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14 Epidemiologisches
2021 Bulletin
8. April 2021
Empfehlungen der
Ständigen Impfkommission (STIKO)
zu Reiseimpfungen
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 2
Impressum
Herausgeber Allgmeine Hinweise/Nachdruck
Robert Koch-Institut Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung:
Nordufer 20, 13353 Berlin www.rki.de/epidbull
Telefon 030 18754 – 0
Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise
Redaktion die Meinung des Robert Koch-Instituts wider.
Dr. med. Jamela Seedat
Dr. med. Maren Winkler (Vertretung) Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons
Telefon: 030 18754 – 23 24 Namensnennung 4.0 International Lizenz.
E-Mail: SeedatJ@rki.de
WEBERSUPIRAN.berlin (Gestaltung)
Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 3
AutorInnen Interessenkonflikt
AG Reiseimpfungen der Ständigen Impfkommission Frau Prof. Dr. Ursula Wiedermann war Studienleiterin
(STIKO): a)Dr. Kerstin Kling | b)Prof. Dr. Christian Bogdan | bei den Studien: FSME-Impfung Subkutan- vs
b)
Dr. Thomas Ledig | c)Prof. Dr. Thomas Löscher | b)Prof. Intramuskulär-Applikation (Sponsor u. a. Baxter);
Dr. Thomas Mertens | d)Dr. Burkhard Rieke | b)Dr. Marianne FSME-Impfung bei Allergie-Patienten (Sponsor u. a.
Röbl-Mathieu | e)Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit | Baxter); FSME-Impfung bei Adipösen (Sponsor u. a.
a)
PD Dr. Ole Wichmann | b)Prof. Dr. Ursula Wiedermann | Baxter/Pfizer). Sie ist derzeit Studienleiterin bei den
b)
Prof. Dr. Gerd Burchard (AG-Sprecher) Studien: Koadministration von Impfstoffen gegen
a) Japanische Enzephalitis und Tollwut (Sponsor:
Robert Koch-Institut | Abteilung 3 Infektions
Novartis bzw. GSK); Hepatitis B Phase-IIa-Studie
epidemiologie | Fachgebiet 33 Impfprävention
b) (Sponsor Viravax).
Mitglied der STIKO
c)
Privatpraxis für Reise- und Tropenmedizin | München Alle anderen AutorInnen geben an, dass kein Interes-
d)
Praxis Dres. Rieke | Düsseldorf senkonflikt besteht.
e)
Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin
Korrespondenz: reiseimpfungen@rki.de
(keine individuellen Reiseimpfberatungen) Empfehlungen der STIKO zu Reiseimpfungen
Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat die hier vor-
liegenden Reiseimpfempfehlungen seit der 95. Sitzung
Vorgeschlagene Zitierweise am 5. März 2020 diskutiert und beschlossen.
Ständige Impfkommission unter besonderer Mitarbeit Die STIKO und auch das Robert Koch-Institut führen
von Kling K, Bogdan C, Ledig T, Löscher T, Mertens T, keine individuellen Beratungen zu Impfungen durch,
Rieke B, Röbl-Matthieu M, Schmidt-Chanasit J, auch nicht zu Reiseimpfungen. Hierfür stehen spezia-
Wichmann O, Wiedermann U, Burchard G: lisierte niedergelassene ÄrztInnen sowie Tropeninstitute
Empfehlungen der Ständigen Impfkommission und teilweise Gesundheitsämter zur Verfügung. Emp-
(STIKO) zu Reiseimpfungen. Epid Bull 2021;14:1–182 | fehlenswert sind auch die Internetseiten des Auswärti-
DOI 10.25646/8156.3 gen Amtes, die über aktuelle Ausbruchsgeschehen
und Reisewarnungen informieren.
Danksagung
Es wird allen KollegInnen gedankt, die uns tatkräftig Neuerungen in der Aktualisierung
bei der Erstellung dieser Ausgabe unterstützt haben: vom 23. September 2021
Luisa Denkel, Sabine Diedrich, Conrad Freuling, ▶▶ Poliomyelitis-Impfempfehlungen gemäß dem
Wiebke Hellenbrand, Judith Koch, Wiebe Külper- „Statement of the 29th Polio IHR Emergency
Schiek, Dorothea Matysiak-Klose, Denise Mehlitz,
Committee“ (WHO)
Kai Michaelis, Thomas Müller, Anita Prasser, Regina ▶▶ Poliomyelitis-Impfempfehlungen für Einreise aus
Singer, Sabine Vygen-Bonnet, Eva Wetzel. Zudem
Drittländern und Gelbfieber-Impfempfehlungen
danken wird den am Stellungnahmeverfahren beteilig-
gemäß der „International Travel and Health
ten Gesundheitsbehörden und Fachgesellschaften,
insbesondere der Deutschen Gesellschaft für Tropen- Country List“ (WHO)
medizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V. Alle inhaltlichen Neuerungen im Vergleich zur
(DTG) für die Kommentierungen und wichtigen Ausgabe vom Mai 2021 sind blau markiert.
fachlichen Anregungen.
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 4
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis6
1 Einleitung 8
4 Übersicht zu den von der STIKO empfohlenen Impfungen aufgrund von Reisen 33
6 Ländertabelle 87
7 Referenzen 150
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 6
Abkürzungsverzeichnis
ADHS Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
AFP accute flaccid paralysis, akute schlaffe Lähmung
BCG Bacille Calmette-Guérin
CDC enters for Disease Control and Prevention, Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention
C
(USA)
CED Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
CI confidence interval, Konfidenzintervall
COVID-19 Corona Virus Disease 2019, Coronaviruserkrankung 2019
cVDPV circulating vaccine-derived poliomyelitis virus, zirkulierende Impfstoff-abgeleitete Poliomyelitisviren
DENV Dengue-Virus
DEET Diethyltoluamid (N,N-Diethyl-m-toluamid)
DTG Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e. V.
ECDC uropean Center for Disease Prevention and Control, Europäisches Zentrum für die
E
Prävention und die Kontrolle von Krankheiten
EEA European Economic Area, Europäischer Wirtschaftsraum
Einw. Einwohner
EU Europäische Union
EULAR European League against Rheumatism, Europäische Rheumaliga
EVD Ebola Virus Disease, Erkrankung mit dem Ebolavirus
ETEC Enterotoxische Escherichia coli
FRA Frankreich (Staatenzugehörigkeit in der Ländertabelle)
FSME Frühsommer-Meningoenzephalitis
G-BA Gemeinsamer Bundesausschuss
GBR Großbritannien (Staatenzugehörigkeit in der Ländertabelle)
GBS Guillain-Barré-Syndrom
GKV Gesetzliche Krankenversicherung
GRADE Grades of Recommendation, Assessment, Development and Evaluation
GUS Gemeinschaft unabhängiger Staaten
HA Hämagglutinin
HAV Hepatitis-A-Virus
HB(V) Hepatitis B bzw. Hepatitis-B-Virus
HIV Humanes Immundefizienz-Virus
IAMAT International Association for Medical Assistance to Travelers (Canada)
IfSG Infektionsschutzgesetz
IGV Internationale Gesundheitsvorschriften
i. m. intramuskulär
IMD Invasive Meningococcal Disease, invasive Erkrankungen durch Meningokokken
IPV Inaktivierte Poliomyelitis-Vakzine
JE(V) Japanische Enzephalitis bzw. Japanische-Enzephalitis-Virus
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 7
1 Einleitung
Einleitung
Die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert Reiseimpfungen sind elementarer Bestandteil der
Koch-Institut hat nach dem Infektionsschutzgesetz Gesundheitsvorsorge für den Auslandsaufenthalt.
(IfSG) den gesetzlichen Auftrag, Empfehlungen zur Die vorliegenden Empfehlungen zu Reiseimpfun-
Durchführung von Schutzimpfungen in Deutschland gen umfassen:
zu geben. Neben Standardimpfempfehlungen für die
gesamte Bevölkerung oder für bestimmte Altersgrup ▶▶ Allgemeine Aspekte, die bei der Beratung zu
pen spricht sie Impfempfehlungen für Menschen reisemedizinisch indizierten Impfungen berück-
mit besonderen Indikationen aus. Wegen eines erhöh- sichtigt werden sollten (Kapitel 2)
ten Expositionsrisikos gegenüber bestimmten impf ▶▶ Besonderheiten, die bei bestimmten Personengrup
präventablen Erkrankungen auf Auslandsreisen macht pen zu beachten sind (Kapitel 3, z. B. Schwangere
die STIKO Empfehlungen zu Reiseimpfungen (Kate- und Stillende, Reisende mit Grunderkrankungen)
gorie ,R‘: Impfungen aufgrund von Reisen). Reise ▶▶ Reisemedizinische Impfungen werden mit ihren
impfungen bieten einen individuellen Schutz vor be- jeweiligen Indikationsstellungen zunächst kom-
stimmten Infektionserkrankungen. Da Infektionserre- pakt aufgeführt (Kapitel 4) und anschließend de-
ger nach Deutschland importiert oder ins Reiseland tailliert beschrieben (Kapitel 5). Die Weltkarten in
exportiert werden können, liegt ein adäquater Impf- Kapitel 5 vermitteln einen orientierenden Über-
schutz von Reisenden auch im öffentlichen Interesse. blick über die Verbreitung der jeweiligen Erkran-
kung im Hinblick auf die Impfindikation.
Fernreisen, darunter auch berufs- oder ausbildungs- ▶▶ Die Ländertabelle in Kapitel 6 ermöglicht eine
bedingte Auslandsaufenthalte, nehmen aufgrund der rasche Orientierung zu den im jeweiligen Land
Globalisierung zu. Des Weiteren wird die Reise- und vorkommenden impfpräventablen Erkrankungen.
Impfmedizin immer komplexer. Daher hat die STIKO Sie ist nicht ohne eine individuelle Risiko-Nutzen-
unter Einbezug weiterer ExpertInnen die vorliegenden Bewertung unter Berücksichtigung aller Faktoren
Empfehlungen zu Reiseimpfungen erarbeitet. Sie einzusetzen; zu diesen Faktoren zählen v. a. in
sollen der Ärzteschaft als Hilfestellung bei reisemedi dividuelle Voraussetzungen des Reisenden ein-
zinischen Impfberatungen und Impfungen dienen. schließlich evtl. Vorerkrankungen und besonde-
Empfehlungen zur medikamentösen Malariaprophy rer gesundheitlicher Risiken sowie Reiseroute,
laxe sind kein Bestandteil dieses Heftes. Reisedauer und Reisestil. Auch aktuelle epidemio-
logische Entwicklungen wie z. B. Ausbruchsge-
Reiseimpfberatungen bieten die Gelegenheit, schehen und Reisewarnungen müssen zum Zeit-
den individuellen Impfstatus zu überprüfen punkt der Reiseimpfberatung beachtet werden.
und mögliche Impflücken zu schließen. Die Aktuelle Informationen zu Ausbruchsgeschehen
gesundheitlichen Risiken für Reisende werden finden sich bei den Reise- und Sicherheitshinwei-
nicht a llein durch das Reiseland bestimmt. Für sen des Auswärtigen Amtes (www.auswaertiges-
eine individuelle Risiko-Nutzen-Bewertung von amt.de/de/ReiseUndSicherheit/reise-gesundheit).
Impfungen ist es unverzichtbar, auch die Anam
nese der Reisenden und relevante Aspekte der Die Empfehlungen der STIKO zu Reiseimpfungen
Reise zu berücksichtigen. werden fortlaufend aktualisiert; Änderungen im
Jahresverlauf können online eingesehen werden
(https://doi.org/10.25646/8156) und sind durch
blaue Markierungen gekennzeichnet. In der jährlich
im ersten Quartal erscheinenden Printausgabe sind
die Aktualisierungen des zurückliegenden Jahres
enthalten.
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 9
Allgemeine Aspekte
2.1 Risikofaktoren für reiseassoziierte Diese Veröffentlichung beschränkt sich auf die
Erkrankungen impfpräventablen Maßnahmen bei Auslands-
Das Erkrankungsrisiko ist bei vielen Auslands- bzw. reisen mit dem Ziel, evidenzbasierte Reiseimpf
Fernreisen höher als im Heimatland. Zwischen 22 empfehlungen zu geben. Gleichwohl werden
und 64 % aller Reisenden berichten über Erkran- weitere Aspekte der reisemedizinischen Vor
kungen im Zusammenhang mit einer Reise,1 wobei sorge, wie z. B. die Einhaltung bestimmter
akute Durchfallerkrankungen, Hauterkrankungen Hygieneregeln oder die Notwendigkeit des
und fieberhafte Erkrankungen zusammen ca. 75 % Mückenschutzes, als unverzichtbare begleiten-
aller Gesundheitsprobleme bei ReiserückkehrerIn- de Maßnahmen erwähnt.
nen ausmachen.2
land besuchen („Visiting Friends and Relatives“, abdominalis und Paratyphus jahreszeitlichen Schwan-
Allgemeine Aspekte
sche Typ-I- oder Typ-IV-Reaktion, die im ungüns- die Inzidenzdichte (Zahl der neuen Krankheitsfälle
Allgemeine Aspekte
tigsten Fall (bei einer Typ-I-Reaktion) einen anaphy pro Personenzeit unter Risiko).27 Diese Maßzahlen
laktischen Schock zur Folge haben kann. Zu den werden üblicherweise in Kohorten-Studien ermit-
Inhaltsstoffen, die zu allergischen Typ-I- oder Typ-IV- telt, die allerdings in der Reisemedizin nicht einfach
Reaktionen führen können, zählen u. a. Restsubs- durchzuführen sind. Deshalb liegen häufig keine
tanzen aus dem Herstellungsprozess von Impfstof- genauen Daten zum tatsächlichen Erkrankungs
fen, wie z. B. Hühnereiweiß. Vor allem beim Gelb risiko vor, um es dem theoretischen Risiko durch die
fieberimpfstoff ist die Menge an Hühnereiweiß von Impfung gegenüberstellen zu können. Das Gesamt
klinischer Relevanz: Stamaril enthält Eiweiß bis zum risiko für Reisende ergibt sich aus Eintrittswahr
Milligrammbereich.21–23 Die Indikation zur Gelbfie- scheinlichkeit und Schadensausmaß. In der Reise-
berimpfung sollte bei klinisch relevanter Hühner medizin ist die Eintrittswahrscheinlichkeit bei einigen
eiweißallergie daher sorgfältig geprüft werden.21, 24 impfpräventablen Erkrankungen (z. B. Japanische
Enzephalitis) sehr gering, das Schadensausmaß (also
Typ-IV-Reaktionen manifestieren sich als Kontakt ein schwerer oder tödlicher Verlauf bei Erkrankung)
allergien verzögert innerhalb von 24 – 72 h nach demgegenüber sehr hoch, s. Abbildung 1.
