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REISE ZU DEN PEREZ ESQUIVEL: „ÜBERLASST


NAMIBISCHEN FLÜCHTLINGEN DIE STERNE DEN VERLIEBTEN!"
ROJIHTEXmECm My3EH !
□ Bocnpocoubo, IOr. flotionpn,

Er war ein er-taunlicher nes Hemd", und verspot­ D 3 Haca flHR


Mensch. Der auf Fotos tete jedes Spießertum.
mürrisch scheinende Blick
von un.en herauf

und verbirgt
Fühlen.
verrät
eine starke Persönlichkeit
ein zartes
Dieser Mann
Wladimir Majakowski
war stets ein patriotischer
Dichter. Die russischen
Kulturschaffenden standen
verschieden zur Revolu­
BUCHST Tm m a:

nnOOHO-OEMEntuBniomaR
schlug Riesensäle in sei­ tion. Manche erschraken,
llUüüUn nponbiuminiocTb
AOKnnAHHK
nen Bann, war aber einem andere fanden allmählich
einzigen ungerechten
Wort gegenüber wehrlos.
zu ihr.
schied
Majakowski ent-
sich gleich und
MAOTR/IHP_
Er bereiste viele Länder unwiderruflich: „Das ist
und gewann Sowjetruß­ meine Revolution." Er
land nur um so mehr lieb. ging in den Petrograder
Wie jeder geistreiche Smolny, arbeitete, mach­
OnnOHEHT
Mensch, brachte er ande- te alles, was gemacht

11
re zum Lachen, lachte
aber selbst nur selten. Er
liebte die Menschen, aber
für sture Leute kannte er
werden mußte.
Im Herbst 1919 traf im
Bürgerkrieg ein kritischer
Augenblick ein. Er war
HJlIöfflTE3HCEU AOKnAXlA

keine Gnade. Er sagte, entscheidend für die Zu­


zum Glück brauchte er kunft der Sowjetmacht. 4
1 nur „ein frisch gewasche- Majakowski ging in die Ankündigung
eines Disputs
unter Teilnahme
Majakowskis
und Lunatscharskis,
des ersten Volks­
bildungskommissars

Russische
agentur
Telegrafen-
(ROSTA).
I Er
I
zeichnete aktuelle Pla-
kate, die> sogenannten
ROSTA-Fenster, und be­
schriftete sie mit schmis­
sigen Versen.- Das war
seine Front, und er bot
seine ganze Kraft auf. An
manchen Tagen verfaßte
er 60—70 Plakatbeschrif­
tungen. Schon am näch­
sten Tag waren sie in al­
ler Munde.
„Von der Revolution
einberufen". — so defi­
nierte er seinen Platz im
Leben. Schreiben bedeu­
tete ihm für den Men­
schen und die Menschheit
kämpfen. Seine Verse wa­
ren geballte Leidenschaft,
Gedankengut, er schil­

wztm derte seine Zeit so,


er ihr Inbegriff
Majakowski
daß
wurde.
und die Re­
volution — sie waren für­
einander geschaffen, und
deshalb werden sie off
zusammen genannt.
„Ich bin ein entschlos­
sener Mensch, ich will
mit der Nachweit selber
sprechen und nichtt war-
ten, was ihr später• ein­
mal meine Kritiker sagen ■
werden", erklärte der
Dichter. Seine Dichtungen
noMori»! bedürfen noch heute kei­
y E7JT. ROBOVEM nes Mittlers, um bei Mil­
lionen Resonanz zu fin­
den.

Majakowski
vor ROSTA-Fenstern
MOSKAUER HEFTE
FÜR POLITIK April 1987
Gründungsjahr 1943

IN DIESEM HEFT:

2 19
NZ-Recherchen
Wort des Redakteurs
EINE „WIDERSTANDSINTERNA­
WIEDER BEDROHUNG!
TIONALE"
GAUKLER BEI DER ARBEIT
3 22
Zum UdSSR-Besuch der britischen
FPremierministerin Margaret Thatcher Hinterg rund
J. Korschunow. DROHENDE
4 ABRECHNUNG
W. Loginow, Stellvertreter
des UdSSR-Außenministers 24
(KOORDINIERTE ANSTRENGUNGEN Indonesien
Kindergarten in einem Lager A. Jurjew. DIE ARMEE UND IHRE
6 namibischer Flüchtlinge GEGNER
NZ-Umfrage
Auf Fragen der Redaktion 26
.antworten Stephen Rhinesmith (USA) Gemeinsame Betriebe
und Roddick B. Byers (Kanada) A. Kusmin, B. Koslow.
"MICROMED" LÄUFT AN
7
Panorama 27
Literatur
10 L. Mletschin. MORAL,
EHRE, GEWISSEN
NATO
Dialog mit dem Schriftsteller
W. Boikow. VERWIRRUNG IN
BRÜSSEL Zdenek Pluhar (CSSR)
Israel. Vor einem Terrorurteil
ODER DIE ATLANTISCHE DISKUSSION
gegen Mordechai Vanunu 29
UdSSR-Irak
112 A. Wassilinow. DIE ZEIT IST
Betrachtungen . ZEUGE
Adolfo Perez Esquivel (Argentinien).
"OBERLASST DIE STERNE 30
DEN VERLIEBTEN..." Im Süden Afrikas
N. Reschetnjak. EIN BESUCH
14 BEI NAMIBISCHEN FLÜCHTLINGEN
' BRD Revivez Relive 32
A. Tolpegin. ALTE PRIORITÄTEN le täte Sport
NEU AUFGELEGT moment Dream A. Pin. KÖNIG
EISHOCKEY
16 Titelbild: Foto von B. Sadvil
Sowjetunion
J. Schemjakin. SIBIRIEN, Emblem des Erinnerungsspiels der
WISSENSCHAFTLICH ERSCHLOSSEN Teilnehmer der "Jahrhundertrunde"
1972

1SUS
Chefredakteur
V. IGNATENKO
Redaktionskollegium:
L. BESYMENSKI,
S. GOUAKOW,
J. GUDKOW
(verantw. Sekretär),
A. LEBEDEW,
A. PIN,
B. PISTSCHIK
(stellv. Chefredakteur),
A. PUMPJANSKI
(stellv. Chefredakteur),
V. TSCHERNJAWSK1
(stellv. Chefredakteur)
Verantwortlicher
Redakteur der
deutschen Ausgabe
R. KRESTJANINOW
""NEUE ZEIT” 14.87 1
POST
IWEß BEDROH ITO?
Das ist schon Tradition. Jeden ber darin, die Wahrheit über
Jahrestag der Reagan-Administra­ Rüstungspotential und Absichten
Cei uns in Portugal ha­ tion begeht das Pentagon durch der UdSSR zu sagen.
ben selbst dir Icr.ierv*- einen neuen Bestseller „Die sowje­ Wozu diese unverhohlene Desin­
tlvstcn Kreise und das von
den Rechtskräften kontrol­
tische Militärmacht" (lies: militä­ formation? Weshalb mußte die von
lierte Fernsehen ernsthafte rische Bedrohung). Früher ging das den meisten US-Experten aner­
Schwierigkeiten damit, die Erscheinen der Broschüre mit einer kannte faktische Parität der UdSSR
sowjetischen Vorschläge TV-Ansprache des Präsidenten und der USA auf militärischem
über die Entspannung und
selbst einher. Von Landkarten, Gra­ Gebiet geleugnet werden? Warum
internationale Zusammenar­
beit zu „deuten". Dabei fiken und Zahlenkolonnen umge­ müssen die Autoren die sowje­
zeugen diese Vorschläge ben, redete er seinen Mitbürgern tischen Vorschläge über die Be­
meines Erachtens durchaus I breit lächelnd ein, die UdSSR stünde freiung unseres Planeten von
von den friedlichen, fort­
„an der Schwelle zu ihrem schlecht Kernwaffen bis Ende unseres
schrittlichen und demokra­ I
tischen Bestrebungen der geschützten Haus". Aber von der Jahrhunderts, über die Nichtmilitari­
Sowjeticgicrung und sind Iran-Affäre und der seit vier Mona­ sierung des Weltraums und die
keineswegs als Propaganda ten ersten Pressekonferenz ge­

I
Beseitigung der Mittelstreckenrake­
abzutun. Ich hoffe, daß
schwächt, eignete sich Reagan ten in Europa totschweigen? All
Ihre Anstrengungen unbe­
dingt zu einem offensichtlich wenig für einen diese Vorschläge werden im
Aufschwung aller Fort- zuversichtlichen Werbespot. Statt Abschnitt „Die UdSSR und die
schrittskrafte der Welt fuh­ seiner zeigte sich der Autor des Rüstungskontrolle" nicht einmal an-
ren.
Vorworts zur 6. Ausgabe der standsshalber erwähnt.
«a Joao COUTINHO Broschüre auf dem Bildschirm. Ver­ Die Antworten auf diese Fragen
it»
L.ssabon, Portugal teidigungsminister Weinberger liegen auf der Hand.
höchstpersönlich. Das Pentagon „entdeckt" die
Er überschüttete die Zuschauer sowjetische Überlegenheit in der
Die militärische US-Prasenz
im Mlttelmecr bewirkt eine
und die an der Fernsehpressekonfe­ Regel ausgerechnet bei jenen Waf­
überaus komplizierte, an­ renz teilnehmenden Journalisten mit fen, für die es im Kongreß neue
gespannte Situation. Unter „umwerfenden Angaben" aus dem Bewilligungen zu erhalten hofft.
dem Vorwand, den Terro­ Buch: Vierfache Überlegenheit der Demnach ist „Die sowjetische
rismus zu bekämpfen, schü­
UdSSR über die USA bei interkonti­ Militärmacht" eine Salve auf das
ren die USA Konflikte.
r Selbst die imperialistischen nentalen und bei ballistischen Kapitol, wo gegenwärtig die Op-
europäischen Regierungen U-Boot-gestützten Raketen, dop­ Position zu den Pentagon-Plänen
schwanken immer mehr pelte Überlegenheit der UdSSR bei immer lauter wird.
& und haben immer weniger
Jagdflugzeugen, neunfache bei Fla- Die Kanonen des Pentagon
Lust, sich der abenteuer­
lichen Brandstifterpolitik Raketen. Und so weiter. Moskau schießen auf US-Geschäftsleute, die
der USA anzuschlicDen. habe dem ABM-Vertrag schon den wachsendes Interesse an einem
Eine ernsthafte Krise der Rücken gekehrt. Die UdSSR ent­ ausgedehnteren Handel mit den
:kt „Partnertreue" (die man
richtiger sklavische Abhän­
wickle die Rüstungsindustrie nur auf sowjetischen Partnern zeigen, und
gigkeit nennen sollte) reift der Basis neuester westlicher auf US-Politiker, die von der Not­
im europäischen Lager her­ Technologien aus den Zi­ wendigkeit normaler Beziehungen
— an. vilbranchen. Oder folgende „Tat­ zwischen den USA und der UdSSR
Vincenzo SENIA
sache" auf S. 112: „Die Sowjets überzeugt sind. Schließlich auf diese
Rom, Haben
richten Laserstrahlen gegen Aufklä­ Beziehungen selbst, in denen sich
rungsflugzeuge aus der freien Welt eben erst hoffnungsvolle Ansätze
Heute wird weithin er- und verursachen bei den Piloten abzeichnen.
kamt, daß die Existenz dadurch zeitweilige Blindheit." Auf Die UdSSR und die USA. Gleich
zweier deutscher Staaten, die Frage nach konkreten Zwischen­ der gesamten Menschheit bahnen
der sozialistischen DDR
und der kapitalistischen fällen jedoch hörten die versammel­ diese beiden Länder jetzt ihren Weg
BRD. ein unverzichtbares ten westlichen Journalisten die über­ ins dritte Jahrtausend. Darf er mit
Element für das Kräf­ raschende Antwort: „Es gab keine." gegenseitigen Beschuldigungen
tegleichgewicht in Europa und dem Anheizen der Spannungen
Es gab sie also nicht. Oder,
*8.' und für die Schaffung eines
anders: Das Ganze entspricht nicht gepflastert sein? Nein, sagt man in
internationalen Sicher­
heitssystems bildet. Frie­ der Wirklichkeit. Wie offenbar auch Moskau fest. Hier sucht man nach
den auf deutschem Boden, die meisten anderen im Buch enthal­ Wegen gegenseitiger Verständi­
Frieden in Europa. Frieden tenen falschen (oder tendenziös gung, nach Berührungspunkten.

4 in der Welt ■ das hangt


miteinander zusammen.
Uwe KLENNER
ausgewählten) Angaben. Dabei be­
steht das erklärte Ziel der Herausge-
Sehr zum Unterschied von Wa­
shington.
Berlin, DDR
"NEUE ZEIT" 14.87
2
UdSSR — GROSSBRITANNSEN

Seit zwölf Jahren war kein


Awfi Ihtelhista britischer laubt somit, sich im weiteren auf eine zitierte Winston Churchill, der erklärt
Premierminister mehr zu einem offiziellen Annäherung der Ansichten in den hatte, auf die Atomwaffen solle nicht
Besuch in die Sowjetunion gekommen. Richtungen, in denen das vor allem verzichtet werden, solange man nicht
Früher, in den 60er und in den 70er erforderlich ist, zu konzentrieren. über andere Mittel zur Erhaltung des
Jahren, unter Tory- wie unter Labour- "Der sowjetisch-britische Dialog", be­ Friedens verfüge. Doch wir erinnern uns
Regierungen, waren die Kontakte auf tonte Michail Gorbatschow, "ist ein auch an eine andere Warnung Sir
höchster Ebene recht regelmäßig und untrennbarer und wichtiger Bestandteil Winstons, der dem Osten und dem
produktiv. Leider entwickelten sich in der heutigen europäischen und Weltpo­ Westen (nachdem die UdSSR das
den Jahren danach die Beziehungen litik." Kernwaffenmonopol der USA gebrochen
zwischen der UdSSR und Großbritannien Vor den Völkern beider Länder stehen hatte) riet, Frieden auf Erden zu
im politischen wie im wirtschaftlichen heute neue Probleme, die eine unver­ schließen, um ihn dann nicht mit dem
Bereich ungleichmäßig. Vorübergehend zügliche Lösung verlangen — durch ge­ Herrgott im Himmel schließen zu müssen.
kam es zu einer längeren Abkühlung. meinsame oder parallele Anstrengungen. Margaret Thatchers Worte zeugen
Nicht von ungefähr standen im Mittel­ davon, daß die weltpolitischen Absichten
Eine Wende zeichnete sich im Dezem­
punkt der Gespräche in Moskau Fragen der Sowjetunion auch weiterhin
ber 1984 ab, als eine sowjetische
der Zügelung des Wettrüstens. mißverstanden werden — sie sprach von
Parlamentarierdelegation unter Leitung
Die diesbezüglichen Mei­ den Befürchtungen, die unsere Erklärun­
Michail Gorbatschows Großbritannien
nungsverschiedenheiten sind immer noch gen, wir wollten für den Triumph des
besuchte. Im Vereinigten Königreich
fand das völlig neue Herangehen der
Vertreter der UdSSR an die Erörterung
aktueller internationaler und bilateraler
Fragen damals Beachtung.

Seitdem fanden wichtige und nützliche


Kontakte auf verschiedenen Ebenen statt.
In der UdSSR wurde eine repräsentative
Delegation des britischen Parlaments
empfangen. Im Sommer v. J. besuchte
UdSSR-Außenminister Eduard Sche­
wardnadse London. Wichtige zweiseitige
Abkommen wurden unterzeichnet.

Die Stagnation in den Beziehungen


zwischen beiden Großmächten, die einst
Alliierte gewesen waren und als Sicher­
heitsratsmitglieder besondere internatio­ • H
nale Verpflichtungen haben, machte
allmählich einem fruchtbaren Dialog, der
in der heutigen Welt lebensnotwendig i 7
ist, Platz.
Moskau appellierte immer wieder an
London wie an dessen Verbündete, ein
neues politisches Denken an den Tag zu
Moskau, Kreml, 30. März. Vor Beginn der Gespräche
legen, nach gemeinsamen Lösungen für
die akutesten Fragen der Gegenwart —
globale wie regionale — zu suchen und
sich für eine "Humanisierung" der groß. Michail Gorbatschow lehnte die Sozialismus in der ganzen Welt kämpfen,
internationalen Beziehungen einzusef- Meinung, Sicherheit könne auf einer hervorbringen. Unterdes betont Michail
zen. Politik der Stärke beruhen, entschieden Gorbatschow immer wieder, daß die
In diesem Geist verlief auch der ab. Das ist eine überholte Konzeption, Sowjetunion, die zutiefst an die Vorzüge
Dialog in Moskau zwischen Michail die in der Nachkriegszeit schon viel des Sozialismus gegenüber dem Kapita­
Gorbatschow und Margaret Thatcher, Unheil angerichtet hat. Die sowjetische lismus glaubt, keinerlei ideologische
und das ist ermutigend. Ein ehrlicher Konzeption eines neuen politischen Expansion anstrebt. Im Gegenteil ruft sie
Dialog, bei dem man nicht versuchte, Denkens beruht gerade auf einer Absage zum friedlichen Wettbewerb der un­
akuten Differenzen auszuweichen, auch an die Politik der Stärke in den heutigen terschiedlichen Gesellschaftssysteme, zur
gegenseitige Vorwürfe und Kritik wur­ internationalen Beziehungen und an die Durchsetzung der universellen Normen
den geäußert. Offenbar gerade so, ohne Doktrin der nuklearen "Abschreckung”, von Moral und Anstand in den interna­
etwas zu verschweigen, ohne die tat­ die nur zu einer Forcierung des tionalen Beziehungen auf.
sächliche Weltlage schönzufärben und Wettrüstens führt. Das unterschiedliche Herangehen an
offenen Einschätzungen der Positionen Unterdes klingt in Margaret Thatchers humanitäre Probleme, an die Fragen der
des anderen auszuweichen, müssen sich Erklärungen oft der Glaube an die Menschenrechte ist nur natürlich — hier
heute die Beziehungen auf staatlicher Wirksamkeit von "Stärke" und "Festig­ machen sich ideologische Kriterien wohl
Ebene entwickeln, müssen Verhandlun­ keit" in den Ost-West-Beziehungen, die am stärksten bemerkbar. Hier spielt sich
gen geführt werden. Das gibt den gefährliche Überzeugung von der der Westen als Mentor auf und verbrei­
Vereinbarungen größeres Gewicht, läßt abschreckenden, ja geradezu friedenstif­ tet Spekulationen. Wir fürchten eine
Differenzen deutlicher werden und er- tenden Rolle der Nuklearwaffen an. Sie Erörterung dieser strittigen Fragen kei-

"NEUE ZEIT" 14.87 3


Michal Gorbatschow machte deutlich: In Moskau fand eine Tagung des
r. es weg s und weichen ihr nicht aus.
Doch, wie Micha*« Gorbatschow be- Der Zusammenhang zwischen einer Re­ Komitees der Außenminister der Teil­
schon über d;C duzierung der strategischen Angriffswaf­ nehmerstaaten des Warschauer Vertrags
AAenschenrec? ‘e sprechen, dann !a3t uns fen und der Nichtmilitarisierung des über Freundschaft, Zusammenarbeit
über c' e Rechte sprechen und beson­ Weltraums habe strategische Bedeutung. und gegenseitige Hilfe statt.
Dieses Paket werden wir nie aufschnü­ -Zehn Jahre sind seit der ersten Tagung
ders über ;ene, d.e M...icr.cn Menschen
ren, unterstrich der KPdSU-Generalsekre­ des Komitees vergangen, das von der
berühren".
' höchsten Instanz der Organisation des
Offenbar d e Haltung der
wrd auch tär.
Sowjetunion zu der. Bezehungen Wie man sieht, v/erden die Warschauer Vertrages, dem Politischen

tJi sfeuropa-U SA ntckt vc.l verstan- zahlreichen Bekundungen guten Willens Beratenoen Ausschuß (PBA), eingesetzt
der» — gemaß
gemäß der schon klastischen seitens der UdSSR meist schnell "verges- wurde.
Schablone:, d*e
die UdSSR wolle cir.cn sen", verlangt man von Moskau immer Bei der Moskauer Tagung waren die
* Keil' zwischen die we*.’ »eben Verbün­ neue Zugeständnisse. Beim Ungleichge­ Minister nicht damit befaßt, Jubi­
deten treiben Moskau aber denkt in wicht zwischen Ost und West geht es läumsglückwünsche auszutauschen. Es
ganz anderen Kategor en— die UdSSR also nicht um ungleiche militärische ' I fand vielmehr ein eingehender Mei­
erkennt die historischen Bindungen Stärke, sondern um die ungleiche Be­ nungsaustausch über die Lage in Europa
zwischen den Staaten und Regionen der reitschaft, sie radikal abzubauen und und rn der Welt statt — bleibt sie ja
heutigen Welt an und ruft Westeuropa eine vollständige Beseitigung der Mas­ bekanntlich kompliziert, akut, gefährlich.
nur dazu auf, sich von der Angst vor der sen Vernichtungs waffen anzustreben. Im Schlußkommunique der Tagung
UdSSR zu befreien und einen größe­ Offenbar könnte Großbritannien eine heißt es: Die von der Sowjetunion in
ren Beitrag zur Weitpc'.tik zu leisten. aktivere und selbständigere Rolle bei Reykjavik unterbreiteten umfassenden
M.ichail Gorbatschow sagte offen, daß der Erreichung zumindest jener ! Vorschläge kennzeichnen ein qualitativ
die Sowjetunion, als ’ das Problem der Rüstungskontrollabkommen spielen,, zu neues Herangehen an die Ab-
--- ------------ ------ ---------------------
Mittelstreckenraketen aus dem Ver­ denen es bereit ist. In Moskau zumindest rüstungsprobleme.
handlungspaket herausnahm, mit der glaubt man, daß sich London da viel Erneut wurde die Entschlossenheit der
Unterstützung und
Großbritanniens konstruktiver zeigen könnte. verbündeten sozialistischen Staaten un­
Frankreichs gerechnet harte. Die UdSSR Wir sind dafür, Wege zu einer Welf terstrichen, sich für tiefgreifende, radi­
klammerte die Nuklearpctcntia'e dieser mit weniger Waffen zu suchen. Ver­ kale Reduzierungen und die Vernichtung
beiden Länder aus, obgleich sie weiter trauen entsteht nicht im luftleeren der Nuklearwaffen, die Verhinderung

1 quantitativ und qualitativ verstärkt wer­


den, um den Verhandlungen über einen
Raum.
"Persönliche Begegnungen”, erklärte
eines Übergreifens des Wettrüstens auf
den Weltraum und für die strikte
Abbau der Rüstungen einen Impuls zu AAichail Gorbatschow, "sind der beste j Einhaltung des sowjetisch-amerika-
geben. Doch wo bleiben Flexibilität und Weg, nach Berührungspunkten zu suchen ' nischen ABM-Vertrages einzusetzen.
Kompromißbeieitschaft der anderen Sei­ und die Positionen in konkreten Fragen Nach Meinung der Minister ist alles zu
u» te? Als Antwort ist bislang nur die einander näher zu bringen. Hier muß tun, damit die Vereinbarungen die
i •
Absicht zu vernehmen, um jeden Preis
die eigenen Nuklearkräfte zu bewahren,
man nicht nur selbst sprechen, sondern
auch zuhören können. Nicht nur zuhören, h Gestalt konkreter Abkommen — auf der
Grundlage Fortführung
der und der
werden nicht sonderlich überzeugende sondernauch den anderen verstehen Vertiefung des politischen Dialogs
Zahlen von einer "überwältigenden" und gemeinsam nach einer Lösung der zwischen den Staaten — annehmen.
Überlegenheit des Warschauer Vertrages kompliziertesten Fragen der heutigen Einstimmig wurde der Vorschlag der
bei den Raketen kürzerer Reich­ Welt suchen. Eben so wollen wir Sowjetunion unterstützt, unverzüglich ein
weite sowie bei den konventionellen unseren politischen Dialog mit Großbri­ Teilabkommen zwischen der UdSSR und
Streitkräften genannt. tannien gestalten.” den USA zu unterzeichnen, dem zufolge
Die Haltung der britischen Seite zeugt Vertrauen bildet sich allmählich, hier . die amerikanischen und die sowjetischen
von der gefährlichen Fehlein­ braucht man Geduld, Takt, den erforder­ Mittelstreckenraketen in Europa vollstän­
schätzung, SDI könne das Gleichge­ lichen Willen und Glauben an den dig beseitigt würden. Billigend wurde
wicht festigen, ohne die internationale Erfolg. Die sowjetische Öffentlichkeit auch unsere Erklärung aufgenommen,
Stabilität zu untergraben, und die "Ster- hofft, daß der Besuch Margaret Thatchers gleich nach Unterzeichnung eines
nenkriegs’’-Pläne würden die Lösung der in der UdSSR und ihre Gespräche mit solchen Abkommens die operativ-tak­
Frage eines Abbaus der strategischen Michail Gorbatschow ein wichtiger tischen Raketen größerer Reichweite aus
Waffen angeblich nicht beeinflussen. Schritt gerade in dieser Richtung waren. der DDR und der CSSR in Abstimmung
IST mit den Regierungen dieser Länder
abzuziehen, sowie unsere Bereit­
Beim Besuch des Troiza-Sergcj-Klosters von Sagorsk schaft, sogleich Verhandlungen über
die Raketen operativ-taktischer Bestim­
mung aufzunehmen.
Ebenso einmütig sprachen sich die
Minister für die unverzügliche Einstel­
lung des ”Sternenkriegs”-Programms des
Pentagon sowie für eine Beendigung von
Projekten wie der "Europäischen Vertei­
digungsinitiative” aus. Sie bekräftigten
ihre Entschlossenheit, sich für ein
vollständiges und allgemeines Verbot
der Kernwaffentests einzusetzen.
Auf der Moskauer Tagung wurde eine
Erklärung über das Verbot der che­
mischen Waffen verabschiedet, Der
schnellstmögliche Abschluß
Ver- der
handlungen über ein vollständiges und
globales Verbot der C-Waffen wird zu
einem Hauptziel der Außenpolitik der
verbündeten Länder erklärt.
Um gegenseitig annehmbare Lösungen

<1 "NEUE ZEIT" 14.87


iloOTdfiinifieirte pielle Haltung. Erinnern wir uns: Der •
1955 geschlossene Warschauer Vertrag
beginnt mit Worten, in denen sich das
Streben der verbündeten sozialistischen

