK-
)Kriminalität dem internationalen Sprachgebrauch an. „Cybercrime umfasst [im
engeren Sinne, F. B.] die Straftaten, die sich gegen das Internet, weitere Daten-
netze, informationstechnische Systeme oder deren Daten richten.“ Konkret lassen
sich hierunter Straftaten wie der Computerbetrug, das Ausspähen und Abfangen
von Daten, die Datenveränderung und Computersabotage sowie die missbräuchli-
che Nutzung von Telekommunikationsdiensten subsumieren. Cybercrime umfasst
[im weiteren Sinne, F. B.] auch solche Straftaten, die mittels dieser Informations-
technik begangen werden.“ Insoweit beinhaltet diese Begrifflichkeit auch Strafta-

173
Vgl. Wernert (2017), S. 27.
98 Florian Buchheit

ten, in deren Zusammenhang das Internet bzw. die informationstechnischen Sys-


teme selbst als wesentliches Tatmittel eingesetzt werden. Dieser Bereich der Cy-
bercrime umfasst eine Vielzahl von Straftatbeständen des StGB und der strafrecht-
lichen Nebengesetze wie z. B. des KunstUrhG. Nachweislich liegt der Schwer-
punkt auf Angriffen mit Schadsoftware, Betrugsdelikten und dem Diebstahl von
Identitäten. Gleichwohl zeigt sich, dass nahezu alle – vormals analogen – Straftat-
bestände auch in der digitalen Welt verwirklicht werden. Stark potenziert wird
diese Entwicklung durch die fortschreitende Vernetzung und Digitalisierung der
Gesellschaft. Die kriminalpolizeilichen Herausforderungen in diesem Deliktsfeld
sind nach Einschätzungen von Experten in Bund- und Ländern infolgedessen in
der zunehmenden Anzahl etwaiger Tatgelegenheiten, inhomogenen Täter- und
Opferstrukturen, im Bereich hoher Schäden und einer zunehmenden Anonymisie-
rung bzw. Kryptierung zu finden. Cybercrime betrifft heute nahezu alle polizeili-
chen Arbeitsbereiche.

4 Zwischenfazit

Die Organisationslehre zeigt eine Vielzahl verschiedener Sichtweisen auf Organi-


sationen bzw. das Organisieren. So verdeutlicht das Institutionelle Organisations-
verständnis, dass die Organisationsgestaltung zunehmend durch inner- und außer-
organisatorische Faktoren beeinflusst wird. Informelle Aspekte, organisationskul-
turelle Erwägungen und divergierende Ziele der Organisationsmitglieder müssen,
ebenso wie die Organisationsumwelt, verstärkt Berücksichtigung finden. Heutige
komplexe und dynamische Umweltbedingungen unterwerfen Organisationen den
Attributen der Effektivität, Effizienz und Flexibilität. In diesem Zusammenhang
hat die Organisationsforschung umfangreiche Überlegungen zur Differenzierung
und Integration von Aufgaben angestellt, die der Erfüllung der Organisationsziele
dienen. Resümierend ergibt sich gleichermaßen eine ganzheitliche Schwerpunkt-
setzung auf die Aufbau- und Ablauforganisation. So soll eine über die klassische
Arbeitsorganisation hinausgehende Prozessorganisation für eine weitreichende
Verbindung zwischen Struktur und Prozess sorgen. Die Möglichkeiten zur Gestal-
tung derartiger Organisationsstrukturen beschäftigen sich im Kern mit den Para-
metern der Spezialisierung, Delegation und Koordination. Damit zusammenhän-
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 99

gende Problemstellungen sind in zunehmendem Maße auf polizeiliche Organisa-


tionen übertragbar. Unbestritten ist auch die Annahme, dass die Konfiguration von
Organisationen einzelfallabhängig erfolgen muss und sich pauschale Annahmen
verbieten. Theorie und praxiserprobte Organisationsformen können so die Grund-
lage zu Überlegungen der organisationalen Strukturgestaltung übernehmen.
Gleichwohl bleibt der Einzelfall entscheidend. Diese organisationstheoretischen
Erkenntnisse werden zunehmend vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher
Megatrends relevant. Analyse und Auswertung transformiert sich hierbei von ei-
ner tradierten zu einer dynamischen, spezifischen und komplexen Aufgabe. Bis-
lang ist dieser Aufgabenbereich in der deutschen Polizei heterogen verortet. Infol-
gedessen hat sich Analyse und Auswertung zu einem bundesweiten Schwerpunkt-
thema entwickelt. Da dieses Tätigkeitsfeld zuvorderst den Aufgabenbereich der
Kriminalpolizei fokussiert, wandelt sich der Terminus der Analyse und Auswer-
tung zur Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung. Am Beispiel des De-
liktsbereiches Cybercrime, hier insbesondere Cybercrime i. w. S., werden diese
Erfordernisse zu einer interdisziplinären und prozesshaften Ausrichtung der kri-
minalpolizeilichen Analyse und Auswertung besonders deutlich.
Ausgehend vom dargelegten Stand der Forschung ist es fraglich, wie die Integra-
tion der Aufgabe Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung in die Polizeior-
ganisation gelingen kann, um damit effektive, effiziente und flexible Ergebnisse
zu erzielen. Hierzu wird im Folgenden ein Organisationsstrukturenvergleich zwi-
schen zwei Landespolizeien mit vergleichbaren Organisationsstrukturen und Pa-
rametern, bspw. Flächenland, Bevölkerungsdichte, Aufklärungsquote, angestellt.
In einem zweiten Schritt wird überprüft, inwieweit diese Feststellungen auf die
Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung im Phänomenbereich Cybercrime
i. w. S. übertragbar sind. Der Untersuchungsschwerpunkt liegt hierbei auf der (De-
)Zentralisation der damit einhergehenden Teilaufgaben, Entscheidungen sowie
deren Auswirkungen.
100 Florian Buchheit

5 Methodik

5.1 Untersuchungsform
Wie in anderen Wissenschaftsdisziplinen existiert auch in der Sozialwissenschaft
eine Vielzahl von Erhebungs- und Auswertetechniken für Daten.174 Für die vor-
liegend notwendige Untersuchung wählte der Verfasser die Exploration sowie
zwei qualitative Erhebungsmethoden in Form leitfadengestützter Experteninter-
views und einer Gruppendiskussion aus. Erster Untersuchungsschwerpunkt war
die Integration der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung in die Polizei-
organisationen der beiden Bundesländer. (Empirischer Teil I). Der zweite Unter-
suchungsschwerpunkt (Empirischer Teil II) lag in der Untersuchung der Übertrag-
barkeit der gewonnenen Erkenntnisse auf den Phänomenbereich Cybercrime i. w.
S.
In Bezug auf qualitative Forschungsvorhaben bestehen in der Wissenschaft regel-
mäßig Bedenken dahingehend, dass so gewonnene Resultate im Vergleich zur
quantitativen Forschung nicht den Gütekriterien der intersubjektiven Nachvoll-
ziehbarkeit, der Objektivität und der Reliabilität entsprechen. Um diesen Mängeln
entgegenzutreten, galt es, den Prozess der Datenauswertung möglichst nachvoll-
ziehbar zu machen. Ein bewährtes Instrument hierzu bietet die qualitative Inhalts-
analyse. Mayring hat diesbezüglich ein neunstufiges Ablaufmodell beschrieben,
welches sogleich drei Techniken, die zusammenfassende, die explizierende und
die strukturierende Inhaltsanalyse, beinhaltet.175 Dieses Modell fand zur Auswer-
tung der erhobenen qualitativen Daten im Rahmen des Forschungsvorhabens An-
wendung.

5.2 Auswahl der Vergleichsorganisationen


Bei den Vergleichs-Bundesländern (Bundesland A und B) handelt es sich um Flä-
chenländer. Vergleichbar erscheinen hier insbesondere die Größe und die Bevöl-
kerungsdichte. Auch der Aufbau der Polizeiorganisationen beider Länder ent-

174
Vgl. Diekmann (2017), S. 18.
175
Vgl. Mayring (2015), S. 62.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 101

spricht einander in hohem Maße, hier die zentrale Koordinations- und Aufsichts-
funktion beider Landeskriminalämter sowie die divisionale Gliederung der Flä-
chen-Präsidien. Ein weiteres gemeinsames Merkmal findet sich in der Kriminali-
tätsbelastung. Häufigkeitsziffern und Aufklärungsquoten liegen in ähnlichen Be-
reichen. Die Tätigkeit der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung wird in
beiden Ländern als ein neuer Aufgabenschwerpunkt erkannt. Hierbei ist zu be-
rücksichtigen, dass innerhalb der Polizei in Bundesland A bereits weitreichendere
gesamt-konzeptionelle Überlegungen zu diesem Aufgabenbereich angestellt wur-
den. Anders verhält es sich in Bundesland B. Hier befindet sich die Kriminalpoli-
zeiliche Analyse und Auswertung im gesamt-konzeptionellen Aufbau. Insoweit
erscheint ein Vergleich der beiden Polizeiorganisationen hinsichtlich des Aufga-
benbereichs der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung durchführbar.
Die räumliche Nähe beider Bundesländer lässt weiterhin positive Ergebnisse auf-
grund beidseitig angepasster Prozesse hinsichtlich der Effektivität, Effizienz und
Flexibilität erwarten. So könnten beide Länder von gemeinsamen personellen und
technischen Ressourcen, Aus- und Fortbildungsmaßnahmen und medienbruchar-
men Informationswegen profitieren.

6 Organisationsstrukturenvergleich

Das folgende Kapitel widmet sich einem Organisationsstrukturenvergleich der Po-


lizei der Bundesländer A und B im Arbeitsbereich der Kriminalpolizeilichen Ana-
lyse und Auswertung.

6.1 Begriffsverständnisse sowie Aufbau- und Ablauforganisa-


tion
6.1.1 Begriffsverständnis Kriminalpolizeiliche Analyse und Aus-
wertung
In der Polizei des Bundeslandes A bestehen im Vergleich zur Polizei des Bundes-
landes B Legaldefinitionen für die Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung.
Darüber hinaus sehen sowohl die befragten Experten deutliche Bezüge des jewei-
ligen Begriffsverständnisses zu den vorliegenden Definitionen des Handbuchs zur
102 Florian Buchheit

kriminalpolizeilichen Auswertung. Weitergehend erfolgt in beiden Ländern eine


Unterscheidung zwischen der operativen und strategischen Auswertung. Darüber
hinaus sehen Experten des Bundeslandes B auch im Bereich der Kriminalpolizei-
lichen Analyse eine Unterscheidungsnotwendigkeit zwischen operativer und stra-
tegischer Zielrichtung. In beiden Bundesländern erkennen befragte Experten Prob-
leme bei der Verwendung der Begrifflichkeiten in der Polizeipraxis aufgrund einer
häufig fälschlich synonymen Verwendung und eines insgesamt fehlenden Ver-
ständnisses der Polizeipraxis für diese Arbeitsbereiche. Differente Begriffsver-
ständnisse in weiten Teilen der Landespolizei sind demnach nachweisbar. Nach
Einschätzung befragter Experten bestehen im Allgemeinen enge Bezüge der Kri-
minalpolizeilichen Analyse und Auswertung zur Informationsarbeit und zur kri-
minalpolizeilichen Kerninformationsverwertung. Bei der inhaltlichen Beschrei-
bung der Auswertung stimmen die Aussagen in beiden Ländern dahingehend über-
ein, dass die Auswertung von einer phänomenologischen, fach- und kontextbezo-
genen Erkenntnisableitung von Informationsinhalten geprägt ist. Das Begriffsver-
ständnis zur Kriminalpolizeilichen Analyse ist hingegen in beiden Ländern von
einem starken technischen Bezug der Analysetätigkeit geprägt, in deren Rahmen
Daten aus polizeilichen und nicht-polizeilichen Quellen, unter anderem mit IT-
Werkzeugen aufbereitet, zusammengeführt, recherchierbar gemacht, qualitätsge-
sichert und visualisiert werden.
Einigkeit besteht bei den befragten Experten dahingehend, dass die Begrifflich-
keiten der Kriminalpolizeilichen Analyse, der Kriminalpolizeilichen Auswertung
und der Kriminalpolizeilichen Ermittlungen jeweils deutliche Schnittstellen auf-
weisen und trotzdem alle Bereiche eigenständige Disziplinen darstellen. Um im-
manent bestehende Abgrenzungsprobleme zu vermeiden gilt es, diese entspre-
chend zu definieren. Bei der Ermittlung der Schnittstellen zeigen sich leicht diffe-
rente Aussagen zur Abgrenzung der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswer-
tung. Während die befragten Experten mit kriminalpolizeilichem Hintergrund die
Kriminalpolizeiliche Analyse eher als Teil des Auswerteprozesses beschreiben,
sehen die befragten Experten mit IT-Hintergrund die Kriminalpolizeiliche Aus-
wertung als Teil des Analyseprozesses an.
In diesem Zusammenhang beschreiben befragte IT-Experten, dass sich insbeson-
dere in der forensischen Datenuntersuchung die Datenanalyse am sogenannten
SAP-Modell (Sichern, Analysieren, Präsentieren) orientiert. In dieser Auffassung
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 103

erkennt ein Experte des Bundeslandes B mit kriminalpolizeilichem Hintergrund


spezifische Vorteile, wonach eine vom Polizeibereich unabhängigere Definition
der Kriminalpolizeilichen Analyse eine Normierung des Analyseprozesses analog
der Forensik bzw. der Kriminaltechnik vereinfacht ermöglichen würde.

6.1.2 Deliktische Aufteilung Analyse und Auswertung


Nach Einschätzung der befragten Experten erfolgt im Bundesaland A eine organi-
satorische Trennung der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung. Dem-
nach findet in darin festgelegten Phänomenbereichen eine Abgrenzung der Ana-
lyse und Auswertetätigkeit vom Ermittlungsbereich statt. Gleichwohl wird eine
landesweite Organisationsstruktur nicht vorgegeben. Vielmehr bleibt es den Divi-
sionen selbst überlassen, ob sie die Module in einem Kommissariat zusammen-
führen oder aber ein Auswertemodul in einem Ermittlungskommissariat anbinden.
Demnach ist im Bundesland A die Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung,
bezogen auf die Anbindung der Module und auch die eigentliche Tätigkeit, hete-
rogen auf Ermittlungs- und Servicekommissariate, Dezernate, Stäbe und Zentral-
abteilungen verteilt. Die Experten im Bundesland A sehen insgesamt den Schwer-
punkt der Auswertetätigkeit des Landeskriminalamtes (LKA) im strategischen Be-
reich. Diese Schwerpunktsetzung vertieft Missverständnisse hinsichtlich der Auf-
gabenausrichtung zwischen den Polizeipräsidien (PP) und dem LKA. So erwarten
die PP operative Auswerteprodukte seitens des LKA. Demgegenüber erwartet das
LKA qualitätsgesicherte operative Daten zur Anreicherung der strategischen Aus-
wertung. In Bundesland B besteht keine modulare Vorkonfiguration. Die Experten
verorten deliktsorientierte Tätigkeitsfelder mit strategischem Schwerpunkt im
LKA und operativem Schwerpunkt in den PP. Ein wesentlicher Unterschied zu
Bundesland B besteht darin, dass die operative Auswertetätigkeit in den Divisio-
nen objektzentralisiert in der Weise erfolgt, dass Ermittlungen und Auswertungen
von einer Stelle ausgeführt werden.
Die befragten Experten gehen davon aus, dass innerhalb der PP die operative Aus-
wertung keine institutionelle Absicherung erfährt und demnach von der Verfüg-
barkeit von Ressourcen abhängt. Deutlich wird hierbei auch, dass die Kriminalpo-
lizeiliche Auswertung in deliktsorientiert arbeitenden Einheiten andere Anforde-
rungen erfüllen muss als in täterorientiert arbeitenden. Die Kriminalpolizeiliche
104 Florian Buchheit

Analyse erfolgt auch in Bundesland B im Rahmen einer Verrichtungsspezialisie-


rung, wobei diese Stellen auf verschiedene Organisationseinheiten verteilt sind.
Nach Einschätzung der Experten beschäftigen sich innerhalb des LKA verschie-
dene Stellen mit Datenanalyse. In den PP potenziert sich diese Heterogenität. Nur
wenige Servicekommissariate beschäftigen sich intensiviert mit einer kriminalpo-
lizeilichen Analysetätigkeit. Vereinzelte Kommissariate haben eigenständig eine
weitere interne Spezialisierung im Sinne der Bildung informeller Sachgebiete vor-
genommen. Diese verdeutlichen die Nähe Kriminalpolizeilicher Analyse und Da-
tenforensik.

6.1.3 Kern- und Supportprozesse


Die Analyse- und Auswertetätigkeit im Bundesland A kann anhand der erhobenen
Daten in Kern-, Support- und Innovationsprozesse untergliedert werden. Einigkeit
besteht bei den befragten Experten darin, dass die Kernprozesse maßgeblich der
Abwicklung des operativen Geschäfts dienen. Das LKA im Bundesland A sieht
zudem die Verantwortung für landeweite Koordinationsaufgaben (technisch-stra-
tegisch, Beschaffung) als eine ihrer Kerntätigkeiten an sowie in Ausnahmefällen
auch die divisionsübergreifende Unterstützung. Bei den Supportprozessen erken-
nen die Experten im Bundesland A den Schwerpunkt bei der Personal- und Sach-
ressourcenbeschaffung, der internen Öffentlichkeitsarbeit, Beratungsleistungen
gegenüber Stakeholdern und der Aus- und Fortbildung. Im Bereich der Support-
prozesse bescheinigt ein Experte ein Auseinanderklaffen formeller und informel-
ler Regelungen. Bürokratieimmanente Starrheit formeller Regelungen wird durch
informelle Beratungen und vertrauensbildende Maßnahmen kompensiert.
Folglich kann konstatiert werden, dass zwar die Verantwortung über die Personal-
und Sachgewinnung auf die Divisionen delegiert ist. Hinsichtlich der konkreten
Verteilung vorhandener Ressourcen bestehen jedoch heterogene Verfahrenswei-
sen, welche sämtlich einer steilen Hierarchie (zentralistisch) unterliegen, wobei
die Möglichkeit einer informellen Verkürzung dieser Dienstwege besteht. Innova-
tionsprozesse dienen im Bundesland A zuvorderst der Fort- und Neuentwicklung
von Produkten und Werkzeugen im Bereich der Kriminalpolizeilichen Analyse
und Auswertung. Gerade diese Prozesse erfahren wegen einer Arbeitsverdichtung
der Kern- und Supportprozesse innerhalb des LKA im Bundesland A nur nachran-
gig eine Vertiefung.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 105

Ebenso wie im Bundesland A unterscheiden die Experten im Bundesland B in


Kern-, Support- und Innovationsprozesse, welche jedoch nur vereinzelt als solche
normiert sind. Gerade diesen Umstand sehen die befragten Experten aufgrund der
Nähe der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung zu anderen Informati-
onsverarbeitungsprozessen als problematisch an. Der Bereich der Kernprozesse ist
geprägt durch die operative Abwicklung von Aufträgen, Beratungsleistungen ge-
genüber internen und externen Stakeholdern sowie Qualitätssicherung. Unter die
Supportprozesse subsumieren die Experten insbesondere die interne Öffentlich-
keitsarbeit, die Beschaffung von Sachressourcen und die Personalakquise. Als In-
novationsprozesse werden die Produktentwicklung, hier z. B. von Analysetools
oder Plausibilitätscheckern, und eine interne bzw. externe Marktschau benannt.
Auffälligkeiten zeigen sich besonders im Bereich der Supportprozesse. So besteht
in Teilen ein zentral bereitgestelltes Budget für IT-Ausstattung, forensische Zwe-
cke und Spezialfortbildungen, auf welches die datenforensischen Dienststellen zu-
greifen können. Davon unabhängig ist auch im Bundesland B die Stellen- und
Mittelzuweisung zentralistisch ausgerichtet. Dieser Umstand führt, wie im Bun-
desland A, zu starren und langwierigen Prozessverläufen. Gleichwohl zeigen sich
auch im Bundesland B informelle Ansätze zur Kompensation dieser bürokratie-
immanenten Nachteile. In diesem Zusammenhang besteht Heterogenität in der
vorhandenen Personal- und Sachausstattung der PP und des LKA im Bereich der
Kriminalpolizeilichen Analyse. Bei der Kriminalpolizeilichen Auswertung zeigen
sich diese Problemstellungen verschärft.
Somit herrscht auch im Bereich der Kriminalpolizeilichen Auswertung eine lan-
deweite Heterogenität hinsichtlich einer Zuweisung von Sachressourcen.

6.1.4 Prozess – Analyse


Trotz einer fehlenden landesweit standardisierten Prozessdefinition weisen die Ex-
perten des Bundeslandes A dem Analyseprozess nachfolgende Tätigkeitsfolgen
zu: Auftragseingang, Auftragserfassung, Entscheidung über die Auftragsannahme
in Abhängigkeit von Auftraggeber, Aufwand und Möglichkeiten zur Zielerrei-
chung, Durchführung eines Auftragsgesprächs innerhalb der Organisationseinheit,
Zuweisung eines Sachbearbeiters oder mehrerer Sachbearbeiter, Datenerhebung
aus unterschiedlichen Datenbanken, qualitätsgesicherte Datenverknüpfung aus ei-
106 Florian Buchheit

ner Vielzahl polizeilicher und nicht-polizeilicher Informationstöpfe. Datenaufbe-


reitung und -demokratisierung, Durchführung der Analyse, Ergebnisprotokollie-
rung und-visualisierung, Berichtsfertigung, Vertretung der Analyseergebnisse vor
Gericht. Schnittstellen innerhalb des Prozesses bestehen insbesondere zu Aus-
werte-, Ermittlungs- und Forensikprozessen. Diese werden mittels fortlaufender
Beratung oder Teilnahme am Besprechungswesen der Ermittlungen optimiert.
Ziele des Analyseprozesses sehen die befragten Experten zuvorderst in der Unter-
stützung der Auswerte- und Ermittlungstätigkeiten. Der Analyseprozess ist ge-
prägt von der Anwendung explorativer und statistischer Methoden. Dies zeigt sich
insbesondere aufgrund eines notwendigen Einsatzes komplexer und spezifischer
Software. Ansatzweise sind in Bundesland A standardisierte Analyseprodukte
vorhanden. Am Analyseprozess beteiligt ist bei operativen Aufträgen die Sachbe-
arbeitung (Auftraggeber). Bei strategischen Analyseaufträgen innerhalb der PP
zusätzlich eine Koordinierungsstelle. Der Kommissariats- oder Sachgebietsleiter
ist in alle Aufträge eingebunden. Neben einer Auftragserteilung durch eine externe
Stelle ist auch ein selbst auferlegter Auftrag aufgrund erkannter Schwerpunktset-
zungen denkbar. Von diesen Grundsätzen wird aber auch abgewichen. Pauschale
Aussagen zu den Durchlaufzeiten lassen sich nicht treffen. Experten des Bundes-
landes A bescheinigen einer stärkeren Automatisierung im technischen Analy-
sebereich ein hohes Potenzial zur Minimierung dieser Durchlaufzeiten. Problem-
stellungen identifizieren die Experten des Bundeslandes A zuvorderst im techni-
schen Bereich, bspw. aufgrund fehlender gemeinsamer Plattformen oder getrenn-
ter Datennetze. Hieraus resultierend liegt der aktuelle Arbeitsschwerpunkt bei der
Datenaufbereitung und nicht bei der eigentlichen Datenanalyse. Wenngleich es
auch im Bundesland B an einer landesweit einheitlichen Prozessdefinition man-
gelt, erkennen die befragten Experten bestimmte Tätigkeitsfolgen wie Auftrags-
eingang, Entscheidung über die Auftragsannahme, Qualitätssicherung, Rückfra-
gen zwecks zielklarer Auftragsformulierung (Auftragsanalyse), qualifikationsab-
hängige Zuweisung eines Sachbearbeiters, Datenerhebung (zielabhängig), Daten-
prüfung, Zusammenführen der Daten aus polizeilichen und nichtpolizeilichen In-
formationstöpfen, Datenanreicherung, Datenaufbereitung und -demokratisierung,
Durchführung der Datenanalyse und Erkenntnisableitung, Ergebnisvisualisierung
und Berichtsfertigung, Vertreten der Analyseergebnisse vor Gericht als Kern-
punkte in diesem Zusammenhang. Die Befragung offenbart, dass abhängig vom
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 107

fachlichen Hintergrund der Experten weitergehende Teilprozesse wesentlich de-


taillierter ausgeführt werden können. So beschreibt etwa ein Interviewpartner die
begleitend notwendigen Verwaltungsprozesse (Asservaten Ein- und Ausgang, As-
servierung, Kennzeichnung, Prüfung auf Vollständigkeit sowie auf Schadhaf-
tigkeit, Bilder machen, Löschung, Wiedervorlagen, Dokumentation).
Einfluss auf den Verlauf des Analyseprozesses nehmen insbesondere die Analy-
seziele (strategisch/operativ). Teilweise erkennen die Experten des Bundeslandes
B Schnittstellen des Analyseprozesses mit Auswerte-, Ermittlungs- und Forensik-
prozessen. Diese werden mittels fortlaufender Beratung, Kommunikation, Rück-
koppelung mit den Stakeholdern sowie agiler Auftragsanpassung optimiert. Am
Analyseprozess beteiligt sind, abhängig vom Ziel der Analyse, die Auftraggeber
und weitere Stakeholder. Während operative Analyseaufträge eher im Rahmen
flacher hierarchischer Strukturen zwischen Auftraggeber (z. B. Sachbearbeiter)
und den Analysestellen erfolgen, werden bei strategisch orientierten Aufträgen zu-
nehmend auch hohe Führungsebenen einbezogen, wodurch die Auftragserteilung
hierarchisch steiler erfolgt. Die Durchlaufzeiten können auch im Bundesland B
nicht pauschal identifiziert werden. Sie bewegen sich zwischen wenigen Stunden
und mehreren Wochen, wobei insbesondere auf die Abhängigkeit dieser Zeiten
von den technischen Rahmenbedingungen und von beschriebenen Standards hin-
gewiesen wird. Auffällig in diesem Zusammenhang ist wiederum die Tatsache,
dass die Experten mit IuK-Forensischem Hintergrund aufgrund bereits eingeführ-
ter Standards die Durchlaufzeiten abschätzen können. Auch Experten des Bundes-
landes B sehen in einer zunehmenden Standardisierung und Automatisierung
Möglichkeiten zur Verbesserung der Durchlaufzeiten und des Analyseprozesses
insgesamt. Dies auch vermehrt vor dem Hintergrund, dass der Analyseprozess als
sehr technisch geprägt angesehen wird. So lassen sich in diesem Zusammenhang
im Bundesland B insbesondere das Erfordernis vieler manueller Prozessschritte
infolge fehlender technischer Rahmenbedingungen sowie technische und organi-
satorische Wechselwirkungen (z. B. fehlende Ansprechpartner) als Problemstel-
lungen identifizieren.

6.1.5 Prozess – Auswertung


Ein Experte des Bundeslandes A sieht deutliche Parallelen zwischen Analyse- und
Auswerteprozess. So beinhalte letzterer beispielhaft neben der Auftragserfassung,
108 Florian Buchheit

der Entscheidung über die Auftragsannahme, der Datenaufbereitung, der Recher-


che in Computersystemen, der Ergebnisprotokollierung auch die Berichtsferti-
gung und Ergebnisvisualisierung. Eine landeweite Prozessdefinition liegt jedoch
nicht vor. Neben diesem Prozessablauf stehen weitere Arbeitsschritte, wie ziel-
und auftragsabhängige Prüfung der Datenerhebung und Ressourcenlage, Rückbe-
ratung zum Auftraggeber sowie Auftragsverfolgung und -überwachung durch die
operative Führungsebene. Am Prozess beteiligt ist nach Einschätzung der befrag-
ten Experten bei operativen Aufträgen die Sachbearbeitung (Auftraggeber). Bei
strategischen Auswerteaufträgen zusätzlich eine Koordinierungsstelle innerhalb
der PP. Der Kommissariats- oder Sachgebietsleiter ist in alle Aufträge eingebun-
den. Neben einer Auftragserteilung durch eine externe Stelle ist auch ein selbst
auferlegter Auftrag aufgrund erkannter Schwerpunktsetzungen denkbar. Aus-
werte- und Analyseprozesse sind eng verzahnt und laufen teilweise parallel ab.
Hinzu kommen weitere Begleitprozesse, wie z. B. Transformationsprozesse von
Daten. Eine pauschale Aussage zu den Durchlaufzeiten ist aufgrund individueller
Problemstellungen nicht möglich. Vordefinierte Auswerteprodukte sind im Bun-
desland A nicht vorhanden. Der Auswerteprozess ist bestimmt von einer Verwen-
dung spezifischer Software-Werkzeuge. Neben komplexen Programmen sind
auch vorkonfigurierte Werkzeuge, wie Dashboards denkbar, welche den Auswer-
teprozess stärker standardisieren. Der notwendige Phänomenbezug der Auswer-
tung erfordert eine enge Zusammenarbeit mit den Ermittlungen. Vor allem der
direkte Umgang sichert der Auswertung einen zeitnahen und qualitativ hochwer-
tigen Zugriff auf Informationen der Ermittler. Problemstellungen innerhalb des
Auswerteprozesses beschreiben die Experten vorrangig aufgrund mangelnder Da-
tenqualität in der Zulieferung, fehlender technischer Ressourcen sowie weiterer
personeller Defizite.
Auch im Bundesland B existiert keine landesweit standardisierte Definition des
Auswerteprozesses. Die befragten Experten weisen jedoch dem Auswerteprozess
bestimmte Arbeitsfolgen zu. So z. B. die Berichterstattung und die Dokumenta-
tion. Darüber hinaus sehen die Experten diesen auf die manuelle Bewertung, Be-
urteilung und Erkenntnisableitung von Daten konzentriert. Neben einer Auf-
tragserteilung durch die operative Führungsebene an die Sachbearbeitung kann
zwischen Ermittler und Auswerter auch direkt Kontakt aufgenommen werden. Ins-
besondere bei operativen Auswerteprozessen sehen die befragten Experten eine
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 109

direkte Kontaktaufnahme auf Sachbearbeiterebene als zielführend an. Bei strate-


gischen Auswerteprozessen bedarf es hingegen der Einbindung höherer hierarchi-
scher Instanzen. Ebenso wie im Bundesland A bescheinigen die Experten eine
zwingende, enge Zusammenarbeit der Auswertung mit der Ermittlungsarbeit. Nur
hierdurch kann eine phänomenologische Expertise der Auswerter gesichert wer-
den. Aufgrund einer direkten Abhängigkeit besteht zudem eine enge Verzahnung
mit der Kriminalpolizeilichen Analyse. Das primäre Ziel der Kriminalpolizeili-
chen Auswertung sehen die befragten Experten in der Zusammentragung von In-
formationen. Den vorläufigen Endpunkt des Prozesses bildet die Überführung der
Auswerteerkenntnisse in ein Ermittlungsverfahren. Falls neue Erkenntnisse das
Ermittlungsverfahren anreichern, wird auch der Auswerteprozess neu angestoßen.

6.1.6 Stellenbildung
Methoden- und Fachkompetenzen sind in unterschiedlicher Ausprägung für die
Tätigkeiten der Kriminalpolizeilichen Analyse, Auswertung und Ermittlung erfor-
derlich. Dies bedingt auch Unterschiede in Art und Grad der Spezialisierung. Zu-
gleich erfordert das Ausfüllen eines Tätigkeitsfeldes auch Grundkompetenzen der
anderen Bereiche. Während bei der Kriminalpolizeilichen Analyse eine hohe da-
tentechnische Methoden- und Fachkompetenz von den Experten als notwendig be-
trachtet wird, sehen sie im Bereich der Auswertung eine Schwerpunktsetzung im
Sinne eines tiefgreifenden phänomenologischen Hintergrundwissens als erforder-
lich an. Im Analysebereich verorten die Experten demnach zuvorderst IT-Fach-
kräfte, im Auswertebereich eher Polizeibeamte mit kriminalpolizeilicher Ermitt-
lungsexpertise. Die spezifischen Software-Werkzeuge, welche mittlerweile in al-
len Bereichen Anwendung finden, benötigen eine grundsätzliche Methodenkom-
petenz in allen Fachbereichen. Diese Kompetenz lässt sich nur mittels regelmäßi-
ger Fortbildung sowie fortlaufender Bedienung der Systeme erhalten.
Innerhalb des hoch spezialisierten Analysebereichs erkennt ein Experte gar das
Erfordernis einer weiterführenden internen Spezialisierung zwischen Technikern,
Informatikern, Netzwerk-Forensikern und Data-Engineers. Auch die Notwendig-
keit der gutachterlichen Befassung der Sachbearbeiter vor Gericht wird als ein
Spezialisierungskriterium im Bereich der Analyse angeführt. Demgegenüber se-
110 Florian Buchheit

hen befragte Experten bei der Auswertung das phänomenologische Kontextwis-


sen, eine Grundmethodenkompetenz für IT-Werkzeuge sowie Ermittlungserfah-
rung als Spezialisierungserfordernis.
Experten des Bundeslandes A erkennen im Bereich der Stellenbildung nachfol-
gende Problemstellungen: Kompetenzmängel und eine unzureichende Aus- und
Fortbildung ständen demnach im Widerspruch zu Spezialisierungserfordernissen
in der Analysetätigkeit. Die Rollenzuweisung der Sachbearbeiter erfolge oft an-
hand genutzter Werkzeuge und nicht anhand des eigentlichen Aufgabenbereichs
der Person. Weitergehend könnten systemimmanente Anforderungen (z. B. Kop-
pelung der Beförderungsvoraussetzungen an eine Funktionsstelle) dem Spezialis-
tentum entgegenlaufen.
Wie im Bundesland A sehen die Experten des Bundeslandes B eine Unterschei-
dung der Bereiche Analyse, Auswertung und Ermittlungen, welche spezifische
Anforderungen an Art und Grad der Spezialisierung nach sich ziehen. Während
der Ermittlungs- und Auswertebereich deliktsspezifische und phänomenologische
Kompetenz erfordere, verlange die Analysetätigkeit zuvorderst hohe Analyse- und
IT-Kompetenz. So weisen Experten des Bundeslandes B auf Interdependenzen
zwischen der Komplexität einer Aufgabe und der Erforderlichkeit einer Speziali-
sierung hin. Wie im Bundesland A werden für Bundesland B weiterführende Spe-
zialisierungserfordernisse innerhalb der Kriminalpolizeilichen Analyse erkannt.
Bestimmte Tätigkeitsfelder erfordern gar mehrjährige Berufserfahrung, ein abge-
schlossenes Hochschulstudium, charakterliche Eignung sowie spezielle Fortbil-
dungsmaßnahmen. Auch die Bedienung von Analyse-Werkzeugen bedürfe eines
hohen Spezialisierungsgrades. Diese Spezialisierungserfordernisse bestünden so-
wohl zwischen als auch innerhalb der Prozesse.
In der Kriminalpolizeilichen Auswertung erkennen die Experten ebenso zusätzli-
chen Spezialisierungsbedarf hinsichtlich komplexerer Phänomenbereiche und Tä-
terstrukturen. Eine Notwendigkeit der Berücksichtigung von Tätigkeiten in Kern-
oder Innovationsprozessen bei der Stellenbildung erkennen befragte Experten,
auch vor dem Hintergrund, dass das LKA als Zentralstelle die gesamte Analyse-
tätigkeit weder personell noch methodisch für alle PP abdecken kann. Demzufolge
dient die Analysetätigkeit des LKA zuvorderst Innovationszwecken.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 111

Problemstellungen sehen die Experten des Bundeslandes B in Kompetenzmän-


geln, einer unzureichenden internen Aus- und Fortbildung im Bereich der Analyse,
einem fehlenden gegenseitigen Verständnis zwischen Analyse-, Auswertungs-
und Ermittlungsbereichen und einer zu starken Fokussierung auf den Ermittlungs-
bereich. Auch könne sich eine mangelhafte Ressourcenlage negativ auf die be-
darfsgerechte Gewährleistung der Analyse- und Auswertetätigkeit auswirken. Ein
weiteres Problem sehen die Experten in einer Überforderung der Ermittler bei der
sicheren Handhabung der Auswertewerkzeuge.

6.1.7 Prozess – Optimierungsvorschläge


Im Grundsatz sehen die befragten Experten die geforderte Verzahnung der Ana-
lyse-, Auswerte- und Ermittlungsbereiche zuvorderst durch eine stärkere Projekt-
und Prozessorientierung (z. B. durch Standards, Workflows) der Organisation er-
reichbar. In diesem Zusammenhang verweisen einige Experten auch auf einen an
den Prozessen auszurichtenden Dienstweg, der weniger Bürokratie und mehr Fle-
xibilität gewährleisten soll. Trotz eines projekt- und prozessorientierten Organisa-
tionsverständnisses sollen die Spezialisierungserfordernisse der Bereiche Analyse,
Auswertung und Ermittlungen bestehen bleiben. Auch sei eine fachliche Nähe der
Kriminalpolizeilichen Analyse, IuK-Forensik und der Bearbeitung digitaler Spu-
ren von Relevanz. Einige Experten wünschen sich gar eine stärkere Unterschei-
dung von Kern-, Support- und Innovationsprozessen, insbesondere im Bereich der
Kriminalpolizeilichen Analyse. So müsse das LKA neben der Gewährleistung ei-
ner Koordination qualitativ hochwertige Einzelfälle bearbeiten, die zur Entwick-
lung von innovativen Lösungen für die Flächendienststellen führen. Experten des
Bundeslandes A ergänzen hierbei, dass bei den Analyse-Einheiten ebenso eine
stärkere Fokussierung auf Innovationsprozesse erfolgen sollte. Vorteilhaft er-
scheint insbesondere die Nutzung agiler Projektmethoden. Hierauf aufbauend er-
folgen auch übereinstimmende Forderungen nach einem größeren Personal- und
Sachbudget und einer verbesserten Aus- und Fortbildung. In diesem Zusammen-
hang weisen gerade die Experten des Bundeslandes B auf Defizite bei der Perso-
nalakquise im Analysebereich aufgrund geringer Vergütungsmöglichkeiten hin.
Diesbezügliche Lösungsansätze seien insbesondere in einer Anpassung der Ver-
gütung, Möglichkeiten zur Verbeamtung von IT-Kräften, Schaffung von Funkti-
onsstellen für spezialisiertes Personal, Einführung technischer Laufbahnen oder
112 Florian Buchheit

eines Zulagenwesens zu sehen. Eine fortschreitende technische Automatisierung


würde weitergehend zur Entlastung des Personals beitragen. Darüber hinaus sehen
die befragten Experten die Notwendigkeit, strategische und operative Aspekte
stärker abzustimmen. Demnach bestehen Forderungen, strategische Entscheidun-
gen hinsichtlich der Rahmenbedingungen zu zentralisieren, um so eine homoge-
nere Systemlandschaft zu ermöglichen. Auch in der Festlegung bestimmter strate-
gischer Auswerteschwerpunkte sehen einige Experten Vorteile im Bereich eines
effektiven und effizienten Personal- und Sachressourceneinsatzes.
Grundsätzlich besteht bei den Experten des Bundeslandes A Einigkeit darüber,
dass die Tätigkeitsbereiche der Ermittlungen und der Auswertung eine gewisse
Nähe erfordern und die Auswertung klar formell unterlegt werden sollte. Gleich-
wohl bestehen heterogene Ansichten hinsichtlich einer räumlichen und organisa-
torischen Anbindung der Auswertebereiche. Besonders in komplexen Kriminali-
tätsbereichen können die phänomenologischen Auswerte-Kenntnisse nur durch
eine enge Verfahrensbegleitung generiert werden. Bei trivialeren Kriminalitätsfor-
men sei diese räumliche und organisatorische Anbindung nicht zwingend notwen-
dig.
Als immanent erkennen befragte Experten beider Bundesländer eine landesweit
standardisierte Etablierung der Begriffsdefinitionen zur Kriminalpolizeilichen
Analyse und Auswertung sowie einer Fachsprache in diesen spezifischen Berei-
chen. Auch werden Hospitationen zur Steigerung des gegenseitigen Verständnis-
ses zwischen den einzelnen Professionen als zielführend angesehen. Aufbauend
auf diesen Erfordernissen sehen Experten des Bundeslandes B neben der Einrich-
tung zentraler Analyseeinheiten beim LKA dezentrale Pendants in den Divisionen
als erforderlich an.

6.2 Zwischenfazit
Es kann resümiert werden, dass im Bundesland A die Kriminalpolizeiliche Ana-
lyse verrichtungsspezialisiert erfolgt. Darüber hinaus wurde im Grundsatz eine bü-
rokratieimmanente Entscheidungszentralisation nachgewiesen, die sich allerdings
hinsichtlich der Kern-, Support- und Innovationsprozesse in unterschiedlicher In-
tensität darstellte. Während Entscheidungen im Rahmen von Kernprozessen maß-
geblich von der operativen Führungsebene getroffen werden, erfolgen bei Sup-
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 113

port- und Innovationsprozessen zentralistische Entscheidungen auf Ebene der Di-


visionen bzw. auf Landesebene. Auffällig ist hier, dass ein Auseinanderklaffen
zwischen einem dynamischen Entscheidungserfordernis und bürokratieimmanen-
ten steilen Hierarchien durch informelle Einflussmöglichkeiten versucht wird aus-
zugleichen. Im Bereich der Kriminalpolizeilichen Auswertung konnte im Bundes-
land A eine Verrichtungsspezialisierung in bestimmten Kriminalitätsbereichen
nachgewiesen werden, deren Spezialisierungsnachteile teils durch räumliche Nähe
zu den Ermittlungsbereichen ausgeglichen wurden. Innerhalb der Kriminalpolizei-
lichen Analyse und Auswertung zeigen sich deutliche Tendenzen, dass erforderli-
che Koordinationsmaßnahmen zunehmend durch Instrumente der Selbstkoordina-
tion erfolgen und im Falle der Fremdkoordination Pläne und Programme im Vor-
dergrund stehen und persönliche Weisungen zunehmend in den Hintergrund tre-
ten. Die konzeptionelle Hinterlegung gewährleistet so überhaupt die Anwendung
dieser Koordinationsinstrumente. Demnach folgt aus diesen Parametern, dass die
Annahme einer divisionalen Organisationsform der Polizei im Bundesland A auch
nach einer Empirischen Datenerhebung aufrechterhalten werden kann, wenn-
gleich neuere Ansätze der Organisationstheorie in der Polizei des Bundeslandes A
zunehmend Einzug finden.
Für Bundesland B konnte festgestellt werden, dass die Kriminalpolizeiliche Ana-
lyse verrichtungsspezialisiert vorhanden ist, wenngleich diese Disziplin im Auf-
bau befindlich ist. Darüber hinaus wurden insbesondere im Bereich der Support-
und Innovationsprozesse zentralistische Entscheidungswege nachgewiesen, wel-
che auch im Bundesland B mittels informeller Ansätze optimiert werden. Bei den
Kernprozessen der Analyse finden hingegen flache Hierarchien und demnach eine
Entscheidungsdezentralisation Anwendung. Bei der Kriminalpolizeilichen Aus-
wertung liegt insgesamt grundsätzlich eine Objektspezialisierung vor, die im
Grundsatz Ermittlungen und Auswertung in einem deliktisch-/täterorientiert aus-
gerichteten Kommissariat bündelt. Hierbei ist die Auswertetätigkeit institutionell
nicht abgesichert und den Ermittlungstätigkeiten nachgeordnet. Vereinzelt erfolgt
im Bereich strategischer Auswerteprodukte auch eine nach Verrichtungen spezia-
lisierte Tätigkeit. Innerhalb der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung
halten im operativen Bereich Instrumente der Selbstkoordination verstärkt Einzug.
Instrumente der Fremdkoordination finden zuvorderst im strategischen Bereich
114 Florian Buchheit

Anwendung. Auch für die Polizei des Bundeslandes B kann somit von einer divi-
sionalen Organisationsform ausgegangen werden, bei der zunehmend projekt- und
prozessorientierte Arbeiten eingeführt werden.
Unterschiede in der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung zwischen den
beiden Bundesländern zeigen sich vorzugsweise in einer unterschiedlichen Aus-
prägung der räumlichen Zentralisation der Analyse innerhalb der Divisionen. Im
Bundesland A bestehen weitergehend für einzelne Kriminalitätsbereiche verrich-
tungsspezialisiert arbeitende Auswertebereiche mit einer modularen Abgrenzung
zu anderen Kriminalitätsphänomenen. Gegensätzlich hierzu, erfährt das Tätig-
keitsfeld der Kriminalpolizeilichen Auswertung grundsätzlich im Bundesland B
eine Objektspezialisierung innerhalb der Ermittlungskommissariate. Weitere Un-
terschiede finden sich in der konzeptionellen Verortung der beiden Tätigkeitsfel-
der.

6.3 Auswirkungen (de-)zentraler Organisationsstrukturen


Im Folgenden gilt es nunmehr, die Auswirkungen der identifizierten Organisati-
onsstrukturen auf die Effektivität, die Effizienz und die Flexibilität zu untersu-
chen. Zu diesem Zweck erfolgt in einem ersten Schritt die Darstellung der landes-
spezifischen Untersuchungsergebnisse hinsichtlich der Organisationsziele.

6.3.1 Organisationsziele
Für alle befragten Experten steht klar die Erfüllung des gesetzlichen Auftrages zur
Gefahrenabwehr und zur Gewährleistung einer effektiven Strafverfolgung seitens
der Polizei im Vordergrund. Zur Erfüllung dieser formellen Organisationsziele fo-
kussieren die Experten einvernehmlich den Stakeholderansatz. So gilt es, neben
der Berücksichtigung polizeiinterner Interessenshaltungen, wie die der Mitarbei-
ter, auch die Belange externer Stakeholder, so der Politik oder der Bevölkerung,
zu berücksichtigen. Gleichwohl schätzen die Experten, wegen begrenzter Ressour-
cen, Effizienz, Nachhaltigkeit, Bürgerorientierung, Professionalität und Qualität
der Polizeiarbeit als zu berücksichtigende Parameter ein. Die Beurteilung der Ex-
perten bestätigt demnach im Grundsatz die organisationstheoretischen Annahmen,
wonach öffentliche Organisationen der Bereitstellung gewisser Leistungspro-
gramme dienen – bei gleichzeitig effizientem Ressourceneinsatz.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 115

6.3.2 Effiziente Ressourcennutzung


Die Experten schätzen die Auswirkungen durch die in der Kriminalpolizeilichen
Analyse und in Teilen der Kriminalpolizeilichen Auswertung im Bundesland A
vorherrschende Verrichtungsspezialisierung auf die Effizienz des Ressourcenein-
satzes wie folgt ein: Die Akquise von Spezialisten auf dem Arbeitsmarkt bedarf
hoher Vergütungen; so werden in der freien Wirtschaft regelmäßig sehr hohe Ge-
hälter in diesen IT-Bereichen gezahlt. Aufgrund dieser Tatsache sehen die Exper-
ten des Bundeslandes B die Notwendigkeit einer internen Aus- und Fortbildung,
was zu einer Bindung hoher Zeit- und Finanzressourcen führt. Im Falle einer Per-
sonalfluktuation ginge das eingesetzte Budget verloren. Darüber hinaus bestätigen
die Experten eine Vielzahl positiver Auswirkungen auf die Effizienz des Ressour-
ceneinsatzes durch die Spezialisierung. So ermögliche erst der Einsatz von Spezi-
alisten eine vollständige Nutzung komplexer Soft- und Hardwareanwendungen
und sichere die Entwicklung qualitativ hochwertiger Werkzeuge und Produkte.
Dies führe wiederum zu einer zunehmenden Automatisierung im Bereich der Kri-
minalpolizeilichen Analyse und Auswertung und damit zur Entlastung einer Viel-
zahl polizeilicher Anwender, zur Minimierung von Durchlaufzeiten sowie zu einer
Steigerung der Qualität. Auch kann durch die charakterliche und fachliche Eig-
nung spezialisierter Kräfte eine intrinsische Motivation des Forschens dynamische
Entwicklungen innerhalb der Analyse vorantreiben.
Im Bereich der Kriminalpolizeilichen Auswertung bescheinigen befragte Experten
positive Auswirkungen der Objektspezialisierung auf die Einführung von Projekt-
und Teamarbeit innerhalb eines Ermittlungskommissariats. Weitergehend sei auf-
grund der simultanen Tätigkeitsfelder des Personals eine optimale Auslastung ge-
geben. Auch käme es aufgrund der Objektspezialisierung zu einer optimalen Ver-
zahnung der Ermittlungs- und Auswertetätigkeiten, was wiederum positive Ef-
fekte auf beide Arbeitsbereiche entwickle. Gleichwohl wird auch angeführt, dass
mit zunehmender Komplexität eines Ermittlungsverfahrens die Auswertung zu-
nehmend verrichtungsspezialisiert erfolgen müsse.
Im Bereich der Delegation schätzen Experten des Bundeslandes B die Auswirkun-
gen der Entscheidungszentralisation innerhalb der Supportprozesse deutlich nega-
tiv auf die Effizienz der eingesetzten Ressourcen ein. Demnach führen lange Be-
116 Florian Buchheit

schaffungswege zu Mängeln in Personal- und Sachressourcenausstattungen. Hie-


rauf aufbauend erkennt ein Experte des Bundeslandes A informelle Wege für Be-
ratungsleistungen der bürokratieimmanent zuständigen Hierarchieebene als Opti-
mierungsmöglichkeit an. Nach dieser Einschätzung ist eine solche Beratungsleis-
tung jedoch nur infolge spezialisierter Kenntnisse, darauf aufbauenden Erfolgen
und gegenseitigem Vertrauen möglich.
Hierzu sprechen Experten die Vorteile einer Entscheidungsdezentralisation im Be-
reich der Supportprozesse an. So zeigen sich positive Effekte in Form einer Pro-
zessbeschleunigung, bei zentraler Bereitstellung eines Budgets (LKA) und eigen-
verantwortlichem Abruf und Einsatz des Geldes durch berechtigte datenforensi-
sche Dienststellen (z. B. Kommissariate).
Positive Auswirkungen konnten im Bundesland B jedoch auch im Zusammenhang
mit einer Entscheidungsdezentralisation auf die operative Führungsebene im Be-
reich der Kernprozesse festgestellt werden. So könne Arbeitszeit am Bedarf ge-
plant und Priorisierung ermöglicht werden.
Demgegenüber erkennen Experten des Bundeslandes A in der Entscheidungsde-
zentralisation auf die Divisionen negative Effekte im Sinne einer Heterogenität
der Systemlandschaft. Massive Effizienznachteile wären die Folge.
Nach Einschätzung befragter Experten führt die räumliche Zentralisation insge-
samt eher zu einer guten Personal- und Sachausstattung, wohingegen eine räumli-
che Dezentralisation diese eher mindert. So z. B. mittels einer gemeinsamen Nut-
zung räumlich zentralisierter Ressourcen (z. B. Lizenzsharing, Projekt- und Team-
arbeit). Ein Experte des Bundeslandes A erkennt in der räumlichen Zentralisation
auch Möglichkeiten der gegenseitigen Unterstützung und Verzahnung von Spezi-
alisten (IT-Fachkräften) und Auswertern, die so von Kenntnissen des jeweils an-
deren partizipieren.
Der räumlichen Zentralisation Kriminalpolizeilicher Auswertung steht ein Experte
jedoch auch kritisch gegenüber. So berge dies die Gefahr einer nicht-bedarfsge-
rechten Auswertung. Einvernehmlich sehen die Experten die Notwendigkeit einer
räumlichen Zentralisation des hochspezialisierten Bereichs der Kriminalpolizeili-
chen Analyse in Zentralstellen. Insbesondere seien, aufgrund qualifizierter Koor-
dinations- und Innovationsprozesse, positive Auswirkungen auf die Effizienz zu
erwarten.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 117

6.3.3 Stärkung der Motivation


Nach Einschätzung der befragten Experten bietet der verrichtungsspezialisierte
Bereich der Kriminalpolizeilichen Analyse Möglichkeiten zur positiven Beein-
flussung der Mitarbeitermotivation. Selbstbestimmtes Arbeiten und das For-
schungsinteresse von Akademikern finden hierbei besondere Berücksichtigung.
Der Kriminalpolizeiliche Analysebereich ist von zunehmender Komplexität ge-
prägt, wodurch sich für die Mitarbeiter tiefgehende Spezialisierungsmöglichkeiten
bieten. Es eröffnen sich Möglichkeiten des Job-Enrichment und Job-Enlargement
(z. B. Spezialisierung auf bestimmte Werkzeuge, Gutachtertätigkeit) sowie Fach-
karrieren. Gleichwohl erkennen Experten der Bundesländer A und B aktuell in
verrichtungsspezialisierten Bereichen ein generelles Problem der Einbettung des
Spezialistentums in bürokratische Strukturen der Polizei. Neben den Schwierig-
keiten, Fachkräften höherbesoldete Funktionsstellen zuzuweisen, besteht auch
eine geringe hierarchieübergreifende Wertschätzung. Mögliche Gründe hierfür
könnten in der hohen Komplexität und Unbekanntheit der Analyseprozesse liegen.
Eine weitere Gefahr sieht ein Experte des Bundeslandes B in einer auftretenden
Monotonie im Rahmen einer Verrichtungsspezialisierung in der Analyse. Eine
Einbindung der Analysekräfte in Sonderkommissionen und Projekte könnte hier
Ausgleich schaffen. Negative Effekte einer Spezialisierung innerhalb der Krimi-
nalpolizeilichen Auswertung zeigen sich aufgrund eines fehlenden Bezugs der
strategischen Auswerteprodukte zu einem operativen Nutzen. Gleichzeitig erkennt
ein Experte in der Trennung von strategischer Auswertung und Ermittlungen je-
doch auch positive Effekte auf die Motivation aufgrund einer verbesserten Work-
Life-Balance.
Die Entscheidungsdezentralisation auf die operative Führungsebene bei Kernpro-
zessen sowie die Mitwirkung bei Supportprozessen sehen befragte Experten als
motivationsfördernd an. Hiermit lassen sich Aus- und Fortbildungswünsche der
Mitarbeiter, Aspekte der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Job-Enrichment
und Job-Enlargement sowie ein Personen-Job-Fit verstärkt berücksichtigen. Ex-
perten des Bundeslandes B erkennen in der Entscheidungszentralisation im Be-
reich der Supportprozesse motivationshindernde Aspekte. So erschweren lange
Anforderungswege eine zeitnahe und umfängliche Sach- und Personalausstattung.
118 Florian Buchheit

Die räumliche Zentralisation ermöglicht generell ein projekt- und teamorientiertes


Arbeiten. Positive Motivationsaspekte werden hiermit ermöglicht. Darüber hinaus
gewährleistet die räumliche Nähe Möglichkeiten eines raschen Wissenstransfers.
Auch eine erkannte verbesserte Sach- und Personalausstattung innerhalb der Zent-
ralstellen wirkt motivierend. Nachteile einer räumlichen Zentralisation zeigen sich
insbesondere im Bereich der Kriminalpolizeilichen Auswertung. So führt die
räumliche Dislozierung zu einer mangelnden Wertschätzung zwischen strategi-
scher Auswertung und Ermittlungen. Im Umkehrschluss erkennt ein Experte in
einer räumlichen Nähe dieser Einheiten Motivationsvorteile.

6.3.4 Verringerung des Konfliktpotenzials


In Rahmen einer Spezialisierung der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswer-
tung erfolgt nach Ansicht befragter Experten beider Länder regelmäßig eine
Vergabe klarer Zuständigkeiten und Kompetenzabgrenzungen. Hierdurch kann
eine Reduktion der Komplexität und somit eine Verringerung des Konfliktpoten-
zials erreicht werden. Weitergehend eröffnet sie die Entwicklung von ressortüber-
greifenden Standards. Eine objektspezialisierte Team- und Projektarbeit gestattet
zudem aus Sicht befragter Experten des Bundeslandes A den direkten Austausch
zwischen den Mitarbeitern. Gefahren sehen die Experten in einer Vermehrung der
Schnittstellen aufgrund der Spezialisierung. Hierdurch werden Fehlschlüsse wie
Doppelbefassungen etc. potenziert. Auch können formalistische Kompetenzzu-
schreibungen zu einem erhöhten Ressortdenken führen, was für den hoch dynami-
schen Arbeitsbereich der Analyse nicht zielführend erscheint. Befragte Experten
verorten in der Einrichtung von internen Sachgebieten Möglichkeiten, erkannte
Schnittstellen zu optimieren und damit das Konfliktpotenzial zu minimieren.
Eine Entscheidungsdezentralisation auf die operative Führungsebene ermöglicht
bereits bei der Personalakquise eine Passung von Bewerber und späterem Arbeits-
umfeld. Weitergehend kann hierdurch ein ganzheitliches Fallmanagement unter
Berücksichtigung verfügbarer Ressourcen gewährleistet und die Doppelbefassung
mit Vorgängen vermieden werden. Flache Hierarchien fördern zudem eine hohe
Transparenz, eine offene Konfliktkultur und eine klare Verantwortungszuwei-
sung. Die benannten Vorteile einer Entscheidungsdezentralisation erscheinen ins-
besondere im Rahmen der Projekt- und Teamarbeit umsetzbar. Demgegenüber ste-
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 119

hen Nachteile einer Entscheidungszentralisation. Diese fördert das Konfliktpoten-


zial innerhalb der Auswerte- und Analyseeinheiten. So kann die operative Füh-
rungsebene nur bedingt Lösungen für bestimmte Problemfelder anbieten.
Eine räumliche Zentralisation ermöglicht weiterhin eine direkte und fortlaufende
Kommunikation im Team.

6.3.5 Verringerung des Koordinationsbedarfs


In Abhängigkeit der Art und des Grades der Spezialisierung entstehen Schnittstel-
len. Im Vergleich zur Objektspezialisierung weist die Verrichtungsspezialisie-
rung, so ein Experte des Bundeslandes A, mehr Schnittstellen auf. Experten des
Bundeslandes B sehen in der Verrichtungsspezialisierung der Kriminalpolizeili-
chen Analyse vermehrte Schnittstellen der Zentralstellen zueinander bzw. zu an-
dern Organisationseinheiten.
Lösungsmöglichkeiten werden durch die Experten dahingehend erkannt, dass eine
verstärkte Kommunikation, Hospitationen in den spezialisierten Einheiten, Schaf-
fung gemeinsamer Standards, Benennung von Ansprechpartnern in den Divisio-
nen sowie beim LKA, Forcierung der internen Öffentlichkeitsarbeit und die Bil-
dung verrichtungsorientierter Expertenkreise den Koordinationsaufwand reduzie-
ren. Die Entscheidungsdezentralisation ermöglicht nach Aussage eines Experten
des Bundeslandes A ein schnelles und bedarfsgerechtes Beschaffungsmanage-
ment. Diese Dezentralisation potenziert jedoch eine heterogene Systemlandschaft
und damit den Koordinationsaufwand.
Experten des Bundeslandes A sehen in der räumlichen Zentralisation der Krimi-
nalpolizeilichen Analyse und Auswertung im Sinne eines Kommissariats eine
fachliche und kooperative Reduktion der Schnittstellen. Zudem ermöglicht diese
Organisationsstruktur die Einrichtung von direkten Ansprechpartnern und die
Verbesserung des Schnittstellenmanagements. Auch die Vereinfachung der Team-
und Projektarbeit reduziert den Koordinationsaufwand innerhalb der Einheit. Die
Einbindung der IuK-Forensik in eine derartige Zentralstelle kann den Koordinati-
onsaufwand zusätzlich verringern.
120 Florian Buchheit

6.3.6 Verbesserung des Informationsmanagements


Wie bereits beschrieben, forciert ein erhöhter Grad der Spezialisierung die Entste-
hung von Schnittstellen. Diese können nach Ansicht der befragten Experten mit-
tels eines koordinierten Informationsmanagements, insbesondere der Kommuni-
kation, reduziert werden. Lediglich die vorgeschlagenen Kommunikationswerk-
zeuge unterscheiden sich marginal zwischen den beiden Bundesländern. Im Bun-
desland A stellt ein Pilotprojekt eine Benchmark dar. So sichert die direkte Kom-
munikation zwischen Auftraggeber, strategischer Führungsebene und Projektteam
eine Verbesserung des Informationsmanagements. Neben diesem Dienstweg be-
darf es zudem weiterer informeller Wege, zwecks Erläuterung von Problemstel-
lungen, Auftragsabgrenzung und Auftragslage.
Experten des Bundeslandes B sehen hier vergleichbar eine Vorgehenserklärung
durch eine zentrale Analysestelle sowie den direkten Kontakt zwischen Auftrag-
geber und Analysestelle als förderlich an. In Teilen des Bundeslandes B wird
hierzu das Besprechungswesen fall- und projektorientiert aufgebaut. Auch der
Aufbau eines analyse- und forensikspezifischen Sharepoints, eines WIKI-Systems
sowie einer entsprechenden Netzwerkinfrastruktur wird als Verbesserungsmög-
lichkeit bereits eingesetzt. Bei einer Objektspezialisierung der Kriminalpolizeili-
chen Auswertung sieht ein Experte zudem eine Gefahr der Überforderung der Mit-
arbeiter aufgrund einer Vereinigung des Besprechungswesens von Ermittlungen
und Auswertung. Flache Hierarchien und Teilhabe an den Führungsentscheidun-
gen seitens der Mitarbeiter unterstützen den Vorgesetzten im Rahmen des Infor-
mationsmanagements.
Ein Experte des Bundeslandes A kritisiert in diesem Zusammenhang die Abkopp-
lung strategischer Führungsebenen. So können durch diese aufgrund fehlender In-
formationen nur bedingt sichere Entscheidungen getroffen werden. Die räumliche
Zentralisation ermöglicht ein tägliches Besprechungswesen und eine direkte
Rückkopplung über den Arbeitsfortschritt.