Allergenkontakt zumeist lokal als Entzündungs
reaktion im Gewebe, selten in generalisierter Form. b) Abschätzung individueller Risikofaktoren,
Diese Reaktionen werden typischerweise nach der die das durchschnittliche Risiko modifizieren
Applikation von Impfstoffen beobachtet, die Queck- Hierfür sind Angaben über die individuelle Reise-
silber, Aluminium oder antimikrobielle Substanzen route, erwartbares Risikoverhalten, Komorbiditäten
enthalten.25 Typ-IV-Reaktionen nach Impfungen sind etc. erforderlich. Aus Fallkontrollstudien liegen
äußerst selten, da der Impfstoff i. d. R. in den Muskel hierfür teilweise Odds Ratios vor. Bei manchen impf-
und nicht oberflächlich in die Haut appliziert wird. präventablen Erkrankungen ist z. B. das Risiko für
einen Menschen mit Migrationshintergrund, der
In seltenen Fällen treten bei vorheriger Sensibilisie- FreundInnen oder Verwandte im Ausland besucht,
rung nach erneuter Injektion des betreffenden An- dabei abgelegene Routen wählt und engen Kontakt
tigens starke entzündliche Reaktionen in der Nähe zur einheimischen Bevölkerung hat, höher als für
der Einstichstelle auf. Diese Typ-III-Reaktion ent- andere Reisende.28
steht – im Unterschied zur anaphylaktischen Sofort-
typ-Reaktion – durch Antigen-Antikörperkomplexe c) Beurteilung von Wirksamkeit und Sicherheit
und wird Arthus-Reaktion genannt. Sie kann im Zu- der Impfstoffe
sammenhang mit häufig wiederholten Impfungen Hierfür sind Angaben zu Wirksamkeit und uner-
gegen Tetanus beobachtet werden. Arthus-Reaktio- wünschten Arzneimittelwirkungen der Impfungen
nen beginnen innerhalb weniger Stunden nach notwendig. Diese Angaben stammen aus Fachinfor-
Impfung, haben ihr Reaktionsmaximum innerhalb mationen, randomisierten kontrollierten und epide-
von 12 – 36 Stunden und sind in der Regel nach we- miologischen Studien, Melderegistern und Einzel-
nigen Tagen abgeklungen.26 fallmeldungen.
Nachfragen und führen zu einer gemeinsamen Ent- sätzlicher Bedeutung, wenngleich das länderspe
Allgemeine Aspekte
scheidungsfindung auf der Basis evidenzbasierter zifische Infektionsrisiko sehr unterschiedlich sein
Information, der aktuellen epidemiologischen Situ- kann.
ation und den individuellen Risikofaktoren.29 Es
empfiehlt sich, die Beratung auf einem standardi ▶▶ Tetanus: In Ländern mit suboptimaler medizini-
sierten Beratungsformular zu dokumentieren und scher Versorgung und niedrigen Impfraten treten
Reisenden relevante Informationen zum Nachlesen mehr Fälle auf als in Ländern mit hohen medizi-
mitzugeben. Wichtig ist dabei für Reisende auch die nischen Standards.33 Auch wenn keine Daten vor-
schriftliche Information zu zukünftigen Impfter liegen, die ein erhöhtes Risiko während einer Rei-
minen, v. a. bei Impfserien. se belegen, sind Verletzungen immer möglich,
evtl. auf Reisen sogar häufiger, sodass immer auf
einen bestehenden Tetanusschutz geachtet wer-
2.4 Empfohlene Standard- und den sollte.
Indikationsimpfungen ▶▶ Diphtherie: Diphtherie ist in manchen Ländern
Schwere
der Erkrankung
TBE (Sibirischer
Mittlere Letalität, Subtyp)
≥ 2 bis < 10 %
und/oder Folge-
erkrankungen
TBE(Europ. Subtyp)
Typhus
(Asien > Afrika,
Niedrige Letalität, Cholera Typhus (Karibik,
Lateinamerika) Influenza
<2% Zentralamerika) Masern (Tollwutexposition:
Hepatitis A Kratz- oder
Hepatitis B Bissverletzung)
Allgemeine Aspekte
reicht eine Auffrischimpfung aus, eine erneute
Grundimmunisierung ist nicht notwendig.34 Bei der reisemedizinischen Impfberatung ist zu
▶▶ Pertussis: Das Risiko während einer Reise scheint
klären, ob bestimmte Impfungen im internatio-
gering, auch wenn direkt vergleichende Untersu- nalen Reiseverkehr vorgeschrieben sind. Nach
chungen von Reisenden und Nicht-Reisenden den zuletzt im Jahr 2005 novellierten Internatio-
nicht vorliegen. In einer schwedischen Studie wur- nalen Gesundheitsvorschriften (IGV) können
de eine Inzidenz von 0,1 pro 1 Million Reisetage einzelne Länder nach Absprache mit der Welt-
angegeben.35 In einer Auswertung des Geo-Senti- gesundheitsorganisation (WHO) einen Impf-
nel-Netzwerks wurde von 74 wahrscheinlichen nachweis auf der ersten Doppelseite im Inter
und bestätigten Fällen bei Reisenden von 1999 bis nationalen Impfausweis bei Einreise verlangen.
2015 berichtet.36 Höhere Inzidenzen wurden bei
Mekka-Pilgern gesehen.37
▶▶ Masern: Die Masernimpfung ist im reisemedizi- Im Wesentlichen betrifft dies folgende Impfungen
nischen Kontext von großer Bedeutung, da in fast (s. hierzu auch die Zeile „Nachweispflicht“ in der
allen Ländern der Welt noch ein Infektionsrisiko Ländertabelle in Kapitel 6):
vorhanden ist.38–40 Importierte Masernfälle gefähr-
den in Verbindung mit einer lückenhaften Imp- ▶▶ Gelbfieberimpfung: Einige Länder verlangen von
fung der Bevölkerung das Ziel der Masernelimi- allen Reisenden, die älter als 9 Monate sind,
nation in jedem Land der Welt. Exportierte Masern grundsätzlich den Nachweis einer Gelbfieber
erkrankungen können in vulnerablen Ländern impfung bei Einreise. Andere Länder verlangen
nicht nur große gesundheitliche, sondern auch diesen nur bei Einreise aus oder nach einem
immense wirtschaftliche Schäden anrichten.40–44 mehr als 12 Stunden andauernden Transit durch
Auf die Vollständigkeit des Masernschutzes ist ein gelbfieberendemisches Land, s. auch www.
daher zu achten.32 who.int/health-topics/yellow-fever
▶▶ Pneumokokken: Die Indikationsimpfung gegen ▶▶ Meningokokkenimpfung: Derzeit verlangt Saudi-
Pneumokokken ist bei Reisen von besonderer Arabien den Nachweis einer aktuellen quadriva-
Bedeutung, da sich im Ausland erworbene Pneu lenten Meningokokkenimpfung bei allen Teilneh-
mokokkenerkrankungen oft durch eine erhöhte mern an Pilgerfahrten (Hadj, Umrah) ab dem voll
Antibiotikaresistenz auszeichnen. Insbesondere endeten zweiten Lebensjahr (Stand Januar 2021).
bei Besuch von Massenveranstaltungen muss von Je nach verwendetem Impfstoff darf die Impfung
einem erhöhten Infektionsrisiko ausgegangen vor nicht mehr als 3 – 5 Jahren erfolgt sein.47 Auch
werden.45, 46 einzelne Länder des Meningitisgürtels verlangen
▶▶ Weitere Impfungen wie z. B. gegen Influenza, He den Nachweis einer Meningokokkenimpfung bei
patitis A, Hepatitis B und Poliomyelitis, werden in Einreise. Es ist sinnvoll, die wesentlichen Merk-
Kapitel 5 „Anmerkungen zu einzelnen Impfun- male des verwendeten Impfstoffs in englischer
gen“ ausführlich besprochen. Sprache in den internationalen Impfausweis ein-
zutragen (z. B. Meningococcal quadrivalent conjugate
vaccine).
▶▶ Poliomyelitisimpfung: Einige Länder verlangen
▶▶ Masernimpfung: Für einige Pazifikinseln wird seit impfstoff BCG wird weltweit seit 1921 ange-
Allgemeine Aspekte
Ende 2019 bei Einreise der Nachweis über eine wandt,49 ist aber in Deutschland seit 1998 von der
Masernimpfung bzw. bei einigen Inseln alternativ STIKO nicht mehr empfohlen und auch nicht
der Immunitätsnachweis verlangt (weitere Einzel- mehr erhältlich. Die Impfung schützt vor der tu-
heiten s. Kapitel 6 „Ländertabelle“). Ob es sich um berkulösen Meningitis und der frühen miliaren
eine vorübergehende oder dauerhafte Regelung Aussaat von Mycobacterium tuberculosis, die in
handelt, ist gegenwärtig nicht bekannt. Da die zur Hochendemieländern bei Kindern im Alter von
Erfüllung der Nachweispflicht notwendigen Im < 5 Jahren besonders häufig auftreten, aber kaum
pfungen in einigen Fällen über die Impfempfeh- vor der Lungentuberkulose. Die Effektivität der
lungen der STIKO hinausgehen können, sollte die Impfung ist vom verwendeten BCG-Stamm,50 der
Kostenübernahme im Vorfeld der Reise mit der intradermalen Injektionstechnik, dem Alter bei
jeweiligen Krankenkasse abgesprochen werden. Impfung und genetischen Faktoren abhängig.
Deutlich häufiger als bei anderen Impfungen
2.6 Impfungen, die in der Reiseimpf kommt es zu lokalen Ulzerationen, zur Schwel-
sprechstunde keine Anwendung lung und Einschmelzung regionärer Lymphkno-
finden ten und bei Vorliegen eines unerkannten zellulä-
ren Immundefekts zur h äufig letal verlaufenden
Im Folgenden sind Impfstoffe aufgeführt, die BCG-Sepsis. Da in Deutschland das Risiko der
zwar in einigen Ländern oder in besonderen Impfung deren Nutzen übersteigt, wird sie nicht
Situationen zur Verfügung stehen, aber bei mehr als Standardimpfung empfohlen. Die Risiko-
Reisenden aus Deutschland nicht zum Einsatz Nutzen-Bewertung kann sich ändern, wenn be-
kommen. sonders gefährdete Personen, insbesondere Kin-
der, für längere Zeit in Länder und Lebensverhält-
nisse mit hoher Tuberkulose-Infektionsgefähr-
▶▶ Affenpocken: In Deutschland ist der Dritt-Gene- dung mitgenommen werden. In solchen Fällen
rations-Impfstoff IMVANEX der Firma Bavarian kann im Gastland eine BCG-Impfung erwogen
Nordic zum Schutz vor Menschenpocken zugelas- werden (nicht von der STIKO empfohlen). Gegen-
sen (Handelsname außerhalb der Europäischen anzeigen wie Immundefekte, HIV-Infektion und
Union (EU): IMVAMUNE). Es handelt sich um eine bereits bestehende latente Tuberkulose-In-
einen attenuierten Lebendimpfstoff, der allerdings fektion (LTBI) sind strikt zu beachten.
nicht vermehrungsfähig ist. Der Impfstoff schützt
vermutlich auch gegen Affenpocken.48 Importier- ▶▶ Denguefieber: DENGVAXIA, der einzige bisher
te Fälle von Affenpocken aus West- oder Zentral verfügbare Impfstoff gegen Denguefieber, ist zu-
afrika sind extrem selten. gelassen für Personen im Alter von 9 bis 45 Jah-
ren, die in Endemiegebieten leben und bei denen
▶▶ Anthrax: In Deutschland ist seit 2013 ein Impfstoff eine durchgemachte Denguevirus-Infektion do-
zur Milzbrandprophylaxe zugelassen (BioThrax), kumentiert ist. Drei Dosen des quadrivalenten
aber erst seit 2019 verfügbar. Die intramuskuläre Lebendimpfstoffs müssen im Abstand von jeweils
Injektion soll nach einem und nach sechs Mona- 6 Monaten verabreicht werden (Impfschema 0, 6,
ten wiederholt werden, Auffrischimpfungen wer- 12 Monate). Die Wirksamkeit des Impfstoffes ist
den alle drei Jahre empfohlen. Der Impfstoff hat auch nach 3-maliger Gabe begrenzt (ca. 60 – 70 %).
seine Bedeutung bei Hochrisikogruppen in Ende- Impfdurchbrüche bei Kindern, die zum Zeit-
miegebieten, ansonsten möglicherweise in Hin- punkt der Impfung Dengue-naiv sind, können in
blick auf Bio-Terrorismus (hier ggf. auch post- seltenen Fällen schwerer verlaufen als bei Un-
expositionell). geimpften. Für Reisende steht dieser Impfstoff
außerhalb der Verbreitungsgebiete nicht zur Ver
▶▶ Bacille Calmette-Guérin (BCG): Die Tuberkulo- fügung.51 Andere Impfstoffe befinden sich in
se-Schutzimpfung mit dem attenuierten Lebend zulassungsrelevanten Phase-III-Studien.52
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 15
▶▶ Ebolavirus-Erkrankung (EVD, Ebola Virus Disease): ruppe 3 Impfstoffdosen erhalten hatte (Impf
g
Allgemeine Aspekte
In der EU sind verschiedene Impfstoffe zugelas- schema: 0, 1, 6 Monate). Nach den im Lancet56
sen: Ervebo (rVSV-ZEBOV) ist ein rekombinanter publizierten Ergebnissen kam es im Folgejahr zu
replikationskompetenter Vektorimpfstoff auf der keiner Hepatitis-E-Erkrankung, während in der
Basis eines bovinen Vesikulostomatitis- Virus Placebogruppe 15 Personen erkrankten (Schutzwir-
Stammes, der einmalig intramuskulär verabreicht kung 100 % mit einem 95 %-Konfidenzintervall von
wird und für Erwachsene ab dem 18. Lebensjahr 72,1 – 100 %). Die Ergebnisse einer 4,5 Jahre betra-
zugelassen ist. In Ring-Vakzinierungsstudien in genden Verlaufsuntersuchung zeigten eine Schutz
Guinea, Sierra Leone und in der Demokratischen wirkung in der modifizierten Intention-to-treat-
Republik Kongo zeigten sich nach der Impfung Analyse von 86,8 % (71 – 94 %), d. h. bei knapp
von Kontaktpersonen Neuerkrankter hohe Schutz- 87 % der anfänglich seronegativen Geimpften wa-
raten.53, 54 Im Juli 2020 wurde ein aus zwei Ein ren nach Abschluss der Impfserie nach 4,5 Jahren
zeldosen bestehendes Impfregime zugelassen: noch spezifische Antikörper nachweisbar.57 In den
Zabdeno (Ad26) und Mvabea (MVA), zwei repli- Empfehlungen zum Positionspapier der WHO
kationsdefekte Vektorimpfstoffe, die im Men- von 201558 wird von einer allgemeinen Einfüh-
schen nicht weiter vermehrungsfähig sind und im rung des Impfstoffs a bgeraten, auch wenn Reisen
Abstand von 8 Wochen intramuskulär verabreicht de, medizinisches Personal oder Katastrophenhel-
werden.55 Sie können ab dem 1. Lebensjahr ange- fer bei Einsätzen in Gegenden mit Hepatitis-E-
wendet werden. Alle genannten Impfstoffe sind Ausbrüchen ein erhöhtes Infektionsrisiko aufwei-
zur Prävention der durch den Virusstamm ‚Zaire‘ sen. Als gefährdet für schwere Verläufe gelten
ausgelösten EVD zugelassen und haben ihre Be- Immundefiziente und Schwangere.