ÄMft reinig wag® an


Länder "nach Schaffung eines System der
kollektiven Sicherheit in Europa" mani­
festiert, "das sich auf die Beteiligung
aller europäischen Staaten, unabhängig
von ihrer gesellschaftlichen und staat­
Wadim LOG I NO W, Stellvertreter des UdSSR-Außenministers
lichen Ordnung, gründet, v/as es erlau­
bei den Verhandlungen zu finden, haben dem Budapester Appell offen gegen­ ben würde, ihre Anstrengungen im
wir eine Reihe neuer Vorschläge für die übergestellt werden könnte. Manche Interesse der Sicherung des Friedens in
Deklarierung der C-Waffenarsenale, NATO-Länder zeigen sich an einer Europa zu vereinen".
dieSicherstellung des Produktionsverbots Vereinbarung interessiert. Andere stehen
für diese Waffen in der zivilen che­ einer solchen Perspektive zurückhaltend Das Wiener Treffen ist jetzt in die
mischen Industrie und für die Durchfüh­ gegenüber. Die USA und einige ihrer Phase verantwortungsvoller Handlungen
rung derKontrolle, darunter der interna­ Hauptverbündeten in der NATO aber und Entscheidungen getreten. Verbal
tionalen, vor Ort und von Überprüfungen treten weniger für einen Abbau als stimmen dem im Grunde alle zu. In
auf Antrag unterbreitet. vielmehr für eine Verstärkung der Wirklichkeit aber sind die Vertreter
Zugleich appellierten die Teilneh­ Streitkräfte und Rüstungen im Geist der vieler NATO-Länder bemüht, die Ab­
merstaaten des Warschauer Vertrages an berüchtigten "Politik der Stärke" ein. rüstungsprobleme aus dem Helsinki-
alle .anderen Länder, keinerlei Schritte Jetzt müssen die Regierungen Positio­ Prozeß auszuklammern sowie die neutra­
zuunternehmen, die die Erreichung ge­ nen der westlichen Öffentlichkeit be­ len und die nichtpaktgebundenen Län­
genseitig annehmbarer Vereinbarungen rücksichtigen, die sich klar für Ver­ der von deren Erörterung fernzuhalten.
bei den Verhandlungen erschweren und handlungen auf der Grundlage des
Die Teilnehmer der Moskauer Tagung
dieseverzögern könnten: C-Waffen, Budapester Programms ausspricht. Wie
erklärten, daß im Rahmen des gesamt­
einschließlich ihrer binären oder aus bei der Begegnung der Teilnehmer der
europäischen Prozesses die Fragen der
vielen Komponenten bestehenden Arten, Tagung des Komitees der Außenminister
Sicherheit und der Abrüstung behandelt
wie sie in Plänen militaristischer Kreise mit Michail Gorbatschow zu Recht betont
und gelöst werden müssen. Eben darauf
der USA vorgesehen sind, nicht zu wurde, gewinnen die Initiativen der
ist der von Polen auf dem Wiener Treffen
erzeugen; keine C-Waffen auf fremden Sowjetunion und der anderen Staaten
unterbreitete Vorschlag gerichtet, das
Territorien zu stationieren und sie von des Warschauer Vertrages zur Abwen-
Mandat der Stockholmer Konferenz
jenen fremden Territorien abzuziehen, düng eines Nuklearkrieges und zur
durch Abrüstungsfragen zu ergänzen,
wo sie noch gelagert sind, und den Abrüstung die Sympathien und die
die parallel zur Ausarbeitung solcher
Staaten, wo keine C-Waffen lagern, Unterstützung der Weltöffentlichkeit,
Maßnahmen wie dem allmählichen Ab­
deren Stationierung nicht zu gestatten. verändern die gesamte weltpolitische
bau der militärischen Aktivitäten, beson­
Die Minister behandelten eingehend Atmosphäre.
ders der beiden Militärbündnisse, der
prägen der Verwirklichung des Unlängst begannen in Wien, parallel
Benachrichtigung über selbständige
Programms für eine umfassende Reduzie­ zum KSZE-Nachfolgetreffen, Konsultatio­
Obungen der Luft- und der
rung der Streitkräfte und der konventio­ nen zwischen Vertretern von
Seestreifkräfte und der Erfassung der
nellen Rüstungen in Europa, das die 23 Staaten — der Mitgliedsländer des
Territorien aller KSZE-Staaten durch
Teilnehmerstaaten des Warschauer Ver­ Warschauer Vertrages und der NATO.
vertrauensbildende Maßnahmen zur
trages im Juni 1986 vorgelegt hatten. Ein Auftrag für künftige Verhandlungen
Schaffung eines militärischen Gleichge­
Bekanntlich verabschiedete damals die über eine Reduzierung der Streitkräfte
wichts auf möglichst niedrigem Stand
Budapester Tagung des PBA einen und der konventionellen Rüstungen vom
führen würden.
Appell an die NATO-Staaten und an alle Atlantik bis zum Ural wird erarbeitet.
europäischen Länder, in dem sie vor­ Wie die Außenminister ip Moskau Zur weiteren Entwicklung und Vertie­
schlug, innerhalb von ein bis zwei Jahren betonten, treten ihre Staaten für eine fung des gesamteuropäischen Prozesses
die Truppenstärke der Staaten der Senkung des militärischen Konfronta- tragen auch solche Aktionen der sozia­
gegenüberstehenden militärisch-poli­ tionsstandes in Europa ein, und zwar so, listischen Staaten bei, wie die Vor-'
tischen Bündnisse um 100 000 bis daß es die Maßnahmen zur Reduzierung Schläge für die Einberufung eines
150 000 Mann auf jeder Seite der Streitkräfte erlauben würden, die Wirtschaftsforums in Prag, einer Konfe­
abzubauen. Anfang der 90er Jahre hätte Möglichkeit eines Überraschungsangriffs renz über wissenschaftlich-technische
man dann in ganz Europa — vom Atlan­ wenn schon nicht vollständig auszu­ Zusammenarbeit in Bukarest und eines
tik bis zum Ural — die Landstreitkräfte schließen, dann doch zu verringern. Die ökologischen Forums sowie der Vor­
und die taktische Luftwaffe beider Verwirklichung der Vorschläge der DDR schlag der Sowjetunion, in Moskau eine
Bündnisse um 25 Prozent reduziert. So und der CSSR, der VR Bulgarien und der Konferenz zur Entwicklung der humanitä­
würde die Stärke der einander gegen­ SR Rumänien für die Schaffung von kern- ren Zusammenarbeit abzuhalten.
überstehenden Streitkräftegruppierungen und C-Waffen-freien Zonen in verschie- Die Außenminister der Bruderländer
in Europa um über eine Million Mann denen Regionen Europas könnte zu bekundeten so das Streben, alles zu tun,
verringert, wobei vor allem die Truppen­ einem wichtigen Beitrag zur Lösung damit das KSZE-Nachfolgetreffen in Wien
konzentration längs der Nahtlinie dieser Aufgabe werden. in konstruktivem Geist verläuft, damit
zwischen Warschauer Vertrag und NATO Besondere Aufmerksamkeit auf der seine Beschlüsse das neue Denken in
abgebaut würde. Tagung galt der Erörterung aller Aspekte internationalen Fragen demonstrieren
Dieses Programm wurde von der des gesamteuropäischen Prozesses und und die Festigung von Frieden und
europäischen Öffentlichkeit zustimmend der Erarbeitung eines solchen Kurses der Sicherheit, die Entwicklung der Zusam­
aufgenommen. Die führenden Kreise der verbündeten Länder bei dem Wiener menarbeit in Europa und in der ganzen
NATO aber schwiegen sich lange aus Treffen, der zu dessen erfolgreichem Welt fördern. Sie appellierten aus
und suchten einer Antwort unter dem Abschluß beitragen würde. Die sozia­ Moskau an alle Teilnehmerländer des
Vorwand, man müsse die weitreichenden listischen Länder meinen, bei einer Wiener Treffens, alle Anstrengungen zu
Vorschläge der sozialistischen Länder allseitigen Entwicklung könne der ge­ unternehmen, damit das Forum mit der
erst sorgsam prüfen,-auszuweichen. samteuropäische Prozeß zu einer Art Annahme bedeutungsvoller und ausge­
Offenbar hat die NATO bis heute Modell für ein System der umfassenden glichener Entscheidungen abgeschlossen
keine klare gemeinsame Position, die Sicherheit werden. Das ist unsere prinzi- wird.
"NEUE ZEIT" 14.87 5
NZ-UMFRAGE

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ffil OE iE iffl ■

Stephen Rhinesmith: ihre Altersgefährten in der Sowjetunion


besuchen werden, bedeutend — von
1500 auf 4000 — zunehmen. Wir hoffen,

SIMPLE ANTWORTEN 6tBT ES M daß auch die Zahl der Sowjetbürger, die
in die USA
jungen Menschen,
reisen, insbesondere
zunehmen wird.
der

Stephen Rhinesmith ist Botschafter der USA, Koordinator des Präsidentenprogramms Natürlich haben wir nach wie vor
tur amerikanisch-sowjetischen Austausch. Differenzen über die Menschen­
rechtsproblematik, über Probleme der
Wie wird unsere Zukunft aussehen? fassend sagen: Die Frage der Stabilität
Emigration und andere Fragen, die mit
Wird ie ohne Kernwaffen sein? Frie- ist sehr eng sowohl mit der Wirtschaft als
einem freien Informationsfluß, mit dem
der, — das ist ein sehr komplizierter auch mit den Vorstellungen der

I
freien Austausch von Ideen und
Begriff, und simple Antworten gibt cs Menschen verbunden. Gerade in diesen
Menschen Zusammenhängen. Doch ich
hier nicht Die Frage einer kernwaf- Bereichen der amerikanisch-sowjetischen
möchte sagen, daß heute für private
te.tieien Weit hangt, wie ich meine, Beziehungen wird jetzt eine große
Organisationen der USA die Zusammen­
nicht nur von den USA und der UdSSR Arbeit geleistet.
arbeit mit der sowjetischen Seite viel
ab, sondern auch von vielen anderen In diesem Jahr werden mehr Künstler
leichter und einfacher geworden ist als
Landern und den Menschen, die dort als im Vorjahr aus den USA in die UdSSR
noch vor kurzem. Ich meine, daß die
LI* leben— obgleich sie natürlich in kommen, intensiver wird sich der Aus­
amerikanische Privatwirtschaft großes In­
großem Maße von den Beziehungen tausch von Fachleuten in verschiedenen
teresse an einer partnerschaftlichen Teil­
zwischen unseren beiden Machten ab- Bereichen der Wissenschaft und des
nahme bei jenen Veränderungen zeigt,
hungt. Es ist völlig klar, daß die Frage gesellschaftlichen Lebens gestalten, wird
die sich in Ihrem Land vollziehen. ■ |—|
des Vertrauens hier, wie man sagen die Zahl der amerikanischen Schüler, die
kann, erstrangige Bedeutung erlangt.
Wenn Menschen über Programme des
kulturellen Austauschs sprechen, dann Roddick B. Byers:
sind das im Grunde Versuche, als

r
>
Vc-bcdmgung
trauen zu
das
festigen,
Rustengskontroll- und Abrüstungsabkom­
gegenseitige
um Fortschritte
Ver­
bei EIN SCHONES ZIEL, M
men zu erzielen. Zweifellos wird der Roddick B. Byers ist Direktor des Zentrums für internationale und strategische
& Bereich der nationalen Sicherheit der Forschungen der Universität York (Kanada)
USA für uns stets primär sein. Doch wir
wollen so verfahren, daß dos Überleben Ich meine, eine kernwaffenfreie Welt denkt, aus wirtschaftlichen, politischen
der Menschheit nicht gefährdet wird. Das ist unmöglich. Das ist ein schönes Ziel, und technischen Gründen kaum realisier­

17 ist
Prozeß
ein langsamer
(ich meine
und
den
komplizierter
Weg zum
doch dabei ist zu berücksichtigen, daß
Ost und West nun schon über 40 Jahre
bar sein.
Als reale Grundlagen der inter­
Abschluß von Abkommen), zudem nicht Nuklearwaffen als Mittel zur Ge­ nationalen Stabilität würde ich zwei
nur für die USA und die UdSSR sondern währleistung der Sicherheit betrachten, Aspekte hervorheben. Erstens wären
auch für unsere Verbündeten, für die und angesichts der komplizierten Lage wir — damit meine ich die ganze Welt,
4
anderen Lander, die Zugang zu Nuklcar- glaube ich, daß sie auch in Zukunft so Ost und West — in einer vorteilhafteren
wafi'en haben: S c we-den gleichfalls die oder so Nuklearkräfte als Instrument der Lage, wenn wir ein Gleichgewicht der
entsprechenden Schlußfolgerungen zie­ Abschreckung ansehen werden. Zudem offensiven und der defensiven Kräfte zur
hen müssen. müssen wir berücksichtigen, daß außer Gewährleistung der strategischen Stabili­
Sei* vielen Jahren versuche ich den USA und der UdSSR auch andere tät erreichen könnten, wobei die Zahl
? Menschen die ihre e.gcnen Vorstellun­ Lander über Kernwaffen verfügen. der nuklearen Offensivwaffen bedeutend
gen von sich haben, zu helfen, jene, die Deshalb wird es wohl auch im Jahr zu verringern wäre. Diese Idee ist mit
sich von ihnen unterscheiden, besser zu 2000 noch Kernwaffen geben, die wir so wjeti sehen Sicherheits Vorstellungen
verstehe ’. Und ich me ne daß wenn sich aus Sicherheitserfordernissen beibchalten historisch vereinbar.
<3 e Me 'schcn nicht bemühen zu erken­ werden. Zugleich muß ihre Zahl bedeu- Und zweitens das Verhältnis von
Nuklear- und konventionellen Waffen.
AE nen, wie sc sich in die Vielfalt der ;j tend verringert werden. Reykjavik war
Diese Frage beunruhigt viele Europäer.
Kuit.’v . der pc • sehen und philoso- zwe (eisfrei em wichtiger Schritt in die
pi en Strömungen e nfugen, wenn s e : richtige Richtung. Es ist erforderlich, daß Dabei stimme ich Generalsekretär Gor­
ih-en Platz nicht bestimmen können, wir jI die Amerikaner und die Russen die batschow zu, der sagte, daß dieses
auch in Zukunft mi* Routine Chauvinis­ E'orteruna einer Reduzierung der Nu­ Problem im Kontext von Verhandlungen

mus und A’gwcnn konfrontiert werden. klearwaffen fortsetzen über eine europäische Abrüstung erör­

Es wird keine Stab, itat in de" Welt Was SDI angeht, so wird dieses tert werden müsse.

geben Desha O moch'e ich zusammen­ Projekt, w e es sich Präsident Reagan E


"NEUE ZEIT" 14.87
6
PAHOHAMA

CHINA

Erfolge

- ‘ <

Problenae

O IN PEKING IST DER VI.


NATIONALE VOLKSKON­
GRESS ZU SEINER 5. TA­
GUNG ZUSAMMENGETRETEN

Die Abgeordneten des


höchsten Organs der
Staatsmacht der VR China
erörtern den Bericht über die
Arbeit der Regierung im ver­
gangenen Jahr, den der amtie­
rende Generalsekretär des ZK
der KPCh und Premier des
Staatsrates der VR China, Zhao
Ziyang, verlas. Sie werden
den Plan für die ökonomische
und soziale Entwicklung ver­
abschieden und den
Staatshaushalt für 1987 bestäti­
gen. hrx
Auf der Tagung wurde be­
tont, daß China im vergange­
nen Jahr in seiner sozialökono­
mischen Entwicklung vorange­
kommen ist. Die
Volkswirtschaft entwickelte
sich insgesamt stabil. Die Brut­
toproduktion in Industrie und
Landwirtschaft stieg gegen­
über dem Vorjahr um 9,3
Prozent. 1986 wurden 391,09
Mio t Getreide eingebracht -
11,98 Mio t mehr als 1985. Die
Realeinkommen (unter Be­
rücksichtigung steigender
Preise für Bedarfsartikel und
Dienstleistungen) der Stadtbe­
wohner stiegen um 13 Prozent, „Wie schön! Es heißt, Gott habe die Welt in sechs Tagen erschaffen. Dafür kann ich
die der Bauern um 3,2 Pro­ sie in einem Augenblick zerstören!"
zent. Zeichnung: W. Arsenjew
Zugleich bleiben, wie auf
der Tagung betont wurde,
akute Probleme ungelöst. So
ist der Anteil der Investitionen und -oinnahmen konnten nicht und der Rentabilität arbeiten, Export große Bedeutung bei­
in den Bau von Schlüsselob­ ausgeglichen werden. zu verwandeln. gemessen. In dem Bericht war
jekten relativ gering. Im Die Wirtschaftsreform wird Auf der heutigen Etappe davon die Rede, wie wichtig
Staatshaushalt 1986 entstand (ortgeführt. Wie Zhao Ziyang wird der Ausweitung der es ist, ausländische Unterneh­
aus verschiedenen Gründen sagte, soll die Reform in den Außenwirtschaftsbeziehungen, mer zur Schaffung von Betrie­
ein Defizit von 7,08 Md. Yuan, Industriebetrieben vertieft einer effektiven Nutzung des ben, die auf chinesischem und
die Einzelhandelspreise eini­ werden, um sie in relativ Auslandskapitals, der moder­ ausländischem Kapital beru­
ger Waren kletterten eingcständige wirtschaftliche nen Technik und Technologie hen, in Zusammenarbeit oder
durchschnittlich um 6 Prozent, Einheiten, die nach den Prinzi­ sowie der verstärkten Heran­ ganz auf Auslandskapital ba­
die Devisenausgaben pien der Eigenfinanzierung ziehung von Devisen aus dem sierend, zu gewinnen.
"NEUE ZEIT" 14.87 1
PANORAMA

Zürn ide'-'og.sch-pcl • sehen unversöhnlicher Opposition


Barair L l r.r.’.tat irie Zhao Zi- zur dortigen Regierung der
-ja- k der A'Lc t ct r INDIEN Linksfront, die von der KPI(M) PERSISCHER
geleitet wird. Die Wähler
letzten Z/or.ate de den o-
<!■• I.c Stroniul.g der ‘'bx’gcr- unterstützen schon zum dritten
GOLF
lu her. Lil-eralis r rg' zu- Mal diese Front, die zwei
ru< krjc-garii.i n ist. Nichtsdesto­
weniger werden, um ihren
Regionail- Drittel der Mandate in der
gesetzgebenden Versammlung
I intluß zu beseitigen, noch errang.
nicht genüge Anstrengungen
erleide-.icl sein wählen In Kerala leitete der INC(I) Maim
die Regierungskoalilion eini­
im außenpolitischen ger lokaler Parteien. Bei den
schürt
Abschnitt des Bcr.chts he.2t
cs, daß die heutige Wc age
von jetzigen Wahlen errang die
Linke Demokratische Front un­
kompliziert bleibt und die ter Führung der KPI(M) eine Unruhe
Gefahr eines Krieges weiter
besteht. Doch die Stärkung
großer klare Mehrheit und kann so
die Regierung bilden.
der Friedenskräfte macht die O DAS PENTAGON SCHLUG
Erhaltung des Weltfriedens
durchaus möglich China wird
Bedeutung Die von dem INC(I) ge­
führte Koalition geriet in Ke­
EIN WEITERES MAL ALARM.
Der Anlaß: Angeblich hat
rala in einen üblen Ruf, ge­
auch weder eine eigenstän­ der Iran an der Straße von
dige und unabhängige Außen­ kennzeichnet durch Korrup­
O AM 23. MÄRZ FANDEN Hormus, die aus dem Ara­
politik verfolgen und sich um tion, lokale Engstirnigkeit und
IN DREI UNIONSSTAATEN bischen Meer in den Per­
die Wiedervereinigung der Fraktionskämpfe, was auch die
WAHLEN ZU DEN DORTIGEN sischer) Golf führt, Raketenbat­
Stimmung der Wähler be­

I
Heimat bemühen. Hierbei be­ GESETZGEBENDEN VER­ terien aufgestellt und kann
tonte Zhao Ziyang die Bedeu­ einflußte.
SAMMLUNGEN STATT. dort die .Schiffahrtswege sper­
tung des Abkommens
So verlor die Regie- ren. Genauere Angaben dar­
zwischen den Regierungen Diese Unionsstaaten sind
rungspartei des Landes in über, daß diese Batterien
der VR China und Portugals Dschammu und Kaschmir im
Südindien den letzten tatsächlich aufgebaut wurden
über Aomen (Macao). Norden,. Kerala im Süden und
Unionsstaat, in dem sie an der oder daß der Iran zumindest
VI Westbengalen im Osten. In
Macht war. Insgesamt werden über sie verfügt, besitzen die
Die winzige portugiesische
Oft diesen Unionsstaaten leben 60
jetzt in 9 von 24 Unionsstaaten USA nicht — das gestehen
Kolonie, wo auf nur Millionen Wähler — mehr als
15,5 Quadratkilometern die dortigen Regierungen Vertreter der US-Administra-
die Einwohnerzahl eines belie­
ca. 500 000 Chinesen und an nicht vom INC(I) geleitet. tion ein. Nichtsdestoweniger
bigen westeuropäischen Lan­
die 10 000 Portugiesen leben, erklärt Washington, in der
des. Ober 3000 Kandidaten Der Mißerfolg in Kerala
soll am 20. Dezember 1999 an Golfregion sei eine neue Be­
bewarben sich um die mehr kann sich ungünstig auf Rajiv
die VR China übergeben wer­ drohung entstanden.
als 500 Abgeordnetenmanda­ Gandhis Ansehen auswirken,
den — also zwei Jahre nach Also — klare Angaben gibt
te. Doch vor allem war es die der den Wahlkampf des INC
Übergabe der britischen Kron- es nicht, und iranische Rake­
erste Kraftprobe seit den sowohl in diesem Unionssfaat
Kolonie Xianggang tenstellungen, die die Straße
allgemeinen Wahlen von wie in den beiden anderen von Hormus bedrohen, wur­
r (Hongkong) mit ihren 6 Millio­
nen Einwohnern an China.
1984 zwischen dem regieren­
den Indischen National­
leitete. Sein nach wie vor den gleichfalls nicht ermittelt.
großes Ansehen vermochte Unzählige Bordgeschütze der
Entsprechend diesen Abkom­ kongreß (I) und der Opposi­ den Einfluß örtlicher Faktoren U. S. Navy aber sind bereits
men wird sowohl in tion. Damals, unmittelbar nach nicht zu neutralisieren. auf die Küste gerichtet — eine
Xianggang als auch in Aomen
der Ermordung Indira
nach ihrer Rückgabe an China ganze Armada von 18 Schiffen
Gandhis, errang der INC(l) Zugleich widerspiegeln Lo­
50 Jahre lang die heute dort unter dem Flugzeugträger
die überwiegende Mehrheit kalwahlen natürlich nicht un­
bestehende kapitalistische Ge- "Kitty Hawk”! Das ist eine
im Zentralparlament. Doch in bedingt die gesamtnafionale

:w sellschaHsordnung
henbleiben.
beste-
em.gen Unionsstaaten sind
nicht Kongreß-Vertreter an der
Lage der einen oder anderen
Partei. In den letzten Jahren
nicht imaginäre, sondern
durchaus reale Bedrohung für
die Schiffahrt im Persischen
D,e Tagung wird ein Gesetz Macht oder regieren nur mit hat man gesehen, daß, wenn
Golf und die Anrainerstaaten.
über die Bouernkomitees ver­ der Unterstützung lokaler Par­ es um gesamtstaatliche Offensichtlich ist die "ira­
abschieden. Bei der vor acht teien. Das gilt auch für die Probleme und die Außenpoli­
nische Bedrohung" nicht mehr
« Jahren eingeleiteten neuen drei besagten Unionsstaafen. tik geht, die Wähler meist für
als ein Vorwand für die USA,
Agrarreform waren die den INC(I) stimmen, da sie in
um sich in das Geschehen in
Volkskommunen, in denen die In Dschammu und Kaschmir ihm den Garanten für den Kurs der Region einzumischen und
administrative und regierte der INC(I) im Bündnis von Jawaharlal Nehru und die belebteste Olarterie der
wirtschaftliche Macht kon­ mit der lokalen islamischen Indira Gandhi sehen. So ge­ Welt unter Kontrolle zu brin­
zentriert war, beseitigt und Nationalkonferenz. Diese Al­ schah es auch diesmal. Am Tag gen. Diese Provokation hat
lianz siegte auch diesmal und des lokalen Urnengangs (an- ' Washington von langer Hand
die Amtsbezirke, die mit admi­
wird die Regierung bilden. den Nachwahlen zum Zentral­
nistrativen Rechten versehen vorbereitet. Bereits im Januar
wurden, w.ederhergestelit Die klerikal-chauvinistischen parlament statt. Alle drei Kan­ beklagte sich Ex-Verteidi­
und die anderen reaktionären didaten des INC(I) errangen
worden. D.e Bauernkomtces gungsminister James Schlesin­
Gruppierungen erlitten eine dabei einen eindeutigen Sieg. ger darüber, daß in der
cnts*anden dabei als Organe
AB der Selbstverwaltung. Ihr Sta­
schwere Schlappe. Ein solcher
Wahlausgang wird es erlau­
Lokale Leidenschaften hatten
den Wählern nicht den Blick
Golfregion bislang keine
tus soll jetzt gesetzlich veran­ US-Truppen stationiert sind. Er
ben, den Separatismus in die­ auf gesamtnafionale Prioritäten
kert werden. verlangte Abhilfe, indem zwei
sem grenznahen Umcnsstaat versperrt.
Flugzeugträgervcrbände
Die Tagung des Nationalen wie im benachbarten Punjab
Dutzende Kriegsschiffe mit
V. xskongresses. die am 25. erfolgreich zu bekämpfen. L. SHEGALOW
Kampfflugzeugen an Bord - in
Marz begann wird ihre Arbeit NZ-Korrcspondent
In W'estbengalcn steht der den Persischen Golf entsandt
am 16. April beenden.
!NC(!) sehen seit langem in Delhi werden.
M. JAKOWLEW
"NEUE ZEIT" 14.87
6
PANORAMA
ii

