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DZPhil, Akademie Verlag, 61 (2013) 2, 197–213

Die Einheit des Selbst nach Heidegger

Von Georg W. Bertram (Berlin)

Heidegger hat in Sein und Zeit einen bemerkenswerten Ansatz der Erläuterung des mensch­
lichen Weltverhältnisses entwickelt. Dieser Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass er in
wesentlichen Punkten mit der philosophischen Tradition zu brechen sucht. Heidegger macht
geltend, dass die zentralen Aspekte des menschlichen Weltverhältnisses auf der Basis prob­
lematischer ontologischer Vorentscheidungen verstanden worden sind. Die Struktur der
menschlichen Lebensform lässt sich aus seiner Sicht nicht mit Begriffen wie denen von Sub­
jekt und Objekt, Geist und Natur, Bewusstsein und Außenwelt erläutern. Heideggers Anspruch
besteht entsprechend darin, die problematischen ontologischen Vorentscheidungen, die für
die Tradition leitend waren, abzuschütteln. Auf diese Weise will er die zentralen Aspekte des
menschlichen Weltverhältnisses neu begreifen.
Will man Heidegger an diesem Anspruch messen, ist es entscheidend, sich zu fragen,
welches die zentralen Aspekte des menschlichen Weltverhältnisses sind, die Heidegger neu
zu fassen versucht. Geht es zum Beispiel um die menschliche Praxis oder um das menschliche
Denken?1 Ich bin der Meinung, dass diese möglicherweise von Sein und Zeit besonders nahe
gelegten Themen nicht diejenigen sind, die im Zentrum von Heideggers Neuentwurf stehen.
Im Zentrum steht die Frage nach dem Selbstverhältnis. Heidegger geht es darum, das Selbst­
verhältnis als zentralen Aspekt der menschlichen Lebensform angemessen zu verstehen. Dies
ist verbunden mit der These, dass in der Tradition das Selbstverhältnis auf Grund falscher
ontologischer Vorentscheidungen nicht richtig begriffen wurde.2
Heidegger hat in unterschiedlicher Weise deutlich gemacht, dass das Selbstverhältnis das
große Thema von Sein und Zeit ist. Aufschlussreich ist hier bereits die grundlegende Formel,
mit der Heidegger den Begriff des Daseins erläutert. Es handelt sich um ein „Seiendes, dem
es in seinem Sein um dieses Sein selbst geht“.3 Dasein ist ein Seiendes mit Selbstverhältnis.
Deutlich wird das Selbstverhältnis als das Zentrum von Sein und Zeit auch in der wichtigen
Unterscheidung von Uneigentlichkeit und Eigentlichkeit. Wie Heidegger in § 27 sagt, geht
es hier um eine Unterscheidung zweier Realisierungsweisen von Selbstverhältnis. Heidegger

1
Vgl. hierzu zum Beispiel die wichtigen Interpretationen von Dreyfus (1991) und von Figal (1988).
2
Mit dieser grundlegenden Diagnose schließt Heidegger nahtlos an die Diskussionen nach Kant an.
Kants Erläuterung der „transzendentalen Apperzeption“ macht bereits geltend, dass das Selbstver­
hältnis nicht als eine Erkenntnisbeziehung zu begreifen ist. Schelling und Hegel haben diesen Ge­
danken weiterentwickelt. Es wäre eine eigene Untersuchung, Heideggers Ansatz in seinen Unter­
schieden und Affinitäten zu den Positionen Kants und Hegels zu beleuchten.
3
Heidegger (1986), 12 (im Folgenden als „SuZ“).

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bezeichnet die uneigentliche Realisierungsweise als „Man-selbst“ und spricht für die eigent­
liche Realisierungsweise von einem „eigentlichen […] Selbst“.4 Schließlich sucht die zusam­
menfassende Frage des ersten Teils von Sein und Zeit das Selbstverhältnis in spezifischer
Weise zu fassen. Heidegger fragt danach, wie Dasein eine Ganzheit zu realisieren vermag,
und antwortet auf diese Frage mit dem Begriff der „Sorge“.5 Dieser Begriff ist Heideggers
Vorschlag für eine neue Fassung des Selbstverhältnisses. Nicht zuletzt wird in den Grund-
problemen der Phänomenologie deutlich, dass Heidegger im Umfeld von Sein und Zeit das
Projekt verfolgt, das Selbstverhältnis in neuer Weise zu erläutern. An zentraler Stelle heißt es
hier unter dem Titel „Das grundsätzliche Problem der Mannigfaltigkeit der Weisen des Seins
und der Einheit des Seinsbegriffs überhaupt“ in einem Resümee der Überlegungen6: „Aus
dem recht begriffenen Selbstverständnis des Daseins ergibt sich, daß die Analyse des Selbst­
bewußtseins die Aufklärung der Existenzverfassung voraussetzt.“7
Dies sind einige Anhaltspunkte dafür, dass das Selbstverhältnis im Zentrum von Sein und
Zeit steht. Ich denke also, dass Heidegger eine Fragestellung fortführt, die die Philosophie der
Neuzeit und der Moderne beherrscht hat. Es handelt sich um die Fragestellung, die in den Phi­
losophien von Descartes, Locke, Kant, Hegel und vielen anderen im Zentrum steht und über
die in Neuzeit und Moderne viele entscheidende Dispute geführt worden sind. Auch wenn
Heidegger Begriffe wie diejenigen des Bewusstseins und des Subjekts zurückweist, so weist
er doch nicht die Frage zurück, auf die diese Begriffe als Antwort entwickelt worden sind: die
Frage, wie das Selbstverhältnis als zentraler Aspekt der menschlichen Lebensform zu begrei­
fen ist. Heidegger schließt in dieser Frage an die Positionen an, von denen er sich rhetorisch
zugleich distanziert. Er steht, so gesehen, doch in einer tieferen Kontinuität zu Philosophien
der Neuzeit und Moderne, als er dies suggeriert.
Worin besteht nun Heideggers Vorschlag in Bezug auf die Erläuterung des Selbstverhält­
nisses? Heidegger macht geltend, dass dieses Verhältnis auf Beziehungen beruht, die man
vorerst als praktisch-produktiv charakterisieren kann. Der Begriff der Sorge ist in Sein und
Zeit der Grundbegriff für diese Beziehungen. Er arbeitet damit an einem Ansatz, der in neuer
Weise ein praktisches Verständnis des Selbstverhältnisses zu gewinnen sucht. Aus diesem
Grund setze ich in den folgenden Erläuterungen bei der empiristischen Tradition an und dort
vor allem bei Positionen, die das Selbstverhältnis gleichermaßen als ein praktisch-produk­
tives Verhältnis zu deuten suchen. Anhand dieser Positionen lassen sich gut die Probleme
verständlich machen, auf die Heidegger in seiner Erläuterung des Selbstverhältnisses antwor­
tet. Auf diese Erläuterung komme ich nach drei knappen einleitenden Teilen im vierten und
fünften Teil zu sprechen. Im abschließenden sechsten Teil schließlich überlege ich kurz, wo
eine Kritik an Heidegger und in diesem Sinn eine Weiterentwicklung seiner Position ansetzen
kann.

4
Vgl. ebd., 129.
5
Vgl. bes. ebd., § 41. Dass Heidegger mit diesem Begriff die Struktur des Selbst zu erläutern sucht,
wird auch deutlich, wenn er sagt: „Der Ausdruck ‚Selbstsorge‘ nach der Analogie von Besorgen und
Fürsorge wäre eine Tautologie.“ (SuZ, 193)
6
Dies ist die Überschrift des § 15 der Grundprobleme der Phänomenologie (Heigegger 2005, 219).
7
Ebd., 249.

