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Pragmatische Marker
im Deutschen, Englischen,
Französischen, Italienischen
und Spanischen
Inga Hennecke und Wiltrud Mihatsch

Inhaltsverzeichnis

26.1 Kurze Forschungsgeschichte – 516

26.2 Eigenschaften pragmatischer Marker – 518

26.3 Eine funktionale Klassifikation pragmatischer Marker – 521

26.4 Die Entstehung pragmatischer Marker – 523

26.5 Weiterführende Literatur – 525

26.6 Antworten auf die Selbstfragen – 525

Literatur – 526

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022


R. Klabunde, W. Mihatsch, S. Dipper (Hrsg.), Linguistik im Sprachvergleich, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62806-5_26
516 Kapitel 26  Pragmatische Marker im Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen

Besonders in der gesprochenen Umgangssprache fallen scheinen, welche allerdings durchaus sprachspezifisch sind,
sehr häufige sprachliche Ausdrücke auf, die in bestimmten wie an den unterschiedlichen Formen zu sehen ist.
Funktionen im Gespräch keiner der klassischen Wortar- All diese Ausdrücke können entfernt werden, ohne dass
26 ten (vgl. die Diskussion zu Wortarten in Kapitel 2 in die Sätze ungrammatisch werden. Sie stehen häufig außer-
Dipper et al. 2018) zugeordnet werden können. In den halb der Satzstruktur in der linken oder rechten Peripherie.
folgenden Gesprächsausschnitten sind solche Ausdrücke Werden sie entfernt, ändert sich außerdem der Wahrheits-
fettgedruckt: gehalt der Propositionen nicht, daher scheinen sie auch
nicht in den klassischen Bereich der Semantik zu gehö-
ren. Allerdings zeigt die Weglassprobe, dass diese kleinen
(1) Deutsch: Wörter Gesprächsfunktionen übernehmen, wie beispiel-
N: ‘JA. (.) was ’MACHST du so, weise Themenwechsel, die Einleitung von Redebeiträgen,
F: ‘ALso; ich (.) ’WOHN noch in ’ENNstadt– un (.) Sprechereinstellungen, das Anzeigen von Verzögerungen,
da komm ich auch ’HER– un_da stu’DIER ich jetz Abschwächungen von Sprechakten und zahlreiche weitere
auch grad noch ’JUra, °h [u]nd ich wechsel jetz zum Funktionen, und damit die Kommunikation reibungsloser
(.) ’KOMmenden semester– erscheinen lassen.
N: [hmhm] (Imo 2017) Für diese Elemente werden sehr unterschiedliche Be-
(2) Englisch: zeichnungen vorgeschlagen; wir werden im Folgenden den
And when you’re in that open minded state, this Oberbegriff pragmatischer Marker benutzen. Alternativ
stuff comes in and it’s kind of like just reading the findet sich häufig auch die Bezeichnung „Diskursmarker“,
morning news and you don’t even bat an eyelid. Then die sich aber auch für die Unterklasse der Marker, die Be-
he goes, well, it was this normal. You know what I ziehungen zwischen Diskurseinheiten herstellen, etabliert
mean? So, but this is fascinating. It was, um, it is hat, und die wir im Folgenden auch mit dieser spezifische-
fascinating. (7 http://www.therealityrevolution.com/, ren Bedeutung verwenden werden.
Abruf: 24.03.2020)
(3) Spanisch:
ROS: no // pero/estoy un poco como/mosqueada // Pragmatische Marker
porque/ya estoy un poco harta de quedar con él/y Pragmatische Marker stellen eine funktionale Klasse
como/él vive en su mundo/que es Eric’s world/pues sprachlicher Ausdrücke dar, die formal heterogen sind
. . . el otro día/le llamé C bueno/el otro día fuimos a und weder lexikalischen noch grammatischen Wortklas-
ver un concierto/y quedamos con él/no? pues al día sen angehören, häufig aber aus solchen entstehen. Sie
siguiente/recibo un mensaje + habíamos quedado a sind überwiegend prozedurale Ausdrücke (siehe Vertie-
las nueve/y me dice (C-ORAL-ROM) fung: Prozedurale und konzeptuelle Bedeutung), die nicht
(4) Französisch: wahrheitsfunktional sind und metadiskursiv mit variablem
A: alors euh est-ce que vous pourriez me essayer de Skopus auf der Sprechakt- oder Text- bzw. Diskursebe-
me décrire une journée de travail euh enfin disons ne in Form routinisierter Instruktionen operieren, wo sie
oh normale ou ou typique en tout cas? (ESLO 1) Diskursbezüge herstellen, Gespräche strukturieren, Spre-
(5) Italienisch: chereinstellungen ausdrücken und Beziehungen zwischen
DAN: [<] <ma> a te/hanno cambiato il numero di Sprecher/in und Hörer/in gestalten.
<telefono>?
FRA: [<] <no> [/] no sempre <uguale> //
DAN: [<] <ah>/allora ce l’ ho io //
? Die Mehrheit der pragmatischen Marker ist umgangs-
FRA: se no/ti do il cellulare/se non C
sprachlich, wenngleich es auch Funktionsäquivalente in
MAR: no no // non importa // tanto [///] ce l’ hai la
(schriftsprachlichen) formaleren Registern gibt. Welche
scheda/non importa // # allora/guarda // # eh/ora
Gründe hat dies nach Ihrer Einschätzung?
non ti viene in mente // (C-ORAL-ROM)