deutung bei Hochrisikopopulationen in Aus-
bruchsgebieten. ▶▶ Konjugierter Typhus-Impfstoff: In Indien und
einigen anderen Ländern ist ein konjugierter
Im Januar 2021 haben führende internationale Impfstoff gegen das Vi-Kapselpolysaccharid von
Gesundheits- bzw. humanitäre Organisationen, Salmonella Typhi ab dem 6. Lebensmonat zuge
die zur Internationalen Koordinierungsgruppe lassen (Typbar, PedaTyphi). Die Zulassung beruht
für die Bereitstellung von Impfstoffen gehören, auf Studien, die 2015 in Lancet und 2019 im New
die Einrichtung eines globalen Ebola-Impfstoff- England Journal of Medicine publiziert wurden.59, 60
Stockpile in der Schweiz bekanntgemacht, in dem Eine Zwischenauswertung eines randomized control
die Bevorratung mit 500.000 Impfstoffdosen trials (RCT) in Nepal hatte 1 Jahr nach der Impfung
Ervebo über die nächsten Jahre vorgesehen ist. eine Schutzrate von 81,6 % gezeigt.60 Der Impfstoff
Einzelne Impfstoffdosen können auf Anfrage aus ist in Deutschland weder zugelassen noch verfügbar.
diesem vom Kinderhilfswerk der Vereinten Nati-
onen verwalteten Stockpile bezogen werden. Wei- ▶▶ Malaria tropica: Der einzige bisher in einigen
tere Informationen s. www.who.int/groups/icg/ Malaria-endemischen Ländern zugelassene Impf-
ebola-virus-disease/ebola-stockpiles. stoff MOSQUIRIX (auch bekannt als RTS,S) bie-
tet einen begrenzten Erkrankungsschutz und
▶▶ Hepatitis E: Ein Impfstoff gegen Hepatitis E steht kann die Prophylaxemaßnahmen (Moskitoschutz,
in Europa nicht zur Verfügung. In China wurden Chemoprophylaxe) keinesfalls ersetzen. Er ist für
verschiedene rekombinante Impfstoffe getestet, Kinder ab dem Alter von 6 Wochen bis 17 Monaten
im Jahr 2012 wurde der Impfstoff Hecolin des zugelassen und wird derzeit in den drei Pilotlän-
Herstellers Innovax Biotech für Personen im Alter dern Malawi, Ghana und K enia im Rahmen einer
von 16 – 65 Jahren zugelassen. Der in E. coli pro- Impfkampagne verabreicht. Für Reisende steht
duzierte Impfstoff enthält einen Teil des Capsid der Impfstoff nicht zur Verfügung.
proteins vom Genotyp 1 des Hepatitis-E-Virus.
Grundlage der Zulassung in China war eine place ▶▶ Orale Poliomyelitis-Vakzine (OPV): Die Poliomye-
bokontrollierte Phase-III-Studie bei 48.693 Men- litis-Schluckimpfung ermöglichte die Perspektive
schen im Alter von 16 – 65 Jahren, in der die Verum einer Ausrottung der Poliomyelitis durch die Aus-
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 16
scheidung der Impfviren mit dem Stuhl und eine der Maßnahme als das Verhältnis von Nutzen und
Allgemeine Aspekte
Verbreitung über Schmierinfektion im Umfeld Aufwand) werden nur selten durchgeführt (z. B.
der geimpften Person. Die Infektion mehrerer Ramsay et al., 201963). Bei einigen impfpräventablen
Personen in der Folge einer Impfung bewirkte, Erkrankungen verhindert ihre niedrige Inzidenz
dass ein breiter Schutz gegen die Erkrankung eine Bewertung des Nutzens der Impfstoffe.64
aufgebaut werden konnte. Die Impfung mit OPV
ist allerdings mit einem niedrigen Risiko einer Diese Studienlage macht eine einheitliche Bewertung
Vakzine-assoziierten paralytischen Poliomyelitis der Wirksamkeit von Reiseimpfstoffen schwierig.
(VAPP) verknüpft (1 von 4 Mio. Geimpften). Da Qualität und Sicherheit der in Deutschland zugelas-
das Risiko einer VAPP das Risiko einer Polio-Wild- senen Impfstoffe werden vom Paul-Ehrlich-Institut
virusinfektion überstieg, wurde OPV 1998 in überwacht. Verfügbare impfstoffbezogene Angaben
Deutschland durch die inaktivierte Poliomyelitis- zu Wirksamkeit und Sicherheit der in der Reiseme-
Vakzine (IPV) ersetzt, die wie OPV gegen alle 3 Po- dizin verwendeten Reiseimpfstoffe finden sich in
liovirustypen wirksam ist. Im Frühjahr 2016 wurde Kapitel 5 „Anmerkungen zu einzelnen Impfungen“.
weltweit die orale Impfung gegen das Polio-Wild-
virus (Wild Polio Virus, WPV) Typ 2 eingestellt. In Einzelfällen kann eine serologische Testung VOR
Das OPV-Impfstoffvirus zirkuliert weiter und in einer Reiseimpfung sinnvoll sein, um zu überprü-
der Folge sind Mutationen mit der Entwicklung fen, ob Reisende im Hinblick auf eine impfpräven-
von zirkulierenden Impfstoff-abgeleiteten Polio table Erkrankung bereits immun sind. Dies kann
viren (cVDPV) möglich. Die WHO hat im Novem- z. B. der Fall sein vor Impfungen gegen Hepatitis A
ber 2020 über eine Notverordnung die Anwen- oder Hepatitis B bei Personen aus Hochrisikolän-
dung neuer oraler OPV2-Impfstoffkandidaten für dern oder bei Personen mit einer „Gelbsucht“ in der
Kinder und Erwachsene zugelassen, bei denen Anamnese. Dies muss unter Berücksichtigung der
ein geringeres Risiko einer cVDPV2-Entwicklung Kosten mit Reisenden individuell diskutiert werden.
besteht.61, 62 Wer in Länder mit Wildviruszirkulation Serologische Kontrollen des Impferfolgs NACH ei-
oder zirkulierenden Impfstoff-abgeleiteten Polio- ner Reiseimpfung sind in aller Regel nicht erforder-
viren reist oder länger außerhalb der Industrie- lich. Ausnahmen können bei berufsbedingter Indi-
staaten lebt, kann im Rahmen nationaler Impf- kation oder bei Immundefizienz bestehen. Wie bei
programme oder Ausreise-Pflichtimpfungen mit Kontrollen aufgrund einer beruflichen Indikation
OPV-Impfstoffen konfrontiert werden. Es gibt na- vorzugehen ist, wird in den STIKO-Empfehlungen
hezu kein Risiko für eine VAPP, wenn zuvor ein beschrieben;32 wie bei Immundefizienz verfahren
Impfschutz gegen Poliomyelitis vorliegt (IPV zu- werden kann, ist in Kapitel 3 „Impfungen bei beson-
letzt vor < 10 Jahren oder OPV-Grundimmuni deren Risikogruppen“ ausgeführt.
sierung).
Zu den serologischen Werten, bei denen ein Schutz
2.7 Wirksamkeit und Sicherheit vor Erkrankung anzunehmen ist, wird auf das Papier
von Impfungen III „Impfen bei Immundefizienz“ verwiesen: link.
Die Studienlage zur Wirksamkeit der verschiedenen springer.com/content/pdf/10.1007/s00103-020-
Reiseimpfstoffe ist heterogen. In einigen Fällen ste- 03123-w.pdf.65
hen lediglich Immunogenitätsstudien mit Anti
körper-Werten als Surrogatmarker für Schutz zur
Verfügung. Studien zur efficacy (Wirksamkeit in kli- 2.8 Last-minute-Impfung (Hepatitis A)
nischen Studien unter kontrollierten Bedingungen) und Schnellimpfschemata
liegen häufig für Populationen in Endemiegebieten, Die Hepatitis A hat eine mehrwöchige Inkubations-
nicht aber für Reisende vor. Daten zur effectiveness zeit, sodass auch die Gabe der ersten (monovalenten!)
(Wirksamkeit unter Alltagsbedingungen in routine- Impfstoffdosis kurz vor Ausreise („auf dem Weg
mäßiger Anwendung) lassen sich für Reiseimpfun- zum Flughafen“, „last minute“) bei einer möglichen
gen mit Einschränkungen aus unkontrollierten Stu- Ansteckung im Reiseland noch vor einem Ausbruch
dien ableiten. Studien zur efficiency (Wirksamkeit der Erkrankung schützen kann.66, 67 Dennoch sollte
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 17
die zweite Impfstoffdosis zum Erreichen des Lang- ziert werden. Die orale Typhusimpfung kann zeit-
Allgemeine Aspekte
zeitschutzes im Mindestabstand von 6 Monaten gleich mit anderen Lebendimpfstoffen verabreicht
nicht vergessen werden. werden. Es ist medikamentenrechtlich nicht zuläs-
sig, einzelne Impfstoffe in einer Spritze zu m
ischen
Für einige reisemedizinische Impfungen stehen und gemeinsam zu verabreichen.
Schnellimpfschemata zur Verfügung, die eine Im-
munisierung auch dann noch ermöglichen, wenn Bei einer Unterbrechung des Impfschemas bzw. bei
bis zum Reiseantritt nur noch wenig Zeit zur Verfü- fehlender Auffrischimpfung ist es im Allgemeinen
gung steht. nicht erforderlich, die gesamte Impfserie neu zu
starten oder zusätzliche Impfstoffdosen zu verabrei-
Schnellimpfschemata sind z. B. zugelassen für die chen. Die nächste Impfstoffdosis sollte verabreicht
Hepatitis-B-, Japanische Enzephalitis- und die und die folgenden Impfabstände wie im Schema
FSME-Impfung. Details sind bei der Besprechung vorgesehen eingehalten werden.
der jeweiligen Impfstoffe in Kapitel 5 „Anmerkun-
gen zu einzelnen Impfungen“ zu finden. Hierbei Die wenigen Ausnahmen von der Regel „Jede Imp-
gilt es zu beachten, dass Schnellimpfschemata nicht fung zählt“ finden sich in Kapitel 5 bei den jeweili-
für alle Reisenden empfohlen werden und teilweise gen Impfstoffen (Grundimmunisierung gegen TBE
zusätzliche Impfstoffdosen für einen langanhalten- mit bestimmten Impfstoffen, Tollwut-Postexposi
den Schutz notwendig sind, wie er nach Anwen- tionsprophylaxe bei Immundefizienz).
dung des konventionellen Schemas erreicht wird.
und mögliche Konsequenzen z. B. einer Zikavirus- Eine generelle medikamentöse Vorbeugung von
Infektion bei Reisen in Risikogebiete sowie nach ih- Durchfallerkrankungen mit Antibiotika während ei-
rer Rückkehr kennen,68 s. www.who.int/csr/disease/ nes Tropenaufenthaltes wird nicht empfohlen. Dies
zika/information-for-travelers/en. ist nur in Einzelfällen zu erwägen, hierzu wird auf
die entsprechenden Leitlinien verwiesen.69, 70 Auch
Genauso gehören Ratschläge zum Schutz vor Ver eine Prophylaxe mit anderen Substanzen wie z. B.
kehrsunfällen zu einer reisemedizinischen Bera- Probiotika wird mangels Evidenz nicht empfohlen.
tung, da diese ein bei Reisenden oftmals unter- Gegen die meisten Erreger von Reisediarrhö ist der
schätztes Risiko darstellen. zeit kein Impfstoff verfügbar. Reisende sollten über
die Möglichkeiten der Selbsttherapie bei Durchfall
Bei Reisen mit speziellen Risiken wie z. B. Aufent- erkrankungen informiert werden.70
halt in großen Höhen, Tauchreisen etc. müssen da-
rüber hinaus noch ergänzende Hinweise gegeben d) Mückenschutz
werden. Je nach Reise muss im Vorfeld die indivi- Eine Vielzahl von Viren, Bakterien, Protozoen und
duelle Prädisposition von Reisenden in Verbindung auch Würmern wird durch Arthropoden wie Mü-
mit den zu erwartenden Risiken gesetzt und ggf. cken, Fliegen, Flöhe, Läuse, Raubwanzen, Milben
Tauglichkeiten geprüft werden. Für weitere Infor- und Zecken übertragen. Durch eine Expositionspro-
mationen wird auf die Homepages der Deutschen phylaxe kann das Übertragungsrisiko vermindert
Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin werden. Wichtig ist insbesondere ein Schutz gegen
(www.bexmed.de) und der Gesellschaft für Tauch- Stechmücken. Einfache Maßnahmen sind:
und Überdruckmedizin (www.gtuem.org) verwiesen.
▶▶ Verwendung von imprägnierten Moskitonetzen
b) Hygieneregeln ▶▶ Übernachtung in Zimmern mit laufender
sche Durchfallerkrankungen einschließlich Cholera, dungsstücke, die ggf. imprägniert werden können
Campylobacter-Infektionen, Shigellosen, Salmonel- ▶▶ Gebrauch von Repellents
Allgemeine Aspekte
antritt müssen z. B. über die Botschaft des Ziellandes
Empfehlungen zu Reiseimpfungen an einigen
Informationen über die geltenden Regelungen zur
Stellen auf Basis eines ExpertInnenkonsens die
Mitnahme von Medikamenten eingeholt werden.
Durchführung bestimmter Schutzimpfungen
Womöglich ist eine (mehrsprachige) Bescheinigung
angeraten wird, die über die aktuell gültigen
vom Arzt mitzuführen (z. B. bei Psychopharmaka,
Empfehlungen der STIKO hinausgeht (Epid
starken Schmerzmitteln, s. auch w ww.bfarm.de/DE/
Bull 34/2020). Es handelt sich um Ergänzun-
Bundesopiumstelle/Betaeubungsmittel/Reisen/_
gen bereits vorhandener Empfehlungen auf
node.html). Außer der eigenen Dauermedikation
Basis des hierzu jeweils aktuell bestehenden
kann ein gut verträgliches Analgetikum wie z. B. Pa-
ExpertInnenkonsenses. Dies betrifft vorwiegend
racetamol sinnvoll sein. Eine stand-by-Antibiose ist
Reisende mit Immundefizienz und ist an den
nur in Ausnahmefällen sinnvoll, z. B. bei bestimm-
entsprechenden Stellen dunkelgelb gekenn-
ten gastrointestinalen Vorerkrankungen oder bei
zeichnet. Impfende sind dadurch nicht befreit
Reisenden mit Asplenie/Hyposplenie.70
von der Pflicht einer genauen ärztlichen Prüfung
des Einzelfalls unter Berücksichtigung impfstoff-,
PatientInnen- und arzneimittelspezifischer Fak-
2.12 Kostenerstattung von Reise
toren und einer entsprechenden Aufklärung von
impfungen
PatientInnen bzw. Sorgeberechtigten sowie ei-
Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit besteht
ner Dokumentation im Falle eines Off-label-use
ein besonderes Interesse daran, der Einschleppung
(die Fachinformationen der Impfstoffe und ggf.
einzelner übertragbarer Krankheiten nach Deutsch-
immunmodulatorischen Arzneistoffe sind zu
land vorzubeugen. Aus diesem Grund übernehmen
beachten).
die gesetzlichen Krankenversicherungen die Kosten
der Impfung gegen Poliomyelitis auch dann, wenn
sie reisebedingt erfolgt. Darüber hinaus haben Ver-
sicherte der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) einen Anspruch auf Leistungen für Reise
impfungen, wenn der Auslandsaufenthalt beruflich
oder durch eine Ausbildung bedingt ist und der
Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nach § 20i
Absatz 1 Satz 3_SGB_V Einzelheiten zu Vorausset-
zungen, Art und Umfang der jeweiligen Leistung
auf der Grundlage der Empfehlungen der STIKO in
der von ihm erlassenen Schutzimpfungs-Richtlinie
festgelegt hat. Dieser Anspruch gilt unabhängig da-
von, ob die Versicherten zusätzlich entsprechende
Ansprüche gegen andere Kostenträger (z. B. ihren
Arbeitgeber) haben.