6.3.7 Erhöhung der Flexibilität


Grundsätzlich ermöglicht eine Priorisierung von Aufgaben bei begrenzten Res-
sourcen die Flexibilität. Für das Bundesland A kann in diesem Fall ein Projekt als
Benchmark herangezogen werden. So fördert diese Arbeitsform die Flexibilität
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 121

aufgrund kurzer Entscheidungswege. Allerdings gilt es einschränkend zu beach-


ten, dass Art und Grad der Spezialisierung divergente Auswirkungen auf die Fle-
xibilität zeigen. So besteht bei einer Objektspezialisierung die Möglichkeit, die
vorhandenen Personalressourcen sowohl in der Kriminalpolizeilichen Auswer-
tung als auch im Ermittlungsbereich einzusetzen. Die Verrichtungsspezialisierung
ermöglicht zwar eine Priorisierung hinsichtlich zu bearbeitender Fälle, der Tätig-
keitsbereich erfährt allerdings keine Anpassung in diesem Zusammenhang. Auch
die fortschreitende Automatisierung, als Folge einer Spezialisierung, entlastet das
Personal und führt somit zu einer Erhöhung der Flexibilität. Nachteile werden
durch einen Experten des Bundeslandes A in einer hohen Verrichtungsspezialisie-
rung im Bereich strategischer Auswertung erkannt. Eine niedrige Personalressour-
cenlage führe bei Fluktuation zum Wegfall von Kompetenzen. Reserven ließen
sich demnach nicht bilden. Lösungsmöglichkeiten eröffnen sich mit der Einfüh-
rung einer Objektspezialisierung. In diesem Zusammenhang verweist auch ein Ex-
perte des Bundeslandes B auf das Personalressourcenproblem bei einem hohen
Spezialisierungsbedarf. Eine ohnehin angespannte Personalakquise würde durch
das Spezialisierungserfordernis noch verschärft.
Die Entscheidungszentralisation im Bereich der Supportprozesse führt zu langsa-
men Beschaffungswegen. Dies mindert nach Ansicht befragter Experten beider
Bundesländer die Flexibilität der Organisation. Eine Entscheidungsdezentralisa-
tion fördert andererseits aber auch Insellösungen, was wiederum vorhandenes Per-
sonal bindet und so die Flexibilität negativ beeinflusst. Gleichwohl sehen Experten
des Bundeslandes B insbesondere bei Zentralstellen die Notwendigkeit eines
Dienstweges, wenngleich dieser keine starren, langen, bürokratischen Entschei-
dungswege aufweist, sondern entsprechend durchlässig ist und damit zur Flexibi-
lität beitragen soll.
Räumliche Zentralisation ermöglicht nach Einschätzung eines Experten des Bun-
deslandes A eine direkte Verbreiterung der Methodenkompetenz, eine stärkere
fachliche Hinterlegung und damit den Aufbau von Reserven. In diesem Zusam-
menhang schätzen Experten des Bundeslandes B die räumliche Zentralisation auf-
grund der dort regelmäßig besseren Sach- und Personalressourcenausstattung als
flexibilitätserhöhend ein.
122 Florian Buchheit

6.3.8 Steigerung der Entscheidungsqualität


Im Zusammenhang mit der Steigerung der Entscheidungsqualität sehen die be-
fragten Experten beider Bundesländer Einflussfaktoren maßgeblich im Bereich
der Delegation. Entscheidungszentralisation im Rahmen der Supportprozesse
führt so nach deren Einschätzung zu langen Beschaffungswegen, die sich gerade
in spezialisierten Arbeitsbereichen negativ auf Dynamik und Entscheidungsquali-
tät auswirken. Insoweit sieht ein Experte die Handlungs- und Entscheidungsspiel-
räume der operativen Führungsebene auf vorhandene Ressourcen beschränkt. Eine
Kompensation dieses Defizits könnte hierbei nach Meinung von Experten des
Bundeslandes A die (informelle) Beratung der bürokratisch vorgesehenen Ent-
scheidungsebene ermöglichen. Daneben erkennt ein Experte des Bundeslandes A
in der Projektarbeit die Möglichkeit, im Rahmen eines formell verkürzten Dienst-
weges diese Beratungsleistung an eine höhere Entscheidungsebene anzubinden.
Gleichwohl weisen Experten beider Länder auf die Notwendigkeit eines (flexib-
len) Dienstweges hin, der bei Überforderungen zentraler Analysestellen oder bei
Querschnittsthemen Möglichkeiten eröffnet, Entscheidungen im Sinne der Ge-
samtorganisation durch eine höhere Hierarchieebene treffen zu lassen. Im Zusam-
menhang mit den Kernprozessen erkennen die Experten in der Entscheidungsde-
zentralisation auf die Kommissariats- und Dezernatsleitungen unmittelbar positive
Auswirkungen auf die Entscheidungsqualität in Bezug auf die Bedürfnisse inter-
ner und externer Stakeholder.
Hierauf aufbauend erfolgt eine ergänzende Einschätzung befragter Experten des
Bundeslandes B dahingehend, dass in routinemäßigen Sachverhalten in der Kri-
minalpolizeilichen Analyse und Auswertung die Entscheidungen innerhalb der
Kernprozesse auf die Sachbearbeiter zu einer Erhöhung der Entscheidungsqualität
beitragen.

6.3.9 Ausnutzen von Synergieeffekten


Einflüsse auf Synergieeffekte erkennen befragte Experten beider Bundesländer in
den Parametern der Spezialisierung, der Delegation und der räumlichen Zentrali-
sation. So beschreiben sie, abhängig von Art und Grad der Spezialisierung, grund-
sätzliche Gefahren der Doppelbefassung, wenn Nachteile einer Verrichtungsspe-
zialisierung nicht durch abgestimmte Maßnahmen kompensiert werden.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 123

Ein Experte des Bundeslandes B erkennt die zwingende Notwendigkeit, gerade


die von Methoden- und Fachwissen geprägten verrichtungsspezialisierten Berei-
che der Kriminalpolizeilichen Analyse räumlich zu zentrieren. Ein Experte des
Bundeslandes A verweist in einer Kombination von Entscheidungsdezentralisa-
tion auf die operative Führungsebene und räumlicher Zentralisation positive Ein-
flussmöglichkeiten auf Synergien. So könne mit positiven Auswirkungen im Be-
reich der Methoden- und Phänomenkompetenz, der Auslastung von Soft- und
Hardwarekapazitäten sowie bei der Beschaffungsplanung gerechnet werden. Ex-
perten des Bundeslandes B nennen eine räumliche Nähe der beteiligten Einheiten
gar als wesentliche Voraussetzung der Ausnutzung von Synergieeffekten.

6.3.10 Steigerung der Innovations- und Lernfähigkeit


Experten beider Bundesländer erkennen in der Team- und Projektarbeit eine opti-
male Kombination von Spezialisierung, Delegation und räumlicher Zentralisation
im Sinne einer Steigerung der Innovations- und Lernfähigkeit der Mitarbeiter. Die
enge Zusammenarbeit, eine gemeinsame Unterbringung, Zeit für Innovation und
Forschergeist, Weiterentwicklung von Wissen und Standards durch permanente
Lernprozesse, Förderung der eigenverantwortlichen Wissensweiterbildung sowie
gegenseitige Motivationsanreize zwischen Methoden- und Phänomenspezialisten
werden in diesem Zusammenhang als wichtige Parameter angeführt.
Negative Auswirkungen der Verrichtungsspezialisierung innerhalb der Kriminal-
polizeilichen Analyse auf die Innovations- und Lernfähigkeit der Mitarbeiter kom-
pensiert nach Einschätzung befragter Experten des Bundeslandes B die Dynamik
in diesem Arbeitsbereich. Im Zusammenhang mit der Kriminalpolizeilichen Aus-
wertung wird hingegen gerade die Objektspezialisierung von Auswertung und Er-
mittlung als förderlich für Innovations- und Lernfähigkeiten erkannt.
Befragte Experten beider Bundesländer erkennen auch hinsichtlich der Steigerung
der Innovations- und Lernfähigkeit negative Auswirkungen durch Entscheidungs-
zentralisation. Die mehrfach beschriebenen langen Entscheidungswege begrenzen
die Kreativität der Mitarbeiter durch fehlende Ressourcen, durch Fremdbestim-
mung und rechtliche Rahmenbedingungen. Dabei wird gerade die Kriminalpoli-
zeiliche Analyse als Tätigkeitsbereich erkannt, der Kreativität der Mitarbeiter un-
bedingt erfordert und ermöglicht.
124 Florian Buchheit

6.3.11 Auswirkungen auf Stakeholder


Die Auswirkungen auf die Stakeholder durch die jeweilige Organisationsstruktur
sehen die befragten Experten als heterogenes und schwieriges Feld an. So bewe-
gen sich Anforderungen interner und externer Stakeholder in Teilen diametral un-
tereinander bzw. diametral zu verfügbaren Ressourcen. Übereinstimmend führen
befragte Experten beider Bundesländer an, dass die tatsächlich vorherrschenden
Umweltbedingungen innerhalb und außerhalb der Polizei zu sehr komplexen Auf-
gabenerwartungen seitens der Stakeholder führen, denen nur durch eine grund-
sätzliche Spezialisierung zu begegnen sei. Nach dieser Einschätzung führt die
hochgradige Spezialisierung insgesamt zu einer Professionalisierung, die standar-
disierte und qualitätsgesicherte Produkte gewährleistet. Darüber hinaus führt die
Spezialisierung auch zu einer stärkeren Automatisierung, wodurch die Wünsche
nach Qualitätssteigerungen sowie Kosten- und Zeitersparnissen der Stakeholder
berücksichtigt werden können. Experten des Bundeslandes B sehen im Bereich
der Analyse die Notwendigkeit einer Verrichtungsspezialisierung, um die Anfor-
derungen der Stakeholder erfüllen zu können. Gleichwohl weisen einige Experten
darauf hin, dass gerade die hochgradige Spezialisierung nach Verrichtungen das
gegenseitige Verständnis zwischen Auftraggeber und -nehmer absenkt, da das je-
weilige Tätigkeitsfeld der Partner nicht mehr durchdrungen wird. Hier gilt es nach
deren Einschätzung, durch entsprechende Kommunikationsmaßnahmen entgegen-
zuwirken. Ein Experte des Bundeslandes B verweist in diesem Zusammenhang
auf einen Vorteil der Objektspezialisierung in der Kriminalpolizeilichen Auswer-
tung für Stakeholder durch eine mögliche SPOC-Funktion der Sachbearbeiter. Ein
Experte des Bundeslandes A sieht Vorteile der Projektarbeit zur Kompensation
der Verrichtungsspezialisierung in Innovationsprozessen durch höhere Flexibili-
tät, eine stärkere Fokussierung, geringere Fremdsteuerung, einen hohen Grad ge-
regelter Kommunikation und Interaktion und Zwischenberichte zur Sicherung der
Interessen des Auftraggebers.
Experten beider Bundesländer begrüßen im Bereich operativer Analyse- und Aus-
werteprodukte eine Entscheidungsdezentralisation zumindest auf die operative
Führungsebene der Kommissariats- und Dezernatsleiter, um zeitnahe und zielge-
richtete Serviceleistungen im Sinne der Stakeholder zu ermöglichen. Gleichwohl
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 125

wird auch in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit einer Entscheidungs-


zentralisation verwiesen, wenn Priorisierungsentscheidungen bei gleichen Vo-
raussetzungen aufgrund fehlender Ressourcen getroffen werden müssen.
Übereinstimmend sehen die Experten auch die räumliche Nähe der Kriminalpoli-
zeilichen Analyse und Auswertung zu den Kunden als zwingend wichtige Voraus-
setzungen für die Partizipation der Stakeholder. Dabei ist auffällig, dass das Er-
fordernis dieser räumlichen Nähe insbesondere bei Kernprozessen (operative/stra-
tegische Auswertung und Analyse) und weniger bei Innovationsprozessen (z. B.
Entwicklung von Werkzeugen und Produkten zur Vereinfachung und Automati-
sierung) als notwendig eingeschätzt wird.

7 Cybercrime im weiteren Sinne – Übertragbarkeit der


Ergebnisse

7.1 Prozessanalyse
Ein Abgleich der Begriffsverständnisse zur Kriminalpolizeilichen Analyse und
Auswertung im Allgemeinen und unter Berücksichtigung des Deliktsfeldes Cy-
bercrime i. w. S. offenbart eine grundsätzliche Übereinstimmung der Rahmenbe-
dingungen. Insbesondere in Feststellungen zum technischen Schwerpunkt der
Analyse, zum phänomenologischen Bezug der Auswertung sowie zum hohen
Grad an Interdependenz der beiden Tätigkeitsfelder finden sich deckungsgleiche
Einschätzungen. Überwiegend wird zudem die Notwendigkeit einer Definition der
Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung gesehen. Auch die ermittelten
Prozesse sind vergleichbar. Dabei sehen alle Experten innerhalb der Kernprozesse
signifikante Schwerpunkte im Qualitätsmanagement und in der Nachvollziehbar-
keit. Prozesse der Kriminalpolizeilichen Analyse sind demnach von einer Siche-
rung, Strukturierung und einer informationstechnischen Ergebnisableitung von
Daten geprägt. Kriminalpolizeiliche Auswerteprozesse beinhalten schwerpunkt-
mäßig eine phänomenologische Bewertung und Kontextsetzung von Daten. Die
beschriebenen Prozesse erfahren innerhalb einer Bearbeitung von Fällen der Cy-
bercrime i. w. S. vergleichbare Anwendung. Lediglich das Ausmaß bestimmter
126 Florian Buchheit

Prozessschritte, wie der Erhebung, Speicherung und Strukturierung von Daten, er-
folgen intensiver. Vor- und Nachteile der innerhalb des Bundeslandes B erhobe-
nen Verfahrensweise der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung bleiben
ebenso unter Berücksichtigung des Deliktsfelds Cybercrime i. w. S. konstant. In-
nerhalb der Gruppendiskussion ergeben sich lediglich tendenzielle Hinweise auf
eine weitere Intensivierung der Abhängigkeit von Personal- und Sachressourcen.

7.2 Übertragbarkeit der Ergebnisse


Die befragten Experten beider Bundesländer sehen eine Durchdringung aller Phä-
nomenbereiche der Kriminalität durch die Cybercrime i. w. S. Die größten Her-
ausforderungen erkennen die befragten Experten in der Anzahl der Fälle, in der zu
verarbeitenden Datenmenge, damit einhergehende Abhängigkeiten von spezifi-
schen Personal- und Sachressourcen, rechtliche Rahmenbedingungen, verschärfte
Anforderungen an die polizeiliche Performance sowie die technische Komplexität
der Materie.
Aufgrund dieser Herausforderungen sehen die Experten Bedarfe einer weiterge-
henden Spezialisierung innerhalb der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswer-
tung. Es wird erkennbar, dass dieses Deliktsfeld das Erfordernis einer Verrich-
tungsspezialisierung in der Kriminalpolizeilichen Analyse weiter verstärkt. So be-
stehen Notwendigkeiten, verschiedene Tätigkeiten in diesem Bereich, wie z. B.
eine digitale Kriminaltechnik, Anwendungsentwicklungen, Analyse- und Gut-
achtertätigkeiten abzubilden.
Für den Bereich der Kriminalpolizeilichen Auswertung im Deliktsfeld Cyber-
crime i. w. S. sehen Experten die Notwendigkeit einer phänomenologischen Be-
trachtung.
Ein Experte des Bundeslandes B erkennt auch vor diesem Hintergrund die Not-
wendigkeit einer Objektspezialisierung von Auswertung und Ermittlung. Ein Ex-
perte des Bundeslandes A sieht in diesem Zusammenhang durch projektbasiertes
Arbeiten die Ziele der Kriminalpolizeilichen Auswertung am besten erreichbar.
Insgesamt sollte die Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung, die IuK-Fo-
rensik und der Ermittlungsbereich aufgrund der Herausforderungen der Cyber-
crime i. w. S. stärker verzahnt werden. Dabei wird offensichtlich, dass die Prob-
lemstellungen der Kriminalpolizeilichen Analyse eine stärkere Nähe zu denen der
IuK-Forensik aufweisen und die Herausforderungen der Kriminalpolizeilichen
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 127

Auswertung mit denen des Ermittlungsbereiches vergleichbar sind. Gleichwohl


überschneiden sich alle Bereiche. Es wird deutlich, dass das Deliktsfeld Cyber-
crime i. w. S. die festgestellten Herausforderungen, Umstände und Lösungsmög-
lichkeiten in der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung nicht grundle-
gend verändert, sondern verstärkt und weiter dynamisiert. Hieraus resultierend se-
hen die befragten Experten beider Bundesländer die grundsätzliche Möglichkeit
einer Übertragbarkeit der zur Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung im
Allgemeinen erhobenen Erkenntnisse auf das Deliktsfeld der Cybercrime i. w. S.
128 Florian Buchheit

8 Fazit und Ausblick

„Information ist nicht gleich Wissen.“


Bereits Albert Einstein erkannte, dass eine reine Verfügbarkeit von Informationen
nicht gleichbedeutend ist mit dem Vorhandensein von Wissen. Vielmehr gilt es,
Informationen in einem Transformationsprozess handhabbar zu machen und hie-
raus einen Mehrwert zu schöpfen. Die Polizei versucht, mittels der Kriminalpoli-
zeilichen Analyse und Auswertung diesen Prozess zu gestalten und die vielfältigen
polizeilichen und nicht-polizeilichen Daten zu kombinieren, zu strukturieren und
für den eigenen Bereich zu bewerten.
Auch die Polizei der Bundesländer A und B haben sich dieser zukunftsorientierten
Aufgabe angenommen und konzeptionelle Überlegungen und Maßnahmen ange-
strebt bzw. umgesetzt. Vor diesem Hintergrund hatte diese Arbeit ihren Schwer-
punkt in einem Organisationsstrukturenvergleich beider Länder im Tätigkeitsfeld
der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung. Darüber hinaus galt es, die
gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich einer Anwendbarkeit auf den Deliktsbe-
reich Cybercrime i. w. S. zu überprüfen.
Zuvorderst hat diese empirische Analyse ergeben, dass sich die spezifischen Er-
wartungen der Stakeholder an die Polizei im Tätigkeitsfeld Kriminalpolizeiliche
Analyse und Auswertung sehr heterogen und in Teilen gegenläufig darstellen. So
reichen diese von optimierten Sach- und Personalressourcen über eine effektive
Strafverfolgung, Möglichkeiten der Beförderungen für Spezialisten im Analy-
sebereich sowie dem Wunsch nach mehr Wertschätzung bis hin zu einer möglichst
kostensparenden Aufgabenerfüllung. Derartige Anforderungen erzwingen eine
Berücksichtigung des institutionellen Organisationsverständnisses genauso wie
eine differenzierte Abwägung der Parameter Effektivität, Effizienz und Flexibili-
tät bei der Strukturierung von Aufgaben. Die untersuchten grundsätzlich divisio-
nal aufgebauten Polizeiorganisationen zeigten hierbei bereits Tendenzen zu mo-
dernen Organisationsformen wie der Prozess-, Projekt- und Teamorganisation,
wenngleich Analyse- und Auswerteprozesse in beiden Ländern keiner formellen
Definition unterliegen. Die erkannten Optimierungsvorschläge richten sich dem-
nach auch an einer stärkeren Prozessfokussierung, einer Schwerpunktsetzung in
Projekten und einer stärkeren Zusammenarbeit im Team aus. Letztlich zeigt diese
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 129

Untersuchung, dass gerade diese Ansätze die Organisation in die Lage versetzen,
die spezifischen Nachteile der möglichen organisationalen Gestaltungsparameter
bestmöglich auszugleichen und deren Vorteile optimal zu nutzen.
Der Organisationsstrukturenvergleich ergab, dass die Kriminalpolizeiliche Ana-
lyse in beiden Ländern einen hohen Grad der Spezialisierung (Verrichtungsspezi-
alisierung) aufweist. Im Bereich der Kriminalpolizeilichen Auswertung hingegen
zeigten sich Unterschiede zwischen den Organisationen. So gestaltet Bundesland
A die Kriminalpolizeiliche Auswertung in bestimmten Phänomenbereichen ver-
richtungsspezialisiert. Bundesland B strukturiert diesen Bereich grundsätzlich im
Sinne einer Objektspezialisierung. Es lässt sich resümieren, dass in Bundesland A
diese Organisationsstrukturen bereits konzeptionell hinterlegt sind. Vor dem Hin-
tergrund der erhöhten Komplexität erscheinen jedoch eine konzeptionelle Ausdif-
ferenzierung von Stellen, Aufgaben, Produkten sowie die Notwendigkeit einer
landesweiten Definition der Tätigkeitsbereiche und deren praktische Umsetzung
zielführend.
Die Untersuchung hat im Kern ergeben, dass keine bestimmte Organisationsstruk-
tur besser geeignet für die Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung er-
scheint. Vor- und Nachteile zeigten sich bei beiden Polizeiorganisationen. Alle
Untersuchungsparameter stehen in enger Verbindung miteinander und beeinflus-
sen sich gegenseitig. Insoweit sind diese Gestaltungsparameter einzelne Stell-
schrauben, um die Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung zu optimieren
und als Prozessorganisation in die polizeilichen Abläufe zu integrieren. So erfor-
dert die Entscheidung, einen bestimmten Tätigkeitsbereich verrichtungs- oder ob-
jektspezialisiert zu organisieren, geeignete Kompensationsmaßnahmen. Diese
sollten an den organisationstheoretischen Effektivitätskriterien ausgerichtet wer-
den.
Insgesamt wurden in dieser Arbeit zehn Effektivitätskriterien mit Strukturierungs-
parametern der Spezialisierung, der Delegation sowie der Koordination abgegli-
chen. Überdies konnte neben diesen organisationstheoretisch fundierten Parame-
tern auch die von den befragten Experten als relevant eingeschätzte räumliche
(De-)Zentralisation auf deren Auswirkungen auf die Effektivitätskriterien unter-
sucht werden. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Komplexität eines
130 Florian Buchheit

Tätigkeitsfeldes über Art und Grad der Strukturierungsparameter entscheiden


sollte.
Die Verrichtungsspezialisierung des hoch komplexen Bereichs der Kriminalpoli-
zeilichen Analyse wirkt sich in beiden Bundesländern positiv auf die Effektivitäts-
kriterien aus. Die Effekte einer Strukturierung der Kriminalpolizeilichen Auswer-
tung im Sinne der Verrichtungsspezialisierung zeigen sich hingegen heterogen.
Insgesamt kann jedoch konstatiert werden, dass bei zunehmender Komplexität ei-
ner Auswerteaufgabe die Verrichtungsspezialisierung Vorteile auf die Effektivi-
tätskriterien entwickelt. Bei einfachen Auswerteaufgaben bietet sich hingegen e-
her eine Objektsspezialisierung an.
Innerhalb der Kernprozesse der Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung
wirkt sich eine Entscheidungsdezentralisation offensichtlich vorteilhaft auf die Ef-
fektivitätskriterien aus, so z. B. durch eine Minimierung der Durchlaufzeiten oder
eine stärkere Kundennähe. Bei den Supportprozessen bestehen sowohl bei einer
Entscheidungszentralisation als auch bei einer -dezentralisation Vor- und Nach-
teile. Verkürzte Entscheidungswege bei einer Entscheidungsdezentralisation ste-
hen Insellösungen im Bereich technischer Rahmenbedingungen entgegen. Inso-
weit erscheint eine Entscheidungszentralisation aufgrund festgestellter Vorzüge
auf die Effektivitätskriterien angebracht. Erkannte Nachteile dieser Verantwor-
tungsregelung sollten durch Möglichkeiten einer verbindlichen Beratungs- und
Mitwirkungsleistung der operativen Ebene oder einer direkten Angliederung der
operativen Arbeitsbereiche an höhere Hierarchieebenen kompensiert werden.
Innerhalb der Empirischen Untersuchung zeigten sich ebenso Vorteile auf die Ef-
fektivität bei einer räumlichen Zentralisation im Rahmen der Verrichtungsspezia-
lisierung. So ermöglicht diese eine optimale Ausnutzung der Spezialisierungsvor-
teile in diesem komplexen Themenfeld (z. B. Teamarbeit, effiziente Ausnutzung
kostenintensiver Sachressourcen). Tendenziell zeigen räumlich zentralisierte Ar-
beitsbereiche sowohl in Bundesland A als auch in Bundesland B eine bessere Per-
sonal- und Sachausstattung. Die räumliche Nähe verrichtungsspezialisierter Aus-
wertebereiche kompensiert zudem festgestellte Nachteile dieser Organisations-
struktur, so z. B. die thematische Trennung von Ermittlungen und Auswertung.
Die Objektspezialisierung der Auswertung und die damit einhergehende räumli-
che Dezentralisation entwickeln demgegenüber Vorteile wie eine starke Kunden-
nähe.
(De-)Zentralisation in der Polizeiorganisation 131

Eine konzeptionelle Unterlegung sowie der hohe Grad der Verrichtungsspeziali-


sierung führen in Bundesland A zu einer Minimierung von Koordinationsnotwen-
digkeiten. Eine effektive Koordination durch Programme und Selbstkoordination
wird hierdurch gewährleistet. Diese Effekte zeigen sich tendenziell auch in Bun-
desland B. Der Einsatz akademischer Fachkräfte im Bereich der Kriminalpolizei-
lichen Analyse ermöglicht hierbei eine effektive Selbstabstimmung durch Profes-
sionalisierung.
Im letzten Schritt zielte die Arbeit auf die Prüfung einer Übertragbarkeit der ge-
wonnenen Erkenntnisse zur Kriminalpolizeilichen Analyse und Auswertung auf
Cybercrime i. w. S. ab. Ob der phänomenologischen Vielfalt und der deliktischen
Verquickung des Phänomenbereichs kann deutlich konstatiert werden, dass eine
solche Übertragbarkeit gegeben ist. Erkannte Herausforderungen der Kriminalpo-
lizeilichen Analyse und Auswertung sind mit denen der Cybercrime i. w. S. ver-
gleichbar. Ebenso stehen entsprechende Lösungsmöglichkeiten kausal zueinan-
der. Eine optimierte Kriminalpolizeiliche Analyse und Auswertung wird prognos-
tisch auch zu einer verbesserten Bekämpfung der Cybercrime i. w. S. führen. Hier-
für notwendig sind effektive, effiziente und flexible Organisationsstrukturen in
beiden Arbeitsbereichen, die auch zukünftig massive Investitionen erfordern. Nur
hierdurch kann diesem chamäleonartigen Deliktsfeld wirksam begegnet werden.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass beide Bundesländer in der Kriminalpolizei-
lichen Analyse und Auswertung sowie im Deliktsfeld der Cybercrime i. w. S. ver-
gleichbaren Herausforderungen unterliegen. Lösungsmöglichkeiten sind vor dem
Hintergrund organisationstheoretischer und empirisch nachgewiesener Erforder-
nisse auszurichten. Zukünftig wird diesen massiven Herausforderungen nur mit-
tels einer gemeinsamen und koordinierten Vorgehensweise effektiv zu begegnen
sein.
132 Florian Buchheit

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Der Autor
Florian Buchheit, M. A.
Polizei Rheinland-Pfalz
135

Change Management bei der Polizei: Wie lassen sich


Wandelhemmnisse bei Reorganisationsmaßnahmen überwinden?

Tom Pisecky

Inhaltsübersicht
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen und Stand der empirischen Forschung
2.1 Organisationaler Wandel im Verständnis dieses Beitrages
2.2 Der Begriff der Organisation
2.3 Das Wandelformat Reorganisation
2.4 Gegenstand und Zielsetzung des CM
2.5 Widerstand dem organisationalen Wandel gegenüber
2.6 Das Change Element Partizipation
2.7 Der Faktor Kommunikation im Veränderungsprozess
2.8 Organisationaler Wandel in Polizeiorganisationen
3 Vorgehensweise und Methodik
3.1 Datenerhebung und -auswertung
3.2 Leitfadengestützte Experteninterviews
3.3 Qualitative Inhaltsanalyse
4 Darstellung und Interpretation der Interviewergebnisse
4.1 Diskussion der Interviewbefunde
4.2 Widerstände gegenüber dem Wandel
4.3 Maßnahmen der Partizipation der MA im Wandel

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
R. Ritsert und A. Vera (Hrsg.), Management und Organisation in der Polizei,
Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29053-5_4
136 Tom Pisecky

4.4 Die Kommunikationsarchitektur im Wandel


4.5 Best Practice für künftige Reorganisationsmaßnahmen
5 Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
Change Management bei der Polizei 137

1 Einleitung

Der Erfolg oder Misserfolg einer Organisation wird zunehmend abhängig von ih-
rer Fähigkeit zum organisationalen Wandel respektive von der erfolgreichen Ge-
staltung organisationaler Veränderungen sein. Das erfolgreiche Management von
Reorganisationsvorhaben wird hierbei eine maßgebliche Rolle spielen. Einem
Aphorismus Henry Fords gelingt sehr pointiert die Beschreibung des Spannungs-
feldes, in dem sich Organisationen und ihre MitarbeiterInnen (MA) gegenwärtig
befinden sowie absehbar weiterhin befinden werden:
„If you always do what you’ve always done, you will always get
what you’ve always got.“176
Dem Diktum Fords folgend, lässt sich konstatieren, dass sich die Polizei – wie
auch andere Organisationen – einer hohen Umweltdynamik gegenüberstehen
sieht. Die sogenannten Megatrends Globalisierung der Arbeitswelt, zunehmende
Konnektivität und demografischer Wandel werden dabei durch kulturelle sowie
gesellschaftliche Umbrüche flankiert.177 Für diese veränderten Anforderungen
sind die Rahmenbedingungen einer „digitalen Transformation“178, einer ubiquitä-
ren Diskontinuität sowie die Notwendigkeit eines umfassenden Informations- und
Datenmanagements prägend und gewinnen exponentiell an Bedeutung. 179 Aus
dieser beschleunigten Entwicklung des Organisationsumfeldes erwächst die es-
sentielle Herausforderung einer hohen Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft
der Organisation sowie folglich auch der Mitglieder der Organisation180. Dem Ein-
flussfaktor Mensch kommt mithin eine exponierte Bedeutung zu.
Neben dieses ubiquitäre Phänomen der Imponderabilität und Volatilität treten mit
Blick auf die Polizei die besonderen Herausforderungen aufgrund der handlungs-
leitenden phänomenologischen Entwicklungen des internationalen Terrorismus,

176
Henry Ford (1863 – 1947).
177
Vgl. Loeffelholz (2011): S. 34 ff.; vgl. Naisbitt (2015): S. 5; vgl. IBM (2014): S. 2 f.
178
Der Begriff adressiert die Veränderungen infolge einer rasanten technologischen Evolution.
Vgl. Capgemini (2016): S. 2 f.
179
Vgl. Siller (2017): S. 639 f.; vgl. Krüger (2014a): S. 15 f.; vgl. Capgemini (2016): S. 2 f.;
vgl. IBM (2014): S. 2 f.
180
In der Lesart dieser Arbeit umfasst der Begriff Organisationsmitglieder sowohl MA als auch
Führungskräfte unterschiedlicher Hierarchieebenen.
138 Tom Pisecky

der Organisierten Kriminalität, der Flüchtlingsströme sowie der Cybercrime


hinzu. Hieraus resultiert die Notwendigkeit der Anpassungsfähigkeit der eigenen
Organisation an die vorgenannten Rahmenbedingungen, um Ressourcen bestmög-
lich zu nutzen und Arbeitsprozesse zu optimieren. 181 Organisationen müssen sich
dabei möglichst schnell durch organisationale Veränderungen auf ihre Umwelt
einstellen. Gleichzeitig werden die Organisationsmitglieder mit den Herausforde-
rungen eines beständigen Wandels konfrontiert. Nur eine Organisation, die den
fortwährenden Wandel gemeinsam mit ihren Mitgliedern flexibel und schließlich
erfolgreich gestaltet, kann in dieser Dynamik reüssieren.182 Hierbei stellt – neben
der Identifizierung der optimalen Strategie – insbesondere die Implementierung
derselben eine zentrale Herausforderung der Führungskräfte dar.183 Dies gilt umso
mehr für die Organisation der Polizei und ihre Führungskräfte. Zum einen wird
der Polizei als öffentliche Verwaltungsbehörde in Teilen ein „Wandlungs- und
Flexibilitätsdefizit“184 bescheinigt.185 Zum anderen unterliegt demgegenüber ins-
besondere aber der Bereich der inneren Sicherheit einer erheblichen dynamischen
Entwicklung bei gleichzeitig hoher und vielfältiger Erwartungshaltung auf Seiten
von Politik (Stichwort: Primat der Politik), Öffentlichkeit und Medien. Allein mit
Blick auf die notwendige organisationale Realisierung der bereits geplanten sowie
darüber hinaus im gegenwärtigen Koalitionsbeschluss vorgesehenen umfängli-
chen Stellenzuwächse186 in den kommenden Jahren ergeben sich maßgebliche
Herausforderungen für die gesamte Polizei.187
Die schlaglichtartigen Ausführungen verdeutlichen, dass der erfolgreichen Gestal-
tung von notwendigen Veränderungsprozessen und hierbei der Überwindung po-
tenzieller Wandelhemmnisse eine hohe Bedeutung zukommt. Dies stellt den Kern
respektive die Intention des omnipräsenten Change Managements (CM) und

181
Vgl. Bundeskriminalamt (2016): S. 1.
182
Vgl. Vera (2015): S. 90; vgl. Krüger (2006): S. 6172.
183
Vgl. Vera (2015): S. 90 f.
184
Vera (2015): S. 90.
185
Vgl. Thom/Ritz (2006): S. 51; vgl. Müller et al. (2011): S. 211 ff.; vgl. Cohen (2017): S.
112 ff.
186
Allein der Bund beabsichtigt – gemäß dem Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode –
für den Bereich Sicherheitsbehörden zusätzliche 7.500 Stellen zu schaffen. (Vgl. Bundes-
regierung (2018): S. 123)
187
Vgl. Bundesregierung (2018): S. 123.
Change Management bei der Polizei 139

gleichzeitig auch die Zielsetzung dieses Beitrages dar. Die Relevanz der Ausei-
nandersetzung mit potentiellem Widerstand aus den Reihen der Organisationsmit-
glieder verdeutlichen einschlägige Studien, die bisweilen Veränderungsprojekten
eine tendenziell als gering zu bewertende Erfolgsquote attestieren.188 Eine europa-
weite Studie des Beratungsunternehmens Mercuri Urval konstatiert bei internen
Veränderungsprojekten einen Zielerreichungsgrad von lediglich 66 Prozent sowie
Produktivitätsverluste während des Wandelprozesses von 43 Prozent.189 Wenn-
gleich die Zahlenbasis nicht dem öffentlichen Sektor entspringt 190, so zeigt sich
eindrucksvoll, dass die erfolgreiche Gestaltung von bedeutsamen Change Prozes-
sen mitnichten als trivial zu bezeichnen ist. Die grundlegende Klassifikation als
gewichtige Herausforderung bei gleichzeitig geringer Erfolgsquote und eklatan-
tem Verbesserungspotential des Managements von Wandelprozessen betont eben-
falls die IBM Studie zum CM aus dem Jahr 2014.191 Zudem weisen Wandelvor-
haben als emergente Prozesse häufig unplanmäßige Verläufe auf.192
Unter Veränderungen werden in diesem Beitrag die sich aufgrund „der Entschei-
dung für eine bestimmte organisationale Strategie ergebenden Veränderungen in
der Organisation und in den Ressourcen“ verstanden. 193 Eine Studie der Bera-
tungsgesellschaft Capgemini aus 2015 zum Themenfeld CM resümiert, dass Re-
organisationen und Umstrukturierungen den hauptausschlaggebenden Anlass bei
Veränderungsprojekten194 abbilden.195 Demgemäß werden Reorganisationsmaß-
nahmen hier als eine mögliche Ausformung von Veränderung näher beleuchtet.
Die Auswahl begründet sich aus der Relevanz von Reorganisationsvorhaben für
Polizeiorganisationen sowie der Notwendigkeit der Fokussierung auf ein Wandel-
format. Die Veränderungen in Organisationen sind dabei komplexe Projekte in
denen es gilt, das Neue zu ermöglichen, aber ebenso „das zu Bewahrende nicht

188
Vgl. Capgemini (2015): S. 12; vgl. Lauer (2014): S. 47.
189
Vgl. Mercuri Urval (2012): S. 7 u. 10.
190
Teilnehmer der Studie waren Manager kleinerer und mittelständischer Privatunternehmen
(50–500 Beschäftige). (Vgl. Mercuri Urval (2012): S. 2).
191
Vgl. IBM (2014): S. 2 ff.
192
Vgl. Krüger (2006): S. 6173; vgl. Schirmer (2006): S. 5001.
193
Siller (2017): S. 642.
194
Die Studie spricht von einem Reorganisationshintergrund bei 35 Prozent der Veränderungs-
projekte. (Vgl. Capgemini (2015): S. 12)
195
Vgl. ebd.: S. 11 f.
140 Tom Pisecky

[zu] beschädigen“196. Die Notwendigkeit der erfolgreichen Gestaltung stetiger


Veränderung wird durch ein Bedürfnis der Organisationsmitglieder nach Sicher-
heit und Kontinuität kontrastiert.197 In diesem Zusammenhang kommt den Füh-
rungskräften eine zentrale Schlüsselrolle zu.198 Sie sind hierarchieübergreifend
Vorbild, Multiplikator und Transmissionsriemen zugleich, wenn es darum geht,
die individuellen Interessen, Nöte und Ängste der MA mit den Zielen und der
(neuen) Strategie der Organisation sowie den hierfür erforderlichen Veränderun-
gen199 in Einklang zu bringen respektive Reibungsverluste durch Widerstände von
Seiten der Mitglieder der Organisation gegen die Veränderung zu vermeiden oder
zu reduzieren.200 Change Prozesse stellen mithin eine besondere Führungssitua-
tion dar.201
Eingedenk der obigen Rahmenbedingungen stellen sich zwangsläufig die Fragen:
Wie lässt sich notwendiger Wandel respektive eine erforderliche Reorganisations-
maßnahme erfolgreich implementieren? Und wie können hierbei auftretende Wi-
derstände nachhaltig überwunden werden?
Partizipative Elemente werden in diesem Kontext bisweilen als klassische Erfolgs-
faktoren des CM tituliert.202 Im Change Prozess sollen durch Maßnahmen der Ein-
bindung und Kommunikation möglichst viele MA vom Betroffenen zum Beteilig-
ten gemacht werden und hierdurch gleichsam eine Steigerung der Motivation so-
wie eine Reduzierung von Widerständen gelingen.203 Ferner intendiert die Betei-
ligung die Nutzbarmachung dezentralen Wissens für eine bessere inhaltliche Aus-
gestaltung der Veränderung.204 Eine Verantwortungsübertragung zielt auf eine
stärkere Identifikation des Einzelnen mit der Veränderung und letztlich auf das
Gelingen eines Veränderungsprojektes ab. Weiterhin kommt der „qualifizierte[n]
Kommunikation“205 im Wandel eine besondere Bedeutung im Hinblick auf die

196
Capgemini (2015), S. 12.
197
Vgl. Capgemini (2015): S. 36; vgl. Spichalsky (2016): S. 19 f.; vgl. Berner (2015): S. 163.
198
Vgl. Vera (2015), S. 90 f.; vgl. Capgemini (2015): S. 13.
199
Die Begriffe Veränderung, Change und Wandel werden nachfolgend synonym verwandt.
200
Vgl. Capgemini (2015): S. 13; vgl. Kotter (2016): S. 76 ff.
201
Vgl. Burke (2003): S. 295.
202
Vgl. Lauer (2014): S. 145.
203
Vgl. Lauer (2014): S. 71, 124–131 u. 145; vgl. Cohen (2017): S. 118 ff.
204
Vgl. Lauer (2014): S. 145; vgl. Berner (2015): S. 174 f.
205
Doppler/Lauterburg (2014): S. 368 f.
Change Management bei der Polizei 141

Einbindung der MA im Change Projekt sowie überdies hinsichtlich ihrer Gewin-


nung (individuell sowie in der Gruppe) für die Veränderung zu. 206 Kommunika-
tion ist eine maßgebliche Stellschraube respektive ein entscheidendes Führungs-
instrument (nicht lediglich) in Wandelvorhaben. 207
Der skizzierte Problemaufriss verdeutlicht die zwingende Notwendigkeit einer ret-
rospektiven Untersuchung absolvierter Veränderungsprozesse und dem hiermit
korrespondierenden Versuch der Generierung prospektiver Verbesserungspoten-
tiale für künftige Veränderungsprojekte im Allgemeinen und Reorganisationsvor-
haben im Speziellen. Dies gilt umso mehr für Polizeiorganisationen als überdies
bisher noch wenig empirisch analysiertes Anwendungsgebiet von CM. Etwaige
Charakteristika einer Polizeiorganisation sind zu berücksichtigen. Vor diesem
Hintergrund knüpft der Beitrag beispielhaft an den 2016 abgeschlossen „Strate-
gieentwicklungsprozess“208 im BKA209 an.
Unbenommen davon, dass die vielfältigen Faktoren des CM in gewisser Korrela-
tion sowie Abhängigkeit zueinander stehen210, soll im Sinne einer tiefergehenden
Analyse der Fokus bewusst lediglich auf die Schwerpunkte Kommunikation und
Partizipation – gleichzeitig bei einer weitest gehenden Ausblendung übriger Fak-
toren – gelenkt werden. Diese Einschränkung des breiten Untersuchungsfeldes
CM resultiert aus den mannigfaltigen Ursachen, Wirkungsweisen und Ansatz-
punkten bei auftretenden Wandelhemmnissen. Beide Elemente unterliegen zudem
einer gewissen Interdependenz und stellen nicht zuletzt vor diesem Hintergrund
die Untersuchungsschwerpunkte dieses Beitrages dar.211 Eine eingehende Explo-
ration der Ursachen von ggf. identifizierten Widerständen gegenüber der Verän-
derung soll nicht Zielsetzung dieses Beitrages sein, wenngleich eine zumindest
grundlegende Befassung hiermit unerlässlich ist. Ferner sind die einzelfallbezoge-
nen Hintergründe, Erfordernisse und Inhalte zurückliegender Reorganisationen
nicht Gegenstand hiesiger Untersuchung. Die Arbeit stellt vielmehr den Prozess

206
Vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 193 ff. u. 368 f.; vgl. Lauer (2014): S. 150 ff.
207
Vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 199 ff. u. 368 f.; vgl. Berner (2015): S. 165 ff.
208
Bundeskriminalamt (2016): S. 3.
209
Unter dem Rubrum Strategieentwicklungsprozess wurde zwischen Februar 2015 und Juli
2016 die organisationale Struktur des BKA für die gegenwärtigen und zukünftigen Heraus-
forderungen ausgerichtet. (Vgl. Bundeskriminalamt (2016): S. 3)
210
Vgl. Krüger (2014a): S. 28 ff.; vgl. Lauer (2014): S. 77 ff.
211
Vgl. Lauer (2014): S. 150 ff.; vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 193.
142 Tom Pisecky

ihrer Umsetzung im Wege des CM in den Mittelpunkt. Dies adressiert nicht zuletzt
die definitorische Eingrenzung des Begriffs, welcher die „speziellen Manage-
menttechniken, die zur Steuerung der Prozesse im Rahmen von Wandel selbst er-
forderlich sind“212 umfasst.
Intention des Beitrages ist, dass sich im Sinne eines ‚Lessons learned‘ ggf. aufge-
zeigte Verbesserungspotentiale in kommenden Veränderungsprojekten verwen-
den lassen. Eine nachhaltig erfolgreiche und die MA ‚mitnehmende‘ Gestaltung
ubiquitärer Veränderungsbemühungen bedarf nicht zuletzt steter Evolution. Ziel-
setzung müssen elaborierte Prozesse des Managements von notwendigen und häu-
fig zeitkritischen Veränderungen sein.

2 Theoretische Grundlagen und Stand der empirischen


Forschung

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den grundlegenden Begriffsbestimmungen


zum besseren Verständnis des Beitrages und gibt eine Einführung in das Themen-
feld CM.

2.1 Organisationaler Wandel im Verständnis dieses Beitrages


Zuvorderst bedarf es einer begrifflichen Luzidität des hier verwandten Terminus
organisationaler Wandel. Die Begrifflichkeit beschreibt Veränderungen für eine
Organisation, die es (erfolgreich) zu bewältigen gilt. 213 Wandelvorgänge weisen
dabei eine ungemeine Vielschichtigkeit auf, weshalb nicht lediglich von einem
Planungsproblem („Frage konsequenter Anweisungen“214) sondern vielmehr von
einem „eigenständigen Problem“215 gesprochen werden muss, welches sinnfällig
spezifische Methoden und Konzepte zu seiner Lösung einfordert.216 Wandel lässt
sich dabei unter anderem in zwei Dimensionen, namentlich in „episodischen und

212
Lauer (2014): S. 3 f.
213
Vgl. Schreyögg (2016): S. 203.
214
Ebd.: S. 203.
215
Ebd.: S. 203.
216
Vgl. ebd.: S. 203
Change Management bei der Polizei 143

kontinuierlichen Wandel“217, differenzieren. Episodischer Wandel meint Verän-


derungen, die „eher selten, zeitlich begrenzt und geplant“218 erfolgen. Wandel wird
demgemäß als „vorübergehende Unterbrechung […] einer ansonsten stabilen“ 219
Organisation verstanden. Auf eine punktuelle Phase der Veränderung folgt stets
eine Phase persistenter Konvergenz, in welcher lediglich geringfügige Verände-
rungen stattfinden.220 Episodischer Wandel besitzt einen definierten Beginn sowie
ein bestimmbares Ende.221 Die skizzierte Einordnung von organisatorischem
Wandel als episodischen Wandel wird indes in der Literatur mit dem Verweis auf
die Notwendigkeit konsekutiver Anpassungsbemühungen von Organisationen
kontrovers diskutiert.222 In Kontrastierung hierzu wird kontinuierlicher Wandel
durch „kumulative und emergente Veränderungen, die sich oft kaum merklich
vollziehen“223 charakterisiert. Hierbei resultieren die Veränderungen aus der All-
tagsorganisation bzw. ihrer Umwelt heraus.224 Organisationaler Wandel wird als
fortlaufender und dynamischer Prozess verstanden. 225 Anfangs- und Endpunkte
diverser Wandelphasen überlappen sich im Zuge unablässiger Problemlösungs-
prozesse und sind mithin nicht länger klar definiert.226 Dies adressiert die in der
Einleitung dieses Beitrages aufgezeigten Anforderungen einer komplexen, dis-
kontinuierlichen und dynamischen Organisations-umwelt. Für die hiesige Analyse
erscheint eine eindeutige Abgrenzung indes nicht trivial. Die Untersuchung der
Gestaltung von organisationalem Wandel in einer Polizeiorganisation und in die-
sem Zusammenhang die Identifizierung von Möglichkeiten der Überwindung von
organisationsinternen Widerständen gegen selbigen, bedingt die Heranziehung ei-
nes konkreten, ausschnitthaften Veränderungsprozesses. Der hier beispielhaft her-
angezogene disponierte Reorganisationsprozess wurde durch die Behördenleitung

217
Gergs (2016): S. 33; Schreyögg (2016): S. 212 ff.
218
Gergs (2016): S. 33.
219
Schreyögg (2016): S. 212; vgl. Schreyögg/Noss (2000): S. 42 f.
220
Vgl. Schreyögg (2016): S. 212 f.; vgl. Schreyögg/Noss (2000): S. 35 ff.
221
Vgl. Gergs (2016): S. 33.
222
Vgl. Schreyögg (2016): S. 213 f.; vgl. Vera (2015): S. 97 f.; vgl. Frei et al. (1996): S. 139.
223
Gergs (2016): S. 34.
224
Vgl. ebd.: S. 34.
225
Vgl. Schreyögg (2016): S. 213; vgl. Schreyögg/Noss (2000): S. 55; vgl. Jacobs et al. (2013):
S. 773.
226
Vgl. Schreyögg (2016): S. 213; vgl. Schreyögg/Noss (2000): S. 42; vgl. Doppler et al.
(2017): S. 5 ff.
144 Tom Pisecky

in Gang gesetzt und wies einen expressis verbis determinierten Beginn sowie ei-
nen avisierten Endpunkt auf, weshalb auch von einem episodischen Wandel ge-
sprochen werden kann. Gleichfalls stellt die erfolgte Reorganisation keinen apo-
diktischen Abschluss notwendiger Veränderungen dar und verfolgte auch explizit
nicht diesen Anspruch. Im Ergebnis wird hier dem Verständnis eines „permanen-
ten organisatorischen Wandels“227 gefolgt, jedoch ein episodischer Veränderungs-
ausschnitt einer Organisation analysiert.

2.2 Der Begriff der Organisation


Der Terminus Organisation unterliegt einer gewissen Ambivalenz. Die Grundlage
dieses Beitrages bildet der institutionelle Organisationsbegriff, welcher das betref-
fende System in Gänze erfasst.228 Schreyögg konstatiert die Orientierung an klar
festgelegten Zielen, die materielle Basis, die formelle Struktur 229, die Einrichtung
auf Dauer und schließlich ein Vorhandensein von expliziten Grenzen als basale
Merkmale einer Organisation.230 Die Begrifflichkeit geht dabei über die „geplante
Ordnung der Organisation“231 hinaus und inkludiert „ungeplante [respektive] in-
formelle“232 Gesichtspunkte einer Organisation, die überdies in der öffentlichen
Verwaltung eine wesentliche Bedeutung einnehmen können.233

2.3 Das Wandelformat Reorganisation


Der Terminus Reorganisation beschreibt ein mögliches Format des organisationa-
len Wandels.234 Reorganisationen (oder Restrukturierungen) adressieren eine Ver-
änderung der Strukturen und Prozesse sowie der hierin applizierten Ressourcen

227
Schreyögg/Noss (2000): S. 49.
228
Vgl. Vera (2015): S. 26 f.; vgl. Schreyögg/v. Werder (2006): S. 4143 ff.
229
Dabei stellt er auf funktionale Zuständigkeiten, verbindliche Aufgabenteilung sowie hierar-
chische Macht- und Kontrollbefugnisse ab. (Vgl. Schreyögg (2008): S. 4 ff.).
230
Vgl. Schreyögg (2008): S. 4 ff.; vgl. Vera (2015): S. 26 f.
231
Vera (2015): S. 27.
232
Ebd.: S. 27.
233
Vgl. Vera (2015): S. 27; vgl. Schreyögg/v. Werder (2006): S. 4145 f.
234
Aus der Vielfalt konstituierender Hintergründe organisationalen Wandels seien beispielhaft
noch Remodellierung, Mergers and Acquisition und Kostensenkungsprogramme zu nennen
(Vgl. Capgemini (2015): S. 12; vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 3 f.; vgl. Schirmer (2006): S.
4996), wenngleich Reorganisationen den Löwenanteil ausmachen. (Vgl. Capgemini (2015):
S. 11 f.).
Change Management bei der Polizei 145

und Systeme in Organisationen, „um Effektivität und Effizienz zu steigern“ 235.


Beispielhaft lassen sich hier Verbesserungen der Abläufe sowie Veränderungen
der Aufbauorganisation benennen.236 Vahs und Weiand attestieren diesem Verän-
derungsformat eine gewisse Kurzlebigkeit, weshalb Reorganisationen häufig ite-
rativ verlaufen.237

2.4 Gegenstand und Zielsetzung des CM


In der Literatur existiert eine Vielzahl von Definitionen und überdies mannigfal-
tige Konzepte des CM.238 Nachfolgend wird der Versuch einer Eingrenzung un-
ternommen. CM avisiert die Umsetzung von Veränderungsvorhaben.239 Vahs und
Weiand verstehen hierunter die „Vorbereitung, Analyse, Planung, Realisierung,
Evaluierung und laufende Weiterentwicklung von ganzheitlichen Veränderungs-
maßnahmen mit dem Ziel, (eine Organisation) von einem bestimmten Ist-Zustand
zu einem erwünschten Soll-Zustand weiterzuentwickeln und so die Effizienz und
Effektivität aller […] Aktivitäten nachhaltig zu steigern“240. Rank und Scheinpflug
verdeutlichen insbesondere das Erfordernis, dass erfolgreicher Wandel durch alle
Hierarchieebenen getragen werden muss und verweisen auf das „Ziel, die Effek-
tivität und Effizienz des Veränderungsprozesses zu maximieren und die größt-
mögliche Akzeptanz der betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter zu errei-
chen.“241 Lauer wählt eine Abgrenzung zwischen Strategiebildung und Umset-
zung der gewählten Strategie. Den Fokus auf den letztgenannten Prozess richtend,
beschreibt Lauer CM als „spezielle Managementtechniken, die zur Steuerung der
Prozesse im Rahmen von Wandel selbst erforderlich sind“242. Auch wenn eine
apodiktische Abgrenzung an dieser Stelle schwer erscheint, verdeutlicht Lauer
doch, dass CM nicht die Definition des Ziels selbst sondern vielmehr die Ausge-
staltung des Wegs zur Realisierung dieses Ziels umfasst. 243 Demnach richten sich

235
Schirmer (2006): S. 4996.
236
Vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 4; vgl. Krüger (2006): S. 617; vgl. Schirmer (2006): S. 4996;
Vgl. Berner (2015): S. 163; vgl. Krüger (2014a): S. 11.
237
Vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 4; vgl. so auch Berner (2015): S. 182 f.
238
Vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 7.
239
Vgl. Spichalsky (2016): S. 9.
240
Vahs/Weiand (2010): S. 7.
241
Rank/Scheinpflug (2010): S. 18 f.
242
Lauer (2014): S. 3 f.
243
Vgl. ebd.: S. 4.
146 Tom Pisecky

die Maßnahmen des CM zuvorderst nach innen.244 Nicht zuletzt die Definition von
Rank und Scheinpflug deutet auf das Erfordernis der Bereitschaft zur Veränderung
von Seiten der Organisationsmitglieder im Rahmen eines Wandels hin245, weshalb
dieser in der Einführung angesprochene Aspekt in der weiteren Analyse invariant
aufgegriffen wird. Dem Begriffsverständnis von Vahs und Weiand folgend, unter-
gliedert sich CM in unterschiedliche Phasen.246 In der Literatur finden sich dem-
gemäß verschiedene Phasenmodelle. Schein konstatiert, dass es letztendlich
Hauptaufgabe bei Veränderungsprozessen sei, „sowohl die Angst der Mitarbeiter
vor Veränderung an sich als auch die Angst vor Kompetenzverlust […] zu berück-
sichtigen und zu bekämpfen“.247 Wenn auch in einem strengen Duktus formuliert,
so verdeutlicht dies die grundlegende Zielsetzung von CM Modellen. Die inhären-
ten Faktoren auf dem Weg zu diesem Ziel werden jedoch ebenso kontrovers dis-
kutiert wie die Begriffsdimension des CM selbst.248 Es existieren hier keine allge-
meingültigen Erfolgsfaktoren mit Alleinstellungsmerkmal, vielmehr kommt es
hier auf den konkreten Einzelfall an.249 Nichtsdestotrotz lassen sich die zentrale
Erfolgsfaktoren feststellen. Hierunter fallen unter anderem die Elemente Partizi-
pation und Kommunikation im Veränderungsprozess. 250

2.5 Widerstand dem organisationalen Wandel gegenüber


Wandelprozesse laufen in der Regel nicht schematisch-linear ab und zeitigen un-
planmäßige Verläufe, die in Teilen auch auf Widerstand der Mitglieder der Orga-
nisation gegen die in Rede stehende Veränderung zurückzuführen sind. 251 Wider-
stände sind überdies eine normale Reaktionsform in Veränderungsprozessen.252
Insbesondere das hier aufgegriffene Wandelformat der Reorganisationen ist über-
aus konfliktär.253 Erhebliche Verzögerungen dringlicher Veränderungen oder gar

244
Vgl. ebd.: S. 4.
245
Vgl. Spichalsky (2016): S. 12; vgl. Greif et al. (2004): S. 196.
246
Für die hiesige Betrachtung ist der vollumfängliche Prozess und mithin die u. a. von
Rank/Scheinpflug aufgeführten Phasen der „Planung, Implementierung, Kontrolle und Sta-
bilisierung“ (Rank/Scheinpflug (2010): S. 18 f.) von Relevanz.
247
Schein (2009): S. 45.
248
Vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 7 f.
249
Vgl. Doppler et al. (2017): S. 10 f.
250
Vgl. Lauer (2014): S. 121 ff.; vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 8; vgl. Doppler/Lauterburg
(2014): S. 192 f. u. 199 f.; vgl. Reiß/Spejic (2008): S. 61.
251
Vgl. Jacobs et al. (2013): S. 773.; vgl. Lauer (2014): S. 47.
252
Vgl. Groth (2013): S. 95 u. 108 f.; vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 354 u. 363.
253
Vgl. Berner (2015): S. 183.
Change Management bei der Polizei 147

das Konterkarieren der Umsetzungsziele können das Ergebnis sein. 254 Die Gefahr
der Einbuße eng bemessener Zeit, wichtiger Ressourcen sowie insbesondere der
potentiellen positiven Erträge der Veränderung geht mit jedem Wandel einher.
Lauer konstatiert erschwerend, dass bisweilen keine „gravierenden Gründe“255 für
Widerstand gegeben sein müssen und eben gerade dieser „erklärungsbedürftige
Widerstand“256 maßgeblich für die Gestaltung eines Veränderungsprojektes ist, da
dieser zum einen schwerer zu prognostizieren und zum anderen der Umgang hier-
mit diffiziler erscheint.257 Diesen Aspekt aufgreifend, lässt sich feststellen, dass
Mitglieder der Organisation den Wandel ungleich schnell und intensiv durchlau-
fen. Inwieweit eine Person eine ablehnende Haltung gegenüber der Veränderung
einnimmt, hängt hierbei unter anderem von der konkreten Betroffenheit im Ein-
zelfall, biografischen Hintergründen sowie der zeitlichen Frequenz zurückliegen-
der Veränderungen ab.258 Ferner durchlaufen unterschiedliche Hierarchieebenen
den Wandelprozess in differenter Form, hierfür können zum Beispiel der Zeitver-
zug der Kenntnis über den avisierten Wandel und ein inkongruentes Mitbestim-
mungs- und Gestaltungsrecht ursächlich sein.259 Die Feststellung, dass von fort-
währenden Wandelprozessen und einer gewissen Schnelllebigkeit gesprochen
werden muss, birgt überdies die Gefahr, dass gerade auch diese Häufigkeit einen
potentiellen Ablehnungsgrund darstellen kann – das negative Gefühl der Endlos-
schleife.260
Widerstand ist, der Definition von Doppler und Lauterburg folgend, dann gege-
ben, „[…] wenn vorgesehene Entscheidungen oder getroffene Maßnahmen, die
auch bei sorgfältiger Prüfung als sinnvoll […] oder dringend notwendig erschei-
nen, aus zunächst nicht ersichtlichen Gründen bei einzelnen Individuen, bei ein-
zelnen Gruppen oder bei der ganzen Belegschaft auf diffuse Ablehnung stoßen,

254
Vgl. Vera (2015): S. 92; vgl. Lauer (2014): S. 47.
255
Ebd.: S. 50.
256
Ebd.: S. 50.
257
Vgl. ebd.: S. 50.
258
Vgl. Groth (2013): S. 37 ff.
259
Vgl Groth (2013): S. 41 f.; vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 364 f.
260
Vgl. Groth (2013): S. 42 f.
148 Tom Pisecky

nicht unmittelbar nachvollziehbare Bedenken erzeugen oder durch passives Ver-


halten unterlaufen werden.“261 Der Impetus zum Widerstand gegenüber einem avi-
sierten Wandel kann dabei vielfältiger Natur sein.262 Von dieser Begriffserfassung
sind indes konstruktive Diskussionen, Alternativvorschläge respektive weiterfüh-
rende Ideen expressis verbis ausgenommen, da diese ungemein förderlich für den
Prozess und überdies unbedingt zu protegieren sind. 263
Mit Blick auf die Ursachen von Widerstand wird in der Literatur unter anderem in
objektive und subjektive Ursachen unterschieden. 264 Unter subjektivem Wider-
stand wird demgemäß verstanden, dass dieser irrational anmuten kann, da hier avi-
sierte Veränderungen keinen „unmittelbaren objektiven Nachteil für die Beteilig-
ten erkennen lassen“265. Subjektiv geprägter Widerstand umspannt dabei sowohl
in der Motivation liegende (Willensbarrieren, Akzeptanzebene) als auch in „Ent-
faltungsdefiziten“266 („bisherigen Machtverteilung“267, Normbarrieren) begrün-
dete Probleme.268 Die sogenannten Willensbarrieren rekurrieren unter anderem auf
das psychische Bedürfnis der Reaktanz, wonach Menschen danach streben, zuvor
gekannte Freiheit(en), die durch eine organisationale Veränderung eine Restrik-
tion erfahren haben, zu rehabilitieren. Auch zeigt sich bisweilen eine positive Ver-
klärung alter Bedingungen.269 Die Normbarrieren adressieren indes organisations-
kulturelle Gesichtspunkte. Unter Organisationskultur werden „kollektive Orien-
tierungsmuster mit starker Beharrungstendenz“270 verstanden. Dies induziert be-
reits eine gegen die Veränderung gerichtete Wirkrichtung der Organisationskultur
in Abhängigkeit des Umfangs der Veränderung sowie der Stärke der Organisati-
onskultur. Hinzu treten mikropolitische Interessenkonflikte. 271 Doppler und Lau-

261
Doppler/Lauterburg (2014): S. 354.
262
Vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 355 ff.
263
Vgl. Groth (2013): S. 93 f.
264
Vgl. Vera (2015): S. 92 f.; vgl. Thom/Ritz (2000): S. 9. Nachfolgend werden lediglich die
subjektiven Ursachen beleuchtet werden.
265
Vera (2015): S. 93.
266
Vgl. ebd.: S. 93.
267
Vgl. ebd.: S. 93.
268
Vgl. Vera (2015): S. 93 f.; vgl. Robbins (2003): S. 559 ff.
269
Vgl. Vera (2015): S. 94; vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 355 f.;
Vgl. Groth (2013): S. 96 ff.
270
Vera (2015): S. 94.
271
Vgl. Vera (2015): S. 94; vgl. Hauschildt/Salomo (2007): S. 199 f.; vgl. Robbins (2003): S.
563 f. u..576.
Change Management bei der Polizei 149

terburg stützen die Bedeutung subjektiv verursachten Widerstandes und konsta-


tieren, dass es sich beim Widerstand gegen sinnvoll erscheinende Maßnahmen we-
niger um sachliche Bedenken als vielmehr um Emotionen respektive Gefühle han-
delt.272 Die Hintergründe können dabei dem Betroffenen selbst unklar oder aber
ggf. aus Verlegenheit nicht vorgebracht werden. Mithin fehlt es bisweilen an einer
„logischen Verbindung zwischen Verhalten und Aussage“. 273 Mithin erscheint es
von wesentlicher Bedeutung, die unbekannte Botschaft hinter dem Verhalten zu
verifizieren und hierauf aufbauend von Organisationsseite zu handeln. 274 Ergän-
zend unterstreicht Krüger die Implikationen organisationaler Veränderungen auf
das Befinden der MA – die emotionale Dimension – wobei die soziale Komplexi-
tät in Abhängigkeit zur sachlichen Tragweite des Wandels zu sehen ist. Es stellt
sich demnach die Frage nach der persönlichen (subjektiven) Betroffenheit des Ein-
zelnen, d. h. werden positive oder negative Auswirkungen für die eigene Position
identifiziert bzw. erwartet und mit welchem Ausmaß verändert sich diese Position
zum Besseren oder Schlechteren (Veränderung der Tätigkeit, des Arbeitsortes
etc.).275 Krüger betont die prädominante Bedeutung der Berücksichtigung dieser
emotionalen Ebene im Veränderungsprojekt.276 In diesem Zusammenhang finden
sich in der Literatur sogenannte Phasen- oder Kurvenmodelle, die den Emotions-
verlauf der MA im Wandel darstellen und als Orientierungshilfe fungieren, jedoch
keinen vorgefertigten Handlungsrahmen oder Best Practice Ansatz liefern können.
Auf Basis der Untersuchungen von Kübler-Ross aus dem Jahr 1969 beispielhaft,
lässt sich konstatieren, dass Menschen innerhalb eines Veränderungsprozesses
auch einen psychologischen Prozess durchlaufen. 277 Dieser psychologische Pro-
zess verläuft in seiner Intensität unweigerlich in gewisser Korrelation zu dem Aus-
maß der tatsächlichen Veränderung. 278 Dass Organisationsmitglieder im Rahmen
einer Veränderung in der Organisation verschiedene psychologische oder emotio-
nale Phasen durchlaufen, scheint in der Literatur nahezu unumstritten, einzig die
konkreten Phasen, die zur Einordnung und Situationsbeschreibung vorgeschlagen