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I. Der Hintergrund: Das Selbst-Identifikations-Problem

Unter anderem auf John Locke geht ein Problem zurück, das ich als grundlegendes Problem
einer Theorie des Selbstverhältnisses verstehe. Locke erläutert die Identität der Person auf
Grundlage des Begriffs der Erinnerung. Es ist seine These, dass all die Erinnerungen, deren
ein Subjekt sich als seiner Erinnerungen bewusst ist, die Identität der Person ausmachen.8 Es
ist leicht zu sehen, dass diese Erklärung voraussetzt, was sie erklären will. Die Identifikation
einer Erinnerung als eigener Erinnerung setzt genau die einheitliche Person voraus, die erklärt
werden soll. Eine Erinnerung ist nur dann eigen, wenn sie der einheitlichen Person zugehört.
Damit aber kann der Bezug auf eigene Erinnerungen die Identität der Person nicht erklären.
Ich bezeichne das Problem, das hier zu Tage tritt, als Selbst-Identifikations-Problem. Dieses
Problem kann ich durch eine einfache Frage umreißen: Muss ich nicht bereits wissen, dass
ein Zustand zu mir gehört, um ihn in die einheitliche Perspektive eines Selbst einbeziehen zu
können? Ist mit einem solchen Wissen nicht die Einheit des Selbst immer in der Erklärung
vorausgesetzt? Oder thetisch gesagt:
[Selbst-Identifikations-Problem] Ein Zustand lässt sich nur dann als ein solcher iden­
tifizieren, der der Einheit eines Selbst angehört, wenn er selbst diese Einheit aufweist.
Die Einheit des Selbst kann aus diesem Grund nicht auf Basis von Identifikationen
bestimmter Zustände als eigener Zustände erklärt werden, da hier in der Erklärung
vorausgesetzt ist, was erklärt werden soll.
Das Selbst-Identifikations-Problem hat einige neoempiristische Autoren dazu bewogen, als
zentralen Begriff in der Erläuterung den Begriff der „Quasi-Erinnerung“ einzuführen.9 Mit­
tels dieses Begriffs soll der Bezug gegenwärtiger Zustände auf erinnerte Zustände so gefasst
werden, dass er die Einheit des Selbst nicht bereits voraussetzt. Der Begriff der Quasi-Erinne­
rung (auf den ich hier nicht weiter eingehen will) ist somit ein Symptom für das grundlegende
Problem, dem sich Theorien des Selbst ausgesetzt sehen.
Dieses Problem tritt nicht nur bei empiristischen Positionen auf. In einer anderen Form
prägt es die Reflexionstheorien des Selbstbewusstseins, die auch als Subjekt-Objekt-Theorien
des Selbstbewusstseins bezeichnet worden sind.10 Diesen zufolge gewinnt das Selbst dadurch
seine Einheit, dass es sich selbst objektiviert oder – anders gesagt – dass es auf sich reflektiert.
Die Reflexion, von der hier die Rede ist, lässt sich gut mit der Spiegelmetapher veranschauli­
chen. Wenn jemand in den Spiegel blickt, sieht er sein eigenes Spiegelbild. Er erkennt sich in
dem Spiegelbild allerdings nur, wenn er bereits weiß, dass das im Spiegel Gesehene er selbst
ist. Das Erkennen im Spiegel kann also die Einheit des Selbst nicht erklären. Es setzt diese
Einheit vielmehr voraus.

II. Dennetts Erklärung der Einheit des Selbst

Neben den bereits erwähnten neoempiristischen Ansätzen, die das Selbst-Identifikations-Prob­


lem mit dem Begriff der Quasi-Erinnerung zu lösen versuchen, gibt es unterschiedliche weitere
Ansätze, mit diesem Problem umzugehen. Ein Typ von Positionen ist dabei aus meiner Sicht von

8
Vgl. Locke (1988), II.xxvii, 9.
9
Vgl. Shoemaker (1999) und Parfit (1999).
10
Vgl. unter anderem Henrich (1970); Zahavi (2005).

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besonderem Interesse: Positionen, die die für das Selbstverhältnis grundlegenden Beziehungen
nicht als Erkenntnisbeziehungen fassen, sondern diese Beziehungen als produktiv zu denken
suchen. Paradigmatisch hierfür sind narrativistische Ansätze, unter anderem derjenige von
Daniel Dennett, der einen vielversprechenden Versuch unternimmt, das Selbst-Identifikations-
Problem zu lösen. Um seinem Ansatz Kontur zu verleihen, hat Dennett ein Gedanken­experiment
vorgeschlagen. Der Protagonist dieses Gedankenexperiments ist der Roboter Gilbert. Dieser ist
mit unterschiedlichen Modulen ausgestattet, um sich in Umgebungen zu orien­tieren, um sich zu
bewegen, um Tätigkeiten auszuführen etc. Der Roboter verfügt allerdings noch über ein wei­
teres Modul. Es handelt sich um ein narratives Modul. Dieses narrative Modul hält unentwegt
erzählend fest, was Gilbert macht. Wenn Gilbert die Straße entlang läuft, produziert das Modul
sprachliche Token wie „Gilbert läuft die Straße entlang“, wenn er einen Aufsatz schreibt, hin­
gegen Token wie „Gilbert schreibt am 7. September 2011 an einem Aufsatz über Heideggers
Begriff des Selbstverhältnisses“. In seiner Produktion einer Erzählung verfolgt das narrative
Modul dabei ein gewisses Ideal. Alle Momente in Gilberts Aktionen und Widerfahrnissen wer­
den so erzählt, dass sie in eine „einzige, gute Geschichte“11 passen. Was der Roboter Gilbert
macht und was ihm in seinen Umgebungen begegnet, wird von dem Erzählmodul sprachlich
artikuliert und in eine zusammenhänge Geschichte eingebunden.
Genau dies soll verständlich machen, inwiefern wir uns als Wesen mit einer einheitlichen
Perspektive verstehen können. Der subjektive Eindruck, dass es mir in besonderer Weise
um mich geht, dass ich es bin, der irgendwelche Wahrnehmungen macht oder irgendwelche
Handlungen vollbringt, ist Dennett zufolge dadurch zu erklären, dass wir narrativ veranlagt
sind. Die Konstitution eines einheitlichen Selbst lässt sich damit folgendermaßen erklären:
[Dennett: Narrative Konstitution des Selbst] Die Einheit des Selbst konstituiert sich
dadurch, dass ein narratives Modul eine einheitliche Erzählung entwickelt, innerhalb
deren das Selbst als Protagonist entfaltet wird.
In diesem Sinn erläutert Dennett das Selbst als das Gravitationszentrum einer Erzählung, als
ein „center of narrative gravity“.12 Das Selbst ist, so gesehen, eine fiktive Größe. Es ist nicht
real, sondern nur eine Figur in einer Erzählung, die ein bestimmtes Modul unserer neuronalen
Architektur hervorbringt.
Diese Erläuterung soll das Selbst-Identifikations-Problem dadurch lösen, dass sie die Ein­
heit des Selbst als produktiv konstruiert begreift. Die Einheit wird nicht durch Identifikatio­
nen (Erinnerungsbeziehungen) begründet. Sie wird durch das narrative Modul konstruiert.
Alles, was in dessen Erzählung einbezogen wird, ist für die Einheit des Selbst relevant. Das
narrative Modul hat die Regie. Es entscheidet, was zu der Einheit des Selbst gehört und was
nicht. Bei Gilbert ist damit nichts weiter vorausgesetzt als ein neuronales Modul, das eine
zusammenhängende Erzählung hervorbringt. Der von diesem Modul produzierte Charakter
ist fiktiv. Für das reale Tun des Roboters spielt das Selbst keine Rolle.
Auch wenn Dennetts Erläuterungen so gerade in einem neoempiristischen Umfeld vielver­
sprechend sind, können sie dennoch in mindestens einem Punkt nicht überzeugen. Dieser Punkt
lässt sich folgendermaßen umreißen: Dennett zufolge erzählt das narrative Modul all das, was
Gilbert betrifft, im Nachhinein. Dies wird aber der Sprachlichkeit eines Selbst nicht vollständig
gerecht. Die Sprachlichkeit eines Selbst muss so erläutert werden, dass einige seiner sprach­
lichen Äußerungen im Vorhinein Elemente des sonstigen Verhaltens festlegen. Das narrative
Modul Gilberts bringt demnach nicht nur eine Erzählung ex post hervor. Es produziert immer

11
Dennett (1992), 114.
12
Vgl. ebd.

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wieder auch Äußerungen, die für das Verhalten Gilberts Konsequenzen haben. So sagt Gil­
bert zum Beispiel: „Ich bereite jetzt ein Abendessen.“ Eine solche Äußerung lässt sich nicht so
begreifen, dass sie etwas sprachlich artikuliert, das unabhängig von dieser sprachlichen Artiku­
lation stattfindet. Wenn Gilbert erzählt, er bereite nun ein Abendessen, dann hat diese Erzählung
Konsequenzen für das, was er in der Folge tut. Die Erzählung ist mit dem Anspruch verbunden,
etwas über das Verhalten zu sagen, das Gilbert im nächsten Moment zeigt. Dennett räumt indi­
rekt durchaus ein, dass die erzählte Geschichte sich in dieser Weise auch in der Auseinanderset­
zung mit der Welt niederschlagen kann.13 Sofern dies aber gilt, kann die Einheit des Selbst nicht
allein auf narrativen Beziehungen beruhen. In diese Einheit geht dann immer wieder auch das
nichtsprachliche Verhalten, das Gilbert an den Tag legt, als solches ein.
Das Defizit, das sich in Dennetts Erläuterungen zeigt, ist von allgemeiner Bedeutung für
die Theorie des Selbst. Es hat sich in Philosophien der Neuzeit und Moderne immer wieder
in unterschiedlicher Weise manifestiert. Ich bezeichne dieses Problem als Festlegung-durch-
Artikulation-Problem. Wiederum will ich es zuerst durch eine Frage umreißen: Wie können
Artikulationen anderweitiges Verhalten festlegen? Wie kann das narrative Verhalten eines
Selbst als ein Verhalten verstanden werden, das anderes Verhalten dieses Selbst bindet? Auch
dieses Problem will ich noch einmal thetisch fassen:
[Festlegung-durch-Artikulation-Problem] Sofern die Einheit des Selbst (auch) auf nar­
rativen Artikulationen beruht, müssen diese so verstanden werden, dass sie auch das von
den narrativen Artikulationen verschiedene Verhalten dieses Selbst festzulegen vermö­
gen. Wenn man die Artikulationen als solche begreift, die im Nachhinein erfolgen, wird
genau dies nicht erklärt.
Da Dennetts Vorschlag dieses Problem nicht löst, kann er nicht zufrieden stellen.