Schwangere, Stillende, Kleinkinder, Senioren und Poliomyelitis oder Typhus abdominalis können
Menschen mit Grunderkrankungen, die zum Teil während der Schwangerschaft schwerwiegend ver-
immunsuppressive Medikamente benötigen, sowie laufen.77–81
die Gruppe der VFR oder KatastrophenhelferInnen
stellen besondere Gruppen dar, bei denen die sonst Sicherheit von Impfungen in der Schwangerschaft:
geltenden Empfehlungen für gesunde Reisende Totimpfstoffe können während der Schwanger-
(ohne spezielle Risikofaktoren) aus mehreren Grün- schaft grundsätzlich verabreicht werden, auch wenn
den angepasst werden müssen. Zum Beispiel ist bei es bei einigen Impfstoffen keine Daten dazu gibt.82
einzelnen Gruppen das Risiko für den Erwerb be- Die saisonabhängige Impfung gegen Influenza
stimmter impfpräventabler Erkrankungen und das wird von der STIKO bereits seit 2010 auch unabhän-
Risiko für einen schweren Verlauf der Erkrankungen gig von einer Reise allen Schwangeren ab dem
höher, weshalb für sie der Impfschutz besonders 2. Trimenon empfohlen. Seit März 2020 wird auch
wichtig ist. Da einzelne Impfungen schlechter wirk- die Pertussisimpfung mit einem Tdap-(IPV-)Impf-
sam sein können, werden evtl. zusätzliche Impfstoff stoff allen Schwangeren empfohlen.81 Die bisher
dosen notwendig. Einige Impfungen dürfen auf- vorliegenden Daten zeigen eine eher geringe Akzep-
grund von Gegenanzeigen nicht gegeben werden tanz für Impfungen in der Schwangerschaft, auch
oder können vom Arzt außerhalb des zugelassenen wenn es eine gute Evidenz gibt, dass diese Impfun-
Anwendungsgebiets nur im Off-label-use verabreicht gen während der Schwangerschaft sicher sind.82, 84–92
werden.
Als Impfzeitpunkt für Totimpfstoffe sind generell
das 2. und 3. Trimenon zu bevorzugen, die Impfung
3.1 Schwangere und Stillende gegen Influenza kann bei Schwangeren mit einer
Grunderkrankung und damit erhöhtem Risiko für
Schwangere einen schweren Krankheitsverlauf gemäß den Em
▶▶ Totimpfstoffe können grundsätzlich während pfehlungen der STIKO auch im 1. Trimenon gege-
der Schwangerschaft verabreicht werden. ben werden.32 Für die Pertussisimpfung empfiehlt
▶▶ Lebendimpfstoffe sind während der Schwan- die STIKO die Impfung im 3. Trimenon, bei erhöh-
gerschaft generell kontraindiziert, nach in tem Frühgeburtsrisiko sollte bereits im 2. Trimenon
dividueller Risiko-Nutzen-Einschätzung kann geimpft werden.83
allerdings im Einzelfall eine Gelbfieber
impfung sinnvoll sein. Bei Lebendimpfstoffen besteht grundsätzlich eine
▶▶ Eine irrtümlich in der Frühschwangerschaft Kontraindikation für die Verabreichung während der
applizierte Impfung gegen MMR(-V) oder Schwangerschaft. Versehentlich während eines
Gelbfieber stellt keine Indikation für einen Gelbfieberausbruchs geimpfte Schwangere hatten in
Schwangerschaftsabbruch dar.76 einer Studie von 1993 ein leicht erhöhtes Abortrisiko
vor der 28. Gestationswoche.93 Zwei neuere Studien
Generell sollten mit Schwangeren die Optionen be- konnten hingegen kein erhöhtes Risiko feststel-
sprochen werden, die Reise zu verschieben oder auf len.94, 95 Die Indikation zur Impfung gegen Gelbfie
Ziele auszuweichen, die ein möglichst geringes In- ber ist in der Schwangerschaft immer eine strenge
fektionsrisiko darstellen. In den meisten Fällen soll- Risiko-Nutzen-Abwägung. Es gilt zu beachten, dass
te zum Wohl der Schwangeren und des ungebore- eine während einer Schwangerschaft verabreichte
nen Kindes auf eine wegen eines hohen Infektions- Gelbfieberimpfung keinen lebenslangen Schutz bie-
risikos als gefährlich einzustufende Auslandsreise tet und später bei entsprechender Indikation eine
verzichtet werden. Einige reiseassoziierte Erkran- weitere Impfung erfolgen muss.32 Auch während der
kungen wie z. B. eine Infektion mit Hepatitis A, E, Stillzeit sollte die Gelbfieberimpfung nicht verab-
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 21
reicht werden,96 da durch Virusübertragung ein er- werden können.102 Wenn die Gelbfieberimpfung im
Kleinkinder
höhtes Risiko für neurologische unerwünschte Arz- Alter von < 2 Jahren erfolgt ist, kann nicht von einem
neimittelwirkungen wie z. B. Enzephalitiden beim lebenslangen Schutz ausgegangen werden, und bei
Säugling besteht. Dagegen ist die Stillzeit keine Kon- erneutem Expositionsrisiko muss zu einem späteren
traindikation zu Impfungen gegen Masern-Mumps- Zeitpunkt erneut geimpft werden.103 Ob eine im
Röteln und Varizellen.97, 98 Kleinkindalter gegebene Impfung generell einen le-
benslangen Schutz garantieren kann, ist derzeit
noch nicht abschließend geklärt.
3.2 Kleinkinder
Ab dem vollendeten 1. Lebensjahr kann gegen He
▶▶ Regelrechte Impfung nach STIKO-Kalender patitis A geimpft werden. Auch wenn Kleinkinder
▶▶ Impfung gegen Gelbfieber frühestens ab dem selbst meist nicht schwerwiegend an Hepatitis A er-
9. Monat bzw. 12. Monat (in Ausnahmefällen kranken, ist diese Impfung bei entsprechender In-
ab dem 6. Monat möglich); kein lebenslanger dikation zu empfehlen, da Kinder die Viren über ei-
Schutz der Gelbfieberimpfung, wenn Gabe nen längeren Zeitraum ausscheiden und damit
vor dem 2. Geburtstag auch nach Rückkehr Ausbrüche in ihrer Umgebung
▶▶ Impfung gegen Hepatitis A ab dem vollende- verursachen können und die Erkrankung bei vulne-
ten 1. Lebensjahr möglich rablen Personen schwerwiegend verlaufen kann.
▶▶ Indikation für quadrivalente Meningokokken
Infektionen mit Salmonella enterica Serovar Typhi mit dem 23-valenten Pneumokokkenpolysaccharid
Ältere Reisende
und Hepatitis A zählen zu den häufigsten Ursachen impfstoff (PPSV23) nach 6 – 12 Monaten. Bei länger
impfpräventabler Infektionen bei Kindern.104 Auch als 4 Wochen andauernden Reisen auf die Südhalb-
Kinder in Endemieländern erkranken häufiger an kugel (z. B. beim „Überwintern“) kann bei entspre-
Typhus abdominalis als Erwachsene, weshalb die chender Saisonalität der Influenza eine Impfung
Indikation zur Typhusimpfung tendenziell großzü- vor Ort erwogen werden, da die Impfstoffzusam-
gig gestellt werden kann. Allerdings muss beachtet mensetzung auf den Halbkugeln differieren kann
werden, dass der orale Typhusimpfstoff erst ab dem und bei Verwendung des spezifisch für die Südhalb-
Alter von 5 Jahren verabreicht werden kann. Der kugel entwickelten Impfstoffs ein optimierter Schutz
parenterale Typhusimpfstoff ist ab dem Alter von zu erwarten ist.110 Der Impfstoff der Südhalbkugel
2 Jahren zugelassen. ist außerdem auf der Nordhalbkugel erfahrungsge-
mäß schwierig zu beschaffen. Wenn aufgrund des
Aufenthalts in mehreren Endemiegebieten im Jah-
3.3 Ältere Reisende resverlauf der nachlassende Impfschutz erneuert
werden muss, kann eine am jeweiligen (Zweit-)Auf-
▶▶ Regelrechte Impfung nach STIKO-Empfehlung enthaltsort empfohlene Impfung erwogen werden;
(beinhaltet Standardimpfungen gegen Pneu- der Abstand von 6 Monaten zur vorangegangenen
mokokken, Herpes zoster und jährliche Influ- Impfstoffdosis sollte eingehalten werden.111
enzaimpfung bei allen Personen ≥ 60 Jahre)
▶▶ Gelbfieberimpfung: Ab dem Alter von 60 Jah- Bei Totimpfstoffen ist bei älteren Personen von ei-
ren gilt es, das Risiko einer schwer verlaufen- ner guten Verträglichkeit auszugehen. Die Wirk-
den Gelbfiebererkrankung mit potenziell töd- samkeit und die Dauer des Impfschutzes können
lichem Ausgang gegen das erhöhte Risiko allerdings eingeschränkt sein. In einigen Studien
von schweren unerwünschten Arzneimittel- zur FSME-Impfung wurde z. B. festgestellt, dass
wirkungen einschließlich Todesfällen abzu eine zusätzliche Dosis eines Impfstoffs ab einem
wägen bestimmten Alter mit einer deutlich verbesserten
Wirksamkeit einhergeht;112, 113 auch in den Fachinfor
Die im Alter abnehmende Kompetenz des Immun- mationen der FSME-IMMUN- und Encepur-Impf
systems auf (Impf-)Antigene zu reagieren (sog. Im stoffe wird auf die Möglichkeit einer serologischen
munoseneszenz) beeinflusst auch die Stärke einer Kontrolle des Impfansprechens bei Menschen mit
Immunantwort auf eine Impfung und wie lange ein geschwächter Immunabwehr hingewiesen, da bei
Impfschutz besteht.105–107 Die Immunantwort auf verminderter Immunantwort eine weitere Impf-
unbekannte Impfantigene bei erstmaliger Impfung stoffdosis sinnvoll sein könnte. Falls zusätzlich zum
kann dabei stärker eingeschränkt sein als die Im- Alter Risikofaktoren wie eine immunsuppressive
munantwort auf Auffrischimpfungen. Ältere Rei- Erkrankung bestehen, können serologische Kontrollen
sende haben ein erhöhtes Risiko für lebensbedroh- der Immunantwort in Einzelfällen Aufschluss über
liche Krankheitsverläufe und profitieren besonders den jeweiligen Schutzstatus geben. Eine generelle
von Impfungen gegen Pneumokokken und Influen- Bestimmung der Antikörperkonzentrationen nach
za.108,109 Senioren sollten grundsätzlich gemäß STIKO- Impfungen wird jedoch nicht empfohlen. Zu den
Empfehlungen geimpft sein. Diese umfassen ab serologischen Werten, bei denen Schutz anzuneh-
dem Alter von 60 Jahren die Pneumokokken-, die men ist, wird auf das Papier III „Impfen bei Immun
Herpes zoster- und die jährliche Influenzaimpfung defizienz“ verwiesen: link.springer.com/content/
als Standardimpfungen.32 Bei einer bestehenden pdf/10.1007/s00103-020-03123-w.pdf.65
Grunderkrankung mit einem erhöhten Risiko für
einen schweren Verlauf einer Pneumokokkenerkran Bei der Gelbfieberimpfung (Lebendimpfstoff) wur-
kung wird von der STIKO eine sequenzielle Pneu de in einigen Studien nach der Gabe an Personen
mokokkenimpfung empfohlen. Dies bedeutet eine ≥ 60 Jahren ein erhöhtes Risiko für schwere uner-
erste Impfung mit dem 13-valenten Pneumokokken- wünschte Arzneimittelwirkungen festgestellt, fast
konjugatimpfstoff (PCV13), gefolgt von einer Impfung ausschließlich bei Erstimpfungen.114–116 Die gefürch-
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 23
nogenität der Impfung eingeschränkt und/oder die suppression bei Erwachsenen annehmen: Methot-
empfohlen, eine zweite Impfstoffdosis eines Menin- Erkrankungen (z. B. kombinierte Immundefekte, syn
Reisende mit Grunderkrankungen
stoffdosis im Abstand von mindestens 4 – 8 Wochen die verschiedenen IgG4-assoziierten Syndrome. Bei
empfohlen. Zur Notwendigkeit von Auffrischimp- Vorliegen einer Vaskulitis begünstigt nicht nur die
fungen nach dem Säuglingsalter finden sich in den aktive Grunderkrankung, sondern auch die medika-
Fachinformationen der Meningokokken-ACWY- mentöse Immunsuppression das Auftreten von
Konjugatimpfstoffe keine Angaben. Die Daten zur (impfpräventablen) Infektionen.
Antikörperpersistenz bei gesunden Personen und
immunologische Überlegungen lassen den Schluss Die European League against Rheumatism (EULAR)
zu, eine Auffrischimpfung alle 5 Jahre zu empfehlen; und die STIKO haben Hinweise zum Impfen bei
das gleiche gilt für die Meningokokken-B-Impfung. entzündlich-rheumatischen Erkrankungen erarbei-
In Bezug auf Hinweise zu dunkelgelb gekennzeich- tet.120, 164 PatientInnen mit entzündlich-rheumati-
neten Ergänzungen bestimmter Schutzimpfungen schen Erkrankungen sollten nach den üblichen reise
s. Kasten auf Seite 19. medizinischen Empfehlungen beraten und geimpft
werden. Totimpfstoffe können unter immunmodu-
Zudem wird empfohlen, jährlich mit einem Influenza latorischer Therapie appliziert werden. Je nach Art
totimpfstoff mit einer von der WHO empfohlenen der Immunmodulation kann möglicherweise kein
Antigenkombination zu impfen (s. Kapitel 5.6 ausreichender Impfschutz aufgebaut werden.