Schlesingers Offenbarungen Unter dem Druck der Welt­ Nach 12 Jahren Emigration
könnte man als Rückfall in die öffentlichkeit mußte Pinochet beschloß er, illegal in die
Kriegspsychose abtun, wenn CHILE zwei Jahre später das Lager Heimat zurückzukehren. Einige
sie sich nicht auf Erklärungen schließen und diese Gruppe Stunden nach Almeydas
von Vertretern der Administra­ von Häftlingen freilassen. Sie Eintreffen in Chile mußte er
tion stützen würden, sie sei alle wurden des Landes ver­ vor Gericht treten. Vor dem
bereit, ihre strategischen In­ Chile-Chico wiesen — wie weitere Gerichtsgebäude hatten sich
teressen in der Golfregion Zehntausende Chilenen. Viele Tausende von Chilenen ver­
zu sichern. Hierbei wurde auf emigrierten selbst, um ihr sammelt, um den Patrioten zu
eine "gewisse Macht" ange­ Leben zu retten. Andere (es begrüßen. Der Richter ließ
spielt, die angeblich jeden O AM 26. MÄRZ WURDE sind Hunderttausende), Opfer Almeyda auf freien Fuß und
Augenblick die Olfelder der DER GENERALSEKRETÄR DER der Wirtschaftskrise, verließen erlaubte ihm, in Santiago zu
Golfregion unter ihre SOZIALISTISCHEN PARTEI die Heimat auf Suche nach leben. Selbst rechte Gruppie­
Kontrolle bringen, ja die in CHILES, CLODOMIRO Arbeit. rungen, die sich nicht gegen
den Golfstaaten bestehende die Diktatur wenden, un-
politische Ordnung verändern terstützten diesen Beschluß,
könne. Doch was bedeutet Ge-
Doch die Einschüchterung setzlichkeit für Pinochet? Er
der Golfstaaten durch eine persönlich befahl, den
nichtexistente Bedrohung aus Minister zu verhaften und für
dem Norden ruft entgegen 90 Tage nach Chile-Chico zu
Washingtons Wunsch bei den verbannen. Dort wurde er
Völkern der Region keine unter strenge Polizeiaufsicht
Panik hervor. Dort versteht gestellt (zweimal täglich muß
man Kommentaren der einhei­ er sich in einer Kaserne
mischen Presse zufolge, daß es melden).
sich um falschen Alarm handelt Das Telefon unter der Num­
und dabei schon viele Jahre mer 288 in Chile-Chico, wo
nur das Ziel verfolgt wird, den sich Clodomiro Almeyda be­
an der Küste des Persischen findet, läutet ununterbrochen.
Golfs gelegenen arabischen In der vergangenen Woche
Staaten US-Militärstützpunkte wurde sogar — was beispiel­
aufzuzwingen. Den amerika­ los istl — aus Moskau angeru­
nischen Militaristen gelang es fen. Aus der sowjetischen
nicht, sich in der Region Hauptstadt konnte ich mit
festzusetzen. Und so gehen sie diesem Mann sprechen, der
eben, da man sie nicht durch beispielhaften Mut und
die Tür läßt, durchs Fenster. enorme Standhaftigkeit de-
Das Pentagon stellt ungebeten monstriert. Obgleich die Ver­
Wachposten an den Zugän­ bindung schlecht, das Ge­
gen zum Persischen Golf, in spräch kurz und zudem un­
Demonstranten protestieren gegen die Menschenrechtsverletzun­
der Straße von Hormus, auf. terbrochen war, konnten wir
gen in Chile
Überdies sind die USA der doch Clodomiro Almeydas
Foto: AFP-TASS
"New York Post" zufolge Worte hören: "Ich möchte
bereit, einen Schlag gegen meine Genugtuung über die
den Iran unter dem Vorwand ALMEYDA, IN DEN Nach Schätzungen der ka­ Rückkehr in die Heimat zum
der "Verteidigung der Schif­ ÄUSSERSTEN SODEN DES tholischen Kirche Chiles leben Ausdruck bringen... Wenn ich
fahrt" in der Golfregion zu LANDES NACH CHILE-CHICO heute nicht weniger als eine auch auf Beschluß des Regimes
führen. Gestützt auf offizielle VERBANNT. Million Chilenen in vielen nach Chile-Chico verbannt
Vertreter der U.S. Navy, Seit ihrem Bestehen er­ Ländern Lateinamerikas und wurde, so bin ich doch
schreibt die Zeitung, der Flug­ reichten diese Ortschaft nicht Europas im Exil — und das bei unendlich froh, daß ich erneut
zeugträger "Kitty Hawk" habe so viele Anrufe aus aller Welt einer Gesamtbevölkerung von mit meinem Volk und in
bereits Gefechtsstellung bezo­ wie dieser Tage. Das kleine nicht mehr als 11 Millionen. meinem Land lebe — zwölf
gen. Und erst vor relativ Fernsprechamt konnte nur mit Jahre nach der Ausweisung."
kurzer Zeit antwortete Penta­ Müh und Not rund um die Uhr Die Emigranten kämpfen Almeyda dankte allen, die in
gon-Sprecher R. Sims auf die Gespräche vermitteln, die schon viele Jahre für die Chile und im Ausland ihre
Bitten von Journalisten, Mel­ pausenlos nicht nur aus San­ Anerkennung ihres Rechts auf Solidarität mit ihm bekundeten
dungen zu kommentieren, der tiago und anderen chile­ Heimat. Diese Forderung fin­ und äußerte die Gewißheit,
Flugzeugträger bewege sich nischen Städten, sondern auch det ein großes Echo selbst in daß der mutige Kampf des
auf den Persischen Golf aus Buenos Aires, Madrid, Kreisen, die der regierenden chilenischen Volkes letztlich
zu. "Ich weiß nicht, welchen Paris und Berlin eingingen... Junta nahestehen. Deshalb zur Wiederherstellung der De­
Kurs die 'Kitty Hawk' steuert." Clodomiro Almeyda war mußte Pinochet einige Zuge­ mokratie führen werde.
Möglicherweise hat Sims Außenminister in Salvador Al­ ständnisse machen. In den Ober 400 politische
durch seine "Unwissenheit" lendes Regierung der Unidad letzten Jahren durften viele Häftlinge in chilenischen Ge­
jemanden ins Bockshorn ge­ Populär. Nach dem Militär­ Ausgewiesene zurückkehren. fängnissen sind in den Hun­
jagt. Doch sehr schnell schon putsch von 1973 wurde er Doch bislang stehen noch gerstreik getreten. Almeydas
wurde für Klarheit gesorgt. verhaftet und zusammen mit ca. 2000 Emigranten, die der Rückkehr trotz Pinochets Ver­
Heute ist deutlich, daß das anderen Ministern und führen­ Diktator als "Gefahr für die bot hat den Patrioten Chiles,
Weiße Haus durch die Entsen­ den Politikern (darunter auch nationale Sicherheit" be­ allen Kämpfern gegen die
dung einer Armada in den dem Generalsekretär der KP trachtet, auf der schwarzen faschistische Diktatur neue
Persischen Golf Kurs auf die Chiles, Luis Corvalan) in ein Liste. Unter denjenigen, denen Kraft gegeben.
Destabilisierung der Lage in KZ auf der menschenleeren mit dieser Begründung die
der Region genommen hat. Insel Dawson im Süden der Rückkehr verweigert wurde, Jose Miguel VARAS
KAPRALOW Magellanstraße verbannt. war auch Clodomiro Almeyda. chilenischer Journalist

"NEUE ZEIT" 14.87 9


MATO

Verzicht auf die Teilnahme an der

Verwirraw
Militarisierung des Weltraums die Ver­
wirklichung der Star-War-Pläne ernsthaft
behindern. Nach allem zu urteilen, hält
man in Washington so etwas jedoch für

in Brüssel
wenig wahrscheinlich: Das Geschrei
werde sich legen, und die werden - im
Namen der atlantischen Solidarität - klein
beigeben. Schließlich sei das schon
immer so gewesen.
Man nehme den SALT-II-Vertrag. Auf
der Frühjahrstagung des NATO-Rates
oder die atlantische Diskussion über "Sternenkriege", 1986 löste die Absicht, gegen die vom
kernwaffenfreie Perspektiven und konvenfionellle Rüstung Vertrag auferlegten Beschränkungen zu
verstoßen, eine für die Washingtoner
Administration wenig erfreuliche Polemik
aus. Ein halbes Jahr später, auf der
„In der Nordatlantikur.ion schwirrt es Die NATO-Länder mögen zu Ein­ v/interlichen Ratstagung, die kaum zwei
wie in einem aufgestörten Wespennest”, zelproblemen unterschiedliche Meinun­ Wochen nach dem Verstoß der USA
sagte ein westlicher Kollege über die gen vertreten. Aber das Ergebnis der. gegen die „Limits" von SALT II stattfand,
gegenwärtige Situation im atlantischen Diskussionen läuft in der stand diese Frage schon im Hintergrund.
NATO-Hauptquartier Da; geht schon seit Regel auf die Unterstützung der US-Posi- Nach einer Serie amerikanischer „Erläu­
Monaten sc. Zuerst die Reaktion auf tion hinaus. Washington ist es so terungen" und „Konsultationen" ver­

I
Reykjavik und die dort erörterte Idee gewöhnt, und die Juniorpartner hätten schoben einige westeuropäische Spitzen­
der Beseitigung von Kernwaffen. Dann über seine gereizte Reaktion auf ihre politiker die Akzente. Nun redeten sie
auf den Bruch der US-Administration mit Kritik eigentlich nicht staunen sollen, davon, beide Seiten hätten SALT II
den SALT-I I-Bestiinmungcn. Die Erörte­ zumal ihre eigene Haltung gegenüber einzuhalten. Einige von ihnen schrieben
rung einer eventuellen Reduzierung der
konventionellen Waffen verlief stürmisch.
»*1
Kaum hatten sich diese Leidenschaften
0« gelegt, da entzündeten sich neue. Zwei
Themen kamen an die Tagesordnung.
Washington ging daran, die Pläne der
Stationierung der ersten SDI-Staffel zu
besprechen und den ABM-Vertrag die­
sen Planen anzupassen. Moskau kam
dem Weslcn entgegen und erklärte sich
bereit, dos eurostrategische Problem
gesondert zu lösen.

Über „Sternenkriege
Die US-Versuche, den Waffen den
Weg in den Weltraum zu ebnen,
beunruhigten die Westeuropäer. Wie
KJ die Wochenschrift „NATO Report"
schrieb, befurchte man hier, daß „die Caspar Weinberger (I.) und Lord Carrington. Worüber sinnieren der Pentagon-Chef
Ausfälle gegen den ABM-Vertrag und und der NATO-Generalsekretäri Was können sie den Initiativen aus Moskau außer
eine frühe SDI-Entfa'tung den Vertrag der leeren Handfläche anbieten!
leibst und die Hoffnungen auf neue Foto aus „NATO Review" (Belgien)
5 Abkommen unterminieren“. Laut Presse­
meldungen verwiesen der Bundesaußen­
minister Genscher, sein belgischer SDI inkonsequent und widersprüchlich der UdSSR sogar Verstöße zu - die
Amtskoi ege Tindemans und andere ist. Bekanntlich war die erste Reaktion USA hatten es ihnen vorgemacht. Aber
Washington darauf, daß die der westeuropäischen Spitzenpolitiker die Haltlosigkeit solcher Vorwürfe liegt
SDI-Forschungen nicht über den Rahmen auf die amerikanischen Star-War-Pläne auf der Hand.
h.nausgehen dürfen, den der ABM-Ver­ negativ. In den letzten Februartagen waren
trag in seiner üblichen Interpretation Paul Nitze und Richard Perle in Europa
Dann begannen Rückzieher. Großbri­
fcs'icgt. Krit k nö’te man aus Amsterdam, und besuchten auch die NATO-Resi-
tannien, dio BRD und Italien schlossen
London, Rem und anderen Hauptstädten. denz. Washington schickte sie auf die
sich SDI offizic'l an. Andere Länder,
AB. D e ursprünglichen Versuche, die „in
z. B. Frankreich, erklärten, keine Ein­
Reise, um sozusagen nicht gegen die
Panik gera’cr.en Partner ziirech*zuwei- Anstandsrcgeln zu verstoßen und sich
wände gegen eine Teilnahme der natio­ mit seinen Partnern zu „beraten" zu
sen oder c nfach zu überhören, lösten
nalen Firmen an diesem Unternehmen zu haben. Genauso wie seinerzeit über
die Spannungen nicht. NATC-General-
haben. SALT II. Nach diesen Konsultationen
lekretär Ca- ngfon nch'ete e ne aberma­
lige Forderung an Wash ngton, keine Wie werden s ch die Westeuropäer traten jedoch in der US-Position keine
Entscheidungen zu treffen ohne seine weiter verhalten? Angesichts der Gesin­ grundsätzlichen Veränderungen ein. Nur
Bundmspartr er zu Ra‘e gezogen zu nung im US-Kc.ngre3 könnten eine feste daß Washingtons polemischer Ton viel­
haben. Haltung der Bündnispartner und ihr leicht weniger scharf wurde.

10 "NEUE ZEIT" 14.87


Rüstungen. Im Prinzip waren sie mit dem
Über kernwaffenfreie• gehört die Behauptung, der Warschauer
Vertrag habe eine mehrfache Überlegen­ Vorschlag der UdSSR und ihrer Verbün­
II Perspektiven heit bei den konventionellen Waffen. deten einverstanden, die Erörterung des
Reykjavik war für die atlantische Ge­ Zieht man alle Faktoren - den qualitati­ Problems der konventionellen Rüstungen
meinschaft besonders strapaziös. Die ven und quantitativen Aspekt der kon­ in Europa vom Atlantik bis zum Ural
Perspektive einer kernwaffenfreien Welt ventionellen Rüstungen, die (vorläufig aufzunehmen. Die Brüsseler Deklaration
mißfiel nicht nur im Hauptquartier des ausgeklammerten) Rüstungspotentiale entstand in heftigen Diskussionen und
Obersten Befehlshabers der Vereinten Frankreichs und Spaniens - in Betracht, fiel sehr mager aus. Das fällt
NATO-Streitkräffe Europa, sondern auch so sieht man, daß die Kräfte annähernd besonders auf, wenn man dieses Doku­
vielen Politikern. Im Ergebnis rückte der gleich sind. Im vorigen Jahr erklärte ment mit dem Budapester Appell des
Westen von den Positionen, die in der George Shultz z. B.: „Wenn ich höre, in Warschauer Vertrages vom Juni
isländischen Hauptstadt erreicht wurden, einer kernwaffenfreien Welf werde man 1986 vergleicht.
ab. Aus der Haltung der amerikanischen uns bei den Kräften allgemeiner Bestim­ Die sozialistischen Länder haben ein
und westeuropäischen Führung ging mung überholen, nehme ich das einfach Programm für einen radikalen Abbau von
hervor, daß sie nicht dazu bereit war, nicht ab." Vor kurzem sprach Senator Truppen und Rüstungen in Europa
Kernwaffen bis zum Ende dieses Jahrhun­ Pell, der dem Auswärtigen Ausschuß des unterbreitet. So schlagen sie vor, die
derts zu vernichten. Die NATO gibt der Senats vorsteht, einen ähnlichen Gedan­ einander gegenüberstehenden Mili­
50prozentigen Reduzierung der sowje­ ken aus. Und die maßgebliche Brookings tärgruppierungen um mehr als eine
tischen und der amerikanischen strate­ Institution zog den Schluß: Das Ver­ Million Mann zu vermindern. Die Brüsse­
gischen Arsenale den Vorrang. hältnis zwischen Warschauer Pakt und ler Deklaration dagegen weist, von der
Daß man dort die nuklearen Keller NATO im Bereich der konventionellen Bereitschaft zu Verhandlungen über
unseres Planeten nicht räumen will, hat Kräfte ist nicht nur paritätisch, sondern Verhandlungen (der Meinungsaustausch
mehrere Gründe. Die atlantischen Exper­ zeige sogar einen gewissen Oberhang zu dieser Frage hat am 17. Februar in
ten meinen, es seien die Kernwaffen, die zugunsten des Westens. Wien begonnen) und von der Wieder­
„West und Ost 40 Jahre Frieden Die Frage nach einer „Disharmonie" holung der alten Grundsätze der
gesichert" haben. der Rüstungspotentiale der USA und westlichen Seite abgesehen, nichts auf.
Eine Entnuklearisierung Europas Westeuropas wurde auf der im Winter Seitdem ist die westliche Position nicht
erscheint ihnen unrealistisch. Die „Null- abgehaltenen NATO-Ratstagung im Rah­ konkreter oder konstruktiver geworden.
Option", die ja ursprünglich von der men einer Pressekonferenz gestellt. In Auf dem Wiener Nachfolgetreffen der
NATO kam, wird abgelehnt. Warum? seiner Antwort sagte Lord Carrington, KSZE-Staaten sprachen die Delegierten
Weil die Beseitigung der sowjetischen dieses Problem beunruhige ihn nicht, Renard (Frankreich) und Zimmerman
und amerikanischen Raketen für den „die Präsenz von mehr als 300 000 (USA) von künftigen Verhandlungen als
Westen unvorteilhaft sei. In diesem Fall US-Soldaten in Europa ist ein anschau­ einem Forum, dessen Aufgabe nicht
werde er die „erdrückende Übermacht" licher Beweis besagter Harmonie". Abbau von Truppen und konventionellen
der UdSSR bei Raketen mit einer Viele wagen es nicht, gegen die Rüstungen sei, sondern die Erzielung
Reichweite von weniger als 1000 km populäre Idee der Beseitigung von einer „konventionellen" Stabilität. Der
durch nichts wettmachen können, und Euroraketen aufzutreten, und versuchen schon erwähnte „NATO Report" sieht
bei den konventionellen Rüstungen indirekt abzublocken. Neuerdings wird das so: „Einige NATO-Länder wünschen
drohe ihm eine nicht weniger „ge­ das Problem der Kontrolle aufgebauscht. ihr Verteidigungspotential nicht als Ge­
fährliche Disparität". Außerdem würde Die westliche Presse meldet: Die USA genleistung für eine Reduzierung beim
der Abzug der amerikanischen Eurorake­ hätten die Absicht, der UdSSR notorisch Warschauer Vertrag zu reduzieren."
ten die Rüstungspotentiale der USA und unannehmbare Methoden zur Verifika­ Versuche werden unternommen, die
Westeuropas auseinanderbringen und tion des Abkommens über die Beseiti­ Notwendigkeit einer einschneidenden
die Alte Welt nahezu wehrlos machen. gung der Euroraketen vorzuschlagen. Reduzierung der europäischen konven­
Der griechische Premierminister Pa­ Aber diese diplomatische List ist ein tionellen Potentiale in Zweifel zu ziehen.
pandreou nannte solche Argumente in Bumerang. Kaum ein US-Bündnispartner Ein anschauliches Beispiel ist die Rede,
einer Rede vor dem Parlament Mitte ist für den Gedanken einer Super­ die Stephen Ledogar, Ständiger amtie­
Februar haltlos. Das stimmt. Wir wollen kontrolle zu begeistern. Wie „Nouvelles render Vertreter der USA bei der NATO,
das am Beispiel der Kurzstreckenraketen atlantiques" schreibt, verstünden die im Februar vor Reservisten hielt. Die
(Reichweite nicht über 1000 km) veran­ Westeuropäer, daß es zu einer Verein­ UdSSR wolle die Verhandlungen über
schaulichen. In Reykjavik schlug die barung nur auf gegenseitiger Grundlage die konventionellen Waffen benutzen,
UdSSR vor, gleich nach Beseitigung der kommen könne, und so gäben sie zu um zwischen die USA und ihre euro­
Euroraketen diese Waffen quantitativ verstehen, daß es „ihnen schwerfallen päischen Partner einen Keil zu treiben.
einzufrieren und sofort über ihr weiteres wird, in eine Inspektion durch sowje­ Im Grunde verlangte er eine einseitige
Schicksal zu verhandeln. In seiner tische Kontrolleure einzuwilligen". „Le Abrüstung der UdSSR: „Angesichts der
Erklärung vom 28. Februar kam Michail Soir" schrieb, daß der belgische Premier­ militärischen Situation in Europa ist die
Gorbatschow dem Westen einen weite­ minister Martens der Aussicht, auf Reduzierung überwiegend auf seifen der
ren Schritt entgegen. Nach Abschluß belgischem Boden sowjetischen Offizie­ sowjetischen Kräfte vorzunehmen."
eines Abkommens über die Beseitigung ren zu begegnen, nichts Erfreuliches Ähnlich äußerte sich vor kurzem der
der sowjetischen und der amerikanischen abzugewinnen vermöge. Ein solcher bundesdeutsche Verteidigungsminister
Mittelstreckenraketen aus Europa werde Schritt würde, schließt die Zeitung, Wörner. Da der Warschauer Vertrag
die UdSSR ihre operativ-taktischen Rake­ „auch der nationalen Gesetzgebung „eine riesige Übermacht" bei der Trup­
ten erhöhter Reichweite aus der DDR widersprechen, der zufolge Belgien nur penstärke und den konventionellen
und der CSSR abziehen. Im Hinblick auf für NATO-Militärangchörige offen ist". Rüstungen habe, müsse er auch größere
die anderen Nuklearraketen sei die Anstrengungen unternehmen. Gleiche
UdSSR bereit, sofort in Verhandlungen oder nur etwas asymmetrische Reduzie­
zu treten, um auch sie zu reduzieren und Über die konventionelle rungen würden die NATO nicht befriedi­
vollends zu beseitigen. Das dürfte klar
Rüstung gen.
genug formuliert sein. Inzwischen ver­ Mal sehen, ob im gegenwärtigen Streit
klausulieren die NATO-Polifiker das innerhalb der NATO die Wahrheit
Ganze immer mehr. Auf ihrer Brüsseler Konferenz im geboren wird.
Einst sagte Disraeli: „Auf der Welt Dezember beschlossen die Außenmi­
W. BOIKOW
bestehen Lügen, gemeine Lügen und nister der NATO-Länder eine Deklaration
Statistiken." Zu solcherlei Statistiken über die Kontrolle der konventionellen Brüssel
"NEUE ZEIT" 14.87 1 1
BETRACHTUNGEN

„Überlaßt
die Sterne
den Verliebten
Adolfo Perez ESQUIVEL
Friedensnobelpreisträger (Argentinien)