272
Vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 355; vgl. Robbins (2003): S. 559 f.
273
Doppler/Lauterburg (2014): S. 355 f.
274
Vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 356.
275
Vgl. Krüger (2014b): S. 35; vgl. auch Helpap/Bekmeier-Feuerhahn (2016): S. 911 f.
276
Vgl. Krüger (2014b): S. 35; vgl. auch Helpap/Bekmeier-Feuerhahn (2016): S. 911 f.
277
Vgl. Cameron/Green (2015): S. 31; vgl. Groth (2013): S. 24 f.
278
Vgl. Groth (2013): S. 37 ff.; vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 358 ff.
150 Tom Pisecky

werden sowie deren Ablauf unterscheiden sich hierbei.279 Cameron und Green
sprechen unter Verweis auf die Untersuchungsergebnisse von Kübler-Ross von
einem „psychodynamic approach“280. Sie verstehen unter diesem Schlagwort, dass
ein MA angesichts einer Veränderung seiner (Arbeits-)Umgebung mannigfaltige
psychologische Stadien evolviert und die Kenntnis hierüber von Bedeutung für die
Gestaltung von Veränderungsprojekten ist.281 Wenngleich das Ausmaß des Wi-
derstands im Wandel kein zuverlässiger Gradmesser zu sein scheint, da nicht zu-
letzt ein Fehlen von Widerstand auch Anhaltspunkt für ein gänzlich mangelndes
Commitment der Organisationsmitglieder für den Prozess sein kann.282 Wider-
stand kann nach diesem Verständnis auch eine positive Signalfunktion haben. 283

2.6 Das Change Element Partizipation


Das Diktum partizipativer Einbeziehung lautet „Betroffene zu Beteiligten ma-
chen“284. MA sollen Verantwortung im Veränderungsprozess übertragen und auf
diesem Wege eine bessere Identifikation mit den delegierten Aufgaben respek-
tive vereinbarten Zielen im Wandel erreicht werden. 285 Lauer spricht von einem
„wahrgenommenen äußeren Druck“286, der mittels partizipativer Einbeziehung
reduziert wird, indem Organisationsmitglieder nicht „mit ‚Macht‘ darauf ge-
drängt [werden]“287 eine bestimmte Einstellung oder Verhaltensweise zu interna-
lisieren.288 Partizipative Elemente stellen in der Folge eine wesentliche Kompo-
nente in Lauers CM Modell (Erfolgsfaktorenmodell289) dar.290 Durch Partizipa-
tion soll u. a. die intrinsische Motivation der MA gesteigert und dezentrales Wis-
sens nutzbar gemacht werden.291 Lauer apostrophiert dabei fünf konstituierende

279
Vgl. Groth (2013): S. 24 ff.
280
Cameron/Green (2015): S. 31.
281
Vgl. ebd.: S. 31 ff. u. 37.
282
Vgl. Groth (2013): S. 104 ff. u. 110 ff.
283
Vgl. Groth (2013): S. 111.
284
Capgemini (2003): S. 21.
285
Vgl. Lauer (2014): S. 146; vgl. Robbins (2003): S. 562.
286
Lauer (2014): S. 146.
287
Ebd.: S. 146.
288
Vgl. ebd.: S. 146.
289
Vgl. ebd.: S. 65 ff.
290
Vgl. ebd.: S. 147.
291
Vgl.. Lauer (2014): S. 146 f.
Change Management bei der Polizei 151

Kriterien zur Erreichung vorgenannter Intentionen und damit wirksamer Partizi-


pation.292 Demnach sollte partizipative Einbeziehung ernsthaft, nachhaltig, zeit-
nah, zeitgleich, zielgruppenorientiert, planvoll und ggf. unter externer Beratung
erfolgen.
Das erste Kriterium aufrichtig und nachhaltig verlangt zuvorderst unbedingte
Transparenz im Prozess. Die Intensivität der Mitwirkungsgestaltung kann dabei
variieren, muss jedoch eindeutig kommuniziert werden. Eine vollständige Partizi-
pation ist insbesondere bei größeren Organisationsformen häufig nicht tragfä-
hig.293 Das Top Management sollte den groben Rahmen bzw. eine Zielrichtung
respektive Vision vorgeben, die konkrete Ausgestaltung erfolgt indes im partizi-
pativen Dialog. Hiermit einhergehend, definieren sich Nachhaltigkeit sowie Über-
zeugungskraft durch fortlaufende Einbeziehung der MA.294 Das unmittelbar hier-
mit einhergehende zweite Kriterium ist eine zeitnahe und möglichst zeitgleiche
Einbindung aller MA.295 Zum einen schürt eine deutlich selektierende Partizipa-
tion möglicherweise Unmut sowie Gerüchte, zum anderen sind MA sowie das
mittlere Management gemäß Capgemini-Studie296 die Hauptquelle konterkarie-
renden Widerstandes.297 Die zielgruppengerechte Einbeziehung als drittes Krite-
rium adressiert die verschiedenen Hierarchieebenen sowie diversifizierten Ar-
beits- und Aufgabenbereiche einer Organisation.298 Verkürzt dargestellt, bietet
sich ein partizipativer Dialog abgestuft nach den einzelnen Bereichen der Organi-
sation zwischen nächsthöherer Hierarchieebene und den jeweiligen MA an. Dieses
abgestufte Vorgehen muss zwingend durch eine den gesamten Wandelprozess (be-
reichsübergreifend) umfassende Kommunikation flankiert werden, wobei die
Möglichkeit des Feedbacks aus der Adressatengemeinschaft gegeben sein
sollte.299 Das vierte Kriterium umschließt die vorgenannten Aspekte, indem es ei-

292
Vgl. Lauer (2014): S. 148 ff.
293
Vgl. ebd.: S. 148.
294
Vgl. Lauer (2014): S. 148 f.; vgl. Höfliger (2018): S. 16; vgl. Krüger (2014b): S. 41; vgl.
Omari/Paull (2015): S. 610; vgl. Cohen (2017): S. 115 ff.
295
Vgl. Lauer (2014): S. 149.
296
Vgl. Capgemini (2003): S. 25.
297
Vgl. Lauer (2014): S. 149; vgl. Hasanaj/Manxhari (2017): S. 16.
298
Vgl. Lauer (2014): S. 149.
299
Vgl. Lauer (2014): S. 149; vgl. Doppler et al. (2014): S. 260 ff.
152 Tom Pisecky

nen Partizipations-Plan einfordert. Möglichst frühzeitig ist eine Planung offenzu-


legen, welche determiniert, „wer, wann, in Bezug auf was inkludiert wird“ 300.
Diese Disposition muss einerseits transparent und andererseits mit Bindungswir-
kung ausgestaltet sein.301 Abschließend wird die Konsultation externer Beratung
und Expertise zur Ausformung des Partizipationsprozesses anempfohlen. Lauer
unterstreicht den Vorzug einer erfahrenen und neutralen Moderation im Prozess
bzw. die Möglichkeit der Fortbildung von Organisationsmitgliedern für eine pro-
fessionelle Prozesssteuerung.302 Zumindest einschränkend ist dieser abschließen-
den Empfehlung einer umfangreichen externen Beratung zu entgegnen, dass hier
der Eindruck entstehen kann, dass die Organisation nicht zur Bewältigung der Ver-
änderungsaufgabe fähig sei.303
Doppler und Lauterburg begreifen die Beteiligung der Betroffenen als einen
Grundsatz des Wandelmanagements in Organisationen. 304 Sie bezeichnen dabei
den Transfer konzeptionierter organisationaler Veränderungen, mithin das Reali-
sieren in der Praxis, als kritikalen Punkt eines Veränderungsprozesses. Demnach
unterliegt Gestaltung eines Wandels dem „Primat des Transfers“ 305, woraus sich
gemäß ihrer Lesart acht Prinzipien des Vorgehens zeitigen. 306 Eine dieser Maxime
adressiert die Beteiligung der Betroffenen und umfasst expressis verbis sowohl die
aktive Einbindung in die Projektarbeit als auch in die Entscheidungsvorberei-
tung.307 Drei Beweggründe unterstreichen diese herausgehobene Bedeutung parti-
zipativer Elemente für den Veränderungsprozess. Erstens verfügen lediglich die
unmittelbar Betroffenen über das notwendige Detailwissen und (er)kennen mög-
liche Fallstricke. Eine Einbeziehung dieser Überlegungen mündet in besseren
bzw. praxisgerechteren Entscheidungen. Zweitens resultiert eine aktive Beteili-
gung an der Lösungserarbeitung im weiteren Verlauf des Wandels in einem höhe-
ren Commitment für deren Umsetzung. Ziel ist also die Motivationssteigerung im
Kontext des Veränderungsprojektes. Nicht zuletzt fühlen sich MA „als Partner

300
Vgl. Lauer (2014): S. 150.
301
Vgl. ebd.
302
Vgl. Lauer (2015): S. 150; vgl. ähnlich auch Jacobs et al. (2006): S. 186.
303
Vgl. Vera (2015): S. 102 f.
304
Vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 185 f. u. 192 ff.
305
Ebd.: S. 185.
306
Vgl. ebd.: S. 185 f.
307
Vgl. Doppler/Lauterburg (2014): S. 192.
Change Management bei der Polizei 153

ernst genommen“308, was drittens zu einer besseren Identifikation mit der Organi-
sation in Gänze zeitigt.309 Eine aktive Partizipation der Mitglieder der Organisa-
tion muss nach Doppler und Lauterburg frühzeitig erfolgen, d. h. bereits zum Zeit-
punkt der Analyse der Ist-Situation. Vordergründiges Argument ist hierbei, dass
der/die Betroffene nur dann mit Überzeugung die Konsequenzen einer Verände-
rung mittragen und unterstützen kann, wenn er/sie die hierfür ursächliche Aus-
gangslage sowie Hintergründe kennt.310
Im Ergebnis ist eine Beteiligung von MA in einem Veränderungsprozess dabei
grundsätzlich in verschiedenen Ausformungen denkbar. Es lässt sich zunächst
zwischen mittelbarer und unmittelbarer Beteiligung differenzieren. Die mittelbare
Beteiligung gliedert sich in das Informieren (auch im Vorfeld) und Involvieren
(Einstellungen der MA abfragen, ernst nehmen und berücksichtigen). Unmittel-
bare Beteiligung meint indes das Verhandeln mit (Konflikte in tragbaren Konsens
überführen) und Einbinden der MA (erhalten konkrete Aufträge und werden aktiv
beteiligt). Der Einfluss der MA steigt hier stufenartig bis zu der direkten Einbin-
dung an.311 Insbesondere bei der unmittelbaren Beteiligungsform ist eine klare
Zielvereinbarung unvermeidlich, da ein Fehlen dieser im Wandel (ggf. zusätzli-
che) Unsicherheiten zeitigt. Zielvereinbarungen sollten hierbei realistisch, sinn-
voll, erreichbar, motivierend, eindeutig in ihrer Formulierung sowie kohärent zu
anderen (Organisations-)Zielen sein.312

2.7 Der Faktor Kommunikation im Veränderungsprozess


Eine Studie der Fa. IBM zur Gestaltung von Veränderungsprozessen in Organisa-
tionen aus 2014313 rekurriert neben einem „employee involvement“314 auf eine
„honest and timely communication“315 als einer der sieben wichtigsten „soft

308
Ebd.: S. 192.
309
Vgl. ebd.: S. 192.
310
Vgl. ebd.: S. 192 f.
311
Vgl. Erdmann (2000): S. 224 ff.
312
Vgl. Plog (2011): S. 83 ff.
313
Es wurden 1.400 Personen befragt, welche in ihren Unternehmen für CM zuständig sind.
(Vgl. IBM (2014): S. 1).
314
IBM (2014): S. 6.
315
Ebd.: S. 6.
154 Tom Pisecky

facts“316 Aspekte eines erfolgreichen Wandels.317 Kommunikation bildet unzwei-


felhaft ein Basiselement des Managements von Veränderungen ab.318 So stellt
Lauer fest, dass die Orientierung und Motivation der Organisationsmitglieder stets
prozessübergreifend aufrechterhalten werden muss. 319 Beispielhaft gilt es, mittels
geeigneter Kommunikation eine eindeutige Vision den Betroffenen der Verände-
rung nahezubringen.320 Gergs greift Kommunikation als ein Prinzip seines „Pro-
zesses der kontinuierlichen Selbsterneuerung“321 von Organisationen auf.322 Gergs
konstatiert, dass Organisationen, die sich „durch ein hohes Maß an Erneuerungs-
fähigkeit auszeichnen, […] eine hohe Kommunikationsdichte [auf]weisen“323. Die
MA müssen „mit den Daten und dem Wissen versorgt werden, um auch das große
Ganze in den Blick zu bekommen“324. Eine mangelnde Informationsbasis resul-
tiert indes in mangelnder Zukunftsorientierung. 325 Essentielle Führungsaufgabe ist
es demnach, die MA über die jeweilige Organisationseinheit (OE) hinaus zu in-
formieren, wobei es laut Gergs eines hierarchieübergreifenden „Kommunikations-
raumes“326 bedarf, welcher diverse Kommunikationsforen und Dialogplattformen
inkludieren muss, auf welchen die Organisationsmitglieder ein Verständnis des
notwendigen Wandels sowie eigene Ideen und Impulse entwickeln können. 327 Die
grundlegende Bedeutung der Kommunikation im Veränderungsprozess ergibt sich
mithin bereits aus ihrer Funktion als Scharnierfunktion zwischen Veränderungs-
projekt und den betroffenen OE. Im Wege der Kommunikation soll Orientierung

316
Ebd.: S. 6.
317
Vgl. ebd.: S. 6.
318
Vgl. Lauer (2014): S. 121; vgl. Berner (2015): S. 165 ff.
319
Vgl. Lauer (2014): S. 65 u. 77.
320
Vgl. Lauer (2014): S. 77 f. u. 121 ff.; vgl. Krüger (2014b): S. 41; vgl. Omari/Paull (2015):
S. 610.
321
Gergs (2016): S. 64.
322
Mit seinem Modell adressiert Gergs ausschließlich die Perspektive des „kontinuierlichen
Wandels“ und nicht den hier ebenfalls relevanten episodischen Wandel; dennoch sind seine
Überlegungen durchaus von Bedeutung für die hiesige Untersuchung. (Vgl. Gergs (2016):
S. 64 ff.).
323
Gergs (2016): S. 64.
324
Ebd.: S. 64.
325
Vgl. ebd.: S. 64.
326
Ebd.: S. 64.
327
Vgl. ebd.: S. 64 f.
Change Management bei der Polizei 155

sowie Transparenz im Prozess sowie schließlich die Überwindung von Widerstän-


den gegenüber dem Wandel erreicht werden.328 Darüber hinaus gilt es, positive
Impulse aus der Mitarbeiterschaft zu fördern.329 Unter Kommunikation soll in die-
sem Beitrag die Gesamtheit der „interpersonellen Übermittlung von Informatio-
nen bzw. von Botschaften im Rahmen von Change Prozessen“330 verstanden wer-
den. Die Kommunikation kann dabei durchaus als ‚Hauptschlagader‘ eines
Change Prozesses verstanden werden, und intendiert u. a. die „Schaffung infor-
matorischer Transparenz“331, die Impulsgebung und Nutzung dislozierten Wissens
sowie die „Verstärkung des Prozesses im Sinne positiver Rückkopplung“ 332.333
Insbesondere subjektiver Widerstand kann durch erfolgreiche Kommunikation im
Veränderungsprojekt angesprochen und im Ergebnis reduziert werden.334 Es gilt,
dem einzelnen Organisationsmitglied die Gründe für den Wandel (Vision respek-
tive Dringlichkeit) und die konkreten, individuellen Auswirkungen auf seine
Funktion sowie sein Arbeitsumfeld darzulegen und zu vermitteln. 335 Die Zielrich-
tung von Kommunikation steht indes in Abhängigkeit zu dem Stadium des Verän-
derungsprozesses.336 Darüber hinaus bedarf Kommunikation im Wandel stets auch
eines nicht zu vernachlässigenden finanziellen, personellen und zeitlichen Bud-
gets.337

2.7.1 Klassifizierung der Kommunikation


Kommunikation lässt sich in die drei Antagonismen formell & informell, symmet-
risch & asymmetrisch sowie persönlich & medial differenzieren. 338 Informelle
Kommunikation nimmt eine bedeutsame Rolle in Organisationen insbesondere in

328
Vgl. Lauer (2014): S. 121; vgl. Berner (2015): S. 166 ff.; vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 317
ff.
329
Vgl. Gergs (2016): S. 64 f.; vgl. Berner (2015): S. 166 ff.
330
Lauer (2014): S. 122.
331
Lauer (2014): S. 124; vgl. Kotter (2016): S. 73; vgl. Elving (2005): S. 131.
332
Lauer (2014): S. 124.
333
Vgl. Lauer (2014): S. 124; Lauer benennt vier Ziele, wobei hier das Ziel der Impulsgebung
und Nutzung dislozierten Wissens (partizipativ, rückkoppelnde Ebene) ergänzt wurde. (Vgl.
Gergs (2016): S. 69 ff.).
334
Vgl. Lauer (2014): S. 124; vgl. Robbins (2003): S. 562.
335
Vgl. Elving (2005): S. 131 f.; vgl. Hasanji/Manxhari (2017): S. 15.
336
Vgl. Lauer (2014): S. 127 ff.
337
Vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 320.
338
Vgl. Lauer (2014): S. 122 ff.; vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 318 f.
156 Tom Pisecky

Veränderungsprozessen ein und beschreibt all jene Kommunikation, die „außer-


halb des formellen Protokolls“339 stattfindet, mithin Kommunikationsvorgänge ab-
seits von offiziellen E-Mails, Briefen, Workshops (WS) etc., häufig unter dem
Rubrum ‚Flurgespräch‘ oder ‚Kaffee-Ecken‘.340 Informelle Kommunikationsmus-
ter341 sind ubiquitär in einer Organisation und überdies nicht zu verhindern bzw.
besteht hierzu ebenso kein zwingender Anlass. 342 Robbins unterstreicht die Be-
deutung informeller Informationskanäle und bezieht sich auf eine Studie aus 1997,
wonach 75 Prozent der Organisationsmitglieder zuerst über jene Kanäle von Neu-
igkeiten respektive wichtigen Angelegenheiten innerhalb ihrer Organisation erfah-
ren.343 Diese Kanäle der Kommunikation weisen dabei nach Robbins drei wesent-
liche Charakteristika auf. Erstens sind sie nicht durch das Management kontrol-
liert. Zweitens wird ihnen von Seiten der Organisationsmitglieder bisweilen hohes
Vertrauen geschenkt. Und drittens sind sie häufig nach eigennützigen Gesichts-
punkten ausgerichtet.344 Gerüchte entstehen insbesondere in bedeutsamen, ambi-
valenten oder unsicher wirkenden Phasen in einer Organisation.345 Aus den The-
menstellungen der informellen Kommunikation lassen sich die für die Organisati-
onsmitglieder grundlegenden Problemstellungen respektive gegenwärtig kursie-
rende Ängste herauskristallisieren. Mithin bilden sie einen unbewussten Rückmel-
dungsmechanismus und sind eine gehaltvolle Informationsquelle für das Manage-
ment.346 Im Rahmen der Umsetzung von Veränderungsvorhaben sind informelle
Kommunikationswege unbedingt einzukalkulieren und in der Kommunikations-
strategie zu berücksichtigen, dies insbesondere im Hinblick auf ein zielgerichtetes
und rechtzeitiges Erkennen von Widerständen. 347 Dabei gilt es, potentielle nega-
tive Folgen von Gerüchten einzugrenzen. Hierfür bedarf es eines offenen Diskur-

339
Lauer (2014): S. 122.
340
Vgl. Deutinger (2017): S. 84 f.; vgl. Lauer (2014): S. 122; vgl. Robbins (2003): S. 290 ff.
341
Lauer benennt zwei Zielrichtungen informeller Kommunikation. Zum einen erfolgen hier-
über Maßnahmen der informellen Einflussnahme – Stichwort: Mikropolitik. (Vgl. Vera
(2015): S. 76 ff. / 83 ff.). Zum anderen dient sie der Wissenszirkulation in der Organisation.
(Vgl. Lauer (2014): S. 122).
342
Vgl. Lauer (2014): S. 122; vgl. Robbins (2003): S. 292.
343
Vgl. Robbins (2003): S. 290.
344
Vgl. ebd.: S. 290 f.
345
Vgl. ebd.: S. 292.
346
Vgl. ebd.: S. 292.
347
Vgl. Lauer (2014): S. 122.
Change Management bei der Polizei 157

ses, der die sogenannten Worst-Case-Szenarien und potentielle Nachteile inkludi-


ert, Zeitpläne vorgibt und Entscheidungen erläutert. 348 Betrifft Kommunikation
Vorgänge mit hoher Bedeutung für weite Teile der Organisation oder gar die Or-
ganisation in Gänze, muss diese naturgemäß häufig asymmetrisch und demzufolge
nicht im persönlichen Gespräch verlaufen.349 Beispiele sind hierbei Informationen
zu der Ingangsetzung eines Veränderungsprozesses durch die Behördenleitung so-
wie die Ventilation von Besprechungsergebnissen des Top Managements einer
Organisation. Neben der zwangsläufigen asymmetrischen Kommunikation sind
innerhalb eines Change Prozesses zwingend auch symmetrische Kommunikati-
onsmuster zu bedienen. Diese Notwendigkeit normiert sich aus zwei ausschlagge-
benden Argumenten. Zum einen kann auf besagte Weise die Gefahr des Gefühls,
dass ohnehin bereits alles entschieden sei und es nur um die Umsetzung ginge,
verringert werden. Zum anderen unterliegt das symmetrische Gespräch einem ver-
gleichsweise geringerem Risiko des Missverstehens bzw. gleichsam der Möglich-
keit des Interagierens.350
Ferner verläuft Kommunikation in der Organisation bisweilen im fließenden
Übergang zwischen den Antipoden persönlich und medial.351 Hierbei wohnt der
persönlichen Kommunikation insbesondere im Hinblick auf die Überwindung
subjektiv geprägten und damit in Teilen hochemotionalen Widerstands gegenüber
einem Wandel besondere Bedeutung inne. 352 Ausgehend von der persönlichsten
Form der Kommunikation, dem „Face-to-Face-Dialog“353 eröffnet sich ein bunter
Blumenstrauß potentieller Kommunikationsmedien/-wege. Die vielfältigen Opti-

348
Vgl. Robbins (2003): S. 292.
349
Vgl. Lauer (2014): S. 123.
350
Vgl. ebd.: S. 123.
351
Vgl. ebd.: S. 123.
352
Vgl. ebd.: S. 123.
353
Ebd.: S. 123.
158 Tom Pisecky

onen gilt es gewinnbringend zu nutzen und hierbei auch interaktive Web 2.0 Kom-
munikationskanäle, wie bspw. Blogs354, (Video-)Chats, Podcasts355 etc. zu bedie-
nen.356 Mit Blick auf die Anwendung ‚neuer‘, interaktiver Medien357 resümieren
Reiß und Spejic in ihrer Studie, dass sich diese durchaus im Change Projekt als
förderlich für dessen Akzeptanz bei den Organisationsmitgliedern erweisen kann,
wobei insbesondere Wikis358 und Social-Network-Plattformen359 aufgrund ihres
interaktiven Charakters positiv hervorstechen. Dies fördert den Austausch von An-
regungen, Sorgen und Ängsten und führt bei schnellem Feedback360 zur Förderung
von Engagement und Motivation, zu einem Mehr an Partizipation im Prozess so-
wie zu der Nutzbarmachung disloziert verorteten Fachwissens. 361 Sie verweisen
allerdings auch auf Risiken respektive Schwachstellen des Einsatzes jenes Medi-
entyps mit Blick auf Kosten und Zeitdauer sowie ein geringeres Potential für
Schaffung einer Vertrauensbasis gegenüber dem persönlichen Gespräch. 362

2.7.2 Prämissen erfolgreicher Kommunikation


Insbesondere im Wandelprozess gilt es, bestimmte Kriterien viabler Kommunika-
tion im Wandel zu beachten. Lauer determiniert diesbezüglich fünf Wirksamkeits-
voraussetzungen.363 Relevante Informationen sollten zeitnah und überdies allen
Betroffenen zeitgleich zugänglich gemacht werden.364 Verzögerungen bspw. re-
kurrierend auf unterschiedliche Hierarchieebenen bergen das Risiko in sich, dass

354
Hierunter werden „journalartige geführte Aufzeichnungen von Ereignissen“ (Reiß/Spejic
(2008): S. 62) verstanden.
355
Plattform zur Einsichtnahme sowie zum Herunterladen von Audio- oder Videodateien.
(Vgl. Reiß/Spejic (2008): S. 62).
356
Vgl. Lauer (2014): S. 123; vgl. Azeem/Yasmin (2016): S. 698 f.; vgl. Deutinger (2017): S.
19 ff.
357
Die hier in Rede stehenden Medien/Kommunikationskanäle werden bisweilen als Web 2.0
bezeichnet. (Vgl. Reiß/Spejic (2008): S. 62).
358
Hierbei handelt es sich um „Internet- oder Intranetseiten, die von den Benutzern nicht nur
gelesen, sondern auch geändert werden können. Die einzelnen Seiten und Artikel können
auf einfache Weise durch Links miteinander verbunden werden“ (Reiß/Spejic (2008): S.
62).
359
Der Begriff umfasst „Webseiten und Webapplikationen, die beim Herstellen von Kontakten
nützlich sind“ (Reiß/Spejic (2008): S. 62).
360
Ein erfolgskritischer Faktor jener Kommunikationskanäle (vgl. Reiß/Spejic (2008): S. 62).
361
Vgl. Reiß/Spejic (2008): S. 63/65 f.; vgl. Azeem/Yasmin (2016): S. 698 f./701 f.; vgl.
Deutinger (2017): S. 36 ff.
362
Vgl. Reiß/Spejic (2008): S. 62, 64 u. 66.
363
Vgl. ebd.: S. 125 f.
364
Vgl. ebd.: S. 126.
Change Management bei der Polizei 159

anstelle zutreffender Informationen Gerüchte in der Organisation zirkulieren. 365


Hieraus kann unter anderem subjektiver Widerstand erwachsen. Die Informations-
und Deutungshoheit im Veränderungsprozess sind von erfolgskritischer Bedeu-
tung und ermöglichen einerseits der fundierten Argumentation in Entscheidungs-
prozessen anstatt der Relativierung bereits etablierter Gerüchtekulissen und sind
andererseits ein deutliches Zeichen der Wertschätzung. 366 Weiterhin sollte sich
Kommunikation an den jeweiligen Zielgruppen orientieren. Hierfür gilt es, die für
die jeweilige Zielgruppe zentralen Botschaften zu identifizieren, zu kommunizie-
ren und auf einen förderlichen Sprachstil zurückzugreifen. 367 Veränderungspro-
zesse und so auch Reorganisationen unterliegen einer erheblichen Dynamik, ins-
besondere in Anbetracht der konstatierten Diskontinuität des gegenwärtigen Or-
ganisationsumfeldes. Kommunikation muss in diesem Kontext zuvorderst schnell
erfolgen.368 Entscheidungen müssen zum einen mit Blick auf die intendierte Deu-
tungshoheit zeitgerecht und aktuell transparent gemacht werden. Zum anderen re-
kurriert unter anderem Kotter auf die Notwendigkeit, Erfolge umgehend sichtbar
zu machen – dies nicht zuletzt zur Förderung nachhaltiger Motivation der Organi-
sationsmitglieder.369 Hierfür sind Meilensteine oder sogenannte Key Performance
Indicators370 äußerst dienlich. Auf diesem Wege kann die Hervorhebung bereits
erfolgreicher Veränderungen respektive Zwischenschritte gelingen. 371 Ein mögli-
ches Dilemma kann aus der positiven Wirkung persönlicher Kommunikation im
Veränderungsprozess und dem Erfordernis, Kommunikation möglichst hochran-
gig zu gestalten, resultieren.372 Letzteres Kommunikationsmerkmal zielt auf die
Aspekte Wertschätzung sowie Unterstützung des Wandels durch das Top Manage-
ment ab. Eine durch die Behördenleitung getragene Kommunikation betont die
Bedeutung des jeweiligen Prozesses sowie die Glaubwürdigkeit des avisierten

365
Vgl. Lauer (2014): S. 126; vgl. Berner (2015): S. 165 ff.
366
Vgl. Lauer (2014): S. 126.
367
Vgl. Lauer (2014): S. 125.
368
Vgl. Lauer (2014): S. 126.
369
Vgl. Lauer (2014): S. 126; vgl. Kotter (2016): S. 103 ff.
370
Die Begrifflichkeit deklariert leistungs- oder erfolgsbezogene Kennzahlen, welche
herangezogen werden, um bspw. Unternehmensprozesse zu controllen. Vgl.
https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/key-performance-indicator-kpi-52670/ver-
sion-275788.
371
Vgl. Lauer (2014): S. 126.
372
Vgl. ebd.: S. 125 f.
160 Tom Pisecky

Wandels. Es liegt jedoch in der Natur der Sache, dass eine Verlinkung einer hoch-
rangigen Kommunikation mit dem persönlichen Dialog schlechterdings nicht dar-
stellbar ist, weshalb Lauer auf eine „kaskadenförmige Kommunikation“ 373 ab-
stellt.374 Kaskadenförmig meint dabei die Dissemination wesentlicher Informatio-
nen der Reorganisation auf asymmetrischen Wege von Seiten des Top Manage-
ments und hierauf aufbauend die an den OE ausgerichtete und schließlich detail-
liertere, zielgerichtete sowie nicht zuletzt persönlichere Kommunikation durch die
jeweiligen Hierarchieebenen darunter.375 Wenngleich hierbei differente Kommu-
nikationsmedien zum Tragen kommen werden (asymmetrische Kommunikation
wird sich primär Versammlungen, E-Mails, Briefe etc. bedienen), gilt es mit Blick
auf die Akzeptanz, stets Möglichkeiten des Feedbacks zu etablieren. Wie bereits
weiter oben ausgeführt, ist der Einsatz interaktiver Kommunikationskanäle (wie
bspw. Chats) hierbei prädestiniert. 376 Andernfalls droht die eingangs postulierte
Zielsetzung hochrangiger Kommunikation, also das Aufzeigen von Wertschät-
zung und Fördern von Motivation durch eingesetzte Kommunikationsmethoden,
konterkariert zu werden.
Einer elaborierten Kommunikationsarchitektur im Wandel muss folglich der in-
formatorische Spagat über diverse Hierarchieebenen und Zielgruppen hinweg ge-
lingen. Kommunikation sollte dabei zudem adäquat, nachhaltig, zeitnah und zeit-
gleich und nicht zuletzt effizient sowie bestenfalls interaktiv erfolgen. Dabei soll-
ten reziproke Kommunikationsabläufe ermöglicht sowie differenzierte Kanäle res-
pektive Medien bedient werden.377

2.8 Organisationaler Wandel in Polizeiorganisationen


Für konventionelle Propositionen des förderlichen Umgangs mit Widerstand bei
Veränderungsprojekten ergeben sich innerhalb von Polizeiorganisationen beson-
dere Hürden respektive Spezifika. Zum einen sind Bottom-up-Verfahren biswei-
len geringer verbreitet sowie aufgrund der schlichten Größe von Polizeiorganisa-

373
Ebd.: S. 126.
374
Vgl. Lauer (2014): S. 126; vgl. auch Vahs/Weiand (2010): S. 320; vgl. Deutinger (2017):
S. 85 f.
375
Vgl. Lauer (2014): S. 126; vgl. Robbins (2003): S. 294 ff.
376
Vgl. Lauer (2014).: S. 126.
377
Vgl. Vahs/Weiand (2010): S. 318; vgl. Kotter (2016): S. 76 ff.
Change Management bei der Polizei 161

tionen in der Praxis nur schwer realisierbar. Zum anderen wird ein geringerer Par-
tizipations- und Teamgedanke im Vergleich mit anderen Organisationen attes-
tiert.378 Christe-Zeyse verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass sich ma-
nagementorientierte Veränderungsintentionen und „starke Organisationskultur
[mit] ausgeprägter professionelle[r] Identität“379 konterminierend verhalten. Er re-
sümiert, dass sich bei Veränderungen innerhalb von Polizeiorganisationen mit der
Frage zu beschäftigen ist, „welche Bestandteile der Organisationskultur elemen-
tarer Bestandteil der professionellen Identität sind und welche nicht“380.381 Christe-
Zeyse führt hierbei das „Professionsparadigma“382 als handlungsleitend auf und
identifiziert zwei dominante Handlungslogiken: die Denklogiken des Einsatzge-
schehens und der polizeilichen Sachbearbeitung383. Die Aufgeschlossenheit ge-
genüber Wandel adressierend, definiert sich die Polizeiorganisation mit ihrer star-
ken Professionskultur dahingehend, dass die Qualität ihres Produktes (hier ggf. als
innere Sicherheit definierbar) entscheidend von der Professionalität und dem En-
gagement der MA abhängig ist. Hinzu kommt die Ermangelung von (ohnehin
streitbaren) Maßnahmen zur Erhöhung einer ‚Wandeldisziplin‘ wie bspw. die Dro-
hung mit der Entlassung oder die mittels monetärer Incentivierung 384 avisierte För-
derung der Motivation der Beteiligten. 385 Aus diesem Grunde präferiert Christe-
Zeyse resümierend ein „kulturkompatibles Veränderungsmanagement“ 386. Stark
verkürzt sind managerial orientierte Reorganisationen mit dem Ziel verbesserter

378
Vgl. Vera (2015): S. 96; vgl. Thom/Ritz (2006): S. 101 ff.;
Vgl. Christe-Zeyse (2007b): S. 175.
379
Christe-Zeyse (2007a): S. 60.
380
Ebd.: S. 198.
381
Vgl. Christe-Zeyse (2007b): S. 198; vgl. so auch Nixon (2015): S. 208 f.
382
Unter Paradigma versteht Christe-Zeyse „eine Konstellation von fest etablierten, allgemein
akzeptierten und bewährten Verfahrensweisen, Standards und Regeln, die für ein soziales
System […] prägend ist.“ (Christe-Zeyse (2007a): S. 62).
383
Für das BKA besitzt nach der Lesart Christe-Zeyses insb. die Denk- und Handlungslogik
der Sachbearbeitung Relevanz. (Vgl. Christe-Zeyse (2007b): S. 189 f.).
384
Unter dem Begriff werden hier Anreize, „mit denen Mitarbeiter motiviert oder belohnt wer-
den“, verstanden. Die Belohnung erfolgt dabei für eine bestimmte Leistung und fungiert als
Personalführungsinstrument.
Vgl. http://www.wirtschaftslexikon.co/d/incentive/incentive.htm
385
Vgl. Christe-Zeyse (2007a): S. 63 ff.; vgl. auch Anl. 2.8, Z. 38 ff. u. 410 ff.; vgl. Anl. 2.6,
Z. 198 ff.
386
Christe-Zeyse (2007a): S. 66.
162 Tom Pisecky

„Effizienz und Effektivität der polizeilichen Aufgabenerledigung durchaus akzep-


tanzfähig, [sofern sie das Ziel haben,] die Ergebnisse der Polizeiarbeit zu verbes-
sern“387. Voraussetzung hierfür sind ein eindeutig zu lösendes polizeiliches Prob-
lem, eine transparente Kommunikation des Ertrags der Veränderung und die Kor-
relation aus Philosophie der Veränderung und den oben skizzierten Handlungslo-
giken der Polizei.388 Christe-Zeyse konstatiert, dass möglicher Widerstand gegen
eine Veränderung in einer Polizeiorganisation „nur in zweiter Linie vom damit
verbundenen Arbeitsaufwand, […] Eingriff in die Lebensumstände oder der wahr-
genommenen Sinnhaftigkeit ab[hängt], sondern in erster Frage, ob die Verände-
rung kulturkompatibel ist“389. Innerhalb des von Christe-Zeyse attestierten Profes-
sionsparadigmas manifestiert sich überdies ein bedeutsames Bedürfnis nach
Selbstständigkeit.390 Die Proposition einer starken Organisationskultur aufgrei-
fend, konstatiert Hart partizipative Elemente in einem organisationalen Wandel
als Prämisse für dessen Erfolg in Polizeiorganisationen. 391 Eine Studie von Hirsch-
mann und Christe-Zeyse aus 2014 verweist auf die Bedeutung der zwingenden
Beachtung organisationaler, professionsgebundener und kultureller Besonderhei-
ten in Polizeiorganisationen und der hiermit verbundenen Risiken. 392 Dabei vari-
ieren die kulturellen und professionellen Paradigmen zwischen den unterschiedli-
chen Polizeibehörden sehr stark.393 Dieser Aspekt ist insbesondere auch für die
Einordnung respektive Übertragbarkeit der Ergebnisse hiesigen Beitrages von Be-
deutung. Unbenommen dieser Unterschiede gilt es, im Kontext einer Veränderung
die Notwendigkeit selbiger in polizeilicher Terminologie zu verdeutlichen.
Seeberg verweist auf eine merkliche Tragweite externer Kontexte für die Polizei-
organisation in einem Veränderungsprozess. Stakeholder aus Politik, Gesellschaft
und Öffentlichkeit wirken entsprechend ihrer jeweiligen Bedürfnislagen auf die
organisationale Veränderung einer Polizeiorganisation ein, dabei spielen bspw.
rechtliche Rahmenbedingungen, technologische Weiterentwicklungen und Migra-
tionsprozesse eine konstituierende Rolle. 394 In Ergänzung der externen Einflüsse

387
Christe-Zeyse (2007a): S. 66; vgl. ergänzend Christe-Zeyse (2007b): S. 191 u. 195 ff.
388
Vgl. Christe-Zeyse (2007a): S. 66; vgl. auch Nixon (2015): S. 206.
389
Christe-Zeyse (2006): S. 41.
390
Vgl. Christe-Zeyse (2007b): S. 189.
391
Vgl. Hart (1996): S. 217.
392
Vgl. Hirschmann/Christe-Zeyse (2016): S. 156.
393
Vgl. ebd.: S. 158.
394
Vgl. Seeberg (2008): S. 20; vgl. Müller et al. (2011): S. 212 f. u. 214 f.
Change Management bei der Polizei 163

verdeutlicht Seeberg in wesentlicher Übereinstimmung mit Christe-Zeyse die prä-


gende Wirkung interner Faktoren auf die Organisation und ihre MA im Verände-
rungsprozess. Unter die internen Kontextbedingungen fasst sie hierbei struktu-
relle, prozessuale und kulturelle Aspekte der Organisation.395 Die Polizei wird da-
bei als bürokratische Organisation verstanden, unterscheidet sich jedoch unbe-
nommen grundlegend von anderen Institutionen der öffentlichen Verwaltung. 396
„Sehr strenge hierarchische Macht- und Entscheidungsstrukturen sowie ein beson-
ders hohes Maß an Bürokratie“397 charakterisieren die Polizeiorganisation und
mithin die Führungsstile, Normen und Werte innerhalb der Institution. 398 Fuchs
konstatiert ergänzend, dass sich in der „Umorientierung auf neue Ziele, Rollen und
Werte“399 eine Gefahr für „Organisationsmitglieder eines bürokratischen Systems
[verbirgt], da bestehende Strukturen aufgebrochen werden, die bisher die Basis für
Vertrauen, Verlässlichkeit und Sicherheit darstellten“400. Er konstatiert auf Basis
empirischer Befunde, dass vor allem das Machtverhalten der Führungskräfte so-
wie eine negative Bewertung der Veränderung durch die Organisationsmitglieder
Widerstand zeitigen.401
Eine Untersuchung von Jacobs et al. an der Polizeiführungsakademie in 2005 ge-
langte zu ernüchternden Ergebnissen mit Blick auf die Veränderungsbereitschaft
in Polizeiorganisationen. So bewerteten 75 Prozent der Befragten die Verände-
rungsbereitschaft von mindestens 50 Prozent ihrer Kollegen als gering ein. Mit
diesem Ergebnis korrelierend, taxieren 90 Prozent eine hohe Veränderungsbereit-
schaft bei lediglich zehn bis maximal 20 Prozent ihrer Kollegen ein. 402 Mit Blick
auf die Erfolgsaussichten zukünftiger Change Projekte prognostizierten 25 Pro-
zent geringe Erfolgsaussichten, weitere 25 Prozent nahmen eine neutrale bzw.
leicht positive Perspektive ein und zumindest 50 Prozent bewerteten die Erfolgs-
chancen mit relativ gut.403 Im Ergebnis der Studie wird auf die Gefahren einer „self

395
Vgl. Seeberg (2008): S. 20.
396
Vgl. Christe-Zeyse (2007b): S. 192 ff.; vgl. Seeberg (2008): S. 20.
397
Seeberg (2008): S. 20.
398
Vgl. ebd.: S. 20.
399
Fuchs (2001): S. 24.
400
Fuchs (2001): S. 24.
401
Vgl. Fuchs (2001): S. 232 f.
402
Vgl. Jacobs et al. (2005): S. 319.
403
Vgl. ebd. : S. 319.
164 Tom Pisecky

fullfilling prophecy“404 aufgrund der negativen Zuschreibungseffekte seitens der


Organisationsmitglieder hingewiesen.405 Die Akzeptanz des Veränderungsprojek-
tes hängt dabei nach Ansicht von Jacobs et al. wesentlich von der Kommunikation
und Transparenz ab.406
Christe-Zeyse stellt auf die Veränderungsbereitschaft rekurrierend fest, dass Poli-
zeiorganisationen keinesfalls „veränderungsresistent“407 sind, sondern „durchaus
auch ergebnisorientierte Organisation“408 mit klarer Zielausrichtung auf die er-
folgreiche Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit.409 Die Untersuchung kon-
statierte in diesem Wandelumfeld im Wesentlichen die Erfolgsfaktoren Akzeptanz
des Change Projektes durch die MA, Unterstützung des Projektes durch die Lei-
tung sowie Kommunikation und Transparenz.410 Dies begründet sich zum einen
darin, dass das Engagement der MA von entscheidender Bedeutung für den Erfolg
oder Misserfolg einer Veränderungsmaßnahme ist und gleichzeitig erheblich von
der oben genannten Akzeptanz sowie der formellen und informellen Unterstüt-
zung durch ranghöhere Hierarchieebenen abhängig ist. 411 Als weiteren kritischen
Faktor nimmt die Kommunikation im Veränderungsprozess eine Schlüssel- und
Scharnierfunktion bei der Verdeutlichung einerseits der Erforderlichkeit des Wan-
dels und andererseits der Unterstützung des Veränderungsprojektes durch die Lei-
tung der Organisation wahr. Die Kommunikation muss dabei zielgerichtet erfol-
gen, weshalb hier die Aspekte der einschlägigen Zielgruppe, des konkreten Inhal-
tes und des richtigen Mediums ausschlaggebend sind.412 Die vorgenannten Er-
folgsmerkmale und hier insbesondere die kommunikative Initiierung und Beglei-
tung des Change Projektes sind essentielle Führungsaufgaben. 413 Ferner stützt die
Studie die weiter oben skizzierte Einordnung Christe-Zeyses, wonach Verände-
rungsprojekte eine gewisse wahrnehmbare Verknüpfung mit der polizeilichen
Aufgabenwahrnehmung in der jeweiligen Organisation aufweisen müssen, um

404
Jacobs et al. (2005): S. 319.
405
Vgl. Jacobs et al. (2005): S. 319 f.
406
Vgl. ebd.: S. 319.
407
Christe-Zeyse (2007b): S. 198.
408
Ebd.: S. 198.
409
Vgl. ebd.: S. 198.
410
Vgl. Jacobs et al. (2005): S. 331 f.
411
Vgl. Jacobs et al. (2005): S. 331.
412
Vgl. ebd.: S. 331 ff.
413
Vgl. ebd.: S. 334.
Change Management bei der Polizei 165

eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit aufzuweisen. 414 Für eine erfolgreiche Um-


setzung eines avisierten Wandels müssen die Organisationsmitglieder dessen Not-
wendigkeit anerkennen415, weshalb dem Exemplifizieren einer adäquaten Vision
(mittels Kommunikation) eine hohe Relevanz beizumessen ist.416 Der vorgenannte
Argumentationsstrang wird überdies durch die Studie von Rogiest et al. 417 ge-
stützt, welche die herausgehobene Wertigkeit pointierter und frühzeitiger Change
Kommunikation konstatieren. Dabei bewerten sie den Faktor Kommunikation als
deutlich erfolgskritischer als die Partizipation der MA.418

3 Vorgehensweise und Methodik

3.1 Datenerhebung und -auswertung


Für den vorliegenden Beitrag bildete eine qualitative Befragung flankiert durch
eine Dokumentenanalyse den methodentheoretischen Schwerpunkt der wissen-
schaftlichen Untersuchung, da hier die Meinung von Experten von besonderem
Interesse war.419 In Abgrenzung zu quantitativen Methoden war die Erhebung
nicht standardisierter Daten und deren interpretative Auswertung intendiert. Diese
Vorgehensweise eignet sich insbesondere bei noch wenig untersuchten For-
schungsfeldern.420 Zu dem Forschungsfeld CM im Rahmen von Reorganisations-
maßnahmen im Bereich der Polizei findet sich nur sehr eingeschränkt wissen-
schaftliche Literatur sowie Explorationen. Das Themenfeld wird vielmehr durch
Ausarbeitungen mit einem Fokus auf die Privatwirtschaft dominiert. Anspruch
dieser Arbeit ist es, eine möglichst realitätsnahe und kontextbezogene Abbildung
des Forschungsgegenstandes zu gewährleisten. Die qualitative Befragung wurde

414
Vgl. ebd.: S. 335.
415
Kieser et al. (1998): S. 259; vgl. Christe-Zeyse (2007b): S. 199.
416
Vgl. Hart (1996): S. 216; vgl. Krüger (2014b): S. 41.
417
Es wurden 134 belgische Polizeibeamte aus zwei Einheiten befragt, welche im unmittelba-
ren Vorfeld der Untersuchung zusammengelegt worden waren. (Vgl. Rogiest et al. (2015):
S. 1094).
418
Vgl. Rogiest et al. (2015): S. 1101 f.
419
Vgl. ebd.: S. 434 f.
420
Vgl. Mayer (2009): S. 26; vgl. Diekmann (2011): S. 33 f.
166 Tom Pisecky

in Form von halbstrukturierten leitfadengestützten Experteninterviews durchge-


führt.421 Die Interviews dienten insbesondere der unmittelbaren Gewinnung von
Erfahrungs- respektive Kontextwissen sowie dahinterliegender Argumentations-
stränge eingebundener beziehungsweise unmittelbar tangierter Personen. 422 Dabei
war avisiert, bedeutsames Hintergrundwissen für die weitere Analyse zu erschlie-
ßen. Im Anschluss an die Erhebung erfolgte die Auswertung der Daten im Wege
einer qualitativen Inhaltsanalyse. Diese intendierte die systematische Reduktion
der Informationsdichte aus den Interviews sowie der Situierung der Informationen
im Lichte der Forschungsfrage.423 Finalisierend war es Intention der Untersu-
chung, Empfehlungen respektive Optimierungspotentiale für zukünftige organisa-
tionale Veränderungen in der Polizei zu entwickeln bzw. festzustellen.

3.2 Leitfadengestützte Experteninterviews


Das methodische Kernelement hiesigen Beitrages stellen leitfadengestützte Exper-
teninterviews dar, welche durch die Subjektperspektive dominiert sind. 424 Die
Vergleichbarkeit der Interviews generiert sich aus ihrer Leitfadenorientierung so-
wie aus dem korrelierenden institutionellen Kontext der ExpertInnen.425 Neben der
Vergleichbarkeit ist im Sinne eines theoretischen Samplings zum Fallvergleich
ebenso eine Kontrastierung im Untersuchungsmaterial für einen tragfähigen Ver-
gleich erforderlich.426 Dies wurde beispielhaft durch die Probandenauswahl aus
unterschiedlichen Führungs- und Mitarbeiterebenen gewährleistet. Im Rahmen
der Arbeit erfolgte die Befragung von elf ExpertInnen. Die Quantität der Exper-
teninterviews wurde mithin oberhalb der Empfehlung von Frevel et al. determi-
niert.427 Gemäß Gläser & Laudel sind ExpertInnen SpezialistInnen für einen kon-
kreten Kontext. Die Spezialisierung generiert sich dabei aus einem höheren Maß
an (ggf. exklusivem) Wissen, Erfahrung und/oder Kompetenzen gegenüber ande-
ren Akteuren.428 Hierbei handelt es sich insbesondere um Praxiserfahrungen und

421
Vgl. Bortz/Döring (2006): S. 358 f. u. 372 ff.
422
Vgl. Gläser/Laudel (2010): S. 12; vgl. Bortz/Döring (2016): S. 322, 356 f. u. 375 ff.
423
Vgl. Gläser/Laudel (2010): S. 200.
424
Vgl. Diekmann: S. 531.
425
Vgl. Bortz/Döring (2016): S. 372 ff.
426
Vgl. Strübing (2013): S. 116.
427
Vgl. Frevel et al. (2010): S. 123.
428
Vgl. Gläser/Laudel (2009): S. 137; vgl. Strübing (2013): S. 96.
Change Management bei der Polizei 167

detailliertes Wissen zu Handlungsabläufen und nicht notwendigerweise um Fach-


wissen.429 Konkrete Kenntnisse zu dem in dieser Untersuchung beispielhaft her-
angezogenen Reorganisationsprozess waren dabei maßgeblich bei internen Wis-
sensträgern und mithin Organisationsmitgliedern zu finden. Als Auswahlkriterium
zur Kategorisierung der InterviewpartnerInnen (zugewiesene Interview-Kodie-
rung P1-P11) erfolgte zunächst eine Unterscheidung nach den Clustern ‚Betei-
ligte‘ und ‚Betroffene‘. Die Differenzierung dieser Kategorien orientierte sich an
der (Nicht-)Einbindung der Probanden in der Projektstruktur, die anlässlich des
Veränderungsprozesses zu dessen Gestaltung eingerichtet wurde. Demnach wer-
den hier unter ‚Beteiligten‘ unmittelbar in die Steuerung und Durchführung des
Veränderungsprozesses eingebundene Organisationsmitglieder verstanden. Sechs
der elf Experten sind dieser (aktiven) Kategorie zuzuordnen. Der zweite Cluster
‚Betroffene‘ umfasste MA, die keine unmittelbar aktive Rolle einnahmen. Viel-
mehr fanden in den Arbeitsbereichen bzw. im relevanten Umfeld organisationale
Veränderungen statt. Innerhalb beider Kategorien handelte es sich bei den Proban-
den, um Polizeivollzugsbeamte des g. D. und h. D. Mithin fanden sowohl Personen
aus dem Management430 als auch aus der Mitarbeiterschaft Berücksichtigung. Ein-
schränkend mit Blick auf die Expertenauswahl sei noch erwähnt, dass die Organi-
sation BKA über ein breites Portfolio unterschiedlicher Berufszweige sowie sta-
tusrechtlicher Hintergründe431 der Organisationsmitglieder verfügt. Aufgrund der
Anzahl der avisierten Experteninterviews im Rahmen der Untersuchung wurde je-
doch auf eine weitere Dislozierung der Probandengruppe verzichtet.
Der Leitfaden für die Experteninterviews wurde anhand der theoretischen Er-
kenntnisse zu kommunikativen und partizipativen Elementen bei der Gestaltung
von Veränderungsprozessen sowie eigener Kenntnisse des Autors über die Orga-
nisation entwickelt. Mit Blick auf die vorgenannte bessere Strukturierung sowie
insbesondere als unterstützendes Mittel für die spätere inhaltliche Analyse und
Auswertung der Interviews erfolgte unterdies eine Untergliederung des Leitfadens
in Themenblöcke (zum Beispiel Partizipation, Kommunikation im Wandel, Les-

429
Vgl. Bogner/Menz (2005): S. 46.
430
Als Definitionsbasis diente die Zugehörigkeit der betreffenden ExpertInnen zum h. D.
431
Bspw.: Tarifbeschäftigte, Verwaltungsbeamte und Verwaltungsbeamtinnen, Polizeivoll-
zugsbeamte und Polizeivollzugsbeamtinnen.
168 Tom Pisecky

sons learned & Verbesserungspotentiale), wobei diese nicht zwingend eine gleich-
rangige Unterteilung der untersuchten Themenstellung bedeuten. Zum Ende eines
jeden Interviews sollten subjektive Vorschläge der Optimierung – basierend auf
den bisherigen Erfahrungen der ProbandInnen in Wandelprozessen – erhoben wer-
den.432 Im Vorfeld der eigentlichen Erhebung wurden zwei leitfadengestützte Ex-
perteninterviews433 – als Pretest – effektuiert.434 Maßgebliche Intention des Pre-
tests war dabei die Feststellung der Tauglichkeit bzw. möglicher Fehlerquellen des
Leitfadens.435

3.3 Qualitative Inhaltsanalyse


Im Wege der elf Interviews konnte eine umfangreiche Datenmenge für die Ana-
lyse und Interpretation gewonnen werden. Die analytische Erschließung und die
Extrahierung und Interpretation relevanter Aspekte aus den nicht-numerischen
Daten erfolgte im Wege der qualitativen Inhaltsanalyse. Es wurden relevante In-
halte durch Kategorienbildung aus dem qualitativen Datenmaterial herausgearbei-
tet.436 Die Interviewskripte wurden zuvorderst sequentiell und iterativ mit dem
Ziel eines vertieften Textverständnisses sowie der besseren Einordnung einzelner
Textstellen im Gesamtzusammenhang des Interviews analysiert.437 Hierauf auf-
bauend erfolgte eine fallbezogene Segmentierung des einzelnen Interviewtran-
skriptes in Analyseeinheiten.438 Daran anschließend erfolgte eine weitere Detail-
lierung auf einzelne Textstellen. Den Textstellen wurden im Anschluss deduktiv

432
Vgl. Bortz/Döring (2016): S. 356 ff. u. S. 372; vgl. Schnell et al. (2008): S. 344.
433
Die Ergebnisse der beiden Interviews flossen nicht in diese Arbeit ein.
434
Dies stellt nach Schnell et al. eine empfehlenswerte Variante der Pretest-Techniken dar.
(Vgl. Schnell et al. (2008): S. 348). Vgl. auch Diekmann (2011): S. 192 u. 195; vgl. Mayer
(2009): S. 45.
435
Vgl. Diekmann (2011): S. 195; vgl. Gillham (2000): S. 54 ff.
436
Vgl. Bortz/Döring (2016): S. 599 ff.
437
Vgl. ebd.: S. 603.
438
Vgl. ebd.: S. 603.
Change Management bei der Polizei 169

Codes439 zugewiesen.440 Im Wege der Kodierung lassen sich übergeordnete Kate-


gorien („Oberbegriffe“441) sowie diversifizierte Subkategorien bilden.442 Die Zu-
ordnung relevanter Textsegmente der Interviews zu den determinierten Kategorien
erlaubte im nächsten Verfahrensschritt eine Reduktion selbiger im Wege der Aus-
lassung von Wiederholungen sowie Bündelung und Integration in übergeordnete
Textsegmente.443

4 Darstellung und Interpretation der Interviewergebnisse

Die nachfolgende Darstellung der Ergebnisse adressiert insbesondere identifizier-


tes Verbesserungspotential im Hinblick auf künftige Veränderungsprozesse. Ziel-
setzung war es, aufbauend auf den theoriegeleiteten Erkenntnissen, einen vertie-
fenden Einblick – basierend auf den Erfahrungswerten und Einschätzungen der
Experten – zu gewinnen. Eingedenk der oben skizzierten unterschiedlichen Aus-
gangsposition respektive der differenten Perspektive zum Themenfeld der Exper-
ten, stellten sich indes keine markanten Abweichungen in den Aussagen zwischen
diesen Kategorien heraus.

4.1 Diskussion der Interviewbefunde


4.1.1 Die Veränderungsbereitschaft
Eingedenk des in Kapitel eins und zwei skizzierten und durch die Interviewpart-
nerInnen bestätigten Postulats des organisationalen Wandels als permanente sowie
demgemäß nicht abschließend finalisierbare Herausforderung, stellt sich zuvor-
derst die Frage nach der generellen Veränderungsbereitschaft im BKA. Hier er-
wächst aus den Interviews ein differenziertes Bild. Sechs von elf Experten bewer-
ten die generelle Veränderungsbereitschaft der Organisationsmitglieder als ten-

439
Nach Bortz und Döring erfolgt durch die Codes eine zusammenfassende oder erklärende
Zuschreibung zu den als relevant identifizierten Textstellen.
(Vgl. Bortz/Döring (2016): S. 603).
440
Vgl. Bortz/Döring (2016): S. 603.
441
Schnell et al. (2008): S. 409.
442
Vgl. Bortz/Döring (2016): S. 599 u. 603; vgl. Schnell et al. (2008): S. 409.
443
Vgl. Mayring (2010): S. 65.
170 Tom Pisecky

denziell hoch. Vier Experten schätzen sie auch im Vergleich zu bspw. Wirtschafts-
unternehmen eher niedrig ein. Demnach wird dem BKA von Seiten der ExpertIn-
nen tendenziell eine hohe Veränderungsbereitschaft und mithin ein differentes
Bildnis zu der Auffassung in der Literatur attestiert. Von Interesse sind überdies
jedoch weit mehr die konstituierenden Hintergründe für die attribuierte Verände-
rungsbereitschaft respektive welche Aspekte nach Auffassung der ExpertInnen
hier von besonderer Relevanz erscheinen. Hierbei stechen im Wesentlichen vier
Dimensionen hervor:
(1) historisch begründete Vorbehalte respektive Akzeptanz-Hemmnisse
(2) notwendiger (nachvollziehbarer) Bezug der organisationalen Verände-
rung zu der alltäglichen, polizeilichen Aufgabenwahrnehmung
(3) Reaktanz und Beharrungstendenz der Organisationsmitglieder
(4) fehlende exogene, für den Wandel ursächliche Krisensituation
(1) Die Reaktion einer Organisation auf einen Wandel unterliegt neben der Ziel-
richtung und Umsetzung ebenso einem nicht unerheblichen Einflussfaktor der Er-
fahrungswerte aus der Vergangenheit. 444 Mit Blick auf die historische Dimension
sind im Ergebnis der Interviews u. a. die für die Beschäftigen des BKA – aufgrund
der Dislozierung auf drei Standorte – hohe Sprengkraft der Standortfrage sowie
Erfahrungen aus den Modernisierungsbestrebungen der Öffentlichen Verwaltung
anlässlich des New Public Management445 in den 1980er/1990er Jahren446 von Be-
deutung.
(2) In Übereinstimmung mit den einschlägigen Befunden aus der Literatur bedarf
es zwingend der Konnotation des auf strategischer Ebene gesehenen Verände-
rungsbedarfs mit der operativen Arbeitsebene und mithin die Verdeutlichung der
positiven Anpassung der alltäglichen polizeilichen Aufgabenwahrnehmung im
Rahmen der Reorganisation.

444
Vgl. Berner (2015): S. 21 ff.
445
Vgl. so auch Christe-Zeyse (2007b): S. 195 f.
446
Unter New Public Management wurden u. a. Privatisierungsmaßnahmen im öffentlichen
Sektor sowie die Übertragung von Managementansätzen der Privatwirtschaft in der öffent-
lichen Verwaltung zusammengefasst verstanden. (Vgl. Oschmiansky (2010)).
Change Management bei der Polizei 171

(3) Rekurrierend auf die Beharrungstendenzen innerhalb der Organisation wurde


unter anderem die sich aus der Aufgabe der Polizei heraus ergebende Perspektive
der Stabilität und Konstanz als „last Line of Defence“ genannt. Hierneben wurde
konstatiert, dass der jeweilig gegenwärtigen Arbeitssituation respektive dem Sta-
tus quo schlechterdings Handlungssicherheit, Gewohnheit und somit positiv un-
terstellte Stabilität erwächst. Demgegenüber wurde dem Polizeibeamten in Teilen
eine hohe Flexibilität im Hinblick auf neue Rahmenbedingungen bzw. Entwick-
lungen attestiert.
(4) Mit Blick auf die hier beispielhaft herangezogene Reorganisation aus
2015/2016 wurde überdies festgestellt, dass man „aus einer funktionierenden Or-
ganisation [kam] und es […] keine Krisensituation [gab], die […] zu irgendeiner
Umorganisation gezwungen hat“ und es in Ermangelung einer – dem Duktus Kot-
ters folgend447 – unmittelbar spürbaren Dringlichkeit eines deutlich höheren Be-
gründungsaufwandes bedurfte.

4.1.2 Die Wandel-Dimension der alltäglichen polizeilichen Auf-


gabenwahrnehmung
In Anbetracht der hier festgestellten exponierten Stellung dieser Dimension mit
Blick auf die Veränderungsbereitschaft, soll diese aus den oben beschriebenen vier
Dimensionen herausgegriffen und hier weiterführend beleuchtet werden. Aus den
Interviews kristallisiert sich heraus, dass die Konnotation zwischen strategisch de-
terminierter Veränderung und der operativen Perspektive der alltäglichen Aufga-
benwahrnehmung zum einen im Hinblick auf die gewählte Sprache und Termino-
logie – es gilt hierbei den „Managementsprech“ zu verhindern – zum anderen aber
auch in der Zielrichtung der avisierten Maßnahmen verdeutlichen muss. In diesem
Zusammenhang ist es wichtig, den MA und Führungskräften transparent zu ma-
chen, inwieweit der eingeschlagene Weg geeignet sein könnte, die Aufgabenerle-
digung zu verbessern. P11 stellt diesbezüglich pointiert fest, dass „je härter das am
Alltag und am täglichen Erleben ausgerichtet ist, desto nachvollziehbarer wird das
[die Veränderungsnotwendigkeit]“. P1 und P4 rekurrieren in diesem Zusammen-
hang auf die Einführung neuer Instrumente der Strafverfolgung und nehmen in

447
Vgl. Kotter (2016): S. 31 ff.
172 Tom Pisecky

derartigen Konstellationen eine tendenziell größere Aufgeschlossenheit der Orga-


nisation wahr. P4, P7 und P8 schlagen hierbei eine Brücke zu einem Selbstver-
ständnis in Polizeiorganisationen, was durchaus Bezüge zu dem von Christe-Zeyse
postulierten Professionsparadigma aufweist, wonach sie eine Haltung wahrneh-
men, stets „daraus [aus der Veränderung] das Beste zu machen“ und „schnellst-
möglich […] wieder voll arbeitsfähig“ zu sein. Mithin resümieren sie einen „Prag-
matismus“ und hohe Flexibilität mit Blick auf die Aufgabe. Abstellend auf die
charakteristischen Gegebenheiten von Wandelvorhaben in Polizeiorganisationen
lässt sich - in Übereinstimmung mit der einschlägigen Literatur – festhalten, dass
es einer klar nachvollziehbaren Verlinkung zwischen avisierter Veränderung und
täglicher polizeilicher Aufgabenwahrnehmung bedarf. Das heißt die Verände-
rungsprozesse werden daran gemessen, dass sie das „Ziel [haben], die Ergebnisse
der Polizeiarbeit zu verbessern“448. Diese Auffassung teilte die überwiegende
Mehrheit der InterviewpartnerInnen. Dies stipuliert nicht zuletzt eine hohe Bedeu-
tung dieser Dimension für die Kommunikation im Veränderungsprojekt. Es
scheint angezeigt, dass sich zum Beispiel die Maßnahmen zur Förderung der
Transparenz im Veränderungsprozess sowie explizit die Vision an der Wahrneh-
mung der alltäglichen polizeilichen Aufgaben und schlechterdings auch der per-
sönlichen Betroffenheit des Einzelnen orientieren.