„Influenza“). Dies soll auch den bakteriellen Sekun Lebendimpfstoffe wie die Gelbfieberimpfung sind
därinfektionen und den möglicherweise daraus re- bei ausgeprägter Immunsuppression kontraindi-
sultierenden Komplikationen vorbeugen. ziert,165, 166 auch wenn es nach akzidentiellen Gelb
fieberimpfungen unter Immunsuppression meist
Grundsätzlich können bei PatientInnen mit Asple- zu keinen schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen
nie/Hyposplenie alle reisemedizinischen Impfun- kam.167–169 Weitere Ausführungen s. auch Papier IV
gen verabreicht werden, auch eine Gelbfieberimp- „Impfen bei Immundefizienz“: link.springer.com/
fung. Eine reisemedizinische Beratung vor Reisean- content/pdf/10.1007%2Fs00103-019-02905-1.pdf .120
tritt sollte unbedingt in Anspruch genommen wer-
den. Aufgrund des erhöhten Risikos einer Infektion g) Neurologische Erkrankungen
mit kapseltragenden Bakterien wird empfohlen, Multiple Sklerose (MS)
beim Auftreten von Fieber ärztliche Hilfe aufzusu- Studien, die das Risiko von Erkrankungsschüben
chen und ggf. frühzeitig eine Selbstbehandlung mit bei MS nach applizierten Totimpfstoffen untersuch-
einem stand-by-Antibiotikum zu beginnen. ten, konnten keinen Zusammenhang zwischen der
Gabe von Standardimpfungen und einer Ver-
Weitere Ausführungen s. auch Papier III „Impfen schlechterung der Erkrankung herstellen.130, 170, 171 Es
bei Immundefizienz“: link.springer.com/content/ liegen nicht zu allen reisemedizinischen Totimpf-
pdf/10.1007/s00103-020-03123-w.pdf .65 stoffen Daten vor, man geht aber im Allgemeinen
davon aus, dass Totimpfstoffe außerhalb von (MS-)
f ) Entzündlich-rheumatische Erkrankungen Schüben verabreicht werden können. Der Nutzen
Die rheumatoide Arthritis (RA), die Psoriasis-Arth- einer Impfung übersteigt ihr Risiko, zumal Infekti-
ritis und die Spondyloarthritiden sind die häufigsten onen mit dem Wildvirus bei PatientInnen mit MS
chronisch-entzündlichen rheumatischen Erkrankun die Wahrscheinlichkeit eines Schubs erhöhen.172, 173
gen bei Erwachsenen. PatientInnen, die an einer RA Totimpfstoffe für Reiseimpfungen können jederzeit
leiden, sind unabhängig von ihrer Medikation min- auch bei Vorliegen einer immunsuppressiven The-
destens doppelt so häufig von Infektionen mit Pneu- rapie nach individueller Risiko-Nutzen-Abwägung
mokokken betroffen wie Personen ohne RA.163 Auch gegeben werden, allerdings kann die Wirksamkeit
bei Kollagenosen treten Infektionen gehäuft auf, bei unter immunsuppressiver Behandlung beeinträch-
einigen insbesondere pulmonale Infektionen; dies tigt sein, s. hierzu Papier IV – „Impfen bei Immun-
betrifft die systemische Sklerose, die Polymyositis/ defizienz“: link.springer.com/content/pdf/10.1007
Dermatomyositis, das Sjögren Syndrom, die Misch- %2Fs00103-019-02905-1.pdf.120
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 29
Lebendimpfungen wie die Gelbfieberimpfung kön- rung durchgeführt worden war, wird deshalb emp-
Weitere Ausführungen s. auch Papier III „Impfen Nicht allen Eltern ist bewusst, dass besonders Kin-
MigrantInnen, die FreundInnen oder Verwandte im Ausland besuchen
durch engen Kontakt mit der lokalen Bevölke- ▶▶ Definition Langzeitaufenthalt: Aufenthalt
rung höher sein als bei Touristen. > 4 Wochen
▶▶ Tollwut: Das Risiko kann durch häufigen und
▶▶ Bei beruflich Reisenden ist der Arbeitgeber
engen Kontakt mit Tieren höher sein als bei gesetzlich verpflichtet, die mit Auslands
Touristen. VFR sollten bei einem erhöhten Expo- tätigkeit verbundenen Belastungen und Ge-
sitionsrisiko präexpositionell geimpft werden. fährdungen zu erfassen (dazu gehört Durch-
führung von beruflich indizierten I mpfungen)
Immer mehr MigrantInnen besuchen ihre Freun- ▶▶ Risiko für einige impfpräventable Erkrankun-
dInnen und Verwandte im Ausland oder in ihrem
gen steigt durch längere Expositionszeit; dies
Heimatland. Diese Personengruppe zeichnet sta-
gilt auch für wiederholte (Kurzzeit-)Reisen
tistisch betrachtet aus, dass sie länger reist, eher ▶▶ Hepatitis-A-Impfung wird aufgrund der rela-
ländliche Gebiete besucht, engere Kontakte zur
tiv hohen Inzidenz allen Reisenden in Ende-
einheimischen Bevölkerung hat, eher lokale Ge-
miegebiete empfohlen
richte isst, öfter kurzfristig geplante Reisen macht ▶▶ SchülerInnen/StudentInnen sollten gemäß
und seltener eine Reiseberatung in Anspruch
der im Gastland geltenden Impfempfehlung
nimmt.28, 181, 182 Gleichzeitig besteht ein erhöhtes Ri-
für Meningokokken gegen die jeweils empfoh
siko für reiseassoziierte Erkrankungen wie Malaria,
lenen Serogruppen geimpft werden
aber auch für impfpräventable Erkrankungen.28, 181, 183
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 31
KatastrophenhelferInnen
nicht eindeutig definiert. Entsprechend der unter ▶▶ Japanische Enzephalitis
Langzeitaufenthalte im Ausland können verschiede- SchülerInnen und StudentInnen, die einen Lang-
ne Gründe haben. Viele Menschen unternehmen zeitaufenthalt planen, sollten gemäß der im Gast-
längere Reisen bzw. Weltreisen und sind Wochen land geltenden Impfempfehlung für Meningokokken
bis manchmal Jahre unterwegs, andere halten sich gegen die jeweils empfohlenen Serogruppen geimpft
über einen längeren Zeitraum an einem festen werden, s. auch 5.8 Meningokokken-Erkrankungen.
(Urlaubs-)Ort auf, z. B. über die Wintermonate in
tropischen/subtropischen Ländern. Im Zuge der
Globalisierung sind Menschen in zunehmendem 3.7 KatastrophenhelferInnen
Maße beruflich im Ausland tätig, dann oft über Mo-
nate bis Jahre oder immer wieder für jeweils kürzere ▶▶ Die Gruppe der KatastrophenhelferInnen
Zeitabschnitte. Hilfsorganisationen entsenden Mit- umfasst freiwillige ErsthelferInnen bis hin zu
arbeiterInnen nicht selten für längere Zeiträume. routinierten berufsmäßigen HelferInnen
Der Gruppe der jungen Freiwilligen in Sozialprojek- ▶▶ KatastrophenhelferInnen leiden öfter an
ten entstehen z. B. Risiken, da sie einerseits einen Infektionserkrankungen, v. a. Durchfall
der örtlichen Bevölkerung nahen Lebensstil haben, erkrankungen und erleiden häufiger Unfälle
andererseits über w enig Erfahrung zum Erkennen ▶▶ Bestmöglicher Infektionsschutz ist wichtig,
geren HelferInnen im Alter zwischen 18 und 30 Jah- ken für eine Infektion unberechenbar sind, ein
KatastrophenhelferInnen
ren werden häufig lebensbedrohliche Diagnosen ge- enger Kontakt zur Bevölkerung besteht und medizi-
stellt, die sich von denen bei normalen Reisenden, nische Hilfe nicht gesichert ist, sollten Katastro-
aber auch bei älteren KatastrophenhelferInnen un- phenhelferInnen optimal geschützt sein, sodass bei
terscheiden; sie erleiden z. B. häufiger Unfälle.196 dieser Gruppe grundsätzlich alle je nach potentiel-
len Einsatzort(en) indizierten Impfungen gegeben
In komplexen Notsituationen sorgen von Mensch werden sollten, für die der Impfling keine Gegen
zu Mensch übertragbare Erkrankungen in der be- anzeigen wie z. B. Allergien oder eine Immundefi-
troffenen Bevölkerung für die meisten Todesfälle, zienz aufweist. In Bezug auf Hinweise zu dunkel-
unabhängig von einer begleitenden Unterernäh- gelb gekennzeichneten Ergänzungen bestimmter
rung.197 Dazu gehören Durchfallerkrankungen, Schutzimpfungen s. Kasten auf Seite 19.
Atemwegserkrankungen und Masern. Weil die Risi-
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 33
Anmerkungen
Impfung gegen Indikation (Packungsbeilage/Fachinformation beachten)
Cholera ▶▶ Reisen in Cholera-Epidemiegebiete mit voraussichtlich Nach Angaben in den Fachinformationen des Herstellers.
ungesichertem Zugang zu Trinkwasser
▶▶ Längerfristige Tätigkeit in Cholera-Epidemiegebieten
FSME und andere Auslandsreisen: Personen, die in TBE-Risikogebieten außer- Grundimmunisierung und Auffrischimpfungen mit einem für
TBE-Haupt- halb Deutschlands zeckenexponiert sind, s. Abbildung 2 bzw. Erwachsene bzw. Kinder zugelassenen Impfstoff nach Anga-
Subtypen Kapitel 6 Ländertabelle ben in den Fachinformationen.
Gelbfieber ▶▶ Vor Aufenthalt in Gelbfieber-Endemie- und Epidemiegebie- Einmalige Impfung in einer von den Gesundheitsbehörden
ten im tropischen Afrika und in Südamerika zugelassenen Gelbfieber-Impfstelle. Es gibt Konstellationen,
▶▶ Entsprechend den Anforderungen eines Gelbfieber- bei denen aus medizinischer Sicht eine Auffrischimpfung zu
Impfnachweises der Ziel- oder Transitländer empfehlen ist (s. Kapitel 5 unter 5.3.7 Impfschemata).
Das Internationale Zertifikat für eine Gelbfieberimpfung ist
Eine Liste der Länder mit der Gefahr einer Gelbfieber-Über- lebenslang gültig. Dies betrifft bereits ausgestellte und neue
tragung und der Länder, die bei Einreise den Nachweis einer Gelbfieber-Impfzertifikate. Laut WHO dürfen Einreisende mit
Gelbfieberimpfung fordern, stellt die WHO zur Verfügung einem Gelbfieber-Impfzertifikat seit 2016 nicht mehr mit der
(www.who.int/health-topics/yellow-fever; www.who.int/ith/ Begründung abgewiesen werden, dass dieses nach 10 Jahren
ith-yellow-fever-annex1-new.pdf?ua=1), s. auch Abbildung 3 abgelaufen sei.
und Kapitel 6 Ländertabelle
Hepatitis A Reisende in Endemiegebiete, s. Abbildung 4 bzw. Kapitel 6 Grundimmunisierung und Auffrischimpfung nach Angaben
(HA) Ländertabelle in den Fachinformationen.
Die serologische Vortestung auf Anti-HAV ist nur bei Perso-
nen sinnvoll, die länger in Endemiegebieten gelebt haben
oder in Familien aus Endemiegebieten aufgewachsen sind
oder vor 1950 geboren wurden.
Hepatitis B Reiseindikation: individuelle Gefährdungsbeurteilung erfor- Grundimmunisierung und Auffrischimpfung nach Angaben
(HB) derlich.*** Ausführungen, s. Kapitel 5.5 Hepatitis B bzw. in den Fachinformationen.
Kapitel 6 Ländertabelle
***
Bei zur Gruppe 4 (Reiseindikation) gehörenden Personen ist
individuell abzuwägen, ob angesichts des konkreten Expositions-
risikos und des individuellen Risikos eines Impfversagens eine
Impferfolgskontrolle erforderlich erscheint.
Influenza Für Reisende ab 60 Jahren und die unter I (Indikations Impfung mit einem quadrivalenten Impfstoff mit aktueller,
impfung) genannten Personengruppen, die nicht über von der WHO empfohlener Antigenkombination.
einen aktuellen Impfschutz verfügen, ist die Impfung generell
Für Personen ab dem Alter ≥ 60 Jahren werden inaktivierte
empfehlenswert, für andere Reisende ist eine Influenza-
quadrivalente Hochdosis-Impfstoffe empfohlen
Impfung nach Risikoabwägung entsprechend Exposition und
Impfstoffverfügbarkeit sinnvoll, s. Kapitel 6 Ländertabelle
Japanische Aufenthalte in Endemiegebieten (Südost-Asien, weite Teile Grundimmunisierung mit 2 Impfstoffdosen; eine Auffrischungs
Enzephalitis von Indien, Korea, Japan, China, West-Pazifik, Nordaustralien, dosis bei erneuter Exposition, frühestens 12 Monate nach
s. Kapitel 6 Ländertabelle) während der Übertragungszeit, der Grundimmunisierung.
insbesondere bei:
▶▶ Reisen in aktuelle Ausbruchsgebiete
▶▶ Wiederholten Kurzzeitaufenthalten
Anmerkungen
Impfung gegen Indikation (Packungsbeilage/Fachinformation beachten)
Übersicht zu den von der STIKO empfohlenen Impfungen
Meningokokken- Reisende in Länder mit epidemischem Vorkommen, beson- Impfung mit Meningokokken-ACWY-Konjugat-Impfstoff.
Infektionen ders bei engem Kontakt zur einheimischen Bevölkerung (z. B.
EntwicklungshelferInnen, KatastrophenhelferInnen, medizini-
sches Personal, bei Langzeitaufenthalt); dies gilt auch für
Aufenthalte in Regionen mit Krankheitsausbrüchen und Impf
empfehlung für die einheimische Bevölkerung (WHO- und
Länderhinweise beachten; Ausführungen s. auch Kapitel 5.8
Meningokokken-Erkrankung bzw. Kapitel 6 Ländertabelle).
Cholera
5.1 Cholera bei asymptomatischen Personen etwa 1 Tag, bei symp
tomatischen Personen 1 bis 2 Wochen, eine längere
Die Cholera ist eine fäkal-oral übertragene Ausscheidungsdauer ist möglich. Risikofaktoren für
Erkrankung mit wässriger Diarrhö, Erbrechen eine Ansteckung sind fehlender Zugang zu saube-
und Dehydratation unterschiedlichen Ausmaßes. rem Trinkwasser, schlechte hygienische Verhältnisse
und enger Kontakt zu Erkrankten (z. B. gleicher
Haushalt). Durch kontaminiertes Trinkwasser kann
5.1.1 Erreger und Übertragung es zu großen Ausbrüchen kommen, die vor allem
Das begeißelte kommaförmige, gramnegative Stäb- bei vulnerablen Bevölkerungsgruppen verheerende
chenbakterium Vibrio cholerae ist der Erreger der Auswirkungen haben können (z. B. rasche Verbrei-
Cholera. Vor allem die Bakterienstämme O1 und sel- tung mit vielen Todesfällen bei Menschen in großer
tener O139 sind pathogen, wobei die Toxine der Armut, Menschen in Flüchtlingslagern). Eine Reihe
El-Tor-Varianten von O1 als besonders virulent gelten. von Wirtsfaktoren bewirkt eine erhöhte Empfäng-
Virulenzfaktoren sind das Choleratoxin (bestehend lichkeit: Hypoazidität des Magensaftes, Zustand
aus den Untereinheiten A und B) sowie Kolonisati- nach Gastrektomie, Blutgruppe 0, schlechter Ernäh-
onsfaktoren. Die Bakterien kommen natürlicher rungszustand und beeinträchtigter Immunstatus.
weise im Wasser vor, insbesondere in Brackwasser,
an Flussmündungen oder im küstennahen Wasser. Das Erkrankungsrisiko für Reisende ist sehr gering.