III. Vellemans Erklärung der Einheit des Selbst

David Velleman hat Dennett gegenüber eine Kritik vorgebracht, wie ich sie gerade in ihren
Grundzügen dargestellt habe. Auch wenn er nicht das grundsätzliche Problem geltend macht,
das ich benannt habe, so macht er doch verständlich, inwiefern Dennett eine Voraussetzung
macht, die er in seinen Erläuterungen nicht einholt. Es handelt sich um die Voraussetzung, dass
die Erzählung des narrativen Moduls sich in Gilberts Auseinandersetzung mit der Welt nieder­
schlagen kann. Velleman hat einen Vorschlag unterbreitet, wie man die von Dennett implizit
gemachte Voraussetzung einholen kann. Dieser Vorschlag lässt sich in folgender These fassen:
[Velleman: Narrative Konstitution des Selbst] Die Einheit des Selbst konstituiert sich
dadurch, dass ein narratives Modul sprachliche Artikulationen entwickelt und anderes
öffentlich wahrnehmbares Verhalten so steuert, dass es mit den sprachlichen Artikula­
tionen kohärent ist.14
Velleman zufolge besteht zwischen den autobiographischen Erzählungen Gilberts und seinem
sonstigen Verhalten ein verschränktes Passungsverhältnis. Einerseits sind die Erzählungen des
narrativen Moduls vielfach an dem Verhalten orientiert, das die sonstigen Module der neuro­

13
So schreibt Dennett zum Fall einer Patientin mit multipler Persönlichkeit: „And, of course, since
Sybil was a sort of living novel, she went out and engaged the world with these new selves, more or
less created on demand, under the eager suggestion of a therapist.“ (Dennett 1992, 111)
14
Vgl. Velleman (2005), 212 ff.

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nalen Architektur Gilberts hervorbringen. Andererseits aber bringen diese sonstigen Module
immer wieder auch ein Verhalten hervor, durch das die von Gilbert erzählte Geschichte realisiert
wird. Wenn das narrative Modul die Äußerung „Ich bereite jetzt ein Abendessen“ produziert,
muss ein äußerlich wahrnehmbares Verhalten folgen, das dieser Ankündigung gerecht wird. Die
Sprachproduktion des narrativen Moduls ist also nicht nur so zu verstehen, dass sie ein Verhal­
ten in der Welt nachträglich beschreibt. Sie muss dieses Verhalten auch prägen können.
So spitzt Velleman ein praktisch-produktives Verständnis des Selbstverhältnisses zu. Er
folgert aus seinen Überlegungen, dass das narrative Modul die Aktivitäten anderer neuronaler
Module steuern können muss. Das narrative Modul muss als der „zentrale Kontrolleur“15
aller Module des narrativistisch veranlagten Roboters verstanden werden. Damit allerdings
verändert sich, darauf insistiert Velleman, die Stellung des Protagonisten der Erzählung. Er
ist nicht nur – wie Dennett meint – eine fiktive Größe, die in einer Erzählung besteht, deren
innerer Schwerpunkt für die wirkliche Welt irrelevant ist. Der Protagonist der Erzählung ist
eine Größe, die in der wirklichen Welt auftritt.16 Sie tritt in dem Maße auf, wie die Erzählung
des narrativen Moduls auch das öffentlich wahrnehmbare Verhalten prägt, das andere neuro­
nale Module hervorbringen.
Ich halte diese von Velleman gegebene Erklärung im Grundsatz für weiterführend. Den­
noch kann auch sie nicht überzeugen. Sie bringt nämlich eine Variante des Selbst-Identifika­
tions-Problems mit sich. Dieses neuerliche Problem kann ich folgendermaßen artikulieren:
[Velleman: Selbst-Identifikations-Problem*] Ein öffentlich wahrnehmbares Verhalten
lässt sich nur dann als eines identifizieren, das mit den sprachlichen Artikulationen eines
bestimmten Selbst kohärent sein muss, wenn es ein eigenes Verhalten ist, wenn es also
die Einheit des Selbst aufweist. Damit ist wiederum in der Erklärung vorausgesetzt, was
erklärt werden soll.
Das Selbst-Identifikations-Problem hat hier folgende, wie mir scheint, paradigmatische
Struktur: Der faktisch hergestellte Zusammenhang von Zuständen soll die Einheit des Selbst
erklären. Auf welcher Basis allerdings wird der Zusammenhang faktisch hergestellt? Zustän­
de müssen als solche identifiziert werden, die in den Zusammenhang gehören. Es muss für
das Subjekt, das seine Einheit konstituiert, erkennbar sein, dass Zustände zu ihm gehören.
Somit setzt eine entsprechende Theorie voraus, was sie erklären will: die Einheit des Selbst.
Ich komme damit zu folgendem Zwischenstand: In den betrachteten Positionen werden
zwei Probleme nicht in zufrieden stellender Weise in Verbindung miteinander gelöst. Fol­
gende Fragen stehen damit im Raum: Wie lassen sich bestimmte Zustände so begreifen, dass
sie zur Einheit eines Selbst gehören, ohne dass diese Einheit in den Zuständen vorausgesetzt
wird? Inwiefern hängt die Einheit dabei zugleich damit zusammen, dass ein Selbst durch
Artikulationen sein von den Artikulationen verschiedenes Verhalten zu prägen vermag?

IV. Heideggers Ansatz

Ich bin der Meinung, dass Heideggers Sein und Zeit – zumindest implizit – an einer Antwort
auf diese beiden Fragen arbeitet. Heideggers Neuansatz ist mit dem Anspruch verbunden, diese
charakteristischen Probleme in der Theorie des Selbst zu lösen. Ich will zuerst den Versuch

15
Ebd., 212.
16
Vgl. ebd., 216.

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unternehmen, Heideggers Lösungen der zwei Probleme im Kern anzuzeigen, und gehe dann
genauer auf Heideggers Ansatz und auf Fragen der Interpretation ein.
Heidegger löst das Selbst-Identifikations-Problem dadurch, dass er die für die Einheit
des Selbst konstitutiven Beziehungen weder als kognitive Beziehungen erläutert, die auf die
Vergangenheit gerichtet sind, noch als produktive Beziehungen, die sich in der Gegenwart
realisieren. Er erläutert sie vielmehr als produktive Beziehungen, die auf die Zukunft gerich­
tet sind.17
[Einheit ohne Identifikation] Die Einheit des Selbst konstituiert sich durch die Bindung
an eine unbestimmte Zukunft. Diese Bindung wird durch Zustände realisiert, die aus
der Vergangenheit kommend dadurch gegenwärtig sind, dass sie eine zukunftsgerichtete
Festlegung eingehen.
Mit dieser Erläuterung wird das Selbst-Identifikations-Problem dadurch gelöst, dass der pro­
duktive Charakter des Selbstverhältnisses auf die Zukunft hin verlagert wird. Die Einheit
des Selbst beruht, so gesehen, nicht auf einer Einbindung vergangener oder gegenwärtiger
Zustände. Vielmehr besteht sie in einer Bindung an die Zukunft. Die Einheit des Selbst lässt
sich so nicht als ein faktischer Zusammenhang, als eine faktisch abgeschlossene Einheit
begreifen. Vielmehr ist es für sie konstitutiv, dass immer noch etwas aussteht. Heidegger
formuliert es so: Sein Sein ist für das Dasein immer das, was es zu sein hat.18 Die Einheit des
Selbst kommt dadurch zu Stande, dass das Selbst sich aus vergangen-gegenwärtigen Zustän­
den heraus voraus ist. Nun gilt es allerdings zu erklären, wie eine solche Bindung an die
Zukunft zu verstehen ist. Die hier gesuchte Erklärung liefert eine Lösung für das Festlegung-
durch-Artikulation-Problem.
[Festlegung durch Artikulation] Die Bindung an zukünftige Zustände beziehungsweise
Praktiken resultiert aus festlegenden Artikulationen. Die Einheit des Selbst stellt sich
durch Artikulationen her, die eine Zukunft zu prägen beanspruchen.
Die Festlegungen, von denen ich hier spreche, fasst Heidegger unter anderem mit dem Begriff
der Ausgelegtheit. Dasein ist, so Heidegger, immer ausgelegt. Auslegungen stellen eine Bin­
dung an die Zukunft her. Damit kommt ein (stets unabgeschlossener) Zusammenhang zwi­
schen Auslegungen und zukünftigen Zuständen beziehungsweise Praktiken zu Stande. Dieser
Zusammenhang macht das Selbstverhältnis aus. Die Bindung an die Zukunft ist nicht kogni­
tiv, das heißt prognostisch. Sie hat einen normativen Charakter, wobei zu klären ist, was
„normativ“ hier besagt.
Es deutet sich damit an, inwiefern eine Erläuterung wie diejenige Vellemans aus Heideg­
gers Perspektive problematisch ist. Die Festlegung wird von Velleman so erläutert, dass sie
immer bereits stattgefunden hat. Velleman zufolge konstituiert sie sich im Übergang von der
Vergangenheit zur Gegenwart. Damit aber ist aus Heideggers Sicht die Einheit des Selbst nicht
zu begreifen, da unklar bleibt, was zu dieser Einheit gehört. Diese Frage hingegen lässt sich
beantworten, wenn man das Selbstverhältnis unter Rekurs auf eine Bindung an die Zukunft

