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Architektur: Wohnbau in Mittelalter und Renaissance

Bauwerkanalyse: Kramerstraße 10, Lemgo


Kramerstraße 10 ist ein Halbfachwerkhaus an der Lemgoer Mittelstraße, das 1774 von Johann Ernst
Eberhardt auf zwei ehemaligen Marktbudenparzellen errichtet wurde und ursprünglich als Gasthaus
diente.
Das Haus besteht aus einer Fachwerkkonstruktion auf einem massiven Erdgeschoss. Das Haus
scheint einen annähernd quadratischen Grundriss zu haben. Das Haus besitzt zwei Ausluchten, eine
auf der Giebelseite und eine zur Kramerstraße hin. Das Haus scheint insgesamt fünf Stockwerke,
von denen 3 Dachgeschosse sind. An der Vorderseite ist erkennbar, dass dabei jedes Dachgeschoss
einen Balken weiter zur Mittelstraße hinreicht als das darunterliegende Stockwerk. Die Auslucht in
Richtung Mittelstraße ist am oberen Ende mit 3 bläulichen Holzelementen verziert. An der
Vorderseite zur Mittelstraße hin befindet sich die Haupttür, zu der zwei Stufen führen. Zur
Kramerstraße hin gibt es einen Nebeneingang, zu dem eine kleine Treppe führt. Die Fenster der
Fachwerkgeschosse bestehen aus einem gitterartigen Holzrahmen, dessen „Löcher“ mit
Glasscheiben gefüllt sind, während die Fenster im Erdgeschoss einen steinernen Rahmen, der sich
farblich vom umgebenden Bauwerk unterscheidet, besitzen, in dem sich dann das eigentliche
Fenster befindet. Die Fenster der oberen Dachgeschosse befinden sich als stehende Fenster in
Gauben.

Das Haus wirkt aufgrund des offen sichtbaren Gefaches sehr „klar“ und trotz der asymmetrischen
Bauweise und dem nach vorne ausufernden Giebel statisch stabil. Die Fassade ist durch das
Fachwerk und den Gegensatz zwischen dem massiven Erdgeschoss und dem Fachwerkaufbau
streng gegliedert, das Material im Gefache lässt sich aufgrund des Anstrich nicht sicher erkennen,
ist aber höchstwahrscheinlich Lehm. Das Gebäude wirkt im Vergleich zu den anderen Gebäuden der
Umgebung normal dimensioniert, im Vergleich zu der davor liegenden Straße jedoch beinahe
überdimensioniert. Das Haus liegt im Zentrum der Lemgoer Altstadt direkt am Marktplatz. Diese
zentrale Lage bei vielen Häusern mit Renaisssancefassaden oder komplexeren modernen Fassaden
lässt das Haus unspektakulär, aber dennoch irgendwie passend wirken.
Das Erdgeschoss des Hauses besteht aus massivem Stein, darauf aufgebaut befindet sich der für
Fachwerkhäuser typische Skelettbau aus Holz mit Gefache aus Lehm. Durch diese Kombination aus
Fachwerk und Massivbau entsteht ein Kontrast zwischen dem sehr massiv wirkenden Erdgeschoss
und dem vielseitigeren und eher leicht wirkenden Fachwerkbau.
Das Haus scheint ohne größere Rücksicht auf Proportionalität gebaut worden zu sein; die oberen
Geschosse haben sichtbar weniger Höhe als die unteren, dennoch wirkt das Gebäude als ganzes
trotz solcher und ähnlicher Eigenschaften wie die generell eher asymmetrische Bauweise durch die
Ausluchte und das oft asymmetrische Fachwerk. Der Baukörper insgesamt eher kompakt und betont
die Vertikale deutlich mehr als die Horizontale, generell werden fast nur Rechtecke und Quadrate
als elementare Grundformen des Gebäudes verwendet. Im Licht hat der Baukörper keine besondere
Wirkung und im Vergleich zum Betrachter scheint er relativ humane Dimensionen zu haben.
Durch die klaren vertikalen und horizontalen Linien des Fachwerks wird der Blick eher auf die
Gesamtheit der Fassade gelenkt, aber auch die Ausluchten können durch ihr herausragen aus der
Masse des Hauses als Blickfang wirken. Aus der Sicht des Betrachters heraus wird der Blick eher
nach oben gelenkt, da sich dort die „interessanter“ aussehende Fachwerkkonstruktion befindet.
Die Fassade besitzt kaum Ornamente ist ist generell schlicht und geordnet gestaltet, das Fachwerk
wirkt als dunkle Linien die das hellere Gefache zerteilen, wobei die Fenster, deren Rahmen eine
ähnliche/dieselbe Farbe wie das Gefache haben, sich harmonisch in diese Gliederung einfügen. Die
Fassade ist nicht aufgesetzt oder auf die Grundkonstruktion aufgebaut, sondern entspricht zum
Großteil direkt der Grundkonstruktion; die Skelettstruktur aus angestrichenem Fachwerk ist im
oberen Teil der Fassade direkt sichtbar, während die massive Konstruktion im unteren Teil der
Fassade durch Verputz verdeckt ist. Durch die Verwendung von Fachwerk ist die Fassade ein relativ
typisches Beispiel für Baukunst des Mittelalters, obwohl sie eigentlich während der Renaissance
errichtet wurde – für die Renaissance typische Einflüsse sind jedoch im massiven unteren Teil der
Fassade zu erkennen.
Die Anzahl der Fenster lässt auf einen lichtdurchfluteten Innenraum schließen.
Das Haus ist durch die massiven Wände im Erdegeschoss und die dichte Fachwerkkonstruktion
sehr deutlich vom Außenraum abgetrennt; allerdings wirkt die große Anzahl Fenster dieser Neigung
etwas entgegen, gerade durch die großen, sehr „offenen“ und eher bodennahen Fenster im
Erdgeschoss.

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