Die Übertragung auf den Menschen erfolgt fäkal- In einer Übersichtsarbeit wurden in den Jahren 1990
oral in erster Linie durch kontaminiertes Trinkwas- bis 2018 weltweit 156 reiseassoziierte Fälle in nicht-
ser (bzw. durch Nahrungsmittel, die mit Fäkalien endemischen Ländern registriert.198 Für Deutschland
oder kontaminiertem Trinkwasser in Kontakt ka- wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) für 2019 ein
men), seltener von Mensch zu Mensch. Cholerafall mit vermutetem Infektionsland Indien,
in den Jahren seit 2001 insgesamt 28 Fälle übermit-
5.1.2 Geografische Verbreitung, telt.9 Bezogen auf Europa wurden im Jahr 2018 ins-
Epidemiologie und Risikofaktoren gesamt 26 Fälle in die EU/EEA(European Economic
einer Übertragung Area)-Staaten importiert.202 Das Risiko einer sympto-
Weltweit leben ca. 1,4 Milliarden Menschen in Cho- matischen Infektion wurde in älteren Arbeiten auf
lera-Endemiegebieten und sind bei auftretenden 2 Fälle pro 1 Million Reisende geschätzt.203, 204 Bei
Epidemien exponiert.198 Im Jahr 2019 wurden der Langzeitaufenthalten, in Ausbruchssituationen und
WHO aus 31 Ländern 923.037 Fälle mit 1.911 Todes- bei KatastrophenhelferInnen kann das Risiko größer
fällen gemeldet. Die WHO schätzt allerdings, dass sein.205, 206 Da eine milde verlaufende Cholera klinisch
nur ein kleiner Teil der jährlich auftretenden Fälle nicht von anderen Durchfallerkrankungen abge-
offiziell gemeldet wird.199 Eine modellierte Schät- grenzt werden kann, liegen die tatsächlichen Fall
zung aus dem Jahr 2015 geht von 1,3 bis 4 Millionen zahlen vermutlich viel höher.
Fällen und 21.000 bis 143.000 Todesfällen pro Jahr
aus.199 Die Letalität liegt bei ausreichenden Behand- 5.1.3 Risiko der Weiterverbreitung einer
lungsmöglichkeiten deutlich unter 1 %200 – in eini- Infektion
gen Ländern mit schlechter medizinischer Versor- Das Risiko einer Weiterverbreitung der Erkrankung
gung kann die Letalität in manchen Jahren auf in Deutschland ist sehr gering. Ausgehend von den
3 – 5 % ansteigen.201 reiseassoziierten Erkrankungen wurden dem RKI
seit 2001 keine Übertragungen innerhalb Deutsch-
PatientInnen mit Cholera scheiden die Erreger im lands gemeldet.9
Stuhl aus. Die Zeitdauer der Ausscheidung beträgt
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 36
Gegenanzeigen: Für die ärztliche Aufklärung sind Gegenanzeigen: Für die ärztliche Aufklärung sind
Cholera
die Informationen aus den Fachinformationen ver- die Informationen aus den Fachinformationen ver-
bindlich. Im Folgenden finden sich die wesentli- bindlich. Im Folgenden finden sich die wesentli-
chen Gegenanzeigen bzw. ergänzende Hinweise: chen Gegenanzeigen bzw. ergänzende Hinweise:
▶▶ bei akuter Magen-Darmerkrankung oder schwe- sicht bei Kontaktpersonen von immundefizien-
rer, mit Fieber einhergehender Erkrankung soll- ten PatientInnen!)
te Impfung auf einen späteren Zeitpunkt ver-
schoben werden Es ist nicht bekannt, ob Vaxchora systemisch aufge-
nommen wird. Daher unterliegt eine Anwendung
Anwendung während Schwangerschaft und Stillzeit während Schwangerschaft und Stillzeit einer stren-
nach Risiko-Nutzen-Abwägung; die Gabe von Cho- gen Risiko-Nutzen-Abwägung.
leratotimpfstoffen während der Schwangerschaft
wird in der Literatur als sicher angesehen.214 5.1.7 Impfschemata
a) Dukoral: Siehe Tabelle 2.
b) VAXCHORA b) VAXCHORA: Siehe Tabelle 3.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen: Sehr häufi-
ge unerwünschte Arzneimittelwirkungen (können 5.1.8 Indikationen
mehr als 1 von 10 Personen betreffen) bei Kindern Die Impfung wird Reisenden im Allgemeinen nicht
und Erwachsenen sind Müdigkeit, Kopfschmerz, empfohlen.
Bauchschmerz, Übelkeit/Erbrechen und vermin-
derter Appetit; seltenere unerwünschte Arzneimittel Die Impfung wird nur bei besonders hoher Gefähr-
wirkungen s. Fachinformation. dung empfohlen, die beispielsweise in folgenden
Situationen vorliegen könnte:
Kinder im Alter von Grundimmunisierung 3 Impfstoffdosen mit einem Mindestabstand von 1 Woche zwischen den Impfstoffdosen
≥ 2 – 5 Jahren
Auffrischimpfung < 6 Monaten genügt eine einzelne Impfstoffdosis zur Auffrischung, außerhalb dieses
Zeitfensters muss Grundimmunisierung wiederholt werden*
Kinder ab dem Alter von Grundimmunisierung 2 Impfstoffdosen im Abstand von 1–6 Wochen
≥ 6 Jahren, Jugendliche
Auffrischimpfung < 2 Jahren genügt eine einzelne Impfstoffdosis zur Auffrischung, außerhalb dieses
und Erwachsene
Zeitfensters muss Grundimmunisierung wiederholt werden*
Der Zeitpunkt, ab welchem eine Auffrischimpfung notwendig ist, wird in der Fachinformation nicht angegeben. Da in Studien eine Reduktion der
*
Antikörper ca. ab dem 4. Monat nach Impfung für einen nachlassenden Schutz sprechen könnte, kann ab diesem Zeitpunkt abhängig von der ver-
muteten Exposition eine Auffrischimpfung erwogen werden.
Einnahme mit einer Natriumhydrogencarbonat-Pufferlösung. Eine Stunde vor und nach der I mpfung sollte auf den Verzehr von Nahrungsmitteln
und Getränken und die Einnahme von Arzneimitteln verzichtet werden. Die Immunisierung soll 1 Woche vor potenzieller E xposition gegenüber
V. cholerae O1 abgeschlossen sein.
Wegen unterschiedlicher Pufferlösungen sollen bei gleichzeitiger Indikation Dukoral und die orale Typhus-Impfung mit m
indestens 1 Stunde
Abstand verabreicht werden.
Kinder ab dem Alter von Grundimmunisierung Einmalige orale Einnahme einer Impfstoffdosis spätestens 10 Tage vor potentieller Exposition
≥ 6 Jahren, Jugendliche
Auffrischimpfung Derzeit noch keine Herstellerangabe zum Zeitpunkt einer Auffrischimpfung verfügbar
und Erwachsene
Eine Stunde vor und nach der Impfung sollte auf den Verzehr von Nahrungsmitteln und Getränken verzichtet werden; zur gleichzeitigen Einnahme
von Arzneimitteln s. Fachinformation. Zwischen der Verabreichung von Vaxchora und der oralen Typhusimpfung müssen mindestens 2 Stunden
liegen.
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 38
▶▶ Reisen in Cholera-Epidemiegebiete mit voraus- Nil-Viren (WNV) und Zika-Viren (ZIKV) zur Familie
TBE (früher FSME)
sichtlich ungesichertem Zugang zu Trinkwasser der Flaviviren, wird aber durch den Stich von Zecken
▶▶ längerfristige Tätigkeit in Cholera-Epidemiege- übertragen. In seltenen Fällen (ca. 1 %) erfolgt die
bieten (z. B. medizinisches Personal) Übertragung durch den Verzehr unpasteurisierter
▶▶ Einsatz als KatastrophenhelferIn Milch bzw. Milchprodukte (Ziegen- oder Schafs-
milch, seltener Kuhmilch).15, 217–219 Es gibt drei be
5.1.9 Besonderheiten kannte Virus-Haupt-Subtypen, die eine hohe phylo-
Aufgrund einer strukturellen, funktionellen und genetische und antigene Ähnlichkeit besitzen und
immunologischen Ähnlichkeit von Choleratoxin mit gegen die Impfstoffe zur Verfügung stehen: Euro-
dem hitzelabilen Enterotoxin von Escherichia coli päischer Subtyp (Vorkommen: ländliche, bewaldete
(E. coli) wurde vermutet, dass Dukoral auch gegen Gebiete in Zentral-, Nord- und Ost-Europa; übertra-
Infektionen mit enterotoxischen E. coli (ETEC) schüt- gen durch Ixodes ricinus), Sibirischer Subtyp (Vor-
zen könnte. In einer Cochrane-Analyse aus dem kommen: Uralgebiet; vor allem übertragen durch
Jahr 2013 wurde festgestellt, dass Dukoral lediglich Ixodes persulcatus) und Fernöstlicher Subtyp (Vorkom-
in einem Randomized Controlled Trial (RCT) bei aus men: Russland und bewaldete Regionen in China
den USA nach Mexiko einreisenden Personen un- und J apan; übertragen durch Ixodes persulcatus).15, 220
tersucht wurde und dass insgesamt keine ausrei- Daneben wurden in jüngster Zeit noch einige weni-
chende Evidenz vorliegt, dass der Impfstoff gegen ger verbreitete Subtypen entdeckt, wie z. B. der
eine Reisediarrhö durch ETEC schützt.215 Die Chole Himalaya-Subtyp.219 TBE ist der englische Überbe-
raimpfung mit Dukoral wird demnach Reisenden griff für alle Virus-Subtypen; der deutsche Begriff
nicht empfohlen, um sie vor einer Reisediarrhö zu „FSME“ bezeichnet nur die Erkrankung mit dem
schützen. Eine Kreuzprotektion für ETEC wurde bei europäischen Subtyp.219
VAXCHORA nicht untersucht.
Neben den aufgeführten TBE-Virus-Subtypen gibt es
Bei PatientInnen mit CED unter Vedolizumab-The- noch weitere Viren, die ebenfalls durch Zecken über-
rapie (Antikörper gegen a4b7-Integrin) wurde eine tragen werden und eine Enzephalitis auslösen kön-
verminderte Wirksamkeit eines oralen Choleraimpf- nen. Dazu zählen z. B. das Powassan-Virus (Zuord-
stoffs gezeigt.216 PatientInnen unter Vedolizumab- nung zu Flaviviren15) sowie das Eyach-, Kemerovo-
Therapie sollten daher generell keine oral zu verab- und das Lipovnik-Virus, die den Reoviren zugeord-
reichenden Impfstoffe erhalten.156 net werden. Auf diese Viren wird hier nicht näher
eingegangen, da die von ihnen hervorgerufenen Er-
krankungen nicht impfpräventabel sind.
5.2 Frühsommer-Meningoenzephalitis
(FSME) und verwandte Virus Das TBE-Virus zirkuliert in der Natur zwischen Ze-
enzephalitiden (TBE, tick-borne cken und kleinen Nagetieren, aber auch Wild- und
encephalitis) TBE (früher FSME) Haustiere (Hasen, Rotwild, Schafe, Ziegen etc.) kön-
nen eine Rolle spielen. Der Mensch ist zufälliger
Endwirt. Das Virus wird nicht von Mensch zu
Durch Zecken übertragene Viruserkrankungen
Mensch übertragen. Eine vertikale Transmission auf
in Zentral-, Nord- und Ost-Europa sowie in
den Fötus wurde bislang nicht beobachtet.221
Zentral- und Nordasien, die mit einer Menin
gitis, Enzephalitis und/oder einer Myelitis
5.2.2 Geografische Verbreitung,
einhergehen können.
Epidemiologie und Risikofaktoren
einer Übertragung
5.2.1 Erreger und Übertragung Die FSME und verwandte Virusenzephalitiden ge-
Der Erreger der FSME und verwandter Virusenze hören zu den häufigsten viralen Erkrankungen des
phalitiden gehört wie die durch Stechmücken über- Zentralnervensystems in Zentral- und Nordeuropa
tragenen Dengueviren (DENV), Gelbfieberviren sowie Russland und sind ebenso in China und der
(YFV), Japanische-Enzephalitis-Viren (JEV), West- Mongolei endemisch. Laut WHO werden jährlich
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 39
Fälle/infizierte Zecken in
einigen Regionen beschrieben
Kein Endemiegebiet
Keine Daten
10.000–12.000 Fälle weltweit gemeldet, wobei eine wobei bei mildem Wetter die Zeckenaktivität beider
hohe Untererfassung angenommen wird.14, 220, 222 In Spezies und somit die Virustransmission bis in die
Europa werden zurzeit die meisten Fälle aus Russ- Spätherbst- und Wintermonate andauern kann.14–18, 226
land, Slowenien, den baltischen Staaten und Tsche- Einzelfälle außerhalb der klassischen Endemiegebie-
chien gemeldet.223, 224 te wurden ebenfalls in den letzten Jahren in Zentral-
und Nordeuropa beobachtet, auch in höheren Lagen
Infizierte Zecken sind bevorzugt im Wald- und Wie- > 1.500 m.218, 227–231 In den letzten Jahren wurden Ein-
sengürtel zu finden und können die Viren vorrangig zelfälle auch außerhalb der klassischen Endemiege-
als Nymphen oder adulte Zecken übertragen. Die biete beschrieben (z. B. in England, Dänemark, Frank-
Prävalenz von virusinfizierten Zecken der Gattung reich und den Niederlanden).232–235 Männer sind in
I. ricinus variiert zwischen 0,5–5 %, bei I. persulcatus Europa etwa 1,5-mal häufiger betroffen als Frauen.236
beträgt dieser Anteil in bestimmten Regionen Russ-
lands bis zu 40 %.225 Der Lebenszyklus und die Ak- Über das Risiko bei Reisenden liegen wenig Daten
tivität der Zecken werden von klimatischen Einflüs- vor, da in Endemiegebieten auftretende Fälle häufig
sen sowie der Populationsdynamik ihrer Wirtstiere nicht als importiert erkannt werden.237, 238 Retrospek-
beeinflusst. In Zentraleuropa wird die Hauptaktivität tive Analysen ergaben ein Risiko für eine (sympto-
der Zecken (I. ricinus) im April/Mai und September/ matische) Erkrankung von 0,5–1,3/100.000 für un-
Oktober beobachtet, die Aktivität von I. persulcatus geimpfte Reisende während eines Aufenthalts un-
hat ihren Höhepunkt von Ende April bis Juni/Juli, bestimmter Länge in einem Endemiegebiet.238
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 40
peähnlichen Symptomen, seltener gastrointesti- Die Grundimmunisierung soll möglichst mit dem
nale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen; nach gleichen Impfstoff durchgeführt werden, bei Auf
symptomfreiem Intervall von ca. 7 Tagen spezifi- frischimpfungen oder bei Impfstoffengpässen sind
sche neurologische Manifestationen, von einer die beiden Impfstoffe austauschbar.252 Unterschiede
milden Meningitis bis hin zu schwerer Enzepha- in den Impfschemata der beiden Impfstoffe sind zu
litis mit oder ohne Myelitis/Paralysen beachten, s. auch 5.2.7 „Impfschemata“.