Zeichnung von S. Krasauskas

I
ich werde oft gefragt, wie ich mir die und ein Lied sangen, das sie extra für merikas, sechseinhalb Millionen
Zukunft vorstelle, ob ich nicht ein wenig dieses Ereignis gemacht hatten. Darin Menschen hungern? Natürlich nicht, das
drauflosphantasieren wolle. Phantasie ist hieß es: "Reagan, überlaß die Sterne den Ergebnis ist einkalkulierf in den Plan, die
jedoch hierbei nicht nötig. Schon im Verliebten!" Die jungen italienischen Länder Lateinamerikas dem Imperialis­
Heute erkennen wir die Zukunft. Wie sie Männer und Frauen sangen nicht von mus zu unterwerfen.
dann aussieht, hangt davon ab, was wir zwei Verliebten unter Sternen, sondern In Argentinien hat die Militärdiktatur
heute machen. Deshalb möchte ich von allen Menschen, die ihr Leben ganze Arbeit geleistet, als sie diesen
davon sprechen, was ich heute sehe. lieben, von der Japanerin auch, der die Plan verwirklichte. Auf Empfehlung der
Ich komme gerade von einer längeren Atombombe die Liebe geraubt hafte... berüchtigten Wirtschaftsschule Milton
Auslandsreise zurück und habe eine Als sie "Reagan, überlaß die Sterne den Friedmans in Chicago hat sie ein
Unmenge von Eindrücken und Begeg­ Verhebtenl" sangen, wollten sie ihm ökonomisches Modell übernommen, das
nungen hinter mir. Manch unaus­ sagen: "Laß die Menschen am Leben. sich nur für ausländische Monopolisten
löschlicher Augenblick, wie etwa, als ich Nimm ihnen nicht ihre Liebel" und das einheimische Großkapital ren­
in Athen mit einer älteren Japanerin Diese Italiener in Milano waren genau so tierte. Ein Argentinier, Wirtschaftsmi­
sprach, die Hiroshima überlebt hat. Sie alt, wie die Japanerin damals, als die nister Jose Alfredo Martinez de Hoz,
sagte, daß die Explosion der Atom­ Bombe in Hiroshima explodierte. Wir Kreatur internationaler Banken, setzte
bombe ihr Leben verkrüppelt hat, ihr die können also aus der Gegenwart heraus diese Empfehlungen um. Grausame Ver­
[ Möglichkeit genommen hat, normal mit
Menschen zu verkehren, eine Familie zu
einen Blick in die nicht allzu ferne
Zukunft werfen, wenn wir uns die
brechen und empörende Menschen­
rechtsverletzungen wurden damals in
haben, Kinder zu bekommen. Die Bombe entsetzlichsten Annalen der Vergangen­ Argentinien nicht etwa deshalb verübt,
beraubte sie ihres Rechts auf Liebe. heit vergegenwärtigen. weil eine Handvoll amoklaufender Gene­
Mir scheint, diese Frau hat das Wesen So kann es in Zukunft aussehen, wenn rale die Macht hatte, sondern DIE
der Situation, wie sie heute in der Welt wir nicht hier und heute entschieden brauchten den Terror, um die Arbeiter­
besteht, zur Sprache gebracht. Ihr handeln. bewegung kaputt zu machen. Massen­
Schicksal wird unser Schicksal sein, wenn Ich möchte noch auf etwas anderes zu organisationen zu liquidieren und den
die Atomkatastrophe eintritt. sprechen kommen, auf die lautlose Argentiniern die Fähigkeit zu nehmen,
Katastrophe, wie ich sie nenne. Sie tötet klar zu denken, um dann ungestört dem
Ais das Treffen zwischen Gorbatschow
bereits heute, so, als würden mehrere Land IHRE Wirtschaftspolitik aufzuzwin­
und Reagan in Reykjavik ergebnislos zu
Hiroshima-Bomben detonieren. Diese Ka­ gen. Der von den Militärs ersonnene
Ende ging, weil der US-Prästdent sich
tastrophe heißt Hunger und Armut. Jeden "Prozeß der nationalen Wiedergeburt"
nicht von SDI trennen wollte, fand in Tag sind Millionen Lateinamerikaner mit hat Argentinien um 40 Jahre zurückge­
Milano eine Friedenskundgebung von ihr konfrontiert. worfen. Die Produktion nahm rapide ab,
Jugendlichen statt. Ich erinnere mich, die sozialen Konflikte spitzten sich
wie siebzigtausend junge Italiener sich Die Menschen, mif denen ich mich in
zu. Um ihre Position zu festigen, fingen
auf einem riesigen Platz versammelten Europa unterhielt, waren überwiegend in
die Militärs den Krieg auf den Malwinen
Sorge über die Gefahr eines Atomkrie­
an. Die Vereinigten Staaten jedoch, die
ges. Sie haben auch allen Grund dazu,
sich sonst so gern auf den Inneramerika­
schließlich leben sie in einem Atomrake­
nischen Vertrag über gegenseitigen
tenwald. Diese Raketen sind eine direkte
Der Argentinier Adolfo Perez Esquive! Beistand berufen, versagten Argentinien
Bedrohung für das menschliche Leben
ist Bildhauer und Architekt. Er ist diesen Beistand und halfen ihrem
auf der Erde.
bekannt dafür, daß er o‘:entlich Partei NATO-Partner Großbritannien.
ergra bt für Fr eden und Menschenrechte. In Lateinamerika stehen andere Sor­ Die von Pentagon-Beratern in die
1980 wurde er mit dem Friedensno- gen an erster Stelle. Unsere Völker Streitkräfte der lateinamerikanischen Län­
be!prc s ausgezeichnet. Er leitet die werden immer weiter über die Ar­ der hineingetragene "Nationale Sicher­
lateinemerikan sehe Crga-msaf an "Frie­ heitsdoktrin" bricht zusammen. Sie führt
mutsgrenze geschoben. Die Existenz, das
den und Gerecht gkeit '. Ende der 70er
Überleben ganzer Nationen stehen auf alle Konflikte in der Welt auf die Ost-
Jahre als die M *ars in Argentinien d e
der Kippe. Ist es etwa ein Zufall, daß in West-Konfrontation zwischen UdSSR und
Macht ergr ;;en, verbrachte er 14 Monate
Argentinien, dem reichsten Land Lateina- USA zurück. Natürlich hat man uns
een Folterkc .e'n der Junta
11 "NEUE ZEIT" 14.87
eingetrichtert, daß die Sowjetunion unser Nehmen wir zum Beispiel die Aus- zerne verkauft werden. Das ist noch ein
Hauptfeind ist. Tatsächlich aber ver- landsschulden Lateinamerikas. Warum Schlag gegen die nationale Unabhängig­
suchen die Vereinigten Staaten, unsere kann er sich eigentlich nicht mit anderen keit. Ratenzahlung verwandelt sich in
Länder zu unterdrücken und auszu- lateinamerikanischen Ländern systematische, moderne Sklaverei.
beuten. absprechen über gemeinsame Aktionen Ich möchte an den Ausgangspunkt
Auf Bitten des UNO-Generalsekretärs und gemeinsame Positionen gegenüber meiner Überlegungen zurückkommen,
beteiligte ich mich letztes Jahr an der den Kreditgebern? zur Präge des Friedens und wie wir uns
Arbeit einer Kommission zu Problemen der nuklearen Gefahr entledigen können.
Südafrikas, Namibias und zur Funktion In Argentinien, wo es nicht genug Genau so, wie die Zukunft in der
der multinationalen Konzerne in dieser Lebensmittel gibt, um die Hungernden Gegenwart erkennbar ist, reflektiert auch
Region. Wir trafen mit allen interessier­ zu ernähren, wo es an Geld für die die Vergangenheit unser Heute. Was will
ten Seiten zusammen, von der Süd­ Verbesserung der medizinischen Versor­ man nicht alles für die Verhinderung des
westafrikanischen Volksorganisation Na­ gung, für die Entwicklung von Industrie zweiten Weltkrieges getan haben. Man
mibias (SWAPO) bis zum Verband der und Landwirtschaft und für neue Ar­ sollte zugeben, daß wenig getan wurde.
Südafrikanischen Handelskammern. Wir beitsplätze mangelt, werden das von der Sehen wir uns einmal an, was heute
sprachen mit Vertretern des Internationa­ Nation erwirtschaftete Vermögen und passiert: Die Sowjetunion ist mit einer
len Währungsfonds (IWF). Die Informa­ neue Kredite aus dem Ausland praktisch Initiative hervorgetreten, über die wir
tionen, die ich dabei erhielt, zwangen nur darauf verwendet, die Schuldenzin­ uns alle freuen, als sie Kernwaffentests
mich, vieles, was in Südafrika passiert, sen abzuzahlen. Wohlgemerkt, nicht die auf einseitiger Grundlage einstellte und
mit anderen Augen zu sehen. Ich begriff, ursprünglichen Kredite, sondern Zinsen ihr Moratorium fünfmal verlängerte. Ober
daß die multinationalen Konzerne die und Zinseszinsen. Wir wissen anderer­ anderthalb Jahre dauerte der Teststopp.
einzelnen Staaten schon längst unter ihre seits, daß 60 % unserer Schulden durch Die USA folgten ihrem Beispiel nicht,
Gewalt gebracht haben und daß die ungesetzliche Finanzmanipulationen zu- obwohl allen klar ist, daß die Ver­
Interessen der Völker keinerlei Bedeu­ standegekommen sind. In Argentinien vollkommnung und Hortung von Atom­
tung für sie haben. Wenn man gefragt leben heute zahllose vagabundierende waffen das Kriegsrisiko vergrößert und
wird, warum sich bis heute das Kinder, aber der IWF bringt seine die Gefahr für den Frieden wächst. Kein
Apartheidregime in Südafrika halten Genugtuung darüber zum Ausdruck, daß Staat kann mehr seine Sicherheit rpit
konnte, ist die Antwort recht einfach. Argentinien seine Kreditzinsen abzahlt. Waffen garantieren.
Dort operieren schließlich multinationale Und die Rüstungsausgaben? Die Ent­ Auch die Haltung Frankreichs trägt
Konzerne, und die stützen das Regime. wicklungsländer kaufen 70 % aller in der nicht dazu bei, die Spannung zu
Mit amerikanischem, britischem, mit Welf produzierten konventionellen Waf­ verringern. Paris setzt seine Atomwaffen­
westdeutschem Kapital... Um so mehr, als fen. Auch Argentinien, Brasilien und tests auf dem Muroroa-Atoll im Stillen
in Südafrika der größte Teil des Goldes Uruguay vergeuden nicht gerade wenig Ozean fort. Wir sprachen schon über
auf der Welt gefördert wird. Mittel für die Rüstung... Man sieht also, den Waffenhandel. Die größten Waf­
Ich komme zu dem Schluß, daß die wo das Geld für die notwendige fenproduzenten sind bekanntlich die
Repräsentanten von Entwicklungsländern sozi'alökonomische Entwicklung bleibt. Vereinigten Staaten und dje Sowjet­
viel mehr Aufmerksamkeit auf die Bezie­ Die meiner Meinung nach inkonse­ union. Die anderen, die entgegen allen
hungen zwischen unseren Ländern ver­ quente Politik Argentiniens und Brasi­ UNO-Resolutionen Waffen an Südafrika
wenden sollten, zwischen Lateinamerika liens in nuklearen Fragen möchte ich liefern, sollte man jedoch ebensowenig
und Afrika, Afrika und Asien. Das würde ebenfalls nicht unerwähnt lassen. Den vergessen.
dazu beitragen, daß wir unsere eigenen Tlatelolco-Vertrag über einen atomwaf­ In London sprach ich mit Labour-
Probleme besser analysieren. Immerhin fenfreien Status Lateinamerikas haben Parlamentariern. Sie sagten mir, daß
haben wir viel gemeinsam. Was auf den beide bis heute nicht ratifiziert. Aller­ während des Malwinen-Krieges das
Philippinen geschehen ist, hat dings tut sich Brasilien mit einem britische Geschwader Atomwaffen mit­
Ähnlichkeit mit den Vorgängen in wichtigen Vorschlag hervor, den Südat­ führte und daß die britische Admiralität
Argentinien... lantik zu einer Zone des Friedens zu die Möglichkeit in Betracht gezogen
Die Tätigkeit der "Sechs von Delhi" erklären. Ein tadelloser Vorschlag, nur hatte, für den Fall einer ungünstigen
wirk,t sich positiv auf das internationale noch besser wäre, ihn durch konkrete Wendung der Ereignisse die argenti­
Klima aus. Auch Argentinien gehört zu Handlungen zu untermauern. nischen Häfen mit Nuklearmunition (I) zu
diesen sechs Staaten. Ich habe ihre Als ich in Bolivien war, besuchte ich beschießen.
Friedensinitiativen unterstützt. Wir die größten Zinnbergwerke der Welt, Gibt es einen Ausweg? Mir scheint, es
brauchen den konkreten Ausdruck guter "Siglo XX" in Catavi. Ich wurde von der gibt nur einen Ausweg: Denkende
Absichten. Trotzdem kommt es mir so Bergarbeiterin Domitila Chungala und Menschen sind aufgerufen, öffentliches
vor, als sei die Welt der Deklarationen einigen Bergarbeiterfrauen begleitet. Bewußtsein zu schaffen, dazu beizutra­
überdrüssig. Handlungen sind geboten, Wir gingen vor Ort und unterhielten uns gen, daß alle diese Probleme, Atomkrieg
die darauf abzielen, die entstandene mit den Kumpels über ihren Hun­ und lautlose Katastrophen, Hunger und
Situation zu verändern. gerstreik. Sie waren nicht etwa deshalb Armut, sehen; ihre Stimme nicht nur in
Gewiß, der Einfluß moralischer Un­ in Hungerstreik getreten, um ihre Ar­ den USA und in der UdSSR zu erheben,
terstützung auf den Lauf der Ereignisse, beitsbedingungen zu verbessern oder sondern'auch in anderen Ländern.
wie sie die Repräsentanten der "Sechs" um mehr zu verdienen, sondern sie Vor 10 bis 12 Jahren entstand in
artikulieren, zu denen auch der argenti­ protestierten dagegen, daß die staat­ Lateinamerika eine Bewegung für die
nische Präsident Raul Alfonsin zählt, lichen Zinnminen an multinationale Kon­ Annäherung der Völker unserer beiden
steht außer Zweifel. Ich glaube jedoch, zerne übergeben wurden. Hungerstreik Länder. Nicht der Regierungen, sondern
daß nur moralische Unterstützung heute ist hart, wenn ringsum wirklich Hunger eben der Völker, der Öffentlichkeit.
nicht mehr ausreicht. Deswegen bin ich herrscht. Trotzdem hungerten sie. Das • Diese Annäherung geht allmählich
auch mit vielen Aspekten der Politik von Problem besteht darin, daß der IWF vonstatten, um einer Lösung unserer
Präsident Alfonsin nicht einverstanden. seine Politik der Schuldzinstilgung gemeinsamen Probleme willen. In der
Besonders damit, daß er viel zu viel durchsetzen will und dafür sorgt, daß gemeinsamen Solidarität mit Nikaragua
deklariert und zu wenig macht, um diese staatliche Unternehmen in den Ländern liegt der Beweis dafür. Es gibt also allen
Deklarationen in die Praxis umzusetzen. Lateinamerikas an multinationale Kon- Grund, optimistisch zu sein.

"NEUE ZEIT" 14.87 13


SOWJETUNION

Grundlagenforschung kanntlich durch modernste Lösungen und


eine fortgeschrittene Technologie. Mehr
Leute, als da sind, bekommen wir nicht,
die Fröste hören nicht auf, die rauhen
Naturverhältnisse bleiben. Wir brauchen
nicht eine x-beliebige wirtschaftliche

im Dienst Effektivität die, sagen wir einmal, durch


das Auswechseln untauglicher Anlagen
gegen mittelmäßige und der erzielten
Effektivität gegen eine größere zu
erzielen wäre. Wenn eine von der

des Fortschritts akademischen Wissenschaft angeregte


Neuerung keine mehrfache Verbesse­
rung ergibt, dann lohnt sie nicht. Dieser
Gedanke liegt der Forderung der Partei
nach hoher Qualität zugrunde. Wir
Prof, Jewgeni SCHEMJAKIN, Mitglied der AdW stoßen da aber auf zwei Schwierigkeiten.
der UdSSR, Direktor des Bergbauinstifuts der Unlängst kamen Kluschin und ich aus
Sibirischen Abteilung der Tomsk zurück. Dort wurde auf einer sehr
AdW, sprach über die
repräsentativen Konferenz. über
Entwicklung und Erschließung Sibiriens. Scheinbar Probleme debattiert, die mit der Herstel­
faßte er das Gesprächsthema etwas eng und be­ lung von Abbauhämmern Zusammenhän­
Instituts. Von
schränkte sich auf Arbeiten seines Instituts, gen. Zwei kontrastierende Einstellungen
diesen spannte sich aber eine Brücke zu den traten deutlich hervor, die leider noch

I Problemen ganz Sibiriens. Die Bergbauingenieure immer für unseren Maschinenbau und
einige andere Branchen typisch sind. Die
spielen bei der Erfüllung des großangelegten staat­
erste möchte ich so umreißen: Man
lichen Wirtschaftsprogramms "Sibirien" eine große könne den alten Abbauhammer etwas
Rolle. umkonstruieren und erneuern. Dabei
blieben die Vibration und die technolo­
gisch ungünstige Bauart und folglich
Das Bergbauinstitut (Institut Gornowa : sionsbeitrag K. Petrows auf dem XXVII. auch die Beanstandungen der Bergleute
Dcla— IGD) befaßt sich in der Parteitag. Petrow ist ein altes Mitglied unverändert. Man möchte, daß das k
Hauptsache mit drei Forschungsthemen: der KPdSU. Der ehemalige Bergmann, Objekt wie neu aussieht, will sich aber
Gesteinsmechanik, Bergbau- und Bau­ Held der Sozialistischen Arbeit sprach nicht besonders anstrengen. Die zweite
maschinenkunde und Theorie der Gewin­ sehr eindringlich, aber deprimiert. Er Einstellung ist ein Vorschlag der Wis­
nung von Bodenschätzen in Tagebauen sagte, daB die Kumpel noch jetzt stark senschaft. Wir entwickeln einen
und Gruben. Vom Niveau der Forschun­ vibrierende unvollkommene Abbauhäm­ technisch grundsätzlich neuen Abbau­
gen zeugt die Tatsache, daß die Sibi­ mer benutzen, wie ihn der berühmte hammer. Aber kaum schlagen wir ihn
rische; Abteilung der AdW der UdSSR Stachanow vor 50 Jahren gebrauchte. vor, dann häufen sich die Bedenken der
gemeinsam mit dem Geologischen und Wie ihm aber auf dem Parteitag bestätigt Branche: die Konstruktion habe noch
Geophysikalischen Institut eine Anlage worden sei, hätten wir am IGD einen Schwächen, die Produktion werde nicht
zur Vibrodurchleuchtung der Erde ent­ Abbauhammer entwickelt, der nur halb ohne Probleme laufen usw. Es gibt bei
wickelt hat. Das IGD hat in den letzten so stark vibriert und um 20—30 Prozent uns noch ziemlich viel Leute, die
Jahren rund 600 Patente und 1200 Urhe­ mehr leistet. Wo er denn ist, fragte ich. vorwärts wollen, aber sich nicht vom
berurkunden erworben. Auch sind sechs Der Parteitag liege schon eine ganze Fleck rühren. Wir haben den Praktikern
Lizenzen in die USA und die BRD Zeit zurück. Es sei damit aber nicht aus den Tomsker Betrieben gesagt:
verkauft werden, und aus dem ganzen besser geworden. Wann bekommen die 'Sehen wir erst einmal, wie groß die
Land laufen Anfragen und Anforderun­ Bergleute den neuen, vibrationssicheren Schwierigkeiten und ob sie überwindbar
gen ein. Mit der Zahl der Patente und Abbauhammer?' sind.' — 'Das sind sie', kommt die Ant­
Erfindungen ist das IGD in der Sibi­ wort, 'wie kommen wir aber dazu, Ihren
rischen Abteilung unstreitig führend, und "Eigentlich müßten das die Spitzen­ Hammer nachzuarbeiten? Ja, haben Sie
außerhalb der Abteilung kann es funktionäre der Branche und nicht wir überhaupt die kompletten technischen
z. B. dem Kiewer Institut Prof. Patons für Wissenschaftler beantworten", entgegnet Zeichnungen?'"
4 elektrisches Schweißen, dessen Ent­ Prof. Schemjakin. "Eine definitve Antwort
wicklungen zügig in der Industrie hegt noch nicht vor, ohne unsere Hilfe Prof. Schemjakin lächelt und fährt fort:
Verwendung finden, an die Seite gestellt wird es nicht abgehen. Ja, der neue "Zum Glück haben wir sie. Wir am

r werden. Praktische Resultate


Grundlagenforschungen am IGD sind:
Hammer, Luftdrucklochhämmer, Rammen,
Betonbrecher,
der

Emphasen Schlagmaschi­
Hammer existiert und ist schon unter
ganz verschiedenen Verhältnissen — im
Donez-, im Kusnezkbecken und in
anderen Grubengebieten — ausprobiert
IGD haben es uns schon lange zur Regel
gemacht, für jede neue Maschine,
Technologie
kompletten,
und Vorrichtung
sorgfältig
die
bearbeiteten
nen, Luftdruckbohrer und Vibratoren. werden. Manches muß noch besser Zeichnungen und sämtliche Unterlagen
Außerdem hat das IGD rege ausge­ daran werden, und damit beschäftigen zu haben. Also wozu das Gerede? Ich
dehnte Verbindungen mit verschiedenen sich bei uns die Wissenschaftler mehre­ glaube, man muß mit vereinten Kräften
Industriezweigen. Am IGD ist man sich rer Labors unter Leitung Dr. Nikolai und nicht getrennt vorgehen, man darf
UB über den Bedarf und die Bedürfnisse der Kluschins."
die Arbeit nicht ih 'unsere' und 'ihre'
Produktion genau im klaren und reagiert teilen, sondern muß die Probleme
darauf. Und doch... "Also dürfen die Kumpels hoffen?" gemeinsam lösen. Wenn man sie ihrer
"Das Problem ist lösbar. Bei seiner Wichtigkeit nach anordnet, dann sind
Wer einen Abbauhammer • Lösung stoßen wir aber auf andere jetzt zwei die wichtigsten: Sinn für
Probleme, die für die Auswertung Neuerungen und freie Bahn für sie."
braucht wissenschaftlicher Erkenntnisse in Sibi­
Im Gespräch mit Prof. Schemjakin rien typisch sind. Wodurch soll unsere "Könnte im Fall der Abbauhämmer
erinnerte ich ihn an den Diskus- Region schnell vorwärtskommen? Be- nicht der Import aushelfen?"
"NEUE ZEIT" 14.87
16
"Im Westen haben sie keine guten, Eisenerzgewinnung hohe Leistungen. von vielen Millionen Rubeln entgeht.
und das aus zwei Gründen: Erstens Wir luden Schweden ans IGD ein, um Eigentlich sollte man das Ministerium
brauchen die dortigen Firmen noch keine ihnen zu zeigen, was wir erreicht haben, nötigen, zur neuen Technologie überzu­
optimalen Konstruktionen, und zweitens und um auch bei ihnen zu lernen. Die gehen. Aber wer wird das tun? Die
werden sie durch die sozialen Ver­ Gäste stellten sich auf eine bloße wirtschaftliche Umstellung stößt bei uns
hältnisse nicht dazu gedrängt. Es rüttelt Spazierfahrt ein. Sibirien war ihnen neu. auf große Schwierigkeiten."
den Bergmann? Darum kümmert man sich Warum sollten sie es sich nicht ansehen? "Wir sprachen schon vom wis­
nicht. Wenn ihm die Arbeit nicht paßt, Wir brachten sie zu unseren Minen. Sie senschaftlichen Standpunkt aus über die
kann er gehen — draußen warten Ar­ waren verblüfft. Sie hatten nicht erwartet, Wirtschaft. Könnten Sie mir ein paar
beitslose." in Sibirien eine so hochstehende Techno­ Beispiele dafür anführen, wie wis­
logie vorzufinden. Die am IGD ent­ senschaftliche Erkenntnisse die Einspa­
"Wie zynisch!" wickelten Bohrvorrichtungen gefielen rung und bestmögliche Nutzung sibi­
"Nicht wahr? Unlängst sprach ich mit ihnen, besonders die Vibrationstechnik. rischer Ressourcen ermöglichen?”
Vertretern von Krupp. Ich erkundigte
"Ich kann Ihnen viele gute Beispiele
mich nach den Qualitäten ihres Abbau­
nennen. Aber lassen wir das für später.
hammers, besonders nach der Stärke der ■ I— Zunächst ein schlechtes Beispiel, das ist
Vibration. Ein Vertreter sagte ge­
aufschlußreicher. Unsere Sibirische Ab­
langweilt: 'Wissen Sie, das geht mich
teilung der AdW gibt regelmäßig Listen
nichts an.' Uns aber sehr, die drüben
mit den Themen unserer Arbeiten heraus.
und wir tragen eine verschiedene Ver­
1 antwortung vor den Leuten. Die Ge­ . in
Wäre das Wunder geschehen, daß
Industrie und Landwirtschaft die erste