26.1 Kurze Forschungsgeschichte


Also, enfin, alors, allora, well, just und so sind in den obigen
fett gedruckten Verwendungen keine Adverbien, pues, ma, Vor Beginn der 1970er Jahre wurden pragmatische Mar-
but und and sind keine Konjuktionen, bueno kein Adjektiv, ker hauptsächlich als inhaltsleere Füllwörter betrachtet,
kind of keine Nominalphrase, like keine Präposition oder die nur einen peripheren Platz im Wortschatz einneh-
Konjunktion, ja keine Antwortpartikel, disons und guarda men. Dies begründet sich durch ihre oftmals schwer zu
keine Verbformen. Daneben fallen Ausdrücke wie hmhm, erschließende semantische Bedeutung und ihr vermehr-
euh, ah, eh, oh und um auf, die auf den ersten Blick keine tes Vorkommen in der gesprochenen Sprache. Zudem lag
sprachlichen, sondern paraverbale Lautäußerungen zu sein das Forschungsinteresse Mitte des 20. Jahrhunderts bei
26.1  Kurze Forschungsgeschichte
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der generativ-transformationellen Linguistik nach Chom- interaccionales. In der deutschsprachigen Literatur werden
sky, die sich nicht mit der Beschreibung einzelsprachspe- zumeist die Begriffe „Diskursmarker“, „Diskurspartikel“
zifischer Strukturen, wie bestimmter Partikeln, befasste, und „pragmatische Marker“ verwendet. Jedoch herrscht
sondern primär mit universellen Prinzipien des mensch- nicht nur Uneinigkeit bezüglich der genauen Benennung
lichen Sprachvermögens. Erst durch die internationale der Klasse der pragmatischen Marker; je nach Termino-
pragmatisch-kommunikative Wende wurde das Interesse logie werden auch bestimmte Lexeme ausgegrenzt oder
vermehrt auf die mündliche Kommunikation und auf neue eingeschlossen. Hierbei wurde insbesondere diskutiert, ob
empirische Methoden gerichtet. Neben der generativen Häsitationsphänomene wie ähm oder eh und Modalpar-
Linguistik entstanden neue linguistische Disziplinen, wie tikeln bzw. Abtönungspartikeln auch in die Klasse der
die Pragmatik, die Soziolinguistik und die Textlinguistik. pragmatischen Marker eingeordnet werden können.
In der angelsächsischen Forschung war insbesondere Die Wahl der Terminologie wird auch von der je-
die Entstehung der Konversationsanalyse (Conversational weiligen Untersuchungsperspektive geprägt. So definiert
Analysis) in den 1960er Jahren bedeutend für die wei- Fraser (1999) discourse markers als Subtyp von pragmatic
tere Partikelforschung. Somit wurden unterschiedliche markers, wobei discourse markers eine rein textuelle Funk-
Partikeln ein beliebtes Forschungsobjekt. Hierbei lag das tion übernehmen und eine Beziehung zum vorangegange-
Augenmerk zunächst auf der Beschreibung der pragmati- nen Diskurs signalisieren („Vertiefung: Diskursmarker“).
schen und diskursstrukturierenden Funktionen von prag- Neben der Definitions- und Abgrenzungsproblematik
matischen Markern. Prägend für die pragmatisch orientier- von pragmatischen Markern dominierten zwei weitere gro-
te Partikelforschung war insbesondere die frühe kontrastiv ße Fragenstellungen die Diskussion über pragmatische
deutsch-französische Arbeit von Weydt (1969). Er grenz- Marker der letzten Jahrzehnte. Dies ist einerseits die Frage
te Abtönungspartikeln von Adverbien, Modalwörtern und nach der semantischen Natur von pragmatischen Markern.
anderen Partikeln ab und beschrieb als einer der Ersten Hier stehen zwei unterschiedliche Ansätze im Fokus. Auf
wichtige Funktionen von Partikeln. Nur kurze Zeit später der einen Seite wäre das der Polysemieansatz, der davon
erschien auch die Arbeit von Elisabeth Gülich zu Glie- ausgeht, dass lexikalische Einheiten wie auch pragmatische
derungssignalen im Französischen, die erstmals die dis- Marker verschiedene miteinander verknüpfte Bedeutungs-
kursstrukturierenden Merkmale von pragmatischen Mar- muster enthalten (vgl. die Arbeiten von Mosegaard Han-
kern herausstellte (Gülich 1970). Als Gliederungssignale sen 1998; Aijmer 2002). Auf der anderen Seite steht der
dienen pragmatische Marker zunächst der thematischen Monosemieansatz, der annimmt, dass lexikalische Einhei-
Organisation der Konversation und erfüllen nicht primär ten wie auch pragmatische Marker über eine eindeutige
pragmatische Funktionen. In den folgenden Jahren erschien Kernbedeutung verfügen, die in verschiedenen diskursprag-
eine Vielzahl von Untersuchungen zu bestimmten Parti- matischen Kontexten unterschiedlich interpretiert werden
keln und pragmatischen Markern aus kontrastiver, soziolin- kann (vgl. die Arbeiten von Schiffrin 1987; Fraser 2009).
guistischer, sprachhistorischer, konversationsanalytischer, Zudem dominierte die Frage, ob pragmatische Mar-
diskursanalytischer, sprechakttheoretischer und lexikogra- ker zum propositionalen Gehalt, also zum Wahrheitsgehalt
fischer Sicht. einer Äußerung, beitragen oder nicht. Es wurde generell
Ein weiterer Schwerpunkt der Forschung lag auf ei- vorgeschlagen, dass sich pragmatische Marker nicht auf die
ner klaren Beschreibung, Klassifikation und Abgrenzung Wahrheitsbedingungen eines Satzes (oftmals gleichgesetzt
von pragmatischen Markern zu anderen Wortarten. So mit Semantik) auswirken, sondern auf rein pragmatischer
wurden in den verschiedenen Philologien unterschiedli- Ebene funktionieren. Blakemore (2002) nähert sich die-
che Terminologien diskutiert und übernommen. In eng- ser Thematik aus der Perspektive der Relevanztheorie und
lischsprachigen Studien finden sich die Bezeichnungen legt den Schwerpunkt der Diskussion auf die Frage der
discourse markers, discourse connectives, discourse par- Unterscheidung zwischen prozeduraler und konzeptueller
ticles, pragmatic markers, pragmatic particles oder auch Bedeutung. Dabei definiert sie pragmatische Marker als
pragmatic expressions. Es ist allerdings eine klare Ten- Elemente, deren Funktion es ist, die Beziehung zwischen
denz zu den Begriffen discourse markers und pragmatic Diskurselementen zu kennzeichnen, weshalb sie somit kei-
markers festzustellen. In französischen Studien werden un- ne konzeptuelle Bedeutung beinhalten: „A linguistic ex-
ter anderem die Bezeichnungen marqueurs discursifs/du pression or structure may encode a constituent of the
discours, marqueurs pragmatiques, connecteurs, particu- conceptual representations that enter into pragmatic, while
les discursives, particules énonciatives oder mots du dis- on the other, a linguistic expression may encode a cons-
cours verwendet. In der französischsprachigen Literatur traint on pragmatic inferences“ (Blakemore 2002: 4).
dominieren die Begriffe marqueurs discursifs/du discours Die klare Trennung zwischen prozeduraler und kon-
und marqueurs pragmatiques. Auch in der spanischspra- zeptueller Bedeutung wurde jedoch vielfach kritisiert. In
chigen Literatur haben sich die Begriffe marcadores del der heutigen Forschung ist eine klare Tendenz zu der
discurso/marcadores discursivos und marcadores pragmá- Annahme zu erkennen, dass Diskursmarker gleichzeitig
ticos durchgesetzt, koexistieren jedoch noch mit enlaces konzeptuelle und auch prozedurale Bedeutungselemente
extraoracionales, particulas discursivas und marcadores enthalten können (z. B. Wilson 2011). In den letzten Jah-
518 Kapitel 26  Pragmatische Marker im Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen

ren widmeten sich auch zunehmend formale und formal als Häsitationsmarker oder zum Ausdruck von Widerspruch
experimentelle Ansätze pragmatischen Markern, besonders und Missfallen) können pragmatische Marker auch eine vo-
aber Modalpartikeln (Abraham 2010; Coniglio 2011). Der kalische Längung aufweisen wie im Fall von Spanisch pues.
26 Fokus dieser Ansätze liegt auf der Untersuchung von Wahr-
heitsbedingungen, der Interaktion mit Präsuppositionen,
Inferenzen und konversationellen Implikaturen in Äuße- (7) Puees/ es que tengo un montón de trabajo (Briz Gó-
rungen, ihrer Syntax sowie auf ihrer Verarbeitung in den mez 1993)
Prozessen der Sprachproduktion und Sprachwahrnehmung (8) E: ¿Qué opinas de los nuevos Planes de estudio?
und ihrem Erwerb im Kindesalter. I.- Bueeno me parecen bien, pero . . . (Briz Gó-
mez 1993)
? Welcher pragmatische Mechanismus ermöglicht aus der
Perspektive von monosemischen Ansätzen die Kontext-
anpassung der Kernbedeutung eines pragmatischen Mar-
Hier ein Beispiel einer Mündlichkeit simulierenden graphi-
kers?
schen Längung von also bei der Eröffnung eines Beitrags:

26.2 Eigenschaften pragmatischer Marker


(9) Aaalso eines meiner aller aller aaaaller liebsten
Desserts ist definitiv Creme brûlée.
Pragmatische Marker weisen lautliche, syntaktische, se-
(7 https://www.instagram.com/laryloves/p/
mantische/funktionale sowie soziolinguistisch relevante Ei-
Bu4M1nQh4AN/)
genschaften auf.