17
Heidegger erläutert den Zukunftsbezug unter anderem mit der Formulierung, dass das Dasein „ist,
was es wird bzw. nicht wird, […]“ (SuZ, 145). Eine andere Formulierung lautet: „das Dasein ist ihm
selbst in seinem Sein je schon vorweg“ (SuZ, 191).
18
Dieses Moment wird in der Interpretation von Tugendhat, auf die ich unten noch zurückkomme,
betont: „Heideggers These ist also: wir verhalten uns, solange wir existieren, zu diesem Existieren,
und zwar zu dem jeweils künftigen, wobei künftiges heißt: das im gegenwärtigen Moment zu voll­
ziehende, und darüber hinaus freilich das ganze künftige Sein. Dieses Sein ist uns vorgegeben als
ein solches, das wir zu sein haben und um das es uns geht, […].“ (Tugendhat 1979, 177)

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erklärt. In einer auslegenden Bindung an die Zukunft wird bestimmt, was zur Einheit eines
bestimmten Selbst gehört. Zugleich ist diese Einheit damit als eine wesentlich offene Einheit
konstituiert. Es ist für ein Selbst wesentlich, dass es sich niemals in einem abschließenden
Sinne realisieren kann. Die Einheit des Selbst resultiert auf einer konstitutiv unabgeschlos­
senen Beziehung. Solange man sie als eine faktisch geschlossene Einheit denkt, kann man nur
voraussetzen, dass die Einheit des Selbst in allen seinen Zuständen vorliegt. Damit aber ist,
so macht Heidegger geltend, nichts erklärt.19 Die Lösung des Festlegung-durch-Artikulation-
Problems, die Heidegger vorschlägt, besteht also in dem Gedanken, die von der Artikulation
festgelegten Zustände als solche zu fassen, die immer noch ausstehen.20 Wenn man sie in
dieser Weise fasst, wird verständlich, dass die Einheit aus Festlegungen resultiert.
Ich will nun die soweit angezeigte Position Heideggers dadurch weiter schärfen, dass
ich den Thesen, die ich Heidegger zuschreibe, im Vokabular von Sein und Zeit etwas mehr
Kontur verleihe. Heidegger geht davon aus, dass Dasein immer praktisch in der Welt orien­
tiert ist. Dasein ist In-der-Welt-sein, und das heißt: Es versteht sich aus einem Mit-sein mit
anderen heraus auf vielfältiges Zuhandenes in den Beziehungen, in denen dieses konstituiert
ist. Heidegger allerdings ist, anders als Interpreten es ihm immer wieder zuschreiben, nicht
der Meinung, dass Dasein aus seinem Umgang mit Zuhandenem heraus in seinem Verste­
hen zu begreifen ist. Es gibt nach Heideggers Verständnis nicht nur die Zusammenhänge
unter Zuhandenem als solche, die sich zum Beispiel durch Handlungstypen und Typen von
Antworthandlungen fortschreiben.21 Es gibt nicht nur das, was Hubert Dreyfus nicht müde
wird als ein „involved coping“ in seinem grundlegenden Charakter zu betonen.22 Entspre­
chend pragmatistische Interpretationen von Sein und Zeit übergehen ein Moment, das gerade
für Heideggers Erläuterung des Selbstverhältnisses zentral ist. Heidegger kommt auf dieses
Moment unter anderem in § 31 zu sprechen. Dort heißt es, dass dem Dasein mit den prak­
tischen Verständnissen Möglichkeiten eröffnet sind. Die Möglichkeiten aber bieten als solche,
so argumentiert Heidegger, keine Orientierung. Orientierung gewinnt Dasein nur dadurch,
dass es innerhalb ihrer eine bestimmte Perspektive verfolgt. Heidegger bezeichnet eine solche
Perspektive als „Entwurf“. Dasein entwirft sich in seinen Möglichkeiten (wobei solche Mög­
lichkeiten, wie Heidegger unter anderem am Phänomen der Angst analysiert, immer wieder
auch prekär sein können). Ein Entwurf stiftet einen Zusammenhang vielfältiger praktischer
Verständnisse dadurch, dass er diese auf eine bestimmte Perspektive hin orientiert.
Um es an einem Beispiel zu illustrieren: Die Beherrschung von Praktiken des Unter­
richtens, des Schreibens, des Vortragens, des kollegialen Gesprächs, der Mitarbeit in Gre­

19
Heidegger kommt auf diese Zusammenhänge in seiner Explikation des Seins zum Tode direkt zu
sprechen. Er argumentiert hier, dass sich mit dem Tod keine Ganzheit des Daseins herstellt. Wenn
man eine solche Ganzheit gegeben sehe, verfehle man die spezifische Einheit, die das Dasein im
Zukunftsbezug gewinnt, setze also zu Unrecht voraus, dass die Einheit in einer gegenständlichen
Weise verstanden werden könne (vgl. bes. SuZ, 245).
20
William Blattner artikuliert diesen Aspekt von Heideggers Position, indem er diesem eine „unat­
tainability thesis“ zuschreibt. In Blattners Worten lautet diese: „The Unattainability Thesis: Dasein’s
proper ability characteristics are not attainable.“ (Blattner 1999, 82) Auch wenn ich Blattner grund­
sätzlich zustimme, ist seine Artikulation meines Erachtens ein wenig irreführend, da er den Aspekt
negativ fasst. Positiv kann man ihn unter anderem fassen, indem man sagt, dass nach Heidegger die
Einheit des Selbst durch eine Beziehung auf etwas konstituiert wird, das immer noch aussteht.
21
Vgl. hierzu Robert Brandom (1997), 536–540; Haugeland (1982), 15–26.
22
Vgl. hierzu unter anderem Hubert Dreyfus in seinen Interpretationen von Sein und Zeit (1991) und
jüngst in seinen Beiträgen der Debatte mit McDowell: Dreyfus (2005), 47–65; ders. (2007), 352–
365.

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mien und in Kommissionen, der Ausarbeitung von und Mitarbeit an Forschungsprojekten