4.1.3 Relevanz der Veränderungen für die interviewten ExpertIn-


nen
Eingedenk der maßgeblich differenten Ausgangsposition der ProbandInnen be-
steht in den Aussagen dennoch nahezu Konsens hinsichtlich der Relevanz des Re-
organisationsprozesses für den jeweils eigenen Arbeitsbereich bzw. das nähere
Arbeitsumfeld. Neben den unmittelbar Beteiligten am Prozess geben auch alle
ProbandInnen des Betroffenen-Clusters an, dass ihr unmittelbares Arbeitsumfeld
von dem seinerzeitigen Restrukturierungsprozess zumindest geringfügig betroffen
gewesen ist. Die wahrnehmbare Auseinandersetzung mit dem organisationalen
Wandel ist dabei in Teilen inkongruent zu der im Ergebnis tatsächlichen Betrof-
fenheit der OE. Für den Arbeitsbereich von P6 bspw. haben sich indes erhebliche
Veränderungen in Gestalt einer Umstrukturierung des Referates und in Teilen an-

448
Christe-Zeyse (2007b): S. 199.
Change Management bei der Polizei 173

deren organisatorischen Verortung ergeben, wenngleich P6 ausführt, dass der Pro-


zess im Grunde eine günstige Gelegenheit für einen ohnehin bereits im dortigen
Bereich festgestellten Änderungsbedarf geboten hat und insofern dankend aufge-
griffen worden ist.

4.1.4 Exogene Kontexte und Stakeholder des organisationalen


Wandels
In der Literatur wird mit Blick auf Polizeiorganisationen in einem Veränderungs-
prozess die deutliche Tragweite exogener Kontexte als Triebfeder und/oder Ein-
flussfaktor unterstrichen. Diverse (externe) Stakeholder wirken nach ihren jewei-
ligen Bedürfnislagen auf die organisationale Veränderung ein. Für die gegenständ-
liche Reorganisation bleibt zu konstatieren, dass diese in Folge einer „Selbstbe-
trachtung“ und initiiert durch den Präsidenten des BKA, jedoch nicht aufgrund
einer externen Krisensituation erfolgte. Hiervon unbenommen verbleibt eine
grundlegende, über die konkret beleuchtete Reorganisation hinausgehende sowie
die jeweilige Agenda der Organisation(en) determinierende Bedeutung externer
Kontexte im sicherheitspolitischen Themenfeld. Allein hieraus resultiert ein steter
Wandelbedarf. Vor diesem Hintergrund gilt es, hinsichtlich möglicher Wider-
stände sowie im Hinblick auf eine zielgerichtete Kommunikation und Partizipa-
tion der MA im Veränderungsprojekt zunächst die maßgeblichen Stakeholder 449
im Veränderungsumfeld zu eruieren.450 Im gegenständlichen Veränderungspro-
zess waren die HauptansprechpartnerInnen in den maßgeblichen Strategie-WS die
LeiterInnen der neun Abteilungen des BKA. Zum anderen sind hier primär die
vorgesetzte Dienstbehörde (hier das BMI), benachbarte Behörden (hier die Lan-
deskriminalämter) sowie die Personalvertretungen (hier insbesondere der Perso-
nalrat und die Gleichstellungsbeauftragte) von Bedeutung. In Kongruenz mit der
einschlägigen Literatur schreiben die ExpertInnen den unmittelbaren Vorgesetzten
– hier zumeist rekurrierend auf die Referatsleitungen – eine Multiplikatorrolle so-

449
Die Stakeholderanalyse, welche hier nur äußerst rudimentär Anwendung findet, intendiert
die Identifizierung und sodann zielgerichtete Einbindung von relevanten Interessengruppen,
orientiert an ihrer Bedeutung für das gegenständliche Projekt. (Vgl. Kerth et al. (2011): S.
148 ff.).
450
Vgl. Groth (2013): S. 182 f.; vgl. Deutinger (2017): S. 67 ff.; vgl. Berner (2015): S. 171 f.
u. S. 176 ff.; vgl. Nixon (2011): S. 206 f.
174 Tom Pisecky

wie Scharnierfunktion bei der konkreten Ausformung der Erfolgsfaktoren Partizi-


pation und Kommunikation zu. Diese steuern unmittelbar die OE und müssen zu-
vorderst für den Prozess gewonnen werden, wenn dieser nachhaltig reüssieren soll.

4.1.5 Kontroverse Diskussion der Konsultation externer Bera-


tungsleistung
Bisweilen wird die Einholung externer Beratung als Erfolgsfaktor des Wandels
verstanden. Diese Beratungsleistungen können sowohl inhalts- als auch prozess-
bezogen ausgerichtet sein.451 Letztere Alternative adressiert demgemäß unter an-
derem auch die in hiesiger Untersuchung prägenden Erfolgsfaktoren. Im Hinblick
auf die Erforderlichkeit externer Beratung in einem solchen Reorganisationspro-
zess zeigt sich eine differenzierte Sichtweise. Im gegenständlich analysierten Pro-
zess wird bewusst auf die Konsultation externer Expertise verzichtet. Im überwie-
genden Maße stützen die Experten diese seinerzeit gewählte Modalität. Konspek-
tierend auf die Prozessebene werden jedoch durchaus denkbare Szenarien für eine
diesbezügliche Expertise gesehen. So führt unter anderem P2 die Möglichkeit der
Beratung im Hinblick auf Lessons learned aus ähnlich gelagerten Veränderungs-
prozessen sowie die Gestaltung der Projektstruktur und interne Kommunikation
auf. Im Ergebnis ist es hier sicherlich angezeigt, einen Abwägungsprozess aus
möglichen Vorteilen – wie zum Beispiel eine „nicht vorbelastet[en] […] nüchter-
nen Effizienzbetrachtung“ – und den Nachteilen im Kontext einer Polizeiorgani-
sation – wie bspw. das abstrakte und subjektiv geprägte Produkt der Sicherheit
sowie dem seitens Christe-Zeyse attestierten, in Teilen bestehenden Antagonismus
aus managerialen und polizeilichen Gesichtspunkten zu bemühen.

4.2 Widerstände gegenüber dem Wandel


Doppler und Lauterburg prädizieren Widerstand in Wandelprozessen als eine nor-
male Erscheinung. In Kongruenz mit dieser Anamnese stehen auch die Wahrneh-
mungen der ProbandInnen. Ohnehin zeigte sich in den Interviews, dass der Ter-
minus ‚Widerstand‘ bisweilen interpretationsbedürftig ist, da der Begriff fälschli-
cherweise unter Umständen eine gewisse Eskalationsstufe auf Seiten des/der ge-
gen den Wandel opponierenden MA suggeriert. Bleibt diese irrigerweise ange-
nommene Implikation bestehen, verfälscht diese unweigerlich das Ergebnis, denn

451
Vgl. u. a. Lauer (2014): S. 205 ff.
Change Management bei der Polizei 175

Widerstand umfasst nach Doppler und Lauterburg diverse Erscheinungsformen


und dabei durchaus auch eine starke passive Komponente. Zudem impliziert der
Terminus Widerstand fälschlicherweise eine negative Wirkung, wenngleich Wi-
derstand auf Defizite im Prozess sowie diametrale, inhaltlich getragene Argumen-
tationsstränge hindeuten kann. Die InterviewpartnerInnen konstatierten in Teilen
einen gewissermaßen „geräuschlos[en]“ Wandel neben der täglichen Aufgaben-
wahrnehmung und beobachteten der Lesart Doppler und Lauterburg folgend Wi-
derstand insbesondere in Form von weicheren Wandelhemmnissen. Sowohl im
Zuge offizieller Besprechungsanlässe als vor allem auch auf informellen Kommu-
nikationswegen wird Unmut bis hin zu Gerüchten und Spekulationen zu Verlauf
und Ergebnis des Veränderungsprozesses artikuliert. Hierneben ließen sich ver-
einzelt auch desinteressierte oder resignierende Haltungen beobachten. Eingedenk
der grundsätzlich bestehenden ‚Arbeitsplatzgarantie‘ in der Organisation, der im
Rahmen des Prozesses ubiquitär ausgesprochenen Standortbestandsgarantie sowie
der in diesem Zusammenhang apodiktischen Maxime, keine Personalverlagerun-
gen an einen anderen Standort gegen den Willen des Betroffenen durchzuführen,
können die objektiven Ursachen für Widerstand – schlechterdings auch als ‚Exis-
tenzängste‘ zu umreißen – weitestgehend vernachlässigt werden. In dem in Rede
stehenden Veränderungsprozess waren laut der ExpertInnen vielmehr subjektive
Widerstandsursachen handlungsleitend, als indignierte Reaktion auf Veränderung
des eigenen Arbeitsumfeldes sowie ggf. der persönlichen Einflusssphären. In die-
sem Zusammenhang wurden auch der Aspekt des Betreibens von Mikropolitik 452
und die Filterung von Informationen benannt. Wesentliche Bedeutung wird von
fünf ExpertInnen zudem auch dem Faktor Zeit im Kontext von Wandelhemmnis-
sen beigemessen. Zum einen sinke wahrnehmbar über die Zeitdauer die „Legiti-
mation des Prozesses“ und zum anderen könnte in Teilen die Rezeption eines
künstlichen Zeit- und Entscheidungsdrucks – vor dem Hintergrund des Fehlens
einer exogenen Krise – entstanden sein. Dieses Dilemma lässt sich nur schwer
auflösen, sollte jedoch in Veränderungsprozessen sicherlich Beachtung finden. 453

452
Der Begriff meint die Einbindung der Organisationsmitglieder in „Netzwerke politischen
Handelns […], um eigene Interessen durchzusetzen und Vorteile zu erringen“ (Doppler et
al. (2014): S. 46).
453
Berner konstatiert, dass die Interimsphase vor Inkrafttreten der neuen Organisation mög-
lichst kurzgehalten werden sollte. (Vgl. Berner (2015): S. 180 f. u. 186).
176 Tom Pisecky

Wandel geht stets mit einer gewissen Unsicherheit und naturgemäß – vor dem
Hintergrund der oben genannten vier Einflussdimensionen – mit einer Malaise für
Teile der Organisationsmitglieder einher. Drei ExpertInnen stellen hierbei jedoch
explizit – auch wenn dies aus einer Organisation heraus nur eingeschränkt taxier-
bar ist – keine eklatanten Abweichungen zu anderen Organisationen fest. Im Er-
gebnis deuten die vorgenannten Feststellungen auf ein Vorliegen von Widerstän-
den differenzierter Ausformung mit unzweifelhafter Relevanz als Hemmnis des
Wandels hin und ermuntern hinsichtlich künftiger Veränderungsprojekte zur in-
tensiveren Befassung hiermit. Im Hinblick auf die Bandbreite der von Seiten der
InterviewpartnerInnen abgedeckten Organisationsbereiche ist anzunehmen, dass
es sich bei den Wahrnehmungen um einen relevanten Prozess von in Teilen nega-
tiver Zuschreibung gegenüber der Veränderung respektive ausbaubarer Akzeptanz
innerhalb der Organisation handeln könnte. Entscheidende Triebfeder dürfte hier-
bei des Öfteren die weiter oben skizzierte Wandel-Dimension der alltäglichen po-
lizeilichen Aufgabenwahrnehmung sein.

4.3 Maßnahmen der Partizipation der MA im Wandel


Ausgangspunkt von Reorganisationsvorhaben wird in der Regel das Top Manage-
ment sein, woraus zumeist ein Top-Down Prozess resultiert. Im Rahmen des ge-
genständlichen Reorganisationsprozesses ist die Entscheidungsfindung sowie ent-
sprechende Einbindung auf Ebene des Top Managements erfolgt. Dies schließt
jedoch keineswegs intensive Bemühungen der Partizipation der MA aus. Diese
potenziert die Motivation, steigert die Objektivität, verdeutlicht die Ziele des Pro-
jektes und fördert die Veränderungsbereitschaft der MA.454 Nicht zuletzt im Zuge
paradigmatischer Veränderungsprozesse, wie es die umfassende Restrukturierung
einer Organisation bedeuten kann, scheint dies wenig umstritten. Vielmehr von
Interesse ist jedoch die Frage des ‚Wie‘ respektive des konkreten ‚Doings‘.

4.3.1 Delegation der Konstituierung partizipativer Maßnahmen


Im gegenständlichen Veränderungsprojekt ist zuvorderst festzustellen, dass die
Konstituierung der Partizipationsmöglichkeiten der MA im Wesentlichen auf die
Abteilungen delegiert wurde. Innerhalb der Abteilungen wurde die Einbindung
auf unterschiedliche Weise mit Leben gefüllt. Zur Verdeutlichung der Bandbreite

454
Vgl. Groth (2013): S. 134 ff.
Change Management bei der Polizei 177

sowie der Differenziertheit der Beteiligungsformen sollen nachfolgend vier Um-


setzungswege skizziert werden.
(1) P4 führt aus, dass es „keine Projektstruktur im engeren Sinne“ auf Abteilungs-
ebene gegeben hat und die Erarbeitung „im Auftrag der Abteilungsleitung [mit]
[…] Unterstützung des Stabes […] und verschiedener Unterarbeitsgruppen“ er-
folgt ist. Die Abteilungsleitung hat den Prozess wesentlich gestaltet. Zuarbeiten
sind durch die Unterarbeitsgruppen erfolgt, innerhalb derer die MA themenbezo-
gen unmittelbar eingebunden gewesen sind.
(2) In einer weiteren Abteilung ist eine Einbindung in Gestalt von WS zu den für
die Abteilung relevanten TP erfolgt. Im Rahmen dieser WS ist insbesondere den
Referatsleitungen die Mitwirkung ermöglicht worden. Die Einbindung der MA ist
an die Referatsleitungen delegiert worden.
(3) Mit der Etablierung eines „Single Point of Contact“ beschreibt P1 einen wei-
teren Weg der Umsetzung. Hier ist auf Stabsebene in der Abteilung eine Schnitt-
stelle zur Projektstruktur auf Behördenleitungsebene geschaffen worden, welche
die Interessen der Abteilungsleitung nach innen wie außen vertreten haben. Inner-
halb der Abteilung haben zwei Maßnahmenebenen der Partizipation ihre Umset-
zung erfahren. Zum einen haben die Referats- und Gruppenleiter in eigener Ver-
antwortung je ihre Prioritäten determiniert und an die Abteilungsleitung gemeldet.
Hierbei hat es im Vorfeld lediglich Empfehlungen der Abteilungsleitung gegeben.
Zum andern sind abteilungsintern je ein WS h. D. und g. D.455 durchgeführt wor-
den. Ziel dieser WS ist einerseits die notwendige Transparenz und andererseits die
Gewinnung von Ideen und Vorschlägen gewesen. Hierauf aufbauend hat es wei-
terhin einen sogenannten „Management Zirkel“ bestehend aus der Abteilungs- und
den Gruppenleitungen gegeben, in welchem sodann die Vorschläge aus den vor-
genannten WS diskutiert und ggf. finalisiert worden sind. Expressis verbis be-
troffene Referate sind explizit um Zulieferung von Pro- und Contra-Argumenten
für etwaige organisationale Veränderungen gebeten worden, welche sodann auch
weiter kommuniziert worden sind. P1 zeichnet hier mithin einen Weg der intensi-
ven Mitwirkung der Organisationsmitglieder mittels verschiedener Maßnahmen
und hierbei weitestgehend offener Ausgestaltung. Ergänzend erfolgten regelmäßig

455
Teilnahme durch ausgewählte Referatsleitungen resp. erfahrene Sachgebietsleiter/innen.
178 Tom Pisecky

„Info-Briefe“ der Abteilungsleitung. Einschränkend konstatiert P1 mit dem Ver-


weis „keiner sägt an dem Ast, auf dem er sitzt“, dass aufgrund der bewusst unter-
lassenen Vorgaben eine Vielzahl an Prioritäten zurückgemeldet worden sind und
dies den Prozess zu Beginn zunächst erschwert hat. Gegebenenfalls hätte hier eine
stärkere Einschränkung vorgenommen werden sollen.
Demnach ergibt sich eine deutlich differenzierte Ausgestaltung der Einbindung
der MA auf Ebene der Abteilungen. Rekurrierend auf die von Erdmann postulier-
ten Formen der Beteiligung, finden sich hier sowohl Maßnahmen des Informierens
und Involvierens als auch aber Gestaltungsformen der direkten Beteiligung und
des Verhandelns und Einbindens wieder, wenn auch einschränkend konstatiert im
überwiegenden Maße eine direkte Einbindung lediglich des h. D. erfolgt ist. Mit
Blick auf eine Einbindung der Mitglieder der Organisation hebt Berner die „sach-
liche Querprüfung“456, also eine disloziert verortete Analyse der Pros und Contras
sowie Sichtbarmachung etwaiger Hemmschuhe hervor.457 Bedeutsam erscheint
mithin die Generierung und Nutzbarmachung des in der Organisation disloziert
vorhandenen Expertenwissens für einen letztendlich erfolgreichen Wandel. 458
Dies wird durch die ProbandInnen in Teilen ausdrücklich bestätigt.

4.3.2 Zentrale Partizipationsmaßnahmen


In Ergänzung zu den disloziert verorteten Einbindungsformen werden zusätzlich
zentrale Partizipationsmaßnahmen initialisiert. Maßgebliche Instrumente sind hier
die durchgeführten Dienstversammlungen unter Schirmherrschaft der Behörden-
leitung sowie die Installierung eines E-Mail-Postfaches für die Einreichung von
Vorschlägen oder Kritik. Mit Blick auf die Dienstversammlungen lässt sich kon-
statieren, dass diese nach Meinung der ExpertInnen sicherlich für die Transparenz
des Prozesses förderlich und auf diese Weise wichtig gewesen sind, um die Sicht-
weise der Behördenleitung gegenüber den Organisationsmitgliedern zu verdeutli-
chen. Inwieweit hierbei jedoch eine Einbringung kreativer Ideen und innovativer
Vorschläge im Sinne einer unmittelbaren Beteiligung coram publico erfolgt ist,
wurde von vier ExpertInnen zumindest in Zweifel gezogen. Die einschlägige Li-
teratur empfiehlt ein aktives Einholen und Einfordern eines Feedbacks der MA.

456
Berner (2015): S. 174.
457
Vgl. ebd.: S. 174 f.
458
Vgl. Höfliger (2018): S. 16.
Change Management bei der Polizei 179

Hierbei muss Raum für Kritik geboten werden, um aufkommende Verärgerung


oder Gerüchte rechtzeitig zu identifizieren. 459 Die Generierung von Propositionen
der MA auf dem Dienstweg wird aufgrund einer möglichen Filterfunktion in Tei-
len durch die ExpertInnen als ungeeignet angesehen. Im Weiteren deklarierten
fünf Experten ebenfalls das E-Mail-Postfach zur Einreichung von Ideen als unzu-
reichend. Ein entscheidender Aspekt wurde unter anderem von P11 und P2 mit der
frühzeitigen und fortlaufenden Einbindung von Personalvertretung und Gleich-
stellungsbeauftragter unterstrichen. Diese waren in der inhaltlichen Erarbeitung
auf Ebene des Top Managements involviert. Aus der Einbindung der Interessen-
vertretungen konstituierte sich eine umfassende indirekte Beteiligung der MA auf
strategischer Entscheidungsebene.

4.4 Die Kommunikationsarchitektur im Wandel


„Es genügt nicht, dass man zur Sache spricht. Man muss zu den Menschen spre-
chen.“460 Dieses Diktum aufgreifend, lässt sich die Kommunikationsarchitektur
durchaus als Hauptschlagader des Veränderungsprojektes bezeichnen. Der Kom-
munikation und mithin insbesondere der Transparenz des Prozesses wurde seitens
der ExpertInnen hohe Bedeutung beigemessen. Neben dem Aspekt der Prozess-
Transparenz und mithin der Voraussetzung für Akzeptanz tritt die Verquickung
mit dem Erfolgsfaktor Partizipation, denn mittelbare Einbindung bedeutet Infor-
mation und Involvierung.461 Gemäß der ExpertInnen, ist es dabei für die MA von
höchstem Interesse, was sich konkret für die/den Einzelne/n durch den avisierten
Wandel verändern wird. Diesem Informationsbedürfnis muss Kommunikation im
Veränderungsprojekt zweifelsohne gerecht werden. 462 Dieser Transparenz-Aspekt
entfaltet in einer Polizeiorganisation – mit Blick auf die essentielle Verlinkung des
Wandels zur alltäglichen polizeilichen Arbeit – nur umso mehr Wirkung. Für die
gegenständliche Reorganisation ziehen die ExpertInnen im Gros ein positives Re-
sümee und attestieren eine umfassende Kommunikation. Die nachfolgende Ta-
belle visualisiert die seitens ‚Betroffenen‘ genutzten Kommunikationskanäle.

459
Vgl. Groth (2013): S. 168 ff.; vgl. Deutinger (2017): S. 62 u. 88; vgl. Doppler et al. (2014):
S. 260 ff.
460
Stanislaw Jerzy Lec (1909–1966).
461
Vgl. Erdmann (2000): S. 223 ff.
462
Vgl. Groth (2013): S. 178 f.
180 Tom Pisecky

Code Applizierte Kommunikationskanäle (Cluster Betroffene)

P3 Intranetseite der PG Strategieentwicklung & unmittelbarer Vorgesetzter

P5 Intranetseite de PG Strategieentwicklung & Mitarbeiterbriefe der Behördenleitung

P6 Dienstversammlungen

P9 Besprechungen/unmittelbarer Vorgesetzter & informelle Informationskanäle

P10 Referatsbesprechung & informelle Informationskanäle

Tabelle 1: Applizierte Kommunikationskanäle

Eingedenk dieser Situationsbeschreibung soll nun der Blick auf fünf wesentliche
– in den Interviews artikulierte – Aspekte gelenkt werden.
(1) In der Literatur wird auf die Erforderlichkeit der kommunikativen Sichtbarma-
chung kurzfristiger Erfolge respektive erreichte KPIs und die hieraus erwachsen-
den förderlichen Emotionen im Zusammenhang mit diesen Erfolgserlebnissen
verwiesen.463 Drei ExpertInnen bestätigen die motivierende Bedeutung von Zwi-
schenständen sowie der Mitteilung von „Updates [zu erreichten] Meilensteinen“.
P8 unterstreicht in diesem Zusammenhang die notwendige realistische Zeit- und
Meilensteinplanung.
(2) Im Rahmen eines Veränderungsprozesses muss eine Vielzahl an Informationen
und Botschaften innerhalb der Organisation distribuiert werden. Eine Herausfor-
derung besteht hierbei in der „Reduktion [von] Komplexität“ und mithin der Iden-
tifikation der prioritären Botschaften, die es sodann pointiert sowie repetitiv zu
vermitteln gilt.464
(3) Die ExpertInnen schätzen die Bedeutung informeller Kanäle überwiegend als
sehr hoch ein. Dabei können hieraus im positiven Verständnis neue Ideen und An-
regungen entstehen. Es besteht jedoch auch die Gefahr der Dissemination von Ge-
rüchten durch „negative Meinungsmacher“. Wichtig ist es in diesem Zusammen-
hang, aus Organisationssicht ein Ohr an den Flurfunk „als kritische Masse“ zu

463
Vgl. Groth (2013): S. 135 f., 157 f. u. 179 f.; vgl. Kotter (2016): S. 102 ff.
464
Vgl. Groth (2013): S. 170 f.; vgl. Deutinger (2017): S. 109 f.
Change Management bei der Polizei 181

bekommen und auch den Mittel- und Methodeneinsatz der Kommunikation im


Veränderungsprojekt hierauf auszurichten, „um die informellen Strukturen da
auch aufzufangen“. Mit Blick auf die notwendige Informations- und Deutungsho-
heit soll Kommunikation zu einem frühen Zeitpunkt stattfinden.465 Dies stützt
nicht zuletzt die Glaubwürdigkeit des Managements, obstruiert die destruktive
„Gerüchteküche“466 und mindert Ängste bei den Organisationsmitgliedern. 467
(4) Rekurrierend auf Medienauswahl wurde von den ExpertInnen auf den notwen-
digen Einsatz sozialer, interaktiver Medienmuster abgestellt. Die Polizeiorganisa-
tionen haben in den vergangenen Jahren ihre Anstrengungen in der externen Kom-
munikation über Soziale Medien verstärkt und entsprechende Kompetenzen auf-
gebaut. Eine Nutzbarmachung dieser interaktiven neoterischen Medienformate
auch für die interne Kommunikation scheint von elementarer Bedeutung. Opti-
mierungsansätze für die Kommunikationsstrategie in Wandelprozessen werden
hierbei auch von den ExpertInnen hiesiger Untersuchung gesehen. Die Propositi-
onen von acht ExpertInnen gehen in Richtung eines nach innen gerichteten sozia-
len Netzwerkes (aufbauend auf dem bestehenden Intranet), durch welches sich
kurzfristig und aktuell, zielgruppenorientiert und nicht zuletzt interaktiv alle we-
sentlichen Informationen zu dem Prozess distribuieren lassen. P3 verweist hierbei
auch auf die motivierende Wirkung in Richtung IT-affiner junger MA.

465
Vgl. Groth (2013): S. 163
466
Berner (2015): S. 168.
467
Vgl. ebd.: S. 167 f.
182 Tom Pisecky

Eine diesbezügliche Diskrepanz zeigt sich indes im Hinblick auf das ‚Flurfunkin-
terview‘ des PR des BKA, das mit gewissem Aufwand gestaltet worden ist (MA
konnten im Vorfeld Fragen einreichen) und gleichwohl im Rahmen hiesiger Un-
tersuchung annähernd keinerlei Erwähnung durch die ExpertInnen findet. Dabei
gilt es, der organisationalen Veränderung ein ‚Gesicht zu geben‘. P2 konstatiert,
dass sich im Wege dieser ‚Personifizierung‘ der organisationalen Veränderung mit
dem „Sympathieträger [PR des BKA] Münch“, Akzeptanz generieren lässt. Neben
lediglich konventionellen Medien kommen demgemäß bspw. (Video)Chats, Po-
dcasts, Infografiken, Foren und Blogs in Frage, auch wenn Web 2.0 Medien mit
interaktivem Charakter sicherlich kein Allheilmittel darstellen. Limitierend wird
von P8 und P11 noch ergänzt, dass es hierfür zunächst der Gewährleistung der
strukturellen Bedingung sowie umfänglicher finanzieller und personeller Ressour-
cen bedarf.
(5) Eingedenk der Feststellungen, dass es für erfolgreiche Veränderungen der Be-
dienung einer emotionalen Ebene und mithin der emotionalen Distribution von
Informationen bedarf, ist eine reine Übermittlung von Fakten zur Untermauerung
der avisierten Veränderung insuffizient.468 Neun von elf Experten konstatieren ab-
schließend eine hohe Bedeutung der Determination und sodann Distribution einer
greifbaren und motivierenden, ggf. Slogan- oder Leitbild-artigen Vision zu dem
Veränderungsprojekt. Dieser Aspekt wird als essentiell für den Erfolg einer an-
sonsten durchaus elaborierten Kommunikationsarchitektur gesehen. P11 unter-
streicht die Bedeutung der Vision und argumentiert, dass es eines „überzeu-
gend[en] Bild[es] für die Zukunft“ bedarf und der Beantwortung der Frage „Wa-
rum machen wir das eigentlich?“. Dabei muss die Vision nachvollziehbar und „aus
dem Alltagserlebnis [des/der einzelnen Beschäftigten] ableitbar sein“. Dieser Um-
stand genießt hohe Wirkmächtigkeit. P4 sieht in dem gegenwärtigen disruptiven
und dynamischen Organisationsumfeld eine deutliche Erschwernis bei der Ent-
wicklung einer tragfähigen Vision.

468
Vgl. u. a. Groth (2013): S. 67 ff. u. 82 f.
Change Management bei der Polizei 183

Weiterhin muss dem einzelnen Organisationsmitglied deutlich gemacht werden,


dass „Interesse an der Sichtweise der Mitarbeiter“469 besteht. In dieser Feedback-
perspektive wird nicht zuletzt die Brücke zwischen Kommunikation und Partizi-
pation geschlagen.

4.5 Best Practice für künftige Reorganisationsmaßnahmen


Überwiegend einhellig und nicht überraschend wird in der Literatur die Unabding-
barkeit respektive Förderlichkeit von Best Practice470 Erfahrungswerten für zu-
künftige ggf. ähnlich gelagerte Veränderungsprojekte gesehen. 471 Die in diesem
Kapitel aufgezeigten Kritikpunkte sowie positiven Aspekte bilden gleichsam Po-
tentiale für eine kontinuierliche Verbesserung mit Blick auf Transparenz und Ein-
bindung der Organisationsmitglieder ab. Die Schwerpunktsetzung der ExpertIn-
nen liegt dabei maßgeblich im Bereich der Kommunikation und Transparenz. Die
nachfolgende tabellarische Darstellung wirft im Ergebnis einen schlaglichtartigen
Überblick auf die von Seiten der ExpertInnen repetierten wesentlichen erfolgskri-
tischen Faktoren und verdeutlicht die im Rahmen dieses Kapitels beleuchteten
Schwerpunkte.

469
Groth (2013): S. 78.
470
Ziel ist es „führende Geschäftspraktiken“, mithin Erfolgsmodelle, zu identifizieren und
diese nachhaltig zu machen. (Kerth et al. (2011): S. 153).
471
Vgl. u. a. Groth (2013): S. 88 f.; vgl. Berner (2015): V; vgl. Cameron/Green (2015): S. 6.
184 Tom Pisecky

Code Erfolgskritische Faktoren gemäß der ExpertInnen

P1 Vision & Externe Beratungsleistung

P2 Vision & Komplexitätsreduktion

P3 Projektstruktur & Externe Beratungsleistung

P4 Vision & Kommunikation (Bereitschaft zu kontroversem Diskurs)

P5 Vision & Kommunikation

P6 Vision & Prozess kontinuierlicher kleiner Schritte & Externe Beratungsleistung mit
Blick auf Kommunikation
P7 Vision

P8 Vision (inkl. Anreizsysteme) & realistische Ziel- und Meilensteinplanung

P9 Vision & Kommunikation (Medieneinsatz)

P10/P11 Vision & Zeitpunkt der Veränderung

Tabelle 2: Erfolgskritische Faktoren

5 Fazit

Abschließend soll ein Fazit gezogen und im Lichte der Experteninterviews ein
Blick in die Zukunft – aufbauend auf den ‚Lessons learned‘ aus selbigen Inter-
views – gewagt werden. Die Schlussfolgerungen unterliegen einigen restringie-
renden Merkmalen der angewandten Methodik, welche hier ebenfalls kritisch re-
flektiert werden.
Eingedenk der skizzierten Bedeutungsschwere erfolgreich gestalteten organisati-
onalen Wandels in einem dynamischen und im gewissen Maße disruptiven Orga-
nisationsumfeld kommt der Befassung mit den Erfolgsfaktoren eines Verände-
rungsprojektes wesentliche Bedeutung zu. Dies scheint umso mehr für das Feld
der Polizeiorganisationen als bisher noch wenig empirisch analysiertes Anwen-
dungsgebiet des CM zwingend angezeigt. Die Polizei als (Change) Management
Umfeld weist dabei spezifische Charakteristika auf, die es zu kennen, zu verstehen
und hieran anknüpfend im konkreten Veränderungsprojekt zu berücksichtigen gilt.
Change Management bei der Polizei 185

Diesen Ausschnitt der Analyse adressierend, werden noch einmal drei Aspekte
hervorgehoben werden. Erstens: Entgegen des Postulats der Literatur schildern die
interviewten ExpertInnen ein weitaus optimistischeres Bild der Veränderungsbe-
reitschaft der MA. Den Interviews lassen sich in der Gesamtschau vier konstituie-
rende Dimensionen für die attribuierte generelle Veränderungsbereitschaft entneh-
men. Zweitens: Von herausgehobener Bedeutung scheint dabei die Dimension der
notwendigen Verlinkung zwischen avisiertem organisationalem Wandel und der
einhergehenden und darüber hinaus konkret wahrnehmbaren Optimierung für die
alltägliche polizeiliche Aufgabenwahrnehmung. Drittens: Der Veränderungspro-
zess wird durch exogene Kontexte sowie vielfältige Stakeholder beeinflusst, wo-
bei dem mittleren Management (als ein Stakeholder) eine bedeutende Scharnier-
funktion und Multiplikatorrolle zukommt. Die in der Literatur bisweilen anemp-
fohlene Konsultation externer Beratungsleistung wurde überaus kontrovers be-
wertet. Darüber hinaus bestätigt sich indes mehrheitlich die Ubiquität von Wider-
stand seitens der Organisationsmitglieder angesichts von Veränderungsprojekten.
Ebenso wurde dabei die exponierte Bedeutung subjektiver – ggf. irrational wir-
kender – Motive seitens der ExpertInnen affirmiert.
Berner postuliert alludierend auf Reorganisationen anstelle eines „Durchsetzungs-
[…] ein Motivationsproblem“472 und unterstreicht hierbei die Notwendigkeit eines
„transparenten und korrekte[n] Vorgehens“473 von Seiten des Top Manage-
ments.474 Eingedenk dieser Maxime sollen rekurrierend auf die Lessons learned
nachfolgende Feststellungen zu den in hiesiger Analyse im Fokus stehenden Er-
folgsfaktoren Partizipation und Kommunikation pointierend unterstrichen werden.
Bei einer Organisation der Größe des BKA erscheint eine umfassende, unmittel-
bare Einbindung aller MA in den Planungs- und Entscheidungsprozess des orga-
nisationalen Wandels allein aus Effizienz- und Effektivitätsgesichtspunkten nicht
notwendigerweise erforderlich und überdies nachteilig respektive nur äußerst
schwer realisierbar.475 Es bedarf organisationsseitig einer Abwägung zwischen
bestmöglicher Einbindung der MA sowie größtmöglicher Effektivität. Dies nicht

472
Berner (2015): S. 181.
473
Ebd.: S. 181.
474
Vgl. ebd.: S. 181.
475
Vgl. Sementelli (2016): S. 1089 ff.
186 Tom Pisecky

zuletzt im Kontext einer bisweilen zu berücksichtigenden zeitlichen Dringlichkeit


des Gesamtprozesses. Maßgeblich scheint resümierend jedoch, ungeachtet der
konkreten Ausgestaltung der partizipativen Maßnahmen, dass eine möglichst un-
mittelbar an die betroffenen MA respektive OE gerichtete Rückmeldung erfolgt.
Bei Ermangelung eines solchen Feedbacks zu Einzelentscheidungen, zu der Ge-
wichtung vorgebrachter Argumente beziehungsweise zu hineingereichten Vor-
schlägen droht andernfalls eine negative Beeinträchtigung der Akzeptanz, die MA
könnten sich nicht wertgeschätzt und mitgenommen – mithin als Zaungäste des
Wandels – fühlen. Die Gewichtung einzelner partizipativer Maßnahmen erfolgte
dabei durchaus dichotom.
Mit Blick auf die Kommunikation im Veränderungsprozess wurde zuvorderst
deutlich, dass in dem gegenständlichen Veränderungsprojekt mit der Zielsetzung
eines transparenten Prozesses bereits ein erheblicher Aufwand betrieben wurde.
Die den Wandel umkleidende Kommunikation erfolgte aus einer elaborierten Ar-
chitektur unter Nutzung verschiedener – zu dem Zeitpunkt des Projektes technisch
sowie zeitlich realisierbarer – Medien respektive Kanäle. Ungeachtet all dessen
wurden jedoch auch Optimierungspotentiale deutlich, um Transparenz und
schließlich auch Akzeptanz und Motivation der Organisationsmitglieder zu för-
dern. In den Interviews wurde tendenziell eine prädominante Bedeutung der früh-
zeitigen, regelmäßigen und umfassenden Kommunikation im Wandel deutlich.
Rekurrierend auf die gegenwärtig ubiquitären Bemühungen von Organisationen
mit ihrer Umwelt interaktiv, onlinebasiert und unter Verwendung von State of the
Art Kommunikations- und Informationstools476 zu kommunizieren, wirft dies die
Frage auf, inwieweit derartige Tools respektive Kanäle ebenso für die interne
Kommunikation in künftigen Wandelprozessen Anwendung finden können. Trei-
bender Argumentationsstrang kann hier sicherlich die frühzeitige, fortwährend ak-
tuelle und mit einer Feedbackfunktion versehene Gewährleistung von Transparenz
sein. Dies kann Gerüchten und mithin subjektivem Widerstand vorbeugen und die
Motivation und das Engagement der MA für den Wandel ggf. noch stärker fördern
als dies konventionelle Informationskanäle vermögen. Hierneben wird durch die
ExpertInnen nahezu unisono die Bedeutung informeller Informationskanäle für
den Veränderungsprozess hervorgehoben. Eine herausragende Bedeutung wurde

476
Ein konkretes Referenzieren auf einzelne Soziale Medien oder Tools unterbleibt hier vor
dem Hintergrund ihrer in Teilen festzustellenden Kurzlebigkeit.
Change Management bei der Polizei 187

einer motivierenden, tragfähigen und für die/den Einzelne/n nachvollziehbar kom-


munizierten Vision für das Wandelvorhaben attestiert.
Dabei bestätigte sich die in Kapitel zwei dieses Beitrages angenommene starke
Konnotation zwischen der Kommunikation und partizipativen Elementen im Ver-
änderungsprozess477, weshalb hier auch die korrelierende Betrachtung der Fakto-
ren als zielführend angenommen wird. Kommunikation stellt überdies einen we-
sentlichen Transmissionsriemen zwischen Projekt und Allgemeiner Aufbauorga-
nisation sowie zwischen strategischer Entscheidung und Betroffenen dar. Die
Tragweite und Relevanz des Managements von Wandel dürfte in Anbetracht der
mannigfaltigen Herausforderungen eher noch zunehmen. Veränderungsprojekte
bilden dabei zumeist exponierte Aufgaben von besonderer Komplexität und Inter-
dependenz diverser OE ab. Folgerichtig kann in Anlehnung hieran nur eine trag-
fähige, mit den notwendigen Ressourcen ausgestattete Projektstruktur dieser Auf-
gabe und den hier beleuchteten Maßnahmenbündeln der Partizipation und Kom-
munikation gerecht werden.
Vor dem Hintergrund der in dieser Untersuchung skizzierten, jedoch bei weitem
nicht erschöpfend analysierten charakteristischen Faktoren und Dimensionen von
Veränderungsprojekten in Polizeiorganisationen sowie eingedenk der organisati-
onsübergreifenden zum Teil exogen determinierten Relevanz von Veränderungs-
prozessen scheinen weitergehende Untersuchungen in diesem Themenfeld sowie
ggf. auch Erhebungen im Sinne eines Benchmarkings478 zielführend. Evaluationen
im Sinne einer Nachbereitung479 und die hieraus begründete Ziehung von Schluss-
folgerungen für zukünftige Prozesse dürften überdies ohnehin von hohem Wert
sein.
Die qualitative Befragung von ExpertInnen erscheint dabei grundsätzlich als ge-
eignete Methode mit Blick auf die in Rede stehende Problemstellung. Im Rahmen

477
Vgl. u. a. Lauer (2014): S. 72 ff. u. 148.
478
Unter der Begrifflichkeit Benchmarking wird hier die „Analyse der eigenen Position im
Markt im Vergleich zu den Besten“ verstanden. Ziel ist es hierbei von den Besten zu lernen
und die eigene Organisation respektive Herangehensweise zu verbessern. (Kerth et al.
(2011): S. 63 u. 153 ff.)
479
Hierbei handelt es sich um einen berufsspezifischen Terminus für die Aufbereitung und
Evaluation polizeilicher Anlässe (wie bspw. Einsatzlagen).
188 Tom Pisecky

der Experteninterviews konnte flexibel auf die InterviewpartnerInnen eingegan-


gen werden und dabei unmittelbar vertieftes Kontextwissen sowie erfahrungsba-
sierte Einschätzungen generiert werden. Die Orientierung am Leitfaden ermög-
licht dabei eine Vergleichbarkeit und Strukturierung der Erkenntnisse aus den In-
terviews. Einschränkend ist jedoch zu konstatieren, dass die gewonnen Erkennt-
nisse stets vor dem Hintergrund potentieller Verzerrungen, bspw. aufgrund von
vermeintlich sozial erwünschten Aussagen, aufgrund einer möglichen „Zustim-
mungstendenz“480 oder durch die bewusste Reduzierung der jeweiligen Wissens-
weitergabe, kritisch zu hinterfragen sind.481 Die angesprochenen Verzerrungsef-
fekte resultierten aus dem „sozialen Charakter der Erhebungssituation“482 und las-
sen sich somit nicht vollumfänglich eliminieren. Vielmehr sind sie bei der Daten-
auswertung zu berücksichtigen.483 Darüber hinaus ist im Hinblick auf die Interpre-
tation des Datenmaterials stets die eigene Subjektivität zu berücksichtigen. In dem
Versuch, dem Gütekriterium Intersubjektivität möglichst gerecht zu werden, er-
folgte hier eine kontrastierte Interpretation auch unter Aufzeigung möglicher kont-
rärer Implikationen.
Hinzu kommt das Moment der eingeschränkten Aussagefähigkeit der ExpertInnen
aufgrund der zeitlichen Distanz zu dem in Rede stehenden Veränderungsprozess,
der im Juli 2016 offiziell abgeschlossen wurde. Dies kann unbeabsichtigt durchaus
Implikationen auf die Plausibilität sowie Wahrheitstreue der Aussagen der Pro-
bandInnen gezeitigt haben.484 Überdies ist nicht zuletzt die Anzahl von lediglich
elf ExpertInnen bei der Analyse der Ergebnisse und mithin die stark einge-
schränkte Allgemeingültigkeit der Erkenntnisse zu beachten. In Ergänzung dieses
Umstandes wirkt relativierend, dass aufgrund der eingeschränkten Anzahl an In-
terviewpartnerInnen mit Blick auf das Aufgaben- und Mitarbeiterportfolio des
BKA nur bedingt eine entsprechend adäquate Streuung bei der Auswahl der Inter-
viewpartner vorgenommen werden konnte. Die vorgenannten restringierenden
Aspekte bei der Analyse der Interviewergebnisse intendieren deren Aussagegehalt
mit Blick auf das BKA. Für eine darüberhinausgehende Übertragung auf Polizei-
organisationen im Allgemeinen dürften sich die erhobenen Erkenntnisse aus der

480
Schnell et al. (2008): S. 354 f.
481
Vgl. Bortz/Döring (2016): S. 357; vgl. Diekmann (2011): S. 443 u. 447 ff.
482
Schnell et al. (2008): S. 357.
483
Vgl. Schnell et al. (2008): S. 357 f.; vgl. Diekmann (2011): S. 443 u. 447 ff.
484
Vgl. Diekmann (2011): S. 445; vgl. Gillham (2000): S. 91.
Change Management bei der Polizei 189

qualitativen Befragung zudem nur sehr eingeschränkt eignen. Dies begründet sich
in der exklusiven Befragung von Beschäftigten einer Organisation, in Korrelation
mit den strukturellen und kulturellen Besonderheiten der Organisation sowie dem
spezifischen Aufgabenportfolio.485
Schließlich begründet sich in der limitierenden Fokussierung auf die zwei Erfolgs-
faktoren Partizipation und Kommunikation die hiermit unweigerlich verbundene
weitgehende Elimination weiterer Schlüsselfaktoren. Diese Einschränkung der
Untersuchung gilt es ebenso zu berücksichtigen.
Der retrospektiven Beleuchtung der differenzierten Perspektiven der Inter-
viewpartnerInnen erwächst dennoch ein nicht zu vernachlässigendes ‚Lessons
learned‘ oder ‚Best Practice‘ Sujet, das sich als gewinnbringend für zukünftige
Veränderungsprojekte zumindest in der beispielhaft herangezogenen Organisation
BKA erweisen könnte. Die beiden hier gegenständlichen Erfolgsfaktoren des CM
sind dabei eng mit einander verwoben. Angesichts des sehr komplexen Themen-
feldes ermöglicht eine Eingrenzung auf wenige Faktoren des CM den tiefergehen-
den Blick. Demgegenüber muss eine Ausblendung anderer – ggf. ebenso gewich-
tiger – Faktoren in Kauf genommen werden.
Berner verweist auf eine „normative Kraft des Faktischen“486 bei der Umsetzung
von Reorganisations-Ansinnen und konstatiert, dass die neue Organisation zeitnah
„zu leben beginnt [sobald] sie steht“487. Unbenommen der Bedeutung hierarchi-
scher Strukturen in Polizeiorganisationen und entsprechend angenommener
Durchsetzungskraft selbiger, könnte dabei jedoch verkannt werden, welche Be-
deutung der Akzeptanz und Motivation der Organisationsmitglieder sowie der ste-
tigen Evaluation innewohnt. Auf diese erfolgskritischen Dimensionen nehmen
Maßnahmen der Kommunikation und Partizipation erheblichen Einfluss. Hinzu
tritt die, in hiesiger Befragung immer wieder als essenziell attribuierte, Definition
und Distribution einer tragfähigen, motivierenden und die konkrete (polizeiliche)

485
Vgl. Jones (2008): S. 453.
486
Berner (2015): S. 181.
487
Ebd.: S. 181.
190 Tom Pisecky

Aufgabenwahrnehmung adressierende Vision. Dabei kann eingedenk der Erkennt-


nisse aus den vorliegenden Experteninterviews durchaus von den Basiselementen
eines erfolgreichen Wandels einer Polizeiorganisation die Rede sein.
Weiterhin ist noch zu konstatieren, dass die hiesige Arbeit lediglich eine deutlich
eingeschränkte Generalisierbarkeit der Befunde prädestiniert. Die Grenzen der
Übertragbarkeit der dargestellten Quintessenzen wurden im Rahmen der vorange-
gangenen Reflexion der Methodik erläutert. Mit Blick jedoch auf die zu Beginn
postulierte Auffassung, dass sich eine retrospektive Untersuchung absolvierter
Veränderungsprozesse und der hiermit korrespondierende Versuch der Generie-
rung prospektiver Best Practice Ansätze beziehungsweise Verbesserungspotenti-
ale für künftige Veränderungsprojekte lohnt, kann die vorgenannte Einschränkung
hiesiger Ansicht nach dahinstehen – insofern, als dass die Erkenntnisse zumindest
durchaus die Möglichkeit der Generierung wertiger und tragfähiger wissenschaft-
licher Erkenntnisse indizieren. Es empfiehlt sich bspw. eine an die thematische
Eingrenzung dieser Arbeit andockende quantitative Befragung. Keineswegs prog-
nostizierend scheint die Annahme, dass mannigfaltige Wandelprozesse den Orga-
nisationen der Polizei bevorstehen und ihre erfolgreiche Gestaltung eher noch an
Bedeutung zunehmen werden. Die Organisationen müssen sich zukunftsfähig auf-
stellen und hierbei diese Prozesse stets neben der täglichen Aufgabenwahrneh-
mung bewältigen. Nicht zuletzt resultiert hieraus die Notwendigkeit, die MA im
Status quo abzuholen und in der Veränderung mitzunehmen, um schließlich auf
beiden Feldern zu reüssieren.
„Es scheint immer unmöglich, bis es vollbracht ist.“ 488

488
Nelson Mandela (1918–2013).
Change Management bei der Polizei 191

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Der Autor
Tom Pisecky, M. A.
Polizeirat
Bundeskriminalamt
199

Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt: Eine qualitativ-


empirische Untersuchung am Beispiel der Polizei NRW

Andreas Hering und Antonio Vera

Inhaltsübersicht
1 Einleitung
2 IT-Strategie der Polizei NRW
3 Theoretische Grundlagen
3.1 Begriffsabgrenzungen
3.2 Rahmenbedingungen der Digitalisierung
3.3 Arbeitsplatz der Zukunft in einer digitalen Arbeitswelt
4 Methodik
4.1 Expertenauswahl
4.2 Interviewleitfaden
4.3 Datenerhebung
4.4 Transkription und Auswertung
5 Diskussion der Ergebnisse
5.1 Begriff „Polizei 4.0“
5.2 Rahmenbedingungen der Digitalisierung
5.3 Arbeitsplatz der Zukunft in einer digitalen Arbeitswelt
6 Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
R. Ritsert und A. Vera (Hrsg.), Management und Organisation in der Polizei,
Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29053-5_5
200 Andreas Hering und Antonio Vera

1 Einleitung

Die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) haben un-


seren Alltag erobert, ihn effizienter, effektiver, flexibler und dynamischer oder
einfach „smarter“489 gemacht. Dieser Wandel scheint noch lange nicht abgeschlos-
sen zu sein. Hochautomatisierte, vernetzte und smarte Systeme auf Grundlage von
Digitalisierung, Robotik, Sensorik sowie cyberphysischen Systemen und Big
Data490 werden im Zuge einer digitalen Transformation alle Bereiche der Arbeits-
welt maßgeblich verändern. Das Internet of Things (IoT), Big Data, künstliche
Intelligenz (KI) und Vernetzung werden die Arbeitswelt von morgen prägen. Bis
2030 werden ca. eine halbe Billion Geräte und Maschinen über das Internet ver-
netzt sein – schon heute sind es über 20 Milliarden. 491 Die Literatur verwendet in
diesem Zusammenhang u. a. die Begriffe „Industrie 4.0“ 492 oder auch „Arbeit
4.0“493.
Auch die öffentliche Verwaltung muss sich der digitalen Transformation stellen,
um Schritt zu halten. In diesem Zuge wurde bereits 2016 das Informationstechnik-
zentrum Bund als Anlaufstelle und zentraler Dienstleister für das gesamte Spekt-
rum an Informationstechnik (IT) der Bundesverwaltung gegründet494 und mit dem
„Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen“ der
Druck, die Digitalisierung voranzutreiben, erhöht, um zu gewährleisten, dass ab
2022 alle öffentlichen Dienstleistungen für Bürger und Unternehmen digital über
Onlineportale zugänglich sind.495 Auf Landesebene wurde in Nordrhein-Westfa-
len (NRW) 2016 das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung
(EGovG NRW) erlassen. Ziel dieses Gesetzes ist es, die Voraussetzungen dafür
zu schaffen, dass die elektronische Kommunikation mit und innerhalb der öffent-
lichen Verwaltung erleichtert wird und die Kommunikations- und Bearbeitungs-
prozesse weitgehend elektronisch und medienbruchfrei durchgeführt werden kön-
nen. Erster Ansprechpartner für die Landesverwaltung bei Unterstützungs- und

489
Vgl. Morozov 2013, S. 14.
490
Vgl. Dengler & Matthes 2015, S. 6.
491
Vgl. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/digitalisierung.html.
492
Vgl. Hinrichsen & Jasperneite 2013, S. 45; vgl. Kagermann 2014, S. 603.
493
Vgl. Baumann et al. 2017, S. 6.
494
Vgl. Kranstedt 2018, S. 28.
495
Vgl. Stern et al. 2018, S 35.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 201

Beratungsbedarf zur Umsetzung des EGovG NRW ist hier das „Competence Cen-
ter Digitalisierung“ beim „Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-
Westfalen“ (IT.NRW) im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, In-
novation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.
Eine besondere Rolle nimmt in diesem Zusammenhang die Polizei ein. IT-Inno-
vationen von Big Data bis hin zum IoT beeinflussen die Umgebung, in der die
Polizei agiert und ihren Aufgaben gerecht werden muss.496 Darüber hinaus bieten
sich Kriminellen neue Tatmittel und Angriffsflächen, aus denen sich wiederum
neue Deliktsbereiche und Modi Operandi generieren. 497 Eine fortschreitende In-
ternationalisierung von Kriminalität erfordert nicht nur eine enge und effektive
Zusammenarbeit von Bund und Ländern, sondern auch internationale Koopera-
tion, gemeinsame Datenbanken, zunehmende Mobilität und Vernetzung sowie ein
effektives und effizientes Informationsmanagement der Strafverfolgungsbehör-
den.498 Insofern hat es sich auch die Bundesregierung im Koalitionsvertrag auf die
Fahne geschrieben, die Sicherheit Deutschlands durch bessere Ausstattung der Po-
lizei und konsequente Digitalisierung zu stärken. Mit dem „Programm 2020“ wird
deshalb auf Bundesebene ein zentrales Informationssystem geschaffen, das auf
modernen Technologien und technischen Strukturen basiert, die künftig zentral
vom Bundeskriminalamt (BKA) für die gesamte deutsche Polizei weiterentwickelt
werden. Darüber hinaus sollen die Vorteile der Digitalisierung auch für weitere
Plattformen – z. B. bei der Auswertung digitaler Spuren – genutzt werden. Die
Neu- und Weiterentwicklungen der Technik für Einsatz, Kommunikation und
Auswertung sollen bundeseinheitlich erfolgen, so z. B. auch bei der Entwicklung
eines Einsatzkommunikations- und -unterstützungssystems.499
Der Polizei NRW werden allerdings im Zuge der Digitalisierung nicht nur durch
gemeinsame Plattformen auf Bundesebene Veränderungen ins Haus stehen. Der
digitale Lebensstil der Gesellschaft 4.0500 und die damit einhergehende Bürgerer-
wartung an die Kommunikationsmöglichkeiten mit der Polizei werden sich nicht

496
Vgl. Rüdiger & Bayerl 2018, S. 11.
497
Vgl. Münch 2017, S. 3.
498
Vgl. Münch 2017, S. 2.
499
Vgl. Münch 2017, S. 8.
500
Vgl. Matuschek 2016, S. 7.
202 Andreas Hering und Antonio Vera

nur auf den Verwaltungsbereich der Polizei erstrecken, sondern auch die Kernauf-
gaben in den Bereichen Einsatz, Kriminalität und Verkehr erreichen. Ziel der vor-
liegenden qualitativ empirischen Studie ist es, herauszuarbeiten, inwieweit die Po-
lizei im Allgemeinen und die nordrhein-westfälische im Besonderen die Rahmen-
bedingungen für einen Arbeitsplatz der Zukunft in einer digitalen Arbeitswelt bie-
tet, um in diesem Kampf um die besten Köpfe zukünftig als attraktiver Arbeitgeber
wettbewerbsfähig zu sein.

2 IT-Strategie der Polizei NRW

Wesentlicher Teil der zukunftsweisenden Ausrichtung der Polizei NRW ist die
„IT-Strategie 2020“. In dieser werden die mittel- und langfristigen Erwartungen
an die IT unter Berücksichtigung der technologischen Entwicklungen und der sich
ändernden Bedürfnisse der Mitarbeiter festgelegt. Agilität durch flächendeckende
Einführung mobiler Endgeräte für den täglichen Dienst, stärkere Automatisierung
von Standardprozessen, der Informationsaustausch mit allen Sicherheitsbehörden
in Echtzeit, die Verbesserung der Datenqualität zur zielgerichteten Auswertung
der immer größeren und komplexeren Datenmengen, der konsequente Ausbau der
IT-Sicherheit sowie eine Neuausrichtung und intensive Verstärkung der Personal-
entwicklung in den technischen Disziplinen sind die wesentlichen Zielsetzungen
dieser IT-Strategie.
Durch die Integration externer Kompetenzen sollen eigene Kapazitäten entlastet
und für notwendige Innovationen freigesetzt werden. Das Landesamt für Zentrale
Polizeiliche Dienste (LZPD) übernimmt dabei eine Zentralstellenfunktion für das
Lizenz-, Beschaffungs-, Anwendungs- und Sicherheitsmanagement, stellt opti-
mierte Auswertungs- und Analyseplattformen bereit, koordiniert die länderüber-
greifende polizeiliche Zusammenarbeit im IT-Bereich, unterstützt die Behörden
durch ein agiles Projekt- und IT-Servicemanagement und ist zentrale Controlling-
stelle im IT-Bereich. Die Anpassung der polizeilichen IT-Infrastruktur an die
Standards des Landes NRW soll u. a. durch das Outsourcing von technischen
Dienstleistungen an IT.NRW gewährleistet werden. Zur Bewältigung der immer
komplexeren und schneller wachsenden Aufgabenraten gilt es, die Personalsitua-
tion im IT-Bereich durch Erarbeitung von Konzepten zur Rekrutierung und Ent-
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 203

wicklung von IT-Fachpersonal anzupassen und neue Wege in Form von gemein-
samen Weiterbildungskonzepten mit IT.NRW als Spezialisten zu gehen. Durch
entsprechende technische Expertise soll auf sich abzeichnende Zukunftstrends
frühzeitig reagiert werden können.
Bei der Einrichtung der Arbeitsplätze mit IT-Standardausstattung soll zwischen
typischen Büroarbeitsplätzen, hybriden Arbeitsmodellen und mobilen Arbeitsra-
ten sowie einzelnen Spezialbereichen polizeilicher Aufgabenfelder differenziert
werden. Geeignete Nutzungskonzepte für mobile Endgeräte sollen zu einer erheb-
lichen Kostensenkung durch Vermeidung von Doppelausstattung mit Hardware
und Lizenzen für Software führen und gleichzeitig die Präsenz des Wach- und
Wechseldienstes auf der Straße durch Wegfall der Übertragung handschriftlicher
Notizen ins IT-System auf der Wache erhöhen.
Die Speicherung von Daten soll flexibel skalierbar erfolgen, um auch große Da-
tenmengen (Big Data) einer qualifizierten Analyse und Auswertung unterziehen
zu können. Hierzu soll die Definition von Informationssicherheitskonzepten die
Nutzung privater Cloud-Lösungen ermöglichen, so dass diese zum festen Bestand-
teil des IT-Architekturmodells der Polizei NRW werden. Dezentrale IT-Verfahren
sollen sukzessive in ein zentrales Verfahrensmanagement überführt werden. Dar-
über hinaus sollen in der freien Wirtschaft etablierte technologische Standards,
wie digitale Signatur, E-Learning-Module, biometrische Authentifizierungsme-
thoden sowie digitale Erkennungsmöglichkeiten im Logistikbereich implemen-
tiert werden. In einem Data-Warehouse sollen die verschiedenen Datenbestände
der Kreispolizeibehörden über geeignete Schnittstellen für Analyse- und Auswer-
tezwecke zusammengeführt werden. Zudem werden die Bürger- und Internetser-
vices ausgebaut, die elektronische Personalakte eingeführt und auf vollständige
elektronische Aktenführung umgestellt sowie der elektronische Rechtverkehr mit
der Justiz gewährleistet.
Aus der Vielzahl der zurzeit laufenden IT-Großprojekte der Polizei NRW zur Um-
setzung der IT-Strategie 2020 ist das neue „Verfahren zur integrierten Vorgangs-
bearbeitung und Auskunft“ (ViVA) hervorzuheben, weil es zukünftig das zentrale
Werkzeug aller Polizisten im Land sein wird und sinnbildlich für die angestrebte
Agilität und Reduzierung von Medienbrüchen stehen soll. Es soll durch Optimie-
rung der Geschäftsprozesse die Arbeit der ca. 50.000 Beschäftigten der Polizei
204 Andreas Hering und Antonio Vera

NRW bei Ermittlungsvorgängen und Verkehrsunfällen erheblich erleichtern, in-


dem mehrere bisher getrennt voneinander laufende Verfahren unter einer Bedien-
oberfläche vereint werden. Das System integriert zukünftig die Vorgangsbearbei-
tung, das polizeiliche Auskunfts- und Fahndungssystem sowie die elektronische
Kriminalakte und bietet darüber hinaus eine Georeferenzierung, also eine direkte
Verknüpfung von polizeirelevanten Daten und Orten zur kartografischen Erfas-
sung und Darstellung.
Wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zur Umsetzung der IT-Strategie 2020 ist
die Möglichkeit, die Software per Smartphone oder Tablet-PC unmittelbar am
Einsatzort zu bedienen. Somit entfällt nicht nur der Übertrag handschriftlicher No-
tizen auf der Wache, sondern auch Fahndungsabfragen, Vernehmungen oder Tat-
ortaufnahmen sind unmittelbar vor Ort in elektronischer Form möglich. Einmal
erfasste oder abgefragte Daten können für eine weitere Bearbeitung unmittelbar
genutzt werden. Die Mehrfacheingabe von Daten mit einem potenziellen Fehler-
risiko wird somit deutlich reduziert. Das bedeutet nicht nur weniger Arbeit durch
die Reduzierung von Medienbrüchen, sondern auch bessere Datenqualität.
Die verbesserten Recherche- und Abfragemöglichkeiten durch die Integration
fachlicher Komponenten polizeiinterner Verfahren werden durch die weitere In-
tegration von Fremdsystemschnittstellen ergänzt, die eine Einmalerfassung und
Mehrfachnutzung von Daten ermöglichen. So bestehen aus dem System heraus z.
B. unmittelbare Abfrage- und Datenübernahmemöglichkeiten beim Bundeskrimi-
nalamt, dem Kraftfahrtbundesamt, dem Bundeszentralregister, den Staatsanwalt-
schaften, bei Einwohnermeldeämtern oder beim Ausländerzentralregister. Per-
spektivisch ist durch eine vollständige Referenzierung aller vorgangsrelevanten
Dokumente und Eingaben auch eine elektronische Übergabe des Gesamtvorgangs
z. B. an die Staatsanwaltschaft möglich.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 205

3 Theoretische Grundlagen

3.1 Begriffsabgrenzungen
3.1.1 Polizei 4.0
Eine einheitliche Definition für den Begriff „Polizei 4.0“ gibt es natürlich nicht.
Insofern wird im Folgenden die Bedeutung des Begriffs hermeneutisch aus seiner
Zusammensetzung und seiner Verwendung abgeleitet.
Bei 4.0 Prozessen geht es grundsätzlich um die Verknüpfung von Maschinen, Pro-
zessen, Dienstleistungen, Dingen und Menschen, wobei diese Begrifflichkeit i. d
R. mit dem Begriff „Industrie 4.0“ verbunden wird. Während in anderen Ländern
in diesem Zusammenhang üblicherweise eher von Digitalisierung oder dem IoT
gesprochen wird, hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer Hightech-Strategie
die Bezeichnung „Industrie 4.0“ gewählt. 501 Dabei handelt es sich um ein Zu-
kunftsprojekt, das darauf abzielt, die deutsche Industrie in die Lage zu versetzen,
für die Produktion von morgen gerüstet zu sein. 502
Die Ziffer „4.0“ soll darauf hindeuten, dass zurzeit eine vierte industrielle Revo-
lution stattfindet. Während die erste industrielle Revolution im 18. Jahrhundert
durch die Mechanisierung von Arbeit zur Industrialisierung einzelner Industrie-
zweige führte,503 war die zweite industrielle Revolution Ende des 19. Jahrhunderts
durch arbeitsteilige Massenproduktion und Fließbandarbeit mithilfe elektrischer
Energie gekennzeichnet. Die dritte industrielle Revolution Anfang der sechziger
Jahre des 20. Jahrhunderts zeichnete sich durch den Einsatz von Elektronik und
IKT aus.504 Die nun stattfindende vierte industrielle Revolution ist geprägt von
einer hochautomatisierten, vernetzten, smarten und weitestgehend selbstorgani-
sierten Produktion auf Grundlage von Digitalisierung, Robotik, Sensorik, cy-
berphysischen Systemen und Big Data.505 Zentrale Annahme ist dabei, dass neue

501
Vgl. Reinheimer 2017, S. V.
502
Vgl. https://www.bmbf.de/de/zukunftsprojekt-industrie-4-0-848.html.
503
Vgl. Siepmann 2016, S. 19.
504
Vgl. Siepmann 2016, S. 19.
505
Vgl. Hinrichsen & Jasperneite 2013, S. 45; Kagermann 2014, S. 603;
Dengler & Matthes 2015, S. 6.
206 Andreas Hering und Antonio Vera

technologische Entwicklungen und die damit einhergehende digitale Transforma-


tion alle Bereiche und Branchen der Arbeitswelt maßgeblich verändern werden,
so dass z. B. auch von „Arbeit 4.0“ gesprochen wird.506
Übertragen auf die Polizei deutet der Begriff Polizei 4.0 somit an, dass die Verän-
derungen durch den digitalen Wandel auch die Polizei revolutionieren werden. In-
wiefern das Ziel einer weitestgehend selbständigen Produktion auf die Polizei
übertragbar ist, scheint eher fraglich, was vermutlich auch ein Grund dafür ist, dass
der Begriff Polizei 4.0 zurzeit eher zurückhaltend verwendet wird.
Die erste mehr oder weniger „offizielle“ Verwendung des Begriffs fand vermut-
lich im Rahmen des 19. Europäischen Polizeikongresses im Februar 2016 statt,
der unter dem Motto „Polizei 4.0“ stand.507 Auf die Begrifflichkeit oder ihren In-
halt wurde im Rahmen der Veranstaltung jedoch nicht eingegangen.
Im Februar 2017 hieß es dann in einem Blog: „Polizei 4.0 auf der CeBIT: Wie
Ermittler und IT-Spezialisten Sicherheit gestalten.“508 Dabei wurde Bezug genom-
men auf ein Interview mit dem BKA Präsidenten Holger Münch, der u. a. von der
rasanten Digitalisierung, die die Sicherheitsbehörden vor neue Herausforderungen
stellt, vom Einsatz verdeckter Ermittler im Cyberraum, von Investitionen in die
polizeilichen IT-Systeme, von einer IT-Struktur, die die Speicherung, Verarbei-
tung und Analyse von Big Data ermögliche, von Polizeivollzugsbeamten (PVB),
die digitale Kompetenzen mitbringen müssen, sowie der engen Zusammenarbeit
zwischen PVB und IT-Spezialisten sprach.509 Den Begriff „Polizei 4.0“ verwen-
dete er aber nicht. Seine Ausführungen bekräftigte er in seiner Rede auf der BKA
Herbsttagung im November 2017, allerdings erneut ohne den Begriff „Polizei 4.0“
zu benutzen.510
Im Oktober 2017 war in der Zeitschrift „Deutsche Polizei“ zu lesen: „Hessische
Polizei 4.0: Ohne uns ist kein Staat zu machen“.511 Der Artikel machte deutlich,

506
Vgl. Baumann et al. 2017, S. 6.
507
Vgl. https://www.fhoev.nrw.de/nachrichten/artikel/19-europaeischer-polizeikongress/.
508
Vgl. https://it-rebellen.de/2017/02/01/polizei-setzt-im-netz-auch-auf-verdeckte-
ermittler/?doing_wp_cron=1531333710.4642970561981201171875.
509
Vgl. https://it-rebellen.de/2017/02/01/polizei-setzt-im-netz-auch-auf-verdeckte-
ermittler/?doing_wp_cron=1531333710.4642970561981201171875.
510
Vgl.Münch 2017.
511
Vgl. Mohrherr 2017, S. 1 f.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 207

wie der Begriff Polizei 4.0 aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Hessen
belegt ist. Hinsichtlich der erheblichen Herausforderungen durch die rasante Di-
gitalisierung, die gesellschaftliche Gemengelage und die anhaltende Terrorgefahr
und die hieraus erforderlichen IT-Prozesse und -vernetzungen verwies die GdP
Hessen auf die Ausführungen des BKA Präsidenten Holger Münch. Darüber hin-
aus wurden aber auch Fragen zur Veränderung der Behördenkultur, des Umgangs
der Beschäftigten miteinander und zwischen Vorgesetzten und Nachgeordneten
und der Attraktivität des Polizeiberufes aufgeworfen. Die Vereinbarkeit von Fa-
milie und Beruf wurde im Kampf um die besten Köpfe am Arbeitsmarkt ebenfalls
in diesem Kontext subsumiert. Kurz zusammengefasst steht Polizei 4.0 für die
hessische GdP für mehr Technik und den Kampf um mehr Personal und IT-Spe-
zialisten sowie nachhaltige Perspektiven für die Polizeibeschäftigten.
Die SPD-Fraktion in Thüringen titelte im Januar 2018: „Polizei 4.0 – Rot-Rot-
Grün macht Thüringer Polizei fit für die digitale Zukunft“ und resümierte darunter
die Modernisierung der Polizei, eine Reaktion auf den digitalen Wandel der Ge-
sellschaft, die Einführung von mobilen Kommunikationsendgeräten, die Einrich-
tung einer Online-Wache, die Einführung von Messenger Systemen für die ver-
schlüsselte interne Kommunikation, eine Verbesserung der IT-gestützten Krimi-
nalitätsbekämpfung, den Ausbau von Computerarbeitsplätzen mit Internetzugang,
die Digitalisierung und multimediale Aufbereitung von Präventionsangeboten und
die Verstärkung der Social Media Teams. 512
Aus den jeweiligen Kontexten der hier dargestellten Verwendungen des Begriffes
Polizei 4.0 lässt sich ein wesentlicher Zusammenhang erkennen. Es geht in allen
Fällen um IT: IT-Systeme, IT-Infrastruktur, IT-Architektur, IT-Prozesse, IT-Spe-
zialisten, Informationsverarbeitung durch IT oder Vernetzung von IT. Es geht je-
doch nicht nur um die Technik und die technischen Prozesse, sondern auch um
deren Auswirkungen auf den Arbeitsplatz Polizei, die veränderten Anforderungen
an die Organisation und ihre Mitarbeiter, d. h. um die Veränderungen der Polizei
als Ganzes im Rahmen der Digitalisierung. Diese Bedeutung soll der Begriff Po-
lizei 4.0 auch im Rahmen der vorliegenden Studie haben.