26.2.1 Lautliche Eigenschaften Auch die Intonation von pragmatischen Markern kann je
nach Funktion variieren. Drückt der spanische pragmati-
sche Marker bueno beispielsweise Zustimmung aus, dann
Pragmatische Marker können in phonetisch und phonolo- zeigt sich ein Abfall in der Tonhöhe der betonten Silbe
gisch reduzierter Form vorkommen. Die phonetische Re- (Briz Gómez und Hidalgo Navarro 1998).
duktion und der Verlust von phonetischem Material sind
bekannte Mechanismen des Prozesses der Grammatikali- ? Welche Funktion kann die vokalische Längung bei fol-
sierung oder Pragmatikalisierung. Im Verlauf der Gramma- genden pragmatischen Marker haben: frz. alors, it. allora,
tikalisierung oder Pragmatikalisierung können pragmati- sp. entonces, engl. well, dt. so?
sche Marker Mechanismen der phonetischen Kürzung und
Vereinfachung unterliegen.
Hier einige Beispiele für die lautliche Reduktion prag- 26.2.2 Syntaktische Merkmale
matischer Marker:

Pragmatische Marker sind nicht strukturell in die Satz-


syntax integriert und in der Regel nur lose mit Sätzen
(6) Deutsch: kumma (von guck mal), weißte (von weißt
verbunden. Häufig stehen sie an der linken Satzperiphe-
du)
rie, etwas seltener rechts (z. B. in Form von sentence tags)
Englisch: y’know (von you know), innit (von isn’t it)
oder im Satz, dann allerdings meist parenthetisch und durch
Spanisch: ye, yé, oy (von oye), pos (von pues)
Pausen, intonatorisch oder Kommata abgesetzt. Stehen sie
Französisch: t’sais (von tu sais), ben (von bien)
im Satz, zeigen sie in der Regel eine große Flexiblität der
Italienisch: va be’ (von va bene), di’ (von dimmi)
Stellung wie im Fall des englischen like.

Im nähesprachlichen geschriebenen Diskurs wird die pho-


netische Reduktion auch graphisch ausgedrückt. In der Or- (10) They photographed two like submarines. (Ross und
thographie zeigt sich die Tendenz zur Univerbierung, das Cooper 1979: 345)
heißt, die Marker, die aus mehreren Wörtern entstanden, (11) They photographed like two submarines.
werden häufig zusammengeschrieben. Auf prosodischer (12) but I found like that helped me a lot. (Schou-
Ebene sind pragmatische Marker häufig unabhängig von rup 1985: 39)
der restlichen Äußerung und werden oft durch Pausen abge- (13) That’s why they got to see it for themselves, study it,
grenzt. Generell sind pragmatische Marker in der Äußerung like. (COCA, Volchok 2008: Girl talk. Winter 93,
prosodisch meist weniger prominent, bilden aber häufig ei- Vol. 15)
ne separate Tongruppe. In bestimmten Funktionen (z. B.
26.2  Eigenschaften pragmatischer Marker
519 26
Dabei zeichnen sich pragmatische Marker auch dadurch ten Funktionen ausgegangen. Monosemische Ansätze ana-
aus, dass sie wiederholt und mit anderen pragmatischen lysieren die Funktionsvielfalt als kontextuelle Anpassung
Markern kumuliert werden können – sowohl mit pragmati- einer gemeinsamen, sehr allgemeinen Kernbedeutung. Eine
schen Markern mit unterschiedlichen Funktionen als auch kontextuelle Anpassung einer Kernbedeutung mithilfe von
solchen mit identischen Funktionen. Implikaturen kann beispielsweise erklären, weshalb häufig
Des Weiteren sind pragmatische Marker nicht flektier- zwei (oder mehr) unterschiedliche Funktionen gleichzeitig
bar; beispielweise kann der einen Redebeitrag einleitende möglich und sogar intendiert sind: Beispielsweise das Deut-
Marker gut nicht wie das entsprechende Adjektiv für Ge- sche jetzt kann temporal sein und gleichzeitig eine Aussage
nus und Kasus flektiert, pluralisiert oder gesteigert werden verstärken über die Implikatur, dass das, was zum Sprech-
(*besser). Pragmatische Marker können häufig nicht oder zeitpunkt stattfindet, auch hochrelevant ist, ausgehend von
nur beschränkt modifiziert werden (*sehr gut). Übliche einer sehr abstrakten Kernbedeutung der Überlappung oder
Konstituententests funktionieren nicht mit pragmatischen Übereinstimmung mit der Sprecherorigo (Imo 2017). Kon-
Markern, so können diese nicht koordiniert werden (*also textbedingt kann die Gegenwartsrelevanz dann zusätzlich
und na), nicht erfragt und nicht pronominalisiert werden. als Fokussierung interpretiert werden, beispielweise um ei-
Nicht hilfreich aufgrund der großen Stellungsflexibilität der ne Erklärung anzukündigen, oder auch gekoppelt an adver-
pragmatischen Marker ist der Umstellungstest. sative Lesarten oder an argumentative Brüche.

? Gelten die genannten syntaktischen Merkmale auch für


eben und halt? (14) What you say is pretty interesting. Now, I don’t
think that solves our problem.
(15) Lo que dices es bastante interesante. Ahora/ Ahora
26.2.3 Semantische und funktionale
bien, no creo que resuelva nuestro problema.
Merkmale (16) Ce que tu dis est assez intéressant. Maintenant, je
ne pense pas que cela règle notre problème.
(17) Quello che dici è piuttosto interessante. Ora/ades-
Löscht man in den obigen Beispielen alle pragmatischen
so, non credo che questo risolva il nostro problema.
Marker, d. h. alle fett gedruckten Ausdrücke, so ändert
sich der propositionale Gehalt nicht, das heißt, die Wahr-
heitsbedingungen bleiben erhalten. Weitere Tests, die das
Funktionieren außerhalb der Proposition zeigen, sind: In diesen Beispielen scheint die adversative Lesart sprach-
4 Die Unmöglichkeit der Negation übergreifend auf der Grundlage von Implikaturen zu entste-
4 Die Unmöglichkeit, die pragmatischen Marker zu erfra- hen, d. h., eine hohe Gegenwartsrelevanz kann gleichzeitig
gen über eine konversationelle Implikatur einen Kontrast mit
4 Die Unmöglichkeit der Ersetzung der pragmatischen vorher Gesagtem signalisieren. Dennoch beobachten wir
Marker durch Proformen auch sprachspezifische Besonderheiten, die nicht über pro-
duktive Interpretationsmechanismen erklärbar sind, wie
Dennoch sind pragmatische Marker nicht funktionslos, sie z. B. die Existenz von Varianten zu ahora wie das in dieser
operieren allerdings auf anderen Ebenen. Sie strukturieren Funktion geläufigere ahora bien im Spanischen. Im Deut-
Gespräche, drücken Sprechereinstellungen zu propositio- schen ist es dagegen nicht möglich, jetzt in dieser Funktion
nalen Gehalten aus, stellen Beziehungen zwischen Ge- in der linken Satzperipherie einzusetzen; hier würde man
sprächspartnern her und unterstützen die Formulierungsar- die Modalpartikel aber oder, etwas weniger üblich, jetzt in
beit. Diese Funktionen werden in Abschnitt (26.3) genauer derselben Position einsetzen:
erläutert. Insgesamt können die Funktionen als unbewusst
und routinisiert verarbeitete Instruktionen beschrieben wer-
den; sie werden also in der Terminologie der Gedächtnis-
(18) Was du sagst, ist ziemlich interessant. Ich glaube
forschung überwiegend prozedural verarbeitet. Ihr Skopus
aber nicht, dass das unser Problem löst.
bzw. Geltungsbereich ist flexibel, denn sie können ganze
Sätze, aber auch größere Diskurseinheiten, z. B. ganze Re-
debeiträge, aber auch einzelne Satzkonstituenten betreffen
(Beispiel 10 bis 13). Dagegen kann jetzt eingesetzt werden, um Sprechakte zu
Auffällig ist auch, dass insbesondere die hochfrequen- verstärken (Jetzt regen Sie sich doch nicht auf!). Es er-
ten pragmatischen Marker mehrere Funktionen überneh- scheint daher plausibel, bei klar sprachspezifischen Mus-
men, die teils überlappen. Dabei finden sich, wie bereits tern polyfunktionaler Marker mit äquivalenter Herkunft
erläutert, unterschiedliche Ansätze zur Analyse dieses Phä- tendenziell Polysemie anzunehmen, so der französische
nomens. Bei der Annahme von Polysemie oder Polyfunk- Marker or, der ebenfalls ursprünglich ein Temporaladverb
tionalität wird von semantisch oder funktional über Asso- war, dann aber die oben genannten pragmatischen Funktio-
ziationen verbundenen, aber jeweils separat repräsentier- nen annahm und heute keine temporale Lesart mehr besitzt,
520 Kapitel 26  Pragmatische Marker im Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen

sondern pragmatischer Marker und koordinierende Kon- den als Männer. Für diese Vermutung gibt es verschiedene
junktion ist. Die Unterschiede über sprachspezifische, aber Erklärungsansätze und konfliktive Einschätzungen. Die in
sehr abstrakte Kernbedeutungen zu erklären, erscheint hier manchen Studien beobachtete häufigere Verwendung von
26 problematisch. Mitigatoren bei Frauen wird beispielsweise dadurch er-
klärt, dass Frauen größere sprachliche Unsicherheit aufwei-
sen, mehr Solidarität im Diskurs zeigen oder auch ihre Aus-
26.2.4 Soziolinguistische und stilistische sagen höflicher gestalten. Auch die Entstehung bestimmter
Merkmale Funktionen des englischen pragmatischen Markers like
wurde Mädchen im Jugendalter (den sogenannten Valley
Girls) zugeschrieben. Daher wird vermutet, dass bestimmte
Pragmatische Marker werden vornehmlich in der gespro- pragmatische Marker von Männern und Frauen verschie-
chenen Sprache und im nähesprachlichen Diskurs ver- den häufig und in unterschiedlichen Funktionen verwendet
wendet. Sie gelten als Phänomene der informellen und werden. Auch andere soziale Faktoren wie Alter, soziale
interaktionellen Sprache. Daher werden pragmatische Mar- Schicht, Bildungsgrad, Berufsgruppe und Herkunft können
ker vielfach mit vertrauten Gesprächspartnern und infor- den Gebrauch pragmatischer Marker beeinflussen (vgl. An-
mellen Gesprächssituationen verbunden. In der gespro- dersen 2001).
chenen Sprache treten sie in verschiedenen diskursprag- Der soziale Faktor Alter spielt eine besondere Rolle in
matischen Funktionen auf (7 Abschn. 26.3) und werden der Forschung zu pragmatischen Markern. Pragmatische
von unterschiedlichen sozialen Sprechergruppen verwen- Marker entstehen häufig in jugendsprachlichen Varietäten
det. Beispiele für Marker der gesprochenen Sprache sind und werden daher aus soziolinguistischer Perspektive als
die Marker dt. also, engl. like, sp. bueno, frz. ben oder besonderes Merkmal der Jugendsprache angesehen. Das
it. allora. Doch auch in der Schriftsprache und im di- bekannteste Beispiel eines pragmatischen Markers, der im
stanzsprachlichen Diskurs werden Ausdrücke mit pragma- jugendsprachlichen Kontext entstanden ist, ist, zumindest
tischen Funktionen verwendet. So können Satzadverbiale im Falle einiger Funktionen wie der des Quotativmarkers,
und Modalpartikeln in der Schriftsprache diskursstruk- der englische Marker like. Weitere primär jugendsprachli-
turierende Funktionen übernehmen, wie dt. doch, engl. che Marker sind dt. ich schwöre, engl. whatever, frz. wesh,
however, sp. pues, frz. donc, it. ma. In der Schriftsprache sp. en plan, sowie noch in der Funktion der Einleitung von
werden solche Ausdrücke bewusst eingesetzt; sie können Redebeiträgen it. tipo und z. B. auch che poi. Jugendsprach-
der Themenstrukturierung dienen und somit Themenwech- liche Marker sind häufig stilistisch stigmatisiert und negativ
sel, Themenerweiterungen und Unterthemen markieren. konnotiert, ihre vermehrte Verwendung wird häufig mit
Pragmatische Marker und Ausdrücke mit äquivalen- niedrigem Bildungsstand und bestimmten sozialen Milieus
ten Funktionen, wie Satzadverbiale und Modalpartikeln, assoziiert. Wie im Fall der jugendsprachlichen Marker frz.
unterscheiden sich voneinander in ihrer Form und ihrer wesh oder dt. wallah, werden neue pragmatische Marker
Funktion in der gesprochenen und der geschriebenen Spra- auch aus Herkunftssprachen von jungen Sprechern ent-
che. Während pragmatische Marker in der geschriebenen lehnt.
Sprache meist zur Strukturierung eines Textes dienen, ha- Pragmatische Marker unterliegen außerdem diatopi-
ben pragmatische Marker in der gesprochenen Sprache scher Variation; ihr Gebrauch kann je nach geographischer
Funktionen in der Strukturierung eines Dialoges zwischen Region variieren. Manche Marker werden nur regional ver-
verschiedenen Sprechern. Auch sind viele pragmatische wendet:
Marker textsortenspezifisch und werden nur in bestimmten
Textsorten verwendet. Pragmatische Marker zur Diskurs-
strukturierung sind beispielsweise in wissenschaftlichen (19) Deutsch: gell (Süddeutschland und Österreich)
Texten sehr häufig, sie kommen jedoch seltener in Presse- Englisch: innit (Großbritannien)
texten und Romanen vor. In Romanen oder Theaterstücken Spanisch: este, viste (Mittel- und Südamerika)
werden jedoch pragmatische Marker der gesprochenen Französisch: comme, coudon (Kanada, insbesonde-
Sprache verwendet, um Dialoge und fingierte Mündlich- re Québec)
keit zu signalisieren. Insbesondere in der nähesprachlichen Italienisch: già (Nordwesten Italiens)
Schriftsprache, beispielsweise in sozialen Medien, werden
nähesprachliche Marker der gesprochenen Sprache auch im
schriftsprachlichen Diskurs verwendet.
Pragmatische Marker wie engl. sort of, frz. genre, dt. Andere pragmatische Marker werden im gesamten Sprach-
irgendwie, sp. tipo und it. tipo können als Mitigatoren gebiet einer Sprache verwendet wie dt. so, eigentlich, also,
verwendet werden und den propositionalen Gehalt einer engl. well, now, frz. alors, donc, sp. mira, pues, it. allora,
möglicherweise unhöflichen Äußerung abschwächen. Aus ecco. Bei diesen Markern kann es jedoch zu regionalen Un-
soziolinguistischer Perspektive wird vermutet, dass Frauen terschieden in bestimmten Funktionen kommen. So weist
häufiger Abschwächungssignale und Mitigatoren verwen- der spanische pragmatische Marker pues im südamerikani-
26.3  Eine funktionale Klassifikation pragmatischer Marker
521 26

Vertiefung

Prozedurale und konzeptuelle Bedeutung häufig auch konzeptuelle Bedeutung besitzen, was meist ein
Erbe ihrer lexikalischen Quellausdrücke ist.
Das Begriffspaar „prozedural“ und „konzeptuell“ stammt Die Prozeduralität zeigt sich insbesondere darin, dass
aus der kognitiven Psychologie, genauer aus der Ge- es sehr schwer ist, Funktionen und Regeln sowohl im Be-
dächtnisforschung, die von zwei unterschiedlichen Arten reich der Morphosyntax als auch der pragmatischen Marker
des Langzeitgedächtnisses ausgeht: dem deklarativen und zu formulieren – eine Aufgabe, an der sich Sprachwissen-
dem prozeduralen Gedächtnis. schaftler/innen und die (Fremd-)Sprachendidaktik die Zähne
ausbeißen –, während Muttersprachler intuitiv prozedurale
Das deklarative Gedächtnis besteht zum einen aus dem epi- Elemente korrekt produzieren und verarbeiten, ohne dass auf
sodischen Gedächtnis, das persönliche Erfahrungen und kon- explizite Regeln zugegriffen werden muss. Beim Erlernen ei-
krete Situationen abspeichert, und zum anderen aus dem ner Sprache (Muttersprache oder L2), des Schreibens sowie
semantischen Gedächtnis, das von konkreten Erlebnissen und beim Erlernen von Bewegungsroutinen müssen prozedurale
Situationen sowie individuellen Erfahrungen unabhängiges Handlungsroutinen durch Einüben, insbesondere Wiederho-
und von einer Gemeinschaft geteiltes Wissen speichert. Hier- len, automatisiert und prozeduralisiert werden.
zu gehören auch lexikalische Bedeutungen. Die Inhalte des Einen aktuellen Überblick über die Unterscheidung zwi-
deklarativen Gedächtnisses sind dem Bewusstsein zugänglich schen prozeduralen und konzeptuellen sprachlichen Einhei-
und manipulierbar. ten liefert Wilson (2016); zu den kognitionspsychologischen
Das prozedurale Gedächtnis wiederum speichert Hand- Grundlagen kann Baddeley et al. (2015) zurate gezogen wer-
lungsroutinen, die automatisiert ablaufen und dem Bewusst- den.
stein nicht zugänglich sind. Hierzu gehören routinisierte
(Bewegungs-)Sequenzen wie Fahrradfahren, Klavierspielen, Weiterführende Literatur
Tanzen, Schreiben, aber auch die Artikulation sprachlicher 4 Baddeley, A.; Eysenck, M.W. und Anderson, M.C. 2015.
Laute sowie die Satzproduktion mit einer routinemäßig und Memory. London/New York: Psychology Press.
unbewusst erzeugten Wortstellung und grammatischen Funk- 4 Wilson, D. 2016. Reassessing the conceptual-procedural
tionen – aber auch pragmatische Marker, wenngleich diese distinction. Lingua, 175/176; 5–19.