▶▶ 70–95 % der Infektionen asymptomatisch oder
Bei Einhalten der empfohlenen Impfintervalle sind Myalgie und Kopfschmerzen und bei Kindern im
ge unerwünschte Arzneimittelwirkungen (können kung sollte Impfung auf einen späteren Zeitpunkt
mehr als 1 von 10 Personen betreffen) sind z. B. Lo- verschoben werden.
kalreaktionen an der Injektionsstelle, Unwohlsein,
Gelbfieber
Neu empfohlen seit Ausbruch
2017/2018
Empfohlen
Nicht empfohlen
einzelnen Karibikinseln sowie in südlichen Teilen völkerung und der unvollständigen Surveillance-
Mittelamerikas auf (s. Abbildung 3).264 Die Virus- Daten schwierig.269
transmission in den Endemiegebieten ist vektorbe-
dingt während der Regenzeit am höchsten.262 Jährlich Das Risiko für Reisende für eine Gelbfiebererkran-
gibt es weltweit ungefähr 140.000 – 200.000 Fälle kung ist vom Impfstatus, der geografischen Lage
von Gelbfieber mit ca. 30.000 – 78.000 Todesfällen, des Reiseziels, der Reisesaison, der Expositionsdau-
von denen schätzungsweise 90 % in Afrika auftre- er und den Aktivitäten während der Reise abhän-
ten.262, 265 Seit den 1980er Jahren kam es in Afrika gig.270 Gelbfiebererkrankungen bei Reisenden und
südlich der Sahara und in Südamerika zu einem im Ausland arbeitenden Personen (Expatriates) sind
Wiederanstieg von Gelbfiebererkrankungen.266 Allein seit Einführung der Impfung sehr selten,267, 271 in
in den Jahren 2016/2017 bzw. 2017/2018 gab es die den letzten Jahren wurden lediglich Einzelfälle bei
seit Jahrzehnten größten Ausbrüche in Brasilien Reisenden mitgeteilt.272–275 Es gibt wenige Ausnah-
mit 784 bzw. 1.376 gemeldeten Fällen,267 auch Tou- men wie z. B. die jüngsten Ausbrüche in bislang
risten erkrankten. nicht-endemischen Regionen der Ostküste Brasili-
ens,276 bei denen auch vermehrt Reisende betroffen
Man schätzt, dass jährlich etwa 9 Millionen Men- waren. Zwischen 1970 und 2015 wurden insgesamt
schen aus Nicht-Endemieländern in Länder reisen, 10 Fälle bei ungeimpften Reisenden in Europa und
in denen Gelbfieber endemisch ist. Etwa 3 Millio- den USA gemeldet. Die CDC schätzen, dass für ei-
nen Reisende besuchen innerhalb dieser Länder nen 2-wöchigen Aufenthalt in einer westafrikani-
Regionen, in denen YFV übertragen wird.268 Schät- schen Endemieregion das Risiko von nicht geimpf-
zungen zum Risiko von reiseassoziierten Gelbfie ten Reisenden für eine Erkrankung an bzw. den Tod
bererkrankungen sind aufgrund der jahres- und durch Gelbfieber bei 50:100.00 bzw. 10:100.000
saisonbedingten Schwankungen der Erkrankung, Reisende liegt.270 Das Risiko für Erkrankung bzw.
der unterschiedlichen Impfraten in der lokalen Be- Tod bei einer 2-wöchigen Reise wird für Lateiname-
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 44
ringer eingeschätzt, wobei das Risiko von Land zu ▶▶ Letalität in der 2. Phase: 20 – 60 %263, 279
Land stark schwanken kann. Das liegt daran, dass ▶▶ erhöhte Letalität assoziiert mit höherem Lebens-
Gelbfieber
10 Fälle auf 1 Million Impfstoffdosen.115, 286 ver Biologika, Zytostatika oder nach Bestrahlung
▶▶ Thymuserkrankungen inkl. Thymom und Myas-
Zwei sehr seltene, aber schwere unerwünschte Arz- thenia gravis, Zustand nach Thymektomie (es gibt
neimittelwirkungen sind die Gelbfiebervakzine- allerdings keine Daten, die ein erhöhtes Risiko
assoziierte neurologische Erkrankung (YEL-AND, nach akzidentieller Thymektomie bei herzchirur-
Yellow Fever-Associated Neurotropic Disease)287 und die gischen Eingriffen bei Kindern > 1 Jahr belegen289)
Gelbfiebervakzine-assoziierte viszerale Erkrankung ▶▶ Da möglicherweise genetische Faktoren in der
(YEL-AVD, Yellow Fever-Associated Visceral Disease).119 Ätiologie der YEL-AND und der YEL-AVD eine
Bei Säuglingen kommt fast nur erstere vor; der Rolle spielen, sollte die Impfung nicht erfolgen,
Impfstoff soll bei Säuglingen < 9 Monaten nicht ver- wenn schwere unerwünschte Arzneimittelwirku-
wendet werden. In den USA beträgt die Melderate gen nach einer Gelbfieberimpfung bei Verwand-
0,8 pro 100.000 Dosen für die YEL-AND.288 Ein Le- ten ersten Grades aufgetreten sind.288, 289, 292, 293
bensalter über 60 Jahre wird als möglicher Risiko-
faktor für das Auftreten einer YEL-AND und einer Relative Gegenanzeigen
YEL-AVD gesehen mit einer bis zu 4-fach erhöhten Bei Kindern in Alter von 6 bis 8 Monaten sollte eine
Inzidenz.100, 117, 118, 119, 289, 290 Die YEL-AVD entspricht Reise in ein Gelbfieberendemiegebiet vermieden
klinisch einer Gelbfieberinfektion. Diese uner- bzw. bis zum Alter von mind. 9 Monaten verscho-
wünschte Arzneimittelwirkung wurde in einer Grö- ben werden. Falls die Reise unvermeidar ist, kann
ßenordnung von 0,3 pro 100.000 verabreichten eine Impfung erwogen werden.294
Impfstoffdosen mit einer Letalität von ca. 50 – 60 %
beobachtet.288, 290 Als Ursache werden immunmodu- Bei Personen im Alter ≥ 60 Jahren soll die Impfent
lierende Wirtsfaktoren vermutet. Das Risiko besteht scheidung unter sorgfältiger Abwägung der Grund
fast ausschließlich bei Erstimpfung und steigt im erkrankungen, der Medikamente/Behandlungen, der
höheren Lebensalter an.115, 116, 291 geplanten Reiseroute etc. getroffen werden.114, 289, 294
Gegenanzeigen: Für die ärztliche Aufklärung sind Die Anwendung während der Schwangerschaft ist
die Informationen aus den Fachinformationen ver- relativ kontraindiziert, bei unvermeidbarem Exposi-
bindlich. Im Folgenden finden sich die wesentli- tionsrisiko kann die Impfung nach sorgfältiger Risi
chen Gegenanzeigen bzw. ergänzende Hinweise: ko-Nutzen-Abwägung verabreicht werden.295, 296
In bestimmten Fällen ist es möglich, dass eine ein- tionrisiko) als Ersatz für den Nachweis einer Gelbfie-
Hepatitis A
malige Impfung keinen lebenslangen Schutz bewir- berimpfung eine Impfbefreiung ausgestellt werden
ken kann: (exemption certificate; Formulierung z. B.: „Ms./Mr. ...
cannot be vaccinated against yellow fever for medical rea-
▶▶ Impfung vor dem 2. Lebensjahr, v. a. bei gleich- sons“). Länder, für die eine Nachweispflicht besteht,
zeitiger Gabe eines MMR-Impfstoffs32, 103 sind zur Anerkennung dieser Impfbefreiung nicht
▶▶ Impfung (z. B. akzidentiell) während der verpflichtet. Für Reisende in Gelbfiebergebiete muss
Schwangerschaft vor Ausstellung eine genaue Risikoabschätzung er-
▶▶ Impfung (akzidentiell) bei HIV-Seropositivität, folgen. Unabhängig von einer erfolgten Gelbfieber
wenn zum Zeitpunkt der Impfung CD4+-T-Zell- impfung ist es unverzichtbar, alle Reisenden auf eine
zahl < 200/μl* und/oder Viruslast nicht suppri- bestmögliche Expositionsprophylaxe hinzuweisen.
miert
▶▶ Impfung (akzidentiell) bei Immundefizienz, z. B. Blutspender sind nach Verabreichung der Gelbfieber
< 24 Monaten nach Stammzelltransplantation impfung (Lebendimpfung) für 4 Wochen von der
* CD4+-T-Zellzahl < 200/µl gilt erst ab ≥ 6 Jahren; Blutspende ausgenommen.
Bei Kindern 1 bis < 6 Jahren: CD4+-T-Zellzahl < 500/µl;
Bei Säuglingen < 1 Jahr: CD4+-T-Zellzahl < 750/µl298
5.4 Hepatitis A
Bei diesen genannten Risikogruppen muss bei wei-
terhin bestehender Exposition gegenüber YFV eva- Die Hepatitis A ist eine fäkal-oral übertragene,
luiert werden, ob eine Auffrischimpfung gegeben außerhalb der Industrieländer weit verbreitete
werden sollte. Die Frage einer notwendigen Auf virale Infektion der Leber, deren klinisches Bild
frischimpfung für mehr als die genannten Risiko- vom inapparenten Verlauf bis zum seltenen
gruppen wird kontrovers diskutiert.279, 284 Die STIKO akuten Leberversagen reichen kann.
führt derzeit zu diesem Thema eine wissenschaft
liche Aufarbeitung durch; die Publikation der Ergeb
nisse ist für 2021 vorgesehen. 5.4.1 Erreger und Übertragung
Der Mensch und nicht-humane Primaten sind die
5.3.8 Indikation einzigen natürlichen Wirte des Hepatitis-A-Virus
Für den Besuch einiger Länder gilt eine Nachweis- (HAV).299 Das umwelt- und pH-resistente (pH3 – 8)
pflicht der Gelbfieberimpfung bei Einreise bzw. bei unbehüllte Picornavirus mit einzelsträngiger RNA
Transit aus bestimmten gelbfieberendemischen wird mit dem Stuhl z. T. über mehrere Wochen aus-
Ländern, s. Kapitel 6 Ländertabelle. Unabhängig geschieden und fäkal-oral weitergegeben. HAV bleibt
von einer Nachweispflicht bei Einreise gibt es in ei- in Oberflächenwasser bis zu 3 Monate, auf trocke-
nigen Ländern bzw. in Regionen bestimmter Länder nen Oberflächen bei Raumtemperatur mindestens
das Risiko einer Infektion mit dem Gelbfiebervirus. 1 Monat infektiös.300 Es wird bei Temperaturen > 80°C
Für welche Länder/Regionen eine Empfehlung für wirksam inaktiviert.300 Diese Faktoren ermöglichen
eine Gelbfieberimpfung aller Reisenden ab dem die Übertragung über verunreinigtes Trinkwasser,
Alter von ≥ 9 Monaten gilt, findet sich ebenfalls in kontaminierte Lebensmittel und als Schmierinfek-
der Ländertabelle im Kapitel 6. tion über Gegenstände und Hände.
Hepatitis A
Impfung empfohlen
Abbildung 4 | Geografische Darstellung der Länder mit einer Impfindikation für Hepatitis A
Quelle: Robert Koch-Institut, modifiziert nach WHO, 2012304
nach der Wahrscheinlichkeit eingeteilt werden, mit lich zurückgegangen, sodass diese Länder nicht
der einheimische Kinder oder junge Erwachsene mehr als endemisch gelten. Kinder, Jugendliche und
anti-HAV-positiv sind.302, 303 Dabei gelten Länder als Erwachsene in diesen Ländern, die nach 1950 gebo-
hochendemisch, wenn deren 10-jährige Bevölke- ren sind, weisen in der Regel keine Immunität auf.
rung zu mindestens 90 % bzw. als mittelendemisch, Auf Reisen erworbene HAV-Infektionen bei Nicht-
wenn deren 15-jährige Bevölkerung zu mindestens Geimpften machen deshalb einen Großteil der in In-
50 % und die 10-jährige Bevölkerung zu unter 90 % dustrieländern gemeldeten Fälle aus. In verschiedenen
anti-HAV-positiv ist.304 Untersuchungen liegt der Anteil immuner Reisen-
der in den Industriestaaten bei 22 – 79 %.308–313 Für
In Endemiegebieten ist durch die überwiegend kli- 2019 wurden in Deutschland 873 Fälle gemeldet. Da-
nisch inapparente HAV-Infektion im Kindesalter die von wurden für 584 Fälle (67 %) Angaben zum mög-
Immunität in der Bevölkerung hoch. Endemiege- lichen Infektionsort übermittelt, die in 34 % eine
biete sind Mittel- und Südamerika, Afrika, Südost- Reiseassoziation zeigten.314 Die bei Reisenden aus
asien, Russland, der nahe Osten, der außereuropäi- Deutschland am häufigsten genannten Infektions-
sche Mittelmeerraum sowie einige europäische Län- länder waren Marokko, die Türkei, Pakistan, Ägyp
der. Auch in Industrieländern gibt es immer wieder ten, Indien, Spanien, Rumänien und Italien,9 wobei
Ausbrüche mit HAV, z. B. durch importierte tiefge- berücksichtigt werden muss, dass in Anbetracht der
frorene Erdbeeren.9 Außerhalb von Endemiegebie- hohen Anzahl Reisender nach Spanien bzw. Italien
ten kommen HAV-Infektionen gehäuft unter (im Millionenbereich) die Zahl der aus diesen bei-
i.v.-Drogengebrauchenden, Obdachlosen und Män- den Ländern importierten Fälle sehr gering ist (10
nern vor, die Sex mit Männern haben (MSM).305 Es bzw. 9 Fälle9).
kann auch zu Übertragungen im Rahmen enger
Personenkontakte kommen wie z. B. in gemeinsa- Reisemedizinisch von Bedeutung sind fäkale Kon
men Haushalten306 oder in Kindergärten; Betreu- taminationen von Trinkwasser, Händen, Toiletten
ungspersonal in Kinderkrippen und Kindergärten und Lebensmitteln wie z. B. Muscheln, Datteln oder
hat ein erhöhtes Infektionsrisiko.307 Salat. Zudem ist der Kontakt zu frisch Infizierten
aufgrund ihrer klinischen Inapparenz als Infektions
In industriell entwickelten Ländern ist die Hepatitis- quelle relevant.315, 316
A-Inzidenz in den letzten Jahrzehnten kontinuier-
Epidemiologisches Bulletin 14 | 2021 8. April 2021 48
Das Hepatitis-A-Risiko für Reisende hat über die haben höheres Risiko für schwerwiegende
Hepatitis A
abschätzen. So wurde in einer älteren Studie aus der schen Infektionen über ikterische Verläufe bis
Schweiz eine Inzidenzrate von 6,0 – 28,0 Fällen pro zu fulminanten Hepatitiden mit akutem Leber-
100.000 nicht-immuner Reisenden beschrieben.318 versagen reichen
▶▶ Abgeschlagenheit, Leistungsminderung, mäßi-
Im Jahr 2019 wurden insgesamt 70,8 Millionen Rei- ges Fieber, Druckgefühl im Oberbauch, im Ver-
sen aus Deutschland registriert, von denen 8,4 % lauf Haut- und Sklerenikterus sowie Hellfärbung
Fernreisen, 37,9 % Reisen ans Mittelmeer und 7,2 % des Stuhls und Dunkelfärbung des Urins,316
Reisen nach Osteuropa waren.319 Damit ergibt sich, häufig ausgeprägter Juckreiz
dass jährlich ca. 35 Millionen Reisen Fernreisen ▶▶ Lebervergrößerung, evtl. auch Splenomegalie,
von ausginge, dass ca. 30 % der Reisenden in diese Veränderungen, in rund 10 % der Fälle über Wo-
Regionen ungeimpft sind (ca. 10 Millionen), läge chen oder Monate protrahierter Verlauf möglich
das Risiko nach Berücksichtigung der übermittelten
Fälle (199 im Ausland erworbene Hepatitis-A-Fälle9) Prognose
für eine Reise bei 2 symptomatischen Hepatitis-A- ▶▶ Chronische Erkrankungen oder Viruspersistenz
Infektionen von 100.000 Reisen. Selbst wenn man kommen nicht vor
von einer gewissen Dunkelziffer ausgehen muss, ▶▶ fulminante Hepatitis (akutes Leberversagen mit
u. a. da 25 bis 30 % der Fälle bei Erwachsenen und Enzephalopathie) in weniger als 1 % der Fälle321, 322
der Großteil der Fälle bei Kindern asymptomatisch ▶▶ Letalität 0,1 – 0,6 %, bei Erwachsenen ≥ 50 Jahre
verlaufen, ist das Risiko für eine Hepatitis-A-In bis 1,8 %322, 323
fektion durch eine Reise insgesamt gering. Aller- ▶▶ lebenslange Immunität nach Hepatitis-A-Infektion
Hepatitis A
Die Effektivität der HAV-Impfstoffe ist in mehreren mundefizienz gibt es noch nicht genügend Evidenz.