512
Vgl. https://www.spd-thl.de/polizei-4-0-rot-rot-gruen-macht-thueringer-polizei-fit-fuer-
die-digitale-zukunft/.
208 Andreas Hering und Antonio Vera

3.1.2 Digitalisierung
Der Begriff der Digitalisierung wird 7 i. d. R. ohne weitere Erläuterungen verwen-
det, obwohl ihm verschiedene Bedeutungen zukommen,513 zahlreiche Synonyme
verwendet werden, im Jahr 2015 ca. 56 % der bundesdeutschen Beschäftigten
nicht wussten, was unter „Digitalisierung“ zu verstehen ist, und ein Drittel noch
nicht einmal von diesem Begriff gehört hatte.514 Digitalisierung meint im ur-
sprünglichen Sinne die Umwandlung von Informationen von einer analogen Spei-
cherung – z. B. auf Videokassetten – in eine digitale Speicherung bzw. die digitale
Durchführung von Information und Kommunikation oder die digitale Modifika-
tion von Instrumenten, Geräten und Fahrzeugen.515 Ziel dieser Umwandlung war
ursprünglich die Verwendung, Bearbeitung, Wiedergabe, Speicherung oder Ver-
teilung der Informationen mittels Datenverarbeitungssystemen, 516 das Herstellen
einer maschinellen Lesbarkeit, um die Informationen schneller verarbeiten und
durchsuchen zu können, sowie die Anwendung von Komprimierungsalgorithmen
auf die Daten, um den Speicherbedarf zu reduzieren.517 Synonym für den Begriff
der Digitalisierung wurden Schlagworte wie „digitale Revolution“, „dritte Revo-
lution“, „digitaler Wandel“, „Computerisierung“ oder „Automatisierung“ verwen-
det.
Heute wird Digitalisierung vielfach als Oberbegriff für alle Formen des Einsatzes
von IKT genutzt und als Ursache und Treiber grundsätzlicher Veränderungen im
Sinne von gesellschaftlichen Transformationsprozessen gesehen, die sich nicht auf
einzelne Lebensbereiche beschränken, sondern Berufs-, Alltags- und Freizeitwelt
gleichermaßen tangieren.518 Der Begriff der Digitalisierung steht somit als Schlag-
wort für die informationstechnologisch getriebenen Veränderungen von Wirt-
schaft, Arbeit und Gesellschaft,519 die sich in Diskussionen um mobile oder Cloud-

513
Vgl. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/digitalisierung-54195.
514
Vgl. Hofstetter 2017, S. 74.
515
Vgl. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/digitalisierung-54195.
516
Vgl. Erpenbeck 2017, S. 116.
517
Vgl. Litzl 2017, S. 2.
518
Vgl. Schulz-Schaeffler & Funken 2008, S. 15.
519
Vgl. BMAS 2017, S. 19.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 209

Computing-Technologien, soziale Medien, Analytics, Big Data oder das IoT wi-
derspiegeln.520 Die „Digitalisierung“ gilt als der zentrale Treiber der vierten in-
dustrielle Revolution und ist damit untrennbar mit den Begriffen „Industrie 4.0“
oder eben auch „Polizei 4.0“ verbunden.

3.2 Rahmenbedingungen der Digitalisierung


Bevor mögliche Auswirkungen einer digitalen Transformation betrachtet werden,
ist zunächst einmal die Frage zu beantworten, welche grundsätzlichen Rahmenbe-
dingungen erfüllt sein sollten, damit die Digitalisierung einer Organisation erfolg-
reich betrieben werden kann.

3.2.1 Technologische Voraussetzungen


Technologien, die eine digitale Transformation vorantreiben, dürften sich in ab-
sehbarer Zeit rasant weiterentwickeln.521 Das Fundament der Digitalisierung stel-
len dabei die IKT dar.522 Ins Zentrum der IT-Investitionen rücken insbesondere
Prozesse im Zusammenhang mit Collaboration (Zusammenarbeit), Cloud, Mobile
Computing, Social Business und Big Data. 523
Grundlage ist zunächst die Schaffung einer geeigneten IT-Infrastruktur, also ent-
sprechender Hard- und Software für den Betrieb von Anwendungsprogrammen.
Basis dieser IT-Infrastruktur sollte eine leistungsfähige, skalierbare, flexible und
umfassende Kommunikationsplattform sein, die eine adäquate Integration aller
Systeme ermöglicht, sowie eine Plattform zur Datenaggregation als Basis neuer
Applikationen und Services.524 Die hierdurch ermöglichte zentrale Datenhaltung
bietet den Vorteil, dass die gesamten Daten nach ihrer Erfassung für alle weiteren
Vorgänge jederzeit verfügbar sind und eine medienbruchfreie Informationsversor-
gung gewährleistet wird. Der Zugriff kann i. d. R. über einen Browser und eine
Anbindung an das mobile Internet oder das lokale Netzwerk erfolgen. Nur schwer

520
Vgl. Chalons & Dufft 2016, S. 28 ff.
521
Vgl. BMAS 2017, S. 19.
522
Vgl. Betz & Henkes 2016, S. 7.
523
Vgl. Betz & Henkes 2016, S. 8.
524
Vgl. Weinländer 2017, S. 5.
210 Andreas Hering und Antonio Vera

miteinander in Einklang zu bringende Silo-Lösungen werden den immer komple-


xeren und dynamischeren Herausforderungen nicht mehr gerecht. 525Dementspre-
chend sind die technischen Treiber der Digitalisierung im Hardware-Bereich mo-
bile, digitale Endgeräte, die eine elektronische, orts- und zeitunabhängige Erfas-
sung, Verarbeitung und Übermittlung von Daten ermöglichen und damit Garant
für eine effektive Zusammenarbeit in Echtzeit, die Reduzierung von Übertra-
gungsfehlern und die Erhöhung der Verarbeitungsgeschwindigkeit sind.
Neben Hard- und Software sind leistungsfähige Netze ein weiteres Fundament ei-
ner erfolgreichen Digitalisierung. 526 Eine sichere und flexible Kommunikation in
Echtzeit mit Mobilfunk- und Netztechnologien bilden die Basis für vielfältige An-
wendungen in der Zukunft. Die Nutzung von Cloud-Technologien und Cloud-Ser-
vices wird bis zum Jahr 2019 einen Anstieg von ca. 125 % erfahren, weil sie den
Unternehmen immer die passende Rechenleistung und das optimale Speichervo-
lumen zur Verfügung stellen527 und über diese kompletten Anwendungen laufen
können. Betrieb und Wartung der Leistung werden ausgelagert und damit die ei-
genen Personalressourcen, Sach- und Finanzmittel geschont.
Der Begriff Sicherheit ist in diesem Zusammenhang in zweierlei Hinsicht zu be-
trachten. Zum einen muss die Netzwerksicherheit (Security) garantiert werden, die
mit zunehmender Vernetzung der Systeme an Bedeutung gewinnt. Nur autorisier-
ten Personen darf der Zugriff auf die Daten ermöglicht werden. Zum anderen ist
die funktionale Sicherheit (Safety) im Sinne von Systemstabilität zu gewährleis-
ten.528 Firewalls, Virensoftware sowie die gesamte IT-Infrastruktur müssen stets
auf dem neuesten Stand sein, um Systemausfälle und Fremdzugriffe zu verhin-
dern.

3.2.2 Finanzielle Aspekte


Auf dem Weg in die digitale Arbeitswelt sehen 77 % der Unternehmen die Inves-
titionskosten in die digitale Transformation als größte Herausforderung. 529 Die ge-
schätzte Investitionssumme für IT-Dienstleistungen in Deutschland in den Jahren

525
Vgl. Betz & Henkes 2016, S. 8.
526
Vgl. Tuszik & Korff 2018, S. 36.
527
Vgl. Betz & Henkes 2016, S. 9.
528
Vgl. Weinländer 2017, S. 22 ff.
529
Vgl. Kampe & Walter 2017, S. 17.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 211

2016 bis 2025 soll sich dabei allein im verarbeitenden Gewerbe auf ca. 21,1 Mrd.
€ belaufen.530 Auf der anderen Seite bedeutet die digitale Integration letztlich aber
auch, dass Arbeitsprozesse in kürzerer Zeit erledigt werden können und so wiede-
rum Ressourcen eingespart werden.531 Insofern ist einer Investition in neue Tech-
nologien grundsätzlich eine Kosten-Nutzen-Relation voranzustellen.532 Hinsicht-
lich der Investitionskosten in „Industrie 4.0“ ab dem Jahr 2016 wird z. B. prog-
nostiziert, dass sich diese im Jahr 2024 amortisiert haben werden. 533
Die betriebswirtschaftlichen Ziele der Rationalisierung und der Kostensenkung
durch Digitalisierungsprozesse spielen auch in der öffentlichen Verwaltung eine
Rolle.534 Mehr Digitalisierung ermöglicht schnellere Verfahren, besseren Service
und niedrigere Kosten für die Verwaltung. So könnten hier durch medienbruch-
freie Prozesse im Rahmen der Digitalisierung zwischen 30 und mehr als 70 % der
Kosten bei einzelnen Verwaltungsprozessen eingespart werden, wenn diese voll-
ständig elektronisch abgewickelt würden.535 Vor allem der Verzicht auf Unter-
schriften, Identitätsprüfungen oder persönliche Vorsprachen bei der Antragstel-
lung sowie die Verwendung elektronischer Formulare und die Möglichkeit elekt-
ronischen Bezahlens, eine Upload-Möglichkeit für erforderliche Nachweise oder
die Beschaffung von Nachweisen durch die Behörden untereinander würden zu
erheblichen Kosteneinsparungen beitragen.536
In Bezug auf die Polizei NRW kündigte der amtierende Innenminister an, dass für
die Erneuerung und Verbesserung der IT-Ausstattung 31,7 Mio. € zur Verfügung
stünden, um mit der technischen Entwicklung und daran gekoppelt auch mit dem
polizeilichen Gegenüber Schritt halten und Kriminalitätsphänomene wie Cyber-
crime wirkungsvoll bekämpfen zu können. Hierin inbegriffen ist auch die An-
schaffung neuer mobiler Endgeräte. Des Weiteren stünden die finanziellen Mittel
zur Verfügung, um die Behörden in die Lage zu versetzen, effektiv und effizient

530
Vgl. Wolter et al. 2015, S. 26.
531
Vgl. Kampe & Walter 2017, S. 4.
532
Vgl. Kampe & Walter 2017, S. 20.
533
Vgl. Wolter et al. 2015, S. 35.
534
Vgl. Schilff 2017, S. 1.
535
Vgl. Siegfried & Schumacher 2016, S. 4.
536
Vgl. Siegfried & Schumacher 2016, S. 3 f.
212 Andreas Hering und Antonio Vera

bei Ermittlungen mit Big Data umzugehen und die Videoüberwachung auszuwei-
ten.537

3.2.3 Rechtliche Aspekte und politische Einflüsse


Neben den technischen und finanziellen Aspekten stellen auch die rechtlichen Fra-
gen, die mit dem Einsatz neuer Technologien entstehen, eine zentrale Herausfor-
derung auf dem Weg zum digitalen Unternehmen bzw. der digitalen Verwaltung
dar.538 Die Handlungsfelder des Vertrags-, Haftungs- und IP-Rechts stehen bei der
voranschreitenden technischen Entwicklung genauso im Fokus wie das Steuer-,
Wettbewerbs- und Kartellrecht.
Für die öffentliche Verwaltung ergeben sich aus dem EGovG NRW klare Geset-
zesvorgaben zur Einführung der elektronischen Aktenführung bis zum Jahr 2022,
zur Gewährleistung eines elektronischen Aktenaustausches zwischen den Behör-
den und zur vollständigen Einrichtung von elektronischen Verwaltungsabläufen
bis zum Jahr 2031.539 Die geltende Rechtslage lässt heute schon in den meisten
Bereichen eine medienbruchfreie Abwicklung der Verwaltungsvorgänge zu und
nur in wenigen Ausnahmen sind Anpassungen des Rechtsrahmens erforderlich,
um den Ausbau von E-Government-Services weiter voranzutreiben.540
Die Aspekte des Datenschutzes und der Datensicherheit sind in Zeiten von Big
Data und Data Mining von besonderer Relevanz. Gerade für staatliche Einrichtun-
gen und insb. die Polizei spielen in der öffentlichen Diskussion die Erfassung und
Verwertung von Daten eine wesentliche Rolle. Vorratsdatenspeicherung, Radio-
Frequency-Identification, biometrische Überwachung und Mautdaten als Fahn-
dungsdaten sind nur einige Begriffe, die Datenschützer und Bürgerrechtler aufhor-
chen lassen.541 Die allgemeinen Prinzipien des deutschen Datenschutzrechts wie
die Zweckbindung, die Datensparsamkeit, das Transparenzgebot, die Erforder-
lichkeit und die Verhältnismäßigkeit gewinnen mit zunehmenden Möglichkeiten
der Datengenerierung gleichermaßen an Bedeutung.542

537
Vgl. Reul 2017, S. 3 f.
538
Vgl. Kampe & Walter 2017, S. 80.
539
Vgl. Reul 2017, S. 5.
540
Vgl. Siegfried & Schumacher 2016, S. 10–14.
541
Vgl. Humer 2008, S. 222–231.
542
Vgl. BMAS 2017, S. 143.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 213

Insbesondere bei der Verwendung externer Cloud-Technologien stellen sich die


Fragen nach Verfügungs- und Eigentumsrechten an den Daten. Nach der am 25.
Mai 2018 in Kraft getretenen Datenschutz-Grundverordnung der EU (DSGVO)
darf die Behörde nur mit Dienstleistern zusammenarbeiten, die hinreichende Ga-
rantien dafür bieten, dass technische und organisatorische Maßnahmen so durch-
geführt werden, dass die Verarbeitung im Einklang mit den Anforderungen der
DSGVO erfolgt und der Schutz der Rechte der betroffenen Person gewährleistet
ist. Hierbei ist auch der Risikofaktor Mensch zu berücksichtigen (Art. 32 Abs. 4
DSGVO) und z. B. durch Verhaltensrichtlinien, restriktive Zugriffsregelungen,
Zugriffsprotokollierung oder Schulungen zu sensibilisieren.543
Für die Beschäftigten bietet die Digitalisierung auf der einen Seite Arbeitserleich-
terungen und erweiterte Freiräume, Mobilität und Flexibilität, ermöglicht auf der
anderen Seite jedoch eine Mobilitäts-, Standort-, Arbeits- und Persönlichkeits-
überwachung durch den Arbeitgeber in völlig neuen Dimensionen, was seitens der
Personalvertretungen zum Teil zur Forderung nach einem zeitgemäßen Beschäfti-
gungsdatenschutzgesetz führt.544 Darüber hinaus ergeben sich aus der steigenden
Arbeitsintensität und Verantwortung für die Beschäftigten sowie der permanenten
Erreichbarkeits- und Verfügbarkeitserwartung, die mit der Digitalisierung einher-
gehen, neue Belastungen und Gefahren für die Beschäftigten, die nach Meinung
einiger Personalvertreter eine Regulierung der Arbeit und Weiterentwicklung des
Arbeitsschutzgesetzes sowie die Anpassung der Mitbestimmungsrechte erfor-
dern.545 Ein anderer Teil der Personalvertretungen hält jedoch eine Novellierung
des Personalvertretungsrechts nicht für erforderlich, weil die bestehenden Mitbe-
stimmungsrechte hinsichtlich der Gestaltung von Arbeitszeit, -platz, -methoden, -
verfahren und -abläufen ausreichend seien, um einer Entgrenzung der Arbeit ent-
gegenzuwirken.546

543
Vgl. Hickisch 2017, S. 83.
544
Vgl. Schilff 2017, S. 1 f.
545
Vgl. Schilff 2017, S. 1 f.
546
Vgl. Hebeler 2017, S. 32.
214 Andreas Hering und Antonio Vera

3.2.4 Personelle Aspekte


Für die Entwicklung, Einführung und Begleitung neuer technologischer Prozesse
bedarf es nicht nur der entsprechenden Hard- und Software, sondern auch Spezia-
listen mit entsprechender digitaler Kompetenz. 547 Grundsätzlich sollte hierfür dau-
erhaft ein interner oder externer IT-Dienstleister zur Verfügung stehen, der sowohl
finanziell als auch personell angemessen ausgestattet ist. Für die Polizei NRW ist
dieser interne Dienstleister das LZPD NRW mit landesweit insgesamt 1.256 IT-
Mitarbeitern, d. h. 3,1 % der Gesamtbelegschaft. Im Rahmen eines Benchmar-
kings wurde bei Vergleichsorganisationen des öffentlichen Dienstes eine Quote
von 4 % und im Gesamtdurchschnitt deutscher Unternehmen von 5 % festgestellt.
Jedoch kommt es nicht nur auf die Quantität der IT-Mitarbeiter, sondern auch auf
ihre formale Qualifikation und die Weiterentwicklung interner Fähigkeiten an. Im
Zuge der digitalen Transformation werden zukünftig IT-Experten benötigt, die
nicht nur über neue Fach-, sondern auch über Sozial-, Dienstleistungs- und Inno-
vationskompetenz verfügen und diese „Hybridkompetenzen“ mit interdisziplinä-
ren Kenntnissen zusammenführen können. 548
Die Vermeidung von Fluktuation und eine proaktive Nachbesetzung solcher
„Hybridkompetenzstellen“ im Rahmen entsprechender Potenzialanalysen erfor-
dern auch Veränderungen in der Personalentwicklung. Grundsätzlich wird mehr
Personal für die anstehenden Veränderungsprozesse benötigt werden und das vor-
handene muss weiter qualifiziert werden. Die Werbung um „digital natives“, junge
Fachkräfte, die bereits durch ihre Sozialisation mit digitalen Prozessen vertraut
sind, wird zur neuen Herausforderung des Human Resources Managements.549 Im
Wettbewerb um diese Fachkräfte gilt es als attraktiver Arbeitgeber am Markt auf-
zutreten und die veränderten Wertvorstellungen der Absolventen zu berücksichti-
gen.550
Die IT-Strategie 2020 der Polizei NRW sieht auch das Outsourcing von techni-
schen Dienstleistungen, z. B. an IT.NRW, vor. Dies setzt wiederum die Qualifi-
zierung eigenen Personals hinsichtlich der Beurteilungskompetenz über Soll- und

547
Vgl. Jarolimek 2017, S. 23.
548
Vgl. acatech 2016, S. 16.
549
Vgl. Ledinger 2017, S. 31.
550
Vgl. acatech 2016, S. 19.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 215

Ist-Zustand für die Lieferantenauswahl und -steuerung voraus. Auch hier sind ent-
sprechende Kompetenzvermittlung und Qualifizierung im Rahmen der Aus- und
Fortbildung zu berücksichtigen.
Neben der Entwicklung und Einführung der Technologie und der Prozesse durch
„IT-Hybridspezialisten“ sind die Mitarbeiter als Anwender das Kernelement einer
digitalen Transformation.551 Insofern sind nicht nur die Notwendigkeit und Dring-
lichkeit des Wandels den Beschäftigten gegenüber zu kommunizieren, sondern
auch deren Akzeptanz und Veränderungsbereitschaft zu fördern. 552 Die Beleg-
schaft ist bei der digitalen Transformation nicht nur „mitzunehmen“, sondern soll
diese vielmehr aktiv mitgestalten.

3.3 Arbeitsplatz der Zukunft in einer digitalen Arbeitswelt


Die Digitalisierung wird das Verständnis von Arbeit und Erwerbstätigkeit grund-
legend verändern.553 Im Folgenden soll dargestellt werden, welche Erwartungen
Arbeitnehmer an ihren zukünftigen Arbeitsplatz haben und welche Konsequenzen
sich für den Arbeitgeber daraus ergeben.

3.3.1 Empirische Studien


Im Zusammenhang mit der Arbeitszufriedenheit bzw. den Erwartungen der Mit-
arbeiter an ihren Arbeitsplatz und die Arbeitsgestaltung werden nachfolgend die
Ergebnisse aus drei empirischen Studien aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 aus-
zugsweise dargestellt.
Datengrundlage für die empirische Studie „Bewerbungspraxis 2015“ war ein
Rücklauf von 7.040 Studienteilnehmern auf einen webbasierten Fragebogen. 554
Auf die Frage, was ein Unternehmen attraktiv macht, gaben 94 % der Kandidaten
ein gutes Arbeitsklima an, gefolgt von 86 %, die sich flexible Arbeitszeitmodelle
wünschen. Gute Karrieremöglichkeiten wurden von 85 % benannt, Weiterbildung
und Wissensaustausch von 84 %, Work-Life-Balance von 82 % und die Unterstüt-
zung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf seitens des Arbeitgebers, z. B.

551
Vgl. Betz & Henkes 2016, S. 15.
552
Vgl. Wiegand 2018, S. 20.
553
Vgl. BMAS 2017, S. 19; acatech 2016, S. 11; Bruckner et al. 2018, S. 5.
554
Vgl. Weitzel et al. 2015, S. 5.
216 Andreas Hering und Antonio Vera

durch das Angebot von Kinderbetreuung, von 68 %.555 Bemerkenswert sind diese
Ergebnisse insbesondere im Vergleich zum Jahr 2004, als Kriterien wie Flexibili-
tät der Arbeitszeiten und Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf mit nur 28 %
bzw. 27 % deutlich hinter dem Inhalt der Tätigkeit und dem Einkommen mit 68 %
bzw. 64 % rangierten.556 Gerade das Homeoffice wurde in Bezug auf flexible Ar-
beitszeitmodelle als Indikator für die Attraktivität von Unternehmen genannt, weil
es verschiedene Vorteile wie das Entfallen von Pendelzeiten (84,4 %), eine räum-
liche Unabhängigkeit (77,6 %), eine verbesserte Work-Life-Balance (69,0 %) so-
wie eine erhöhte Eigenverantwortung (67,9 %) bietet. Als Nachteile wurden neben
dem Verschwimmen der Grenze zwischen Arbeit und Familie (53,2 %) die Ver-
ringerung sozialer Kontakte (43,8 %), das Nicht-Vorhandensein technischer Un-
terstützung (32 %) sowie sinkende Karrierechance (24,5 %) benannt.557
„Wertewelten Arbeiten 4.0“ ist eine vom Bundesministerium für Arbeit und Sozi-
ales (BMAS) geförderte Studie aus dem Jahr 2016, in der 1.200 Erwerbstätige in
Deutschland auf Basis von IT-gestützten, kombiniert quantitativ-qualitativen Tie-
feninterviews nach ihren Wünschen und Hoffnungen sowie Befürchtungen und
Ablehnungen befragt wurden.558 Im Verlauf der Studie stellte sich eine recht hohe
Vielfalt und zugleich Gegensätzlichkeit in den Wünschen und Ansprüchen der Er-
werbstätigen heraus. Mithilfe einer Clusteranalyse wurden sieben verschiedene
Wertewelten identifiziert.559 Der Wertewelt „Sorgenfrei von der Arbeit leben kön-
nen“ lassen sich 28 % der Befragten zuordnen, gefolgt von „Den Wohlstand hart
erarbeiten“ mit 15 %, „Balance zwischen Arbeit und Leben finden“ mit 14 %,
„Sinn außerhalb seiner Arbeit suchen“ mit 13 %, „Engagiert Höchstleistung er-
zielen“ mit 11 %, „Sich in der Arbeit selbst verwirklichen“ mit 10 % und „In einer
starken Solidargemeinschaft arbeiten“ mit 9 %.560 Im Ergebnis wird herausge-
stellt, dass in fünf dieser sieben Wertewelten mobile Arbeit und Telearbeit positiv
durch die Erwerbstätigen bewertet werden, die Mehrheit eine Individualisierung
der Arbeitszeiten anstrebt und sich wünscht, die eigene Arbeit flexibel einteilen

555
Vgl. Weitzel et al. 2015, S. 8 f.
556
Vgl. Weitzel et al. 2015, S. 33.
557
Vgl. Weitzel et al. 2015, S. 20.
558
Vgl. BMAS/Nextpractice 2016, S. 4 ff.
559
Vgl. BMAS/Nextpractice 2016, S. 18 f.
560
Vgl. BMAS 2017, S. 35.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 217

zu können.561 Ebenfalls erwies sich in allen Wertewelten das Bedürfnis nach ei-
nem Sinn in der Arbeit und einer individuell auszugestaltenden Balance zwischen
Arbeit und Privatleben als relevant.562 In technischen Innovationen werden Poten-
ziale zur Selbstverwirklichung und Teilhabe an der Gestaltung der eigenen Ar-
beitswelt gesehen.563 Homeoffice, flexible Arbeitszeiten und ein individuell ge-
staltetes Arbeitsumfeld bieten bessere Chancen auf eine Work-Life-Balance als
bisher.564 Materiellen Werten wird hingegen eher eine geringe Anreizbedeutung
beigemessen.565 Damit geht jedoch die Befürchtung einer Entgrenzung von Arbeit
und Privatleben und der ständigen Erreichbarkeit und Verfügbarkeit einher.
In der Studie „Arbeitsplatz der Zukunft 2017“ wurde anhand von insgesamt 1.519
Interviews der Frage nachgegangen, wie eine zukunftsträchtige Arbeitsgestaltung
aus Sicht von Führungskräften und Mitarbeitern aussehen müsste.566 Im Ergebnis
gaben 57 % der befragten Unternehmen an, mit dem Arbeitsplatz der Zukunft in
erster Linie Mobilität und Technologie zu assoziieren, gefolgt von 48 % die das
Überdenken von Arbeitszeitmodellen und Home- bzw. Remote-Arbeit im Vorder-
grund sahen.567 Aus Sicht der Mitarbeiter ist die Frage nach dem Arbeitsplatz der
Zukunft im Wesentlichen daran geknüpft, wo sie in Zukunft arbeiten. Dement-
sprechend gaben 79 % der Befragten eine Veränderung von Arbeitszeitmodellen
sowie Home- bzw. Remote-Arbeit als wesentliches Charakteristikum eines zu-
kunftsorientierten Arbeitsplatzes an. Dies drückt sich auch in den Werten von
73 % bzgl. Mobilität und Technologie und 63 % bzgl. einer verstärkten Nutzung
technischer Möglichkeiten aus, da diese Grundvoraussetzung für das Aufbrechen
traditioneller Arbeitsmodelle sind.568 Im Weiteren stellt die Studie heraus, dass in
ca. 66 % der Unternehmen die Mitarbeiter nicht ausreichend in die entsprechenden
Wandlungsprozesse einbezogen werden.569 Wird nach den Zielen neuer Arbeits-

561
Vgl. BMAS/Nextpractice 2016, S. 37 ff.
562
Vgl. BMAS/Nextpractice 2016, S. 46.
563
Vgl. BMAS/Nextpractice 2016, S. 46.
564
Vgl. BMAS/Nextpractice 2016, S. 46.
565
Vgl. BMAS/Nextpractice 2016, S. 46.
566
Vgl. IDG Research Services 2017, S. 3, 57 ff.
567
Vgl. IDG Research Services 2017, S. 20.
568
Vgl. IDG Research Services 2017, S. 21.
569
Vgl. IDG Research Services 2017, S. 26 f.
218 Andreas Hering und Antonio Vera

platz- und Mobilitätskonzepte gefragt, sind dies die Top-Fünf-Antworten: „Flexi-


bilität und Agilität erhöhen“, „Produktivität steigern“, „Mitarbeiterzufriedenheit
steigern/Mitarbeiter halten“, „Kommunikation und Zusammenarbeit verbessern“
und „höhere Attraktivität als Arbeitgeber“. Ein moderner und attraktiver Arbeit-
geber zeichnet sich dementsprechend vor allem durch flexible Arbeitszeitmodelle
und weniger Präsenzpflicht im Büro aus. 570 Folglich stehen auf der Wunschliste
der Mitarbeiter neben flexibleren Arbeitszeitmodellen z. B. standortunabhängige
Zugriffe auf Daten, eine schnelle Netzwerkanbindung, papierloses Arbeiten, mo-
bile Endgeräte und die Vernetzung der verschiedenen Kommunikationssys-
teme.571 Als Befürchtungen werden u. a. die Abhängigkeit von IT und Internet
sowie die ständige Erreichbarkeit und Verfügbarkeit, eine Überwachung durch
neue Technologien und weniger Freizeit genannt. 572
Fasst man diese drei Studien zusammen, so ergeben sich hinsichtlich der Wünsche
bzw. Bedürfnisse der Beschäftigten drei Themenschwerpunkte. Ein Themenkom-
plex bezieht sich auf die zu verrichtende Tätigkeit und das unmittelbare Arbeits-
umfeld. Hier sind die genannten Formulierungen „Sinn in der Arbeit“, „gute Kar-
rieremöglichkeiten“, „gutes Arbeitsklima“, „Teilhabe an der Arbeitsgestaltung“
und „Weiterbildung und Wissensaustausch“ einzuordnen. Der zweite und in allen
drei Studien am deutlichsten zu Trage kommende Komplex beinhaltete die As-
pekte Flexibilität und Mobilität. Darunter fallen „flexible Arbeitszeitmodelle“,
„Veränderung von Arbeitszeitmodellen“, „Individualisierung der Arbeitszeiten“;
„eigene Arbeit flexibel einteilen“, „mobile Arbeit/Homeoffice/Tele-/Remote-Ar-
beit“, „weniger Präsenzpflicht“ – und zwar gestützt durch „verstärkte Nutzung
technischer Möglichkeiten“, „standortunabhängige Zugriffe auf alle Daten“
durch „mobile Endgeräte“ und „Vernetzung der verschiedenen Kommunikations-
systeme“. Den dritten Schwerpunkt stellt die Work-Life-Balance dar. „Individuell
auszugestaltende Balance zwischen Arbeit und Privatleben“, „Selbstverwirkli-
chung“, „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ und letztlich auch „die Unterstüt-
zung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf seitens des Arbeitgebers“ hän-
gen jedoch unmittelbar mit dem zweiten Themenkomplex „Flexibilität und Mobi-

570
Vgl. IDG Research Services 2017, S. 28 f.
571
Vgl. IDG Research Services 2017, S. 31.
572
Vgl. IDG Research Services 2017, S. 32.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 219

lität“ zusammen, da dieser die Ausgestaltung der Work-Life-Balance gewährleis-


tet.573 Aus diesen Wünschen nach Flexibilität, Mobilität und Vereinbarkeit von
Familie und Beruf ergeben sich im Umkehrschluss auch die genannten Befürch-
tungen des „Verschwimmen[s] der Grenzen zwischen Arbeit und Familie“ bis hin
zur „Entgrenzung von Arbeit und Privatleben“ durch „ständige Erreichbarkeit und
Verfügbarkeit“. Darüber hinaus werden die „Verringerung sozialer Kontakte“ und
„sinkende Karrierechancen“ als negativer Ausfluss der ortsunabhängigen Arbeit
gesehen.

3.3.2 Möglichkeiten der Arbeitsflexibilisierung


Mehr als 60 % der abhängig Beschäftigten arbeiten heute in starren Arbeitszeit-
modellen,574 obwohl sich zur Vermeidung starrer Präsenzpflichten oder Zeitvor-
gaben in Wirtschaft und Verwaltung u. a. das Arbeitszeitmodell der Gleitzeit mit
starrer Kernarbeitszeit und individuellen Gleitspannen etabliert hat. 575. In einigen
Bereichen der Wirtschaft und der Verwaltung finden aber auch komplett variabel
gestaltete Modelle der gleitenden Arbeitszeit Anwendung. Hierbei wird auf die
Festlegung einer Kernarbeitszeit der Beschäftigten verzichtet und stattdessen eine
Pflichtanwesenheit für die jeweiligen Organisationseinheiten autark vereinbart.
Die Planung erfolgt dabei eigenverantwortlich in der Organisationseinheit, richtet
sich an den tatsächlichen Notwendigkeiten aus und ist streng nach den Erforder-
nissen des Kunden orientiert.576
In den 47 Kreispolizeibehörden (KPB) der Polizei NRW sowie in den drei Lan-
desoberbehörden (LKA, LAFP, LZPD) und im Ministerium des Innern (IM) NRW
wurde zur Flexibilisierung der Arbeitszeit außerhalb des Wach- und Wechsel-
dienstes und einiger im festen Schichtdienst arbeitenden Organisationseinheiten
die gleitende Arbeitszeit entsprechend der „Verordnung über die Arbeitszeit der
Beamtinnen und Beamten im Lande NRW“ (AZVO) eingeführt. In jeder Behörde
besteht eine eigene Dienstvereinbarung zwischen dem jeweiligen Personalrat und
der Behördenleitung, die sich in ihrem Regelungsgehalt an der AZVO ausrichtet.
Im Polizeipräsidium (PP) Recklinghausen ist z. B. eine Kernarbeitszeit von 09:00

573
Vgl. BMAS 2017, S. 70.
574
Vgl. Weitzel et al. 2015, S. 20; BAuA 2016, S. 53.
575
Vgl. Winiger 2011, S. 120 f.; Hellert 2014, S. 86.
576
Vgl. Winiger 2011, S. 129.
220 Andreas Hering und Antonio Vera

bis 15:00 Uhr festgelegt. Die Mittagspause sollte in der Zeit von 11:30 Uhr bis
14:00 Uhr liegen und 90 Minuten nicht überschreiten. Die Gleitzeit ist von Montag
bis Freitag von 06:30 bis 09:00 Uhr und von 15:00 bis 20:00 Uhr festgelegt. In-
nerhalb dieser Zeit können die Beschäftigten unter Abwägung dienstlicher Erfor-
dernisse Beginn und Ende der Arbeit selbst bestimmen.
Flexibilität der Arbeit betrifft aber nicht nur die zeitliche, sondern auch die räum-
liche und organisatorische Abkopplung vom Betrieb. Telearbeit, häufig auch als
Homeoffice oder Remote-Arbeit bezeichnet, ist die von Informationstechnologien
unterstützte, in kooperative betriebliche Kontexte eingebundene Erwerbsarbeit,
die zumeist anteilsmäßig von einem oder mehreren wechselnden dezentralen Ar-
beitsorten anstatt an einem zentralen betrieblichen Arbeitsplatz ausgeübt wird.577
9 % der abhängig Beschäftigten haben die Arbeit im Homeoffice mit ihrem Ar-
beitgeber vereinbart.578 Prinzipiell lässt sich zwischen stationärer und mobiler Te-
learbeit unterscheiden.
Stationär bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Beschäftigte einen festen
Arbeitsplatz außerhalb des Unternehmens hat, i. d. R. zu Hause. Die alternierende
Telearbeit ist die meist genutzte Form der stationären Telearbeit, bei der die Be-
schäftigen ihre Arbeit sowohl im Unternehmen als auch zu Hause verrichten. 579
Kollektive Telearbeit hingegen wird in sogenannten Satellitenbüros erbracht, die
per Telekommunikation an die Zentrale des Unternehmens angebunden sind. 580
Daran anlehnend haben sich in den vergangen Jahren weitere externe Arbeitsplatz-
konzepte, wie „Co-Working Spaces“ oder „Co-Rental Spaces“ etabliert, die räum-
lich verteiltes Arbeiten unterstützen.581 Co-Working Spaces vermieten einzelne
Arbeitsplätze auf einer größeren Fläche und stellen ihren Mitgliedern eine typische
Büro-Infrastruktur zur Verfügung. Sie bieten ihren „Gästen“ die Möglichkeit, z.
B. in einer Lounge miteinander in Kontakt zu treten und sich über ihre Projekte
und Ideen auszutauschen. Auf diese Art und Weise wird, anders als beim klassi-
schen Homeoffice, trotz der räumlichen Distanz von den eigenen Arbeitskollegen

577
Vgl. Kleemann & Matuschek 2008, S. 56.
578
Vgl. BAuA 2016, S. 53.
579
Vgl. Hellert 2014, S. 109.
580
Vgl. Winiger 2011, S. 94.
581
Vgl. Klaffke 2016, S. 16 ff.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 221

ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt und nicht zuletzt die Motivation und Produktivi-
tät gefördert. Co-Rental Spaces sind durch mehrere Parteien gemeinsam angemie-
tete Büroflächen oder -komplexe, bei denen ebenfalls die gemeinsame Infrastruk-
turnutzung und das motivations- und kreativförderliche Arbeitsumfeld im Vorder-
grund stehen.
Als mobile Telearbeit werden alle Tätigkeiten bezeichnet, die von Beschäftigten
telekommunikationsgestützt von unterwegs, also i.d.R. über mobile Endgeräte,
vollkommen ortsunabhängig erbracht werden. 582 Um die Mobilität der Beschäf-
tigten zu gewährleisten, ist eine IT-Infrastruktur erforderlich, die den zeit- und
ortsunabhängigen Zugriff auf die IT-Ressourcen des Unternehmens zulässt. Au-
ßerhalb des Unternehmens erfolgt diese Verbindung über das Internet per Mobil-
funk oder aus einem öffentlichen WLAN, was zusätzlich die Einrichtung eines
Virtual Private Network (VPN) erfordert, um die Datensicherheit durch eine ver-
schlüsselte Verbindung zwischen dem Endgerät und dem Unternehmensserver zu
garantieren. Darüber hinaus ist entweder eine lokale Installation der benötigten
Arbeitsplatzanwendungen oder das Einrichten eines virtuellen Desktops (Arbeits-
platzes) mittels entsprechender Softwarelösung (z. B. Citrix oder VMWare) auf
dem mobilen Endgerät erforderlich. 583 Um die eigenen personellen und finanziel-
len Kapazitäten zu entlasten, kann die Bereitstellung der benötigten IT-Ressour-
cen auch im Zuge von „Cloud Computing“ an einen externen Dienstleister ausge-
lagert werden.584
Hinsichtlich der Beschäftigten der Polizei NRW ist festzustellen, dass zunächst
die gesetzliche Vorgabe der AZVO gilt, wonach der Dienst grundsätzlich an der
Dienststelle und innerhalb der regelmäßigen Dienststunden zu leisten ist, soweit
nicht eine andere Regelung erforderlich oder zweckmäßig ist. Insbesondere bei
Telearbeit kann jedoch von dieser Regelung abgewichen werden, wenn dienstliche
Gründe nicht entgegenstehen. Hierzu gibt es in den 51 Behörden der Polizei NRW
Dienstvereinbarungen zwischen Behördenleitung und Personalrat. Abgesehen da-
von, dass in allen Behörden nur das Modell der alternierenden Telearbeit angebo-
ten wird, ist die Anzahl der vereinbarten Telearbeitsplätze im Verhältnis zu der

582
Vgl. Winiger 2011, S. 95.
583
Vgl. Klaffke & Reinheimer 2016, S. 147 f.
584
Vgl. Klaffke & Reinheimer 2016, S. 149.
222 Andreas Hering und Antonio Vera

Anzahl der Mitarbeiter in den Behörden sehr heterogen. So bietet das PP Duisburg
z. B. seit 2006 die Möglichkeit der alternierenden Telearbeit an, die zurzeit durch
15 von 1.600 Beschäftigten wahrgenommen wird. Beim LKA NRW gibt es seit
2009 das Modell der alternierenden Telearbeit, das von den mehr als 1.200 Be-
schäftigten 20 nutzen. Im LZPD NRW wird die 2007 eingeführte, alternierende
Telearbeit von mehr als 100 der ca. 1.300 Beschäftigten genutzt. Im LAFP NRW
sind 57 von ca. 1.300 Beschäftigten in alternierender Telearbeit tätig. Beim Land-
rat Viersen gibt es hingegen bisher für die ca. 480 bei der Polizei Beschäftigten
keinen Telearbeitsplatz.
Das Besprechungswesen, das in einer Vielzahl deutscher Unternehmen aktuell
noch in Präsenztreffen stattfindet, stellt durch die heute zur Verfügung stehende
Technik ebenfalls einen Bereich dar, dessen Flexibilisierung zu Zeit- und Kosten-
einsparungen und mehr Mobilität führen kann. Neben klassischen Telefon- oder
Videokonferenzen erlauben z. B. Voice-Over-IP-Lösungen, zeit- und ortsunab-
hängig mit einem mobilen Endgerät ohne großen Aufwand eine Videokonferenz
zu starten. Dies ermöglicht auch die Zusammenarbeit in einem virtuellen Team,
dessen Mitglieder über die ganze Welt verteilt sein können. 585 Gleiches gilt im
Bereich der Aus- und Fortbildung durch die Nutzung neuer Methoden des E-Lear-
nings, Webinaren oder deren Verknüpfung mit klassischen Lernformen, dem so-
genannten Blended Learning.586

3.3.3 Chancen und Risiken der Arbeitsflexibilisierung


Die Vorteile der gleitenden Arbeitszeit liegen in einem geringen Abstimmungsbe-
darf bei hoher Arbeitszeitsouveränität für die Beschäftigten. 587 Auf Seiten der Be-
schäftigten ist neben einer besseren Abstimmung beruflicher und privater Interes-
sen auch die Möglichkeit des bedarfsgerechten Ansparens und Einlösens von Zeit-
reserven zu nennen.588 Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass Beschäftigte, die
selbst über ihr Zeitguthaben verfügen können, gesünder und zufriedener sind und
sich einer besseren Work-Life-Balance erfreuen.589 Aus der Telearbeit ergeben

585
Vgl. Werther et al. 2018, S. 54.
586
Vgl. Rumpf 2018, S. 54.
587
Vgl. Hoff 2015, S. 9.
588
Vgl. Winiger 2011, S. 122.
589
Vgl. BAuA 2016, S. 64.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 223

sich zusätzliche Zeitpotenziale für die Beschäftigten durch den Wegfall von Fahr-
ten zum Arbeitsplatz sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. 590
Die Organisation wiederum profitiert von der verbesserten Motivation, Zufrieden-
heit591 und Loyalität der Beschäftigten,592 die nicht nur zu einer Leistungssteige-
rung593 und mehr Arbeitsproduktivität führen,594 sondern auch die Bindung595 der
Beschäftigten verbessert und personalwirtschaftliche Gestaltungsspielräume er-
weitert.596
Betrachtet man die erschwerte Arbeitskräftegewinnung und -sicherung in Zeiten
des demografischen Wandels597 und bezieht die Entwicklung der Teilzeitbeschäf-
tigung, die in Deutschland von 18 % im Jahr 1991 kontinuierlich auf 39 % im Jahr
2016 angestiegen ist,598 mit ein, liegt es auf der Hand, dass Telearbeit ein wesent-
liches Potenzial bietet, nicht nur als attraktiver Arbeitgeber auf dem umkämpften
Arbeitsmarkt aufzutreten,599 sondern auch mehr Stundenpotenziale von Teilzeit-
beschäftigten, die bereits im Unternehmen arbeiten, zu generieren. Hierfür spricht
auch das Ergebnis einer empirischen Studie des BMAS, dass 49 % der Beschäf-
tigten mit Kindern unter 14 Jahren gerne mehr im Homeoffice arbeiten würden,
um damit ihre effektive Arbeitszeit zu erhöhen.600 Für Nachwuchskräfte bestätigt
die 17. Shell Jugendstudie, dass auch die „Generation Z“ hohen Wert auf flexible
Arbeitsformen und Vereinbarkeit von Familie und Beruf legt. 601
Dies könnte insbesondere auch für die Polizei NRW eine Chance sein. Mit dem
kontinuierlichen Anstieg des Frauenanteils seit der Öffnung der Schutzpolizei
1982 (von 2 % auf 23 % im Jahr 2015) ging im gleichen Zeitraum auch ein Anstieg
der Teilzeitbeschäftigung von 0,1 % auf 7,3 % einher, der nominal durch 3.195

590
Vgl. Brübach-Schlickum 2016, S. 274; BMAS 2015, S. 14.
591
Vgl. BMAS 2015, S. 7, 15.
592
Vgl. Gajendran & Harrison 2007, S. 1527.
593
Vgl. Bloom et al. 2013, S. 1; BMAS 2015, S. 1.
594
Vgl. Hellert 2014, S. 112.
595
Vgl. BMAS 2015, S. 7, 15.
596
Vgl. dbb beamtenbund und tarifunion 2002, S. 17.
597
Vgl. BMAS 2017, S. 140.
598
Vgl. http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/15-millionen-arbeitnehmer-arbeiten-in-
teilzeit-a-1145212.html.
599
Vgl. BMAS 2017, S. 79.
600
Vgl. BMAS 2015, S. 17.
601
Vgl. Leven et al. 2015, S. 77, 84.
224 Andreas Hering und Antonio Vera

PVB, die zu 80 % weiblich sind, repräsentiert wird. Geht man von einer durch-
schnittlichen Arbeitszeit von 23,1 Stunden pro Woche für einen Teilzeitbeschäf-
tigten602 und einer 41-Stunden Woche für Vollzeitbeschäftigte aus, ergäbe sich
hier gegenwärtig ein zusätzliches Potenzial von bis zu 57.000 Wochenstunden
bzw. fast 1.400 Vollzeitäquivalenten. In Anbetracht des vermutlich weiter anstei-
genden Frauenanteils in der Polizei NRW und der dargestellten veränderten An-
forderungen an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf dürfte dieses Potenzial in
der Zukunft noch deutlich anwachsen.
Den positiven Effekten von mobiler und flexibler, orts- und zeitungebundener Ar-
beit können aber durch eine Verdichtung oder Entgrenzung der Arbeit auch Nega-
tivfolgen für die physische und psychische Gesundheit der Beschäftigten gegen-
überstehen.603 Vertrauensarbeitszeiten und zunehmende Erreichbarkeit in der Frei-
zeit können die Balance von Arbeits- und Privatleben gefährden, weil die Grenzen
zwischen Arbeitszeit und Freizeit immer fließender werden.604 Den betroffenen
Mitarbeitern fehlt es an festen Ruhezeiten und das Abschalten von der Arbeit fällt
ihnen häufig schwer.605 Den Ergebnissen der Betriebs- und Beschäftigtenbefra-
gung des BMAS zufolge arbeiten Beschäftigte, die auch von zuhause arbeiten,
insgesamt 4,1 Stunden pro Woche mehr, 65 % werden gelegentlich in ihrer Frei-
zeit dienstlich kontaktiert, 5 % sogar täglich. 56 % der Beschäftigten arbeiten ohne
vertragliche Regelungen zusätzlich in ihrer Freizeit von zu Hause, was weder
durch Freizeitausgleich noch finanziell kompensiert wird.606 Dabei ist zu berück-
sichtigen, dass mit zunehmender Anzahl an Überstunden häufig Termin- und Leis-
tungsdruck, Überforderung und letztlich ein zunehmendes Risiko gesundheitlicher
Einschränkungen einhergeht. Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Müdigkeit,
Niedergeschlagenheit oder körperliche Erschöpfung sind in diesem Zusammen-
hang häufig auftretende Symptome. 607 Gleiches gilt auch für das Arbeiten am Wo-
chenende.608

602
Vgl. BAuA 2016, S. 40.
603
Vgl. BMAS 2017, S. 135.
604
Vgl. BMAS 2017, S. 117; Werther et al. 2018, S. 51.
605
Vgl. Werther et al. 2018, S. 51.
606
Vgl. BMAS 2015, S. 10 ff.
607
Vgl. BAuA 2016, S. 37 ff.
608
Vgl. Werther et al. 2018, S. 52; BAuA 2016, S. 44 ff.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 225

Wer in seiner Freizeit von zuhause arbeitet, sieht sein Familienleben durch die
Arbeit stärker beeinträchtigt, weil die steigende Tendenz der Erreichbarkeit in der
Freizeit als Last empfunden wird und Rollenkonflikte zwischen Arbeit und Privat-
leben forciert werden.609 Gerade lange Arbeitszeiten, Überstunden und Arbeiten
am Wochenende erschweren dabei die angestrebte Vereinbarkeit von Familie und
Beruf.610 Viele der „Telebeschäftigten“ klagen über schlechtere Kontakte zu Kol-
leginnen und Kollegen und über eine schlechtere Leistungswahrnehmung durch
Vorgesetzte, weil diese häufig großen Wert auf die persönliche Anwesenheit le-
gen.611 Werden darüber hinaus viele Überstunden, Wochenendarbeit oder Arbeit
zur sozial wertvollen Zeit geleistet, sinkt die Arbeitszufriedenheit trotz Mobilität
und Flexibilität deutlich.612
Die Ergebnisse einer Studie der Universität St. Gallen, die sich mit den Auswir-
kungen der Digitalisierung auf die Gesundheit von Berufstätigen in der Bundesre-
publik Deutschland auseinandergesetzt hat, zeigen ebenfalls signifikante Zusam-
menhänge zwischen dem Grad der Digitalisierung am Arbeitsplatz, emotionaler
Erschöpfung (Burnout) und Konflikten zwischen Arbeit und Familie. Diese Ne-
gativauswirkungen ergeben sich Aussage der Studie jedoch mehr aus der Interde-
pendenz von Informationsmenge, technologischen Anforderungen, Kommunika-
tionsflut und technologischem Anpassungsdruck als aus der Flexibilisierung von
Arbeitszeit und -ort.613 Vielmehr führe eine flexible Arbeitsgestaltung grundsätz-
lich eher zu einer Verringerung von Krankheitstagen, mehr Zufriedenheit und ei-
ner besseren Work-Life-Balance.614 Es komme also im Wesentlichen auf die kon-
krete Ausgestaltung der Flexibilität an. 615 Insgesamt lässt sich festhalten, dass so-
wohl die Organisation als auch die Beschäftigten davon profitieren, wenn es ge-
lingt, die Flexibilisierung der Prozesse mit der Flexibilität der Beschäftigten in
Einklang zu bringen.

609
Vgl. BMAS 2015, S. 15, 22, 7.
610
Vgl. BAuA 2016, S. 37, 39 f., 44 ff.
611
Vgl. BMAS 2015, S. 14, 16.
612
Vgl. BAuA 2016, S. 37 ff., 52.
613
Vgl. Böhm et al. 2016, S. 27.
614
Vgl. BAuA 2016, S. 58 ff.; Böhm et al. 2016, S. 30.
615
Vgl. BMAS 2015, S. 21; BAuA 2016, S. 53.
226 Andreas Hering und Antonio Vera

3.3.4 Neue Anforderungen an Mitarbeiter


Wie zuvor aufgezeigt, werden sich mit dem digitalen Wandel in der Arbeitswelt
sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Arbeitsanforderungen verändern. 616
Beschäftigte werden in Zukunft – unterstützt durch digitale Lösungen – autonomer
arbeiten können und virtuelles Arbeiten wird weiter an Bedeutung gewinnen.617
Dies wirft für die Personalqualifizierung die Frage auf, welche notwendigen Fä-
higkeiten die Beschäftigten für die Bewältigung der digitalen Herausforderungen
haben müssen.618
Einige Studien haben herausgestellt, dass mangelnde IT-Kompetenzen der eige-
nen Beschäftigten das bedeutendste Digitalisierungshindernis darstellen. 619 Um
hier die Kompetenzlücken zu schließen und die Beschäftigten auf die Anforderun-
gen der Digitalisierung vorzubereiten, setzen die Unternehmen auf externe Spezi-
alisten, die Einstellung qualifizierter Mitarbeiter und Weiterbildungsmaßnah-
men.620 Die Polizei NRW hat hier als internen IT-Dienstleister das LZPD NRW
und wird darüber hinaus teilweise technische Dienstleistungen an den Spezialisten
IT.NRW auslagern. Gleichzeitig wird versucht, die Personalsituation im eigenen
Bereich durch Erarbeitung von Konzepten zur Rekrutierung und Entwicklung von
IT-Fachpersonal und gemeinsame Weiterbildungskonzepte mit IT.NRW zu ver-
bessern.
Auch im täglichen Polizeidienst werden die Fähigkeiten zur IT- und Medienkom-
petenz im Zuge der Digitalisierung einen immer bedeutsameren Stellenwert ein-
nehmen, so dass diese in der Aus- und Fortbildung herausgebildet und in den je-
weiligen Lehrplänen fest verankert werden müssen.621 Die Personalauswahlver-
fahren müssen zukünftig so konzipiert sein, dass die Mindeststandards im Zuge
der Digitalisierung der Polizei nachgewiesen werden, damit auf diese in der Aus-
und Fortbildung aufgebaut werden kann. 622 Neben rein technischen Kompetenzen

616
Vgl. Hellert 2014, S. 14; Lohmann-Haislah 2012, S. 178.
617
Vgl. Jacobs et al. 2018, S. 26.
618
Vgl. Möllers 2018, S. 48.
619
Vgl. Bruckner et al. 2018, S. 13.
620
Vgl. Jacobs et al. 2018, S. 33.
621
Vgl. Möllers 2018, S. 40, 54 f.
622
Vgl. Möllers 2018, S. 56.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 227

sind dabei auch sogenannte hybride Kompetenzen, die Software-, Daten- und be-
triebswirtschaftliche Kenntnisse vereinen. 623 Übertragen auf die Polizei bedeutet
dies, dass auch polizeiliches Erfahrungswissen zu den genannten Kompetenzen
hinzutreten muss, um die digital gewonnenen Erkenntnisse bewerten und nutzen
zu können. Mit der Digitalisierung wird ein Bedeutungszuwachs von Wissen ein-
hergehen,624 und der Zugang zu Wissen wird im Rahmen globaler Vernetzung und
digitaler Medien immer weiter erleichtert, so dass die zukünftige Herausforderung
darin liegen wird, zu selektieren, welches Wissen relevant ist, wo und wie dieses
verfügbar ist und wie es im Zusammenhang mit Big Data und künstlicher Intelli-
genz genutzt werden kann.625
Während bei den klassischen Arbeitsformen die Organisation die Arbeit für ihre
Beschäftigten gestaltet, rückt bei den modernen Arbeitsformen eine aktive und
autonome Eigenstrukturierung der Beschäftigten bei der Gestaltung ihrer Arbeits-
bedingungen in den Mittelpunkt.626 Dementsprechend müssen die Mitarbeiter über
entsprechende Kompetenzen verfügen.627 Dabei geht es keineswegs nur um tech-
nologische Kompetenzen im Umgang mit der digitalen Technik am Arbeits-
platz,628 sondern vielmehr um Selbstkompetenz und Abgrenzung.629 Bei der Wahr-
nehmung von orts- und zeitunabhängigen Arbeitsmodellen werden die Planung
und Strukturierung der eigenen Arbeitsaufgaben, die Regulation von Qualität und
Anspruch der Arbeitsergebnisse, die Entwicklung von Strategien zur eigenen Mo-
tivierung, die Gestaltung des sozialen Umfelds sowie die Regulation der Grenze
zwischen Arbeit und Freizeit und die bewusste Gestaltung der arbeitsfreien Erho-
lungszeit darüber entscheiden, wie zufrieden, motiviert und letztlich arbeits- und
leistungsfähig ein Beschäftigter ist. Zusammengefasst werden diese organisatori-
schen Fähigkeiten unter dem Begriff der „Arbeitsgestaltungskompetenz“.630

623
Vgl. Jacobs et al. 2018, S. 28.
624
Vgl. Jacobs et al. 2018, S. 37.
625
Vgl. Wald et al. 2018, S. 183; Rumpf 2018, S. 66.
626
Vgl. Dettmers & Clauß 2018, S. 14.
627
Vgl. Winiger 2011, S. 26.
628
Vgl. Jacobs et al. 2018, S. 25.
629
Vgl. Bruckner et al. 2018, S. 4.
630
Vgl. Dettmers & Clauß 2018, S. 14.
228 Andreas Hering und Antonio Vera

Die Beschäftigten müssen angesichts der rasanten Verbreitung von IT lernen, sich
Regeln für den Umgang mit IKT zu setzen, das dienstliche Handy am Wochen-
ende oder im Urlaub auszuschalten, sich zeitliche Restriktion von Arbeitstätigkei-
ten zu verschaffen, sich aktive Ruhezeiten zu gönnen und sich sozialen, entspan-
nenden und körperlichen Ausgleich zu verschaffen.631 Einige Studien belegen,
dass mögliche Gestaltungsspielräume durch die Beschäftigten nicht immer als
Ressource genutzt werden und ungünstig gestaltete Arbeitsbedingungen zusätzli-
che Belastungen bis hin zum Burnout hervorrufen können.632 Hier besteht die Auf-
gabe des Personalmanagements darin, entsprechende Maßnahmen der betriebli-
chen Weiterbildung und Gesundheitsförderung, z. B. durch Trainings, zu entwi-
ckeln.