und vieles andere mehr: All dies ist durch den Entwurf bestimmt, als akademisch Tätiger in
einem abendländisch geprägten Kontext zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu leben. Ex negativo
gesagt: Die Beherrschung von Praktiken des Unterrichtens, des Schreibens etc. führt aus sich
heraus nicht zu einer in bestimmter Weise einheitlichen Praxis. Sie bietet als solche keine
Orientierung. Man weiß dadurch, dass man etwas beherrscht, noch nicht, was man machen
soll. Dafür bedarf es Heidegger zufolge eines Entwurfs. Ein solcher Entwurf führt zu einer
Orientierung im Rahmen der Beherrschung von Praktiken.
Nun aber stellt sich die Frage, worin ein Entwurf besteht. Ist ein Entwurf eine mentale
Größe, über die einzelne Subjekte verfügen? Heidegger könnte eine solche Implikation nicht
akzeptieren. Aus diesem Grund nimmt es nicht wunder, dass er eine andere Erläuterung gibt.
Ein Entwurf wird in Praktiken realisiert. Heidegger bezeichnet das Gesamt solcher Prak­
tiken insgesamt mit dem Begriff der Auslegung. Er schreibt: „Das Entwerfen des Verstehens
hat die eigene Möglichkeit, sich auszubilden. Die Ausbildung des Verstehens nennen wir
Auslegung.“23 Auslegungen sind immer Auslegungen von praktischen Verständnissen. Aus­
legungen und praktische Verständnisse stehen dabei in einem zirkulären Verhältnis.24 Prak­
tische Verständnisse sind in ihrer Konstitution an Auslegungen gebunden und umgekehrt.
Damit vertritt Heidegger die These, dass die Konstitution des Selbstverhältnisses sich in einer
zirkulären Struktur von Verständnissen und Auslegungen realisiert. Seine existenziale Inter­
pretation des hermeneutischen Zirkels ist, so gesehen, ein Beitrag zur Beantwortung der Fra­
ge nach der Konstitution des Selbst.
Mit dem Begriff der Auslegung ist aber die Realisierung eines Entwurfs nur kategorial
(beziehungsweise in Heideggers Vokabular gesagt: existenzial) benannt. Immer noch ist die
Frage offen, in welchen Praktiken diese Realisierung stattfindet. Heidegger beantwortet die­
se Frage, indem er einen der besonders schillernden Begriffe von Sein und Zeit einführt:
den Begriff der Rede.25 Rede ist, so sagt Heidegger, mit Verstehen und Befindlichkeit glei­
chursprünglich.26 Was aber ist Rede? „Die Rede ist“, so heißt es in Heideggers Text, „die
bedeutungsmäßige Gliederung der befindlichen Verständlichkeit des In-der-Welt-seins.“27
Rede: das sind gliedernd artikulierende Praktiken. Diese Praktiken artikulieren Zusammen­
hänge praktischer Verständnisse. Rede ist somit das Medium von Auslegung.28 Ein Beispiel
für Rede in diesem Sinn ist: „Ein Hammer ist dazu da, um Nägel in Hölzer zu schlagen.“
Ein anderes Beispiel ist: „Man gibt sich die Hand, wenn man sich unter Kolleginnen und
Kollegen begrüßt.“ Oder noch einmal ein anderes Beispiel: „Man kann auf eine Frage nicht
mit einer Frage antworten.“ Mit dem Begriff der Rede fasst Heidegger so Artikulationen, die
auf praktische Verständnisse gerichtet sind. Solche Artikulationen gliedern Zusammenhänge
in der Welt bedeutungsmäßig, indem sie etwas als etwas ansprechen.29 Heidegger insistiert
in diesem Sinn darauf, dass sie keinen bloß konstativen Charakter haben (im Sinne einer

23
SuZ, 148.
24
Vgl. hierzu ebd., § 32.
25
Den Zusammenhang von Auslegung und Rede in Heideggers Erläuterungen betont auch Taylor
Carman (2003), 5. Kap.
26
Vgl. SuZ, 133, 161.
27
Ebd., 162.
28
In Heideggers Text heißt es: „Rede […] liegt […] der Auslegung […] zugrunde.“ (SuZ, 161)
29
In diese Richtung dieser These weist auch die Interpretation von Friedrich-Wilhelm von Herrmann
(2004), 198–224.

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206 Georg W. Bertram, Die Einheit des Selbst nach Heidegger

„apophantischen“ Aussage30). Sie sind vielmehr ein Element der praktisch-hermeneutischen


Erschließung der Welt. Ihr in Heideggers Sinn praktisch-hermeneutischer Charakter ist aber
mit dieser Erläuterung noch nicht hinreichend gefasst. Er besteht vielmehr auch darin, dass
die Artikulationen der Rede mit dem Anspruch verbunden sind, in Praktiken prägend einzu­
greifen. Artikulationen, die Rede sind, prätendieren eine Prägung von Verständnissen, indem
sie sich auf die in der Zukunft zu ergreifenden Möglichkeiten beziehen. Heidegger hat in sei­
nen Erläuterungen zum Begriff der Rede deren prägenden Charakter nicht sonderlich deutlich
gemacht. Deutlich aber wird er, wenn er von den alltäglich primären Realisierungen der Rede
spricht. Diese bezeichnet Heidegger als „Gerede“ und erläutert sie folgendermaßen: „Im
Dasein hat sich je schon diese Ausgelegtheit des Geredes festgesetzt. […] Dieser alltäglichen
Ausgelegtheit, in die das Dasein zunächst hineinwächst, vermag es sich nie zu entziehen.“31
Was heißt es, dass sich das Dasein dieser Ausgelegtheit nicht zu entziehen vermag? Diese
These Heideggers wird verständlich, wenn man sagt: Wie alle Rede, ist auch Gerede dadurch
prägend, dass es zukunftsbezogen ist (wobei diese wesentliche Zukunftsbezogenheit, Heideg­
ger zufolge, im Gerede gerade unausdrücklich bleibt). Dies wiederum ist es in praktischer
Weise: Praktische Verständnisse werden festgelegt. In einem derzeit weit verbreiteten Jargon
kann man sagen, dass Rede in dieser Weise Normen explizit macht. Die Explikation von
Normen aber begreift Heidegger nicht so, dass mit ihr bereits praktizierte Normen explizit
werden. Explikationen müssen aus Heideggers Sicht als konstitutiv für die Einheit des Selbst-
und Weltverhältnisses begriffen werden. Sie machen nicht explizit, was bereits konstituiert
beziehungsweise instituiert wäre. Vielmehr leisten sie eine Festlegung von Zukunft. Sie las­
sen sich in ihrem Bezug nicht begreifen, wenn man nur die Relation von Vergangenheit und
Gegenwart im Blick hat. Auslegende Rede ist zukunftsorientiert-festlegend. Ich kann diese
Erläuterungen vorerst folgendermaßen resümieren:
[Heidegger: Zukunftsorientierte Konstitution des Selbst] Die Einheit des Selbst konsti­
tuiert sich dadurch, dass Prägungen zukünftiger Zustände (praktischer Verständnisse)
vorgenommen und verfolgt werden. Dies geschieht durch Artikulationen einer spezi­
fischen Perspektive auf Zukunft, durch auslegende Artikulationen eines Entwurfs (Arti­
kulationen des Typs: „Man kann auf eine Frage nicht mit einer Frage antworten“).
In allen bisherigen Erläuterungen spreche ich davon, dass sich Heidegger zufolge die Ein­
heit des Selbst durch eine Bindung an Zukunft beziehungsweise eine Prägung von Zukunft
herstellt. Diese Rede von einer „Bindung“ beziehungsweise „Prägung“ gilt es noch weiter
zu entfalten. Wie bereits festgestellt, besagt sie, dass die für die Einheit des Selbst konstitu­
tiven Beziehungen auf die Zukunft als normative Beziehungen zu fassen sind. Entsprechend
werden sie von Heidegger auch erläutert, wenngleich wiederum nicht sonderlich deutlich.
Heidegger fasst den normativen Charakter des Bezugs auf die Zukunft dadurch, dass er Aus­
legungen als mit einer Autorität verbunden begreift. Auslegungen, so die These, werden von
einer Autorität vertreten. Diese Autorität erläutert Heidegger, indem er die Frage beantwor­
tet, wie Auslegungen für ein Individuum primär verfügbar sind. Sie sind dies, so Heidegger,
dadurch, dass sie in Kollektiven tradiert werden. Individuen wachsen in ein Kollektiv hinein,
in dem immer schon Auslegungen weitergegeben werden. Heidegger erläutert dieses Kollek­
tiv als „das Man“. Ich habe bereits festgehalten, dass Heidegger die Auslegungen, die im Rah­
men dieses Kollektivs tradiert werden, als Gerede bezeichnet. Gerede ist Rede, die im Namen
des Man vorgetragen und weitergegeben wird. Mit dieser Erläuterung fasst Heidegger die