großen Placebo-kontrollierten Studien in Hochen-
demieländern untersucht worden.324 Die Schutzra- Sicherheit
ten betrugen zwischen 94 und 100 %.325, 326 Unerwünschte Arzneimittelwirkungen: Sehr häufi-
ge unerwünschte Arzneimittelwirkungen (können
Einen Monat nach Verabreichung der 1. Impfstoff- mehr als 1 von 10 Personen betreffen) der monova-
dosis kommt es bei 95 – 99 % der mit dem monova- lenten Impfstoffe bei Kindern und Erwachsenen
lenten Impfstoff Geimpften zur Serokonversion.302 sind Lokalreaktionen an der Injektionsstelle, Asthe-
Der Hepatitis-A- und -B-Kombinationsimpfstoff ent nie, Müdigkeit, Unwohlsein, Myalgien, Reizbarkeit
hält nur halb so viel Hepatitis-A-Antigen wie die mo und Kopfschmerzen; seltenere unerwünschte Arz-
novalenten Präparate, weshalb auch für einen vor neimittelwirkungen s. Fachinformationen.
läufigen Impfschutz mindestens 2 Impfstoffdosen
notwendig sind. Nach vollständiger Grundimmuni- Gegenanzeigen: Für die ärztliche Aufklärung sind
sierung kann man unabhängig vom verwendeten die Informationen aus den Fachinformationen ver-
Impfstoff aufgrund der in Studien gemessenen An- bindlich. Im Folgenden finden sich die wesentli-
tikörperverläufe von mindestens 25 Jahren Schutz chen Gegenanzeigen bzw. ergänzende Hinweise:
ausgehen.327, 328 Aktuell wird bei Immunkompetenz
keine Auffrischimpfung nach korrekt durchgeführ- ▶▶ nachgewiesene schwere Überempfindlichkeits-
ter Grundimmunisierung empfohlen; dies trifft auch reaktion gegen einen im Impfstoff enthaltenen
Alter ≥ 1 Jahr Havrix 720 Kinder (bis < 15 Jahre) Grundimmunisierung:
2 Impfstoffdosen im Abstand von 6 –12 Monaten
VAQTA Kinder 25E/0,5 ml (bis < 18 Jahre) Grundimmunisierung:
2 Impfstoffdosen im Abstand von 6 –18 Monaten
Alter ≥ 15 Jahre, Erwachsene Havrix 1440 (für Alter ≥ 15 Jahre) Grundimmunisierung:
2 Impfstoffdosen im Abstand von 6 –12 Monaten
VAQTA 50E/1 ml (für Alter ≥ 18 Jahre) Grundimmunisierung:
2 Impfstoffdosen im Abstand von 6 –18 Monaten
AVAXIM (für Alter ≥ 16 Jahre) Grundimmunisierung:
2 Impfstoffdosen, 2. Impfstoffdosis möglichst < 6–12 Monaten nach
1. Impfstoffdosis, jedoch < 36 Monaten nach 1. Impfstoffdosis
Aufgrund der Inkubationszeit ist bei einem Abreisezeitpunkt nach der ersten Impfstoffdosis ein Schutz vor einer reiseassoziierten Erkrankung
gegeben, Dauer ca. 6 Monate. Erst nach der 2. Impfstoffdosis ist die Grundimmunisierung abgeschlossen. Cave: Die Fachinformationen definie-
ren eine Impfstoffdosis als Grundimmunisierung und die 2. Impfstoffdosis als Auffrischimpfung; die STIKO definiert 2 Impfstoffdosen als Grund
immunisierung und potentielle weitere Impfstoffdosen als Auffrischimpfungen.
Die Notwendigkeit einer Auffrischimpfung nach Abschluss der Grundimmunisierung wird kontrovers diskutiert, weitere Einzelheiten s. Text zur
Wirksamkeit.
Alter ≥ 1 bis < 16 Jahre Twinrix Kinder (Kombinationsimpfstoff mit Grundimmunisierung:
Hepatitis B) 3 Impfstoffdosen im Schema 0, 1, 6 Monate*
Alter ≥ 16 Jahre, Erwachsene Twinrix Erwachsene (Kombinationsimpf- Grundimmunisierung:
stoff mit Hepatitis B) 3 Impfstoffdosen im Schema 0, 1, 6 Monate*
Alternativ Schnellimpfschema:
4 Impfstoffdosen im Schema 0, 7, 21 Tage, 12 Monate*
Alter ≥ 16 Jahre, Erwachsene ViATIM Grundimmunisierung:
(Kombinationsimpfstoff mit Typhus) 1 Impfstoffdosis, nach 6 (–12) Monaten 1 Impfstoffdosis mit
monovalentem Hepatitis-A-Impfstoff. Alternativ bei fortbestehendem
Typhus-Risiko 2. Impfstoffdosis ViATIM im Abstand von ca. 36 Mona-
ten zur 1. Impfstoffdosis.
*
Impfabstände bezogen auf die Gabe der 1. Impfstoffdosis
Ein Impfschutz gegen Hepatitis A besteht bei der Verwendung des Kombinationsimpfstoffs aufgrund der niedrigen Antigenmenge erst nach der
2. Impfstoffdosis. Für einen Langzeitschutz sind je nach verwendetem Schema 1 bzw. 2 weitere Impfstoffdosen notwendig. Die Notwendigkeit
einer Auffrischimpfung nach Abschluss der Grundimmunisierung wird kontrovers diskutiert, weitere Einzelheiten s. Text zur Wirksamkeit.
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gen HAV klären, ob auf Impfungen verzichtet wer- zierten Mutter, wobei bei der in manchen Län-
den kann; dies muss unter Berücksichtigung der dern teilweise noch üblichen traditionellen
Kosten mit dem Reisenden individuell diskutiert Geburtsbetreuung wiederverwendete Utensilien
werden. Ein serologischer Nachweis e iner Wild (Scheren, Rasierklingen, improvisierte Nabel-
virusinfektion sollte im Impfausweis vermerkt wer- schnurklemmen) das Risiko einer Übertragung
den, um unnötige Impfungen zu vermeiden. zusätzlich erhöhen können
▶▶ i.v.-Drogenkonsum mit Spritzen- und Kanülen
ist es möglich, dass eine postexpositionelle Impfung lungen (z. B. HBV-positive Blutprodukte, unzu-
mit monovalenten Impfstoffen innerhalb von 14 Ta- reichende Aufbereitung bzw. fehlende Sterilität
gen nach Exposition eine Erkrankung noch verhin- von medizinischen Instrumenten, operative Ein-
dern kann. griffe mit Verletzungsrisiko)
▶▶ Ohrlochstechen, Piercings, Tätowierungen und
Hepatitis B
von HBV-positiven Menschen (z. B. bei Wund- EuroTravNet (European Travel Medicine Network) sieht
versorgung, gemeinsam benutzten Rasierern eine starke Assoziation der Hepatitis B mit interna-
oder Zahnbürsten) tionaler weltweiter Migration,333 was Boggild et al.
für Kanada bestätigen.334 Eine dänische Fall-Kon
5.5.2 Geografische Verbreitung, troll-Studie beziffert die Hepatitis-B-Inzidenz mit
Epidemiologie und Risikofaktoren 10,2 Fällen ungeimpfter Reisender pro 100.000 Rei-
der Übertragung semonate und bestätigt im Wesentlichen die vorge-
Unter verschiedenen kulturellen und ökonomischen nannten Risiken.335 Abreu gibt 420 Infektionen pro
Rahmenbedingungen und in Abhängigkeit von der 100.000 Reisende an, davon 25 symptomatisch.336
Umsetzung von Impfprogrammen variiert die Prä-
valenz der chronischen Hepatitis B zwischen Län- 5.5.3 Risiko der Weiterverbreitung einer
dern und Regionen, aber auch zwischen verschie- Infektion durch Import
denen gesellschaftlichen Gruppen erheblich. Importierte HBV-Infektionen tragen erheblich zur
Zahl der in Deutschland erfassten HBV-Infektionen
Nach den Daten des Global Hepatitis Report 2017 bei. Die Weiterverbreitung erfolgt über die oben be-
der WHO sind 257 Millionen (3,5 % der Weltbevöl- schriebenen Transmissionswege und wird im We-
kerung) weltweit chronisch infiziert.330 Bezieht man sentlichen durch das Risikoverhalten determiniert.
sich auf die Bevölkerung einer WHO-Region, so
kommt man auf Prävalenzen zwischen 0,7 % (Nord- 5.5.4 Klinik
und Süd-Amerika) und 6,2 % (Western Pacific Re Inkubationszeit
gion). Etwa 887.000 Todesfälle jährlich werden der Durchschnittlich 60 – 90 Tage, Spanne 45 – 180 Tage
Hepatitis B zugeschrieben.330
Die HBV-PCR und das HBsAg im Blut können be-
Deutschland ist mit ca. 0,3 % Prävalenz ein Niedrig reits deutlich vor Symptombeginn positiv werden.
endemiegebiet, wobei die Prävalenz in vulnerablen Bei inapparentem Verlauf wird die Infektion oft erst
Gruppen deutlich höher liegen kann.31, 331 Die höchs- im Rahmen einer Blutspende oder Routine- bzw. ar-
ten Inzidenzen finden sich bei beiden Geschlech- beitsmedizinischen Untersuchung diagnostiziert.
tern in der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen, wo-
bei die Wohngemeinschaft mit einem Hepatitis-B- Symptomatik
Virusträger und die sexuelle Transmission als häu- ▶▶ bei 70 % subklinische Verlaufsform oder mit
nach folgten in absteigender Reihenfolge die Türkei, ▶▶ bei ca. 1 % fulminante Hepatitis mit letalem Aus-
Rumänien, Syrien, Vietnam und Nigeria.9 Schwer gang, häufiger ab einem Alter von 40 Jahren, bei
abzuschätzen ist der Anteil der sporadischen Hepa- Schwangeren und bei Neugeborenen infizierter
titis-B-Infektionen, die auf Urlaubs- und Dienstrei- Mütter323
sen im Ausland erworben werden. Dies liegt auch
an der verzögerten Diagnosestellung aufgrund einer Prognose
unspezifischen oder fehlenden Klinik. Connor et al. ▶▶ Serokonversion beim Erwachsenen in > 90 % die
stellten in einer Befragung zu Risikofaktoren für Regel (5 – 10 % chronische Verlaufsform), beim
eine HBV-Infektion fest, dass 8 % der Befragten Säugling mit < 10 % die Ausnahme329, 331, 337, 338
während der Reise ein hohes Risiko hatten (medizi- ▶▶ bei Ko-Infektion mit dem Hepatitis-D-Virus fast
nische Behandlung wegen Unfall oder Krankheit, immer schwere chronische Verläufe
zahnmedizinische Behandlung, kosmetische Ein- ▶▶ bei Nachweis von HBsAg nach 6 Monaten
griffe mit Penetration der Haut, Sex mit zuvor un- spricht man von einer chronischen HBV-Infek
bekannten Einheimischen).332 Ein erhöhtes Risiko tion (Leberwerte normwertig oder erhöht als
war assoziiert mit längerer Reisedauer, männlichem Zeichen eines Leberzellschadens)
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▶▶ langfristig Entwicklung einer Leberzirrhose gischer Testungen sollten in den Impfausweis ein-
Hepatitis B
oder eines Leberzellkarzinoms (hepatozelluläres getragen werden, auch wenn das Schutzkorrelat
Karzinom, HCC) möglich nicht erreicht wurde.32
monovalente Impfstoffe die Präparate Engerix-B kung sollte Impfung auf einen späteren Zeit-
und HBVAXPRO Verwendung. punkt verschoben werden
Je nach Indikation finden Impfstoffe mit unterschied Anwendung während Schwangerschaft und Stillzeit
lichem Antigengehalt Anwendung. Impfstoffe un- nur bei strenger Indikationsstellung (Risiko-Nutzen-
terscheiden sich zudem in ihrem Adjuvans sowie Abwägung). Bei Verwendung von Engerix stellt das
dem Vorhandensein weiterer Impfantigene in Kom- Stillen keine Kontraindikation für eine Impfung dar.
binationsimpfstoffen (Hepatitis-A/B-Kombinations
impfstoff, Sechsfachimpfstoff DTaP-IPV-Hib-HepB). 5.5.7 Impfschemata
Die Anwendung erfolgt durch intramuskuläre In- Siehe Tabellen 7 und 8.
jektion.
5.5.8 Indikation
Wirksamkeit Vor Prüfung einer reisebedingten Impfindikation
Die Impfung induziert die Bildung von anti-HBs- sollte geprüft werden, ob die oder der Reisende
Antikörpern sowie eine zelluläre, gegen HBsAg ge durch Erkrankung (z. B. Lebererkrankung, Gabe von
richtete Immunität. Die Serokonversionsraten liegen Blutprodukten, Dialyse), Beruf (z. B. Arbeit im Poli-
nach Abschluss der Grundimmunisierung bei zei- und Justizdienst, Arbeit in einer medizinischen
88 – 95 %.339, 340 Die STIKO empfiehlt für die HBV- Einrichtung) oder andere Gegebenheiten (z. B. Haus
Standardimpfung sowie für die HBV-Indikations haltsmitglied eines chronisch Infizierten, MSM, i.v.-
impfung bei Reisen keine routinemäßige serologische Drogengebrauch, wechselnde SexualpartnerInnen)
Kontrolle nach erfolgter Grundimmunisierung. bereits eine von der R eise unabhängige Indikation
Vielmehr ist die Impferfolgskontrolle beschränkt zur Impfung hat (s. Epid Bull 34/2020, Tabelle 2,
auf Einzelfälle entsprechend des individuellen Ex Kategorie ‚I‘ und ‚B‘).
positionsrisikos und wird ggf. 4 – 8 Wochen n