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1 Klimawandel
68 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bauphysik 36 (2014), Heft 2
B. Weller/M.-St. Fahrion/S. Horn/A.-M. Pfuhl · Doppelfassaden im Zeichen des Klimawandels
2 Doppelfassaden
Randbedingungen zu berechnen. Ergebnisse, wie der Heiz- ist Deutschland in 15 Testreferenzjahrregionen aufgeteilt,
wärme- und Kühlbedarf sowie sich einstellende Raumtem- für welche es jeweils einen speziellen TRY-Datensatz gibt.
peraturen in kritischen Räumen, können zeitlich aufgelöst Die gebietsspezifischen TRY spiegeln das durchschnittliche
für jede Stunde eines Jahres berechnet werden. Mit dem in Klima in der Region für ein gesamtes Jahr wider [8]. Zur-
diesem Artikel verwendeten Programm EDSL Tas ist es zeit existieren TRY-Datensätze, die für vier unterschiedliche
möglich, verschiedene Doppelfassadensysteme detailgetreu Bezugszeiträume gültig sind (Bild 5). In der vorliegenden
abzubilden. Die für das Verhalten einer Doppelfassade Untersuchung wurden die Wetterdaten für die TRY-Regio-
wichtigen Konstruktionen, wie z. B. Lüftungsöffnungen, nen Oberrheingraben und unteres Neckartal verwendet,
Sonnenschutzvorrichtungen sowie horizontale und verti- da diese auch beim Nachweis des sommerlichen Wärme-
kale Abschottungen im FZR, lassen sich in nahezu beliebi- schutzes nach [6] Anwendung finden und mit Hinblick auf
ger Anzahl modellieren und mit der Realität entsprechen- den sommerlichen Wärmeschutz einen extremen Lastfall
den Regelungsalgorithmen hinterlegen. Für die Untersu- darstellen. Die vorhandenen TRY sind in der Lage, den
chungen wurde neben der Berechnung des Heizwärme- und Klimawandel von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis in die
Kühlbedarfes für das gesamte Gebäude auch der Nachweis Mitte des 21. Jahrhunderts abzubilden. Für Aussagen zum
des sommerlichen Wärmeschutzes für einen kritischen Klima am Ende des 21. Jahrhunderts wird der real gemes-
Raum durchgeführt. Für letzteren wurden die Randbedin- sene Sommer in Mannheim aus dem Jahr 2003 verwendet,
gungen nach DIN 4108-2 [6] angesetzt. Die für die Berech- da dieser nach den Erkenntnissen aktueller Klimaprojekti-
nung des Heizwärme- und Kühlbedarfes einzugebenden
internen Randbedingungen, wie interne Wärmequellen,
Infiltrations- und Fensterluftwechsel, wurden in Anlehnung
an die Nutzungsrandbedingungen nach DIN V 18599 [7]
angenommen.
3.2 Klimarandbedingungen
riode kann mit diesem Klimadatensatz nach [10] aber nicht raturgradstunden nicht überschritten wird. Bild 9 zeigt die
beschrieben werden. Weiterhin ist zu erkennen, dass der Übertemperaturgradstunden als Differenz aus operativer
Heizwärmebedarf der Korridorfassade im Mittel um 47 % Innentemperatur und Bezugswert der Innentemperatur [9]:
geringer ist als der Heizwärmebedarf des Ausgangsgebäu-
des ohne Doppelfassade. Bei der Mehrgeschossfassade liegt
(θ ( t ) − θ ) dt
2871
die Einsparung immerhin noch bei 30 %. Der niedrige Heiz- ∫t N
op N b,op N
Kh/a
wärmebedarf der Korridorfassade gegenüber der Mehrge-
schossfassade liegt vor allem an den geringeren Luftwech- mit:
selraten im Fassadenzwischenraum, bedingt durch die ge- qop operative Innentemperatur [°C]
schossweise Unterteilung. qb,op Bezugswert der Innentemperatur [°C]
tN Nutzungszeit.
4.2 Kühlbedarf
Die Ergebnisse der Berechnung zeigen, dass für den kriti-
Bild 8 verdeutlicht, dass die Entwicklung des Kühlbedarfs schen Raum sowohl bei einer Korridor- als auch einer Mehr-
genau im Gegensatz zur Entwicklung des Heizwärmebe- geschossfassade zu keinem Zeitpunkt der Nachweis einge-
darfs steht. So erhöht sich der Kühlbedarf bei allen Gebäu- halten wird. Lediglich bei dem Ausgangsmodell des Büroge-
den mit fortschreitendem Klimawandel (1951 bis 2100) bäudes ohne Doppelfassade ist nach Klimarandbedingungen
um ca. 65 bis 77 %. Prozentual gesehen steigt also der Kühl- für die Perioden 1951 bis 1976 und 1961 bis 1990 der Nach-
bedarf stärker an als der Heizwärmebedarf sinkt. Vergleicht weis erfüllt. Doch auch hier werden nach aktuell anzusetzen-
man die Gebäude untereinander, fällt auf, dass der Kühl- den Klimarandbedingungen die für den Nachweis kritischen
bedarf der Korridorfassade im Mittel 73 % höher ist als der 500 Übertemperaturgradstunden überschritten (Bild 10).
Kühlbedarf des Gebäudes ohne Doppelfassade. Die Mehr-
geschossfassade hat zwar einen geringeren Kühlbedarf als
die Korridorfassade, aber auch dieser liegt im Mittel immer
noch um 29 % über dem Gebäude ohne Doppelfassade.