30
Vgl. SuZ, § 33.
31
Ebd., 169.

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DZPhil 61 (2013) 2 207

Autorität, mit der Auslegungen „zunächst und zumeist“ verbunden sind. Die Autorität geht
von einem anonymen Kollektiv aus – von einem Kollektiv, das in seiner Identität unbestimmt
ist. Dieses Kollektiv ist für Heidegger keine faktische Größe, es ist eine normative Instanz.
Entsprechend heißt es bei Heidegger: „Das Man, das kein bestimmtes ist und das Alle, obzwar
nicht als Summe, sind, schreibt die Seinsart der Alltäglichkeit vor.“32 Die normative Instanz
des Man erlegt einzelnen Instanzen von Dasein (einzelnen Individuen) Auslegungen auf und
fungiert damit als Autorität der Bindung an die Zukunft, der Prägung zukünftiger Verständ­
nisse. Die Autorität wirkt durch die entwerfenden Artikulationen. So heißt es bei Heidegger
weiter: „Das Man-selbst, worum-willen das Dasein alltäglich ist, artikuliert den Verweisungs­
zusammenhang der Bedeutsamkeit.“33 Aus dieser Erläuterung der Autorität folgt, dass das
Selbst der Alltäglichkeit, das „Man-Selbst“, kollektiv ist. Die Einheit des Selbst, die sich
unter der Autorität der Auslegungen des Man herstellt, ist die eines anonymen Kollektivs.
An dieser Einheit partizipieren viele Individuen, die mit ihren Praktiken und entwerfenden
Akten der Rede diese Einheit realisieren. Nun kann man einwenden, dass mit dem Begriff
der Autorität Heideggers Erläuterung des Man überzeichnet wird. Heidegger mache doch
allein geltend, dass das menschliche Weltverhältnis immer aus einer Tradition herkommt, zu
deren Erbe man sich verhalten muss. Ein entsprechender Einwand aber fasst die Tradition als
ein faktisch Gegebenes und wird genau darin Heideggers Erläuterungen nicht gerecht. Die
Tradition ist nichts faktisch Gegebenes, sondern normativ wirksam. Sie leitet Prägungen von
Zukunft und leistet genau in dieser Weise einen aus Heideggers Sicht irreduziblen Beitrag zur
Konstitution des Selbstverhältnisses. Zwar belässt es Heidegger in Sein und Zeit nicht dabei,
das Selbstverhältnis allein vom Man-Selbst her zu begreifen. Es geht ihm zentral auch um die
Frage, wie sich aus dem kollektiven Selbstverhältnis heraus individuelle Selbstverhältnisse
bilden können. Mit dem alltäglichen Man-Selbst aber ist aus seiner Sicht die Struktur des
Selbstverhältnisses erläutert. Aus diesem Grund ist Heideggers Lösung der Probleme, die
sich im Zusammenhang mit der Einheit des Selbst stellen, nun in ihren Grundzügen absehbar.
Bevor ich mit meinen Überlegungen fortschreite, will ich seine Lösung noch einmal kurz
resümieren: Velleman hat das Zusammenspiel von sprachlichen Artikulationen und nichtsprach­
lichen Praktiken so erläutert, dass das Problem der Identifikation zurückkehrt: Es müssen
jeweils die nichtsprachlichen Praktiken identifiziert werden, die mit den Erzählungen eines
Selbst kohärent sein müssen. Heidegger löst dieses Problem, indem er den Zusammenhang von
Artikulationen und praktischen Verständnissen als zukunftsgerichtet versteht. Einzelne wachsen
in eine Praxis zukunftsgerichteter Artikulationen und der entsprechenden Prägung praktischer
Verständnisse hinein. Ihr Selbstverhältnis ist im Rahmen einer solchen Praxis konstituiert.

V. Zur Profilierung von Heideggers Ansatz durch


eine Kritik der Interpretationen Haugelands und Tugendhats

Heideggers Neuansatz in der Philosophie ist, so habe ich eingangs gesagt, daran orientiert,
falsche ontologische Vorentscheidungen abzuschütteln. Dies geschieht mit dem Ziel, zentrale
Aspekte des menschlichen Weltverhältnisses angemessener erläutern zu können, als dies Vor­
gängerpositionen gelungen ist. Ich habe versucht zu zeigen, inwiefern es Heidegger dabei in
erster Linie um eine angemessene Fassung des Selbstverhältnisses – oder anders gesagt: der

32
Ebd., 127.
33
Ebd., 129.

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208 Georg W. Bertram, Die Einheit des Selbst nach Heidegger

Einheit des Selbst – geht. Heidegger erläutert das Selbstverhältnis als ein praktisch-produk­
tives Verhältnis und argumentiert, dass ein solches Verhältnis nur auf Basis einer Bindung
an die Zukunft zu Stande kommt. Eine solche Bindung wiederum leisten, so Heidegger, aus­
legende Praktiken, in die einzelne Instanzen von Dasein (einzelne Individuen) im Rahmen
eines Kollektivs hineinwachsen. Das Selbstverhältnis ist so nicht von einem einzelnen Indivi­
duum her, sondern nur unter Rekurs auf eine gemeinschaftliche Praxis zu begreifen.
Dieser Gedanke Heideggers lässt sich schärfen, wenn man ihn mit einer Interpretation
John Haugelands konfrontiert. Haugeland erläutert Heidegger so, dass es ihm darum gehe,
Personen als Institutionen zu verstehen, als in einer gesellschaftlichen Praxis konstituierte
„units of accountability“.34 Mit dieser Erläuterung aber verfehlt Haugeland die Pointe von
Heideggers Erläuterungen. Heidegger vertritt mit seinem Rekurs auf eine kollektive Ausge­
legtheit keinen solchen Institutionalismus (wie Haugeland ihm dies zuschreibt).35 Die kollek­
tive Ausgelegtheit ist bei Heidegger vielmehr die Erklärung für die Verfügbarkeit von Prak­
tiken, mittels derer einzelne Individuen sich an zukünftige Zustände binden und so in einem
Selbstverhältnis stehen. Sie bauen dieses Selbstverhältnis nicht auf, sondern empfangen es
gewissermaßen aus der Praxis heraus, in die sie hineinwachsen. Heideggers These ist gerade,
dass ein Selbst nicht als Einheit (unit) begriffen werden kann, die auf eine abgeschlossene
Weise konstituiert ist. Das Kollektiv ist also nicht der Rahmen, innerhalb dessen Individuen
als bestimmte und abgeschlossene Einheiten konstituiert werden. Das Kollektiv ist vielmehr
der Hintergrund, der sowohl die Formen von Praktiken als auch konkrete Realisierungen
dieser Praxisformen bereitstellt, aus denen sich ein Selbstverhältnis realisiert. Das Kollektiv
als solches stellt das Selbstverhältnis nicht her, sondern nur der Zusammenhang zwischen
bestimmten Formen der Praxis (zwischen Auslegungen und zukünftig realisierten Verständ­
nissen) leistet dies. Heidegger vertritt so, wie dargelegt, die Auffassung, dass die Einheit des
Selbstverhältnisses nicht ohne das Moment der Offenheit des Bezugs auf die Zukunft verstan­
den werden kann. Nach Heidegger gilt es, die besondere Bindung des Bezugs auf die Zukunft
als konstitutives Moment des Selbstverhältnisses zu begreifen. Genau dies holt Haugelands
Interpretation nicht ein.36
Anders aber steht es mit der Interpretation von Ernst Tugendhat. Dieser hat in Selbst-
bewusstsein und Selbstbestimmung in bemerkenswerter Weise den Bezug auf die Zukunft
als das zentrale Element von Heideggers Erläuterungen herausgearbeitet.37 Allerdings deutet
Tugendhat diesen Bezug falsch. Er erläutert ihn so, dass ein Selbst sich auf seine Zukunft
bezieht. Das Selbst habe eine Bestimmung der eigenen Zukunft zu entwickeln.38 Es sehe sich
im Extremfall immer vor die Frage gestellt, zu sein oder nicht zu sein, und müsse diese Frage
als die praktische Grundfrage der Existenz je neu beantworten. In Tugendhats Erläuterung
ist damit wieder vorausgesetzt, was durch die von Heidegger erläuterte Struktur erst gefasst

34
Haugeland (1982), 20 f.
35
So lautet der berühmte von Haugeland geprägte Slogan: „All constitution is institution.“ (Haugeland
1982, 18)
36
Wie schon vermerkt, betrifft diese Kritik auch die Heidegger-Interpretationen von Robert Brandom
und in anderer Weise auch diejenigen von Hubert Dreyfus.
37
Dieser Aspekt wird von Tugendhat zugleich emphatisch aufgegriffen. So heißt es bei ihm: „Soweit
ich sehe, ist Heideggers Ansatz der einzige, der eine strukturell einwandfreie Aufklärung des Sich­
zusichverhaltens im allgemeinen und der Selbstbestimmung im besonderen erlaubt.“ (Tugendhat
1979, 241)
38
Heideggers These hingegen lautet: Das Selbst bildet sich durch bestimmende Artikulationen in Be­
zug auf zukünftige praktische Verständnisse aus.

