Invasive tropische Landplanarie Obama me Regionen in Frankreich, Spanien
usw.). Diese aus Südamerika (Argen- nungara in Deutschland: Verhalten und tinien) eingeschleppten, invasiven
Beutespektrum „Regenwurmfresser“ wurden zunächst
der Art Geoplana marmorata zuge- Die aus Argentinien und anderen Regionen Südamerikas stammende, ordnet [4]. Acht Jahre später erfolgte seit 2008 wiederholt über Blumenerde importierte, u. a. in Frankreich die Umbenennung bzw. Neubeschrei- vorkommende räuberische Obama nungara konnte erstmals für bung dieser invasiven, schleimigen Deutschland nachgewiesen werden. Ein im April 2021 in Regensburg Plattwürmer in „Obama nungara (Bayern) gefundenes, ca. 4 cm langes Exemplar wurde kultiviert und sp. nov. Carbayo et al. 2016“. Diese untersucht. Die Landplanarie meidet stehendes Wasser; sie ernährt Publikation führte zur bekannten sich von kleinen Regenwürmern und Gehäuseschnecken. Einheimische Forschungsarbeit von J.-L. Justine et Süßwasserplanarien werden von O. nungara gejagt und verschlungen, al. [5], die einen populären Titel Mückenlarven und Kellerasseln hingegen ignoriert. Ob es zu einer trägt: „Obama chez moi! The invasi- Bioinvasion kommen wird, ist derzeit noch unbekannt. on of metropolitan France by the land planarian Obama nungara (Pla- Jeder „Tümpel-und-Bach-Biologe“ Neuer Gattungsname: Blatt-Tier tyhelmintes, Geoplanideae)” [5]. Die kennt die unter Steinen lebenden Im Jahr 2013 publizierten die spani- Autoren betonen, dass in Deutsch- Süßwasserplanarien. Diese zwittrigen schen Planarienforscher F. Carbayo land O. nungara bisher nicht ent- Plattwürmer (Stamm: Platyhelmintes, et al. [3] eine umfangreiche moleku- deckt werden konnte. Klasse: Turbellaria, Ordnung: Tricla- lare Phylogenie der Geoplanidae und dida) haben bereits im 19. Jahrhundert reformierten damit das von Graff‘sche Erstnachweis in Deutschland die Naturforscher derart fasziniert, System [1]. In dieser Publikation Im April 2021 wurde in einer Boden- dass der österreichische Zoologe wurde der (weibliche) Gattungsname probe in Regensburg (Bayern) von Ludwig von Graff (1851–1924) im „Obama gen. n.“ eingeführt, der in Herrn M. Merkel ein ca. 4 cm langer, Jahr 1899 eine umfassende Monogra- brasilianischer Tupi-Sprache „Blatt schwarzer „Wurm“ gefunden [6], phie der Turbellarien publizieren (Oba)-Tier (ma)“ bedeutet. Diese den wir zur Untersuchung überreicht konnte [1]. Der europäische „Urvater“ Forschungen führten zur Neuord- bekamen, als O. nungara identifiziert der Planarienforschung erkundete die nung der Familie der Landplanarien. und in einem kleinen Terrarium kulti- Welt (u. a. Ceylon/Java und Nordame- So musste z. B. die Art „Geoplana viert haben (Abbildung 1a). Zunächst rika); er sammelte hierbei vielfältiges argus von Graff 1899“ in „Obama wurde systematisch überprüft, ob Material von Strudelwürmern (Tur- argus von Graff 1899 comb. n.“ um- O. nungara in der Tat ein strikter bellarien) in aquatischen wie terres benannt werden. Landbewohner ist. Hierzu haben wir trischen Lebensräumen, das er syste- Seit 2008 wurden hunderte etwa den Boden des mit feuchten Blättern matisch bearbeitete. 4 bis 9 cm lange exotische Landpla- und Moosstückchen versehenen Während die Süßwasserplanarien wegen ihrer enormen Regenerations- fähigkeit über Stammzellen als Modell- organismen in der Alterungsforschung bekannt sind (z. B. Schmidtea medi- terranea) [2]), haben sich die Land- planarien (Geoplanidae) als „invasive Räuber“ einen Namen gemacht. Be- reits von Graff [1] hat die bevorzugt in tropischen Regionen lebenden, oft bunt gefärbten Landplanarien klassi fiziert, darunter eine Riesenart, die 25 cm Körperlänge erreichen kann (Bipalium sp.). Unter Artnamen wie z. B. „Geoplana ferussaci von Graff 1897“ oder „G. argus von Graff 1899“ ABB. 1 Kunststoffterrarium (10 × 10 × 5 cm) mit der aus Regensburg stam- menden tropischen Landplanarie O. nungara, auf einem feuchten Buchenblatt sind von diesem Zoologen zahlreiche sitzend ohne Staunässe (a). Bei Überflutung kriecht die Planarie an der Plas- Spezies beschrieben und charakteri- tikscheibe empor und verbleibt über Stunden hinweg in Ruheposition (b) oder siert worden. kriecht auf ein Stück Rinde (Landbereich), wo sie gut getarnt ist (c).