I
sundheit unserer Menschen ist Staatsan­ Liste restlos ausgewertet hätten, so hätte
gelegenheit. Das wissen die Wis­
unser Land etwa 2 Md. Rubel oder noch
senschaftler am IGD und gehen schon mehr eingespart. Natürlich hatte die Liste
seit Jahren, geführt von Prof. Kluschin, eine Wirkung, vieles daraus ist ausge­
energisch gegen die Vibration an. Er hat wertet worden, aber 2 Md. sind sozusa­
etwa 30 ausländische Patente. gen zum Fenster hinausgeflogen. Die
Sibirische Abteilung produziert für die
Wie entstand Kluschins Luftdruckboh­
Bauarbeiter von Sibirien, vor allem von
rer, der jetzt immer vergriffen ist? Er
Nowosibirsk, Maschinen für ca. 150 000
entstand aus der Wut des Wis­
Rubel. Scheinbar wenig. Sie werden
senschaftlers darüber, daß beim Bau oder
aber in den kleinen Werkstätten des IGD
bei der Instandsetzung fast jedes Hauses
und in einer überlasteten experimentel­
mit dem Abbau- oder Vorschlaghammer
len Fabrik gebaut. Noch etwas: Jede
oder mit der Brechstange Hunderte gäh­ Auch die Universaltestanlage für me­
Maschine steigert die Arbeitsproduktivi­
nender Löcher geschlagen werden. Er chanisierte Kohleförderungskomplexe
tät fünf- oder zehnfach. Man sollte
verband einen gewöhnlichen, serien­ wurde von Wissenschaftlern aus Nowo­
meinen, daß sich alle um solche Ent­
mäßig hergestellten Maschinenschrau­ sibirsk entwickelt
wicklungen reißen und die Massenpro­
bendreher mit einer Luftdruckschlag­ Foto: TASS
duktion in Gang bringen würden. Die
maschine. Das ergab den Luftdruckboh­
Ministerien wollen ihre Maschinen aber
rer, mit dem Öffnungen in Beton und
selbst entwickeln. Wozu eigentlich?
Ziegel gebohrt werden können. Ein
Die Bohrhalbautomaten, für die den Heutzutage ist diese Einstellung um so
Pappenstiell So ist er eben, dieser
Wissenschaftlern des IGD vor 20 Jahren alarmierender, als das Sibirien-Programm
Wissenschaftler und Konstrukteur. Zwei­
der Leninpreis verliehen wurde, leisten nicht geologisch-ökonomisch, sondern
fellos werden wir auch einen
den Arbeitern noch jetzt gute Dienste. eher technisch-ökonomisch sein muß,
hochleistungsfähigen Abbauhammer be­
Mit Hilfe der Wissenschaft muß die wenn es der Wirtschaft unseres Landes
kommen."
Industrie solche Fortschritte machen, die maximal nützen soll. Maschinen und
nach 20—30 Jahren noch gültig sind. In moderne Verfahren müssen jetzt Vorrang
aller Welt waren solche Halbautomaten haben."
unbekannt. Die Schweden haben den
2 Milliarden von uns schon vor langer Zeit begange­
zum Fenster hinaus nen Weg jetzt auch zurückgelegt. A-Dur und B-Moll
Mir fällt da übrigens noch etwas ein.
In den letzten Jahren haben sich manche Legen wir eine Pause ein, damit sich
Kennt man Prof. Kluschin, seinen
Leute daran gewöhnt, neue Ideen im Prof. Schemjakin etwas ausruhen kann,
Lebensweg und seine Fähigkeiten, so
Ausland zu suchen und über unsere und kommen inzwischen zum „sub­
denkt man wohl, ob er sich nicht
eigenen hinwegzusehen. So haben die jektiven Faktor", der bei der
verzettelt. Er arbeitet ja an einem Institut
bei uns entwickelten versenkten Erschließung Sibiriens eine besondere
der Akademie! Ist es denn seine Sache,
pneumatischen Bohrlochsohlenhämmer Rolle spielt. Er ist in jedem Fall wichtig,
etwas bei Instanzen abzusprechen und
das Tiefbohren ermöglicht. Die Schwe­ aber unter extremen Verhältnissen kann
durchzudrücken? Das frage ich mein
den kamen erst 20 Jahre später darauf.” er gar nicht hoch genug veranschlagt
Gegenüber.
"Wird wertvolle sibirische Technolo­ werden. Die Arbeit in Sibirien, ja das
"Gewiß, wir verlieren viel Zeit", gie in anderen Landesteilen schnell dortige Leben überhaupt treffen gewis­
antwortet Prof. Schemjakin. "Aber ohne übernommen?" sermaßen eine Auslese — Schwächlinge
unsere Beharrlichkeit, ohne unser Einge­ "Leider nicht. Sibirien überrundet in halten dort selten durch. Wie kaum eine
hen auf die Leute im Betrieb bliebe der Erzgewinnung zur Zeit sogar unse­ andere Region fordert diese Persön­
vieles auf dem Papier. Ein Beispiel: In ren Spitzenreiter, Kriwoi Rog. Könnte lichkeiten, . ich möchte sogar sagen
den Erzminen von Taschtagol und Sche- man dort nicht unsere Erfahrungen waghalsige Menschen mit Initiative,
regesch südlich von Nowokusnezk sind übernehmen? Man kommt aber mit solche wie Prof. Schemjakin und Prof.
bei der Gewinnung von Eisenerz allerlei Ausreden, z. B. daß das Erz in Kluschin.
Höchstleistungen erzielt worden. Ohne Sibirien anders sei. Wir sind hingefahren, Zur Bekräftigung des Gesagten möchte
die Einführung' von Neuheiten wäre das um mit den Leuten Erfahrungen und ich noch einen Wissenschaftler nennen.
unmöglich gewesen. ■ Vorrichtungen auszutauschen, und haben Vor einigen Jahren hielt Prof. Juri Matros
ihnen vorgeführt, wie in Sibirien gear­ im Wissenschaftlichen Rat des Katalyse-
Wir sind an einer Zusammenarbeit mit beitet wird. Die Sache schien in Gang zu Instituts einen Vortrag über die instatio­
schwedischen Fachkräften interessiert. kommen. Ist aber etwas anders gewor­ nären Prozesse bei der Katalyse. Viele
Schweden und Kanada, nicht die USA, den? Keine Spurl In Kriwoi Rog arbeiten erhoben damals Einwände, aber der
wie manche glauben, haben bei der sie wie früher so, daß ihnen ein Gewinn Direktor des Instituts, Prof. Boreskow,
"NEUE ZEIT" 14.87 1 7
'c‘c Mc'ros bc zum automatischen Beschicken der Pres­ "Die Zeit ist gekommen, die gängigen
urig ergab sen mit Rohlingen und zum Forträumen Begriffe 'Naturschätze', 'unerschöpfliche
ze Ska'a p’ak- der Werkstücke aus den Pressen in Vorkommen’ und 'Effektivität der
tisr.l Vorschia ’.cde der Vorschlag gebracht. Allein kann der Montanindustrie' zu revidieren,
' ■< <
>. j >/a:. ' : aus Abga­ Betrieb die Arbeit daran nicht zu Ende Diese Industrie verlagert sich in
ns, sondern fuhren. Na und wir, die Feuerwehr? Wir abgelegene Landesgebiete — nach Sibi­
au< ll tr i. . .< :< .er ausgie- haben eine Menge eigene Sorgen. Da rien und in den Hohen Norden —,
bi’;< i uivy Ar.-. .’ A... dc Arbc.t der wir aber die Situation in dem Betrieb obwohl dort der Abbau schwieriger ist.
Sibirier wcrrji 1 </< ’r. ö..: cstc'.t, und kennen, können wir uns nicht heraushal­ Größtenteils werden Bodenschätze aber
Lizi uzen zu ■ •< ■ Nutzung werden ten. Die Werkzeugmacher haben einen doch noch in den herkömmlichen Gebie­
verkauft Die ■ < r /ert vci.’e Saure tollen Plan — ein anderes Wort fällt mir ten gewonnen. Nur müssen die Gruben
wird jr fzt aus f 1 c , und A.bfällen dafür nicht ein. Aber der Betrieb hat für dort tiefer angelegt werden. Das ver­
gt v.onnc . A.... i schont das Ver- die Neuerung und zum Testen neuer teuert das Abteufen und Offenhalten der
fahren die Ui ccr
‘ acr Städte. Ein Ideen keine Raumreserven, während er, immer umfangreicheren Anlagen, ihre
Programm für d.e Säuberung des nach Ansicht der Wissenschaftler, wenn Instandsetzung, Lüftung und Kühlung,
Luftraums über den Stedten Sibiriens schon nicht 15—20 Prozent seiner Kapazi­ den Transport der Bodenschätze aus
nach dieser Methode :egt vor. In vielen täten, so doch mindestens 5 Prozent in großen Tiefen usw.
Kombinaten des M.mt'c _ -.s der UdSSR Reserve haben müßte. Das müßte die Im Kusnezk-Becken z. B., von dem die
für NE-Metallurgie— \ A'awerdi, Kras- Norm sein. Wir werden natürlich helfen Wirtschaft Sibiriens weitgehend abhängt,
nouralsk, Mednogorsk u. a. — funktionie­ und ein Muster herausbringen. Es ist werden die Grubenfelder senkrecht oder
ren entsprechende Anlagen vorzüglich. aber schon Zeit, den Industriebetrieben schwebend erschlossen. Sie liegen
Sie -werden im Rckordtempo eingesetzt. die Bedingungen für ein wis­ größtenteils in der Mitte eines Reviers,
Ohne den energischen Prof /Aatros wäre senschaftliches und technisches Vor- und wir verlieren viel Kohle in den
das gewiß nicht der Fall. wärtskommen zu verschaffen. Vorläufig sogenannten Pfeilern, die die Hauptanla­
Hat man aber A gesagt, dann soll man lassen sic noch sehr viel zu wünschen gen unter Tage und die Bergwerksob­
auch das weniger erfreuliche B nicht übrig.." jekte an der Erdoberfläche vor Schädi­
verschweigen. Noch zu Prof. Boreskows gungen durch die Grubenarbeiten be­
Lebzeiten kam man am Katalyse-Institut Nutzeffekt der Ideen wahren.
aul die Idee, aus Braunkohle des "Ist das technische Vorwärtskommen Wir haben zum Projektieren von
K ATEKfWirtschaftskomplcx von Kansk, der Industrie nicht auch dadurch ge­ Schächten eine neue Methode angeregt,
Atschinsk und El.ibastus) mit Hilfe neuer hemmt, daß sich der Maschinenbau bei der ein Fachmann nicht wie bisher
Katalysatoren flüssigen Brennstoff zu jahrelang gewissermaßen abseits von der 2 oder 3, sondern 200—300
gewinnen. Die Idee wird bislang nur akademischen Wissenschaft entwickelt Erschließungsvarianfen ökonomisch ab­
schleppend in die Tat umgesetzt. Der hat?" wägen kann. Bei der Erschließung
KATEK wird größtenteils noch nach dem "Kann schon sein. In der Wissenschaft wertvoller Bodenschätze gelten Varian­
L» sind die Probleme des Maschinenbaus ten als effektiv, bei denen ein Vorkom­
gewohnten Schema, nach der alten,
teilweise modernisierten Technologie über verschiedene Konstruktionsbüros men außerhalb des Grubenfeldes ange­
nutzbar gemacht. Es ist schwierig, Strom verstreut. Viele Probleme haben sich gangen wird, wo sich Schutzpfeiler
aus Sibirien über riesige Entfernungen zu angesammelt. Neue Sparten müssen erübrigen. Bei weniger wertvollen Vor­
leiten. Auch entstehen dabei große vorangebracht werden: Wir brauchen kommen ist es von Vorteil, sie so zu
Verluste. Noch schwieriger ist es, Braun­ Makro- und Mikromaschinen, neue erschließen, daß ein Teil der Bo­
kohle so weit zu befördern. Außerdem Werkstoffe, Komponenten und Konstruk­ denschätze nicht in den Pfeilern stecken
sind die Transportmöglichkeiten selbst in tionen. Natürlich arbeiten Institute der bleibt. Eine derart verbesserte Projektie­
dem sich rasch entwickelnden Sibirien Akademie so oder so für den Maschinen­ rung ergibt bei der Nutzbarmachung
nicht unbegrenzt. Dagegen kann man bau. Sie erfüllen aber nur Teilaufgaben. neuer und bei der Rekonstruktion älterer
flüssigen Brennstoff in Tankwagen beför­ Es ist Zeit, im Rahmen der Akademie Kohlenreviere eine Ersparnis an Geld
dern, und solche braucht man weniger eine Koordinationszentrale ins Leben zu und anderen Ressourcen."
als Waggons für Kohle. Kurz, die rufen. Soviel ich weiß, ist es schon "Beim Durchsehen der neuesten The­
£
k
Wissenschaft hat stichhaltige Argumente, beschlossene Sache, in Nowosibirsk ein menliste der Sibirischen Abteilung ist mir
sie hat ein ganzes System von Beweisen maschinenkundliches Institut der Akade­ aufgefallen, daß sie anders als die
für ihren Standpunkt beigebracht. mie einzurichten." früheren zusammengestellt ist. Erst ist
Trotzdem bricht sich das Neue nur "Wieso gerade hier?" eine Arbeit charakterisiert und der
zögernd Bahn. Wieso? "Nowosibirsk bietet einmalige gesellschaftliche Bedarf daran schät­
‘ Die Be*riebe haben vielfach zu wenig Möglichkeiten. IEs ist eine große; vielsei- zungsweise angegeben; es folgt die
erstklassige Fachkräfte und lassen keine tige Industriestadt, hat eine Angabe des Niveaus, auf dem das
gründlichen Gutachten anfertigen", sagt hochentwickelte Industrie und betreffende Problem gelöst worden ist;
Frof. Schemjakin. "Man ist mehr daran 16 Hochschulen — kurz, alles, was zur dann die Ortsangabe; weiter die Vortei­
gewohnt, zu raticnalis’eren, ein wenig zu Lösung schwieriger Probleme des le, die diese Lösung bietet, ihr sozialer,
modernisieren und nachzuarbeiten. Die Maschinenbaus gebraucht wird." technischer und ökonomischer Nutzeffekt
grundsätzlichen wissenschaftlichen Lö­ "Doch wohl nicht nur des eigenen, und schließlich Vorschläge zur möglichst
sungen bringen dagegen eine Umstel­ nicht wahr?" vollständigen und effektiven Nutzung
lung, eine Umwälzung mit sich. Sie ist Natürlich nicht. So paradox das auch der Neuerung. Alles ist genau erläutert,
nicht leicht, oft sogar schmerzhaft. Die ist, hilft Nowosibirsk sich selbst vorläufig ich möchte sagen, vorgekaut. Wie
psychologischen Hemmungen sind stark. kaum. Wir haben z. B. Einphasenschlag­ meinen Sie, werden die Praktiker in den
Auch wirkt sich die in den letzten fahren maschinen entwickelt, die unstreitig Betrieben jetzt lebhafter auf Anregungen
einge’retene merkliche Schwächung un­ vorteilhaft sind. Hier haben wir viel der Wissenschaft reagieren?"
Reklame dafür gemacht, in großem "Ich will doch hoffen. Ich bin Opti­
seres technischen Personals, besonders
Umfang werden sie aber im Ural und in mist, mein Optimismus wird durch die
bei den Konstrukteuren und Technolo­
Tschernobyl eingesetzt. Wir liefern neue jetzige Situation in unserem Land ge­
gen, aus. Aber verstehen Sie mich recht!
AI In den Betrieben, Erzminen und Koh­ Maschinen moderne Technologien
und nährt. Die Umstellung bewirkt, daß die
sogar in Gebiete mit Permafrostboden. Menschen besonderen Wert auf
lengruben erkennen die meisten sehr
Mit den Betrieben der Nachbarschaft Kenntnisse, Neuerungen und Initiativen,
wohl wo das Problem liegt und welche
aber finden wir nicht immer eine d. h. auf die Wissenschaft legen. Die Zeit
Losungen d.e W sscnschaft dafür anbie-
gemeinsame Sprache." grundlegender Resultate der Grundla­
tet Die äußeren Umstande aber sind
' Welche in Nowosibirsk aufgekomme­ genforschung ist da."
i starke'.
Beispiele
Ich habe
genannt
hier
Nun
schon
noch
viele
eins. Im
nen wissenschaftlichen Ideen haben Interviewer: Rolen NOTMAN

Werkzeugbetrieb von Nowosibirsk hat letzthin im ganzen Land Resonanz


c”. 'uchtiger Ingenieur eine Einrichtung gefunden?" Nowosibirsk

"NEUE ZEIT" 14.87


16
NZ-RECHEKCHEN

Gaukler bei deir Arbeit

Der Pariser „Figaro" veröffentlichte im März den Brief „Gorbatschow soll es Auch jetzt werden die Kontakte mit
beweisen". Das erklärte Ziel war, auf die „Neuigkeitslawine aus Moskau" zu den Paten in den USA über Bukowski
antworten, die „in letzter Zeit bei vielen aufrechten Menschen in Ost und West abgewickelt.
Staunen und sogar Verwirrung hervorruft". In Wahrheit handelt es sich um eine
Schmähschrift über die demokratischen Wandlungen in der UdSSR. Das Schreiben ist
von W. Aksjonow, W. Bukowski, A. und O. Sinowjew, E. Kusnezow, J. Ljubimow,
Die Ziele
W. Maximow, E. Neiswestny, J. Orlow und L. Pljustsch unterschrieben. Diese In den USA entstand bald ein
Menschen, so oder so bekannt, haben die UdSSR auf verschiedenen Wegen Organisationskomitee, und Mitte Mai
verlassen. Diesmal haben sie sich in einer Organisation zusammengefunden, die sich 1983 fand in Paris die amtliche Gründung
„Internationale des Widerstands" nennt. In Ihrem Namen wurde der Brief veröf­ der „IdW" statt. Die Hauptziele der
fentlicht. Organisation wurden festgelegt: „alle
wahren Kämpfer für den Sturz der
Im November 1982 trafen sich in Ordnung" herzustellen. Als diese Kommunistenmacht zusammenzu­
Brüssel Gruppen von Emigranten aus 1945 endgültig zusammenbrach, schließen". ihre Tätigkeit zu koordinie­
sozialistischen Ländern, Vertreter der wechselten die NTS-Leute zu den Ge­ ren und „objektive Information über alle
kubanischen Gusanos, von Somoza- und heimdiensten Großbritanniens und der Arten des Widerstands gegen den
Pol-Pot-Banden, afghanischen Duschma­ USA über. 1956 traten die Briten das Totalitarismus" zu verbreiten. Was als
nen und in den USA lebenden vietname­ Monopol auf die NTS an die amerika­ Totalitarismus anzusehen sei, wurde
sischen Konterrevolutionäre. Sie erörter­ nische Central Intelligence Agency ab. anschließend durch Einführung des Aus­
ten die Gründung einer neuen antikom­ Jose Furtado ist Vertreter einer Pariser drucks „Totalitarismus sowjetischen
munistischen Organisation. Zuerst hieß Gruppierung der von der CIA finanzier­ Typs" erläutert.
sie „Komitee zur Bekämpfung des ten reaktionären angolanischen UNITAj Später konkretisierten die „ldW"-Füh-
Totalitarismus". Das schien ihnen zu rer ihre Ziele wie folgt: „die sozia­
sanft. Deshalb bedienten sie sich fremder listischen Länder zu unterwandern und
Wörter und Symbole. So kam die auf
Das Geld dort eine Basis für moralische und
Höheres reflektierende Wprtverbindung physische Unterstützung zu schaffen".
Die Leute, die in Brüssel zusammenka­
„Internationale des Widerstands" zustan­ Als weitere Zielscheibe wurde in Paris
men, hatten vor allem eine Garantie
de. die Bewegung der Friedensanhänger in
nötig: die finanzielle. An Wohltätigkeit
den westlichen Ländern bestimmt. In
glaubte keiner. Bukowski gab Garantien.
Die Organisatoren Zuerst redete er davon, daß einige Westeuropa sollten bald neue amerika­
einflußreiche Kongreßmitglieder die Tä­ nische Raketen stationiert werden. Mil­
Das waren folgende Menschen. tigkeit der neuen Organisation zu lionen Westeuropäer traten dagegen auf.
Wladimir Bukowski, der seinerzeit in Die Regierungen der NATO-Länder
finanzieren versprochen hätten. Dann
der UdSSR „Sturmabteilungen" aufzuzie­ nannte er den Hauptgaranten, die CIA, bezichtigten die Friedensfreunde eines
hen versuchte und 1976 des Landes und präzisierte bei dieser Gelegenheit, „Komplotts mit Moskau" und schleusten
Provokateure in ihre Reihen ein. Bu­ (
verwiesen wurde. In den USA erklärte daß die Finanzierungsquelle, die Teil­
Bukowski ohne falsche Bescheidenheit, nahme der Leute aus Langley im Dun­ kowski, nicht faul, verfertigte sein Buch
nach dem Sturz der Sowjetmacht werde kel bleiben würde. „Pazifisten gegen den Frieden", worin er
er Präsident und seine Mutter Vizepräsi­ Zunächst brachte Bukowski persönlich die Friedensfreunde „nützliche Idioten"
dentin sein. Geld für die „IdW" aus den USAf im Dienst Moskaus nannte, der „unaus­
Olga Swinzowa ist Sekretär des in 1983 legte der Kongreß eine jährliche rottbaren katholischen Geistlichen in
Paris niedergelassenen „Intellektuellen­ Quote für die „Internationale" von 6 Mio verdächtiger Mission" gedachte und
komitees für ein Europa der Freiheiten". Dollar fest. Runde Summen kommen von sonst dazu aufrief, „mit dem sowjetischen
Außerdem ist sie Abgesandte des der Leitung des amerikanischen Ge­ System aufzuräumen". Außerdem zog er
„Volksbundes der Arbeit" (NTS), was ihr werkschaftsbundes AFL/CIO, der Han­ den bemerkenswerten Schluß, daß die
ebenfalls nicht gerade zur Zierde ge­ delskammer der USA und den zio­ Abrüstung „zu einem raschen Zusam­
reicht. 1930 im Königreich Jugoslawien nistischen Kreisen. Außerdem riefen die menbruch" der UdSSR führen würde.
von der Führung der weißen Emigration Emigrantenzeitungen dazu auf, einem Deshalb werde die UdSSR niemals
gegründet, belieferte die NTS zahlreiche „Komitee zur Förderung der Wi­ abrüsten.
ausländische Dienste, die gegen die derstandsinternationale" beizutreten,
UdSSR vorgingen, mit ihren Leuten. wozu man auf deren Konto nur 100 Franc Die Führungsspitze
Während des Krieges kollaborierte die zu überweisen brauche; ein Mit­
NTS mit den Hitlerfaschisten und half gliedsbuch werde unverzüglich zuge­ Ebenfalls in Paris wurde die
ihnen, auf dem zeitweilig okkupierten sandt. Die Francs kamen nur spärlich, „ Id W"-Leitung gewählt. Bukowski ist ihr
sowjetischen Territorium „neue eher schon Dollars. Präsident.
"NEUE ZEIT" 14.87 19
Der Vorsitzende ist ein gewisser
em sein. Er zweifelte daran, daß die neue Das dürfte Vizepräsident Valladares
f duard Kusnezow. Am 15. Juni 1970 Organisation in Frankreich und der Welt und auch so manchem anderen recht
< mit einer Gruppe auf dem Vertrauen finden würde, denn zwei ihrer schwer fallen.
1 < ■ mgrader Flughafen e.r.e AN-2 zu Leiter, Kusnezow und Maximow, seien Auf Betreiben der „IdW" wurde am
entfuhren und nach Schweden zu fliegen mit den israelischen Geheimdiensten 25. November 1983 im Brüsseler Haus
versucht Gr;u wartig e.tet Kusnezow verbunden. des Europäischen Parlaments eine Konfe­
die Abteilung Russischer Dienst beim renz über das „Afghanistan-Problem"
CIA finanzierten Radio „Liberty". Die Aktionen durchgeführt. Zu jener Zeit wurden auf
Dm 1 xekutivdirektor ist der Schriftstel­ Betreiben und unter Vermittlung der CIA
ler Wli idimir Maximow. Seit 1974 leitet Die „IdW" entfaltete ihre Tätigkeit Kontakte mit den Chefs antiafghanischer
er die antikorr.munistische Zeitschrift sofort. Schon Ende August 1983 betei­ Gruppierungen in Pakistan schon in die
. t ontmenf'. Maximow selbst erzählte ligte sie sich am „dreitägigen Frie­ Wege geleitet. Damit beschäftigte sich
( ’.i i Bekannten 1977, daß er bei densmarsch für die Befreiung der Völ­ die ehemalige Liberty-Mitarbeiterin
„Liberty" fest angestellt und ein Gehalt ker" in der BRD. Bürgerliche Zeitungen L. Thorn. Im März 1984 sagte Bukowski
habe, das der Stufe GS-1>3 m den USA informierten über den Marsch, die in einem Interview für die „Stimme
entspreche. dortige Bevölkerung dagegen zeigte Amerikas", seine Organisation unter­
Vizepräsident ist der kubanische Kon­ sich deprimierend passiv. Im Oktober nehme „sehr viel" im Hinblick auf
terrevolutionär Armando Valladares. zog die „IdW" in Paris das viertägige Afghanistan. So liefere sie den Mujahed-
Seine Laufbahn begann er 1957 unter Forum „Die dritte Welt. (K)eine Zu­ din Sender, um für die örtliche Bevölke­
Batista, als Pohzeiagent Nr. 2747. Nach kunft?" auf. In Washington redete man rung und die sowjetischen Soldaten
der Revolution von 1959 bekam er einen damals von einer globalen sowjetischen bestimmte Programme auszustrahlen. Bu-
Arbeitsplatz, traf jedoch der illegalen Unterwanderung und davon, daß die Jcowski ließ sich über die technischen
Gruppe des ehemaligen Batista-Offiziers dritte Welf zu einem „Schauplatz der Aspekte eines „Projekts Radio Freies
Obregon bei. Vor Gericht gestand er Konfrontation" werde. Demnach erör­ Kabul" aus. Aber entweder verfolgte
cm, mit Sprengstoff gefüllte Zigaret­ terte man in Paris gehorsam „Probleme Thorn die Übergabe der Sender
tenschachteln auf Havannas Straßen aus­ und Aufgaben bei der Organisation nicht aufmerksam genug, oder Bukowski
gelegt zu haben. eines effektiven Widerstands gegen die hatte sich an Selbstreklame berauscht,
Die ,,IdW'-Vertrefung befindet sich zunehmende kommunistische Expan­ auf jeden Fall erhielten die Konterrevo­
auf den Champs-Elysees. Zunächst sion". Auf dem Forum wurde z. B. „ge­ lutionäre vom groß angekündigten Pro­
zeigten die Emigranten eher Reserve klärt", daß die Unzufriedenheit der jekt nur einen winzigen Teil.
gegenüber der „IdW", jemand bemerkte Einwohner einiger lateinamerikanischer 1984 veranstaltete die „IdW" eine
g.ftig, im „Widerstand" auf den Champs- Länder über die blutigen Militärdiktatu­ „internationale Konferenz über Desinfor­
«
Elysees kämpfe man in der Hauptsache’ ren vom „Export kommunistischer Ideo­ mation", wobei natürlich die „kommu­
D für cm warmes Plätzchen und einen logie" herrühre. In einem wenig später nistischen Länder" als Desinforma­

■ v.-.'hlgepolsterten Lebensabend.
eine Erklärung Alain Ravennes', General-
Auch der „Stimme Amerikas" gewährten Inter­
view gab W. Bukowski seiner Besorgnis
tionsquelle hingestellt wurden. Über die
eigenen Erfahrungen, z. B. über die vor
sekietär des "Intellektuellenkomitees für Ausdruck, der Kommunismus könnte auf kurzem fabrizierte gefälschte Ausgabe
ein Europa der Freiheiten", machte die Chile übergreifen, und fügte hinzu: der Armeezeitung „Krasnaja Swesda" mit
„IdW" nicht gerade populärer. Dieser „Zweifellos haben wir ein ewiges großes einem provokatorischen Appell an die
Mann, der mit Olga Swinzowa, einer Problem. Wir müssen betonen und sowjetischen Soldaten und einem Haufen
Mitbegründerin der „IdW", lange zu- verdeutlichen, daß wir Rechtsdiktaturen antisowjetischer Witze, schwieg man sich
sar ’iiengcarbeifet hatte, müßte im Bilde nicht unterstützen." bescheiden aus.

t ANRUF IN NEW YORK


Was wußte Ernst Neiswestny?
i Wir riefen den Bildhauer „Sie sagen, daß Sie derstands' veröffentlicht, solche Organisation gibt,
Ernst Neiswestny in New 'müssen'. Uns schien, daß von ihr geht der Brief auch ich kenne einfach ihren
York an. einige Momente des Brie­ aus." Charakter nicht."
1 , Sagen Sie bitte, inwie­ fes für Sie nicht ganz „In westlichen Publika­ „Aber über diese 'Inter­
weit wa-en Sie an der typisch sind." tionen wurde das nirgends nationale' wurde nicht we­
Abfassung des Briefes an erwähnt."- nig veröffentlicht. Der Vi­
„Ich möchte das jetzt
den 'F.garo' persönlich be­ „Dieser Umstand wurde zepräsident der Organisa­
nicht kommentieren.“
teiligt?' im Untertitel des Exklusiv­ tion z. B. ist ein Mann aus
. An dem Abschnitt über „Der Brief wurde unter materials im 'Figaro' ge­ Batistas Geheimpolizei, für
bildende Kunst und über der Ägide der 'Internatio­ nannt." Bombenexplosionpn in den
Kultur nahm ich unmittelbar nale des Widerstands' ab­ „Das weiß ich nicht. In Straßen verantwortlich, da­
teil." gefaßt. Das ist eine auch in der 'New York Times' wird, für, was wir heute Terroris­
„Und die pc'rtischen den Emigrantenkreisen glaube ich, nichts mus nennen. Wie Sie se­
Abschnitte?" nicht gerade populäre Or­ dergleichen erwähnt." hen, ist das eine keines­
, Ich betrachte mich we­ ganisation. Aber Sie haben „Ich spreche vom wegs humanitäre oder gar
niger als Politiker denn als Ihre Unterschrift unter ei­ Wortlaut im 'Figaro'." humane Organisation."
Künstler. nen von ihr inspirierten „Den habe ich nicht „Ich möchte das nicht
. Konnten Sie alles un­ Brief gesetzt. Keine Beden­ gesehen." kommentieren, weil alles,
was Sie jetzt sagen, mir
* terschreibe was im Brief ken?“ „Wie stehen Sie zu die­
steht?" ser Organisation?" absolut neu ist. Ich höre
„Diesen Brief haben
Also da steht ja meine „Im Moment weiß ich zum erstenmal von dieser
meine Freunde geschrie­
Unterschob ben. Ich wüßte nicht, daß nichts davon." Organisation in einem

..Das heißt, von dieser solchen Zusammenhang


Und konkreter?“ ihn diese Organisation auf­
Sie und davon, daß der Brief in
.Ich muß alles verant­ gesetzt hat." Organisation wissen
ihrem Namen veröffentlicht
worten, worunter memc . Er wurce auf Betreiben nichts?"
„Ich weiß, daß es eine wurde.“
Unterschrift steht.’ der internationale des Wi-