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DZPhil 61 (2013) 2 209

werden soll: die Einheit des Selbst. Der Bezug auf die Zukunft geht Tugendhat zufolge so
vonstatten, dass man sich in Bezug auf zukünftiges Verhalten (rational) entscheidet. Jede ent­
sprechende Entscheidung aber geht von einem bereits konstituierten Selbst aus. Ein solches
Selbst wäre tatsächlich in der Lage, sich rational zu orientieren und in diesem Sinn die prak­
tische Grundfrage der Existenz zu beantworten. Heideggers These aber ist, dass die Einheit
des Selbst sich überhaupt erst durch die Bindung an die Zukunft konstituiert. Deshalb kann
der Bezug auf die Zukunft nicht von einem bereits konstituierten Selbst aus gedacht werden.
Tugendhats Missverständnis macht so nochmals deutlich, worin die Spezifik von Hei­
deggers Ansatz besteht: Heidegger macht geltend, dass ein Selbstverhältnis seine Einheit
aus der Offenheit gewinnt. Die Einheit kommt nicht dadurch zu Stande, dass die Zukunft in
bestimmter Weise festgelegt wird. Eine solche Festlegung impliziert bereits die Einheit und
kann sie nicht erklären. Die Einheit basiert vielmehr auf einer Bindung an die Zukunft. Auf
Grund dieser Bindung kommt die Einheit nie zu einem Abschluss. Keine Entscheidung bezie­
hungsweise konkrete Bestimmung von Zukunft kann einen solchen Abschluss herbeiführen.
Für die Einheit des Selbstverhältnisses ist es konstitutiv, dass etwas aussteht. Mit einem etwas
existenzialistischen Ton kann man es auch folgendermaßen sagen: Die Einheit des Selbstver­
hältnisses ist damit verbunden, dass etwas in bestimmter Weise auf dem Spiel steht. Durch
einen bestimmten Entwurf, mit dem ein Selbst sich an die Zukunft bindet, steht es auf dem
Spiel. Dass das Dasein sein eigenes Sein zu sein hat, heißt somit nicht, dass es sich für eine
bestimmte Zukunft zu entscheiden hat, sondern dass es mit seinem bestimmten Entwurf in
der Zukunft auf dem Spiel steht. Genau dies sagt Heidegger, wenn er sagt, dass das Dasein in
seiner Ganzheit „Sorge“ ist.39

VI. Zur Kritik und Weiterentwicklung von Heideggers Position

Tugendhat macht Heidegger den Vorwurf, dass diesem der Begriff der Wahrheit und der
Begriff des Guten fehle. Ohne diese Begriffe lasse sich das Sich-zur-eigenen-Zukunft-Ver­
halten nicht angemessen fassen. Nun habe ich argumentiert, dass Tugendhat mit seiner Inter­
pretation Heideggers Begriff der Bindung an die Zukunft verfehlt. Entsprechend bin ich auch
der Meinung, dass Tugendhats Kritik nicht greift. Nur wenn ein Selbst bereits konstituiert ist,
kann es sich in seinem Bezug auf die Zukunft dezidiert an Instanzen wie dem Guten und dem
Wahren orientieren. Wenn aber der Bezug auf die Zukunft (beziehungsweise genauer: die
Bindung an sie) das Selbst allererst konstituiert, wird nicht verständlich, wie dabei eine solche
Orientierung leitend sein könnte. Das schließt nicht aus, dass der Bezug auf die Zukunft in
sich eine normative Dimension trägt. Wie dargelegt, sagt Heidegger genau dies. Die Normati­
vität muss aber in Begriffen einer praktischen Prägung verstanden werden, nicht in Begriffen
einer Orientierung an Instanzen wie dem Guten und dem Wahren.
Wenn man die Kritik Tugendhats in dieser Weise zurückweist, steht man erneut vor der
Frage, wo eine Kritik an Heideggers Position ansetzen muss (sofern man eine solche Kritik für
erforderlich hält). Meines Erachtens ist dies dort der Fall, wo ich die Erläuterungen von Hei­
deggers Position am Ende des vierten Abschnitts verlassen habe. Dort habe ich Heidegger die
These zugeschrieben, dass Auslegungen mit der Autorität des Man verbunden sind. Heidegger
begreift diese Autorität als eine, die Auslegungen vorgibt. Diese Autorität ist in der kollektiven

39
Heidegger hat auf dieser Grundidee in der Erläuterung des Selbstverhältnisses auch in seiner Kritik
an Kant bestanden. So heißt es in der Vorlesung zur Kritik der reinen Vernunft: „Die Transzendenz
ist die Voraussetzung für die Möglichkeit seines [des Subjekts] Selbstseins.“ (Heidegger 1977, 315)

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210 Georg W. Bertram, Die Einheit des Selbst nach Heidegger

Praxis, innerhalb deren einzelne Individuen in ein Selbstverhältnis hineinwachsen, festge­


schrieben. Nun kann man aber fragen: Ist eine Autorität, die festgeschrieben ist, tatsächlich als
eine Autorität zu begreifen? Kann sie die Normativität der Bindung an die Zukunft erklären?
Gehört nicht zum Verständnis von Autorität die Freiheit, aus der heraus die Autorität als solche
anerkannt wird?40 Fragen wie diese werden von Heidegger nicht in zufrieden stellender Weise
beantwortet. Mit seiner These von der alltäglichen Ausgelegtheit des Daseins durch das Man
suggeriert Heidegger, dass die Autorität sich als solche einfach durchsetze (vgl. die Zitate
oben). Damit aber wird sie nicht als Autorität verständlich. Nun könnte man aus Heideggers
Perspektive erwägen, ob die Fragen überhaupt beantwortet werden sollten. Kommt es nicht mit
dem Rekurs auf eine Freiheit, aus der heraus die Autorität als solche anerkannt wird, wieder
dazu, dass die Einheit des Selbst vorausgesetzt wird? Damit wäre zweifelsohne nichts gewon­
nen. Ein solcher Einwand aus Heideggers Perspektive aber greift nicht, sofern man Freiheit so
erläutert, dass sie nicht vorausgesetzt ist, sondern mit der Bindung an die Zukunft zu Stande
kommt. Die Offenheit der Bindung an die Zukunft muss also so erläutert werden, dass sie mit
einer Freiheit verbunden ist, aus der heraus Autoritäten Anerkennung finden können. Erst diese
Verbindung macht die Normativität der Bindung begreiflich.
Ich will die Notwendigkeit des Zusammenhangs zwischen Auslegungspraktiken und Frei­
heit kurz an einem Beispiel illustrieren. Es fällt nicht schwer, sich Situationen vorzustellen,
in denen Auslegungen in Bezug auf ihren Anspruch, sich an zukünftige Praktiken zu binden,
misslingen, also keine Autorität, in diesem Fall verstanden als individuelle Autorität, entfal­
ten. Angenommen, ich schreibe: „Ich werde im Folgenden den Begriff ‚Zukunftsbezug‘ so
verwenden, dass ich damit die grundlegende Beziehung charakterisiere, durch die sich die
Einheit des Selbst herstellt.“ Und angenommen, ich notiere dann im Folgenden Dinge wie:
„Der eine Zukunftsbezug, den ein Selbst so und so vornimmt. Und der andere Zukunftsbezug,
den ein Selbst so und so herstellt.“ Wenn ich dies schreibe, wird der Leser möglicherweise
sagen: „Er hat sich nicht an seine Festlegung gehalten. Mit der Festlegung hat es nicht viel auf
sich – er schreibt nicht konsequent so, wie er sich festgelegt hat.“
Es gilt also zu erklären, wie Auslegungen eine Autorität so zu entfalten vermögen, dass
diese Autorität auch in Frage zu stehen vermag. Die Autorität muss mit der Freiheit verbun­
den sein, sich zu ihr (und ihrem möglichen Ausbleiben) zu verhalten. Erst dadurch wird sie
überhaupt als eine Autorität verständlich. Das Problem, das Heideggers Ansatz hier aufweist,
ist charakteristisch für viele im weitesten Sinn rationalistische Erläuterungen des Selbstver­
hältnisses. Ich bezeichne es als Normen-Autorität-Freiheit-Problem. Folgende Frage kann
dieses Problem charakterisieren: Wie lässt sich das Gebundensein an und durch Normen
damit vereinbaren, dass man die Freiheit hat, sich zu den Normen zu verhalten? Wenn die
Ausgelegtheit durch das Man das Dasein in seiner Alltäglichkeit bestimmt: Wie kann dies mit
der Freiheit einzelner Individuen verbunden sein? Man kann durchaus den Eindruck haben,
dass Heidegger diese Frage durch die Modifikation des Man-Selbst zum eigensten Selbst,
durch die Modifikation der Uneigentlichkeit zur Eigentlichkeit beantworten will. Diese Ant­
wort kann aber nicht überzeugen, da sie gewissermaßen zu spät kommt. Sofern der norma­
tive Charakter des Zukunftsbezugs verständlich werden soll, muss die Freiheit im direkten
Zusammenhang mit der Bindung an die Autorität erläutert werden. Sie muss überall dort
verständlich sein, wo Auslegungen eine bindende Wirkung entfalten. Das Problem, von dem
ich spreche, kann ich in Bezug auf Heideggers Ansatz folgendermaßen resümieren:

40
Gadamer hat die begriffliche Verbindung von Autorität und Freiheit zur Anerkennung von Autorität
in einer besonders überzeugenden Weise verteidigt; vgl. Gadamer (1990), 284.