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errariums mit einer ca. 2 mm tie-
T fen Wasserschicht versehen. Sobald die Laubblätter überflutet waren, kroch die Import-Planarie an der Seitenwand empor und verharrte ABB. 2 Beutefang dort, in relativer Trockenheit, in und Nahrungs- Ruheposition (Abbildung 1b). aufnahme von Wurde ein Rindenstück in den über- O. nungara. Re- fluteten Behälter gelegt, kroch die genwurmhülle (Pfeil) nachdem Obama an Land, wo sie optimal der weiche Inhalt getarnt war (Abbildung 1c). Diese ausgesaugt wur- Versuche haben wir mit gleichem de (a). Gehäuse- Resultat 12-mal wiederholt, so dass schnecke wird O. nungara eindeutig als „terres angegriffen (b) und vollständig trische Turbellarie“ zu klassifizieren ausgesaugt (c), so ist [1]. dass nur das leere Aus der oben zitierten Literatur Gehäuse zurück- war bekannt, dass O. nungara Re- bleibt. genwürmer und Gehäuseschnecken angreift und frisst. Wir konnten in zahlreichen Versuchen bestätigen, dass auch unser in Deutschland ge- ABB. 3 Die tropi- fundenes Exemplar dieselben Beute- sche Landplanarie organismen annimmt und weiche O. nungara jagt Körperteile derselben einsaugt bzw. und frisst einhei- verdaut (Abbildung 2). Da tropische mische Bachplana- rien (D. gonoce- Landplanarien andere Vertreter der phala). Es wird Geoplanidae attackieren und ver deutlich, dass der speisen [4, 5], überprüften wir, ob größere Räuber O. nungara einheimische Süßwas- sein Beutetier mit serplanarien als Beute erkennt. Wie dem kräftigen Schlund (Pharynx) Abbildung 3 zeigt, werden diese einsaugt. kleinen Turbellarien (z. B. die Bach- planarie Dugesia gonocephala) von der größeren, tropischen O. nun eindeutig nachgewiesen werden, mit etwas feuchter Erde übertragen gara verschlungen. Aquatische dass O. nungara Asseln angreift. und uns zusenden. Wir wollen Beuteorganismen werden somit von gemeinsam ergründen, wie weit der terrestrischen Raubplanarie Aufruf zur Mitarbeit O. nungara (oder eine Verwandte detektiert und komplett eingesaugt. Die invasive südamerikanische Land- tropische Art) bereits hierzulande Im nächsten Schritt überprüften wir, planarie O. nungara – über Blumen- etabliert ist. ob Beuteorganismen der Bachplana- erde in Töpfen versteckt durch den rie D. gonocephala wie z. B. Mücken- Pflanzenimport nach Europa ge- Literatur larven (Chironomus sp.) von O. nun- langt – hat inzwischen deutschen [1] L. v. Graff (1899). Monographie der Tur- bellarien II. W. Engelmann, Leipzig. gara als Fraßobjekt akzeptiert wer- Boden erreicht. Die Frage, ob diese [2] M. Iglesias et al. (2019). Stem Cell Rep. den. Das war jedoch nicht der Fall. „Bioinvasion der schleimigen Regen- 13,1–14. Die tropische Landplanarie erkennt wurmfresser“ (Abbildung 1, 2) hier- [3] F. Carbayo et al. (2013). Zoologica Scripta somit andere Strudelwürmer (Tur- zulande eine Problemsituation wie 42, 508. [4] F. Carbayo et al. (2016). Zool. J. Linn. Soc. bellaria) als Fraßobjekt, nicht aber in Frankreich [5] herbeiführen wird, 177, 5. die Beute ihrer einheimischen Ver- ist offen. Wir bitten daher unsere [5] J.-L. Justine et al. (2020). Peer J 8, e8385. wandten. In Bodenproben von Land- Leser, bei der Arbeit mit Garten- [6] U. Kutschera, I. Ehnes (2021). Science planarien sind neben Regenwür- und Topfblumen darauf zu achten, 372/581, E-Letter May 12, 1–2. mern auch regelmäßig Kellerasseln ob Landplanarien zu beobachten zu finden. Wir testeten daher, ob sind. Falls derartige schwarz-braune Ulrich Kutschera, Ingo Ehnes O. nungara diese Arthropoden als „Würmer“ auftauchen – bitte das AK Evolutionsbiologie, Beuteorganismen annimmt. In kei- Tier vorsichtig mit einer Pinzette 79104 Freiburg i. Br., nem unserer Experimente konnte packen, in ein kleines Plastikgefäß kutscherau@gmail.com
Reise in Brasilien _ auf Befehl Sr. Majestät Maximilian Joseph I., Königs von Baiern in den Jahren 1817 bis 1820 gemacht und beschrieben _ Spix, Johann Baptist von