"HEUE ZEIT" 14.87


20

I
Während die westliche Presse Doku­ Der Brief
mentarberichte über die Bestialitäten der ARCHIV AKTUELL
Contras veröffentlicht, veranstaltet die So brachte der „Figaro" das von den
„IdW" in Paris Pressekonferenzen, auf Zehn unterzeichnete Schreiben,das sofort
denen die „Kämpfer für die Freiheit von anderen bürgerlichen Ausgaben
Nikaraguas" als untadelige Ritter geprie­ nachgedruckt wurde. Das Todeslager
sen werden. Im Jahre 1985 publizierte „Die Veröffentlichung des vorliegen­
die „IdW" im Pariser „Monde" einen
Aufruf an den US-Kongreß, die Hilfe für
den Schreibens in
Presse wäre der überzeugendste Beweis
der sowjetischen
Modjug
die Contras zu erneuern. für die Aufrichtigkeit des Geredes von
Publizität", schreiben die Autoren Anfang März 1918 liefen die britischen
Eine Gesetzmäßigkeit: Die „ldW"-Akj-
selbstgerecht und leichtsinnig. Unsere Kreuzer "Glory" und "Cochrane", dann
tionen gingen immer gleichzeitig mit
Kollegen aus der Zeitung „Moskowskije der französische Kreuzer "Admiral Au­
denen der US-Administration einher.
Nowosti" nahmen sie beim Wort und be" und am 24. Mai der amerikanische
Nun hat man es sich auch im Weißen
veröffentlichten das Schreiben. Deshalb Kreuzer "Olympia" den Hafen von
Haus angewöhnt, sich auf die
brauchen wir hier keine Wiedergabe. Murmansk an.
„ldW"-Emigranten zu berufen: Sie seien
Höchstens ein paar Gedanken dazu. . Trotz der Proteste der Sowjetregierung
die „Stimme des Gewissens", die gegen
Die Argumentation weist einen mise­ und der Forderungen, die Schiffe wieder
das „Reich des Bösen" erhoben werde,
rablen Wortschatz auf. Sie leitet sich abzuziehen, verstärkten die Entente-
sie wüßten, wie das „Böse" von innen Länder weiter ihre Präsenz im Norden
nicht von Informationen über das Leben
aussehe. „Wir müssen die Lehre beherzi­ Sowjetrußlands. Am 1. Juni beauftragte
in einem Lande ab, das ihnen zur
gen, die uns der russische Menschen­ US-Präsident Woodrow Wilson Außenmi­
Fremde geworden ist, eher schon von
rechtler Wladimir Bukowski erteilt", nister Lansing zu erklären, die amerika­
der Sprachregelung der westlichen Pro­
sagte Reagan in einem Interview für nische Regierung sei bereit, sich an der
paganda, die für diese Leute jetzt
James Buckley, Präsident der Sender Intervention zu beteiligen und reguläre
wohl „die ihrige" ist.
„Liberty" und „Free Europe". Der Logik Truppenverbände nach Murmansk zu
Wer die Autoren sind? Offenbar schicken.
Reagans zufolge hätte der Hinweis auf
„ ldW"-Funktionäre. Stellenweise klingt Am 6. Juli 1918 errichteten die
den antisowjetischen Emigranten die
das Schreiben zu sehr an Bukowskis Buch Interventen — unter ihnen der Komman­
darauffolgenden Ausfälle gegen Afgha­
„Pazifisten gegen den Frieden" an. Doch dant des Kreuzers "Olympia", Kapitän
nistan, Nikaragua und die UdSSR
weder seine Unterschrift noch alle drei Biere — in der Region eine Militärdikta­
rechtfertigen sollen. Der Schluß klang
Unterschriften der „IdW'-Führer hätten tur. Die Besatzungstruppen setzten sich
beinahe kanonisch: „... Bukowskis Lehre
das erwünschte Resultat gezeitigt. Des­ in Murmansk fest und begannen nach
beherzigen und aktiv die kommunistische
halb zog man Namen heran, die „etwas Süden vorzurücken. In wenigen Tagen
Expansion eindämmen".
hergeben". Übrigens wurde diese Art nahmen sie Kem, dann Onega ein.
Das ist in der Tat eine Schwachstelle Werbung schon angewandt. In den Anfang August hatten sie die Insel
der „IdW". ersten Tagen der Organisation wurden in Mudjug in der Mündung der Dwina-
Dann kam die „Ostseekreuzfahrt", bei das „Komitee zur Förderung" Promi­ Bucht, die Archangelsk vom Meer aus
der die „IdW" antisowjetische Emigran­ nente vom extremrechten Flügel geholt: deckt, eingenommen. Hier wurde vom
ten aus den baltischen Sowjetrepubliken Lord Nicholas Bethell und Winston US-Kommando eines der ersten
Todeslager eingerichtet.
um sich scharte. Die Fahrt endete sang- Churchill jun., Mitglieder des britischen
Ein Augenzeuge des Geschehens, der
und klanglos in Helsinki, wo die sonst Parlaments, sowie Simone Veil, ehema­
Arzt Marschawin aus Archangelsk, be­
tolerante Polizei die Teilnehmer wegen lige Präsidentin des Europäischen Parla­
richtete:
Störung der öffentlichen Ordnung inhaf­ ments. "Am 2. Oktober 1918 um 4 Uhr
tierte. Wir telefonierten mit Ernst Neis- morgens wurden 119 Häftlinge unter
Nach etwas mehr als zwei Jahren seit westny in New York. Früher hatte er sich Bewachung auf den Hof und dann auf
ihrer Gründung hat die „IdW" einen Riß aus solchen Aktionen herausgehalten. einen vor Anker liegenden Lastkahn
bekommen. In ihrer Führung gibt es Wußte er, daß er seinen Namen für so gejagt. Es war schon halb vollgelaufen,
zwei Fraktionen, eine unter Kusnezow eine zweifelhafte Organisation hergege­ und das Wasser war von einer dünnen
und eine unter Olga Swinzowa. Der ben hatte? Nein, Ernst Neiswestny wußte Eisschicht überzogen. In dieses kaum
Pressedienst der „IdW" widersprach sich nichts davon (das Interview unten. - seetüchtige Boot wurden wir Häftlinge
alle Tage bei der Festlegung der d. Red.). gestoßen. Wir dachten, daß sie uns im
„Kampffront" und der Ziele der Organi­ Enthebt das die Unterzeichner der Meer ertränken wollten. Doch das Boot
sation. Letzten Endes kehrte Olga Swin­ Verantwortung? Nein. Wenn sich „ein­ wurde nach Mudjug mit seinem berüch­
zowa der „IdW" den Rücken und warf same Schöpfer", die sich zu Kämpfern für tigten Todeslager geschleppt. Unter
dem Exekutivdirektor Maximow auch die Freiheit des Geistes aufspielen, zu unzähligen Schlägen, bis zur Brust im
eiskalten Wasser erreichte der Rest
/
noch „Diktatorallüren'' vor. Maximows einem Schwarm vereinigen, wirkt das
unserer Gruppe das Land - die Todes­
Tätigkeit löste selbst bei „ldW"-Akti- schon grotesk. Es kommt jedoch auf
insel. Wir wurden in eine kalte Baracke
visten „Befremden und Bitternis" aus. etwas anderes an. Der Sinn des Schrei­
geführt und mußten uns nackt ausziehen.
Maximow weigerte sich, in die Organisa­ bens an den „Figaro" liegt ja nicht darin,
Viele von uns sollten diese Nacht nicht
tion Vertreter der emigrierten Intellek­ auf die „ungenügenden" demokratischen
überleben."
tuellen aufzunehmen, wenn sie ihm „zu Wandlungen in der UdSSR hinzuweisen,
Die Interventen errichteten in den
wenig" antisowjetisch tätig gewesen sondern darin, diese Wandlungen zu besetzten Gebieten im Norden Sowjet­
seien. kompromittieren, zu vereiteln. Wer diese rußlands ein Schreckensregime. 52 000
1986 hörte man von der „IdW" so Trennlinie nicht sieht, wer den poli­ Menschen wurden in Kerker geworfen.
gut wie nichts. Offenbar waren innere tischen Diversanten seinen Namen leiht, 4000 Sowjetbürger wurden
Eifersüchteleien daran schuld. Aber der kann sich nicht auf politische Naivität standrechtlich erschossen, Tausende wur­
Hauptgrund liegt doch wohl anders. Die herausreden. den ohne Prozeß ermordet oder zu Tode
„Internationale des Widerstands" fand Die „IdW'-Führer haben wieder ein­ gefoltert... Daraufhin traf eine weitere
keine Antwort auf den Prozeß der mal einen Auftrag erfüllt und sich „im Verstärkung für die amerikanischen Trup­
Umgestaltung, Demokratisierung und richtigen Augenblick" gemeldet. Wessen' pen in Archangelsk ein: 5000 Soldaten
Publizität in der UdSSR. Stereotypen Auftrag? und Offiziere wurden unter dem Kom­
vom Schlage „sowjetische Kommissare" mando von Oberst Stewart in die Kämpfe
Der Charakter der „IdW" läßt daran
oder „Gulag" ziehen nicht mehr. Wie keinen Zweifel. gegen die Rote Armee geworfen.
sollte die &ldW" reagieren? M. PUTINKOWSKI
"NEUE ZEIT" 14.87 21
HINTERGRUND

Drohende Abrechnung über Vanunu, die Ende vorigen Jahres in


verschiedenen Medien erschienen,
könnte man vermuten, daß sich seine
Anschauungen nach links verlagert ha­
ben. Doch seine Beweggründe hat der

mit Mordechai australische Geistliche John McKnight,


ein Freund von ihm, restlos klargestellt.
McKnight hat erklärt: "Zu dem Entschluß,
die Wahrheit auszusagen, kam Mor­
dechai durch die Bekanntschaft mit der

Vanunup Tätigkeit einer Gruppe von Frie­


denskämpfern. Die Politik Israels machte
ihm Sorgen."
Der Geistliche, der nach Vanunus
Verschwinden als erster Alarm schlug,
hat erklärt, sein Freund habe für das
dem früheren Techniker am geheimen Reportern von der "Sunday Times"
Kernforschungszentrum Dimona in der Berichtete kein Geld bekommen, er habe
Negev-Wüste einzig aus "hochsinnigen Motiven"
gehandelt. Als der Mossad dieses
Zeugnis eines Mannes erhielt, der
schwerlich verdächtigt und nicht so
leicht kompromittiert werden kann, sah
er ein, daß es nicht gelingen würde,
Vor einigen Wochen war ich in Einzelhaft war. Im Gefängnis hatte man
Frunse, der Hauptstadt Sowjetkirgisiens, alles getan, um seinen Widerstand zu
bei einer NZ-Leserkonferenz. Man fragte brechen. Seinem Anwalt wurde streng
auch nach dem israelischen Techniker verboten, irgendjemandem etwas über
Mordechai Vanunu. Aus Gewissensgrün­ ihn zu sagen. Erlaubt war nur die
■ den enthüllte er das Geheimnis der
Negev-Wüste und lieferte die Angaben
Mitteilung, daß Vanunu die Anschuldi­
gung zurückwies. Später erfuhr man, daß
LI darüber sowie einige Dutzend Fotos von er aus Protest gegen die Schikanen im
der dortigen Zentrale in Dimona der Gefängnis in den Hungerstreik getreten
pi Londoner "Sunday Times". Zu diesem war. Und schließlich, daß er den Anwalt
Zeitpunkt hatte er Israel bereits verlas­ abgelehnt und erklärt hat, sich selbst
sen. verteidigen zu wollen.
Seit dem 20. März erscheinen Meldun­
Fünf Tage vor der Veröffentlichung gen, daß der Prozeß schließlich hinter
seiner Enthüllungen in der "Sunday verschlossenen Türen stattfinden soll. Das
Times" verschwand Vanunu. Später Interesse an Vanunu und den Gründen, 'X ■
stellte sich heraus, daß er von Agenten warum er "besonders wichtige Staatsge­
des israelischen Geheimdienstes Mossad heimnisse" publik gemacht hat, lebte
aus Italien entführt worden war. Man wieder auf. Ein Wachsoldat drückt Vanunu, der zu

c erfuhr auch, daß die Geheimdienste


von NATO-Staaten ihre Hand im
Betrachtet man, was die zionistische
Propaganda im Zusammenhang mit die­
einem Prozeß „unter Ausschluß der
Öffentlichkeit" gebracht wird, den
Spie! hatten. sem Fall behauptete, so stellt, man vor Mund zu
allem den dringenden Wunsch Tel Avivs
Wir schrieben schon zweimal darüber fest, sein Opfer zu kompromittieren. Was
(NZ 44 86 und NZ 2 87) und berichteten hat man nicht alles über ihn gesagt und
auch, daß das Kreisgericht in Jerusalem geschrieben! Bald nannte man ihn nur
am 28. November 1936 gegen Vanunu sonderbar, bald wieder deutete man an, Vanunu als Kommunisten oder Agenten
ein Verfahren wegen Hochverrats und Habsucht habe ihn zum Landesverrat der Kommunisten zu brandmarken. Dar­
Spionage anhängig gemacht hat, wofür getrieben. Auch beschuldigte man ihn auf wechselte Mossad seine Taktik.
ihm, dem Pariser "Mahn" zufolge, der Sympathien für die Palästinenser, Ein UPl-Korrespondent meldete aus
lebenslängliche Haft oder die To­ was vom zionistischen Standpunkt aus Jerusalem: "Wie die 'Newsweek' mitteilt,
desstrafe droht. Drei Wochen später, am ebenfalls Verrat ist. Oder man deutete haben Mossad-Agenten Vanunu auf dem
21. Dezember 1986, wurde der verhaf­ an, er habe die Geheimnisse der Negev Mittelmeer von einer Jacht entführt und
tete Vanunu unter versterk'er Bewachung nicht nur an die "Sunday Times", nach Israel zurückgebracht, wo er vor
zur Verhandlung unter Ausschluß der sondern auch an Moskau verkauft. Gericht kommt. Der 'Sunday Times'
Öffentlichkeit ms Ger cht überführt. In Tel Aviv möchte man eine Art zufolge ist das vielleicht eine vom
Prozeß des Jahrhunderts, einen Prozeß Mossad inspirierte Falschmeldung, mit
wegen Atomspionage, aufziehen. Etwa der er die fest bleibenden arabischen
Vanunu wie den vor etwas mehr als 30 Jahren Staaten mit dem vermutlichen Atompo­
(1950—1953) gegen Ethel und Julius tential Israels einschüchtern will."
ungebrochen Rosenberg, die auf dem elektrischen Die Behauptung der "Newsweek",
Stuhl ermordet wurden. Vanunu sei von Bord einer Jacht entführt
Auf den damals in vielen Med en ces worden, wurde sofort als Falschmeldung
Vanunu nennt man heute rosa oder rot
Aus'ands erschienenen Fotos s c 4 man, des Mossad, als Versuch festgenagelt,
und wirft ihm Verbindungen mit Kommu-
w.e Wachen ihm o e Arme verdrehen, ; nisten vor. So etwas ist in den Augen die Öffentlichkeit über das skrupellose
ihm den Mund zudrücken und ihn ins i zionistischer Machthaber mindestens Vorgehen israelischer Agenten in Italien
Gericht schleifen Man erkennt, daß gleichbedeutend mit Unzuverlässigkeit. hinwegzutäuschen. Die Mitteilung, daß
ihr Opfer ungebrochen
ungebrochen ist, obwohl Nun, nach den zufälligen und keines­ der Mossad dahintersteckt, ging jedoch
der Mann fast
falt drei Monate in I wegs authentischen Bruchstückangaben um die Welt.

12 "NEUE ZEIT" 14.87


näherbringen und sich in ihrer Politik auf war von "den äußerst gefährlichen
Der Skandal Kernwaffen orientieren. Dafür eben steht nuklearen Vorbereitungen Israels" und
dauert an er in Israel vor Gericht. davon die Rede, daß sie zur Verletzung
Ist es Tel Aviv vorläufig auch gelun­ von UNO-Resolutionen und zur Umge­
gen, Vanunu im Kerker mundtot zu hung der IAEA führen. Damals verur­
Zur Vorbereitung des Prozesses hinter
machen, so ist es dazu bei anderen teilte die UNO-Vollversammlung Israel
verschlossenen Türen brauchte Tel Aviv
Personen, die etwas; zu enthüllen haben, für seine Weigerung, den diesbe­
ein halbes Jahr. Die Verzögerung
nicht in der Lage. Journalisten des züglichen früheren Resolutionen nachzu­
erscheint nicht so harmlos, wenn man
japanischen Zeitungstrusts „Shueisha" kommen. Auch wurde beschlossen, Is­
bedenkt, daß die Schergen Zeit
haben einen Bericht über Tel Avivs raels Atompolitik auf die Tagesordnung
brauchten, um den Häftling kleinzukrie­
geheimes Nuklearprogramm abgefaßt, in der nächsten Vollversammlung zu set­
gen, damit der Prozeß im politischen
dem es heißt, daß israelische Piloten auf zen.
Interesse des zionistischen Staates aus­
einem geheimen Testgelände in der Tel Aviv hat aber, von Washington
geschlachtet werden könnte. Anderseits
Negev den Kernwaffeneinsatz proben. unterstützt, dafür nur taube Ohren. Es hat
rechnete man darauf, daß der Skandal,
Dort handelt es sich um kleine, aber sehr sich dem Beitritt zum Kernwaf­
den die Entführung Vanunus als staat­
schlagkräftige nukleare Ladungen, die fensperrvertrag von 1968 entzogen und
licher Terrorakt ausgelöst hatte, abflauen
von F-16-Jagdbombern aus den USA weigert sich heute, seine nuklearen
und durch irgendeinen anderen interna­
oder mit israelischen Jericho-Raketen Zentren für eine internationale Inspek­
tionalen Skandal — beispielsweise durch
ans Ziel befördert werden. Namhafte tion freizugeben. So hat Norwegen, das
das inzwischen aufgeflogene Irangate —
japanische Experten bestätigen unter seinerzeit 20 t schweres Wasser an Israel
in den Schatten gestellt werden würde.
Berufung auf geheime Quellen Vanunus verkaufte, das Recht zu überwachen, ob
Ist es laut vorliegenden Angaben nicht
Angaben bei der "Sunday Times". Der es dieses nicht für militärische Zwecke
gelungen, Vanunu kirre zu machen, so
japanischen Zeitschrift "Gunji Kenkyu" verwendet. Nachdem bekannt geworden
scheint die Hoffnung auf ein Abflauen
zufolge werden, nachdem in Dimona ist, daß es in Dimona tatsächlich zur
des Skandals eingetroffen zu sein. Zwar
1964 die Uranaufbereitung anlief, dort Plutoniumerzeugung benutzt wird,
hat noch am 24. Dezember v. J. der
bis zu 40 kg "Plutoniumsprengstoff" brachten die Norweger ihr Kontrollrecht
derzeitige italienische Ministerpräsident
jährlich produziert. Ryuichi Hirokawa, ein zur Sprache, aber damit hatte die Sache
Craxi erklärt, daß sich die Behörden mit
Nahostexperte, erklärt, daß Israel nicht, ihr Bewenden.
der Entführung Vanunus aus Italien
wie es bisher hieß, 100—200, sondern
befassen, aber mit welchem Resultat, das
bereits "über 200 zum sofortigen
ist noch jetzt unbekannt. Ebenso haben
die Behörden Frankreichs auf die Mel­
Kampfeinsatz bereite nukleare Ladungen Einschüchterungsversuch
besitzt".
dung nicht reagiert, Vanunu sei von den Aber kommen wir auf den Fall Vanunu
In letzter Zeit ist in der Aus­
Entführern über den Pariser Flughafen zurück. Wie gesagt, heißt es, Tel Aviv
landspresse wieder von dem "Sa­
Orly nach Israel geschafft worden. Die
tansbündnis" Tel Avivs mit Pretoria die selbst stecke hinter dem Durchsickern
Aufregung, die wegen der Rolle der von Atomgeheimnissen aus Dimona, es
Rede. So schreibt die "Washington
britischen Geheimdienste bei der wolle damit die arabischen Länder
Post": "Eine Sonderurkunde über Zusam­
schändlichen Entführung in London aus- einschüchtern, um ihnen seine eigenen
menarbeit in Wissenschaft und Technik
zubrechen drohte, blieb aus. politischen Entscheidungen aufnötigen
dient als Grundlage dafür, die Ressour­
Dennoch hält der Skandal an. Es geht zu können. Zu dem Verdacht gegen Tel
cen beider Länder für Nuklearforschun­
ja nicht nur darum, daß ein Mann, der in Aviv liegen gewisse Gründe vor. Nach
gen zusammenzulegen. Kernphysiker
der unterirdischen Zentrale Dimona tätig den politischen Niederlagen der letzten
und technische Fachkräfte Israels be­
war, aus Gewissensgründen gegen die Zeit im Nahen Osten können sich die
suchen regelmäßig die RSA. Von vielen
nuklearen Pläne Tel Avivs aufgetreten ist,
Seiten wird geargwöhnt, daß im Septem­ strategischen Bundesgenossen Tel Aviv
und auch nicht um seine wiederholte
ber 1979 über dem Südatlantik gemein­ und Washington auch zu einer nu-
Aussage, daß Israel im Besitz von
same Atombombentests vorgenommen klearen Erpressung entschließen.
Massenvernichtungswaffen ist, die es
wurden, obwohl das von beiden Seiten Es ist, wie sich im Oktober
direkt oder indirekt mit Hilfe der
geleugnet wird. Die RSA liefert be­ v. J. in der UNO zeigte, nicht gelungen,
NATO-Länder bekommen hat.
kanntlich das Uran für die Zivil- und bei den arabischen Völkern eine Panik
Die Hauptsache ist, daß Vanunu die
Militäranlagen Israels, auch die soge­ auszulösen, nachdem Vanunu bestätigte,
Verantwortung derer zur Sprache ge­
nannte Bombenfabrik beim Reaktor von daß Tel Aviv Kernwaffen besitzt. Die
bracht hat, die die Atomkatastrophe
Dimona in der Negev." imperialistische und zionistische Propa­
Im vergangenen Oktober, gleich nach ganda schreckt die Araber ja schon seit
Vanunus Enthüllungen, verlangte eine den 70er Jahren mit israelischen
Gruppe arabischer Länder, daß der Kernwaffen. Die UNO-Debatten haben
Ein von Vanunu gemachtes Foto von der Punkt „Israels Kernwaffen" in die Tages- gezeigt, daß die arabischen Länder die
Kernforschungszentrale In Dlmona Ordnung der 41. UNO-Vollversammlung nukleare Bedrohung durch Israel ernst
Fotos: „Espresso" (Italien) und aufgenommen wird. In dem betreffenden nehmen. Die Sache ist aber bekanntlich
„Sunday Times" (Großbritannien) Schreiben an den UNO-Generalsekretär zweischneidig. Ein Kernwaffeneinsatz Tel

"NEUE ZEIT” 14.87


. vs e nerr. so engen Raum wie dem t
• Osten wäre für den Angreifer | INDONESIEN
■ ■ '.r Li'rr.ord. Das weiß man sowohl ]
fx. seien Hauptstädten als auch I
i. Tel Av.r Wenn man aber sagt, daß
K< rr.Waffenbesitz Israc s eine milita-
:
f
Bringen die nächsten Parlamentswahlen Veränderungen’
• ■ e Ber< ’ugur.g des Nahostproblcms 1
Hieße, so we ß man in Tel Aviv ,
■ • -i aucb gt r au, daß sich die arabischen
Länder auf eine politische und nicht
. .sung des Problems oricn-
eien und daß der Gedanke an eine
*< •nai o-aie Nahostkonferenz unter
I
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Da® Am®®
f
ahme der sündigen Mitglieder des
::O-Sicherheitsrats und aller interessier-
ten Seiten sowohl in dieser Region als
auch in der ubr.gen Welt immer mehr
|
I
I
I
wd filbiire
Zustimmung findet. Tel Aviv fürchtet |
Das Wahlergebnis vom 23. April steht hatte offensichtlich deshalb bereits
ber gerade eine politische Lösung. I
praktisch fest. Von den 500 Manda­ erklärt, daß massenhafte Mobilisierung
Diese iwürde ja die heutige Rolle des [
ten im Rat der Volksvertreter sind zu Wahlkampfveranstaltungen uner­
. _niLtischen Staates als US-Gendarm |
weigerlich entwerten, und das wie- i bereits 100 für die Armee reserviert. Seit wünscht sei, weil es dabei zu einer
■ rum würde zur jähen Drosselung des I 1965 ist sie die führende politische Kraft Entladung der Emotionen, zu Aufruhr
. Mischen, wirtschaftlichen und milita- I dieses Landes mit seinen annähernd 170 und Gewaltakten kommen könne.
l.en Beistands der USA für Israel ' Millionen Einwohnern. Die Organisation Wenn aber das Wahlergebnis bereits
i icn. Ohne Gegenleistung zahlt Wa- ; der funktionellen Gruppen (Golkar) feststeht, woher rühren dann diese
i.gton nichts. rechnet mit 70 % der verbleibenden 400 Leidenschaften? Offenbar daher, daß alle
Ubrigens setzen sich heutzutage im- ; Plätze. Die Golkar ist eine Massenorgani­ die Wahlen als einzige Möglichkeit
r mehr Israelis für eine politische li sation unter Aufsicht der Armee und des ansehen, die Armee, um ihren Regie­
ung des Nahostproblems ein. Sie sind ■ Staatsapparats. Auf Grund der vorausge­ rungseinfluß zu stärken, die Parteien, um
d. '. 40jährigen Kriegszustandes müde M gangenen Wahlen 1971, 1977 und ihr Exisfenzrecht zu behaupten und der
d drücken immer stärker auf Tel Aviv, !
1982 kann man mit hoher Wahrschein­ normale Wähler, um sich, zumindest
um eine friedliche Regelung durchzuset- |j
lichkeit davon ausgehen, daß die Golkar während der Stimmabgabe in die Politik
zcn. Vanunu gehört zu den I sraelis, die j
mit Unterstützung der Militärs ihr Ziel einzuschalten und seine Einstellung zu
I du .e Einstellung in tapferen Aktionen
tui»iei■ uily ui
erreicht. General Murdani, Oberkomman­ der im Land herrschenden Ordnung zu
I zum Ausdruck
i bringen.
_ Deshalb will Tel B
dierender
D - ■ der .indonesischen iStreitkräfte, artikulieren.
Aviv mit mit dem geheimen Prozeß
dem geheimen Prozeß und
und I, . - u l. • <■
hatte Präsident Suharto bereits im Sep­
I ifgcncht über Vanunu alle Verfechter
tember 1986 gemeldet, daß die Armee in
einer friedlichen Regelung im Staate
der Lage sei, "den Verlauf des
Nach
Israel einschüchtern.
Wahlkampfs unter Kontrolle zu halten".
Es ist durchaus kein Zufall, daß einen ;
Um die verbleibenden 100 - 120
dem Wirtschaftsboom
Tag vor' dem Prozeß über Vanunu in '
. -ileh ein Prozeß gegen vier israelische j Plätze bewerben sich die Demokratische Diese Wahlen in Indonesien werden
Pazifisten begann, die im im November
November I Partei Indonesiens (DPI) und die isla- unter erheblich schwierigeren Umstän­
1986 an einem Treffen mu mit einer PLO-De- j mische Partei der Einheit und Ent- den stattfinden, als in den ganzen letzten
legation teilnahmen. Sie werden weruen nach
riecn ■
[ Wicklung (PEE). Mit mehr dürfen sie nicht 20 Jahren davor. Das recht überzeu­
nem Gesetz vom August v. J. gerichtet, | rechnen, denn beide sind durch internen gende Wirtschaftswachstum der 70er
laut dem es Staatsbürgern Israels verbo- Streit und Spaltungen geschwächt. Eine Jahre, begünstigt durch die hohen Erd­
I n ist, Kontakt zu Vertretern "terro­
ristischen Organisationen" zu haben. Das
Sonderkommission überprüft pedantisch ölpreise (Indonesien exportiert Erdöl)
alle Kandidaten auf ihre Loyalität und hat und den Zustrom westlicher Investitio­
Verfahren in Ramleh ist der erste Prozeß
vorsorglich 60 von 800 Golkar-Kandida- nen und Kredite wurde 1982 durch einen
i'cch diesem Gesetz. Zugleich ist Michel
ten ausgesiebt, 250 von 800 PEE-Kandi- Rückgang abgelöst, dem nach einer
Warshawskr, Leiter des Zentrums für !|
daten und 259 von 629 DPI-Kandidaten. kurzen Atempause eine zweite Flaute
I A ernativinfcmation, festgenommen | j
festgenommen
. orden. Dieses Zentrum hat es sich zur S, Weil sie mit dieser Selektion gerechnet folgte. Diese wurde schon durch den
.1 hatten, stellten Golkar und die beiden Preissturz bei Flüssigbrennstoffen ausge­
A "gäbe gemacht, die Öffentlichkeit und
die Fresse auf Verstöße Israels gegen | anderen Parteien Kandidaten auf Vorrat löst. Das Wirtschaftswachstum ver­
. c Menschenrechte in den besetzten | auf. langsamte sich: von 6,1 % 1984 auf
.t bischen Gebieten htnzuweisen. j Selbst wenn man die unwahrschein­ 1,9 % 1985 und 1 % 1986. Der
Warshawskis sind Glieder ein und q lichste Variante annimmt, nämlich daß Wirtschaftsflaute folgte ein Preisanstieg
. viig mit ''Terroristen" beschuldigt. eine der genannten Parteien die Parla- und Senkung des Beschäftigungsgrades.
Der Prozeß gegen Vanunu, das rigo­ mentsmehrheit erringt, heißt das noch Um den Export zu beleben, wertete die