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[Heidegger: Normen-Autorität-Freiheit-Problem] Für die Einheit des Selbst ist es kon­


stitutiv, dass Dasein alltäglich in Bezug auf seine Ausgelegtheit der Autorität des Man
untersteht. Eine Autorität aber kann nur dadurch wirksam werden, dass man sich aus
Freiheit zu ihr zu verhalten vermag. In dem Maße, in dem Heidegger nicht die Freiheit
verständlich macht, sich zu Auslegungen zu verhalten, wird auch die Autorität nicht
verständlich, die dem Man zukommt.
Bei Heidegger findet sich meines Erachtens kein Lösungsansatz zu dem Normen-Autorität-
Freiheit-Problem (im Gegensatz zu den anderen beiden genannten typischen Problemen der
Theorie des Selbstverhältnisses). Dies liegt darin begründet, dass Heidegger die Konstitution
der Einheit des Selbst nicht in ihrer intersubjektiv-interaktiven Dynamik begreift. Wie gese­
hen, vertritt Heidegger die These, dass die Ausgelegtheit durch das Man sich in der Alltäglich­
keit allen Instanzen von Dasein auferlegt. Damit kommt eine Interaktion solcher Instanzen
in Bezug auf die Auslegungen nicht in den Blick. Heidegger sagt allein, dass innerhalb des
anonymen Kollektivs jede und jeder die Auslegungen gegenüber anderen vertreten kann.
Dies aber setzt genau voraus, dass einzelne Instanzen von Dasein Auslegungen zu vertre­
ten vermögen. Sie vertreten Auslegungen voreinander, interagieren also in Bezug auf Ausle­
gungen miteinander. Eine solche Interaktion impliziert, dass Einzelne sich zu Auslegungen
verhalten können. Sie müssen in der Lage sein, sich auf Auslegungen und Praktiken zu bezie­
hen. Wenn zum Beispiel in einer Diskussion von einem Teilnehmer eine Frage mit einer
Gegenfrage erwidert wird, kann eine Teilnehmerin ihm gegenüber geltend machen: „Man
kann auf eine Frage nicht mit einer Frage antworten.“ Und der Teilnehmer kann darauf ant­
worten, dass seine Antwort nicht als eine in diesem Sinn problematische Antwort zu verste­
hen ist, dass also das fragliche Prinzip anders verstanden werden muss. Eine solche Ausle­
gung muss als eine Stellungnahme zu Auslegungen beziehungsweise praktischen Vollzügen
begriffen werden. Als eine solche Stellungnahme aber impliziert sie, dass Auslegungen und
praktische Vollzüge in Frage zu stehen vermögen. Und sie impliziert, dass Einzelne von sich
aus eine solche Stellungnahme hervorzubringen vermögen.
Diese Implikationen werden von Heideggers Erläuterungen nicht eingeholt.41 So gilt es,
seinen Ansatz an diesem Punkt weiterzuentwickeln. Eine entsprechende Weiterentwicklung
muss in erster Linie verständlich machen, inwiefern Einzelne sich zu Auslegungen und prak­
tischen Vollzügen zu verhalten vermögen (ganz unabhängig davon, ob die Auslegungen einen
kollektiven oder individuellen Charakter haben) – und dies überall dort, wo Auslegungen und
praktische Vollzüge wirksam werden. Inwiefern kommt Einzelnen grundsätzlich die Freiheit
zu, sich in dieser Weise zu verhalten? Eine solche Freiheit lässt sich im Zusammenhang mit
einer Praxis der Reflexion von Auslegungen erklären.42 Die Praxis, in die Einzelne hinein­
wachsen, muss als eine solche begriffen werden, die mit einer solchen Reflexionspraxis ver­
bunden ist. Innerhalb einer solchen Reflexionspraxis sind und werden Kriterien etabliert, mit­
tels deren Auslegungen und praktische Verständnisse thematisiert werden können. Einzelne
können solche Kriterien geltend machen und damit eigenständige Perspektiven zur Geltung
bringen. Wenn Einzelne Auslegungen nur standardisiert hervorbringen, dann ist eine solche
Reflexionspraxis nicht realisiert. Sie werden dann überhaupt nicht als solche verständlich, die

41
Heideggers Ansatz ist also aus meiner Sicht nicht zu monologisch, wie Thomas Rentsch meint (vgl.
Rentsch 1990, 144 f.). Er ist zu kollektivistisch.
42
Die Struktur einer entsprechenden Reflexionspraxis habe ich an anderer Stelle von Hegel her erläu­
tert; vgl. Bertram (2008), 877–898.

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212 Georg W. Bertram, Die Einheit des Selbst nach Heidegger

Auslegungen anderen gegenüber vertreten. Eine kriteriengeleitete Stellungnahme zu Ausle­


gungen ist so mit der Freiheit Einzelner verbunden, eigene Stellungnahmen hervorzubringen.
In der auf Auslegungen bezogenen Reflexionspraxis behandeln Einzelne sich, so gese­
hen, in dem Sinne als frei, dass sie Auslegungen von sich aus zu vertreten vermögen. Sie
gehen in ihren Stellungnahmen wechselseitig aufeinander ein. Sofern eine Reflexionspra­
xis in dieser Weise realisiert ist, gewinnen Einzelne Freiheit. Sie vertreten eine Autorität,
haben aber zugleich die Freiheit, sich zu dieser Autorität zu verhalten. Wenn man Heideg­
gers Ansatz in dieser Weise interaktionistisch weiterentwickelt, dann zeigt seine normativ-
zukunftsorientierte Erläuterung der Einheit des Selbst ihr wirkliches Potenzial. Dann wird
nämlich verständlich, inwiefern die Normativität des Selbstverhältnisses konstitutiv mit einer
intersubjektiv-interaktiven Praxis zusammenhängt. Das Kollektiv legt Auslegungen den ein­
zelnen Individuen nicht einfach auf. Auslegungen entfalten erst dadurch eine bindende Kraft,
dass sie von Einzelnen aus einer gemeinsamen Praxis heraus vertreten werden. Dafür ist die
gemeinsame Praxis ein notwendiger Hintergrund. Innerhalb dieser Praxis sind praktische Ver­
ständnisse und eine auf Auslegungen bezogene Reflexionspraxis konstituiert. Einzelne Indi­
viduen wachsen in eine solche Praxis hinein. Sie lernen damit, die Formen von Praktiken zu
beherrschen, mittels deren sie Auslegungen vertreten können. Damit deutet sich die folgende
Lösung des Normen-Autorität-Freiheit-Problems an:
[Die Einheit des Selbst und die freie Bindung an eine Autorität] Die Einheit des Selbst
konstituiert sich dadurch, dass Einzelne auslegend Bindungen an die Zukunft einzuge­
hen vermögen. In einer auf Auslegungen bezogenen Reflexionspraxis können sie tra­
dierte genauso wie traditionskritische Auslegungen als eine Autorität anerkennen und
dies aus der Freiheit heraus, sich zu Auslegungen zu verhalten.
Heideggers Neuausrichtung des ontologischen Vokabulars basiert auf dem Gedanken, dass
der nichtgegenständliche Charakter des Selbstverhältnisses nur gefasst werden kann, wenn
man die spezifische Zeitlichkeit dieses Verhältnisses angemessen erläutert. Dadurch werde
verständlich, inwiefern das Selbstverhältnis auf Festlegungen basiert. Mit einer interaktionis­
tischen Erweiterung von Heideggers Position lässt sich dieser Gedanke tatsächlich artikulie­
ren: Selbstverhältnisse konstituieren sich demnach aus einer Praxis heraus, in der Einzelne
dadurch Festlegungen zu gewinnen vermögen, dass sie sich durch Auslegungen an zukünftige
Verständnisse beziehungsweise Praktiken binden. In Interaktionen in Bezug auf solche Aus­
legungen konstituieren sich Selbstverhältnisse in unterschiedlicher Ausprägung und in unter­
schiedlich stabiler Form. So eröffnet Heideggers Ansatz eine Perspektive darauf, wie das
Selbstverhältnis als zentraler Aspekt des menschlichen Weltverhältnisses angemessen gefasst
werden könnte.43

Prof. Dr. Georg W. Bertram, Freie Universität Berlin, Institut für Philosophie, Habelschwerdter
Allee 30, 14195 Berlin

43
Meine Überlegungen haben von vielen Kommentaren und Diskussionen profitiert, die ich in un­
terschiedlichen Kontexten führen konnte. Besonders danken will ich David Blumenthal, Matthias
Flatscher und Holm Tetens für Kommentare und letzterem auch dafür, dass er mir in seinem For­
schungskolloquium eine für mich sehr aufschlussreiche Diskussion des Textes ermöglicht hat.

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Literatur

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Velleman, D. (2005), The Self as Narrator, in: ders., Self to Self. Selected Essays, Cambridge/Mass.,
203–223.
Zahavi, D. (2005), Subjectivity and Selfhood: Investigating the First-Person Perspective, Cambridge/Mass.

Abstract

Since Kant, many philosophers have struggled to overcome the problems of an empiricist conception
of the self. In this paper I argue that Heidegger’s philosophy in Being and Time has to be considered as
one of the most powerful attempts to gain an anti-empiricist conception of the self and its unity. I high­
light the power of Heidegger’s conception by contrasting it with contemporary empiricist conceptions,
namely those of Dennett and Velleman. The basic aspect of Heidegger’s conception can be captured by
the claim that the unity of the subject is constituted by relations to an open future.

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