3.3.5 Neue Anforderungen an Führungskräfte


Die Führungskräfte sind im Rahmen der digitalen Transformation Schlüsselperso-
nen für den Wandel, die nicht nur angehalten sind, die Beschäftigten in dieses neue
Zeitalter „mitzunehmen“ und entsprechende Innovations- und Handlungskompe-
tenzen zu entwickeln, sondern sie müssen auch eine Vorbildfunktion übernehmen,
im Rahmen ihrer Führungsverantwortung Teil des Wandels werden und ein geeig-
netes Kreativitäts- und Informationsmanagement aufbauen. 633 Es bedarf engagier-
ter Vordenker, die den digitalen Wandel aktiv gestalten und andere dafür begeis-
tern können.634
Diesen Wandel zu begleiten und mitzutragen fordert von Führungskräften Flexi-
bilität und stellt sie vor besondere Herausforderungen, weil sich auch die Kom-
munikations- und Zusammenarbeitsformen in einer digitalen Welt grundlegend
verändern.635 Projektarbeit wird sich z. B. überwiegend auf virtuelle Teams verla-
gern,636 die virtuelle Kommunikationswege wie Videonachrichten oder -konferen-
zen für ihre Zusammenarbeit nutzen. Die Führungskraft muss dabei nicht nur fest-
legen, nach welchen Regeln die Zusammenarbeit funktionieren soll, sondern sich
insbesondere um die Entwicklung des Teams und der einzelnen Teammitglieder

631
Vgl. Werther et al. 2018, S. 52.
632
Vgl. Dettmers & Clauß 2018, S. 14.
633
Vgl. Herde 2017, S. 343; Jacobs et al. 2018, S. 44.
634
Vgl. Schöning 2018, S. 192.
635
Vgl. Werther et al. 2018, S. 48 f.
636
Vgl. Wald et al. 2018, S. 183.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 229

kümmern. Wesentlich dabei sind die Herstellung eines gemeinsamen Kontextes,


eine gut funktionierende Kommunikation und die Schaffung gegenseitigen Ver-
trauens innerhalb des Teams. Es gilt also für die Führungskraft, die räumliche, die
operationale sowie die mentale Distanz der Teammitglieder zu überbrücken. 637
Steuerung und Regelung als Prinzipien guter Führung werden in Anbetracht dieser
Komplexität und Dynamik der zukünftigen Arbeitswelt in Frage gestellt. 638 An die
Stelle der heroischen Führungskompetenzen in Form von Fachwissen und Durch-
setzungsfähigkeit müssen dementsprechend jetzt emotionale Intelligenz und Em-
pathie treten.639
Auch bzgl. der weiteren Modelle der orts- und zeitunabhängigen Arbeitsformen,
wie z. B. der Telearbeit, ändern sich die Anforderungen an Führungskräfte grund-
legend. Diese erfordern eine stark ergebnisorientierte und zugleich vertrauensba-
sierte Mitarbeiterführung. Mögliche Unklarheiten müssen durch Absprachen und
organisatorische Regeln festgelegt werden, indem z. B. verbindliche Kernarbeits-
zeiten geregelt werden oder die Beteiligten sich informell über Arbeits- und Nicht-
arbeitszeiten gegenseitig informieren.640 Insbesondere in Bezug auf die Erreich-
barkeit außerhalb der Dienstzeiten sind im Rahmen der Fürsorgepflicht des Vor-
gesetzten Regelungen zu treffen, um negative Folgen zu verhindern. 641 Damit ein-
hergehen muss ein Wertewandel, der die erwartete Flexibilität des Mitarbeiters
nicht mit ständiger Erreichbarkeit gleichsetzt und fehlende Erreichbarkeit außer-
halb der Arbeitszeiten nicht als Fehlverhalten interpretiert.642
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch das betriebliche Gesundheitsmanage-
ment. Nicht nur die ständige Erreichbarkeit der Beschäftigten, sondern auch die
konkreten Veränderungen in der direkten Arbeitsumgebung sorgen laut einer Stu-
die der BAuA für eine Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes
in Form von Müdigkeit, Erschöpfung, Nervosität, Reizbarkeit, Schlafstörungen
und Kopfschmerzen.643 Führungskräfte müssen hier Konzepte zur Verringerung

637
Vgl. Rumpf 2018, S. 53 ff.
638
Vgl. Greve & Kruse 2017, S. 390.
639
Vgl. Rumpf 2018. S. 65.
640
Vgl. Kleemann & Matuschek 2008, S. 56 ff.
641
Vgl. BMAS 2017, S. 119.
642
Vgl. Werther et al. 2018, S. 51.
643
Vgl. Köper 2012, S. 150.
230 Andreas Hering und Antonio Vera

der Arbeitsintensität, z. B. durch Verbesserung von Arbeitsabläufen, Einführung


störungsfreier Arbeitszeiten, Zeit- und Stressmanagement oder Begrenzung beruf-
licher Erreichbarkeit entwickeln, und ein Umdenken bei den Beschäftigten ansto-
ßen.644 Auch hier kommt den Führungskräften eine Vorbildfunktion zu, da auch
sie eine Beschäftigtengruppe sind, deren Tätigkeit mit hohen Anforderungen ver-
bunden ist. Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit, starker Termin- und
Leistungsdruck sowie die gleichzeitige Erledigung verschiedenartiger Aufgaben
führen auch bei Führungskräften häufig zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Da es einen Zusammenhang zwischen der Arbeits- und Gesundheitssituation von
Führungskräften und deren Führungsverhalten gibt und das Führungsverhalten ei-
nen relevanten Einfluss auf die Mitarbeitergesundheit hat, sollten auch die Ar-
beitsbedingungen von Führungskräften in der betrieblichen Gesundheitspolitik be-
achtet werden.645 Dies gilt umso mehr, als mobile Arbeitsformen von Führungs-
kräften ca. dreimal häufiger als Flexibilisierungsinstrument genutzt werden als
von Beschäftigten ohne Personalverantwortung. 646
Eine Beratung und Unterstützung von Führungskräften und Beschäftigten bei orts-
flexiblem Arbeiten, eine präventive Arbeitsgestaltung sowie Sensibilisierung,
Fortbildung und Befähigung der Führungskräfte und der Beschäftigten zur besse-
ren Vorbereitung auf ihre zunehmende persönliche Verantwortung für die eigene
Gesundheit scheinen also im Zuge der digitalen Transformation besonders ange-
zeigt.647

4 Methodik

Aufgrund des derzeit noch unzureichenden Forschungsstandes zum Thema Digi-


talisierung der Polizei NRW und der sich daraus ergebenden Veränderungen für
den Arbeitsplatz der Zukunft in der Polizei erscheint eine qualitative Methodik
zielführender als eine quantitative. Folglich wurde auf eine qualitative Befragung
in Form von leitfadengestützten Experteninterviews zurückgegriffen. Diese stel-

644
Vgl. Lohmann-Haislah 2012, S. 180.
645
Vgl. Stilijanow 2012, S. 123 ff.
646
Vgl. BMAS 2015, S. 9.
647
Vgl. BMAS 2015, S. 138.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 231

len eine Sonderform der Befragung dar, deren Schwerpunkt auf der Informations-
gewinnung und gleichzeitigen Rekonstruktion subjektiver Deutungen und Inter-
pretationen liegt.648

4.1 Expertenauswahl
In der vorliegenden Studie wurde die Auswahl der Interviewpartner von dem Ge-
danken getragen, ein breites Spektrum an fundiertem Wissen, persönlichen Mei-
nungen und Einstellungen sowie Erfahrungen zu erlangen, die das Themenfeld der
digitalen Transformation in der Polizei NRW und der damit einhergehenden ver-
änderten Anforderungen an die Gestaltung von Arbeitsplätzen und die sich daraus
ergebenden erforderlichen Kompetenzen von Mitarbeitern und Führungskräften
erörtern. Demzufolge wurden Experten befragt, die über Wissen verfügen, das sie
nicht notwendigerweise alleine besitzen, welches aber nicht jedermann im rele-
vanten Handlungsfeld zugänglich ist. Auf diesen Wissensvorsprung sollten die
Experteninterviews abzielen.649
Bei den acht ausgewählten Interviewpartnern wurde darauf geachtet, dass ihr Ar-
beitsbereich unmittelbare oder mittelbare Berührungspunkte zum Thema digitale
Transformation in der Polizei NRW haben und sie zudem Personalverantwortung
tragen sollten. Darüber hinaus sollte ihre Vita Berührungspunkte zur Aus- und
Fortbildung, Personalentwicklung oder zum Projektmanagement aufweisen. Unter
den Interviewpartnern waren zwei Erste Polizeihauptkommissare, vier Polizeidi-
rektoren, ein Leitender Polizeidirektor und eine Leitende Regierungsdirektorin.
Zwei Probanden waren beim LZPD NRW, einer beim LAFP NRW, einer beim IM
NRW und vier bei Kreispolizeibehörden oder Polizeipräsidien beschäftigt.

4.2 Interviewleitfaden
Basierend auf den Erkenntnissen einer ausgiebigen Literaturrecherche wurde ein
Interviewleitfaden erstellt, der alle relevanten Themenkomplexe abdeckte. Mit of-
fenen Fragen sollten die einzelnen Themenkomplexe systematisch nacheinander
abgearbeitet werden, wobei die konkreten Formulierungen der Fragen sowie deren

648
Vgl. Bogner et al. 2014, S. 1 f.
649
Vgl. Meuser & Nagel 2009, S. 37 f.
232 Andreas Hering und Antonio Vera

Reihenfolge im Interview je nach Situation variieren konnten. Der erstellte Inter-


viewleitfaden beinhaltete insgesamt 16 Hauptfragen und entsprechende Folge-
und Vertiefungsfragen, falls die Inhaltstiefe, -breite oder der Detaillierungsgrad
der gegebenen Antworten nicht als ausreichend erachtet wurde. Die Fragen glie-
derten sich in die Themenkomplexe (1) Einordnung der Begrifflichkeit „Polizei
4.0“, (2) Rahmenbedingungen der Digitalisierung, (3) Arbeitsplatz der Zukunft in
einer digitalen Arbeitswelt sowie (4) neue Anforderungen an Mitarbeiter und Füh-
rungskräfte.

4.3 Datenerhebung
Die Experteninterviews wurden im Zeitraum im Juli 2018 in den Büros der jewei-
ligen Dienststellen der Interviewpartner im Face-to-Face Modus in ungestörter At-
mosphäre durchgeführt, aufgezeichnet und gespeichert. Die Dauer der Interviews
lag zwischen 28 und 49 Minuten. Die chronologische Reihenfolge des Interview-
leitfadens wurde dabei weitgehend eingehalten. Über den Interviewleitfaden hin-
ausgehende Informationen mit Kontext zur Forschungsfrage waren ausdrücklich
zugelassen und erwünscht, so dass sich ein offener Kommunikationsprozess ent-
faltete.650

4.4 Transkription und Auswertung


Die Gesprächsaufzeichnungen wurden nach Durchführung der Experteninter-
views vollständig und fast wörtlich transkribiert.651 Lediglich auf die Verschriftli-
chung paraverbaler Äußerungen oder nichttextlicher Elemente wurde verzichtet,
sofern sie nicht für das Verständnis des Inhalts von Bedeutung waren. Die erstell-
ten Transkripte wurden inhaltlich auf die für die Forschungsfrage bedeutsamen
Aussagen hin überprüft und systematisch im Rahmen einer qualitativen Inhaltsan-
alyse aufbereitet.652 Dementsprechend wurden basierend auf den im Forschungs-
stand dargestellten Erkenntnissen sowie in Anlehnung an die Struktur des Inter-

650
Vgl. Gläser & Laudel 2010, S. 108.
651
Vgl. Kuckartz 2016, 166 ff.
652
Vgl. Mayring 2016, S. 114 ff.; Gläser & Laudel 2010, S. 47.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 233

viewleitfadens variable Auswertungskategorien gebildet, denen Aussagen der In-


terviewpartner zugeordnet werden konnten. Dieses Kategoriensystem stellte das
Kernelement der Datenanalyse dar.653
Nach der Kategoriendefinition erfolgte ein zeilenweiser Materialdurchgang der
Experteninterviews, und erkannte relevante Textpassagen wurden unter die jewei-
lige Kategoriendefinition subsumiert.654 Zusätzliche relevante Informationen, für
die bisher noch keine Kategoriendefinition bestand, führten zu einer neuen induk-
tiven Kategorienformulierung und entsprechender Erweiterung des Kategorien-
systems. Nach der Analyse des vierten Experteninterviews wurde das gesamte Ka-
tegoriensystem auf Logik und Abstraktionsgrad überprüft. Eine Anpassung des
Kategoriensystems und Neubearbeitung des bereits analysierten Materials war
nicht erforderlich.
Nach vollständiger Analyse aller acht Experteninterviews und Subsumption aller
relevanten Textpassagen in das Kategoriensystem erfolgte der Abgleich innerhalb
der einzelnen Kategoriendefinitionen. Zusammenhängende bzw. bedeutungsglei-
che Textpassagen wurden dementsprechend zusammengefasst. Dabei wurden teil-
weise Kategorien neu entwickelt bzw. vereinheitlicht. In einem letzten Schritt
wurden die Erkenntnisse der qualitativen Inhaltsanalyse mit den theoretischen
Vorannahmen aus dem Forschungsstand verknüpft und interpretiert.

5 Diskussion der Ergebnisse

Im Nachfolgenden werden die wesentlichen Ergebnisse der Experteninterviews


dargestellt, interpretiert und diskutiert.

5.1 Begriff „Polizei 4.0“


Um sich der Frage zu nähern, ob die Polizei NRW die Rahmenbedingungen für
einen Arbeitsplatz der Zukunft in einer digitalen Arbeitswelt bietet, sollte zunächst
geklärt werden, inwieweit die Experten überhaupt davon ausgehen, dass die Poli-
zei sich auf dem Weg in eine digitale Arbeitswelt befindet. Hierzu wurde zunächst

653
Vgl. Mayring 2016, S. 114 f.
654
Vgl. Mayring 2016, S. 116 f.
234 Andreas Hering und Antonio Vera

der Begriff „Industrie 4.0“ kurz erläutert und gefragt, inwieweit dieser auf die Po-
lizei übertragbar sei und was die wesentlichen Charakteristika einer Polizei 4.0
seien.
Eine Übertragung des Begriffes Industrie 4.0 auf die Polizei wurde überwiegend
kritisch gesehen, weil es bei Industrie 4.0 um die selbstorganisierte Herstellung
von Produkten gehe, bei der Polizei aber der Faktor Mensch im Fokus stehen
müsse:
E1: „Ich halte das in der direkten Übernahme allerdings in diesem
gedachten Sinn, wie es dann in der Industrie vorgesehen ist, für et-
was problematisch, denn wenn ich mir die Prozesse im polizeilichen
Bereich angucke, dann geht es ja in aller erster Linie um Dienstleis-
tungen, und zwar um Dienstleistungen, die eben mit handelnden
Personen, eben mit Menschen zu tun haben, also nicht um irgend-
welche Fertigungsprozesse.“
E5: „Digitalisierung oder eine Polizei 4.0, wenn man sie so nennen
wollen würde, wird niemals die unmittelbare menschliche Interak-
tion, die Bewältigung des polizeilichen Einsatzanlasses durch den
Menschen ersetzen können.“
In diesem Zusammenhang wurde auch der technische Stand bzw. die bisherige
digitale Entwicklung der Polizei NRW kritisch angemerkt:
E1: „Ich denke auch insgesamt, dass wir – ich hoffe, dass man das
jetzt nicht nur für die Polizei Nordrhein-Westfalen unterstellen
muss – schon noch Aufholbedarf haben in den vorweggehenden
Versionen.“
Grundsätzlich herrschte jedoch Einigkeit, dass es auch im Bereich der Polizei eine
digitale Transformation mit entsprechenden Veränderungsprozessen in vielen Be-
reichen geben wird. Als Charakteristika für eine Polizei 4.0 bzw. eine digitalisierte
Polizei wurden insbesondere die mobile oder digitale Kommunikation, automati-
sierte Prozesse, papierlose Büros, vernetzte Systeme bzw. der Wegfall von
Schnittstellenproblemen oder Medienbrüchen sowie die Einmalerfassung und
Mehrfachnutzung von Daten genannt. Auch der Verwaltungsbereich mit Sicht auf
das E-Government und ein digitales Personalmanagement wurden mit einer mo-
dernen Polizei in Verbindung gebracht. Es wurde jedoch nicht nur die interne Di-
gitalisierung als Treiber von Veränderungen aufgeführt:
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 235

E7: „Ich glaube auch im Übrigen, dass sich auch die Kriminalität
digitalisiert, zunehmend. Also Cybercrime ist ein wichtiges Stich-
wort. Die Angreifbarkeit von strukturrelevanten Systemen durch
Hackerangriffe und, und, und.“
E4: „Was ich sehr wohl sehe ist, dass wir als Polizei sehr stark mit
den Auswirkungen dieser Industrie 4.0 – oder wie man es auch im-
mer nennen möchte – konfrontiert sind. Ich sage mal selbstfahrende
Autos und ähnliche Dinge. Die gesamte Technik im Verkehrsbe-
reich verändert sich maßgeblich, was natürlich auch Einfluss auf un-
sere Arbeit haben wird.“
Ebenfalls wurde Polizei 4.0 nicht nur auf digitale, technische oder elektronische
Prozesse und Entwicklungen reduziert:
E5: „…wir müssen auf dem Weg sein, Polizeitechnik 4.0 zur Ver-
fügung zu stellen. Das tun wir auch in vielen Bereichen und nicht
nur im IT-Bereich. Wenn ich an Schutzausrüstung, Kleidung oder
Einsatzmittel denke, wie Fahrrad, Roller, E-Mobilität und alles, was
daran hängt, dann sind wir in dem Bereich gut unterwegs. Die ent-
scheidende Frage ist nur, und das ist in vielen Aspekten des Ge-
sprächs rausgekommen, wie wir den Menschen mitnehmen.“

5.2 Rahmenbedingungen der Digitalisierung


Im nächsten Schritt sollte festgestellt werden, ob die Zukunftsausrichtung der Po-
lizei NRW auch umsetzbar ist oder ob besondere Hürden bei der Umsetzung durch
die Rahmenbedingungen des digitalen Wandels zu erwarten sind. Insofern wurden
die Experten zunächst allgemein nach den Rahmenbedingungen und dann speziell
hinsichtlich technischer, finanzieller, rechtlicher sowie personeller Rahmenbedin-
gungen befragt. Neben diesen Rahmenbedingungen wurden durch die Experten
weitere genannt, die aus ihrer Sicht grundlegende Bedeutung für die Digitalisie-
rung der Polizei haben. Dies waren der politische Wille, ohne den das erforderliche
Verwaltungshandeln gar nicht erst möglich ist, die Organisationsstruktur mit ihren
häufig zu langsamen Entscheidungsprozessen sowie die Ausgestaltung des Pro-
jektmanagements, das die „Mitnahme“ aller Beteiligten in diesen Wandelprozes-
sen häufig vermissen lasse.
236 Andreas Hering und Antonio Vera

5.2.1 Technische Rahmenbedingungen


Nach den erforderlichen technischen Rahmenbedingungen gefragt, gaben die Ex-
perten im Wesentlichen die im theoretischen Teil erläuterten Grundvoraussetzun-
gen für eine erfolgreiche digitale Transformation an. Die Ertüchtigung und Schaf-
fung einer stabilen IT-Infrastruktur mit hoher Ausfallsicherheit im 24 Stunden-
Betrieb, Rechenzentren mit entsprechenden Serverstrukturen bzw. die Nutzung
von Plattformen oder Cloudanwendungen, leistungsfähige Netze und Leitungen,
welche die Funktionalität der IKT durch entsprechende Bandbreite unterstützen
und das Versenden von Sprachnachrichten, Bildern und Videodateien rund um die
Uhr gewährleisten, waren für die Experten das wesentliche systemische Funda-
ment für die Umsetzung der angestrebten digitalen Prozesse. Dazu gehörte auch
die einheitliche Ausstattung mit entsprechender Hardware, wie Laptop, Notebook,
Tablet, Smartphone, Dockingstation, Videokonferenzsystem oder Lesegerät. Ins-
besondere wurde für polizeiliche IT-Anwendungen die Relevanz des Sicherheits-
aspektes, den die Technik bzw. die Datenverbindungen z. B. durch getunnelte Ver-
bindungen gewährleisten müssen, hervorgehoben.
Insgesamt sehen die Experten zwar an vielen Stellen noch Nachholbedarf und Ver-
besserungspotenzial hinsichtlich der Infrastruktur und der technischen Ausstat-
tung, glauben aber, dass sich die Polizei NRW durch die derzeit laufenden Projekte
für die Zukunft gut aufstellen werde:
E1: „[…] würde ich jetzt mal so im Vergleich formulieren, dann
haben wir in Nordrhein- Westfalen da noch Nachholbedarf, und das
ist ja der Einstieg, der jetzt gerade gemacht wird, und dass wir den
Streifenwagen selber zu einem digitalen Arbeitsplatz machen, und
dann glaube ich, wenn wir diese Basics gelegt haben, dann kann
man sicherlich auch über Weiterentwicklung nachdenken.“
E6: „Da ist sicherlich noch einiges zu tun. Aber ich denke, dass wir
auf einem guten Weg sind.“

5.2.2 Finanzielle Rahmenbedingungen


Vor dem Hintergrund, dass für 77 % der Industrieunternehmen finanzielle As-
pekte das größte Hindernis bzgl. der Umsetzung einer digitalen Transformation
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 237

darstellen,655 sollte durch die Frage nach der Einschätzung finanzieller Hürden bei
der Polizei NRW herausgestellt werden, ob die Zukunftsvisionen, die sich aus den
laufenden oder geplanten Projekten, Programmen oder Strategien ergeben, auch
zeitnah mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln realisiert werden
können. Grundsätzlich sind sich die Experten einig, dass eine digitale Transfor-
mation mit erheblichen Kosten verbunden sein wird, finanzielle Aspekte in der
öffentlichen Verwaltung und eben auch in der Polizei immer eine relevante Rolle
spielen und schon so manches Projekt an dieser Hürde gescheitert ist:
E8: „Ich nehme zwar wahr, dass man bereit ist, mehr Geld auszuge-
ben, aber in der Vergangenheit ist einiges an finanziellen Fragen
gescheitert, […]“
E1: „Alles, was mit Ressourcen zusammenhängt, ist natürlich heute
absolut schwierig, […]“
Allein der finanzielle Aufwand für die 14.000 anzuschaffenden Smartphones und
die Schaffung der entsprechenden Infrastruktur wird mit ca. 70 Mio. EUR betitelt.
Hinzu kommen die Kosten, die sich aus der Erfüllung der zuvor beschriebenen
technischen Rahmenbedingungen ergeben, wie z. B. der Bereitstellung von Re-
chenzentrumsflächen und deren Betrieb oder der Aufbau einer stabilen Infrastruk-
tur mit entsprechenden Speicherkapazitäten und Sicherheitsanforderungen. Dabei
ist davon auszugehen, dass sich die kalkulierten Kosten im Laufe eines Projekts
auch deutlich erhöhen können:
E1: „[…] die ganzen Projekte, die wir im technischen Bereich fah-
ren, das sind ja Projekte, die unsäglich teuer sind, und wie bei vielen,
vielen Projekten steigt man mit bestimmten Preisangaben ein und
stellt dann auf der Strecke fest, dass immer wieder neue Dinge hin-
zukommen und sich Projekte dann auch verteuern.“
Ob bei der Polizei – genau wie in der Industrie – durch ein Investment in die Di-
gitalisierung auch Einsparpotenzial generiert werden kann, wird teilweise ange-
zweifelt. Jedoch herrscht Einigkeit darüber, dass es sich um eine erforderliche In-
vestition in die Zukunft handelt, von der die Polizei und alle Beteiligten letztlich,

655
Vgl. Kampe & Walter, 2017, S. 17.
238 Andreas Hering und Antonio Vera

insbesondere durch die Optimierung von Prozessen, profitieren werden. Unabhän-


gig von den hohen Kosten, der angestrebten „schwarzen Null“ und dem „Denken
von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr und Legislaturperiode zu Legislaturperiode“
durch die jeweilige Landesregierung halten die Experten diese Investition getreu
dem Motto „wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ für leistbar:
E2: „[…], weil das ist eine Sache der Schwerpunktsetzung“
E3: „Wenn wir viel bewegen wollen, werden auch viele finanziellen
Anforderungen erfüllt werden müssen. Aber da bin ich eigentlich
ganz guter Dinge.“

5.2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen


Bzgl. der neuen DSGVO, die insbesondere bei der personenbezogenen Datenver-
arbeitung die Rechte der Betroffenen durch Sensibilisierungsmaßnahmen der da-
tenerhebenden oder -verarbeitenden Beschäftigten in Form von Verhaltensrichtli-
nien, restriktiven Zugriffsregelungen, Zugriffsprotokollierungen oder Schulungen
vorsieht, kann allgemein festgehalten werden, dass die Auswirkungen dieser Re-
gelungen auch für die Experten noch gar nicht wirklich abzuschätzen sind:
E8: „Ich habe mich mit der Datenschutzgrundverordnung beschäf-
tigt, aber nicht so detailliert, dass ich dazu wirklich was sagen
könnte. Im Moment herrscht eine große Unsicherheit, wie man mit
der Datenschutzgrundverordnung umgehen soll und muss, weil die
Vorgaben ein Stück weit fehlen.“
E4: „Im Moment ist natürlich das größte Thema die europäische
Datenschutzgrundverordnung […] Aber ich glaube, gerade die Da-
tenschutzgrundverordnung wird uns da noch eine Menge Kopfzer-
brechen bereiten, was Verfahrensverzeichnisse und ähnliche Dinge
betrifft, die, glaube ich, komplett neu aufgestellt werden müssen in
vielen Bereichen.“
Was die Einführung oder das Erfordernis eines speziellen Beschäftigtendaten-
schutzgesetzes anbelangt, sind die Interviewpartner – unabhängig von ihrer juris-
tischen Vorbildung oder ihrer Position als Personalvertreter – vollständig einer
Meinung. Die bestehenden Regelungen im Datenschutzrecht sind ausreichend, um
auch die Beschäftigten vor ungerechtfertigter Kontrolle oder Überwachung zu
schützen. Einer zusätzlichen gesetzlichen Regelung im Sinne eines Beschäftigten-
datenschutzgesetzes bedürfe es nicht.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 239

Genauso herrscht Einigkeit darüber, dass die Polizei NRW als öffentlicher Arbeit-
geber nicht nur gesetzlich verpflichtet ist, Barrierefreiheit bei allen Systemen zu
gewährleisten, sondern auch mit Blick auf eine Vielzahl schwerbehinderter Men-
schen in den eigenen Reihen auch alle Bemühungen daransetzen muss, diesen
Menschen die Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Jedoch werden auch durch zwei
Interviewpartner Einschränkungen vorgenommen bzw. konkrete Schwierigkeiten
in der Umsetzung geschildert:
E6: „Wenn ich andererseits wieder an das Thema Mobilität denke
und davon rede, dass wir Handys an den operativen Dienst geben,
zum Beispiel an jeden Streifenwagen, dann muss ich davon ausge-
hen können, dass da eine absolute Barrierefreiheit in diesem Bereich
nicht notwendig ist, weil die Person sonst überhaupt diese polizeili-
che Aufgabe nicht wahrnehmen könnte. Aber auch da müssen wir
uns natürlich bemühen, Barrierearmut herzustellen. Ich denke zum
Beispiel an Rot-Grün-Schwächen oder Ähnliches. Das muss be-
rücksichtigt werden bei der Entwicklung.“
E5: „Total schwieriges Thema. Das kann ich gerade auch aus eige-
ner Betroffenheit sagen. Natürlich muss der Anspruch sein, jedes
System, das wir polizeilich betreiben, vollständig barrierefrei zur
Verfügung zu stellen. Die Wahrheit ist allerdings auch, dass insbe-
sondere solche, in Anführungsstrichen, doch proprietären Systeme,
die ja ausdrücklich für unsere polizeilichen Einsatzzwecke entwi-
ckelt werden, dies im Standard oft nicht vollständig mit sich brin-
gen. Ich habe das Problem auch aktuell in ViVA, dass wir immer
noch Teile haben, wo wir beispielsweise vollständig erblindete Kol-
legen nur mit Schwierigkeiten an das System heranbringen.“

5.2.4 Personelle Rahmenbedingungen


Hinsichtlich der personellen Rahmenbedingungen soll im Folgenden insbesondere
erörtert werden, welche neuen Anforderungsprofile sich hinsichtlich erforderli-
cher IT-Kompetenzen ergeben und welche Konsequenzen daraus für die Personal-
werbung, das Auswahlverfahren sowie die Aus- und Fortbildung zu ziehen sind.
Die Frage, ob die Polizei NRW grundsätzlich mehr IT-Spezialisten benötige,
wurde durchweg mit einem klaren „Ja“ beantwortet. Teilweise wurde ergänzt, dass
man nicht nur für die Entwicklung und den Betrieb von IT, sondern auch in der
240 Andreas Hering und Antonio Vera

Sachbearbeitung zur Analyse und Auswertung IT-Spezialisten benötige. Hinsicht-


lich der Gewinnung dieses Fachpersonals wurde geschildert, dass man inzwischen
von der ursprünglichen Linie, technisch affinen PVB losgelöst von ihrer polizeili-
chen Ausbildung IT-Aufgaben in der Organisation zu übertragen, abgerückt sei
und heute – angestoßen durch das „Maßnahmenpaket der Landesregierung für
mehr Innere Sicherheit und bessere Integration vor Ort“ – Tarifbeschäftigte für
solche technischen Bereiche einkaufe. Als großes Problem bei der Rekrutierung
externer IT-Spezialisten wurde die Tarifbindung benannt, die im Wettbewerb mit
der Wirtschaft einen großen Nachteil darstelle. Der Einsatz von „Headhuntern“
erscheint im Verhältnis zu der in Aussicht gestellten Bezahlung für die gesuchten
IT-Spezialisten unverhältnismäßig. Ausschließlich beim PP Düsseldorf scheint
die Gewinnung von IT-Spezialisten ohne größere Probleme zu verlaufen, was auf
einen entsprechenden Standortvorteil gegenüber anderen Behörden hindeutet.
Da man im Kampf um gutes IT-Fachpersonal also nicht mit finanziellen Anreizen
locken kann, baut man auf eine lukrative Außendarstellung des öffentlichen
Dienstes durch angenehmes Arbeitsklima, eine gute Work-Life-Balance, einen si-
cheren Arbeitsplatz mit festem Einkommen und geregelten Arbeitszeiten bei un-
befristeten Verträgen und die Möglichkeit von Telearbeit. Zudem werden das in-
teressante Tätigkeitsfeld und das gute Standing der Polizei hervorgehoben. Die
angenommene Attraktivität der Polizei als Arbeitgeber wird dabei insbesondere
an den hohen Einstellungs- und Bewerberzahlen in den gehobenen Polizeivoll-
zugsdienst festgemacht.
Das LZPD NRW setzt hier hingegen auf eine andere Strategie. Es werden im Ta-
rifbereich jährlich 40 Auszubildende in verschieden Bereichen eingestellt und je
nach erkanntem Potenzial gefördert und weiterentwickelt, bis hin zur Finanzierung
eines Studiums im IT- oder Maschinenbaubereich. Der wesentliche Vorteil ist,
dass diese die Organisation und ihre Abläufe nach dreieinhalb Jahren Ausbildung
mit entsprechenden Hospitationskonzepten sehr gut kennen.
Auch auf die Frage, inwieweit die erforderlichen Kompetenzen durch den Rück-
griff auf externe IT-Dienstleister kompensiert werden könnten, fiel die Antwort
ausnahmslos zugunsten dieser Alternative aus bzw. wurde dies sogar als dringen-
des Erfordernis gesehen, zumal man dies sowieso schon in vielen Bereichen so
handhabe. Es wurde jedoch auch darauf verwiesen, dass es sich hier aufgrund der
erforderlichen polizeilichen Fachkompetenz, die in entsprechende Prozesse und
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 241

Projekte mit einfließen müsse, nur um Gemeinschaftsprojekte und nicht um eine


vollständige Auslagerung handeln könne. Darüber hinaus erfolgte auch der Hin-
weis, dass man sich in diesem Zusammenhang mit den anderen Bundesländern
vernetzen sollte, um die Kompatibilität der Systeme bundesweit sicherzustellen.
Dies bedeutet zusammengefasst, dass auch beim Outsourcing von IT-Dienstleis-
tungen immer noch interne IT-Spezialisten mit polizeifachlichem Know-how er-
forderlich sind, diese aber bislang in der polizeilichen Organisation nicht in aus-
reichender Quantität vorhanden sind, so dass man sich auf dem Arbeitsmarkt in
einen Wettbewerb mit der freien Wirtschaft begeben muss. In Anbetracht dessen
ist es verwunderlich, dass man sich in diesem Konkurrenzkampf ohne konkrete
Strategie nur auf das Standing als attraktiver Arbeitgeber verlässt, insbesondere
wenn dieser Rückschluss vornehmlich aus den hohen Einstellungs- und Bewer-
berzahlen für die Ausbildung im g. D. folgt. Diese zeigen nämlich eher das gegen-
teilige Bild. So wurde im Jahr 2017 fast jeder vierte Bewerber angenommen, wäh-
rend sich die Polizei NRW in den Jahren 2004 bis 2007 noch den besten von je-
weils 15 Bewerbern aussuchen konnte.
Das LZPD NRW hingegen scheint im Kampf um die „digital natives“656 mit der
Einstellung von Auszubildenden im technischen Bereich und der Fortentwicklung
ihrer erkannten Potenziale eine Strategie zu verfolgen, die geeignet scheint, die
proaktive Nachbesetzung von „Hybridkompetenzstellen“ zu gewährleisten und
gleichzeitig eine hohe Fluktuation in diesem Bereich zu vermeiden. Ob eine ähn-
liche Strategie auch für die KPB möglich wäre, sollte geprüft werden.
Die Fragen, wie die Mitarbeiter in die durch die Digitalisierung der Polizei verur-
sachten Veränderungsprozesse eingebunden und ob und wie ihnen die erforderli-
chen technischen Kompetenzen vermittelt werden, dienen dazu, festzustellen, in-
wieweit dadurch die Akzeptanz und Veränderungsbereitschaft gefördert und die
Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, die von ihnen erwarteten Leistungen zu
erbringen.657 Ein Experte vertritt hier sehr überzeugend und nachvollziehbar die
Auffassung, dass der erste Schritt bei der Einbindung der Mitarbeiter im Prinzip
schon vor der Einstellung in den Polizeidienst beginnen müsse. Das Berufsbild

656
Vgl. Ledinger 2017, S. 31.
657
Vgl. Wiegand 2018, S. 20.
242 Andreas Hering und Antonio Vera

„Polizei“ sei heute geprägt durch digitale Datenverarbeitung und IT-gestützte Sys-
teme. Zusätzlich zu den sozialen, taktischen und körperlichen Fähigkeiten, die ein
Polizeianwärter schon immer mitbringen musste, ist heute auch IT-Affinität und
IT-Kompetenz erforderlich. Letztere fänden jedoch nicht nur im Auswahlverfah-
ren, sondern auch in der Ausbildung zu wenig Berücksichtigung. Diese Ansicht
wird eindeutig durch die Einstellungsvoraussetzungen, das Auswahlverfahren und
das Ausbildungscurriculum der Polizei NRW bestätigt, so dass sicherlich auch zu-
recht die Auffassung geäußert wird, dass eine Anpassung unumgänglich sei.
Es wird aber auch zurecht die Ansicht vertreten, dass Polizisten keine IT-Spezia-
listen, sondern nur IT-Anwender sein sollten. Hier sei die IT-Affinität und -Kom-
petenz der nachrückenden jungen Generation, die mit Smartphone und Tablet auf-
wächst, grundsätzlich ausreichend und es sei durch sie eine zunehmend starke Of-
fenheit für Technik in der Organisation zu verspüren. Jedoch müssten die älteren
Generationen, die „Nicht-Digital-Natives“, denen zum Teil das Vertrauen in die
Technik fehle, auf dem Weg in die digitale Arbeitswelt „mitgenommen“, mental
überzeugt und an die neuen Techniken herangeführt werden.
E2: „Ich weiß noch, als wir die ersten PCs eingeführt haben. Da ha-
ben bis zum Schluss, haben die an ihrer Schreibmaschine festgehal-
ten. Und es gibt immer noch Gerüchte, dass immer noch einige auf
der Schreibmaschine schreiben.“
Grundsätzlich werden die Mitarbeiter bei neuen IT-Vorhaben in sogenannte
„Proof-of-Concepts“ oder „Pilot-Versuche“ eingebunden, um die polizeiliche
Fachlichkeit und Erfahrung von Anfang an mit einzubeziehen:
E5: „[…] der Grundsatz ist schon, dass man bei allen größeren Pro-
jekten die Fläche so intensiv beteiligt, wie es unter den gegebenen
Voraussetzungen möglich ist.“
Der Großteil der Mitarbeiter wird mit den Veränderungen aber erst wesentlich
später konfrontiert, weil diese meistens als Einführungsprojekte und nicht als
große Changeprojekte gestaltet werden, was das „Aufbrechen“ der bisherigen Pro-
zesse und Strukturen deutlich erschwert. Dementsprechend werden die Mitarbeiter
erst durch Fortbildungsmaßnahmen an die neuen Prozesse herangeführt. Am Bei-
spiel ViVA wurde verdeutlicht, wie eine solche Fortbildung aussehen kann. Zu-
nächst wurden durch das LAFP die Multiplikatoren für die 47 KPB beschult, die
dann wiederum die Mitarbeiter in ihrer KPB anlernten. In Recklinghausen wurde
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 243

die Einführung vorbildlich im Sinne eines Changemanagement durch die Einrich-


tung eines ViVA-Büros, die konkrete Benennung von Ansprechpartnern als Be-
treuer für jede Direktion, die Initiierung von Open-door-Veranstaltungen, flankie-
rende Intranetauftritte und engen Kontakt zu allen Führungsstellen vorbereitet, um
größtmögliches Verständnis und Akzeptanz bei den Mitarbeitern zu erzielen, sie
vom Mehrwert des neuen Vorgangsbearbeitungssystems zu überzeugen und sie
„mitzunehmen“.
Aber auch die Fortbildung selbst als wesentliches Unterstützungselement im digi-
talen Wandel unterliegt gerade im Rahmen des Landes-Großprojektes FobiPol
(Fortbildung der Polizei NRW) einigen Veränderungen. Fortbildung soll zukünf-
tig zielgruppenorientierter und durch E-Learning oder webbasierte Trainings am
Heimarbeitsplatz oder im Büro flexibler, effektiver und ressourcenschonender an-
geboten werden.

5.3 Arbeitsplatz der Zukunft in einer digitalen Arbeitswelt


Im Folgenden soll herausgestellt werden, wie sich die befragten Experten als Füh-
rungskräfte der Polizei NRW den Arbeitsplatz der Zukunft in einer digitalen Ar-
beitswelt vorstellen, welche Wünsche der Mitarbeiter sie diesbezüglich sehen und
inwieweit diese Vorstellungen schon Realität sind bzw. zukünftig realisiert wer-
den sollen.

5.3.1 Ausgestaltung des Arbeitsplatzes der Zukunft


Auf die Frage nach der eigenen Vorstellung davon, was den Arbeitsplatz der Zu-
kunft in einer digitalen Welt maßgeblich ausmacht, wurde insbesondere auf mo-
derne Technik verwiesen. Diese sollte geprägt sein durch mobile, verschlüsselte
Endgeräte und vernetzte Systeme und Datenbanken, welche die Zusammenarbeit
per Tele- oder Videokonferenz ermöglichen, eine unmittelbare, digitale, papier-
lose Erfassung, Verarbeitung und Nutzung von Daten in allen Systemen erlauben,
die Einsatzvergabe und -kräftekoordinierung visualisieren und optimieren, durch
Automatisierung und elektronische Signatur im Vorgangs-, Formular- und Statis-
tikwesen die Arbeit erleichtern und eine weitere Flexibilisierung von Arbeitszeit
und Ausweitung von Telearbeit zulassen. Der Bedeutung von Mobilität, Flexibi-
lität, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Work-Life-Balance wurde durch-
gängig eine außergewöhnlich hohe Bedeutung beigemessen. Es seien gute Mittel,
244 Andreas Hering und Antonio Vera

um Arbeitskraft an die Organisation zu binden, mehr Arbeitszeit von Teilzeitkräf-


ten zu generieren, Arbeitszufriedenheit und Motivation zu erzeugen, Arbeitsleis-
tung noch besser abzurufen, Qualitätssteigerung herbeizuführen und im Rahmen
von Arbeitsplatz-Sharing teure und knappe Bürofläche einzusparen.
Bzgl. der Nutzung mobiler und flexibler Arbeitsgestaltung hat die Polizei NRW
schon vor Jahren alle PCs und Notebooks auf eine Domäne im CN-Pol-Netz (Cor-
porate Network der Polizei NRW) umgestellt, so dass sich jeder Polizeibeamte an
jedem CN-Pol-Rechner orts- und zeitunabhängig anmelden und auf sein User-Pro-
fil mit allen Anwendungen und Dateien zugreifen kann. Ansonsten wird das sehr
heterogene Bild zwischen den unterschiedlichen Behörden durch die Inter-
viewpartner bestätigt. Im LZPD NRW verfügen mehr als 10 % der Mitarbeiter
über einen Telearbeitsplatz, es gibt über 100 verschiedene Teilzeitmodelle, und
die Zusammenarbeit über Tele- und Videokonferenzen ist an der Tagesordnung.
Jedoch gehören diese Dinge längst nicht in allen KPB zum dienstlichen Alltag. In
Recklinghausen repräsentieren 15 Telearbeiter weniger als 1 % der Beschäftigten,
und Videokonferenzen scheitern schon an den technischen Möglichkeiten. Neben
den Landräten Viersen und Kleve gibt es viele weitere KPB, die ihren Beschäftig-
ten gar keinen Telearbeitsplatz anbieten. Dies könnte an der bisher noch nicht als
ausreichend erachteten Infrastruktursicherheit liegen:
E5: „Wir verfügen im Bereich der Infrastruktur im Moment noch
nicht über ausreichend sichere Möglichkeiten – zumindest ist das
die Wahrnehmung von Entscheidern und Führungskräften auf allen
Ebenen –, um disloziert beispielsweise im Heimbereich bestimmte
Applikationen zur Verfügung zu stellen.“
Bei der Frage nach von mobiler oder flexibler Arbeitsgestaltung ausgeschlossenen
Arbeitsbereichen wurde noch einmal herausgestellt, dass der Telezugriff auf ope-
rative Anwendungen wie ViVA über VPN-Tunnel oder WLAN derzeit verboten
sei, so dass eine Heimarbeit mit solchen operativen Anwendungen nicht in Frage
komme. Mit Einführung einer CITRIX Lösung werde es jedoch zukünftig kaum
Bereiche geben, die nicht für das Homeoffice in Betracht kämen. Problematisch
sei eine flexible Arbeitsgestaltung jedoch auch dann noch in den Bereichen, in
denen eine unmittelbare Interaktion mit dem Bürger oder polizeilichen Gegenüber
erforderlich sei und 24-Stunden- und Bereitschaftsdienste, Ad- hoc- und Zeitlagen
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 245

abgedeckt werden müssten, wie im Wach- und Wechseldienst (WWD), in der Be-
reitschaftspolizeihundertschaft (BPH) oder der Kriminalwache. Doch auch hier sei
durch Poollösungen anstatt starrer Dienstgruppen, softwareunterstützte Schicht-
dienstpläne und effizientere Schwerpunkt- und Brennpunktanalysen eine größere
Flexibilität für die betroffenen Kollegen zu verspüren, die der Work-Life-Balance
und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegenkomme. Kritisch anzumer-
ken sei jedoch in diesem Zusammenhang, dass eine Genehmigung von Teilzeitar-
beit derzeit bei der Polizei NRW, anders als in vielen Kommunen, nur aus famili-
ären Gründen in Frage komme. Zwar gebe es auch im WWD Teilzeitkräfte, doch
gerade hier gestalte sich die Teilzeitarbeit als große Herausforderung, an der man
häufig mit der Konsequenz scheitere, dass die betroffenen Beschäftigten länger in
Elternzeit bleiben und der Organisation mit ihrer Arbeitskraft vollständig fehlten.
Konkret nach der Bedeutung von orts- und zeitunabhängiger Arbeit im Wettkampf
um qualifizierten Nachwuchs gefragt, war eine deutliche Übereinstimmung in den
Ansichten zu vernehmen, wobei insbesondere die Telearbeit hervorgehoben
wurde:
E1: „[…] Telearbeitsplätze […] Also ich glaube, dass da viele Mög-
lichkeiten noch bestehen, sich viel besser auch als Organisation auf-
zustellen. […] wir müssen uns Gedanken machen über Arbeitsbe-
reiche, die tatsächlich auch in Telearbeit von zu Hause ausgenutzt
werden können.“
E2: „[…] um attraktiver Arbeitsgeber zu sein, müssen wir attraktive
Arbeitszeitmodelle anbieten.“
E6: „Ich glaube aber auch, dass wir den Arbeitsplatz des Polizisten
modern und attraktiv halten müssen. Und dazu zählt auch das
Thema Mobilität und Flexibilität. Wie ich gerade schon sagte: Te-
learbeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“
Insofern bestätigen die Experteninterviews die im Theorieteil herausgestellten An-
nahmen. Orts- und zeitunabhängige Arbeitsgestaltungsmöglichkeiten haben einen
hohen Stellenwert für die Beschäftigten, großen Nutzen für die Organisation und
sind im Kampf um die besten Bewerber nahezu unverzichtbar. Das Erfordernis,
sich hier als Polizei NRW zukünftig besser aufzustellen, wurde durch die Aussa-
246 Andreas Hering und Antonio Vera

gen der Interviewpartner unterstrichen. Sich auf vermeintlich guten Bewerberzah-


len oder einem guten Standing als Arbeitgeber „auszuruhen“ oder davon auszuge-
hen, dass jungen Bewerbern das Thema Digitalisierung und die dadurch gegebe-
nen technischen Möglichkeiten zur Gestaltung von Work-Life-Balance und Ver-
einbarkeit von Familie und Beruf noch nicht so wichtig seien, wird negative Lang-
zeitfolgen haben.
Weiterhin wäre es empfehlenswert, die Gründe für die extreme Heterogenität der
KPB bzgl. der Gestaltung von orts- und zeitunabhängigen Arbeitsmodellen ge-
nauer zu analysieren, um hier einerseits im Sinne von best practice Verbesserungs-
möglichkeiten für alle KPB herauszuarbeiten sowie andererseits, um unnötige
Konkurrenzkämpfe innerhalb der Polizei NRW zu vermeiden. Ein entsprechender
Vergleich der Arbeitszeitmodelle verschiedener KPB im Rahmen der vorliegen-
den Studie wurde durch das IM NRW jedoch abgelehnt. Zweckmäßig erscheint in
diesem Zusammenhang eine Mitarbeiterbefragung in der Polizei NRW, um fest-
zustellen, welche der Erwartungen Polizeibeamte hinsichtlich Flexibilität, Mobi-
lität, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Work-Life-Balance haben.
Die bereits geschaffene Möglichkeit, sich an jedem CN-Pol-Rechner im Land an-
zumelden, könnte im Zuge eines Arbeitsplatz-Sharing genutzt werden, das über
ein landesweites System zentral organisiert werden könnte. So könnte beispiels-
weise ein Beschäftigter, der in Essen wohnt und nicht über einen eingerichteten
Heimarbeitsplatz verfügt, dessen reguläre Dienststelle jedoch das PP Münster ist,
gelegentlich in einem freien Büro des PP Essen arbeiten. Denkbar wäre auch –
statt der landesweiten Organisation – die Kooperation zwischen einzelnen Behör-
den. Neben der wegfallenden Wegstrecke, dem daraus resultierenden Zeitgewinn
und der höheren Arbeitszufriedenheit und Bindung des Beschäftigten wären hier
ähnlich positive Effekte wie bei Co-Working und Co-Rental Spaces zu erwarten.
Der forcierte behördenübergreifende Austausch könnte zudem kreative, innova-
tive und produktive Wirkung entfalten.658

5.3.2 Neue Anforderungen an Mitarbeiter


Danach gefragt, welche neuen Anforderungen durch die Digitalisierung an die
Mitarbeiter der Polizei NRW erwachsen, wiesen die befragten Experten neben den

658
Vgl. Klaffke 2016, S. 16 f.
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 247

technischen Kompetenzen insbesondere auf die Fähigkeiten im Umgang mit Te-


learbeit hin. Als neue Herausforderungen für die Beschäftigten wurden dement-
sprechend z. B. Arbeitsplatzgestaltung und Zeitmanagement sowie Selbstmanage-
ment, -organisation oder -disziplin genannt. Selbstdisziplin wurde in dreifacher
Hinsicht erwähnt: (1) sich selbst „aufzuraffen“, sich zuhause an den Schreibtisch
zu setzen und seine Arbeit zu erledigen; (2) die gesetzten Arbeitszeiten einzuhal-
ten und nicht ständig Mehrarbeit zu leisten; und (3) die Disziplin außerhalb der
gesetzten Arbeitszeiten, das dienstliche Smartphone oder Laptop einfach auszu-
schalten. Die „ständige Erreichbarkeit“ in einer digitalen Welt wurde durch die
Interviewpartner aus sehr unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. So wurde
dargestellt, dass ständige Erreichbarkeit für einen Polizeibeamten nichts Außerge-
wöhnliches sei, sondern vielmehr zur polizeilichen Sozialisation gehöre, dass dies
kein Problem sei, weil überwiegend Führungskräfte betroffen seien, die dies schon
in ihre Aufgabe „eingepreist“ hätten, und dass bei Telearbeit zwar eine Erreich-
barkeit bei aktuellen Lagen oder Lageänderungen gewährleistet werden müsse,
aber keinesfalls eine ständige Erreichbarkeit. Letztlich wurde auch angeführt, dass
ständige Erreichbarkeit oder das Gefühl ständiger Erreichbarkeit krank machen
könne. Auch wurden die „zwischenmenschlichen“ Probleme, der Verlust einer ge-
meinsamen Kultur bzw. einer Corporate Identity wegen der mangelnden sozialen
Kontakte im Zuge von Telearbeit und Videokonferenzen angeführt.
Anschließend sollte herausgestellt werden, inwieweit Selbstorganisation, Arbeits-
gestaltungskompetenz oder der Umgang mit ständiger Erreichbarkeit im Rahmen
der polizeilichen Aus- und Fortbildung berücksichtigt werden bzw. vermittelt wer-
den sollten. Die Probanden gaben an, dass es derzeit weder in der Aus- noch in der
Fortbildung spezielle Komponenten gibt, die solche verhaltensorientierten Berei-
che speziell abdecken. In Bezug auf die Erforderlichkeit entsprechender Fortbil-
dungsangebote gehen die Meinungen weit auseinander. So wird auf der einen Seite
vertreten, dass das Vorhandensein dieser Kernkompetenzen nicht durch Fortbil-
dung zu vermitteln sei und die Beschäftigten, denen Telearbeit zugestanden
würde, diese Kompetenzen ohnehin mitbringen. Eine andere Auffassung ist, dass
solche Aspekte durchaus im Rahmen bestehender Fortbildungen vermittelt wer-
den könnten, z. B. in der Führungskräftefortbildung, Seminaren für Führungs-
kräfte zur Arbeitsplatzgestaltung oder als Baustein in Stressbewältigungssemina-
248 Andreas Hering und Antonio Vera

ren. Es gibt aber auch die Meinung, dass viele Mitarbeiter mit der Selbstorganisa-
tion überfordert seien und mit der Einrichtung eines Telearbeitsplatzes grundsätz-
lich entsprechende interne oder externe Fortbildungsmaßnahmen angeboten wer-
den müssten.
Die „Rahmenkonzeption Behördliches Gesundheitsmanagement der Polizei
NRW“ (BGM Pol) enthält bereits einige Aspekte, unter denen die entsprechenden
Anforderungen abstrakt subsumiert werden könnten, wie z. B. die konsequente
Motivation zu gesundheitsförderlichem Verhalten der Beschäftigten durch die
Führungskräfte, die für jeden Arbeitsplatz durchzuführende Gefährdungsbeurtei-
lung hinsichtlich der immanenten und der von außen bedingten Belastungsfakto-
ren und deren Folgen unter Nutzung von Arbeitsbelastungsprofilen oder der Bau-
stein Stressmanagement. Bisher werden die alternierende Telearbeit und alterna-
tive Arbeitszeitmodelle im BGM Pol unter dem Handlungsfeld „Vereinbarkeit von
Beruf und Familie“ explizit als erfolgssichernde Maßnahmen genannt. Hier wäre
zu überlegen, das Rahmenkonzept der Bedeutung dieser Aspekte entsprechend an-
zupassen und hieraus ein eigenes Handlungsfeld mit entsprechenden Maßnahmen
zu konzipieren.

5.3.3 Neue Anforderungen an Führungskräfte


Abschließend sollte erörtert werden, ob und wie sich die Anforderungen an die
Führungskräfte der Polizei NRW im Zuge des digitalen Wandels verändern, wie
sie letztlich an der Gestaltung der Rahmenbedingungen für einen Arbeitsplatz der
Zukunft in einer digitalen Arbeitswelt mitwirken können und wie sie selber darauf
vorbereitet werden. Mit der ersten Frage in diesem Bereich sollte erörtert werden,
welches technische Know-how die Führungskraft „von morgen“ in der Polizei
NRW benötigen wird und inwiefern dieses im Rahmen der Führungskräfteaus-
wahl und -fortbildung Berücksichtigung findet. Die herrschende Meinung der Ex-
perten war dahingehend zu interpretieren, dass auch in einer digitalen Arbeitswelt
das technische Know-how nicht der wesentliche Maßstab für qualitativ gute Füh-
rung sei. Auch für die Führungskraft von morgen reiche ein Überblick über die
zur Verfügung stehenden Systeme und ein gewisses Grundverständnis von diesen
aus. Es wurde jedoch auch die völlig gegenteilige Meinung vertreten:
E5: „[…] eine polizeiliche Führungskraft ohne IT-Kenntnisse ist für
mich nicht mehr vorstellbar.“
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 249

Ein explizites Aus- und Fortbildungsangebot für Führungskräfte der Polizei NRW
im IT-Bereich gibt es derzeit nicht, zumindest ist ein solches den Interviewpart-
nern nicht bekannt. Jedoch findet jährlich ein Lehrgang „Neue Medien“ statt, ver-
einzelt gibt es Vorträge und Seminare zu diesem Themenbereich und in der Aus-
bildung zum h. D. können die Ratsanwärter in viele Themenfelder „reinschnup-
pern“. Trotz der eingangs dargestellten Einschätzung der Bedeutung von IT-
Kenntnissen lassen einige Formulierungen darauf schließen, dass eine Veranke-
rung dieses Themenbereiches in der Aus- und Fortbildung für Führungskräfte
durchaus befürwortet wird:
E4: „Man wird irgendwann das Curriculum der Deutschen Hoch-
schule […] anpassen müssen, […].“
E6: „Letztendlich müssen wir das über eine behördeninterne oder
landesweite oder auch externe Fortbildung gewährleisten, dass die
Kollegen da fit sind.“
In Anlehnung an die Ergebnisse zur zukünftigen Bedeutung von Mobilität und
Flexibilität wurden die Experten abschließend danach gefragt, wie sich Führung
im Zuge von orts- und zeitunabhängigen Arbeitsmodellen verändern werde. In der
konkreten Einsatzbewältigung von Großlagen werde sich voraussichtlich nichts
ändern, da bei der Polizei NRW das „Prinzip des Führens von hinten“ mit Auf-
tragstaktik gilt, d. h. der Polizeiführer ist abseits des Einsatzortes im Führungs-
raum der Behörde und erhält Informationen und erteilt Aufträge über digitale Me-
dien. Aber auch im dienstlichen Alltag müssen sich Führungskräfte daran gewöh-
nen, in vielen Situationen nicht mehr vis-a-vis zu führen, sondern über digitale
Kommunikationsmittel – sei es das Handy, die E-Mail oder sogar die Videokon-
ferenz – mit den Mitarbeitern in Kontakt zu treten. Im Vordergrund stehe dann die
Führung über Zielvereinbarung und Ergebnis- und Qualitätskontrolle. Die Bezie-
hung zum Mitarbeiter muss dabei maßgeblich von Vertrauen geprägt sein. Eine
wesentliche Rolle spiele dabei die Fürsorgepflicht des Vorgesetzten, der eine
Über- oder Unterforderung oder Überlastung trotz räumlicher Dislozierung erken-
nen und gegensteuern muss. Um dem schon präventiv entgegenzuwirken, sind
konkrete Absprachen und Regelungen nicht nur hinsichtlich der Ziele, sondern
auch bzgl. der Arbeitszeiten und Erreichbarkeiten zu treffen.
250 Andreas Hering und Antonio Vera

Eine weitere wesentliche Herausforderung werden neue Formen der Zusammen-


arbeit auf räumliche Distanz darstellen. Mehr denn je wird es Aufgabe der Füh-
rungskräfte sein, Team Building zu betreiben, zwischenmenschliche Kontakte, ein
Zusammengehörigkeitsgefühl und Gruppendynamik, Corporate Identity und eine
gemeinsame Kultur zu fördern.
E5: „[…] man muss auch Instrumente haben, in denen man regel-
mäßig in eine unmittelbare Interaktion mit dem Mitarbeiter tritt.
Also auch mal das Gespräch suchen, sich neben dem Dienst gege-
benenfalls austauschen und eine gewisse Atmosphäre schaffen, die
dazu führt, dass man sich auch abgesetzt von der Aufgabenerledi-
gung wohlfühlen kann im polizeilichen Umfeld.“
Darüber hinaus wird es Aufgabe der Führungskräfte sein, den Wandel als Chance
zu begreifen und die Mitarbeiter auf dem Weg in die digitale Arbeitswelt, die nicht
mehr vornehmlich durch Präsenz am Arbeitsort, sondern durch Mobilität und Fle-
xibilität gekennzeichnet ist, „mitzunehmen“.
Anzumerken bleibt hier, dass es auch für die neuen Anforderungen an die Füh-
rungskräfte, die im Rahmen mobiler und flexibler Arbeitsgestaltung entstehen
werden, noch keine spezifische Fortbildung bei der Polizei NRW gibt. In Anbe-
tracht der herausragenden Bedeutung der Führungskräfte bei diesem Wandel wäre
dies jedoch ein erster wesentlicher Schritt, um die Führungskräfte mehr in die Di-
gitalisierung, die Strategie und die Zukunftsvisionen der Organisation und der Po-
litik einzubinden, damit sie ihren Aufgaben letztlich auch gerecht werden können.

6 Fazit

Die Digitalisierung hat nicht nur unseren Alltag im privaten Bereich maßgeblich
verändert, sondern auch die gesamte Arbeitswelt revolutioniert. Als Reaktion auf
die dynamische Entwicklung neuer Technologien und deren Einfluss auf die poli-
zeiliche Aufgabenwahrnehmung und Zusammenarbeit hat die Polizei NRW ihre
perspektivische Ausrichtung mit der IT-Strategie 2020 klar dahingehend formu-
liert, die digitale Transformation der Organisation zu erreichen. Sie unterstreicht
dieses Vorhaben durch zukunftsweisende IT-Großprojekte, welche die Polizeiar-
beit und den dienstlichen Alltag stark verändern werden. Diese Umstrukturierung
stellt zwar eine riesige finanzielle Herausforderung dar, doch der politische Wille
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 251

ist eindeutig formuliert und wird durch entsprechende Haushaltsmittel und das Be-
streben zur Umsetzung der Vorgaben aus dem EGovG NRW unterstrichen.
Die Entwicklung, Einführung und Begleitung der erforderlichen Digitalisierungs-
prozesse obliegt zunächst dem LZPD NRW als internem IT-Dienstleister der Po-
lizei NRW. Maßgebliche Unterstützung erhält dieses durch Outsourcing an oder
gemeinsame Projekte mit dem externen Dienstleister IT-NRW. Dennoch ergeben
sich hier zwei wesentliche Herausforderungen in personeller Hinsicht. Erstens
wird der Bedarf an IT-Spezialisten in der Polizei NRW sowohl für die Entwick-
lung und den Betrieb von IT als auch in der Sachbearbeitung zur Analyse und
Auswertung erheblich steigen, was die Rekrutierung externen Fachpersonals er-
forderlich machen wird. Hier könnte sich künftig im „War for Talent“ ein Problem
für die Polizei NRW ergeben, da durch die Tarifbindung kaum finanzielle Anreize
für potenzielle Bewerber existieren. Umso wichtiger wird es, sich als attraktiver
Arbeitgeber am Markt zu präsentieren. Die zweite personelle Herausforderung
liegt in der Einbindung der Mitarbeiter. Als Anwender der neuen Technologien
sind sie das Kernelement der digitalen Transformation, und ihre Akzeptanz und
Veränderungsbereitschaft ist maßgeblicher Erfolgsgarant für den Wandel. Bisher
gibt es jedoch kein großangelegtes strategiebezogenes Changemanagement in Be-
zug auf die IT-Strategie 2020. Langfristig gesehen muss der erste Schritt bei der
Einbindung der Mitarbeiter aber schon vor der Einstellung in den Polizeidienst
durch eine Anpassung des Anforderungsprofils, das auch IT-Affinität und -Kom-
petenz enthalten muss, erfolgen.
Die Faktoren, die einen Arbeitgeber aus der Sicht der Bewerber und Mitarbeiter
attraktiv machen, haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Karrierechan-
cen und gutes Einkommen sind für jüngere Generationen eindeutig zugunsten von
Mobilität, Flexibilität, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und einer ausgewo-
genen Work-Life-Balance in den Hintergrund getreten. Insbesondere orts- und
zeitunabhängige Arbeitsmodelle, allen voran die Telearbeit, gewinnen immer
mehr an Bedeutung. Zwar bieten alle Polizeibehörden des Landes ihren Mitarbei-
tern Modelle der gleitenden Arbeitszeit an, jedoch herrscht bezüglich der Telear-
beit derzeit ein extrem heterogenes Bild, das einer genaueren Analyse bedarf, um
Verbesserungspotenziale zu erkennen. Die technischen Möglichkeiten lassen zu-
künftig eine deutliche Ausweitung der Telearbeit erwarten. Darüber hinaus wird
252 Andreas Hering und Antonio Vera

über flexible Arbeitsgestaltungsmöglichkeiten für Mitarbeiter, die nicht über ein


dienstliches Homeoffice verfügen, nachzudenken sein. In der freien Wirtschaft ha-
ben sich hier Co-Working oder Co-Rental Spaces etabliert, die durchaus in abge-
wandelter Form auf die Polizei NRW übertragbar wären, z. B. als Behördenko-
operationen. Die Grundlage hierfür ist durch die Umstellung aller CN-Pol-Rech-
ner auf eine Domäne bereits vor Jahren geschaffen worden. Telefon- und Video-
konferenzen dürften in Zukunft die ortsunabhängige Zusammenarbeit virtueller
Teams flächendeckend ermöglichen und vollständig verändern.
Nachgewiesene positiven Effekte von orts- und zeitunabhängigen Arbeitsmodel-
len sind die Arbeitszeitsouveränität und bessere Vereinbarkeit von Familie und
Beruf und Work-Life-Balance für die Beschäftigten, die zu einer höheren Motiva-
tion, Arbeitszufriedenheit, mehr Loyalität, Leistungssteigerung, mehr Arbeitspro-
duktivität und einer gefestigten Bindung zur Organisation führen können. Diesen
positiven Effekten stehen jedoch auch Risiken gegenüber. Die Verdichtung und
Entgrenzung der Arbeit, ständige Erreichbarkeit und fehlende Ruhezeiten können
zu physischen und psychischen Beeinträchtigungen und einer Umkehr der positi-
ven Effekte führen. Insofern muss den Beschäftigten nicht nur die Anwendung
neuer Technologien im Zuge der Aus- und Fortbildung, sondern auch Arbeits-
platzgestaltungskompetenz, Zeit- und Selbstmanagement sowie Selbstdisziplin
vermittelt werden, damit sie den veränderten Anforderungen gewachsen sind.
Während die technischen Kompetenzen im Zuge von projektbezogenen Einfüh-
rungsveranstaltungen vermittelt werden, gibt es bisher bei der Polizei NRW aber
keine verhaltensorientierten Komponenten in der Aus- und Fortbildung, die spe-
ziell die erforderlichen Kompetenzen im Umgang mit orts- und zeitunabhängigen
Arbeitsformen vermitteln oder fördern. Ein spezielles Fortbildungsangebot sowie
die Implementierung des Umgangs mit orts- und zeitunabhängiger Arbeit als ei-
genes Handlungsfeld in der Rahmenkonzeption BGM der Polizei NRW könnten
wesentliche Beiträge zur Prävention in diesem Bereich darstellen.
Letztendlich wird der organisatorische Wandel zu einer Polizei 4.0 auch die An-
forderungen an die Führungskräfte der Polizei NRW deutlich verändern. Durch
ihre Vorbildfunktion kommt ihnen eine Schlüsselrolle für die erfolgreiche Umset-
zung der fortwährenden Veränderungen von Strukturen und Prozessen zu und sie
sind gefordert, den digitalen Wandel aktiv zu gestalten. Das Erfordernis techni-
scher Kompetenzen wird zwar zunehmen, bedeutsamer wird aber der Umgang mit
Polizei 4.0 und digitale Arbeitswelt 253

neuen virtuellen Kommunikations- und Zusammenarbeitsformen sein. Team Buil-


ding, die Schaffung gegenseitigen Vertrauens, eines Zusammengehörigkeitsge-
fühls und positiver gruppendynamischer Effekte wird den Führungskräften we-
sentlich mehr soziale Kompetenz, emotionale Intelligenz und Empathie abverlan-
gen als bisher. Hinsichtlich der zunehmenden orts- und zeitunabhängigen Arbeits-
modelle wird eine stärker ergebnisbasierte und vertrauensorientierte Mitarbeiter-
führung erforderlich. Klare individuelle Absprachen und Vereinbarungen über Ar-
beitszeiten und Erreichbarkeiten sowie ein Controlling zur Überlastungsvermei-
dung gehören in diesem Zusammenhang eindeutig zur Fürsorgepflicht der Vorge-
setzten. Entsprechende Fortbildungsprogramme, welche die Führungskräfte der
Polizei NRW auf diese neuen Anforderungen vorbereiten, gibt es bisher nicht,
sollten jedoch in Erwägung gezogen werden.
Es bleibt also festzuhalten, dass die Polizei NRW zukünftig über die technischen
und infrastrukturellen Voraussetzungen für eine deutliche Ausweitung von orts-
und zeitunabhängigen Arbeitsmodellen verfügen wird. Bzgl. der Rahmenbedin-
gungen für einen solchen Arbeitsplatz der Zukunft in einer digitalen Arbeitswelt
bedarf es jedoch noch einiger Anpassungen. Tradierte Denkmodelle müssen über-
wunden, das Umdenken in der Organisation durch ein gesamtstrategiebezogenes
Changemanagement gefördert und Mitarbeiter und Führungskräfte im Rahmen
der Aus- und Fortbildung an die neuen Herausforderungen herangeführt werden,
damit Polizei 4.0 gelingen kann.