schen Spanisch andere Funktionen auf als im europäischen Pragmatische Marker drücken also eine große Vielfalt
Spanisch (Fuentes Rodríguez et al. 2016). Zu tipo im Ar- an fein differenzierten Funktionen aus, die allerdings auf-
gentinischen und anderen lateinamerikanischen Varietäten grund ihrer prozeduralen Speicherung und Verarbeitung
des Spanischen vgl. Mihatsch (2018). dem Bewusstein von Sprecher/innen nicht direkt zugäng-
lich sind, daher stellt ihre Analyse auch eine Herausfor-
derung bei der sprachlichen Analyse dar. In der Litera-
26.3 Eine funktionale Klassifikation tur finden sich hier vielfältige Klassifizierungsvorschläge.
pragmatischer Marker Weitgehend Konsens herrscht bezüglich der grundlegenden
Unterscheidung von drei großen Funktionsbereichen, alle
Pragmatische Marker sind besonders im umgangssprach- mit einer Verankerung in der konkreten Gesprächssituation
lichen Alltagsgespräch äußerst frequent, da die hohe und einer klaren metadiskursiven Komponente:
Sprechgeschwindigkeit und Spontaneität beispielsweise zu 4 Diskurs- bzw. Textorganisation (Diskursmarker im en-
Selbst- und Fremdreparaturen und Verzögerungen führen, geren Sinn)
die häufig durch pragmatische Marker signalisiert werden. 4 Signalisierung der Sprecherperspektive
Pragmatische Marker zeigen auch an, wie verschiedene 4 Regulierung der Interaktion zwischen Sprecher/in und
diskursive Einheiten zusammenhängen. Zum anderen sind Hörer/in
Gespräche von sozialer und interaktiver Natur. So müssen
beispielsweise der Rednerwechsel organisiert oder aber die Im Bereich der diskursorganisierenden oder -strukturieren-
Beziehungen zwischen Gesprächsteilnehmer/innen herge- den Marker finden wir unter anderem die im Folgenden
stellt oder aufrechterhalten werden. Die Nähesprachlichkeit aufgeführten Funktionen, wobei neben den Grundfunktio-
bedingt außerdem eine tendenziell starke Perspektivierung nen häufig zusätzliche Nuancierungen ausgedrückt werden,
durch die Sprecher/innen, insbesondere auch durch die die hier nicht berücksichtigt werden. Die folgenden Ab-
Kommunikation von Emotionalität und Subjektivität, die schnitte geben einen (sehr grob zusammengefassten und
ebenfalls durch pragmatische Marker angezeigt werden keinesfalls vollständigen) Überblick mit einigen Beispielen
können. zur Veranschaulichung.
522 Kapitel 26  Pragmatische Marker im Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen

26.3.1 Gesprächseröffnung und 1 Abschwächende, relativierende Verfahren


-beendigung, Einleitung (Mitigatoren bzw. Heckenausdrücke)
von Redebeiträgen
26
(22) Deutsch: vielleicht, keine Ahnung, irgendwie, so,
glaub (MP), scheints (MP) . . .
(20) Deutsch: na, also, so, Mensch, aber . . . Englisch: I think, apparently, sorta (sort of ), kinda
Englisch: well, now, hey, so, right . . . (kind of ), like . . .
Französisch: alors, ben, voilà, tiens, bon . . . Französisch: chais pas, disons, quelque part, genre
Italienisch: allora, ecco, ma(h), eh, vabbè . . . ...
Spanisch: hombre, bueno, bien, claro . . . Italienisch: penso, credo, direi, magari, diciamo,
tipo . . .
Spanisch: no sé, qué sé yo, creo, digamos, tipo . . .

26.3.2 Strukturierung innerhalb


1 Intensivierende, expressive und fokussierende Marker
von Redebeiträgen

Die Strukturierung innerhalb von Redebeiträgen betrifft (23) Deutsch: Mensch, aber, ja, doch (MP) . . .
zum Beispiel Anzeigen von Themenwechsel, Abschwei- Englisch: now, indeed, really . . .
fungen, Reformulierungen, Korrekturen, Zusammenfas- Französisch: tiens, alors là, mais, bien (MP) . . .
sungen und Konklusionen, Exemplifizierung, adversati- Italienisch: certo, davvero, già, ben (MP) . . .
ve Bezüge, Heraushebung prominenter Diskurseinheiten, Spanisch: vamos, hombre, pero, bien (MP) . . .
Strukturierung in Einheiten und floor-holding bzw. Anzei-
gen von Verzögerungen bei Wortfindungs- oder Formulie-
rungsproblemen:
Unter den Verfahren, die die Sprecherperspektive signali-
sieren, fallen vor allem im Deutschen, aber auch in anderen
(21) Deutsch: also, wobei, oder, äh, dann . . . Sprachen Modalpartikeln auf, die in den Beispielen mit
Englisch: well, now, in fact, like, so, then, um . . . (MP) markiert sind und die sich insbesondere durch ih-
Französisch: maintenant, puis, du coup, quoi, en re syntaktische Integration im Satz von unserer Definition
effet, là, tiens, allons . . . pragmatischer Marker abheben („Vertiefung: Abtönungs-
Italienisch: allora, insomma, dunque, poi, ora, partikeln bzw. Modalpartikeln“).
eppure, ecco . . .
Spanisch: hombre, bueno, pero, pues, entonces, o
sea, total, tipo, este, claro . . . 26.3.4 Marker, die der Herstellung oder dem
Erhalt der Beziehung und Interaktion
zwischen Gesprächspartnern dienen

26.3.3 Marker, die Sprecherperspektive Diese phatischen Marker übernehmen insbesondere Funk-
signalisieren tionen wie die Herstellung von Kontakt, Aufforderung zur
Aufmerksamkeit, Etablierung einer vertrauten Atmosphäre
und Solidarität, aber auch die Signalisierung einer gelun-
Sie kommunizieren beispielsweise Evidenzialität, d. h. die genen Rezeption (Hörersignal oder Backchannel-Signale)
Informationsquelle und häufig deren Unzuverlässigkeit, sowie der Rückversicherung. Hier eine kleine Auswahl:
aber auch Epistemizität, d. h. den Wissensstand des Spre-
chers oder der Sprecherin, und Evaluationen und Emotio-
nen bezüglich einer Äußerung.
(24) Deutsch: Alter, Mann, he, okay, gut, mhm, hör mal,
Sehr grob können die Verfahren in intensivierende, ex-
ne, gell . . .
pressive und fokussierende sowie in abschwächende oder
Englisch: bro, hey, uhuh, listen, ok, you see, you
relativierende Verfahren eingeteilt werden. Hier sind wie-
know, mind you, right . . .
derum einige ausgewählte Beispiele zur Illustration zu
Französisch: écoute, regarde, ouais d’accord, hein
finden:
...
26.4  Die Entstehung pragmatischer Marker
523 26