= rose Vorgehen gegen die vier israe- lange nicht, daß sie auch wirklich regiert, Regierung im September 1986 die
üscheu Pazifisten und die Festnahme weil das Staatsoberhaupt die Minister indonesische Rupie um 45 % ab.
Warshawskis sind Glieder ein und I nach Gutdünken ernennt, und zwar ohne Die Abhängigkeit Indonesiens von
oerse ben Kette. Der zionistische Staat, Rücksicht auf das politische Kräftever­ westlichen Investoren und Kreditgebern
dc die Völkerrechtsnormen in den hältnis im Parlament. Zudem sind macht sich jetzt bemerkbar. 1981 betru­
besetzten arabischen Gebieten und in gen die Ausgaben für Schuldentilgung
die Möglichkeiten des Parlaments, die
. jel se'bst mit Füßen tritt, hat gegen
Tätigkeit der Regierung zu kontrollieren, noch 10 % der Exporteinnahmen,
■ le, de gegen seine abenteuerliche
praktisch gleich Null: Das Kabinett ist 1986 dagegen überstiegen sie bereits
P< t.k sind, eine Offensive emgeleitct.
ausschließlich dem Präsidenten verant­ 30 %. Das geschieht heute vor dem
Also nictit von ungefähr mochten die
wortlich. Hintergrund eines versiegenden Zu­
rZ- eser ctzt mehr über das Schicksal
Trotzdem waren die drei vcrausgegan- stroms an Auslandsinvestitionen, an de­
V. us wissen. Auch er kämpft gegen
genen Wahlkampfe stürmisch verlaufen, nen sich die Wirtschaft Indonesiens in
c uklearcs Inferno, gegen die Gefahr,
und der Kampf der politischen Lei­ bedeutendem Maß orientiert, von
•i der jetzt die ganze Menschheit
i
denschaften hatte zu spontanen Zusam­ 2,5 Md. US-Dollar 1983 auf nicht ganz
sc w ebt.
J. KORSCHUNOW menstößen geführt. Die Armeeführung 700 Mio 1985.

74 "NEUE ZEIT” 14.87


In Indonesien ist man beunruhigt, daß, nationale Bourgeoisie unmittelbar an der nung verdächtigt, ja selbst von Personen,
wenn diese negativen Tendenzen sich Regierung des Landes teilhat und daß die mit Mitgliedern vor über zwei
ausweiten, sie Errungenschaften zunichte der Einfluß der repräsentativen Organe Jahrzehnten verbotener fortschrittlicher
machen, wie etwa die Selbstversorgung erhöht wird. Die objektiv sich vollzie­ Organisationen weitläufig verwandt sind.
mit Reis, dem wichtigsten Nahrungsmittel hende Veränderung in der sozialen Die Regierung hat vor zwei Jahren
des Landes, den Produktionszuwachs in Zusammensetzung der indonesischen durchgesetzt, daß im Parlament ein
mehreren Industriezweigen, u. a. in der Gesellschaft erfordert auch im politischen Gesetz verabschiedet wurde, das die
verarbeitenden Industrie, den Infla­ Überbau eine Entsprechung auf demsel­ "Panca Sila" genannten folgenden fünf
tionsstopp und eine Preiskontrolle für ben Niveau, wie die wirtschaftliche und Prinzipien der Staatsideologie für alle
Waren des Grundbedarfs. Die Behörden technische die diese
Modernisierung, Parteien und gesellschaftlichen Organisa­
verbuchen auch das verzögerte Bevölke- Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten tionen verbindlich erklärt: Monotheis­
rungswachstum und relativ hohe und mus, Demokratie, nationale Einheit, so­
stabile Devisenreserven unter Erfolg, ziale Gerechtigkeit und Humanismus.
Inzwischen leitet die Regierung Für sich genommen sind diese Prinzi­
Maßnahmen ein, um Produktion und pien über jeden Einwand erhaben. Die
Export solcher Waren zu erhöhen, die politischen Gruppierungen Indonesiens
nicht mit Erdöl und Erdgas zusammen- befürchten jedoch, daß die Militärfüh­
hängen, und um die Wirtschafts- un^i rung, die sich das Recht vorbehält, die
Handelsbeziehungen mit sozialistischen offizielle Ideologie auszulegen und zu
Staaten und Entwicklungsländern auszu- bestimmen, inwiefern die Haltung einer
weiten. Während der Unterredungen in bestimmten Organisation mit diesen fünf
Djakarta zwischen UdSSR-Außenminister Prinzipien übereinstimmt, über ein uni­
Schewardnadse und führenden indone­ verselles Machtmittel verfügt für eine
sischen Politikern kamen die Seiten noch rigidere Kontrolle über jede
überein, die bestehenden Möglichkeiten politische Betätigung in diesem Land.
für gegenseitig vorteilhaften Waren­ Die Einschränkung legaler Möglichkei­
austausch besser zu nutzen. ten für die Diskussion um grundlegende
Diese Maßnahmen können natürlich gesellschaftliche Probleme konnte nicht
auf längere Sicht dazu beitragen, die dazu führen, die bestehenden Mei­
ökonomischen Schwierigkeiten zu über­ nungsverschiedenheiten zu beseitigen.
winden. Ihre Resultate werden sich Ein entgegengesetzter Prozeß läuft ab,
allerdings erst nach einiger Zeit be­ und die politischen Auseinandersetzun­
merkbar machen. Solange bleibt die gen nehmen erbitterte Formen an.
Lage ernst. Um so mehr, als der Westen, Hier liegt ein Grund für die Aktivie­
vor allem die USA, Indonesien mit allen ■ rung der oppositionellen Islam-Bewe­
gung. Sie operiert sowohl innerhalb der
Mitteln daran hindern, als Exporteur von
Industrieerzeugnissen auf den Weltmarkt di existierenden legalen Strukturen als
zu treten. auch unabhängig davon. Sie wendet sich
Die zunehmenden wirtschaftlichen Ge­ Sumatra - das indonesische Erdölzentrum an die Massen, die mit der Einschrän­
brechen stehen in engem Wechselver­ kung demokratischer Freiheiten und mit
hältnis zu sozialpolitischen Erschütterun­ den negativen Auswirkungen der kapita­
gen. Die Entwicklung des Kapitalismus in ' ■ listischen Entwicklung unzufrieden sine,
Indonesien führte zu einer sich vertiefen­ und an alle diejenigen, die angesichts
den Differenzierung der Klassen- und erreicht hat. Man kann sagen, daß sich in des Verbots, fortschrittliche Ideologien
Eigentumsverhältnisse. Soziale Unruhen Indonesien eine bürgerlich-liberale Op­ zu verbreiten, außer der religiösen,
in den Städten und auf dem Land Waren position herausbildet, die bei allen keine Alternative zur bestehenden
die Folge. Obwohl die Organisationen inneren Widersprüchen und der klassen­ Wirklichkeit sehen. Die radikalen Mos­
der Werktätigen nach wie vor streng bedingten Beschränktheit ihrer Forderun­ lems ziehen Menschen aus allen
verboten sind, brechen diese Unruhen gen nach mehr Demokratie in Zukunft Schichten der indonesischen Gesellschaft
oftmals und in den verschiedensten das politische Leben des Landes an, vor allem Jugendliche. Was sie nicht
Formen, manchmal gewaltsam, hervor. maßgeblich prägen kann. haben, ist ein reales, positives
/
Auch die Übermacht des Auslandskapi­ Die Militärs dagegen halten die Programm, um es. dem jetzigen Regie­
tals ruft Unwillen hervor. Die Öf­ politische Initiative fest in der Hand und rungskurs entgegenstellen zu können.
fentlichkeit sieht darin nicht nur eine machen nicht den Eindruck, als wären sie Viele indonesische Beobachter, auch aus
intensivierte wirtschaftliche Abhängig­ geneigt, die Macht mit irgend jemandem der Umgebung der Militärs, meinen
keit, sondern auch die Gefahr, daß zu teilen. General Murdani und andere jedoch, daß die Moslemextremisten eine
traditionelle nationale geistige Werte führende Militärs haben kategorisch potentielle Gefahr für die politische
zersetzt werden. verlautbart: Niemand hat die führende Stabilität Indonesiens darstellen.
Rolle der Armee in der Gesellschaft in Die Probleme, mit denen Indonesien
■Zweifel zu ziehen. Erklärungen dieser jetzt, zu den fünften allgemeinen Wahlen
Suche nach Alternative Art werden durch politische und Verwal­ in der Geschichte des Landes konfron­
Im Ergebnis der kapitalistischen Ent­ tungsakte bekräftigt, .die dazu dienen tiert ist, sind nicht neueren Ursprungs,
wicklung Indonesiens weiteten sich die sollen, jede Veränderung im gegenwär­ sondern aus der mehrere Jahrzehnte
"Mittelschichten" aus, stieg der Anteil tigen Staatsaufbau oder gar Alternative währenden Entwicklung des Landes
der einheimischen Unternehmer und der abzuwürgen. erwachsen. Heutzutage haben sie sich
an sie angrenzenden wissenschaftlich- Die bereits 1966 illegalisierte Kommu­ jedoch derart zugespitzt, daß von den
technischen Intelligenz. Sie sind objektiv nistische Partei Indonesiens ist immer Methoden ihrer Lösung abhängt, wie die
daran interessiert, daß das Vorrecht der noch grausamen Repressalien ausgesetzt. indonesische Gesellschaft in der
staatlichen Einflußnahme von der Armee Der Staatsapparat wird nach wie vor von nächsten Zukunft aussehen wird.
auf zivile Kreise verlagert wird, daß die allen gesäubert, die man linker Gesin­ A. JURJEW

"NEUE ZEIT" 14.87 25


,i r-i ' to' uns e nen Apfel ha* und Romane und Erzählungen aus jenen „Das Thema der Entscheidung, die das
c er :it aas Ergebnis nichtig. Jahren, ebenfalls 'Produktionsprosa', gesamte spätere Leben eines Helden
'■ < t' Apfel, -cd S.e haben z. B. das 1954 herausgekommene 'Blaue bestimmen soll, kennzeichnet die ganze
< ■ o is r e 'e1 Wenn wir aber Tal', eine glückliche Ausnahme?" tschechoslowakische Gegenwartsliteratur.
GiOo.tr- ,_>o .1-: en, wird jeder von „Unsere Literatur machte eine Die komplizierte Geschichte unseres
<ii . d .j.r.c t so re c Zudem bringt cm Krankheit durch, von der die Literaturen Landes verleiht diesem Thema eine
' .< «tartlr < i . a deren hervor. Heute aller volksdemokratischen Länder ange­ besondere, tragische Aktualität. Viel­
i o! '!.< Litt wc ‘cre, vielleicht
c steckt waren. Die Schriftsteller wollten leicht handelt es sich dabei auch um das
■ I • v'.r < ■ A .„c Cie Menschen ihrem Volk beim Aufbau des neuen Hauptthema der gesamten Literatur des
<n die Wiel.* ,.c t des Fr.edens, an die Lebens helfen und schrieben Romane, 20. Jahrhunderts. Ich weiß, daß mein
N üd ,i< • :< : Friedenskampfes, die die Menschen zu guter Arbeit Roman 'Wenn du mich verläßt1 den
daran .-ii r..<.•.r.e:.. da!) der Frieden der aufforderten. Sie besangen Bestarbeiter sowjetischen gefallen hat. Auch
Lesern
höchst« Mi rt Wer den Krieg erlebt und Neuerer, und dies aufrichtig, weil das ist ein Buch über jene, die ihre Wahl
verlieht cias besonders gut." sie vom allgemeinen Schwung der treffen - und sich dabei irren. Über jene,
.Schreiber. S.e auch heute über den Aufbauarbeit mitgerissen waren. Trotz die aus eigenem Antrieb Emigranten
Krieg?" aller schönen Absichten der Autoren werden."
blieben diese Bücher kurzlebig. Sie „Was charakterisiert die tschechische
kann
Ja, man denn anders? Mein
waren künstlerisch seicht und beschäftig­ Literatur der 80er Jahre?"
Roman 'Em Silberling’ handelt vom
ten sich nur mit positiven Helden. Der „Seinerzeit warf die Kritik den Auto­
Slowakischer. Naher alaufstend. Ich weiß,
Inhalt hatte den Vorrang vor der Form." ren vor, daß sie mit 'versteckter Kamera'
was Faschismus ist, und habe meine
„Auch für Sie? Oder war Ihnen der arbeiten und das Leben widerspiegeln,
persönlichen Erfahrungen, was
Mensch m der Produktion interessanter ohne es gedanklich verarbeitet zu
faschistische Gefängnisse betrifft. Seit
als die Produktion selbst? Kann man haben. In den letzten Jahren beginnen
Beginn 1944 bis Kriegsende war ich in
sagen, daß Sie sich mit ethischen viele junge Autoren, die komplizierten
einem Gefängnis für politische Häftlinge.
Problemen auseinandergesetzt haben?" Erscheinungen unseres Heute tiefgreifen­
Icti hatte versucht, Dokumente für einen
„Was mich immer bewegt hat, war der zu analysieren. Man kann sagen, daß
Illegalen, nach dem die Gestapo fahnde­
das: wie verhält sich ein Mensch in einer sie ein ausgeprägteres Verantwor­
te, zu beschaffen. Jeder Tag konnte für
schwierigen Situation, da die Entschei­ tungsbewußtsein haben. Unter anderem
mich der letzte sein."
dung von seinem Gewissen, seinen würde ich das nachlassende Interesse für
„Ihre Lebenserfahrungen bestimmen moralischen Prinzipien abhängt?" den historischen Roman erwähnen."
den Themenkreis Ihrer Werke. Bereuen „Wir wissen, daß der Dogmatismus in „Wie erklärt sich das?"
Sie nicht, daß Sie so viele Jahre als
der Literatur nicht wenig Schaden ange­ „Die Gattung wurde von den früheren
Ingenieur tätig waren?" richtet hat, daß seine Überwindung Schriftstellergenerationen ausgiebig
, Neunzehn Jahre lang saß ich auf zwei ebenfalls mit Überspitzungen verbunden durchgearbeitet. Es ging auch nicht
I Stühlen, war Ingenieur und schrieb war und viele tschechoslowakische ohne einen gewissen Druck der Kritik auf
zugleich Bücher. An den Schreibtisch Schriftsteller es nicht vermochten, sich in die Autoren ab: Man erwartet einen
I konnte ich mich nur nach Feierabend dieser komplizierten Situation zurechtzu­ positiven Helden. Meiner Meinung nach
oder sonntags setzen, arbeitete viel finden. Nach den Ereignissen von bestimmt nicht die Zeit der Handlung
nachts, schlief erst gegen Morgen ein. 1968 entdeckte die Literatur eine für sich den Umstand, ob ein Literaturwerk
Dann endlich sah ich ein, daß ich wählen neue Etappe in der künstlerischen gegenwartsnah ist oder nicht. Ein Buch
mußte, und entschied mich für die Darstellung des Lebens." über Sokrates kann viel aktueller sein als
Literatur. Meinen technischen Beruf ver­ „Ja, charakteristisch für unsere Litera­ etwa ein schlechter Roman über das
danke ich meinen Eltern, die einst tur sind seit über 10 Jahren ein erhöhtes heutige Leben unserer Arbeiter. Gegen­
beschlossen hatten, daß ich Ingenieur Interesse für die menschliche Individua­ wartsnähe ist das bildhaft reproduzierte
werden müsse. In der Jugend tat es mir lität und das Streben, eine facettenreiche pefühl für das Geschichtsbewußtsein."
leid, ich meinte, klassische Bildung wäre Gestalt unseres Zeitgenossen zu schaf­ „Überraschend formuliert! Ich glaube,
mir nützlicher gewesen. Jetzt aber bin fen, sein ethisches Wesen und sein das findet bei unseren Lesern Interesse.
I ich meinen Eltern dankbar, weil ich 20 Verantwortungsgefühl gegenüber der Die letzte Frage: Gehören Sie zu jenen
Jahre unter Menschen gelebt habe, die Gesellschaft, der Epoche, • gegenüber Schriftstellern, die Fragen nach ihren
L sich ihre Existenz mit schwerer körper­ sich selbst zu zeigen." schöpferischen Plänen nicht beantwor­

licher Arbeit verdienen. Ich kenne ihre „Ich denke an Ihren Roman 'Endsta­ ten?"
Probleme und ihre Freuden. All das kann tion', der in den 70er Jahren entstand. Er „Nein. Ich möchte ein Erinne­
ich in meinem literarischen Schaffen gut ist zwar ins Russische übersetzt, aber für rungsbuch schreiben. Memoiren sind bei
gebrauchen." jene unserer Leser, die den Roman nicht uns sehr populär. Manchmal steckt
Nach dem Krieg ging die tschecho­ kennen, will ich ein paar Worte dazu die Neugier nach skandalösen Ge­
slowakische Literatur erstmalig daran, sagen. Die Handlung spielt in einem schichten aus dem Privatleben berühm­
Aroeit als Scheffensprozeß zu zeigen. Altersheim. Statt des für Pluhar typischen ter Menschen dahinter, aber im Ernst
Das war eine Art Experiment. Es dynamischen Sujets haben wir hier eine gesprochen, möchte ich versuchen, zu
erschienen zah:reiche 'Produktionsroma­ langatmige Erzählung, lange Überlegun­ vereinigen, was unvereinbar scheint:
ne', aber nur wenige davon haben die gen der Helden, eine ausführliche Erinnerungen und Dichtung. Unter realen
Probe der Ze.t bestanden. Viele dieser Schilderung des traurigen Alltags von historischen Umständen sollen litera­
Werke waren dogmatisch und schema­ Menschen, deren Leben die Endstation rische Gestalten handeln, denen ich
tisch. An sich ist die Hinwendung zur erreicht hat. Die Helden - und zugleich Leben verleihen will. Die Handlung
Produkt onsthemahk logisch, sie gab die der Autor selbst - denken an ihr Leben spielt zwischen 1918, als der Tschecho­
Möglichkeit, den Helden vor eine A'.ter- zurück, noch einmal überprüfen sie in slowakische Staat gegründet wurde, und
nahve zu stellen und in einem Konflikt Gedanken ihr Handeln und sich selbst. 1938, als die Republik zugrunde ging.
seinen Charakter auszuleuchten. Doch Meral, Ehre, Gewissen - mit diesen Natürlich möchte ich meine Leser, auch
die Koniliktformel Neuerer gegen Kon­ Kategorien arbeitet der Autor hier. Die in der UdSSR, nicht in ihren Erwartungen
servative' kompromittierte sich Helden erleben schwierige moralische täuschen. Es ist mir eine große Freude,
schließlich vollends, und die Kollisionen, eine richtige Entscheidung daß bei Ihnen jetzt gleich mehrere
Kl •<* cbkeit _e' Konstruktion verurteilte fallt ihnen nicht leicht. Erneut stellt sich meiner Bücher übersetzt werden."
d e Autoren zum M ßerfolg. übrigens hier das Thema der moralischen Wahl
j ne-nte da"'a‘s kc.ner solche Bucher em. Nach allem zu urteilen, ein beson­ Leonid MLETSCHIN
mißg uckt... Wa-cT bildeten Pluhars ders wichtiges Thema für Sie?" Prag—Moskau
"NEUE ZEIT" 14.87
•»
UdSSR—IRAK

des Irak, der zweifelsohne das Schicksal


des Landes bestimmt — soll gesondert
die Rede sein.
Die Sowjetunion kam dem Irak an
Einige Kilometer nordwestlich von "Kein Probleml Bald werde ich ar­ einem Wendepunkt seiner Geschichte zu
Bagdad reicht die Wüste bis unmittelbar beitslos sein", lacht er, wobei er auf Hilfe, als Anfang der 70er Jahre die
an die Straße. Immer seltener werden Dmitri Kalinkewitsch und Münzer Bakr Ölindustrie nationalisiert wurde. Diese
die grünen Oasen, die Menschen und zeigt, die lebhaft ein Schaltbild erörtern. Entscheidung war 'ein revolutionärer
Tiere. Und schließlich ist es so weit — Sie sprechen ein merkwürdiges Gemisch Schritt und ein wichtiges Beispiel für
um uns herum nur Sand, soweit das aus Russisch und Arabisch, wobei sie viele Entwicklungsländer. Die UdSSR
Auge reicht. Der glühend heiße Wind einander großartig verstehen. half, den Wirtschaftsboykott der Mono­
peitscht die seltenen Bündel der Man könnte jetzt viel aufzählen: Wie pole zu durchbrechen. Der Tanker, der
kärglichen Wüstenflora, laßt sich ent­ viel Kubikmeter Gestein aus dem Boden die erste Ladung von dem irakischen
setzliche Sandstürme am Horizont zusam­ geholt werden mußten, um den Stau­ Volk gehörenden Ol an Bord nahm, fuhr
menballen. Und nur die entgegenkom­ damm zu errichten (30 Millionenl), mit unter sowjetischer Flagge. Auch heute
menden Wagen und die Nottelefone, die welcher Effektivität die sowjetische helfen sowjetische Erdölarbeiter, die
in gleichmäßigen Abständen am Straßen­ Technik genutzt wird, ja wie viele Förderung des „schwarzen Goldes" zu
rand stehen, erinnern an die Gegenwart Neuerervorschläge und untraditionelle vervollkommnen.
des Menschen. Lösungen bei dem Bauvorhaben gefun­ Der Vertrag über Freundschaft und
Unwillkürlich fährt man schneller, und den wurden. Zusammenarbeit zwischen der UdSSR
da endlich nähert sich die Straße dem und dem Irak wurde am 9. April
Euphrat — und sogleich, als wäre es ein 1972 unterzeichnet. Dieses Dokument
Wunder, eine Fata Morgana, tauchen wurde zu einer Art Bilanz und zugleich
hinter der Wegbiegung dichte Palmen­ zu einem festen Fundament für die
haine, Gärten und bestellte Felder, das weitere Entwicklung der freundschaft­
satte Grün von Wiesen auf, sieht man lichen Beziehungen. Die vergangenen
lächelnde braungebrannte Bauern. 15 Jahre haben gezeigt, daß sich Moskau
Immer ist es so gewesen, das ge- und Bagdad dabei nicht täuschten: Der
schichtsträchtige, legendäre Mesopota- Vertrag hatte eine wichtige Funktion bei
mien — ein faszinierend schönes und V. der Festigung der antiimperialistischen
erstaunlich fruchtbares wo Land, dort, ■ 'r fj Solidarität und dem Zusammenwirken
Wasser ist, und leblos, dem Menschen unserer Völker, bei der Konsolidierung
feindlich, dort, wo das lebenspendende der politischen und ökonomischen Unab­
Naß fehlt. hängigkeit des Irak.
An den Euphrat schmiegt sich die "Die Zeit ist der un vorei ngenom-
gemütliche Kleinstadt AI Qadisiya, ein Jeder Abschnitt des Staudamms vermit­ menste, ehrlichste Zeuge für die Auf­
wahres Eldorado für Freunde der tradi­ telt neue berufliche Erfahrungen. richtigkeit und die Festigkeit unserer
tionellen arabischen Kultur. Doch nun Foto des Autors Freundschaft", sagte mir der-Vorsitzende
schon einige Jahre hat die Stadt mit ihren der Gesellschaft für irakisch-sowjetische
engen Gassen ihre jahrhundertelange "Doch wie lassen sich Begeisterung, Freundschaft Najih Mohammad Khalil.
Ruhe verloren. Jeden Tag rollen durch AI Talent und Energie von Tausenden ... Über dem Damm des Was­
Qadisiya LKW-Karawanen mit Baumate­ hervorragender Spezialisten messen, also serkraftwerks AI Qadisiya sind die
rial, Technik und Menschen. das, was den Damm so fest und für Luftabwehrgeschütze in ständiger Be­
Etwas den Euphrat aufwärts
weiter Jahrhunderte unerschütterlich gemacht reitschaft. Selbst Hunderte Kilometer
geht der Bau des leistungsstarken Was- hat?" Diesen Satz des Generaldirektors von der Front entfernt spürt man die
. serkraffwerks AI Qadisiya, eines Objekts des Bauobjekts, Basem Al-Abaiji, habe Auswirkungen des tragischen iranisch­
der sowjetisch-irakischen Zusammenar­ ich in meinem Notizbuch unterstrichen. irakischen Krieges. Er fügte der
beit, seinem Abschluß entgegen. Das "Der Bau des Wasserkraftwerks wurde Wirtschaft des Irak schweren Schaden
Wasser aus dem riesigen Stausee wird zu einer Bewährungsprobe für die Arbeit zu, verlangsamte ihre Entwicklung. Doch
Hunderttausende Hektar bewässern. Der unter komplizierten, bisweilen extremen auch in schweren Jahren hielt die
erste Block des Kraftwerks, das nach Bedingungen'und die Freundschaft, den sowjetisch-irakische Zusammenarbeit al­
Internationalismus und wahre gegensei­ len Belastungen stand. Unter den nicht
sowjetischem Projekt und mit technischer /
Unterstützung der UdSSR gebaut wird, tige Hilfe sowohl für die sowjetischen einfachen Bedingungen des Krieges
liefert bereits Strom. Die geplante Menschen als auch für die Irakis", sagte arbeiten sowjetische Spezialisten auf
Leistung des Wasserkraftwerks beträgt der sowjetische Chefexperte Viktor vielen Wirtschaftsobjekten, entwickeln
660 000 KW. Skripnikow. sich die kommerziellen, kulturellen und
Jedesmal, wenn ich den Bau besuchte, Das Wasserkraftwerk Al Qadisiya ist wissenschaftlichen Beziehungen.
war ich erstaunt, wie harmonisch sein nur eines der ca. 100 Wirtschaftsobjekte, Die Sowjetunion — das wurde erneut
riesiger, angespannt arbeitender Mecha­ die in Zusammenarbeit mit der UdSSR in der Erklärung der Sowjetregierung
nismus funktioniert. Dutzende gigan­ auf irakischem Boden entstanden sind. vom 8. Januar 1987 bestätigt—tritt
tischer Fahrzeuge, die den irakischen Diese Zusammenarbeit umfaßte die entschieden für eine schnellstmögliche
Bedingungen hervorragend angepaßt Schlüsselzweige der Wirtschaft. Wichtige Beendigung des iranisch-irakischen Krie­
sind, Sprengungen in den Felsen, Bag­ Bewässerungskanäle wurden verlegt, ges, die friedliche Beilegung des
ger, insbesondere Saugbagger. Meter für Kraftwerke gebaut. Betriebe der Schwer- Konflikts und für die Lösung aller
Meter wuchs der Staudamm. Gemeinsam und der Leichtindustrie entstanden, na­ Streitfragen auf dem Verhandlungsweg
waren hier sowjetische und irakische tionale Kader werden ausgebildet, Von ein. Dieser prinzipielle Kurs der UdSSR
Ingenieure und Arbeiter tätig. nicht geringer Bedeutung für die unab­ findet volles Verständnis bei der Regie­
"Findet ihr eine gemeinsame hängige Entwicklung des Landes ist die rung wie bei dem Volk des befreunde­
Sprache?“ frage ich den Dolmetscher Zusammenarbeit in Bildung und Kultur. ten Irak.
Alexander Golzow. Doch vom Erdöl — dem Hauptreichtum A. WASSILINOW
Bagdad—Moskau
"NEUE ZEIT" 14.87
29
IM SÜDEN AFRIKAS
-J