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Die Autoren
Andreas Hering, M. A.
Polizeirat, Polizei Nordrhein-Westfalen

Antonio Vera, Prof. Dr. Dr.


Leiter des Fachgebiets „Organisation und Personalmanagement in der Polizei“
Deutsche Hochschule der Polizei
Münster
261

Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst


der Polizei: Eine empirische Untersuchung am Beispiel
des Polizeipräsidiums Mittelfranken

Jörg Ottenschläger

Inhaltsübersicht
1 Einleitung
2 Teilzeitarbeit – Theoretische Hintergründe
2.1 Begriffserläuterungen/Teilzeitvarianten
2.2 Untersuchungsrelevanter Forschungsstand
2.3 Umfang von Teilzeitarbeit
2.4 Motive für Teilzeitarbeit
3 Forschungsleitende Fragestellungen
4 Methodik
4.1 Untersuchungsform und Stichprobe
4.2 Gestaltung des Fragebogens
4.3 Durchführung der Befragung
4.4 Prüfung und Aufbereitung der Daten
5 Darstellung und Diskussion der Ergebnisse
5.1 Deskriptive Analyse
5.2 Arbeitszeitgestaltung und Tätigkeitsfeld
5.3 Arbeitszeitumfang und Überstunden
5.4 Motive für die Teilzeitarbeit und Teilzeitdauer
5.5 Hilfestellungen und etwaige Arbeitszeiterhöhungen
5.6 Motivation und empfundene Wertschätzung

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
R. Ritsert und A. Vera (Hrsg.), Management und Organisation in der Polizei,
Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29053-5_6
262 Jörg Ottenschläger

5.7 Beratungs- und Informationsmöglichkeiten


6 Zusammenfassung
7 Handlungsempfehlungen
8 Fazit
Literatur - und Quellenverzeichnis
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 263

1 Einleitung

„In Zeiten des technischen, demografischen, gesellschaftlichen wie auch arbeits-


gesellschaftlichen Wandels kommt der räumlichen wie zeitlichen Flexibilisierung
der Arbeitsorganisation immer stärkere Bedeutung zu.“659 Bei der Betrachtung
staatlicher Organisationen kann vermutlich ein jeder auf Anhieb Elemente der Fle-
xibilisierung und des Wandels erkennen. Schlagworte wie „Arbeitszeitflexibilisie-
rung“ oder „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ sind gängige Begrifflichkeiten
geworden, die längst Einzug in die behördlichen Strukturen der Polizei gehalten
haben. Der Blick in die polizeiliche Praxis offenbart jedoch, dass gerade diese
Flexibilisierungen oftmals mit Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen einhergehen.
Dabei sind die Motive und die Arbeitszeitanteile der Beschäftigten ebenso diffe-
rent wie die behördlichen Hilfestellungen oder die Verwendungsmöglichkeiten im
Polizeiberuf. Gegebenheiten, die im Bereich des Polizeivollzugsdienstes (PVD)
die Behörden sowie die Betroffenen gleichermaßen vor Herausforderungen stel-
len.
Gesamtgesellschaftspolitisch wurde bei einer Untersuchung des Statistischen
Bundesamtes im Jahr 2016 für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland ein
durch Teilzeitarbeit ungenutztes Arbeitskräftepotenzial von 1,4 Millionen Perso-
nen berechnet.660 Die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit (IAB)
ging davon aus, dass durch eine Arbeitszeitpolitik, die auf längere Arbeitszeiten
(AZ) von Teilzeitbeschäftigten (TZ-Beschäftigten) setzt, ein Potenzial von bis zu
0,9 Millionen Vollzeitkräften aktivierbar wäre. 661 Bezogen auf den PVD hat eine
exemplarische Erhebung beim Polizeipräsidium Mittelfranken (PP MFr) im Jahr
2017 ein nicht ausgeschöpftes Arbeitspotenzial von 148,08 Vollzeitstellen erge-
ben.662 Gemessen an den durchschnittlichen Dienststellengrößen in Mittelfranken
fehlte diesem Polizeipräsidium (PP) durch die Teilzeitarbeit damit Personal in der
Größenordnung von etwa einer großstädtischen Polizeiinspektion in Nürnberg,

659
Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr 2017, S. 2.
660
Statistisches Bundesamt 2017, S. 362.
661
Vgl. Spitznagel 2010, S. 55 ff.
662
Die Daten wurden durch den Verfasser beim PP MFr erhoben (Stand: 01.10.2017).
Die Berechnung erfolgte anhand der Summe der einzelnen AZ-Reduzierungen der TZB.
264 Jörg Ottenschläger

Fürth oder Erlangen oder mindestens drei Polizeiinspektionen in ländlich gepräg-


ten Gegenden.
Um die durch Teilzeitbeschäftigung (TZB) entstehenden und damit oft fehlenden
AZ-Anteile möglichst gering zu halten, versuchen Unternehmen und Behörden
gleichermaßen mit einer Vielzahl von Maßnahmen oder Hilfestellungen einen
möglichst hohen AZ-Anteil bei den TZ-Beschäftigten zu erreichen. Insbesondere
vor dem Hintergrund, dass teilzeitbedingte AZ-Reduzierungen im PVD oftmals
nicht ausgeglichen werden können, kommt dem Handeln der Polizeiführungs-
kräfte in Zeiten knapper Personalressourcen noch größere Bedeutung zu. Gerade
in Zeiten des demografischen Wandels nimmt die Konkurrenz nach geeignetem
Personal sowohl innerhalb als auch außerhalb des öffentlichen Sektors zu. Da es
sich bei Polizeivollzugsbeamten (PVB) in TZ um bereits ausgebildetes Personal
handelt, wird dieser knappen Humanressource eine weiterhin herausragende Be-
deutung zukommen müssen.663 „Als moderner und attraktiver Arbeitgeber ist es
Anspruch und Aufgabe zugleich, diesen Herausforderungen der Zukunft auf allen
Ebenen zu begegnen.“664

2 Teilzeitarbeit – Theoretische Hintergründe

2.1 Begriffserläuterungen
„Teilzeit“ i. S. der Untersuchung beschreibt, wenn die AZ von Personen regel-
mäßig weniger als die übliche volle Wochenarbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten
Person beträgt.665 Hierbei wurde sich an die Definition des Bundesamtes für Sta-
tistik angelehnt. TZB i. S. der Arbeit kann sowohl mit hohen AZ-Anteilen nahe
der Vollzeitbeschäftigung als auch mit geringen AZ-Anteilen, wie beispielsweise
während der Elternzeit, einhergehen. Dabei wurden alle Varianten der Teilzeitar-
beit mit den unterschiedlichsten Beweggründen in die Betrachtung mit einbezo-
gen.

663
Vgl. Vera 2015, S. 105 ff.
664
Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr 2017, S. 2.
665
Statistisches Bundesamt 2017, S. 378.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 265

Varianten von Teilzeitarbeit


Bei der „voraussetzungslosen“ Antragsteilzeit besteht die Möglichkeit, ohne Vor-
liegen besonderer sachlicher oder persönlicher Gründe auf Antrag die AZ bis auf
die Hälfte der regelmäßigen AZ und bis zur jeweils beantragten Dauer zu reduzie-
ren. Die Antragsteilzeit wird nicht gewährt, soweit dienstliche Belange entgegen-
stehen.666 Eine besondere Form dieser Teilzeitart stellt das „Sabbat- oder Freistel-
lungsjahr“ dar. Hier gibt es in der Regel zunächst eine Arbeitsphase im Rahmen
einer Vollzeittätigkeit, anschließend wird die dadurch angesammelte Mehrarbeit
im Rahmen einer Freizeitphase wieder ausgeglichen. Die Dauer ist grundsätzlich
nicht vorgegeben.667 Bei der familienpolitischen TZ ist den Beamten auf Antrag
die AZ bis auf mindestens durchschnittlich wöchentlich acht Stunden zu ermäßi-
gen, wenn sie entweder mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder einen Angehö-
rigen tatsächlich betreuen oder pflegen. Anders als bei der voraussetzungslosen
Antragsteilzeit haben Beamte bei der Erfüllung der Gründe für die familienpoliti-
sche TZ einen Rechtsanspruch auf Bewilligung. Die familienpolitische TZB kann
ausgeübt werden, solange die Voraussetzungen dafür vorliegen. 668 Während der
Elternzeit ist eine TZB mit bis zu 30 Stunden wöchentlich, aber auch weniger als
acht Wochenstunden möglich.669 Die Altersteilzeit ist eine besondere Form der
TZB. Auf Antrag kann dies Beamten ab dem 60. Lebensjahr bewilligt werden,
wenn dringende dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Bei schwerbehinder-
ten670 Beamten tritt an die Stelle des 60. Lebensjahres das 58. Lebensjahr. Die
Altersteilzeit muss einen Zeitraum von mindestens einem Jahr umfassen und sich
bis zum Beginn des Ruhestands erstrecken. Damit kann die Altersteilzeit mit dem
Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand oder mit der Versetzung in den Antragsru-
hestand enden. Die AZ beträgt durchgehend bis zum Beginn des Ruhestands 60
Prozent der in den letzten fünf Jahren durchschnittlich geleisteten AZ. Dabei kann
die Altersteilzeit als gewöhnliche Teilzeitvariante oder als Blockmodell erfolgen.
Die Wahl des Modells muss bereits bei der Antragstellung angegeben werden.
Beim Blockmodell wird zunächst in einer Ansparphase über den festgelegten TZ-

666
Art. 88 Abs. 1 BayBG, Art. 5 Abs. 3 BayBG.
667
Art. 88 Abs. 4 BayBG.
668
Vgl. Art. 89 Abs. 1 BayBG, Art. 4 BayBG, Art. 5 Abs. 3 BayBG.
669
Vgl. Art. 12 Abs. 5 der Urlaubsverordnung.
670
Es gelten hier die Bestimmungen des § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX.
266 Jörg Ottenschläger

Anteil hinaus gearbeitet, die zu viel geleistete AZ wird in einer sich anschließen-
den Freistellungsphase ausgeglichen.671
Die Untersuchung zielte auf den Tätigkeitsbereich des PVD ab. Deshalb wurden
als Beschäftigte ausschließlich Beamte betrachtet, Tarifbeschäftigte im Polizei-
dienst wurden im Rahmen der Untersuchung nicht in die Betrachtung mit einbe-
zogen. Unter dem Begriff der behördlichen Rahmenbedingungen wurden in der
Arbeit schwerpunktmäßig die Bereiche der Arbeitszeitgestaltung sowie die Bedin-
gungen der jeweiligen polizeilichen Tätigkeitsfelder betrachtet.
Motivation im Kontext der vorliegenden Untersuchung bezieht sich zunächst auf
die allgemeinen Beweggründe für die Ausübung einer Teilzeitarbeit. Hier wurde
demnach die Ursache, das Motiv für die Ausübung der TZB beleuchtet. Im Wei-
teren zielte der Motivationsbegriff auf die Gründe ab, warum die Beamten genau
den ausgeübten AZ-Anteil auswählen. Dies wurde insbesondere im Kontext der
behördlichen Rahmenbedingungen als mögliche Ursache beleuchtet. Als hypothe-
tischer Umkehrschluss wurde hier zudem betrachtet, ob die TZ-Beschäftigen mög-
licherweise einen höheren AZ-Anteil wählen würden, wenn die behördlichen Rah-
menbedingungen verändert wären. Hier wurden auch die Erkenntnisse zu einer
intrinsischen oder extrinsischen Motivlage der TZ-Beschäftigten in die Bewertung
mit einbezogen. Weiter diente der Motivationsbegriff für die Beschreibung der
allgemeinen Arbeitsmotivation der TZ-Beschäftigten, demnach der Frage, wie
motiviert die Beamten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sind und welche Zusam-
menhänge hierzu bestehen. Hierzu wurde die Befundsituation über die Hilfsgrö-
ßen der subjektiven Einschätzung nicht nur in Bezug auf die Frage nach der ge-
fühlten Arbeitsmotivation, sondern auch über die Abfrage der selbst empfundenen
Verbundenheit/Identifikation mit dem Polizeiberuf, des empfundenen Karriere-
verlaufs sowie der verspürten Wertschätzung im Kollegen- und Vorgesetztenkreis
erhoben.

2.2 Untersuchungsrelevanter Forschungsstand


Die Forschung hinsichtlich von Teilzeitarbeit kann auf dem Arbeitsmarkt allge-
mein als umfassend und fortwährend bezeichnet werden. Nachfolgend dargestellte

671
Vgl. Art. 91 Abs. 1– 4 BayBG.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 267

Erkenntnisse wurden ausgewählt, da sie i. S. der Untersuchung als relevant erach-


tet wurden.
Im Jahr 2008 kam ein Arbeitspapier des Forschungszentrums für familienbe-
wusste Arbeitspolitik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der
Steinbeis-Hochschule Berlin zu dem Ergebnis, „dass die Analyse betriebswirt-
schaftlicher Ziele und Effekte einer familienbewussten Personalpolitik vor dem
Hintergrund eines nicht zuletzt demografiebedingten Bedeutungszuwachses der
betrieblichen Familienpolitik ein zentrales Forschungsdesiderat darstellt.“ 672
Fast ein Jahrzehnt später wies im Jahr 2017 die Forschungseinrichtung der Bun-
desagentur für Arbeit (IAB) auf Studienergebnisse hin, wonach die Arbeitszeitfle-
xibilität in Deutschland überwiegend arbeitgeberorientiert ist und dies, obwohl
Beschäftigte ihre AZ durch bestimmte Arrangements flexibilisieren und dadurch
Arbeitnehmer und Arbeitgeber profitieren könnten. Auch hier wurde prognosti-
ziert, dass arbeitnehmerfreundliche Arbeitszeitarrangements aufgrund von demo-
graphischen Veränderungen und einem möglichen Fachkräftemangel zukünftig an
Bedeutung gewinnen werden.673 Länderübergreifend untersuchten beispielsweise
auch Buschhoff und Rückert im Jahr 1998 die TZB in Europa in Bezug auf Ar-
beitsbedingungen, Familienkontext, Motive und subjektive Bewertungen. Ein
zentrales Ergebnis der Untersuchung war, dass zwischen der objektiven Situation
von TZ-Beschäftigten, der subjektiven Wertung sowie der Teilzeitquote (TZQ)
eines Landes klare Zusammenhänge bestehen. Dort, wo die TZ-Beschäftigten ver-
gleichsweise positive Bedingungen vorfanden, waren auch die TZ-Anteile hoch.
Dies traf vor allem in den Niederlanden und Dänemark zu. 674

2.3 Umfang von Teilzeitarbeit


Nach einer internationalen Erhebung der „Organisation for Economic Co-opera-
tion and Development“ (OECD) aus dem Jahr 2017 liegt Deutschland, gemessen
am Anteil aller Erwerbstätigen, mit einer Teilzeitbeschäftigungsquote von 22,2 %
im oberen Drittel. Führende Nation ist hier die Niederlande mit 37,4 %, das

672
Vgl. Schneider et al. 2008, S. 5.
673
Vgl. Zapf/Weber 2017, S. 4.
674
Vgl. Buschoff/Rückert 2015, S. 3.
268 Jörg Ottenschläger

Schlusslicht bildet Bulgarien mit 1,7 %. Sowohl im Vergleich zu den sieben füh-
renden Industrieländern (G7-Staaten)675 mit zusammen 17,5 % als auch im Ver-
gleich zur EU insgesamt (16,9 %) sind demnach in Deutschland (22,2 %) über-
durchschnittlich viele Personen in einer TZB. Dabei ist jedoch zu beachten, dass
diese Erhebung auf der international häufig verwendete Definition: „Part-time
employment is defined as people in employment […] who usually work less than
30 hours per week in their main job.“676 basiert. Da bei nationalen Erhebungen
hingegen oft die Definition des Statistischen Bundesamtes (siehe Ziffer 1.2) Ver-
wendung findet, erklärt dies bei der Betrachtung von nationalen und internationa-
len Erhebungen im Vergleich die teilweise stark abweichenden TZQ.
Nach gesamteuropäischen Untersuchungsergebnissen aus dem Jahr 2011 in Bezug
auf die Teilzeitbeschäftigungsquoten bei allen Erwerbstätigen lag Deutschland im
Bezugsjahr 2010 mit 26 % auf Platz sieben und damit im oberen Bereich. Platz
eins belegte die Niederlande (49 %), gefolgt von der Schweiz (35 %) und Norwe-
gen (28 %). Im Jahr 2000 lag demnach der Anteil in Deutschland noch bei 19 %.
Im Vergleich der zehn Länder mit den höchsten Anteilen an TZ-Beschäftigen stieg
in den Jahren 2000 bis 2010 der TZ-Anteil damit in Deutschland um 7 % an. Ähn-
lich hohe Steigerungsraten waren nur in den Niederlanden (von 41 auf 49 %) und
Österreich (von 17 auf 25 %) mit jeweils 8 % zu verzeichnen. 677
Nach Veröffentlichungen des Bundesamtes für Statistik waren im Jahr 2016 in der
Bundesrepublik Deutschland rund 4,8 Millionen Erwerbstätige teilzeitbeschäftigt.
Im Jahr 2000 war dieser Anteil noch bei 3,9 Millionen gelegen. Gemessen an der
Gesamtzahl der Erwerbstätigen in Höhe von 37,1 Millionen lag die TZQ im Jahr
2016 damit bei 12,94 %. Geschlechterspezifisch waren von den TZ-Beschäftigten
4,1 Millionen Frauen (85,4 %) und 0,7 Millionen Männer (14,6 %). 678
Bundesweit waren im Jahr 2016 im öffentlichen Dienst rund 4,69 Millionen Per-
sonen beschäftigt, rund 1,5 Millionen davon arbeiteten in TZ. Dies entspricht einer
TZQ von rund 32 %.679 Ähnliche Quoten finden sich auch im Öffentl. Dienst der

675
Die Gruppe der G 7 umfasst die Länder Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada,
Großbritannien, USA.
676
Vgl. https://data.oecd.org/emp/part-time-employment-rate.htm.
677
Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/204036/umfrage/teilzeitbeschaeftigung-
in-europa/.
678
Vgl. Statistisches Bundesamt 2017, S. 358.
679
Vgl. Statistisches Bundesamt 2017, S. 365.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 269

Länder. Damit ist im Vergleich zu allen Erwerbstätigen die TZQ im Öffentl.


Dienst in Deutschland deutlich höher als in der gesamtgesellschaftlichen Betrach-
tung.
Um trotz der Länderzuständigkeit bundesweit einen Eindruck vom Teilzeitumfang
im PVD gewinnen zu können, wurden durch den Verfasser bundesweit unter-
schiedliche Polizeibehörden im Hinblick auf die TZQ angeschrieben. Einige Stel-
len aus Baden-Württemberg, Bayern und Hessen waren in der Folge zu Auskünf-
ten dahingehend bereit.680 Demnach beschäftigte Baden-Württemberg insgesamt
24.433 PVB, 2.378 davon arbeiteten in TZ. Dies entsprach einer TZQ von 9,7
%.681 Hessen beschäftigte insgesamt 12.708 PVB in Vollzeit und 1.146 in TZ. 682
Die daraus errechnete TZQ im PVD in Hessen entsprach damit 8,27 %. In Bayern
arbeiteten insgesamt 30.980 PVB, davon 2.957 in einer TZB. Die TZQ hier betrug
9,57 %.683 Auch bezogen auf einzelne Präsidien in Bayern und Baden-Württem-
berg zeigten sich nach den Auskünften ähnliche TZQ. Zusammenfassend war fest-
zustellen, dass die TZQ im PVD mit Werten um 10 % deutlich unterhalb der ge-
samtgesellschaftlichen TZQ und insbesondere unterhalb der TZQ des öffentlichen
Dienstes allgemein lagen. Über die Polizeibehörden hinweg zeigte sich jedoch ein
homogenes Bild hinsichtlich des TZ-Umfangs im PVD.

2.4 Motive für Teilzeitarbeit


Nach wie vor ist die TZB eine Domäne der Frauen, klassischerweise aus familiä-
ren Gründen oder aus Gründen der Kinderbetreuung. Die Gründe für Teilzeitarbeit
sind aber durchaus vielfältiger. Wie die Forschungseinrichtung der Bundesagentur
für Arbeit im Jahr 2015 auf der Grundlage der Daten des Mikrozensus errechnete,
differieren die vorrangigen Gründe für die Teilzeitarbeit in Deutschland ge-
schlechterspezifisch erheblich. Demnach sind die Hauptgründe für eine TZB bei
den Männern eine nicht zur Verfügung stehende andere Arbeit (26,8 %) oder ein

680
In allen Antworten blieben Polizeibeamte in Ausbildung unberücksichtigt.
681
Die Zahlen gehen aus der Antwort-E-Mail des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung
und Migration Baden-Württemberg vom 24.05.2018 hervor.
682
Die Zahlen gehen aus der Antwort-E-Mail des Hessischen Ministeriums des Innern und für
Sport vom 22.06.2018 hervor. Der Stand der Daten ist mit 01.09.2017 datiert.
683
Die Zahlen gehen aus der Antwort-E-Mail des Bayerischen Ministeriums des Innern und
für Integration vom 23.05.2018 hervor.
270 Jörg Ottenschläger

paralleles Studium bzw. eine parallele Ausbildung (26,4 %). Erst mit Abstand fol-
gen die Gründe Krankheit/Unfallfolgen (7,1 %) oder persönliche/familiäre Ver-
pflichtungen (4,1 %). Die Kinderbetreuung/Pflege von Angehörigen ist bei den
Männern (2,7 %) nach wie vor sehr unterdurchschnittlich verbreitet, was wieder-
rum bei den Frauen (25,5 %) ein dominierendes Motiv ist. Nur der Grund „anderer
privater/familiärer Verpflichtungen“ erreicht (25,7 %) bei den Frauen einen noch
höheren Wert. Keine Vollzeitstelle finden 14,7 % der Frauen, parallel in Ausbil-
dung/Studium befinden sich 6,3 %. Die Gründe Krankheit/Unfallfolgen sind bei
den Frauen mit 2,3 % angegeben. Bei immerhin noch 21 % aller Befragten ist eine
Vollzeittätigkeit aus sonstigem Grund nicht gewünscht. In dieser Kategorie gehen
die Nennungen der Frauen (20,6 %) und die der Männer (21,4 %) nicht weit aus-
einander.684

3 Forschungsleitende Fragestellungen

Das Thema Teilzeit findet nach wie vor auch große gesamtgesellschaftliche Be-
achtung im Zusammenhang mit Studien, Untersuchungen, Umfragen oder Veröf-
fentlichungen. Auch daraus resultieren immer wieder neue Ansatzmöglichkeiten
zur Verbesserung der Rahmenbedingungen. So finden sich auch in den Polizei-
dienststellen zwischenzeitlich zahlreiche Angebote zur Verbesserung der Situa-
tion von TZ-Beschäftigten. An dieser Schnittstelle der bereits umgesetzten und
möglicherweise noch erforderlichen Maßnahmen setzte das Erkenntnisinteresse
der vorliegenden Untersuchung an. Die theoretischen Erkenntnisse sowie die Ziele
der Untersuchung bildeten die Basis für die weitergehenden Überlegungen zur
Entwicklung der forschungsleitenden Fragestellungen. Um damit zielgerichtet die
Auswirkungen von behördlichen Rahmenbedingungen auf die Motivation von
TZ-Beschäftigten im PVD untersuchen zu können, wurden die nachfolgenden vier
Hauptfragestellungen (F 1 – F 4) als elementar erachtet. Die Bezeichnung von
etwaigen Unterfragestellungen erfolgte jeweils alphabetisch.
F 1: Welche Motive liegen einer Teilzeitbeschäftigung im Polizeivollzugsdienst
zu Grunde?

684
Vgl. Wanger 2015, S. 3 f.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 271

F 1A: Welche dieser Gründe sind entscheidend für die Wahl des Teilzeitanteils?
F 2: Sind und gegebenenfalls in welchem Umfang sind Beamtinnen und Beamte
in Teilzeit grundsätzlich an einer Erhöhung ihrer Arbeitszeitanteile interessiert,
wenn für sie besser in Einklang zu bringende Rahmenbedingungen geschaffen
werden?
F 2A: Wie müssten gegebenenfalls die Rahmenbedingungen bezogen auf die indi-
viduelle Dienstverrichtung verändert werden?
F 2B: Inwieweit wären die Beschäftigten auch zu örtlichen Veränderungen oder
zu Veränderungen im Tätigkeitsspektrum bereit?
F 3: Wie empfinden Teilzeitbeschäftigte die ihnen entgegengebrachte Wertschät-
zung und hat diese Auswirkung auf die Motivation im Allgemeinen und bezogen
auf den gewählten Arbeitszeitanteil?
F 4: Sind allgemein Beratungsmöglichkeiten im Vollzugsdienst der Polizei bezo-
gen auf Teilzeitbeschäftigung vorhanden und sind diese den Beschäftigten auch
bekannt?

4 Methodik

4.1 Untersuchungsform und Stichprobe


Im Hinblick auf das Forschungsinteresse erschien es zielführend, systematisch und
zielgerichtet Erkenntnisse zu zahlenmäßigen Ausprägungen zu erlangen und diese
weiterführend, u. a. auf mögliche statistische Zusammenhänge abzugleichen.
Hierzu war es wesentlich, möglichst objektive Messwerte bei möglichst exakt
gleichen Voraussetzungen zu erheben. Hierzu schien eine standardisierte schrift-
liche Befragung geeignet. Diese sollte dabei durch jeden Teilnehmer einzeln und
in seiner Durchführungsform internetgestützt erfolgen. 685
Teilerhebungen stellen im Rahmen der empirischen Sozialforschung durchaus die
Regel dar.686 Diese Überlegungen wurden bereits zu Beginn der Untersuchung mit

685
Vgl. Raithel 2008, S. 65 ff.; Schnell et al. 1995, S. 11.
686
Vgl. Schnell et al. 1995, S. 255.
272 Jörg Ottenschläger

einbezogen und deshalb auf die empirische Untersuchung am Beispiel des PP MFr
begrenzt. Für die Befragung wurden alle TZ-Beschäftigten (Stichtag 01.01.2018)
beim PP MFr als potenzielle Teilnehmer ausgewählt. Dabei handelte es sich um
396 Personen, 303 Frauen (76,5 %) und 93 Männer (23,5 %). Die TZQ beim PP
MFr betrug zum Untersuchungszeitpunkt 9,48 %.

4.2 Gestaltung des Fragebogens


Der eigens für die Befragung konzipiert Fragebogen umfasste insgesamt 27 Fra-
gen. Bei der Aufteilung wurde dabei darauf geachtet, dass Fragen, die denselben
Aspekt des Themas behandeln, nacheinander abgefragt werden. Deshalb wurden
die Fragen zunächst auf die nachfolgenden vier Module aufgeteilt.687

Modul Fragen Themenbereich

1 1–10 Angaben zur Teilzeitbeschäftigung

2 11–19 Motivation und empfundene Wertschätzung

3 20–22 Beratungs- und Informationsmöglichkeiten

4 23–27 Allgemeine Angaben zur Person

Tabelle 1: Übersicht der Themenbereiche im Fragebogen/Modulaufteilung

Die Fragen 1–10 (Modul 1) zielten dabei auf die allgemeinen Angaben zur jewei-
ligen TZB ab. Hier wurde der individuelle TZ-Anteil, die Arbeitszeitgestaltung,
das Verwendungsfeld sowie Gründe zur Teilzeitarbeit abgefragt. Weiterhin um-
fasste dieses Modul das Thema Überstunden sowie die bisherige Dauer der jewei-
ligen TZB. Zum Ende dieses Themenblockes folgte die Meinungsabfrage zu be-
stimmten Hilfsangeboten sowie eine hypothetische Frage hinsichtlich einer mög-
lichen AZ-Erhöhung.

687
Vgl. Raithel 2008, S. 75; Schnell et al. 1995, S. 320 ff.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 273

Die Fragen 11–19 (Modul 2) bezogen sich auf Vergleiche der TZB zur vorherigen
Vollzeitbeschäftigung, berufliche Belange wie beispielsweise der bisherige Karri-
ereverlauf sowie der empfundenen Wertschätzung von Kollegen und Vorgesetz-
ten. Zum Abschluss dieses Bereiches wurde die empfundene Vereinbarkeit von
Familie/Freizeit zum Beruf sowie die eigene Arbeitsmotivation und Verbunden-
heit/Identifikation mit dem Polizeiberuf erfragt. Die Überschrift „Motivation und
empfundene Wertschätzung“ für das Modul 2 wurde dabei als „Zusammenfas-
sung“ für dieses Modul im Hinblick auf die Untersuchungsfragestellung F3 ge-
wählt.
Die Fragen 20–22 (Modul 3) umfasste die Bereiche der Kenntnis und Nutzung von
Informations- und Beratungsangebote sowie einer Einschätzung über die ausrei-
chende Anzahl dieser Angebote. Dieses Modul wurde bewusst auch im Hinblick
auf die Untersuchungsfragestellung F4 so gewählt.
Die Fragen 23–27 (Modul 4) umfasste die Angaben zur Person nach Geschlecht,
Alter, Fragen zu Kindern sowie die zeitliche Zugehörigkeit zum Polizeiberuf.
Beim Layout und Format wurde insbesondere darauf geachtet, dass die Führung
durch den Onlinefragebogen einfach und selbsterklärend war. 688 Der Befragung
vorangestellt wurde ein Anschreiben an die Teilnehmer. Hier wurden sie über das
Thema informiert und kurz die Untersuchungszielrichtung dargestellt. Besonderen
Wert wurde dabei auf die Erklärung des Verfahrensablaufes im Hinblick auf die
Gewährleistung der Anonymität gelegt. Dadurch sollte zum einen den Teilneh-
mern die Sorge genommen werden, dass etwaige kritische Antworten zu ihnen
zurückverfolgt werden könnten und zum anderen erreicht werden, dass eine mög-
lichst offene Rückmeldung im Sinne der Forschung erfolgt. 689 Weiterhin wurde
auf die voraussichtliche Dauer der Befragung von etwa zehn Minuten hingewie-
sen. Der internetgestützte Fragebogen wurde so konzipiert, dass nach der Beant-
wortung der letzten Frage ein Dank für die Teilnahme erfolgte. 690
Bei der Gestaltung der Fragen und Antworten wurde auf einfache, verständliche
und kurze Formulierungen geachtet.691 Um ein tendenzielles Antwortverhalten der

688
Vgl. Porst 2014, S. 169; Raithel 2008, S. 77.
689
Vgl. Porst 2014, S. 47; Raithel 2008, S. 77 ff.
690
Vgl. Raithel 2008, S. 77.
691
Vgl. Porst 2014, S. 99 ff.; Raithel 2008, S. 73; Schnell et al. 1995, S. 312 ff.
274 Jörg Ottenschläger

Teilnehmer zu verhindern, wurde z. B. bei Frage 9 die positivste Ausprägung


links, bei den Fragen im Modul 2 rechts dargestellt.692 Erklärungen oder Beispiele
zu einzelnen Fragen und Antworten wurden kursiv hervorgehoben, so dass jeder
Teilnehmer den Unterschied zur eigentlichen Fragestellung deutlich erkennen
konnte.693 Mit Blick auf das Forschungsinteresse kamen Einstellungs- und Mei-
nungsfragen zum Einsatz. Diese waren insbesondere bei der Beurteilung der Wirk-
samkeit von möglichen Hilfsangeboten unter Frage 9 sowie in allen Fragen der
Module 2 und 3 relevant.694 Als Antwortmöglichkeiten wurden überwiegend 5-
stufige Antwortskalen und „ja-nein-Antworten“ konzipiert. Um den Teilnehmern
keinen Antwortzwang zu suggerieren, wurde zusätzlich jeweils die Antwortmög-
lichkeit „weiß nicht“ oder „keine Angabe“ als weitere Option angeboten.695 Die
5-stufigen Antwortskalen bei den Fragen 4, 9 sowie bei allen Fragen im Modul 2
waren als sogenannte Likert-Skalen konzipiert.696Begonnen wurde die Umfrage
bewusst mit der Frage nach dem Umfang der AZ. Diese kurz und verständlich
formulierte Frage sollte die Teilnehmer nicht mit dem Eindruck der Überforderung
konfrontieren und so die Hinführung zum Thema erleichtern. Insgesamt sollte
durch die Abfrage der individuellen Umstände der Teilnehmer in Bezug auf ihre
TZB zu Beginn eine schnelle Identifikation mit der Befragung ermöglicht wer-
den.697 Die weiteren Fragen zu Personeneigenschaften wurden bewusst am Ende
des Fragebogens gesetzt, um die Teilnehmer nicht zu lange im Unklaren über die
eigentlichen Befragungsinhalte zu lassen. 698
Bei der Auswahl der Fragen zu den Eigenschaften der Personen wurde insbeson-
dere darauf geachtet, dass bei der späteren Auswertung und Analyse eine Über-
prüfung auf statistische Zusammenhänge sinnvoll und möglich bleibt. 699 Dabei
wurden allgemeine Angaben wie beispielsweise das Geschlecht mit Nomi-
nalskalen erfragt, Fragen wie z. B. nach Kindern wurden mit der Antwortmöglich-
keit „Ja-Nein“ gestellt. Vorwiegend kamen geschlossene Fragen mit vorgegebe-
nen Antwortoptionen zum Einsatz. Bei den Fragen 2, 3 und 5 handelte es sich um

692
Vgl. Porst 2014, S. 47 ff.; Schnell et al. 2013, S. 132 ff.
693
Vgl. Porst 2014, S. 47.
694
Vgl. Raithel 2008, S. 65, Schnell et al. 1995, S. 303 f.
695
Vgl. Raithel 2008, S. 74 f.
696
Vgl. ebenda, S. 43 f.; Schnell et al. 1995, S. 321 f.
697
Vgl. Porst 2014, S. 139 ff.; Raithel, S. 75 f.
698
Vgl. Schnell et al. 1995, S. 321 f.
699
Vgl. ebenda, S. 305.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 275

halboffene Fragen, da bezogen auf die jeweilige Frage noch zusätzliche freitextli-
che Eintragungen unter „Sonstiges“ möglich waren.700 Im Modul 3 kamen zudem
zwei Filterfragen zum Einsatz. Hier wurden entsprechend der gewählten Antwort
„Ja“ oder „Nein“ noch zusätzliche weitere Informationen erfragt. 701 Die Formu-
lierung von Frage 10 mit der Zielrichtung, „sich bessere Rahmenbedingungen im
Hinblick auf etwaige AZ-Erhöhungen vorzustellen“, hatte einen gewissen hypo-
thetischen Charakter. Auch wenn dies für gewöhnlich bei Befragungen vermieden
werden sollte, wurde hier im Hinblick auf das Forschungsinteresse von diesem
Grundsatz abgewichen.702 Die Einholung dieser Informationen erschien auf an-
dere Weise nicht möglich.

4.3 Durchführung der Befragung


Pretest
Insbesondere im Hinblick auf die Verständlichkeit der Fragen und der Antwortop-
tionen war es besonders wichtig, den Fragebogen als Messinstrument in einem
Vortest auf seine Brauchbarkeit und Gültigkeit zu prüfen. 703 Zudem kam es bei
der internetbasierten Befragungsvariante darauf an, dass die Menüführung über-
sichtlich und einfach gestaltet ist und die Erhebung in technischer Hinsicht fehler-
frei verläuft. Deshalb wurde im Vorfeld der Befragung ein „Test-Link“ mit dem
Zugang zum Fragenbogen erstellt. Dieser Link wurde an 12 Personen versandt.
Diese wurden gebeten, ein besonderes Augenmerk auf die Befragungsdauer, die
Verständlichkeit der Fragen sowie auf sonstige Probleme bei der Beantwortung zu
legen. Dabei wurde darauf geachtet, dass auch Testpersonen den Anforderungen
der Zielgruppe entsprachen.704 Die Testpersonen wurden nach drei unterschiedli-
chen Kriterien ausgewählt. Es sollte die Thematik TZ, die Fachlichkeit aus Sicht
der Polizei sowie die technische Umsetzung in Bezug auf den internetbasierten
Fragebogen beurteilt werden. Deshalb setzten sich die Testpersonen aus Polizei-
beamten und nicht Polizeibeamten sowie Personen in Teilzeit und Personen in
Vollzeit zusammen. Die technische Affinität der Testpersonen war dabei bewusst

700
Vgl. Raithel 2008, S. 68; Schnell et al. 1995, S. 308 ff.
701
Vgl. Raithel 2008, S. 71 f.
702
Vgl. ebenda, S. 74.
703
Vgl. Raithel 2008, S. 63; Schnell et al. 1995, S. 325 f.
704
Vgl. Raithel 2008, S. 63 f.
276 Jörg Ottenschläger

heterogen gewählt. Der „Test-Fragebogen“ wurde insgesamt 36-mal ausgefüllt,


dabei betrug die Beantwortungsdauer im Schnitt etwas über zehn Minuten. Als
unzureichend wurde festgestellt, dass im Modul 1 unter Frage 1 der Eintragungs-
rahmen für die wöchentliche AZ nicht begrenzt war. So wurden im Test Werte
über der wöchentlich möglichen AZ von 40 Stunden eingetragen. Ähnlich verhielt
es sich bei der Frage nach dem Alter im Modul 4. Auch hier konnten unrealistische
Werte eingetragen werden. Diesbezüglich wurde in der Folge der Eintragungsrah-
men bei Frage 1 auf den möglichen Höchstwert (40) und bei Frage 24 auf den
Alterskorridor 18 – 67 begrenzt. Weiterhin gab eine Testperson den Hinweis, dass
bei der Ausübung einer TZB zur Kinderbetreuung in der Regel nicht nur die An-
zahl der Kinder, sondern vielmehr das Alter des jüngsten und somit des betreu-
ungsintensivsten Kindes ausschlaggebend sei. Dies war bei Frage 26 bislang nicht
abgefragt worden. Der Hinweis wurde positiv aufgenommen und in der Folge
wurde ein weiteres Feld zur Eintragung des Alters des jüngsten Kindes eingefügt.
Da die weiteren Rückmeldungen positiv hinsichtlich der abgefragten Kriterien
verliefen, wurde nach den angesprochenen Veränderungen der Link für die „Echt-
befragung“ generiert.

Echterhebung
Zur Gewährleistung der Anonymität wurde der Link zur Befragung zunächst an
die Personalabteilung beim PP MFr übermittelt. Von dort erfolgte der Versand des
Links an die betreffenden 396 TZ-Beschäftigten.

4.4 Prüfung und Aufbereitung der Daten


Die Befragung wurde vom 17.05.2018 bis 14.06.2018 durchgeführt. Die im Rah-
men der Echterhebung generierten Daten flossen direkt in den Server der Hoch-
schule für den öffentlichen Dienst in Bayern ein. Von dort wurden die Daten im
kompatiblen Format überspielt und in das Datenprogramm „SPSS“ übertragen.705
Bei der Prüfung dieser Daten konnte festgestellt werden, dass der Link zum inter-
netbasierten Fragebogen insgesamt 303-mal aufgerufen wurde. Bei der Sichtung
der Daten konnte zudem festgestellt werden, dass hierbei in 59 Fällen keine ver-
wertbaren Eintragungen vorgenommen wurden. Entweder wurde hier der Online-
bogen geöffnet und ohne Eintragung wieder geschlossen oder die Befragung

705
Vgl. Brosius 2008, S. 139 ff.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 277

wurde solange ohne Eintragungen belassen, bis das systembedingte „Time-Out“


eine mögliche Eintragung unterbrach. Nach der Übertragung der erhobenen Daten
in die Datenmatrix des Programms wurde der sogenannte Rohdatensatz zunächst
hinsichtlich möglicher Übertragungsfehler sowie sonstiger systembedingter feh-
lerhaften Eintragungen geprüft.706 Anschließend erfolgte die Sichtung der Häufig-
keitsverteilungen und die Überprüfung im Hinblick auf Plausibilität der gegebe-
nen Antworten. Im Ergebnis flossen 244 Fragebögen in die Auswertung ein. Be-
zogen auf die potenziellen 396 berechtigten Teilnehmer entspricht dies einer Teil-
nahmequote in Höhe von 61,6 %. Die durchschnittliche Befragungsdauer lag bei
11,39 Minuten.

5 Darstellung und Diskussion der Ergebnisse

Zu Beginn einer jeweiligen Fragenauswertung erfolgte zunächst eine deskriptive


Darstellung anhand von Häufigkeiten in Tabellen und Diagrammen. Soweit es
plausibel in Bezug auf die Frage erschien, wurde in der Folge jeweils die Berech-
nung der arithmetischen Mittelwerte ( ) vorgenommen.707 Anhand dessen konn-
ten bei ausgewählten und schlüssigen Fragen- bzw. Antwortkomplexen Verglei-
che vorgenommen werden. Diese wiederrum erlaubten in einigen Fällen mittels
T-Test die statistische Überprüfung auf Signifikanz. Dabei kam überwiegend der
Test für unabhängige Stichproben zum Einsatz. 708 Als weitere Verfahren kamen
in einigen Fällen Kreuztabellen sowie der Chi-Quadrat-Test zum Einsatz.709 Er-
gänzend wurde in einigen ausgewählten Fällen die univariate Varianzanalysen A-
NOVA zur Überprüfung von mehr als zwei unabhängigen Stichproben einge-
setzt.710 Die Überprüfung auf statistische Zusammenhänge erfolgte über die Kor-
relationen nach Pearson. Hierbei wurde zweiseitig auf Signifikanz getestet. Dabei
wurde das allgemein übliche Signifikanzniveau von α ≤ 5% zugrunde gelegt.711

706
Vgl. Brosius 2008, S. 139 ff.; Raithel 2008, S. 91 f.
707
Vgl. Raithel 2008, S. 120 ff.; Rumsey 2015, S. 107 ff.
708
Vgl. Brosius 2008, S. 223 ff.
709
Vgl. Raithel 2008, S. 190 ff.
710
Vgl. Raithel 2008, S. 148 ff.; Brosius 2008, S. 239 ff.
711
Vgl. Brosius 2008, S. 249 ff.; Field 2013, S. 266 ff.
278 Jörg Ottenschläger

5.1 Deskriptive Analyse


Von den 244 Befragungsteilnehmern machten 226 Personen (92,6 %) Angaben
zum Geschlecht. 18 Personen (7,4 %) machten hierzu keine Angaben. Der Frau-
enanteil betrug 84,5 % (n = 191), der Anteil der Männer 15,5 % (n = 35). Der
Anteil von „keinen“ oder „fehlenden Angaben“ zum Geschlecht (n = 18) könnte
die Annahme bestätigen, dass insbesondere der Anonymität eine hohe Relevanz
zukam. Fragen wie beispielsweise die empfundene Wertschätzung der Vorgesetz-
ten, der Karriereverlauf oder die Arbeitsmotivation wurden im Vorfeld als beson-
ders „sensibel“ erachtet, auch aus diesem Grund wurde die Möglichkeit zur Ant-
wort „keine Angabe“ oder „weiß nicht“ geschaffen.
Der Gesamtaltersdurchschnitt lag bei 41,38 Jahre (n = 217), bei den Frauen 40,09
(n = 182) und bei den Männern 48,38 Jahre (n = 34). Die jüngsten Teilnehmer
waren 26 Jahre (n = 2) und die ältesten Teilnehmer 60 Jahre (n = 4). Die nachfol-
gende Übersicht zeigt die Altersgruppen der im Vorfeld erhobenen potenziellen
Teilnehmer aus der Stichprobe im Vergleich zur tatsächlichen Teilnahme in abso-
luten Zahlen und in Prozent.

Altersgruppen Potenzieller Tatsächlicher in %


Rücklauf Rücklauf
bis 30 14 6 42,9 %

31–40 155 107 69,0 %

41–50 167 79 47,3 %

über 50 60 25 41,7 %

Gesamt 396 223

Tabelle 2: Vergleich der Altersverteilung der potenziellen und der tatsächlichen


Befragungsteilnehmer
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 279

Bei der Betrachtung der Tabelle ist festzustellen, dass prozentual die Altersgruppe
„31 – 40 Jahren“ die höchste Teilnahmequote (69 %) verzeichnet, gefolgt von der
Altersgruppe „41–50 Jahre“ (47,3 %). Die Gruppen „bis 30“ und „über 50“ ha-
ben mit 42, 9 % und 41,7 % ähnliche Teilnahmequoten. Damit haben die beiden
Altersgruppen mit den meisten TZ-Beschäftigten auch das prozentual höchste In-
teresse an der Umfrageteilnahme gezeigt.

Polizeidienstzugehörigkeit und Dauer der Teilzeitbeschäftigung


Im Durchschnitt waren die Befragungsteilnehmer 22,1 Jahre (n = 217) im Polizei-
dienst tätig. Geschlechterspezifisch waren die Frauen (n = 190) durchschnittlich
20,72 Jahre und die Männer (n = 35) 29,2 Jahre bei der Polizei. Von dieser Ge-
samtzeit arbeiteten sie zusammen durchschnittlich 6,83 Jahre (n = 233) in TZ. Bei
den Frauen (n = 185) entsprach dies 7,12 Jahre und bei den Männern (n = 35) 4,48
Jahre. Gemessen an der durchschnittlichen polizeidienstlichen Verwendung und
der durchschnittlichen TZ-Dauer bedeutet dies, dass eine weibliche PVB in TZ
etwa ein Drittel (32,97 %) ihrer Dienstzeit in TZ-Beschäftigung verbringt. Bei den
männlichen PVB in TZ entspricht dies nur etwa einem Siebtel (15,34 %).

5.2 Arbeitszeitgestaltung und Tätigkeitsfeld


Arbeitszeitgestaltung
Befragt nach der Gestaltung der gewöhnlichen AZ wurde mit 48,4 % (n = 118) am
häufigsten das Arbeitsmodell „Tagesdienst mit Gleitzeit“ angegeben. Erst mit Ab-
stand folgen die anderen Arbeitsvarianten „Schichtdienst starres Modell“ mit 22
% (n = 54) und „Schichtdienst flexibel gestaltbar“ mit 12 % (n = 30). Am wenigs-
ten praktiziert wurde die Variante „wechselnde Dienste fest vorgegeben“ (n = 1).
Besonders bemerkenswert erschien die Tatsache, dass die TZ-Beschäftigten häu-
figer in einem starren Schichtmodell statt in einem flexiblen Schichtmodell arbei-
teten. Bei vier Angaben unter der Kategorie „Sonstige“ handelte es sich um kom-
binierte Arbeitszeitgestaltungen wie z. B. den Beginn der Arbeit zur Tagesdienst-
zeit und einem der Schichtzeiten angelehntem Dienstende. Eine gänzlich andere
Arbeitszeitvariante wurde jedoch nicht genannt.
280 Jörg Ottenschläger

Regelmäßige Arbeitszeitgestaltung
(n = 244)
2%
7% 1% Tagesdienst mit Gleitzeit; (n = 118)
Tagesdienst mit festen Zeiten; (n = 12)
Komb. Heimarbeit und and.
Arbeitsgestaltung; (n = 7)
48 % Schichtdienst flex. gestaltbar; (n = 30)
22 %
Schichtdienst starres Modell (fester
Rhythmus); (n = 54)
Wechselnde Dienste frei einteilbar
(bedarfsorientiert); (n = 18)
Wechsel. Dienste fest vorgegeben
12 % (bedarfsorientiert); (n = 1)
Sonstige; (n = 4)
3% 5%

Abbildung 1: Grafische Darstellung über die Häufigkeitsverteilung bei der Arbeitszeitgestaltung

Tätigkeitsfeld
Bezogen auf die Verwendung im PVD gaben die TZ-Beschäftigten mit 59 % am
häufigsten eine schutzpolizeiliche Verwendung (n = 144) an. Davon arbeiteten 39
% (n = 94) im uniformierten schutzpolizeilichen Dienst und 20 % in sonstigen
schutzpolizeilichen Tätigkeiten (n = 50). Das weitere Haupttätigkeitsfeld war mit
26 % (n = 63) die Kriminalpolizei. Die wenigsten Nennungen entfielen auf die
Verwendung bei den Einsatzeinheiten mit nur 1 % (n = 3). Bei sieben Angaben
unter der Rubrik „Sonstige“ handelte es sich um Tätigkeiten im administrativen
Bereich, wie insbesondere der Informationstechnik sowie Aufgaben zur Qualitäts-
sicherung.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 281

Tätigkeitsfelder der Teilzeitbeschäftigten


(n = 244)
5% Schutzpolizei uniform. (Wach-
3% /Streifend., Verkehr,
6% Prävention); (n = 94)
Schutzpolizei sonst. (ErmGr.,
1% ZEG, FKG); (n = 50)
Kriminalpolizei; (n = 63)

39 % Einsatzeinheiten (Einsatzzüge,
USK); (n = 3)

26 % Stabsverwendung (ohne EZ);


(n = 15)
Sonderverwend. (PI SE, DHF,
EZ, Personalrat); (n = 12)
20 % Sonstiges Tätigkeitsfeld; (n =
7)

Abbildung 2: Grafische Darstellung über die Häufigkeitsverteilung bei den Tätigkeitsfeldern

Häufigste Kombination aus dem Tätigkeitsfeld und der


Arbeitszeitgestaltung
Gemessen an den Häufigkeitsverteilungen war die meist genannte Arbeitszeitva-
riante der „Tagesdienst mit Gleitzeit“ (n = 118). Die häufigste Verwendungsart
war der „uniformierte schutzpolizeiliche Dienst“ (n = 94). Zur Überprüfung, ob
diese beiden häufigsten Antworten in der polizeilichen Praxis auch die häufigste
Kombination („uniformierte Schutzpolizei*Tagesdienst mit Gleitzeit“) darstellt,
wurde die nachfolgende Kreuztabelle erstellt.
282 Jörg Ottenschläger

Tabelle 3: Kreuztabelle aus Arbeitszeitgestaltung und Tätigkeitsfeld

Aus der Kreuztabelle ist ersichtlich, dass die genannten häufigsten Nennungen
nicht gleichzeitig auch der häufigsten Kombination entsprachen. Demnach war die
häufigste Kombination aus Arbeitszeitgestaltung und Tätigkeitsfeld die „krimi-
nalpolizeiliche Verwendung im Tagesdienst mit Gleitzeit“ (n = 46). Die „sonstige
schutzpolizeiliche Verwendung im Tagesdienst mit Gleitzeit“ (n = 43), die „uni-
formierte schutzpolizeiliche Tätigkeit im starren Schichtmodell“ (n = 39) sowie
die „uniformierte schutzpolizeiliche Tätigkeit im flexiblen Schichtmodell“ (n = 27)
folgten auf den Plätzen zwei bis vier. Ein Chi-Quadrat-Test nach Pearson ergab
zwar höchst signifikante Unterschiede (χ² [42] = 201,15, p < 0,001), aufgrund der
teils sehr niedrigen und unterschiedlichen Zahlenwerte in den Zellen ist dieser sta-
tistische Wert jedoch nur sehr eingeschränkt aussagekräftig.

5.3 Arbeitszeitumfang und Überstunden


Arbeitszeitanteile
Nach den Ergebnissen der Befragung leisteten die TZ-Beschäftigten im PVD (n =
241) im Durchschnitt 25,36 Wochenarbeitsstunden. Dies entsprach einem durch-
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 283

schnittlichen AZ-Anteil von 63,4 %. „Teilzeitbeschäftigte Frauen“ (n = 191) ar-


beiteten durchschnittlich 23,96 Stunden in der Woche und „teilzeitbeschäftigte
Männer“ (n = 35) 32,36 Stunden in der Woche. Die wöchentlichen AZ-Anteile
variierten dabei zwischen 9 und 38 Stunden. Der geschlechterspezifische Unter-
schied bei den wöchentlichen AZ-Anteilen war damit statistisch höchst signifikant
(t [224] = 7,25; p < 0,001). Nach einer Pressemeldung der Forschungseinrichtung
der Bundesagentur für Arbeit (IAB) aus dem Jahr 2017 leisten die TZ-Beschäftig-
ten in der Bundesrepublik Deutschland durchschnittlich rund 16 Stunden in der
Woche.712 Im Vergleich zu diesen Ergebnissen sind die Arbeitsvolumina der teil-
zeitbeschäftigten PVB deutlich höher als in der gesamtgesellschaftlichen Betrach-
tung. Die hohen AZ-Anteile der TZ-Beschäftigten könnte ein Indiz für eine gute
Vereinbarkeit der beruflichen und familiären Situation im PVD sein.

Arbeitszeitanteile in der Elternzeit


22,5 % der befragten TZ-Beschäftigten (n = 55) befanden sich in Elternzeit, bei
77,5 % (n = 189) war dies nicht der Fall. 47 Personen in Elternzeit waren weilblich
(92,16 %) und vier Personen männlich (7,84 %). Geschlechterspezifisch arbeiteten
die „Frauen in Elternzeit“ (n = 47) durchschnittlich wöchentlich 20,81 (≙ AZ-
Anteil von 52,03 %) und die „Männer in Elternzeit“ (n = 4) 24,13 Stunden (≙
AZ-Anteil von 60,33 %). Bei allen in Elternzeit befindlichen TZ-Beschäftigten (n
= 55) betrug die durchschnittliche wöchentliche AZ 21,27 Stunden (≙ AZ-Anteil
von 53,18 %). Dagegen arbeiteten die nicht in Elternzeit befindlichen TZ-Beschäf-
tigten (n = 186) einen durchschnittlichen AZ-Anteil von 26,57 Stunden (≙ AZ-
Anteil von 66,43 %.) Bezogen auf die wöchentliche AZ ist der Unterschied zwi-
schen der Vergleichsgruppe „TZ-Beschäftigten in Elternzeit“ und „TZ-Beschäf-
tigten nicht in Elternzeit“ damit statistisch höchst signifikant (t [239] = 5,18; p <
0,001). Hierfür könnte ein Erklärungsansatz sein, dass in der Elternzeit das Be-
schäftigungsvolumen gesetzlich auf bis zu 30 Wochenarbeitsstunden begrenzt ist.

712
Vgl. https://www.iab.de/de/informationsservice/presse/presseinformationen/az1701.aspx
284 Jörg Ottenschläger

Arbeitszeitanteile bezogen auf die Gründe der


Teilzeitbeschäftigung
Beim Vergleich der Motive arbeiteten die „TZ-Beschäftigten aus Gründen der
Kinderbetreuung“ (n = 204) durchschnittlich 24,33 Stunden (≙ AZ-Anteil von
60,83 %), „TZ-Beschäftigte zur Betreuung von Angehörigen“ (n = 10) durch-
schnittlich 31,80 Stunden (≙ AZ-Anteil von 79,5 %) und die „TZ-Beschäftigen
aus sonstigen Gründen“ (n = 26) durchschnittlich 30,62 Stunden (≙ AZ-Anteil
von 76,55 %) in der Woche. Aus Gründen der Altersteilzeit hatte nur eine Person
einen Stundenansatz von 36 Stunden (≙ AZ-Anteil von 90 %) in der Woche an-
gegeben. Die gewählten AZ-Anteile wurden in Bezug auf die Gründe einer TZB
auf mögliche Korrelationen hin überprüft. Dabei konnte ein durchaus hoher Zu-
sammenhang festgestellt werden (r = 0,311**, p < 0,01). Dies deutet darauf hin,
dass die Wahl des AZ-Anteils mit dem Grund für die TZ-Beschäftigung zusam-
menhängt.

Arbeitszeitanteile und Lebensalter


Die Feststellungen zu den geringeren AZ-Anteilen in der Elternzeit oder aus Grün-
den der Kinderbetreuung wurden zum Anlass genommen, einen möglichen Zu-
sammenhang „AZ-Anteile*Lebensalter“ statistisch zu überprüfen. Dabei konnte
eine hohe Korrelation nachgewiesen werden (r = 0,312**, p < 0,01). Dies deutet
darauf hin, dass der gewählte AZ-Anteil mit dem Lebensalter zusammenhängt.
Insbesondere in der Altersgruppe 31–50 Jahren werden dabei die geringeren AZ-
Anteile gewählt, ab 51 Jahren werden wieder überwiegend höhere AZ-Anteile ge-
arbeitet. Diese Feststellungen decken sich mit den Erkenntnissen zu den geringen
AZ-Anteilen in der Elternzeit und aus Gründen der Kinderbetreuung, da diese TZ-
Beschäftigten überwiegend aus der Altersgruppe 31–50 stammen.

Arbeitszeitanteile bezogen auf die Tätigkeitsfelder


Beim Vergleich „AZ-Anteile*Tätigkeitsfelder“ ergab sich der Höchstwert bei den
„TZ-Beschäftigten in einer Stabsverwendung“ (n = 15) mit durchschnittlich 28,6
Wochenstunden (≙ AZ-Anteil von 71,5 %). Der niedrigste Wert war bei den „TZ-
Beschäftigten in Einsatzeinheiten“ (n = 2) mit 20,5 Wochenstunden (≙ AZ-Anteil
von 51,25 %) zu verzeichnen. Alle anderen Tätigkeitsfelder verzeichneten im
Durchschnitt wöchentliche AZ-Anteile zwischen 24–27 Stunden. Damit deutet
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 285

das Ergebnis des Vergleichs „AZ-Anteile*Tätigkeitsfelder“ nicht darauf hin, dass


die Höhe der wöchentlichen AZ der TZ-Beschäftigten maßgeblich vom Tätig-
keitsfeld abhängig ist. Im Stabsbereich scheinen die TZ-Beschäftigten jedoch gute
Voraussetzungen für einen hohen AZ-Anteil vorzufinden.

Arbeitszeitanteile bezogen auf die Arbeitszeitgestaltung


Beim Vergleich „AZ-Anteile*Arbeitszeitgestaltung“ ergab sich der Höchstwert
von 27,21 Stunden (≙ AZ-Anteil von 68,03 %) bei der „Heimarbeit kombiniert
mit anderem Tätigkeitsfeld“ (n = 7). Ansonsten waren die höheren durchschnittli-
che AZ-Anteile dort festzustellen, wo auch die meisten TZ-Beschäftigen arbeite-
ten. Im „Tagesdienst mit Gleitzeit“ (n = 117) arbeiteten TZ-Beschäftigte durch-
schnittlich 26,25 Wochenstunden (≙ AZ-Anteil von 65,63 %) und im „starren
Schichtmodell“ (n = 53) 25,67 (≙ AZ-Anteil von 64,18 %) Wochenstunden. Die
anderen durchschnittlichen Wochenarbeitszeiten lagen zwischen 22,68 und 25,67
Stunden. Eine univariate Varianzanalyse zum Vergleich aller durchschnittlichen
AZ-Anteile bei den unterschiedlichen Arbeitszeitgestaltungen mittels ANOVA hat
jedoch mit F (6,234) = 1,45; p = 0,197 keine signifikanten Unterschiede zwischen
den Gruppen ergeben. Dies belegt nicht, dass durch gewisse Arbeitszeitgestaltun-
gen höhere oder niedrigere AZ-Anteile gearbeitet werden. Die ausschließliche Be-
trachtung der durchschnittlichen AZ-Anteile könnte jedoch darauf hindeuten, dass
mit der alternierenden Wohnraum-/Telearbeit höhere AZ-Anteile erreicht werden
können. Folglich unterstützt dies die Annahme, dass dort, wo die Möglichkeiten
zu dieser Arbeitszeitgestaltung vorliegen und ermöglicht werden, möglicherweise
auch höhere AZ-Anteile erreicht werden könnten.

Überstundensituation
Bei der Bewertung der Aussage „in meiner Teilzeittätigkeit mache ich regelmä-
ßig Überstunden!“ ergab sich ein sehr differentes Antwortverhalten. Die häufigs-
ten Antworten fanden sich hier bei der Antwortmöglichkeit „teils/teils“ mit 29,5
% (n = 72), gefolgt von „trifft zu“ mit 28,7 % (n = 70). Aber auch bei den Ant-
worten „trifft eher nicht zu“ (n = 34) mit 13,9 % und „trifft nicht zu“ (n = 25) mit
10,2 % waren mehrere Nennungen vorhanden. Komplettiert mit der Antwortkate-
gorie „trifft eher zu“ (n = 43) mit 17,6 % ergab sich bei einer zu Grunde liegenden
beginnenden negativen Antwortausprägung von links „trifft nicht zu (1)“ bis
286 Jörg Ottenschläger

rechts „trifft zu (5)“ ein Mittelwert von = 3,41. Der Medianwert lautete XMed =
3. Die differenten Antworten spiegelten sich auch in der Standardabweichung von
SD = 1,31 wider. Bei einem Test des Mittelwertes ( = 3,41) gegen den Testwert
(3) ergab sich im Ergebnis ein höchst signifikanter Unterschied (t [243] = 4,84; p
< 0,001). Damit lässt das Ergebnis den Rückschluss zu, dass die TZ-Beschäftigten
in Richtung „trifft eher zu“ und demnach zur Zustimmung der Aussage tendierten.