Vertiefung

Abtönungspartikeln bzw. Modalpartikeln Während es im Englischen nur einzelne Kandidaten für


MP zu geben scheint (just und now), sind sie beispielsweise
Insbesondere die Signalisierung der Sprecherperspektive im Finnischen, Griechischen, Niederländischen, Russischen,
wird im Deutschen häufig durch sogenannte Modalparti- Tschechischen und einigen anderen Sprachen stärker eta-
keln (oder Abtönungpartikeln) ausgedrückt, wie z. B. ja, bliert. Im Französischen, Italienischen und Spanischen, sowie
eben, doch, etwa, aber, wohl, und einige weitere, die teils in anderen romanischen Sprachen (vgl. Meisnitzer 2012; zum
auch dialektal sind, wie halt oder fei. Italienischen vgl. Coniglio 2011; zum Französischen vgl.
Waltereit 2006) werden ebenfalls einzelne Partikeln vermutet,
Die relativ umfangreiche Klasse der deutschen Modalparti- neben frz. bien, déjà, donc, mais, quand même und toujours
keln umfasst ca. 20 Ausdrücke. Sie modifizieren Sprechak- auch it. mai, poi, pur(e), mica, sì und ben, sowie sp. acaso,
te und verweisen auf implizite Wissenszustände von Spre- bien und pues.
cher und Hörer (bei Abraham 2010 „Fremdbewusststeinsab-
gleich“), die für die Interpretation eines Sprechakts relevant Weiterführende Literatur
sind. Im Beispiel Er ist doch noch ein Kind unterstreicht 4 Coniglio, M. 2011. Die Syntax der deutschen Modalpar-
die Modalpartikel doch, dass die Proposition ‚Er ist noch ein tikeln. Ihre Distribution und Lizenzierung in Haupt- und
Kind‘ dem Hörer offensichtlich nicht präsent ist, aber eigent- Nebensätzen. Berlin: Akademie Verlag.
lich bekannt sein sollte, und der Hörer wird daran erinnert und 4 Diewald, G. 2007. Abtönungspartikel. In: Hoffmann, L.
aufgefordert, den Sachverhalt daher entsprechend zu berück- (Hrsg.) Handbuch der deutschen Wortarten. Berlin: de
sichtigen. Gruyter; 117–142.
In ihrer Funktion entsprechen Abtönungspartikeln prag- 4 Meisnitzer, B. 2012. Modality in the Romance languages:
matischen Markern, insbesondere solchen der Sprecherper- Modal verbs and modal particles. In: Abraham, W. und
spektive, mit der Besonderheit des Einbezugs der Hörerper- Leiss, E. (Hrsg.) Modality and theory of mind elements
spektive. Formal jedoch unterscheiden sie sich klar durch ih- across languages. Berlin: Mouton de Gruyter; 335–359.
ren festen Skopus über Sprechakte und sie sind daher in der 4 Waltereit, R. 2006. Abtönung. Eine pragmatische Ka-
Regel auf Hauptsätze beschränkt. Ebenfalls abweichend von tegorie, dargestellt am Beispiel romanischer Sprachen.
den oben vorgestellten pragmatischen Markern ist ihre satzin- Tübingen: Niemeyer.
terne feste Position (im Deutschen im Mittelfeld links der VP).

26.4 Die Entstehung pragmatischer Marker


Italienisch: senti, guarda, dimmi, sai, certo, eh . . .
Spanisch: oye, hombre, mira, vale, vamos, no, ver-
Die im obigen Abschnitt beschriebenen Funktionen prag-
dad . . .
matischer Marker können durch eine Vielzahl sprachlicher
Verfahren sehr heterogener Natur ausgedrückt werden:
durch Intonation, lexikalische Ausdrücke wie beispiels-
In zahlreichen Fällen verschmelzen in einer Funktion
weise Anredeformen zur Gesprächseröffnung, lexikalische
Aspekte aus mehr als einem der drei großen Bereiche. So
Adverbien insbesondere im Bereich der sprecherzentrierten
können dt. also, engl. well, frz. ben, it. vabbè oder sp. bue-
Funktionen (visibly oder sichtbar in evidenzieller Funk-
no, neben anderen Funktionen, sowohl den Beginn eines
tion), intensivierende Suffixe wie sp. -ísimo, Diminutiva,
Redebeitrags (also auf der Ebene der Textorganisation) als
aber auch Konstruktionstypen wie parenthetische Ausdrü-
auch gleichzeitig Zustimmung und teils auch Ablehnung
cke (mutmaße ich, I assume, I suspect), durch grammati-
der Sprecher/innen eines Redebeitrags eines Gesprächs-
sche Kategorien wie epistemische Modalverben oder das
partners signalisieren, d. h. Sprecherperspektive und auch
epistemische Futur in den in diesem Lehrbuch berücksich-
Interaktion mit Gesprächspartnern andeuten. Mitigatoren
tigten Sprachen für Vermutungen (Das Licht im Wohnzim-
wie dt. irgendwie, engl. like, frz. genre, it. tipo und sp.
mer ist an, sie wird zuhause sein).
tipo drücken eine Distanzierung durch den Sprecher aus,
Im Falle der im obigen Abschnitt aufgelisteten pragma-
können jedoch gleichzeitig auch eine möglicherweise un-
tischen Marker handelt es sich jedoch um eine Kategorie
höflich wirkende Aussage (etwas) abschwächen und damit
von Ausdrücken, die sich von den anderen Verfahren, die
zu einer sozialen Regulierung der Interaktion beitragen.
als solche nicht auf pragmatische Funktionen spezialisiert
sind, abheben. Sie gehören keiner der etablierten Wortarten
? Können Sie tendenzielle Besonderheiten der sprachlichen
an, besitzen flexiblen Skopus oder aber Sprechaktskopus,
Formen bzw. Konstruktionen erkennen, die jeweils für
sind nicht in den Satz integriert und häufig in der syntak-
Marker der drei Ebenen charakteristisch sind?
524 Kapitel 26  Pragmatische Marker im Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen

tischen Position flexibel. Sie besitzen außerdem weniger Daher plädieren inzwischen zahlreiche Autoren für einen
konzeptuellen Gehalt als lexikalische Ausdrücke und sind von der Grammatikalisierung zu unterscheidenden Prag-
sehr abstrakte, hochpolyfunktionale Ausdrücke, die außer- matikalisierungsprozess (für einen Überblick vgl. Detges
26 dem formal invariabel sind. Der Wandelprozess, der zu und Waltereit 2016), wenngleich insbesondere die frühen
ihrer Entstehung führt, zeigt auffällige Ähnlichkeiten mit Etappen der Grammatikalisierung starke Gemeinsamkeiten
der Grammatikalisierung: mit der Pragmatikalisierung zeigen, wenn beispielswei-
4 Dekategorialisierung: Ursprüngliche Wortarteigen- se zunächst expressive Negationsverstärker entstehen, die
schaften werden aufgegeben; so kann sp. bueno dann zu neutralen Negationspartikeln werden.
(entstanden aus dem Adjektiv bueno ‚gut‘) nicht mehr Der zugrunde liegende Mechanismus des Funktions-
für Genus und Numerus flektiert oder gesteigert werden wandels beruht dabei auf konversationellen Implikaturen,
oder Substantive modifizieren. die sich dann als Teil der kodierten, d. h. gespeicherten Be-
4 Formale Vereinfachung, z. B. Univerbierung: Fusion deutung der pragmatischen Marker etablieren können. So
freier Morpheme bei komplexen Ausgangsausdrücken, kann eine zustimmende Funktion von gut strategisch ein-
z. B. dt. weißte, engl. y’know oder frz. chais pas (je ne gesetzt werden, um höflich einen Redebeitrag zu beenden
sais pas), häufig lautliche Reduktion und Akzentverlust und selbst Rederecht zu beanspruchen, im folgenden Bei-
(frz. ben < bien, sp. pos < pues). spiel allerdings ohne Erfolg:
4 Prozeduralisierung, d. h., aus lexikalischer Bedeutung
entstehen diskursive Instruktionen, die prozedural ver-
arbeitet werden. Aus der temporalen Bedeutung von (25) Aiwanger: Gut, ich glaube, wir sind uns einig. Ich
engl. now oder frz. alors entsteht beispielsweise ein Ge- ...
sprächseröffnungssignal. Söder: Wenn’s recht ist, würde ich noch kurz die
4 Es handelt sich um unidirektionale Prozesse, d. h., aus Begrüßung fertig . . .
lexikalischen Ausdrücken entstehen pragmatische Mar- (7 https://www.sueddeutsche.de/bayern/
ker, nicht aber umgekehrt. landtagswahl-bayern-verhandlungen-csu-gruene-
4 Typisch ist die Koexistenz der Ausgangsbedeutung mit freie-waehler-1.4176982. Zugegriffen: 25.
der neuen Funktion. So koexistiert das Adverb well mit März 2020)
dem pragmatischen Marker well.