Ein Besuch bei siert, weist jedoch keine Spur von Militär
auf.
Dabei behauptet die amtliche

namibischen
RSA-Propaganda, die SWAPO-Lager in
Sambia, Angola und anderen
„Frontstaaten" seien dazu da, Soldaten
und Kommandeure auszubilden, die

Flüchtlingen Namibias Befreiungsarmee auffüllten und


eine potentielle Bedrohung
seien. Immer wieder wird die Drohung
der RSA

ausgestoQen, die Lager zu vernichten


und „mit den Partisanen und Terroristen
Von unserem Korrespondenten
aus dem Busch" aufzuräumen.
N.kolai RESCHETNJAK

Von Lusaka aus führte unser Weg uns Aktivisten der patriotischen Südwestaf­ Leben in der Kommune
westwärts, zur Stadt Mumbwa, dann, rikanischen Volksorganisation (SWAPO)
durch das Tal des Kafue, nach Kaoma- mit ihren Angehörigen her. Das Kolonial­ Der Direktor des Lagers, der 32jährige
•r ./ii uno von dort in den Busch. So regime der RSA bedrohte sie, viele energische Leonard Nambahu, geht in
cricichten wir em auf dem Territorium hatten Verhaftung, Gefängnis und Folter seiner Arbeit, mit der ihn das ZK der
Sambias gelegenes Lager der nami­ kennengelernt. Eine Zuflucht fanden hier SWAPO beauftragt hat, auf. Mit 16 Jah­
bischen Flüchtlinge. Ich wollte sehen, auch die Frauen und Kinder der Gefalle­ ren war er der nationalen Befreiungsor­
wie sie leben, arbeiten und ihre Kinder nen der Partisanenarmee, die für die ganisation beigetreten und dann
lehren, diese Menschen, die von den Befreiung der durch die RSA rechts­ mehrmals wegen seiner patriotischen
südafrikanischen Rassisten um ihre Hei- widrig okkupierten Heimat kämpft, Tätigkeit verhaftet worden. Nach der
n.,.t gebracht worden sind, aber fest und jener, die eingekerkert waren. letzten Entlassung mußte er die Heimat
daran glauben, daß die Stunde der Sie begannen bescheiden, bauten verlassen. Er studierte im Ausland, ist
Ficiheit auch für ihr leidgeprüftes Land zunächst Lehmhütten, und obwohl hier Wirtschaftsfachmann und träumt davon,
einmal schlagen wird. nach der Befreiung Namibias den Berg­
bau umzustrukturieren und zu ent­

Bei Null angefangen r: wickeln.


Wie er sagt, leben gegenwärtig 4590
Personen im Lager, davon 700 Kinder,
Etwa zwei Stunden schnelle Fahrt deren Eltern in der Heimat den Kampf
braucht man, um den größten sam- fortsetzen bzw. gefallen sind. Ein Teil
bischen Nationalpark, den von Kafue, zu der Kleinen lebt im Kindergarten, der
d rehqueren. Unterwegs sahen wir satt anderen haben sich einzelne Familien
schlummernde Löwen, scheue Antilopen­
hm: den und Giraffen, die die Menschen r angenommen.
Wie wird das Leben in dieser kleinen
a :■ großen erstaunten Augen anblickten. Gemeinschaft geregelt?
Während wir durch den Park sausten, „Die Direktion", antwortet Leonard
! 'uten meine Begleiter zu Gott, daß der Nambahu, „hat mehrere mit nur wenigen
Wegen nicht kaputtgehe. Hilfe ist hier Mitarbeitern besetzte Departements: für
kerne zu erwarten: keine Menschen, Bildung, Gesundheitsschutz, Wirtschaft
soweit das Auge reicht, und aussteigen ■ ■ und Landwirtschaft, für Angelegenheiten
darf man nicht. Wer weiß, wie ein Löwe, der Jugendlichen und der Frauen, für
ein Elefant oder em Nashorn, die sich Kindererziehung. Außerdem eins für
zufällig in der Nähe befinden könnten, Politik und Mobilisierung und eins für
darauf reagieren würden. Aber am
Im Kindergarten
Rechtsfragen. Ihr Wirkungsbereich dürfte
gefährlichsten für die Reisenden sind klar sein. Zu den beiden letzten viel­
m.-hl diese großen Bewohner der Savan- leicht nur dies: Das Departement Politik
m sondern die kleine Tsetsefliege. Sie gegenwärtig, im Rahmen der und Mobilisierung sorgt für die Ausfüh­
.•trägt Trypanosomen, den Erreger Flüchtlingshilfe der UNO, Reihenhäuser rung der grundsätzlichen politischen
; - Schla'krankheit, gegen die es bisher aufgeführt werden, bilden die Hütten Bestimmungen des ZK der SWAPO, das
wirksames Mittel gibt. In einigen noch immer den Grundstock der für Rechtsfragen gegen jene vorzuge­
u -gedehnten Reg or.cn herrschen Arten „Wohnsubstanz". Von Wind und Regen hen hat, die im Lager gegen bestimmte
der Tsetsef'.cge vor, deren Stich für angegriffen, mit löchrigen Wänden, Regeln verstoßen. Zum Glück gibt es
gieße R nder und Pferde tödlich ist. Die beherbergt jede Hütte 7-10 Personen. keine solchen Fälle", sagt der Direktor
Fliege wird bekämpft, aber vorläufig mit In den letzten Jahren wurden eine lächelnd.
wechselndem Erfolg. Schule, ein Kindergarten und ein Kran­ „Und wie ist es mit den militärischen
Als der Kafuc-Nationalpark hinter uns kenhaus sowie Anlagen für Sport und Vorbereitungen, den bewaffneten Einfäl­
log wurden wir an einem Posten Jugendvcrar.staltungen gebaut. Dort wer­ len und dem Terrorismus, all dem, wovon
.. icnalten. Em Beamter ließ uns ausstei- den Kundgebungen durchgeführt und an Ihre Gegner so viel reden?"
gen end fing m unserem Wagen mit Nationalfeiertagen Lagerfeuer entzündet. Leonard unterbricht mich:
<_ ■_ gewöhnlichen Schmetterlingsnetz Wir besuchten Werkstätten, wo Frauen „All das ist Unsinn. Am besten ist
zehn Tsetsefliegen. Kleidungsstücke und Decken für die wohl, ich zeige Ihnen, wie wir leben,
Dieses Lager der narn;buchcn Lagerbewohner nähen, und eine Farm, arbeiten, wie wir ausspannen."
Flüchtlinge, das offiziell Zentrum für die für aller Verpflegung sorgt. Der Der Toyota des Direktors fuhr durch
Gesundheitsschutz und Bildung heißt, Alltag der Menschen, die sich zeitweilig das Lager, sackte immer wieder im zähen
en./and 1975. Damals kernen die ersten in der Fremde befinden, ist gut organi- Sand ein.

30 "NEUE ZEIT" 14.87


Zuerst halten wir vor dem Kranken­ alles, damit unsere Kinder gesund, Bewohner seine Portion aus der ge­
haus. Das ist eine kleine List des freundlich und verständig aufwachsen. meinschaftlichen Küche holte. Das haben
Direktors, denn Ndaham Mthoko, die Sie sind ja die Zukunft eines unabhängi­ sie Rosa und ihren Kameraden zu
Leiterin, sagt mir sofort: gen Namibia. Sie spielen viel, wir verdanken.
„Sprechen Sie bitte russisch mit mir. bringen ihnen Singen, Tanzen und
Ich habe direkt Heimweh nach dieser Rezitieren bei, aber sie müssen uns auch
Sprache." nach Kräften helfen. Die Älteren beauf­ Zuversichtlich
Wie ich erfahre, hat Ndaham die sichtigen die Kleineren mit."
Hakaye Aicicellah, Jahrgang 1958,
Medizinische Hochschule in Kiew absol­ Ein Schwarm von Kindern umringt uns,
ging in Namibia zur Schule, wurde
viert. Sie ist die einzige Diplomärztin im und die Erzieherin läßt sie für die Gäste
jedoch wegen patriotischer Agitation
Krankenhaus, ihr Personal sind das Lied von einem freien Namibia
ausgeschlossen. Später, 1975, trat er in
Schwestern und Sanitäterinnen aus dem singen.
die SWAPO ein. Die Verfolgungen durch
Lager. Ndaham reibt sich die entzünde­ Ein Schullehrer, dessen Namen ich mir
die Okkupanten zwangen ihn zur Flucht
ten Augen: Eine schwierige Entbindung leider nicht notiert habe, greift das
nach Angola. Dann studierte er in
heute nacht.
Sambia am UNO-Institut für Namibia.
Auf der Station liegen 20 Patienten,
Jetzt leitet er im Lager eine Organisation
weitere 50 sind in die Sprechstunde
gekommen. i.ff: > der Jugendliga der SWAPO.
spricht er nicht gern, über seine Heimat
Ober sich

„Warum so viele?" fragt die Ärztin


Namibia dagegen kann er stundenlang
zurück. „Im Lager mangelt es an Wasser,
erzählen.
die Medikamente sind knapp. Am häu­
„Wie jedes andere Volk haben wir
figsten leiden die Menschen an Malaria,
Namibier das Recht auf Freiheit und
Ruhr, akuten grippalen Infekten."
Glück. Unser Land hat alles, was dazu
Ndaham Mthoko sagt, daß sie dem
nötig ist: fruchtbare Ländereien, ein
Aufenthalt in der UdSSR nicht nur den
gesegnetes Klima, arbeitsame Menschen,
herrlichen Beruf als Ärztin verdanke,
sondern auch und in
Vermögen, zu ihren Freunden zu stehen,
erster Linie das
r; ■ sehr reiche Bodenschätze.
hörden haben Namibia
Gefängnis für mein Volk, in eine einzige
Die
aber
RSA-Be-
in ein

uneigennützig zu handeln und den


F <7 Kaserne verwandelt. Wir stehen hinter
Kummer anderer zu teilen. V.
der SWAPO, unserer einzig recht­
„Ich bin da nicht allein. Schauen Sie
mäßigen Vertretung, und fordern
unbedingt auf unserer Farm vorbei, als
keine vorgetäuschte, sondern eine reale
Hauptveterinär ist dort meine Freundin
Mitglieder der Jugendliga der SWAPO Unabhängigkeit. In diesem Geiste erzie­
Rosa Engombe tätig. Auch sie hat in der
hen wir auch unsere Jugend."
UdSSR studiert."
„Das Lernen und die Arbeit unserer
Die Farm sehen wir dann etwas später.
Jugendlichen sind ihre Vorbereitung auf
Bis dahin haben wir noch Begegnungen
das Leben in einem unabhängigen
mit anderen Lagerbewohnern.
Thema Kinder auf. Er zeigt uns den Namibia, dessen wahre Herren sie sein
Rhona Halwecndo ist in der Näherei
Schulhof, auf dem es sowohl Stan­ werden", schaltet sich Leonard Nambahu
beschäftigt. Sie spricht leidenschaftlich,
dardhäuser als auch Flechtwerkhütten ein. „Im Lager tun wir viel für die
schnell, als hätte sie Angst, nicht alles
gibt. Ich muß an meine Journalistenreise Erziehung der Menschen. Wir bringen
aussprechen zu können: ihnen die Moral der Zukunft bei,
nach Belorußland zurückdenken. Das war
„Ich bin mit meinen vier Kindern
vor 10 Jahren, und es ging dorthin, wo erläutern ihnen die Ziele der SWAPO,
hergekommen, weil ich die Verfolgun­
während des Großen Vaterländischen unterrichten sie über die internationale
gen, denen wir in der Heimat ausgesetzt Lage. Eine gute Schule der Erziehung ist
Krieges ein Stab der Partisanenbewe-
waren, nicht mehr ertragen konnte. Die
gung gewirkt hatte. Auch dort, mitten im der Kampf für den Frieden, gegen eine
Okkupationsbehörden veranstalteten
Wald, hatte man für die Kinder Schulen nukleare Katastrophe. Wir wollen ja
eine regelrechte Jagd auf meinen Mann Freiheit in Frieden. Von hier aus,
eingerichtet: Bänke aus rohen Brettern,
und mich, und dabei bestand unsere
primitive Wandtafeln, selbstgebasteltes schicken unsere Kinder Briefe an Reagan
Schuld nur darin, daß wir den Menschen
Anschauungsmaterial. Hier sieht es und an internationale Organisationen mit
die Augen darüber öffnen wollten,
ähnlich aus. Freilich sind mit dem über der Forderung, die Kriegsvorbereitun­
wohin die Marionettenregierung das
die UNO erhaltenen Geld ein Sprachla­ gen einzustellen."
Land führt. Inzwischen weiß die ganze
bor mit Tonbandgeräten, mehrere andere Der Sekretär der Jugendsektion fügt
Welt, daß die Urbevölkerung Namibias
gut eingerichtete Fachkabinette und hinzu:
im Elend lebt. Das durchschnittliche
„Ich bin überzeugt: Das freie, unab­
Einkommen eines Weißen ist 24mal so
Werkstätten geschaffen worden. Sie /
bestimmen zwar noch nicht das Antlitz hängige Namibia wird eine aktive Politik
hoch wie das eines Afrikaners. Den 5000
der Schule, aber der Lehrer sieht schon von Frieden, Solidarität und Freund­
weißen Farmern gehören über 80
die Zukunft vor sich: schaft, eine Politik der Zusammen­
Prozent des fruchtbaren Bodens, den
„Im unabhängigen Namibia wird es arbeit mit allen Völkern verwirklichen."
120 000 afrikanischen Familien aber
die allgemeine Schulpflicht geben, alle Unser Gespräch mit den Leitern des
nur 6 Prozent. Lagers im Busch von Sambia über die
Schüler werden gleichberechtigt sein, es
darf keine Rassendiskriminierung beste­ Zukunft Namibias dauerte bis in die
hen! Ach käme die Zeit doch schon späten Abendstunden. Wir unterhielten
Kinder gut aufgehoben bald!" uns in völliger Dunkelheit, weil ein
Als wir endlich die Farm erreichten, mechanischer Generator des Lagers
Helena Haimbanga leitet , den Kinder­ empfing uns Rosa Engombe. höchstens für anderthalb Stunden
garten schon seit sieben Jahren. „Alles, was Sie hier sehen werden, Strom liefert.
„Wir sind ein gutes Team", sagt sie, habe ich in der UdSSR gelernt", sagte Aber das Licht der Hoffnung ging von
„25 Erzieher, Köche, Raumpflegekräfte, sie. diesen Menschen aus, die von der
freiwillige Aktivisten. Unser 'Betrieb' ist Wir haben dort viel gesehen. Die Farm Gerechtigkeit ihrer Sache überzeugt sind
quirlig und lärmreich, auch an Problemen beschäftigt sich mit Geflügel-, Ka­ und fest glauben: Die Stunde der
haben wir keinen Mangel: zu wenig ninchen- und Schweinezucht. Wir kamen Freiheit ihrer Heimat ist nah.
Betten, Spielsachen. Wir tun jedoch zur Essenszeit und sahen, daß sich jeder Lusaka
"NEUE ZEIT" 14.87 31
SPORT

das immer noch gekonnt gebotene Spiel

König der Senioren zu würdigen. Alle Begeg­


nungen, insbesondere die letzte in
Ottawa, die unentschieden 8:8 endete,
fesselten die Zuschauer. Ein atemberau­
bendes Tempol Einige Veteranen wie
Ivan Cournoyer demonstrierten eine für

Eishockey ihr Alter geradezu unglaubliche Virtuosi­


tät. Allen gefiel das korrekte, faire Spiel
der Rivalen von damals, ihr Respekt
voreinander.
Ebenso freundschaftlich verliefen die
Begegnungen der Veteranen auch außer­
halb der Eisarena. Natürlich interessierte
man sich vor allem dafür, wie bei wem
das Leben nach dem Abschied vom
großen Sport aussah. Bobby Clark ist
Der glückliche Gedanke, die "Jahrhun­ jetzt Generaldirektor des Klubs Phila­
dertrunde" Wiederaufleben zu lassen, delphia Flyers, den gleichen Posten
wurde in Kanada begeistert aufgenom­ bekleidet Serge Savard bei Montreal
* men. In dem bunt aufgemachten Canadians. Wjatscheslaw Starschinow
Programmheft zum Freundschaftstreffen leitet den Lehrstuhl für Körperkultur am
der Eishockeyveteranen begrüßten Pre­ Moskauer ingenieurphysikalischen Insti­
mierminister Brian Mulroney, Sportmi­ tut und bereitet sich auf die Verteidi­
nister John Jelinek sowie der Botschafter gung seiner Dissertation vor. Pat Stapel­
der Sowjetunion in Kanada, Alexej ton wurde ein vorbildlicher Farmer und
Rodionow, die Teilnehmer. Medien und Jewgeni Simin TV-Sportjournalist. Alex­
Revivez Relive Öffentlichkeit zeigten am Besuch unserer
Veteranen enormes Interesse. Bereits auf
ander Jakuschew studiert an der Trai­
nerhochschule. Cournoyer hat sich ein
le tfte dem Flughafen Gander auf Neufundland, Restaurant zugelegt: Obrigens speisten
moment Dream wo die Aeroflot-Maschine mit dem
sowjetischen Team landete, wurde es
die sowjetischen Hockeyspieler während
ihres Aufenthalts in Montreal bei ihm...
von kanadischen Journalisten förmlich Die Kanadier, die zwei von drei
belagert. Fotos unserer Eishockeyspieler, Spielen gewannen, gingen als Sieger aus
ein Interview mit Wladislaw Tretjak, dem ersten Freundschaftsspiel der Vete­
Alexander Jakuschew und anderen ranen hervor. Offenbar war dabei folgen­
Zehnlausende Kanadier konnten un­ Größen der "Jahrhundertrunde" der Umstand nicht unwichtig: Die
längst bewegende Augenblicke, die 1972 nahmen Spalten, ja ganze Seiten meisten sowjetischen Eishockeyspieler
beteifs in die Sportgeschichte eingegan­ der führenden Zeitungen von Montreal, (unter ihnen 15 Teilnehmer der Runde
gen sind, neu durchleben. In der Heimat Toronto und Ottawa ein. Vor jedem Spiel von 1972) spielten nach dem Abschied
des Eishockeys spielten sowjetische ehrten die Sportler und die Zuschauer vom Nationalteam und von ihren Klubs
Cracks, deren Namen hier jung und alt mit einer Schweigeminute das Andenken kaum mehr und waren erst kurz vor der
kennt. Vor 15 Jahren hatten sie als an Wsewolod Bobrow und Valeri Charla­ Reise über den Atlantik erneut zusam-
Mitglieder des sowjetischen Teams meh­ mow. mengekomjnen. Ihre kanadischen Rivalen
rere Spiele gegen die besten Profis Mehr als 40 000 Zuschauer besuchten aber spielen meist weiter als Amateure
Kanadas. Diese Begegnungen fanden auf die drei Spiele. Die Schlachtenbummler in Veteranenteams — sowohl, um sich
den Eisarenen beider Länder statt. In kamen auf ihre Kosten. Kurz vor dem körperlich fit zu halten, als auch um den
drei Spielen siegte die sowjetische Match in Montreal verfolgte ich im von Sport zu fördern. Erfahrungen, die
Mannschaft, eine Begegnung endete damals her berühmten Forum-Stadion das sicher Beachtung verdienen. In Kanada
unentschieden, und in vier Spielen setzte Spiel der beiden führenden Mannschaf­ gibt es viele solcher Teams. Sie nehmen
sich das kanadische Team durch. Auf das ten der Nationalen Eishockey-Liga an Turnieren des Kanadischen Verban­
Konto der sowjetischen Eishockeyspieler (NHL) — Montreal Canadians und Phila­ des der Eishockeyveteranen teil, der
kamen insgesamt 32 Tore, die Kanadier delphia Flyers. Und da kann ich sagen, auch die jetzigen Seniorenbegegnungen
!
brachten es auf 31. Das Tor, das den daß die Veteranen mehr Beifall ernteten. ausrichtete.
Kanadiern den entscheidenden, vierten Die jungen Profis, sagte mir später Nach Meinung des Verbandspräsiden­
Sieg brachte, schoß Paul Henderson nach Bobby Clark (er war übrigens Kapitän ten Larry Regan sowie vieler anderer
einem Paß von Phil Esposito 34 Sekun­ des Teams unserer Rivalen), spielen Organisatoren und Teilnehmer der
den vor dem Abpfiff. schnell und hart, wahres Können aber jüngsten Begegnung, mit denen ich in
Die Spiele von 1972 wurden in Kanada zeigen sie nicht so oft — selbst jene, die diesen Frühlingstagen sprach, ist die
d<e Jahrhundertrunde'' genannt. Solche als Stars ersten Ranges gelten. In der 1987er Runde ein enormer Erfolg gewe­
Worte mögen manchem als Übertreibung NHL spielen jetzt nicht 6 Mannschaften sen. Vor allem hat König Eishockey
odc journalistische Schablone erschei­ wie früher, sondern 21. Bei der gestiege- gewonnen — und deshalb sollte auch in
nen, der sich nicht vorstellen kann, was I nen Nachfrage nach Eishockeyspielern Zukunft alles getan werden, um unsere
den Kanadiern Eishockey bedeutet. Für erfolgt die Auswahl der Nachwuchssport­ Sportbeziehungen zu festigen.
sie und die gesamte Sportwelt wurden ler nicht mehr so streng wie einst. Albert PIN
die mitreißenden Spiele zu einer wahren Übrigens mag das em Thema für ein NZ-Sonderkorrespondent
Entdeckung: Die sowjetischen Spieler besonderes Gespräch sein. Ich habe es
bewiesen damals, daß sie den kana­ hier nur berührt, weil ich betonen will: Toronto—Ottawa—
dischen Profis ebenbürtig sind. Die kanadischen Eishockeyfans wußten Montreal—Moskau

Anschrift: 103782, GSP, Moskau K-6, Puschkinskaja pl.


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Venag der Zeireng ’Trud ' Erscheint in russischer, deutscher, englischer, französischer, spanischer, portugiesischer.
Italienischer polnischer und tschechischer Sprache * Gedruckt m der Druckerei "Moskowskaja prawda"
e
DIE MOSKAUER BEETE EUR POLITIK „NEUE ZEIT“
kommentieren das Geschehen auf allen Kontinenten, berichten über die wichtigsten außen­
politischen Schritte der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder, über den
Kampf der Ideologien, die sowjetische Wirklichkeit, Probleme des 20. Jahrhunderts.
Die NEUE ZEIT bringt Beiträge sowjetischer und anderer Staatsmänner und Politiker,
namhafter Wissenschaftler und Schriftsteller, führender Journalisten; ferner Interviews, '
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fach 920, 4040 Neuss 1.
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I4l5y 14 136 304 54 2
NVA 3 2ü 67 A

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„Keinen Pfennig für Raketen!“


Kinder aus der Bundesrepublik Deutschland

Soner Gürler (Türkei}


Wie neugeboren

„MENSCH,
MENSCHHEIT,
MENSCHLICHKEIT“
INTERNATIONALER
WETTBEWERB

Dieter Urban (DDR)

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