Gefäßsystem
Hintergrund
Der Erfolg eines Beweglichkeitstrainings wird
traditionell über die Bewegungsreichweite (z. B.
sit and reach Test) oder das Range of Motion
(ROM) definiert. Weniger häufig wurde in der
Vergangenheit die Auswirkung einer Hypomobilität
auf das Gefäßsystem bzw. der Effekt von
Dehnungen auf das Gefäßsystem diskutiert.
Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt,
dass die Gefäße sich an strukturelle Parameter wie
zum Beispiel die Sarkomerlänge anpassen
müssen. (1)
Darüber hinaus steht die Reichweite beim sit and reach Test im direkten Zusammenhang mit
der Steifigkeit der zentralen Gefäße (Aorta – gemessen mit der Pulswellengeschwindigkeit.
Je geringer die Flexibilität, desto größer ist die Steifigkeit. (2) Die gleiche Autorengruppe
zeigt über einen Zeitraum von 5 Jahren für unflexiblere Menschen eine größere Veränderung
der Aorta an (schnellerer Elastizitätsverlust). (2)
All diese Befunde sind von hoher Relevanz, denn es herrscht Einigkeit
darüber, dass eine größere Steifigkeit zentraler Gefäße einer DER Faktoren
für die Entwicklung von Gefäßerkrankungen darstellt. (3)
Hintergrund
In den letzten Jahren ist daher das Interesse an Dehnungen und deren Auswirkungen auf das
kardiovaskuläre System stetig gestiegen. 2 Übersichtsarbeiten zeigen positive Effekte auf das
Gefäßsystem, insbesondere für die Reduktion der arteriellen Stiffness und der
Endothelfunktion. Weniger deutlich sind bis dato die Ergebnisse für eine Blutdrucksenkung.
(4,5)
Auffällig ist in diesen Arbeiten, dass am häufigsten die peripheren Gefäße (z. B. die A. poplitea)
untersucht werden und klassische Dehnübungen für die ischiokrurale Muskelgruppe oder die
Wadenmuskulatur zum Einsatz kommen. Die zentralen Gefäße werden seltener
evaluiert und nicht spezifisch mit Rumpfmobilisationen adressiert.
Vielleicht auch deswegen sind die Effektstärken für die Veränderung
der zentralen Gefäße geringer. (4)
Ikebe und Kollegen versuchen in einer neuen Arbeit insbesondere
die Rumpfmuskulatur und dementsprechend die zentralen
Bauchgefäße in die Mobilisation miteinzubeziehen! (3)
Rumpfmobilisation (3)
Es kamen 6 Mobilisationsübungen zum Einsatz (siehe Abb., 5x30 Sekunden, 30
Sekunden Pause, minimaler Dehnschmerz).
Rumpfflexion
• Ast: Bauchlage über einen Ball
• Aktion: Der Trainierende hängt entspannt in Beugung. Der Therapeut verstärkt bei
Bedarf über das Becken die Beugung.
Rumpfextension
• Ast: Rückenlage über einen Ball
• Aktion: Der Trainierende hängt entspannt in Beugung. Der Therapeut verstärkt bei
Bedarf über das Becken die Streckung.
Rumpflateralflexion
• Ast: Seitlage über einen Ball (beide Seiten werden beübt).
• Aktion: Der Trainierende hängt entspannt in Seitlage. Der Therapeut verstärkt bei
Bedarf über das Becken die Seitneigung.
Rumpfrotation
• Ast: Stand, die Hände stützen auf einem Ball, das Becken ist endgradig zu einer Seite
rotiert (beide Seiten werden beübt).
• Aktion: Der Therapeut verstärkt bei Bedarf die Rotation über das Becken.
Ergebnisse
Das einmalig ausgeführte Mobilisationsprogramm hatte im Vergleich zu einer ruhenden
Kontrollgruppe folgende Effekte:
• Hämodynamische Parameter (systolischer/diastolischer Blutdruck, der Karotis- und
Brachialispulsdruck, Herzfrequenz) veränderten sich im Vergleich zur Basislinie (vor der
Dehnung) nach der Dehnung NICHT.
• Während der Dehnung stieg die Herzfrequenz um 20±3 Schläge an.
• Die Pulswellengeschwindigkeit und die Compliance* der zentralen Gefäße verringerte sich
signifikant. Im Bereich der nicht gedehnten Gefäße konnten keine Veränderungen ermittelt
werden (untere Extremität).