Aufgrund dieser Merkmale wurde die Entstehung von Als besonderen, der Pragmatikalisierung zugrunde liegen-
pragmatischen Markern von einigen Autoren als ein Son- den Mechanismus schlagen Heine et al. (2017) einen pro-
derfall der Grammatikalisierung aufgefasst. Allerdings un- duktiven und spontanen Mechanismus der Herauslösung
terscheidet sich der Entstehungsprozess der pragmatischen sprachlicher Ausdrücke aus dem Satzkontext (Beispiel 26)
Marker in einigen wichtigen Punkten von Grammatikali- vor, die dann auf einer anderen sprachlichen Ebene, d. h. für
sierungsprozessen: metadiskursive Zwecke, verwendet werden, wie in Beispiel
4 Es entstehen keine gebundenen Morpheme, sondern (27).
nichtlexikalische, freie Morpheme.
4 Pragmatische Marker nehmen keine in den Satz inte-
grierten Positionen ein. Häufig sind sie in der linken, (26) Sie gab es ehrlich zu.
manchmal in der rechten Satzperipherie, oder aber im (27) Ehrlich, ich finde das nicht in Ordnung.
Satz zu finden – dort allerdings abgesetzt, d. h. paren-
thetisch.
4 Pragmatische Marker sind im Unterschied zu gramma-
Diesen Prozess nennen Heine et al. (2017) cooptation, ein
tischen Morphemen wie z. B. Tempusmorphemen nicht
Prozess, der spontan und produktiv in Äußerungen reali-
wahrheitskonditional. Aus wahrheitskonditionalen
siert werden kann. Die „kooptierten“ Ausdrücke können
Ausdrücken wie z. B. Approximatoren in der Bedeu-
dann Ausgangspunkte für weitergehende Pragmatikalisie-
tung ‚so etwas wie, eine Art‘ wie frz. genre, sp. tipo, it.
rungsprozesse werden.
tipo oder engl. like oder sort of, wie auch jugendsprach-
lich so im Deutschen entstehen häufig nicht wahrheits-
? Was zeichnet stärker pragmatikalisierte gegenüber schwä-
funktionale Ausdrücke (Mihatsch 2010): siehe hierzu
cher pragmatikalisierten Markern aus?
die abschwächenden bzw. metadiskursiv distanzieren-
den Verwendungen von like in Beispiel (10) bis (13).
4 Pragmatische Marker sind fakultativ und nicht obliga-
torisch. Pragmatikalisierung
4 Pragmatische Marker besitzen variablen Skopus bzw. Der Begriff der Pragmatikalisierung beschreibt den Ent-
häufig Satzskopus oder modifizieren satzübergreifende stehungsprozess pragmatischer Marker, die häufig aus
Diskurseinheiten wie z. B. ganze Redebeiträge.
26.6  Antworten auf die Selbstfragen
525 26

Vertiefung

Pragmatische Marker und Sprachkontakt wirkungen auf das System der pragmatischen Marker der
Kontaktvarietät können jedoch unterschiedlich ausfallen. Drei
In Sprachkontaktsituationen weisen pragmatische Marker verschiedene Szenarien sind dabei denkbar (Torres und Po-
besondere Eigenschaften auf. towski 2008: 264):
4 Die Systeme beider Sprachen koexistieren.
Generell wird davon ausgegangen, dass sich pragmatische 4 Teiläquivalente pragmatische Marker einer Sprache ent-
Marker aufgrund ihrer syntaktischen Flexibilität, ihrer se- wickeln im Sprachkontakt neue Bedeutungsmuster und
mantischen und pragmatischen Eigenschaften und ihrer häu- Funktionen.
fig satzperipheren Position besonders für kontaktbedingten 4 Die Marker einer Sprache können die Marker der anderen
Sprachtransfer eignen. Außerdem sind pragmatische Marker Sprache ersetzen.
schwer übersetzbar und verfügen häufig über mehr als ein
Übersetzungsäquivalent. Daher berichten viele Studien über Weiterführende Literatur
die Entlehnung von pragmatischen Markern in unterschiedli- 4 Hennecke, I. 2014. Pragmatic markers in Manitoban
chen Sprachkontaktsituationen, beispielsweise bei Herkunfts- French: A corpuslinguistic and psycholinguistic investi-
sprechern oder in mehrsprachigen Gesellschaften: gation of language change. Dissertation, Ruhr-Univ. Bo-
1. A: pero esa es una de la razones so en ese aspecto, es que chum.
yo estaría de acuerdo. (Torres 2002: 73) 4 Torres, L. 2002. Bilingual discourse markers in Puerto Ri-
2. D: j’veux pas cette/ like c’est le sien
et il marche encore. can Spanish. Language in Society; 65–68.
(Hennecke 2014: 87) 4 Torres, L. und Potowski, K. 2008. A comparative study of
bilingual discourse markers in Chicago Mexican, Puerto
Es wird vermutet, dass pragmatische Marker erst als Code- Rican, and MexiRican Spanish. International Journal of
Switches übernommen werden und mit der Zeit als Ent- Bilingualism 12 (4); 263–279.
lehnungen in die Sprachkontaktvarietät eingehen. Die Aus-

Chevalier (2001) und Dostie (2004) untersuchen die Entste-


lexikalischen Ausdrücken oder Konstruktionen mit le- hung von pragmatischen Markern mit einem Schwerpunkt
xikalischen Ausdrücken entstehen. Pragmatikalisierung auf dem Québecer Französischen.
teilt eine Reihe wichtiger Merkmale mit Grammatika- Bazzanella (2001) bietet einen Überblick über italie-
lisierungsprozessen, insbesondere führen beide Prozesse nische pragmatische Marker, der Band von Ghezzi und
zur Entstehung prozeduraler Ausdrücke. Im Unterschied Molinelli (2014) ist der Entstehung romanischer Marker
zur Grammatikalisierung führt jedoch Pragmatikalisie- gewidmet. Caffi (2001) fokussiert Abschwächungsverfah-
rung nicht zu einer syntaktischen und morpholischen ren des Italienischen und entwickelt hier eine feingliedrige
Integration, sondern gerade zu einer Loslösung der Mar- Klassifikation. Eine umfassende aktuelle Einführung ist
ker aus syntaktischen Strukturen. Sansò (2020).
Martín Zorraquino und Portolés (1999), Portolés (1998)
sowie der Band von Loureda und Acín (2010) bieten einen
Überblick über spanische pragmatische Marker; zu Dis-
kursmarkern im engeren Sinne vgl. Pons Bordería (1998).
26.5 Weiterführende Literatur
Besonders empfehlenswert, um die Funktionen einzelner
Marker nachzuschlagen, sind Fuentes Rodríguez (2009)
Einen aktuellen Forschungsüberblick mit Einzelanalysen und das Diccionario de partículas discursivas del español
zum Deutschen bieten Blühdorn et al. (2017), zu Modalpar- (DPDE; 7 http://www.dpde.es/#/).
tikeln Coniglio (2011), zur Pragmatikalisierung deutscher
Diskursmarker ist insbesondere Auer und Günthner (2005) 26.6 Antworten auf die Selbstfragen
empfehlenswert. Fischer (2000) vergleicht englische und
deutsche pragmatische Marker.
Zum Englischen sind Aijmer (2002, 2013) und Bee- vSelbstfrage 1
ching (2016) zu empfehlen, zur Entstehung englischer Pragmatische Marker kommen besonders häufig in der
pragmatischer Marker Brinton (1996) sowie Jucker und mündlichen Sprache, insbesondere der Umgangssprache,
Taavitsainen (2013). vor, zum einen weil hier der Planungsgrad gering ist und
Mosegaard Hansen (1998) und Rossari (2000) analy- sie daher beispielsweise häufig Formulierungsschwierig-
sieren eine Reihe pragmatischer Marker des Französischen, keiten überbrücken. Zum anderen findet sich Umgangs-
526 Kapitel 26  Pragmatische Marker im Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen

sprache in der Regel im Dialog mit anderen. Die Interakti- Beziehung und Interaktion zwischen Gesprächspartnern
on der Gesprächspartner wird dabei ebenfalls häufig über dienen, in vielen Fällen von Verbformen der 2. Person
pragmatische Marker reguliert. Und schließlich werden und Anredeformen abstammen. Die zugrunde liegen-
26 in umgangssprachlichen Gesprächen häufig Emotionen den Formen zeigen also eine formale Verbindung zu den
transportiert, die ebenfalls durch pragmatische Marker an- pragmatischen Funktionen.
gezeigt werden können.
vSelbstfrage 7
v Selbstfrage 2 Bei stärker pragmatikalisierten Markern ist die Verbin-
Konversationelle Implikaturen (vgl. Kap. 6 in Dipper dung zur „ursprünglichen“ Bedeutung und Form des
et al. 2018) erlauben kontextgesteuerte Anpassungen der Lexems nicht mehr so transparent wie bei schwächer
Funktion. pragmatikalisierten Markern. Stärker pragmatikalisierte
Marker sind außerdem in ihren Funktionen weniger spe-
v Selbstfrage 3 zifisch, aber multifunktional.
Die vokalische Längung bei den oben genannten Markern
kann ein Zeichen von Zögern oder Nachdenken sein. In
anderen Kontexten kann sie signalisieren, dass der Spre- Literatur
cher dem zuvor im Diskurs geäußerten Redebeitrag nicht
zustimmt. Daneben kann die Längung dieser pragmati- Abraham, W. (2010). Diskurspartikel zwischen Modalität, Modus und
schen Marker zu Satzbeginn einen Redebeitrag eröffnen. Fremdbewusstseinsabgleich. In T. Harden & E. Hentschel (Hrsg.), 40
Jahre Partikelforschung (S. 33–70). Tübingen: Stauffenburg.
v Selbstfrage 4 Aijmer, K. (2002). English discourse particles: Evidence from a corpus.
Amsterdam / Philadelphia: John Benjamins.
Beide Ausdrücke können wie pragmatische Marker un-
Aijmer, K. (2013). Understanding pragmatic markers: A variational prag-
tereinander kombiniert werden, allerdings in einer festen matic approach. Edinburgh: University Press.
Reihenfolge. Sie können nicht flektiert oder modifiziert Andersen, G. (2001). Pragmatic markers and sociolinguistic variation.
werden. Konstituententests wie Pronominalisierung, Er- Amsterdam: John Benjamins.
fragung etc. zeigen, dass sie keine Konstituenten bilden. Auer, P., & Günthner, S. (2005). Die Entstehung von Diskursmarkern im
Deutschen – ein Fall von Grammatikalisierung? In T. Leuschner &
Sie unterscheiden sich aber klar von pragmatischen Mar-
T. Mortelmans (Hrsg.), Grammatikalisierung im Deutschen (S. 335–
kern, da sie eine feste Position im Mittelfeld des Satzes 362). Berlin / New York: de Gruyter.
einnehmen und syntaktisch integriert sind. Außerdem sind Baddeley, A., Eysenck, M. W., & Anderson, M. C. (2015). Memory
sie an Satztypen gekoppelt, die bestimmte Sprechakte (2. Aufl.). London / New York: Psychology Press.
ausdrücken, assertive und direktive Sprechakte im Falle Bazzanella, C. (2001). I segnali discorsivi. In L. Renzi, G. Salvi & A. Car-
dinaletti (Hrsg.), Tipi di frase, deissi, formazione delle parole 2. Aufl.
dieser Marker. Daher gehören sie einer eigenen Klasse an,
Grande grammatica italiana di consultazione, (Bd. 3, S. 225–257).
der Klasse der Modalpartikeln („Vertiefung: Abtönungs- Bologna: Il Mulino.
partikeln bzw. Modalpartikeln“). Beeching, K. (2016). Pragmatic markers in British English. Cambridge:
University Press.
v Selbstfrage 5 Blakemore, D. (2002). Relevance and linguistic meaning. The semantics
In der gesprochenen Sprache dienen pragmatische Mar- and pragmatics of discourse markers. Cambridge: Cambridge Uni-
versity Press.
ker zumeist zur Strukturierung des Redebeitrags inner-
Blühdorn, H., Deppermann, A., Helmer, H., & Spranz-Fogasy, T. (Hrsg.).
halb eines Dialogs oder zur Strukturierung des Dialogs (2017). Diskursmarker im Deutschen. Reflexionen und Analysen. Göt-
selbst (beispielsweise in einem Gespräch unter Bekann- tingen: Verlag für Gesprächsforschung.
ten oder in einem Theaterstück, wo fingierte Mündlichkeit Brinton, L. J. (1996). Pragmatic markers in English. Grammaticalization
kreiert wird). Andererseits können sie auch Formulie- and discourse functions. Berlin / New York: Mouton de Gruyter.
Briz Gómez, A. (1993). Los conectores pragmáticos en español coloquial
rungsschwierigkeiten oder ein Zögern beziehungsweise
(I): Su papel argumentativo. Contextos, XI(21–22), 145–188.
Nachdenken ausdrücken. In der Distanzsprache hingegen Briz Gómez, A., & Bordería, P. S. (2010). Unidades, marcadores discur-
dienen pragmatische Marker meist zur Strukturierung ei- sivos y posición. In O. Loureda Lamas & A. E. Villa (Hrsg.), Los
nes Texts und sie können auch textsortenspezifisch sein, estudios sobre marcadores del discurso en español, hoy (S. 327–358).
d. h. von der Wahl der jeweiligen Textsorte abhängen. Madrid: Arco/Libros.
Briz Gómez, A., & Hidalgo Navarro, A. (1998). Conectores pragmáticos y
Zudem sind sie in der Tendenz spezifischer (s. erstens,
estructura de la conversación. In M. A. Martín Zorraquino & E. Mon-
zweitens, beispielweise, oder vielmehr etc.). tolío Durán (Hrsg.), Los marcadores del discurso. Teoría y análisis
(S. 121–142). Madrid: Arcos Libros.
v Selbstfrage 6 Briz Gómez, A., & Navarro, H. A. (2008). Marcadores discursivos y pro-
Im Bereich der diskursorganisierenden oder - sodia: observaciones sobre su papel modalizador atenuante. In M.
strukturierenden Marker finden sich auffällig häufig Albelda, A. Briz, J. Contreras & A. Hidalgo (Hrsg.), Estudios de cor-
frühere Konjunktionen, aber auch Anredeformen. Da- tesía sobre el español: de lo oral a lo escrito (S. 390–409). Valencia:
Universidad de Valencia.
gegen fallen bei den Markern, die Sprecherperspektiven Briz Gómez, A., Pons, S., & Portolés, J. (Hrsg.). (2008). Diccionario de
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veröffentlichte Doktorarbeit, Ruhr-Universität Bochum. Online ver-
fügbar unter: http://www-brs.ub.ruhr-uni-bochum.de/netahtml/HSS/
Diss/HenneckeIngaNadescha/ diss.pdf.

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