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Leseverstehen, Teil 2

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Künstliche Intelligenz
Es begann damit, dass Takuma Yoshida an das Naheliegende dachte: Der Programmierer einer
Software-Firma aus Tokyo wollte einen möglichst starken Computer für das Brettspiel Othello
erschaffen. Einen Gewinnertypen sozusagen. Aber dann kam ihm eine bessere Idee: Warum nicht
einen Verlierer in die Welt setzen? So entstand "Der schwächste Othello-Computer", ein
Programm, das sich in Japan als Renner erweist. Binnen vier Monaten haben 400 000 Menschen
dagegen gespielt und bis Ende November 1,29 Millionen Mal gewonnen.

Viele Menschen scheinen solche Siege nötig zu haben. So zumindest deutet Takuma Yoshida
selbst den Erfolg seiner Schöpfung. Normalerweise ist es schließlich umgekehrt: Maschinen mit
künstlicher Intelligenz stehen für mühelose Perfektion, gegen die sich der Mensch vergeblich
abstrampelt. "Genau deshalb finden viele die Erfahrung so erfreulich, den Computer zu
bezwingen", sagt Yoshida in der Zeitung Asahi Shimbun. Bei Othello geht es darum, so viele
Spielsteine wie möglich zu gewinnen, indem man die des Gegenübers einrahmt. Das schwache
Othello-Programm endet zuverlässig mit weniger Steinen, es zeigt den Computer als fehlbares
Wesen und gibt dem Menschen das gute Gefühl, der digitalen Welt nicht ausgeliefert zu sein.
Gönnerhaft blickt mancher Nutzer auf den unterlegenen Computer herab. "Mir tut er langsam
leid", wird einer zitiert.

Künstliche Intelligenz dringt immer tiefer in den Alltag vor. Mit ihr sind große Hoffnungen
verbunden - aber manchmal auch ein Gefühl von Vergeblichkeit. Kürzlich erst hat Lee Se-Dol,
Meister des chinesischen Strategiespiels Go, seine Profikarriere beendet, weil er keinen Sinn mehr
darin sah, gegen unbezwingbare Computer anzutreten. Und der Roboter-Forscher Michio Okada
von der Toyohashi University of Technology hat in Versuchen nachgewiesen, dass gerade ältere
Menschen und Kinder lieber mit Robotern in Kontakt treten, die in ihren Aufgabenfeldern nicht
perfekt sind. Er plädiert für "eine Welt, in der eine Vielfalt von Maschinen mit künstlicher
Intelligenz erschaffen wird“.

Yoshida bedient mit seinem Verlierer-Computer also eine Sehnsucht nach Überlegenheit.
Allerdings ist diese Überlegenheit auch nur künstlich. Denn Yoshidas Othello-Computer verliert
nur deshalb, weil er so programmiert ist, als wäre es das Ziel des Spiels, am Ende nicht mehr,
sondern weniger Steine zu haben. Er findet immer einen Weg, dieses Ziel zu erreichen. Er ist
perfekt im Verlieren, man fragt sich fast, wie er in den ersten Monaten seines Bestehens trotzdem
noch auf 4000 Siege kommen konnte. Für seine Gegner ist es wirklich schwierig, gegen ihn
unterlegen zu sein. "Ergibt das überhaupt Sinn?", fragt sich der Brettspielcomputer-Experte
Benjamin Aldag. Aldag selbst ist Schachspieler. In seinem Sport ist die Technik längst so weit, dass
der Mensch keine Chance mehr hat, wenn es der Computer nicht will. Der Computer gilt hier
nicht als Übermacht, sondern als Partner, der sich verschiedenen Niveaus anpassen kann und
dadurch hilft, mit jeder Partie etwas zu lernen. "Wenn der Computer so spielt, dass der Mensch
eine Strategie erfolgreich anwenden kann" - das wäre für Benjamin Aldag ein klug
programmierter Spielbrettcomputer. Sichere Siege findet er uninteressant. Othello ist erst zu
Ende, wenn das Brett voller Steinen ist. Deshalb kommt durchaus ein Spiel zustande, auch wenn
der Computer nur seine eigene Niederlage inszeniert. Aber die Siege, die er vergibt, sind eher
Dienstleistungen für Menschen, die Erfolgserlebnisse brauchen.

1 Der Programmierer
a) entwickelte einen leistungsstarken Schach-Computer
b) entwickelte ein Programm, das in Japan sehr erfolgreich wurde
c) entwickelte ein Programm, das alle Japaner lieber

2 Für gewöhnlich
a) dient die künstliche Intelligenz den Menschen
b) fällt es der künstlichen Intelligenz leicht, Menschen zu besiegen
c) lieben es die Menschen, zu verlieren

4 Künstliche Intelligenz
a) verliert in Zukunft an Bedeutung
b) gibt den Menschen das Gefühl, unersetzlich zu sein
c) lässt Menschen am Sinn des Spieles Go zweifeln

5 Der Othelo-Computer
a) verliert, weil manche Menschen besser spielen können
b) gelingt es nicht oft genug, einen Weg zum Sieg zu finden
c) ist auf Verlieren programmiert

6 Benjamin Aldag
a) findet es besonders anstrengend, gegen einen Computer zu spielen
b) sieht Computer als einen klugen Gegner, von dem er sich was abgucken kann
c) findet ein Spiel nur interessant, wenn er gute Chancen auf Gewinn sieht

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