Damit zeigt sich, dass die Vorteile der jeweiligen Doppel-
fassadensysteme im Winter einen unmittelbaren Nachteil
im Sommer darstellen.
Bild 8. Vergleich des Kühlbedarfes für unterschiedliche Klima Bild 10. Ergebnisse des Nachweises des sommerlichen
randbedingungen Wärmeschutzes für unterschiedliche Klimarandbedingungen
Fig. 8. Comparison of the cooling demand for different climatic Fig. 10. Results of the proof of summer heat protection for
boundary conditions different climatic boundary conditions
Für die Reduzierung der Übertemperaturgradstunden [3] Fahrion, M.-S.; Horn, S.; Bolsius, J.: Klimaanpassung für
sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich, wie z. B. Nacht- Nichtwohngebäude. In: Weller, B.; Fahrion, M.-S.; Naumann, T.
lüftung oder Aktivierung des Sonnenschutzes außerhalb (Hrsg.): Gebäudeertüchtigung im Detail für den Klimawandel.
der Nutzungszeiten. Berlin: Rhombos 2013.
[4] Müller, H. F. O.; Nolte, C.; Pasquay, T. (Hrsg.): Klimage-
rechte Fassadentechnologie – II. Monitoring von Gebäuden
5 Zusammenfassung und Ausblick
mit Doppelfassaden. In: Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 4,
Nr. 190. Düsseldorf: VDI Verlag 2003.
Die Berechnungen zeigen, dass durch Doppelfassaden er- [5] Leaman, A.; Bordass, B.: Productivity in Buildings: the killer
hebliche Einsparungen an Heizwärme erzielt werden. Die variables. In: Clements-Croome, D. (Hrsg.): Creating the Pro-
dargestellten Auswertungen lassen weiter erkennen, dass ductive Workplace. Abingdon: Taylor & Francis 2006.
die Höhe der Einsparungen durch die konstruktive Gestal- [6] DIN 4108-2:2013-02: Wärmeschutz und Energie-Einsparung
tung der Fassade die Wahl des Fassadensystems bereits in Gebäuden – Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärme-
während des Planungsprozesses weitgehend festgelegt wird. schutz. Berlin: Beuth-Verlag 2013.
Gleichzeitig fällt auf, dass sich der Kühlbedarf bei Gebäu- [7] DIN V 18599 (verschiedene Erscheinungsjahre): Energeti-
den mit Doppelfassaden im Vergleich zu Bauten ohne dop- sche Bewertung von Gebäuden – Teile 1 bis 10. Berlin: Beuth-
Verlag.
pelte Schale sehr erhöhen kann, wiederum abhängig von
[8] Christoffer, J.; Deutschländer, T.; Webs, M.: Testreferenzjahre
der Wahl des Fassadensystems. Klimawandel und zuneh-
von Deutschland für mittlere und extreme Witterungsverhält-
mende Sommerhitze fordern hier zusätzliche Maßnah- nisse (TRY). Offenbach: Deutscher Wetterdienst (DWD) 2011.
men, um die vorteilhafte Wirkung der Doppelfassaden mit [9] Naumann, T.; Fahrion, M.-S.; Nikolowski, J.; Günther, B.;
deutlich reduziertem Heizbedarf im Winter nicht durch Horn, S.: Verletzbarkeitsanalysen im Gebäudebestand. In:
zusätzlichen Kühlbedarf im Sommer zu beeinträchtigen. Weller, B.; Fahrion, M.-S.; Naumann, T. (Hrsg.): Gebäudeer-
Für die Schaffung eines behaglichen Klimas in den Innen- tüchtigung im Detail für den Klimawandel. Berlin: Rhombos
räumen auch während der Sommermonate werden – neben 2013.
bekannter, oft energieintensiver Kühltechnik – zunehmend [10] Fahrion, M.-S.; Nikolowski, J.; Zimm, J.; Naumann, T.: Re-
baukonstruktive Lösungen umgesetzt. Lüftungsanlagen levante Einwirkungen auf Gebäude. In: Weller, B.; Naumann,
werden verbessert, Sonnenschutzeinrichtungen optimiert. T.; Jakubetz, S. (Hrsg.): Gebäude unter den Einwirkungen des
Klimawandels. Berlin: Rhombos 2012.
Deutlich innovatives Potential bieten die Möglichkeiten
[11] Pottgiesser, U.: Fassadenschichtungen – GLAS, mehrscha-
thermischer Speicherfähigkeit. Hier besteht weiterhin For-
lige Glaskonstruktionen. Berlin: Bauwerk Verlag GmbH 2004.
schungsbedarf.
Danksagung
Autoren dieses Beitrages:
Die Autoren danken der Pazdera AG für die freundliche Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weller
Überlassung von Konstruktionszeichnungen als Grund- Dipl.-Ing. Marc-Steffen Fahrion
lage für die Berechnungen. Dipl.-Ing. Sebastian Horn
Technische Universität Dresden
Literatur Institut für Baukonstruktion
George-Bähr-Straße 1,
[1] Intergovernmental Panel on Climate Change: Climate 01069 Dresden
Change 2007: Synthesis Report. Genf: IPCC, 2007.
[2] Intergovernmental Panelon Climate Change: Climate Dipl.-Ing. Anne-Mareen Pfuhl
Change 2013: The Physical Science Contribution. Cambridge: Alaunstraße 82,
Cambridge University Press, 2013. 01099 Dresden