Überstunden bezogen auf die Tätigkeitsfelder


Bei der Betrachtung der verschiedenen Tätigkeitsfelder bezogen auf die Überstun-
densituation ergab sich der höchste Mittelwert bei der „Stabsverwendung“ mit
= 3,60 (n = 15). Der niedrigste Wert war bei den „Sonderverwendungen“ mit =
3,0 (n = 12) festzustellen. Die „uniformierte Schutzpolizei“ mit = 3,57 (n = 94)
sowie die „Kriminalpolizei“ mit = 3,46 (n = 43) lagen ebenfalls bei den höheren
Werten. Eine univariate Varianzanalyse zum Vergleich „Mittelwerte bei der
Überstundensituation*Tätigkeitsfelder“ mittels ANOVA hatte jedoch mit F
(6,237) = 1,03; p = 0,407 keine signifikanten Unterschiede zwischen den Ver-
gleichsgruppen der unterschiedlichen Verwendungen ergeben. Das Ergebnis
konnte nicht belegen, dass in gewissen Tätigkeitsfeldern mehr oder weniger Über-
stunden anfallen.

Überstunden bezogen auf die Arbeitszeitgestaltung


Bei Betrachtung der unterschiedlichen Arbeitszeitgestaltungen bezogen auf die
Angaben zu den Überstunden erreichten die „Schichtmodelle starr“ mit = 3,61
(n = 54) und „Schichtmodell flexibel“ mit = 3,43 (n = 30) die höchsten Werte.
Ebenso erreichte die „Kombination aus Heimarbeit und einer anderen Arbeits-
zeitgestaltung“ = 3,43 (n = 7). Die „Tagesdienstvariante mit Gleitzeit“ (n = 118)
sowie der „Tagesdienst mit festen Zeiten“ (n = 12) erreichten jeweils = 3,33.
Den niedrigsten Wert erzielten „frei einteilbare wechselnde Dienste“ mit = 3,11
(n = 18). Die „wechselnden fest vorgegebenen Dienste“ waren nur mit einer Nen-
nung vertreten, es wurde die Antwort „teils/teils“ genannt ( = 3). Eine univariate
Varianzanalyse zum Vergleich „Mittelwerte bei der Überstundensituation*Ar-
beitszeitgestaltung“ mittels ANOVA ergab mit F (6,236) = 0,627; p = 0,733 keine
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 287

signifikanten Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen „Überstundensitua-


tion*Arbeitszeitgestaltung“. Dies deutete nicht darauf hin, dass durch gewisse Ar-
beitszeitgestaltungen mehr oder weniger Überstunden anfallen.

5.4 Motive für die Teilzeitarbeit und Teilzeitdauer


Die Frage nach Kindern bejahten 210 (86,1 %) der Befragungsteilnehmer. 16 Per-
sonen gaben hierzu „Nein“ an (6,6 %) und 18 Teilnehmer machten keine Angaben
(7,4 %). Bleiben die Antworten „keine Angabe“ unberücksichtigt (n = 226), so
betrug der prozentuale Anteil der Teilnehmer mit Kinder 92,92 %, der ohne Kinder
7,08 %. Die durchschnittliche Anzahl der Kinder (bezogen auf die TZ-Beschäftig-
ten mit Kindern) lag bei = 1,81 (n = 210). Die Angaben zur Anzahl der Kinder
lagen dabei zwischen einem und vier Kinder. Das durchschnittliche Alter des
jüngsten Kindes betrug rechnerisch = 7,53 Jahre (n = 209).
Bei 81,1 % (n = 198) aller Befragungsteilnehmer spielte die Kinderbetreuung bei
der Wahl des AZ-Anteils eine zentrale Rolle, bei 18,9 % (n = 46) war dies nicht
der Fall. Bei der ausschließlichen Betrachtung der Vergleichsgruppe „TZ-Be-
schäftigte*Kinderbetreuung spielt eine zentrale Rolle“ (n = 198) lag der Alters-
durchschnitt des jüngsten Kindes bei = 6,23 Jahren.
Der Beweggrund „Kinderbetreuung“ war mit 84 % (n = 205) deutlich führend. Die
Betreuung von Angehörigen (n = 11) war mit 4,5 % der Antworten angegeben, die
Altersteilzeit war nur einmal genannt (0,4 %). Die „sonstigen Teilzeitgründe“ (n
= 27) machten 11,1 % der Antworten aus. Geschlechterspezifisch ergaben sich
hier deutliche Unterschiede. So arbeiteten 90,01 % der Frauen (n = 172), aber nur
57,14 % der Männer (n = 20) aus Gründen der Kinderbetreuung in TZ. Auf die
Frage, ob die Kinderbetreuung eine zentrale Rolle bei der Wahl des AZ-Anteils
spielt (ja = 1/nein = 2), erreichten die Frauen (n = 191) einen Mittelwert von =
1,13 und die Männer (n = 35) von = 1,46. Dies stellte statistisch einen höchst
signifikanten Unterschied zwischen den Geschlechtern dar (t [224] = -4,816; p <
0,001). Bei der gesamten Vergleichsgruppe der „TZ-Beschäftigten aus Gründen
der Kinderbetreuung“ ließ sich der hohe Zusammenhang von „Kinderbetreu-
ung*AZ-Anteil“ auch statistisch durch die Korrelation nach Pearson auf dem Ni-
veau von 0,01 (2-seitig) signifikant nachweisen (r =0,277**, p < 0,01).
288 Jörg Ottenschläger

Diese Ergebnisse könnten auch einen Erklärungsansatz für die festgestellten AZ-
Anteilen geben. Demnach war die „TZB aus Gründen der Kinderbetreuung“ der
Beweggrund, bei dem die niedrigsten AZ-Anteile gearbeitet werden. Zudem
wurde festgestellt, dass Frauen durchschnittlich niedrigere AZ-Anteile wählen. Da
aus Gründen der Kinderbetreuung sehr häufig die weiblichen PVB in TZ arbeiten,
erscheint dies somit schlüssig.
Auch bei den „TZ-Beschäftigten zur Betreuung von Angehörigen“ ergaben sich
mit 2,09 % bei den Frauen (n = 4) und 14,29 % bei den Männern (n = 5) geschlech-
terspezifische Unterschiede. Bemerkenswert war hierbei, dass häufiger männliche
PVB zur Betreuung von Angehörigen in TZ arbeiteten als weibliche. Aus „Sons-
tigen Teilzeitgründen“ gaben die Frauen (n = 15) mit 7,85 % und die Männer (n =
9) mit 25,71 % als Grund für die TZB an. Auch hier wurden die Unterschiede
zwischen den Geschlechtern deutlich.

Teilzeitdauer bezogen auf das Motiv


Beim Vergleich „Motive einer TZB*Dauer der TZB“ zeigten sich deutliche Un-
terschiede. So waren die Beschäftigten bei der „TZB aus Gründen der Kinderbe-
treuung“ (n = 197) durchschnittlich = 6,54 Jahre, bei der „TZB zur Betreuung
von Angehörigen“ (n = 9) durchschnittlich = 10,61 Jahre und bei den „sonstigen
Teilzeitgründen“ (n = 26) durchschnittlich = 7,81 Jahre in TZ. Bei der Alters-
teilzeit hatte nur eine Person die Dauer angegeben – diese betrug vier Jahre.

Teilzeitdauer bezogen auf Kinder


Die durchschnittliche „Teilzeitdauer der Beschäftigten mit Kindern“ (n = 203)
betrug 6,69 Jahre, die „Teilzeitdauer der Beschäftigten ohne Kinder“ (n = 16) be-
trug 6,61 Jahre. Bezogen auf die Teilzeitdauer war der Unterschied zwischen den
Vergleichsgruppen „Teilzeitdauer der Beschäftigten mit und ohne Kinder“ damit
statistisch nicht signifikant (t [271] = 0,070; p = 0,087). Dies erscheint aufgrund
der unterschiedlichen zahlenmäßigen Ausprägung bei den Vergleichsgruppen ei-
nerseits besonders bemerkenswert, gleichzeitig ist die entsprechend einge-
schränkte Aussagekraft zu berücksichtigen. Das vorliegende Ergebnis deutete zu-
mindest darauf hin, dass die Teilzeitdauer der PVB in TZ nicht davon abhängig
ist, ob die Beamten Kinder haben oder nicht.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 289

Bei der Teilzeitdauer der Beschäftigten mit Kindern gab es deutliche Unterschiede
nach der Anzahl der Kinder. Beamte mit einem Kind (n = 67) arbeiteten durch-
schnittlich 4,4 Jahre, mit zwei Kindern (n = 109) 8,0 Jahre, mit drei Kindern (n =
24) 6,76 Jahre und mit vier Kindern (n = 3) 9,67 Jahre in TZ. Auffällig bei der
Betrachtung der Ergebnisse war, dass Beschäftigte mit drei Kindern demnach kür-
zer in TZ arbeiteten als diejenigen mit zwei Kindern. Das Ergebnis wurde auf
mögliche Korrelationen hin überprüft. Dabei konnte zwischen der „Anzahl der
Kinder“ und „Teilzeitdauer“ ein durchaus hoher Zusammenhang festgestellt wer-
den (r = 0,261**, p < 0,01). Dies deutet darauf hin, dass grundsätzlich ein hoher
Zusammenhang zwischen der Anzahl der Kinder und der Teilzeitdauer besteht.
Die hier vorliegende Abweichung bei den TZ-Beschäftigten mit drei Kindern (
= 6,76) könnte eventuell den geringen Antwortzahlen geschuldet sein. Möglich-
erweise würde sich das Ergebnis bei einer größeren Stichprobe nivellieren.

Teilzeitdauer bezogen auf Tagesdienst/Schichtdienst


Beim Vergleich der „Teilzeitdauer*Tagesdienst mit Gleitzeit versus starres
Schichtmodell)“ fiel auf, dass im „Tagesdienst mit Gleitzeit“ (n = 112) die TZ-
Beschäftigten durchschnittlich = 7,9 Jahre, im „starren Schichtmodell“ (n = 51)
jedoch nur durchschnittlich = 6,1 Jahre in TZ verbleiben. Dies stellte einen sta-
tistisch signifikanten Unterschied dar (t [161] = 2,138; p < 0,05). Dabei betrug das
durchschnittliche „Lebensalter der TZ-Beschäftigten im Tagesdienst mit Gleitzeit“
(n = 101) = 42,88 Jahre, das „Lebensalter der Schichtdienstleistenden im starren
Modell“ (n = 48) = 40,9 Jahre. Dies stellt keinen statistisch signifikanten Unter-
schied dar (t [147] = 1,640; p = 0,103). Auch die „Polizeidienstzugehörigkeit im
Tagesdienst mit Gleitzeit“ mit durchschnittlich = 23,66 Jahre (n = 108) und die
„Polizeidienstzugehörigkeit im starren Schichtmodell“ mit = 21,58 Jahren (n =
52) wichen im Vergleich nicht signifikant voneinander ab (t [158] = 1,837; p =
0,068). Dies deutet darauf hin, dass die Beschäftigten im Tagesdienst mit Gleitzeit
zwar länger in einer TZB sind, signifikante Altersunterschiede oder signifikante
Unterschiede in den Dienstjahren sind jedoch nicht festzustellen. Die Überlegung,
wonach möglicherweise die jüngeren TZ-Beschäftigten eher Schichtdienst leisten
und später länger im Tagesdienst verweilen, konnte somit statistisch nicht verifi-
ziert werden. Ein Indiz für eine möglicherweise gute Vereinbarkeit des „Tages-
dienstes mit Gleitzeit“ und einer TZB im PVD wurde bereits bei den dargestellten
290 Jörg Ottenschläger

Arbeitszeitvarianten festgestellt. Die Feststellungen zu einer längeren TZB im


„Tagesdienst mit Gleitzeit“ scheint dies zudem zu bekräftigen.

5.5 Hilfestellungen und etwaige Arbeitszeiterhöhungen


Im Rahmen der Befragung wurden den Teilnehmern acht mögliche
Hilfestellungen aufgezeigt. Hierzu wurde die Einschätzung der TZ-Beschäftigten
zur Wirksamkeit des jeweiligen Angebotes auf einer 5-stufigen Skala von
„1=würde mir sehr gut helfen“ bis „5=würde mir überhaupt nicht helfen“ erfragt.
Die Bewertungen sind nachfolgend in der Übersicht als Vergleich dargestellt.

Vergleich der Mittelwerte bei möglichen


Hilfestellungen

Flexible Arbeitszeitgestaltung (n=209);


2.31
(SD=1,514)
Andere Verwend. in der Dst. (n=206);
4.16
SD=1,251)
Wohnortverwend. temporär (n=202);
4.07
(SD=1,312)
Wohnortverwend. dauerhaft (n=204);
3.58
(SD=1,609)
Kinderbetreuung LG u.a. (n=220);
3.29
(SD=1,482)

Kinderbetreuung Ferien (n=220); (SD=1,550) 3.15

Eltern-Kind-Büro (n=219); (SD=1,489) 3.62

Bessere Kinderbetreuung (n=217);


3.37
(SD=1,412)

1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5

Skalierung: (1=würde mir sehr gut helfen, 2=würde mir gut helfen, 3=würde mir zum
Teil helfen, 4=würde mir eher nicht helfen, 5=würde mir überhaupt nicht helfen)

Abbildung 3: Grafische Darstellung der Mittelwerte möglicher Hilfestellungen


Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 291

Die höchste Zustimmung bezogen auf alle zur Auswahl gestellten Hilfestellungen
wurde bei der „flexiblen Arbeitsgestaltung“ mit = 2,31 (n = 209) festgestellt.
„Andere Verwendungen innerhalb der eigenen Dienstelle“ oder „eine temporäre
Verwendung in einer wohnortnäheren Dienstelle für die Dauer der Teilzeit“ stie-
ßen mit = 4,16 (n = 206) und = 4,07 (n = 202) mehrheitlich auf Ablehnung.
Auch eine „dauerhafte wohnortnahe Verwendung“ der TZ-Beschäftigen fand mit
= 3,58 (n = 204) keinen mehrheitlich positiven Zuspruch. Ähnlich verhielt es
sich mit der Einrichtung von sogenannten „Eltern-Kind-Büros“ mit = 3,62 (n =
217). Da die zur Auswahl gestellten möglichen Hilfen mehrheitlich auf die TZ-
Beschäftigten mit Kindern abzielten, wurde ein expliziter Vergleich für die „TZ-
Beschäftigten aus Gründen der Kinderbetreuung“ durchgeführt. Bezogen auf
diese Gruppe zeigten sich tendenziell ähnliche, insgesamt leicht positivere Werte.
Die „flexible Arbeitsgestaltung“ (n = 175) erzielte auch hier mit = 2,25 die
höchste Zustimmung. Eine „andere Verwendung in der eigenen Dienstelle“
wurde auch hier mit = 4,07 (n = 174) am kritischsten gesehen. Auch eher negativ
wurden die „wohnortnäheren Verwendungen“ mit = 3,49 (dauerhaft, n = 174)
und = 3,99 (temporär, n = 171) angegeben. Ebenso wurde das Angebot eines
„Eltern-Kind-Büros“ in dieser Vergleichsgruppe mit = 3,51 (n = 190) mehrheit-
lich negativ gesehen. Von den angebotenen Hilfestellungen wurde damit im Er-
gebnis einzig die „flexible Arbeitszeitgestaltung“ positiv bewertet. Alle anderen
möglichen Hilfen stießen sowohl bei den TZ-Beschäftigten insgesamt als auch bei
der Vergleichsgruppe der „TZ-Beschäftigten aus Gründen der Kinderbetreuung“
mehrheitlich auf Ablehnung.
Nach einer gesamtgesellschaftlichen Untersuchung der Forschungseinrichtung der
Bundesagentur für Arbeit (IAB) aus dem Jahr 2011 würde eine bessere Betreuung
der Krippen- und Schulkinder, familienfreundliche Arbeitsmodelle sowie eine
ausgewogene Arbeitsteilung in den Familien helfen. 713 Nach den vorliegenden Er-
gebnissen und bezogen auf die teilzeitbeschäftigten Polizeibeamten scheint dies
jedoch nur eingeschränkt für den Bereich der flexibleren AZ-Gestaltung zuzutref-
fen.

713
Vgl. Wanger 2011, S. 1.
292 Jörg Ottenschläger

Verbesserte Rahmenbedingungen/etwaige Arbeitszeiterhöhungen


Auf die hypothetische Frage nach einer möglichen AZ-Erhöhung bei besseren be-
hördlichen Rahmenbedingungen antworteten 67,5 % (n = 158) mit „nein“ und
32,5 % (n = 76) mit „ja“. Bei der Angabe „Ja“ wurden die Befragten daraufhin
gebeten, die Erhöhung der angestrebten wöchentlichen AZ anzugeben. Dabei ga-
ben die Personen an, bei verbesserten Rahmenbedingungen ihre wöchentliche AZ
zusammengerechnet um 589,50 Stunden anheben zu wollen. Umgerechnet auf
Vollzeitarbeitskapazitäten entspricht dies 14,74 Vollzeitstellen. Damit errechnet
sich eine durchschnittliche AZ-Erhöhung von 2,52 Stunden in der Woche, gemes-
sen an allen teilnehmenden TZ-Beschäftigten (n = 234). Dies entspricht einer pro-
zentualen Erhöhung um 6,3 %. Gemessen an der Gesamtanzahl der PVB beim PP
MFr (4175 PVB) entspricht die mögliche Erhöhung von Arbeitskapazitäten in
Form von Vollzeitstellen (14,74) einem Anteil von 0,35 %.

Etwaige Arbeitszeiterhöhungen bei der Vergleichsgruppe der


„TZ-Beschäftigten aus Gründen der Kinderbetreuung“
Von 76 Personen mit einer etwaig angestrebten AZ-Erhöhung kamen 71 aus der
Vergleichsgruppe der „TZ-Beschäftigten aus Gründen der Kinderbetreuung“. Be-
zogen auf alle TZ-Beschäftigen aus Gründen der Kinderbetreuung (n = 198) ent-
sprechen die Beschäftigten mit Erhöhungspotenzial aus dieser Gruppe (n = 71)
einem Anteil von 35,86 %. Diese TZ-Beschäftigten möchten ihre AZ durchschnitt-
lich um 8,13 Stunden in der Woche erhöhen. Dies würde einer Anhebung ihrer AZ
um 20,33 % entsprechen. Damit kommen 577 Stunden von den insgesamt genann-
ten 589,50 Stunden aus dieser Vergleichsgruppe (≙ 97,88 %). Von den errechne-
ten 14,74 Vollzeitstellen würden sich demnach 14,43 aus der Vergleichsgruppe
der „TZ-Beschäftigten aus Gründen der Kinderbetreuung“ akquirieren.
Eine gesamtgesellschaftliche Arbeitsmarkforschung aus dem Jahr 2011 kam zum
Ergebnis, dass knapp die Hälfte der TZ-Beschäftigten gerne länger arbeiten wür-
den. Nach dieser Studie könnten beachtliche Arbeitskräftepotenziale durch ver-
besserte Rahmenbedingungen generiert werden.714 Das Ergebnis der vorliegenden
Untersuchung deutet jedoch darauf hin, dass diese gesamtgesellschaftlichen Er-
kenntnisse in dem dort beschriebenen Umfang weder für die „TZ-Beschäftigten

714
Vgl. Wanger 2011, S. 1.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 293

im PVD insgesamt“ noch für die „TZ-Beschäftigten aus Gründen der Kinderbe-
treuung“ bestätigt werden können.

5.6 Motivation und empfundene Wertschätzung


Anspruchsniveau der Teilzeittätigkeiten
Die Aussage „meine Teilzeittätigkeit ist weniger anspruchsvoll als meine vorhe-
rige Vollzeittätigkeit!“ erreichte im Ergebnis einen Mittelwert von = 1,71 (n =
228). Die beiden Antwortkategorien „trifft nicht zu“ und „trifft eher nicht zu“ er-
reichten zusammen 79,4 % (n = 181) aller Antworten. Explizit auf die Kategorie
„trifft nicht zu“ entfielen 69,3 % (n = 158). Diese tendenzielle Bewertung der Aus-
sage lässt sich auch im Median XMed = 1 ablesen. Die Standardabweichung be-
trägt SD = 1,254. Bei einem Test des Mittelwertes ( = 1,71) gegen den Testwert
(3) ergibt sich damit im Ergebnis erwartungsgemäß ein höchst signifikanter Un-
terschied (t [227] = - 15,528; p < 0,001).
Damit deutet das Ergebnis mit negativer Tendenz darauf hin, dass die TZ-Beschäf-
tigten mehrheitlich zur Ablehnung der Aussage tendieren. Eine gesamtgesell-
schaftliche Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung legt dar, dass oftmals nur
„einfache“ bzw. „weniger anspruchsvolle“ Tätigkeiten in TZ ausgeübt werden. 715
Zu diesen Erkenntnissen scheinen die vorliegenden Untersuchungsergebnisse
konträr. Dies unterstützt die Annahme, dass die Untersuchungen für den gesamt-
gesellschaftlichen Bereich nicht auf die TZ-Beschäftigten im PVD übertragbar
sind.

Karriereverlauf und Teilzeitbeschäftigung


Die Aussage „ich bin sehr zufrieden, wie meine Karriere bisher verlaufen ist!“
wurde mit einem errechneten Mittelwert von = 3,07 (n = 228) different bewertet.
Der Mittelwert befindet sich damit rechnerisch etwa auf dem mittleren Niveau
„teils/teils“. Dies zeigt sich auch im nicht signifikanten Ergebnis bei einem Test
des Mittelwertes ( = 3,07) gegen den Testwert (3). Dieser ergab (t [227] = 0,683;
p = 0,495). Es zeigten sich einerseits 19,7 % (n = 48) der Nennungen bei „trifft
nicht zu“ und andererseits ähnliche Antworthäufungen mit 22,1 % (n = 54) bei

715
Vgl. Brenke 2011, S. 3.
294 Jörg Ottenschläger

„trifft zu“. Ähnliche Werte waren über alle Kategorien hinweg feststellbar. Die
unterschiedlichen Bewertungen zeigten sich auch im XMed = 3 und SD = 1,454.
Geschlechterspezifisch lag bei den Frauen (n = 190) bei 2,95 und bei den Män-
nern (n = 35) bei 3,69. Dieser geschlechterspezifische Unterschied stellt statistisch
einen hohen signifikanten Unterschied dar (t [223] = -2,792; p < 0,01).
Das Ergebnis deutet darauf hin, dass im geschlechterspezifischen Vergleich die
teilzeitbeschäftigten Männer zufriedener mit dem Karriereverlauf sind. Die
Gründe für die geschlechterspezifischen Unterschiede könnten möglicherweise in
den dargestellten Untersuchungsergebnissen liegen. Demnach wurde festgestellt,
dass die teilzeitbeschäftigten Männer im PVD durchschnittlich kürzer in TZ ver-
bleiben und zudem während der TZ höhere AZ-Anteile wählen. Die kürzeren „Ab-
wesenheitszeiten“ in Form von höheren AZ-Anteilen könnten darauf hindeuten,
dass dadurch auch die Karriereverläufe weniger stark beeinträchtigt werden. Wie
aus einer Veröffentlichung des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2017
hervorgeht, zeigen sich ähnliche Erkenntnisse auch in anderen Arbeitsmarktberei-
chen. Demnach können bereits vollzeitnahe TZB mit 80 – 90 % dazu führen, dass
Mitarbeiter voll in ihre Projekte und die Arbeitsorganisation eingebunden blei-
ben.716

Empfundene Wertschätzung von direkten Kollegen und


Vorgesetzten
Die Aussage „Ich habe das Gefühl, dass meine Teilzeittätigkeit von meinen direk-
ten Kollegen wertgeschätzt wird!“ erreichte im Ergebnis einen arithmetischen
Mittelwert von = 3,06 (n = 221). „Ich habe das Gefühl, dass meine Teilzeittätig-
keit von meinen Vorgesetzten wertgeschätzt wird!“ erreichte im Ergebnis einen
arithmetischen Mittelwert von = 2,96 (n = 223). Insgesamt zeigten sich damit
ähnliche Werte bei den beiden Aussagen. Die SD betrugen 1,311 und 1,425. Bei
beiden Ergebnissen liegt der XMed bei 3. Bei beiden Antworten war die höchste
Häufigkeit in der mittleren Kategorie „teils/teils“ zu verzeichnen (n = 67 bzw. n =
48). Die Tests der Mittelwerte gegen den Testwert (3) ergaben demnach mit t [220]
= 0,667; p = 0,506 und t [222] = 0,423; p = 0,673) erwartungsgemäß keine signi-
fikanten Unterschiede. In Bezug auf die „direkten Kollegen“ wurde die Kategorie

716
Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2017, S. 20.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 295

„teils/teils“ etwas häufiger genannt. In Bezug auf die „Vorgesetzten“ wurde häu-
figer „trifft nicht zu“ angegeben. In den anderen drei Kategorien waren in beiden
Fragen ähnliche Antwortzahlen zu verzeichnen, wobei die Häufigkeiten bei den
positiven und auch bei den negativen Antwortkategorien in Bezug auf die „Vor-
gesetzten“ etwas ausgeprägter waren. Die genauen Antworthäufigkeiten sind aus
der nachfolgenden Grafik ersichtlich.

Abbildung 4: Antworten empfundene Wertschätzung von Kollegen/Vorgesetzten im Vergleich

Beide Ergebnisse wurden auf eine mögliche Korrelation hin überprüft. Dabei
konnte zwischen der von den TZ-Beschäftigten „empfundenen Wertschätzung von
den direkten Kollegen“ und der „empfundenen Wertschätzung von den Vorgesetz-
ten“ ein hoher Zusammenhang auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant
nachwiesen werden (r =0,605**, p < 0,01). Dies deutet darauf hin, dass die TZ-
Beschäftigten, die sich von den „direkten Kollegen“ wertgeschätzt fühlen, sich
auch von den „Vorgesetzten“ wertgeschätzt fühlen (und/oder umgekehrt).
296 Jörg Ottenschläger

Berufliche Belange
Bei der Aussage „mir sind heute in meiner Teilzeittätigkeit private Belange
wichtiger als vorher in meiner Vollzeittätigkeit!“ (n = 225) wurde mit 34,8 %
(n = 85) am häufigsten die Kategorie „trifft zu“ benannt. Die zweithäufigste Nen-
nung war „trifft eher zu“ mit 18 % (n = 44), die am wenigsten genannte Antwort
lautete „trifft nicht zu“ mit 11,1 % (n = 27). Der rechnerische liegt bei 3,59, der
XMed bei 4. Die Aussage „mir sind heute in meiner Teilzeittätigkeit berufliche
Belange genauso wichtig wie vorher in meiner Vollzeittätigkeit!“ (n = 226)
wurde mit = 3,87 noch eindeutiger beantwortet. Hier waren die häufigsten Nen-
nungen mit 45,4 % (n = 111) bei „trifft zu“ und die zweithäufigsten mit 18 % (n =
44) bei „teils/teils“ feststellbar. Antworten mit negativer Ausprägung „trifft nicht
zu“ waren mit 4,9 % (n = 12) und „trifft eher nicht zu“ mit 12,3 % (n = 30) ange-
geben. Der Median liegt ebenfalls bei XMed = 4. Diese Ergebnisse wurden im Hin-
blick auf eine mögliche Korrelation überprüft. Dabei konnte zwischen den Ant-
worten ein hoher Zusammenhang auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant
nachwiesen werden (r = 0,385**, p < 0,01). Dies deutet darauf hin, dass den teil-
zeitbeschäftigen PVB zwar im Vergleich zur vorherigen Vollzeittätigkeit private
Belange wichtiger werden, dies aber nicht zugleich die Wichtigkeit von berufli-
chen Belangen reduziert. Diese bleiben mehrheitlich für die Beschäftigten kon-
stant wichtig.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Freizeit


„Wie empfinden Sie Ihre Arbeitssituation in Bezug auf Vereinbarkeit von Beruf
und Familie/Freizeit?“ Die Antworten der Teilnehmer (n = 228) erzielten im Er-
gebnis einen von 3,64. Da die Antwortausprägung von links beginnend „nega-
tiv“ begann, liegt dieser Wert rechnerisch etwa zwischen den Kategorien
„teils/teils“ und „ziemlich gut“. Der XMed liegt bei 4. Die häufigsten Antworten
entfielen mit 43,9 % (n = 100) auf „ziemlich gut“, gefolgt von „teils/teils“ mit
30,3 % (n = 69). „Sehr schlecht“ empfanden die Situation nur 2,2 % (n = 5). Bei
der Betrachtung der beiden positiven Kategorien „sehr gut“ mit 16,2 % (n = 37)
und „ziemlich gut“ mit 43,9 % (n = 100) ergibt sich zusammen ein Wert von 60,1
% (n = 137). Bei der Betrachtung der beiden negativen Kategorien „sehr schlecht“
mit 2,2 % (n = 5) und „ziemlich schlecht“ mit 7,5 % (n = 17) ergibt sich zusammen
ein Wert von 9,7 % (n = 22). Bei einem Test des Mittelwertes ( = 3,64) gegen
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 297

den Testwert (3) ergibt sich im Ergebnis erwartungsgemäß ein höchst signifikanter
Unterschied (t [227] = 10,635; p < 0,001). Im Gesamtergebnis scheint für TZ-
Beschäftigte eine gute Arbeitssituation in Bezug auf Familie/Freizeit und Beruf
im PVD vorzuherrschen. Bei deutschlandweiten Meinungsumfragen in Bezug auf
alle Erwerbstätigen hatten im Jahr 2011 noch 63 % insgesamt und 72 % der Mütter
mit Kindern unter 18 Jahren eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf ver-
neint.717 Im Jahr 2015 gaben bei einer repräsentativen Umfrage in der Bevölkerung
etwa zwei Drittel der Befragten an, dass sich im Hinblick auf Familienfreundlich-
keit der Unternehmen in den letzten Jahren vieles positiv verändert habe.718 Trotz
dieser gesamtgesellschaftlich wohl zwischenzeitlich positiven Entwicklung deu-
ten die Ergebnisse der hier vorliegenden Untersuchung darauf hin, dass im Ver-
gleich zur gesamtgesellschaftlichen Situation im PVD eine bessere Vereinbarkeit
von Familie und Beruf vorherrscht.

Arbeitsmotivation
„Wie schätzen Sie Ihre allgemeine Arbeitsmotivation ein?“ (n = 229). Auf diese
Frage antworteten die TZ-Beschäftigten mehrheitlich mit „sehr gut“ (n = 97), ge-
folgt von „ziemlich gut“ (n = 80) und „teils/teils“ (n = 47). „Ziemlich schlecht“
gaben nur drei Personen und „sehr schlecht“ nur zwei Personen an. Die beiden
positiven Antwortkategorien „sehr gut“ und „ziemlich gut“ erreichten zusammen
77 % (n = 177) aller Nennungen. Die beiden negativen Antwortmöglichkeiten
„sehr schlecht“ und „ziemlich schlecht“ erreichten zusammen nur 2 % (n = 5)
aller Antworten. Diese deutliche Antworttendenz wird durch den rechnerischen
Mittelwert von = 4,17, den Median XMed = 4 und der geringen Standardabwei-
chung von SD = 0,858 bestätigt. Komplettiert mit einem höchst signifikanten Un-
terschied beim Test des Mittelwertes ( = 4,17) gegen den Testwert (3), (t [228] =
20,573; p < 0,001) deuten die Ergebnisse auf eine hohe allgemeine Arbeitsmoti-
vation hin. Geschlechterspezifisch entspricht bei den Frauen (n = 191) 4,18 und
bei den Männern (n = 35) 4,06. Bei den „TZ-Beschäftigten mit Kindern“ (n = 210)
entspricht = 4,18, bei den „TZ-Beschäftigten ohne Kinder“ (n = 16) = 4,00.
Bemerkenswert erscheint dabei, dass damit der Wert bei den TZ-Beschäftigten mit

717
Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/180855/umfrage/meinung-zur-
vereinbarkeit-von-familie-und-beruf/.
718
Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2015, S. 2.
298 Jörg Ottenschläger

Kindern positiver als bei denen ohne Kinder ist. Zu berücksichtigen ist jedoch,
dass aufgrund der geringen Antworthäufigkeit die Aussagekraft dieser Feststel-
lung nur eingeschränkt ist.

Zusammenhänge Arbeitsmotivation/Arbeitszeit/Wertschätzung
Auch im Hinblick auf die Untersuchungsfragestellung F3 wurde der Frage nach-
gegangen, ob bzw. wie stark die allgemeine Arbeitsmotivation mit der AZ und der
empfundenen Wertschätzung korreliert. Deshalb wurde ein statistischer Zusam-
menhang mit Korrelation nach Pearson überprüft. Hierbei konnte kein statistisch
signifikanter Zusammenhang zwischen der gewählten AZ und der Arbeitsmotiva-
tion nachgewiesen werden (r = - 0,048, p = 0,466). Auch korreliert die empfun-
dene Wertschätzung weder bei den direkten Kollegen (r = - 0,031, p = 0,651),
noch bei den Vorgesetzten (r = - 0,000, p = 0,996) auf statistisch signifikantem
Niveau mit dem gewählten AZ-Umfang. Jedoch konnte sowohl bei der Korrela-
tion der „empfundenen Wertschätzung von direkten Kollegen*Arbeitsmotivation“
(r = 0,178**, p < 0,01) als auch bei der Korrelation „empfundene Wertschätzung
von Vorgesetzten*Arbeitsmotivation“ (r = 0,186**, p < 0,01) eine statistische Sig-
nifikanz auf dem Niveau 0,01 (2-seitig) nachgewiesen werden. Damit deuten die
Ergebnisse darauf hin, dass die gewählte AZ zwar nicht mit der empfundenen
Wertschätzung oder der Arbeitsmotivation zusammenhängt, jedoch die empfun-
dene Wertschätzung und Arbeitsmotivation in Zusammenhang stehen.

Arbeitsmotivation bezogen auf flexibles und starres Schichtmodell


Aufgrund der bemerkenswerten Tatsache, dass mehr TZ-Beschäftigte in einem
starren als in einem flexiblen Schichtmodell arbeiteten, wurden diese Gruppen im
Hinblick auf die Arbeitsmotivation besonders betrachtet. Die arithmetischen Mit-
telwerte liegen bei den Vergleichsgruppen „TZ-Beschäftigte in einem starren
Schichtmodell“ bei = 3,98 (n = 52) und bei den „TZ-Beschäftigte in einem fle-
xiblen Schichtmodell“ bei = 3,90 (n = 29). Damit sind die Motivationsmittel-
werte der „TZ-Beschäftigten im starren Schichtmodell“ leicht positiver zu den
„TZ-Beschäftigten im flexiblen Schichtmodell“. Bei der Vergleichsberechnung
mittels T-Test zeigen sich jedoch keine signifikanten Unterschiede in den Motiva-
tionswerten beider Vergleichsgruppen (t [79] = - 0,382; p = 0,704). Dies belegt
zumindest nicht, dass die TZ-Beschäftigten in nur einem Modell arbeiten, weil es
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 299

dem Wohnort am nächsten ist. Bei „aufgezwungenen“ Modellen und einer unter-
stellten Unvereinbarkeit eines Modells wären nach Ansicht des Verfassers abwei-
chende Motivationstendenzen erwartbar. Zwar wurde die Flexibilität als die wün-
schenswerteste Hilfestellung durch die TZ-Beschäftigten genannt, möglicher-
weise erscheint aber auch das „starre Schichtmodell“ nur auf den ersten Blick
unflexibler. Trotz der Auswahl der jeweiligen Schichten im Rhythmus eines star-
ren Modells ist durchaus Flexibilität gewährleistet. Zudem kann im starren
Schichtrhythmus bereits lange Zeit im Voraus geplant werden. Beim flexiblen
Modell erfolgt die Planung regelmäßig erst ein bis zwei Monate vorher. Möglich-
erweise wird daher das starre Modell häufiger und auch durchaus bewusst durch
die TZ-Beschäftigten ausgewählt.

Arbeitsmotivation bezogen auf die Tätigkeitsfelder


Um die Häufigkeitsverteilung in Bezug auf die jeweiligen Tätigkeitsfelder be-
trachten zu können, wurde zunächst die nachfolgende Kreuztabelle erstellt.

Arbeitsmotivation
sehr ziemlich teils / ziem- sehr Ge-
schlecht schlecht teils lich gut gut samt
Schutzpolizei uniform. 1 2 24 31 32 90
Schutzpolizei sonstige 0 0 5 18 20 43
Tätigkeitsfeld

Kriminalpolizei 1 0 10 18 31 60
Einsatzeinheiten 0 0 0 1 1 2
Stabsverwendung 0 0 4 8 3 15
Sonderverwendungen 0 1 3 3 5 12
Sonst. Tätigkeitsfeld 0 0 1 1 5 7
Gesamt 2 3 47 80 97 229
Tabelle 4: Kreuztabelle aus Arbeitsmotivation und Tätigkeitsfeld
300 Jörg Ottenschläger

Augenscheinlich waren hier keine besonderen Unterschiede zwischen den Grup-


pen feststellbar. Ein Chi-Quadrat-Test nach Pearson ergab zwar ebenfalls keine
signifikanten Unterschiede (χ² [24] = 21,991, p = 0,580), aufgrund von 23 Zellen
mit einer erwarteten Häufigkeit < 5 erschien diese statistische Methode jedoch nur
sehr eingeschränkt aussagekräftig. Daher erfolgte mit Blick auf die höchsten Zah-
lenwerte bei den Vergleichsgruppen „uniformierte Schutzpolizei“ und „Kriminal-
polizei“ eine gesonderte Betrachtung in Bezug auf die Arbeitsmotivation. Dabei
handelt es sich um Tätigkeitsfelder, die auch in der polizeilichen Praxis oftmals
als sehr different erachtet werden. Dabei erreicht die „uniformierte Schutzpolizei“
(n = 90) in Bezug auf die Arbeitsmotivation einen rechnerischen Mittelwert von
= 4,01 und die „Kriminalpolizei“ (n = 60) von = 4,30. Bei der Betrachtung der
Mittelwerte liegt die Arbeitsmotivation der TZ-Beschäftigten bei der „Kriminal-
polizei“ damit leicht höher als bei der „uniformierten Schutzpolizei“. Bei der sta-
tistischen Überprüfung mittels T-Test im „Paarvergleich“ in Bezug auf die Ar-
beitsmotivation wird die Signifikanz jedoch knapp verfehlt (t [148] = - 1,945; p =
0,054). Nach den Ergebnissen können demnach keine signifikanten Unterschiede
bei den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern in der Arbeitsmotivation nachgewie-
sen werden.

Arbeitsmotivation und Verbundenheit/Identifikation mit dem


Polizeiberuf
Im Hinblick auf einen möglichen statistischen Zusammenhang zwischen der Ar-
beitsmotivation und der Verbundenheit/Identifikation mit dem Polizeiberuf wurde
eine Korrelationsüberprüfung nach Pearson mit „Arbeitsmotivation*Verbunden-
heit/Identifikation“ vorgenommen. Dabei konnte eine hohe Korrelation nachge-
wiesen werden (r = 0,564**, p < 0,01). Dies deutet darauf hin, dass Beamte mit
hoher Arbeitsmotivation auch eine hohe Verbundenheit/Identifikation mit dem
Polizeiberuf bzw. Beamte mit niedriger Arbeitsmotivation auch eine geringere
Bindung und Identifikation aufweisen (und/oder umgekehrt).

Verbundenheit und die Identifikation mit dem Polizeiberuf


„Wie schätzen Sie Ihre Verbundenheit/Identifikation mit dem Polizeiberuf
ein?“ (n = 229). Der Mittelwert aller Antworten liegt hier bei = 4,25. Damit
stellte dies die positivste Antworttendenz in der gesamten Befragung dar. „Sehr
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 301

gut“ nannten hier 47,6 % (n = 109) der Teilnehmer; 36,2 % (n = 83) wählten die
Antwort „ziemlich gut“. Auf „sehr schlecht“ entfielen nur 1,6 % (n = 4) und auf
„ziemlich schlecht“ nur 2,5 % (n = 6) der Antworten. „Teils/teils“ wählten 11,1
% (n = 27) der Befragten. Die beiden positiven Antwortkategorien zusammenge-
rechnet ergeben 83,8 % (n = 192) aller Nennungen. Die SD liegt bei 0,892, der
XMed bei 4. Beim Test des Mittelwertes ( = 4,25) gegen den Testwert (3) ergibt
dies erwartungsgemäß einen höchst signifikanten Unterschied (t [228] = 21,268;
p < 0,001). Dies unterstützt die Annahme über die mehrheitliche Zustimmung der
Aussage und deutet auf eine hohe Verbundenheit/Identifikation der TZ-Beschäf-
tigten mit dem Polizeiberuf hin. Einen Einfluss auf die gewählte AZ scheint dieses
Ergebnis jedoch nicht zu haben. Eine Überprüfung von Korrelation „Verbunden-
heit/Identifikation*Arbeitszeitanteil“ ergab keinen statistisch signifikanten Zu-
sammenhang (r = 0,035, p = 0,596). Nach dem sogenannten Engagement Index
der Gallup-Studie für das Jahr 2016 haben 70 % der Arbeitnehmer nur eine geringe
emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber. Nur 15 % geben an, eine hohe und
weitere 15 % keine emotionale Bindung zum Unternehmen zu haben. Die Erhe-
bung zur emotionalen Bindung scheint nach Ansicht des Verfassers sehr ähnlich
der hiesigen Frage nach der Verbundenheit und Identifikation zu sein. Damit un-
terstützt das vorliegende Ergebnis die Annahme, dass die TZ-Beschäftigten im
PVD im Vergleich zu den Erkenntnissen aus der Gallup-Studie eine deutlich hö-
here emotionale Verbundenheit/Identifikation zu ihrem Arbeitgeber aufweisen.
Zudem scheint eine verkürzte AZ in TZ keine wesentliche Auswirkung auf die
Verbundenheit/Identifikation mit dem Polizeiberuf zu haben.

5.7 Beratungs- und Informationsmöglichkeiten


Auf die Frage nach der Kenntnis über derartige Angebote (n = 229) antworteten
60,3 % mit „ja“ (n = 138) und 39,7 % mit „nein“ (n = 91). Personen, die „ja“
angegeben hatten (n = 138), wurden in der Folge zur Nennung von den jeweiligen
„Kenntnisbezugsquellen“ gebeten. Mehrfachnennungen waren hier möglich.
Demnach hatten 67 TZ-Beschäftigte Kenntnis von solchen Angeboten durch
elektronische oder ausgedruckte Flyer bzw. Broschüren, 109 Personen über ent-
sprechende Ansprechpersonen/-stellen und 48 Teilnehmer kannten entsprechende
Angebote über das Intranet. Über einschlägige Artikel in Mitarbeiterzeitschriften
302 Jörg Ottenschläger

bezogen bislang nur 14 und über sonstige Quellen acht Personen ihre Erkennt-
nisse. Damit stellen Ansprechpersonen/-stellen die am häufigsten genutzte Be-
zugsquelle für Beratungs- und Informationsmöglichkeiten dar. Hinsichtlich der
Frage, eine solche Beratungs- oder Informationsmöglichkeit schon einmal genutzt
zu haben, gaben 33,2 % (n = 76) „ja“ und 66,8 % (n = 153) „nein“ an. Bei der
gewählten Antwortoption „nein“ wurden im Anschluss die Gründe hierfür erfragt.
Mehrfachnennungen waren auch hier möglich. Demnach sahen bislang 80 Perso-
nen hierzu keinen Bedarf und 47 Personen waren die entsprechenden Ansprech-
personen/-stellen unklar. 32 Teilnehmer sahen bislang keinen Mehrwert in solchen
Angeboten und 17 Personen geben sonstige Gründe hierfür an. Nach den vorlie-
genden Ergebnissen nutzte bislang etwa ein Drittel der TZ-Beschäftigten entspre-
chende Informations- oder Beratungsangebote. Auf die Frage, ob sich die Be-
troffenen mehr Beratungs- und/oder Informationsmöglichkeiten in ihrer Dienst-
stelle/ihrem Präsidium in Bezug auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen
für TZ-Beschäftigte wünschen, gaben 44,5 % (n = 102) „ja“ an. „Nein“ antwor-
teten 24 % (n = 55) und 31,4 % (n = 72) wählten die Option „weiß nicht“. Damit
wünschten sich knapp die Hälfte aller TZ-Beschäftigten mehr solcher Informa-
tions- und Beratungsangebote. Nur etwa ein Viertel verneinte dies.

6 Zusammenfassung

Welche Motive liegen einer Teilzeitbeschäftigung im Polizeivollzugsdienst zu


Grunde? (F1) Die empirische Untersuchung am Beispiel des PP MFr hat ergeben,
dass die Entscheidung für eine Teilzeitarbeit im PVD mit 84 % aus Gründen der
Kinderbetreuung erfolgt. Weitere Motive wie die Betreuung von Angehörigen (4,5
%), Altersteilzeit (0,4 %) oder auch die sonstigen Gründe (11,1 %) sind nur ver-
einzelt der Grund für eine Reduzierung der AZ. Geschlechterspezifisch sind je-
doch signifikante Unterschiede vorhanden. So arbeiten die Frauen zu 90 %, die
Männer nur zu 57 % aus Gründen der Kinderbetreuung in einer TZB. Männer ar-
beiten dagegen häufiger aus sonstigen Gründen (25,71 %) oder zur Betreuung von
Angehörigen (14,29 %) in TZ.
Welche dieser Gründe sind entscheidend für die Wahl des Teilzeitanteils? (F 1A)
Bei rund vier von fünf TZ-Beschäftigten spielt die Kinderbetreuung bei der Wahl
des AZ-Anteils eine zentrale Rolle. Bezogen auf die unterschiedlichen Motive der
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 303

Teilzeitarbeit arbeiten die TZ-Beschäftigten zur Kinderbetreuung durchschnittlich


sechs Stunden in der Woche weniger als bei der TZB aus anderen Antragsgründen.
Bei der Wahl des AZ-Anteils ist für die Frauen die Kinderbetreuung signifikant
häufiger ausschlaggebend. Zwischen den Motiven für eine TZ-Beschäftigung und
den AZ-Anteilen besteht ein statistisch signifikanter Zusammenhang. TZ-Be-
schäftigte aus Gründen der Kinderbetreuung arbeiten regelmäßig niedrigere AZ-
Anteile als diejenigen aus anderen Motiven.
Sind und gegebenenfalls in welchem Umfang sind Beamtinnen und Beamte in
Teilzeit grundsätzlich an einer Erhöhung ihrer Arbeitszeitanteile interessiert,
wenn für sie besser in Einklang zu bringende Rahmenbedingungen geschaffen
werden? (F2) Etwa ⅓ der TZ-Beschäftigten würde bei verbesserten behördlichen
Rahmenbedingungen ihre wöchentliche AZ erhöhen. Dabei stammen die TZ-Be-
schäftigten mit Interesse an einer AZ-Erhöhung nahezu ausschließlich aus der
Vergleichsgruppe der „TZ-Beschäftigten aus Gründen der Kinderbetreuung“.
Diese würden die AZ-Anteile um durchschnittlich 20 % anheben wollen. Gemes-
sen am Gesamtumfang aller PVB des PP MFr ist das Erhöhungspotenzial mit 0,35
% eher gering. Rund ⅔ aller Befragungsteilnehmer würden trotz verbesserter be-
hördlicher Rahmenbedingungen keine AZ-Erhöhung anstreben.
Wie müssten gegebenenfalls die Rahmenbedingungen bezogen auf die individu-
elle Dienstverrichtung verändert werden? (F 2A) Die vorgeschlagenen Hilfestel-
lungen stießen beim Vergleich der Mittelwerte mit Ausnahme der flexiblen Ar-
beitszeitgestaltung mehrheitlich auf Ablehnung. Andere „neue“ Möglichkeiten
zur Hilfestellung wurden nicht genannt. Bei einigen Nennungen wurde angeregt,
die bereits praktizierte alternierende Wohnraum-/Telearbeit weiter auszubauen.
Die Untersuchungsergebnisse deuten darauf hin, dass bei Bestrebungen zur Flexi-
bilisierung der AZ bei der Vergleichsgruppe der „TZ-Beschäftigten aus Gründen
der Kinderbetreuung“ die höchste Wahrscheinlichkeit auf eine Erhöhung der AZ-
Anteile vorherrschen.
Inwieweit wären die Beschäftigten auch zu örtlichen Veränderungen oder zu
Veränderungen im Tätigkeitsspektrum bereit? (F 2B) Sowohl die temporäre als
auch die dauerhaften Möglichkeiten eines Dienststellenwechsels mit örtlicher Ver-
änderung wurden beim Vergleich der Mittelwerte durch die TZ-Beschäftigten
304 Jörg Ottenschläger

mehrheitlich negativ gesehen. Die Arbeitsmotivation, die Identifikation und Ver-


bundenheit mit dem Polizeiberuf sowie die Vereinbarkeit von Familie/Freizeit und
Beruf wurden dagegen mehrheitlich positiv bewertet. Dies deutet darauf hin, dass
die TZ-Beschäftigten die jeweiligen Tätigkeiten gerne tun und damit eher intrin-
sisch motiviert sind. In der Gesamtbewertung unterstützen die Ergebnisse der Ar-
beit eher die Annahme, dass die TZ-Beschäftigten im Hinblick auf eine AZ-Erhö-
hung mehrheitlich weder zu örtlichen noch zu Veränderungen im Tätigkeitsspekt-
rum bereit sind.
Wie empfinden Teilzeitbeschäftigte die ihnen entgegengebrachte Wertschät-
zung und hat dies Auswirkung auf die Motivation im Allgemeinen und bezogen
auf den gewählten Arbeitszeitanteil? (F3) Die Werte für die empfundene Wert-
schätzung lagen sowohl in der Bewertung gegenüber den direkten Kollegen wie
auch gegenüber den Vorgesetzten im mittleren Niveau. Die empfundene Arbeits-
motivation wurde dagegen mehrheitlich positiv bewertet. Die AZ-Anteile befin-
den sich dabei im gesamtgesellschaftlichen Vergleich auf hohem Niveau. Die sta-
tistischen Befunde zeigen signifikant, dass die empfundene Wertschätzung sowohl
von den direkten Kollegen als auch von den Vorgesetzten mit der Arbeitsmotiva-
tion zusammenhängen. Ein Zusammenhang zwischen empfundener Wertschät-
zung oder Arbeitsmotivation mit der gewählten AZ konnte jedoch statistisch nicht
nachgewiesen werden.
Sind allgemein Beratungsmöglichkeiten im Vollzugsdienst der Polizei bezogen
auf Teilzeitbeschäftigung vorhanden und sind diese den Beschäftigten auch be-
kannt? (F4) Nach den Ergebnissen der Untersuchung haben rund 60 % aller TZ-
Beschäftigten Kenntnis von Beratungs- und Informationsmöglichkeiten. Beson-
dere Bedeutung kommt hierbei entsprechenden Ansprechpersonen/-stellen zu, die
als Hauptinformationsquelle erachtet werden. Obwohl nur rund ⅓ der TZ-Be-
schäftigten solche Angebote bislang genutzt haben, wünschen sich 44,5 % der TZ-
Beschäftigten mehr Beratungs- und Informationsmöglichkeiten in ihrer Dienst-
stelle bzw. ihrem Präsidium. Die Befunde der Ergebung sowie der Praxisbeispiele
deuten darauf hin, dass Beratungs- und Informationsangebote bereits umfangreich
vorhanden sind, jedoch auch 40 % der Beschäftigten nicht bekannt sind.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 305

7 Handlungsempfehlungen

Besonders die positiven Ergebnisse in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und
Familie/Freizeit scheinen ein Indiz dafür zu sein, dass in der polizeilichen Praxis
beim Zusammenwirken der polizeilichen Entscheidungsträger und der TZ-Be-
schäftigten vieles erfolgreich unternommen und umgesetzt wird. Demnach wäre
die Schlussfolgerung naheliegend, man könne alles so belassen und Änderungen
seien nicht nötig. Jedoch lassen sich die dargestellten Ergebnisse aber auch dahin-
gehend interpretieren, dass punktuell und mit Blick auf die Zukunft noch Anpas-
sungen angezeigt wären. So ist die Feststellung von Bedeutung, dass durch die
Verbesserung der behördlichen Rahmenbedingungen noch auszuschöpfende AZ-
Potenziale vorhanden sind. Das höchste Potenzial wurde dabei bei den „TZ-Be-
schäftigen aus Gründen der Kinderbetreuung“ identifiziert. Neben dieser Ziel-
gruppe ergibt sich für vorgesetzte Behörden und Personen ein zusätzlicher Ansatz
bei den Informations- und Beratungsmöglichkeiten. Dabei können möglicher-
weise die Erkenntnisse zum Nutzungsverhalten und Informations- und Beratungs-
bedürfnis Aufschlüsse geben. Bislang wählten die Betroffenen mehrheitlich die
Möglichkeiten der persönlichen Kontakte, fast die Hälfte der TZ-Beschäftigten
wünschen sich mehr Informations- und Beratungsangebote. Die Untersuchungs-
erkenntnisse deuten darauf hin, dass in den individuellen Gesprächen zwischen
Entscheidungsträgern und TZ-Beschäftigten das höchste Potenzial für Vereinba-
rungen im Hinblick auf etwaige AZ-Erhöhungen steckt. „Flexibleres Arbeiten“
könnte dabei in solchen Gesprächen im Sinne beider Seiten zielgerichtet ausgelo-
tet werden. Komplettiert mit Angeboten beispielsweise zielgruppengerechter In-
formationsveranstaltungen oder Workshops könnte dem Informations- und Bera-
tungsbedürfnis der TZ-Beschäftigten entsprochen werden.
Der errechnete derzeit akquirierbare AZ-Anteil der Stichprobe (0,35 % Mehrung
Personal / 14,74 Vollzeitstellen), gemessen am Gesamtpersonal des PP MFr, mag
zunächst gering erscheinen. Dabei sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden,
dass jeder zusätzliche Beschäftigte, insbesondere auf kleineren Polizeidienststel-
len, eine spürbare Entlastung für die anderen Mitarbeiter bewirken kann. Das Po-
tenzial an AZ-Kapazitäten der Beamtinnen, die durch die erfolgreichen partner-
schaftlichen Maßnahmen wieder früher von der Elternzeit in die Beschäftigung
306 Jörg Ottenschläger

zurückkehren, muss dabei dem errechneten Potenzial „gedanklich“ noch hinzu-


gerechnet werden. Für die strategische Personalplanung können möglicherweise
die Erkenntnisse, insbesondere über die Tätigkeitsfelder, die AZ-Gestaltung, die
AZ-Anteile sowie die Überstundensituation der TZ-Beschäftigten einen Beitrag
zum effizienten Einsatz der Humanressourcen leisten. Von Bedeutung scheint
auch die Erkenntnis, dass durch die alternierende Wohnraum-/Telearbeit sehr hohe
AZ-Anteile generiert werden können. Dort, wo diese AZ-Gestaltung möglich ist,
kann sie im Sinne beider Seiten zu höheren Arbeitskapazitäten führen, auch wenn
der Polizeiberuf in der Gesamtbetrachtung mit einem hohen Außendienstanteil da-
bei naturgemäß an Grenzen stößt. Eine Veröffentlichung des Bundesfamilienmi-
nisteriums zeigt beispielsweise, dass durch vollzeitnahe AZ-Anteile von etwa 80–
90 % die Mitarbeiter voll in ihre Projekte eingebunden bleiben können. Insbeson-
dere die alternierende Wohnraum-/Telearbeit machen dabei derartige AZ-Anteile
häufig möglich.719 Durch ansteigende Zahlen von TZ-Beschäftigten wird, gemes-
sen an den Untersuchungsergebnissen, auch das ungenutzte Arbeitskräftepotenzial
im PVD insgesamt zunehmen. Dabei könnten „neue“ Arbeitsmodelle dem
Wunsch nach Flexibilität der Beschäftigten nachkommen. Unter Berücksichti-
gung der individuellen Dienststellensituation könnten dabei urlaubs- oder einsatz-
arme Zeiten in die Vorplanung mit einbezogen werden. Wenn sich daraus indivi-
duell passende Modelle im Sinne der Dienstelle und der TZ-Beschäftigten erge-
ben, könnten beide Seiten profitieren. Dabei könnte zudem in Erwägung gezogen
werden, ein solches oder anderes individuelles Modell im Einvernehmen beider
Seiten probeweise einzuführen; eine Möglichkeit, die in Unternehmen außerhalb
des Öffentlichen Dienstes angewandt und positiv bewertet wird.720 Diese Mög-
lichkeit einer Art „Probeteilzeit“ könnte den Beschäftigten in der Elternzeit oder
TZ-Beschäftigten mit einem geringeren AZ-Anteil die Unsicherheit nehmen, ob
die private Situation mit einer TZ-Beschäftigung oder einer Erhöhung der AZ-
Anteile kompatibel ist. Mutmaßlich wählen derzeit die betreffenden Beamten eher
den „sicheren“ Weg ohne eine Beschäftigung beziehungsweise einem geringeren
AZ-Anteil. So könnte hier möglicherweise eine Art „Teilzeit auf Probe“ im PVD
zu mehr Arbeitskapazitäten führen.

719
Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2017, S. 20.
720
Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2007, S. 14.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 307

8 Fazit

Allgemein zum Thema TZ lagen auch bereits vor der Erforschung im Rahmen
dieser Untersuchung umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse vor. Die empi-
rische Untersuchung am Beispiel des PP MFr konnte jedoch die Auswirkungen
von behördlichen Rahmenbedingungen auf die Motivation von TZ-Beschäftigten
speziell für den Polizeibereich aufhellen. Der große Mehrwert in der Ergänzung
zur bisherigen Forschung ergibt sich daraus, dass eine Stichprobe speziell für den
Bereich des PVD vorgenommen wurde. So konnte beispielsweise durch die Erhe-
bung von Zahlen bei unterschiedlichen Polizeibehörden festgestellt werden, dass
der Umfang der TZB im PVD erheblich vom gesamtgesellschaftlichen Umfang
und auch von dem im Öffentlichen Dienst allgemein abweicht. Auch weitere Un-
terschiede im Vergleich zu den gesamtgesellschaftlichen Erkenntnissen wie bei-
spielsweise die hohen AZ-Anteile, das Anspruchsniveau der TZ-Tätigkeiten sowie
die enorme Verbundenheit/Identifikation mit dem Polizeiberuf konnten durch die
Untersuchung aufgezeigt werden. Auf der anderen Seite zeigen die Ergebnisse
auch zum Teil ähnliche oder gleiche Tendenzen wie bei gesamtgesellschaftlichen
Untersuchungen. Beispielhaft seien hier die Motive oder die Erkenntnis über die
Wichtigkeit des flexiblen Arbeitens während einer TZB genannt. Ein Ansatz für
den Erhalt der Motivation der TZ-Beschäftigten sind dabei die dargestellten indi-
viduellen persönlichen Informations- und Beratungsmöglichkeiten. Dies wird
auch durch die Gallup-Studie für das Jahr 2016 unterstützt. Demnach fördern Mit-
arbeitergespräche die Bindung zum Unternehmen. 721 Durch den aufgezeigten Zu-
sammenhang von „Verbundenheit/Identifikation*Motivation“ können diese Ge-
spräche entsprechend motivierend wirken. Wenn diese Gespräche dann zusätzlich
noch inhaltlich qualitativ hochwertig durchgeführt werden, wirken sie zunehmend
positiv verstärkend.
Im Sinne eines Ausblicks darf prognostiziert werden, dass durch die Zunahme von
TZ-Beschäftigten im PVD auch die Erkenntnisse der Untersuchung weiter an Be-
deutung gewinnen könnten. Im Rahmen einer nachhaltigen Personalpolitik liegt

721
Ergebnisse und Präsentationen der Gallup-Studie sind online verfügbar unter:
http://www.gallup.de/183104/engagement-index-deutschland.aspx.
308 Jörg Ottenschläger

es im Interesse der Polizeibehörden, Beamtinnen und Beamten bei ihrer (zeitan-


teiligen) Auszeit und ihrer Rückkehr in den Beruf zu begleiten. Je besser dies ge-
meinsam geplant wird, desto höhere AZ-Anteile wählen die Beschäftigten – hoch
motiviert und leistungsbereit.722 Zu Zeiten des demografischen Wandels in Kon-
kurrenz nach geeignetem Personal kommt der knappen „Ressource“ Mensch eine
herausragende Bedeutung zu. Dies trifft insbesondere für das Personalmanage-
ment im öffentlichen Sektor und insbesondere für die Polizei zu. 723 Mit den Er-
kenntnissen und skizzierten Möglichkeiten in der Untersuchung wird deutlich,
dass es Verpflichtung der Behörde und die der TZ-Beschäftigten gleichermaßen
ist, aktiv an der bestmöglichen Umsetzung mitzuwirken. Eine ganz wesentliche
Möglichkeit scheint dabei bereits identifiziert: Die Flexibilität in persönlichen Ge-
sprächen auszuloten sowie im Sinne beider Seiten zu ermöglichen und umzuset-
zen.
„Berufstätigkeit und Familie miteinander in Einklang zu bringen ist hierbei ein
wichtiges persönliches wie gesellschaftspolitisches Anliegen.“724

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722
Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2007, S. 2.
723
Vera 2015, S. 105 ff.
724
Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr 2017, S. 2.
Teilzeitbeschäftigung und Motivation im Vollzugsdienst der Polizei 309

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Nürnberg. http://doku.iab.de/kurzber/2015/kb0415.pdf.
Zapf, Ines; Weber, Enzo (2017): The role of employer, job and employee charac-
teristics for flexible working time. An empirical analysis of overtime
work and flexible working hours arrangements. In: IAB-Discussion Pa-
per, Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.) 2017, Nr. 4, S. 4. Nürnberg.
http://doku.iab.de/discussionpapers/2017/dp0417.pdf.

Der Autor
Jörg Ottenschläger, M. A.
Polizeirat, Polizei Bayern
311

Autoren- und Herausgeberverzeichnis

Buchheit, Florian, M. A., Polizei Rheinland-Pfalz.

Evers, Michael, M. A., wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet „Betriebs-


wirtschaftslehre – Public Management Polizei“, Deutsche Hochschule der Polizei,
Münster.

Hering, Andreas, M. A., Polizeirat, Polizei Nordrhein-Westfalen.

Lehman, Markus, M. A., Polizei Baden-Württemberg.

Ottenschläger, Jörg, M. A., Polizeirat, Polizei Bayern.

Pisecky, Tom, M. A., Polizeirat, Bundeskriminalamt.

Ritsert, Rolf, Prof. Dr., Leiter des Fachgebiets „Betriebswirtschaftslehre – Public


Management Polizei“, Deutsche Hochschule der Polizei, Münster.

Vera, Antonio, Prof. Dr. Dr., Leiter des Fachgebiets „Organisation und Personal-
management in der Polizei“, Deutsche Hochschule der Polizei, Münster.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
R. Ritsert und A. Vera (Hrsg.), Management und Organisation in der Polizei,
Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29053-5

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