DIE UBERSICHT
Virus-Serie (4)
Die Herpes-simplex-Enzephalitis
Hilmar W. Prange und Bernd Kitze
D
ie Herpes-simplex-Viren breitung sowie immunologische
Typ 1 und 2 (HSV-1 und rale Infektionserkrankung des Ge- Mechanismen diskutiert. Die Folge
HSV-2) sind ubiquitär ver- der ZNS-Infektion ist eine hämor-
breitet. Nahezu 90 Prozent hirns, die ohne adäquate Behandlung rhagisch-nekrotisierende Enzepha-
der Erwachsenen besitzen Antikör- meistens tödlich verläuft. Unbehandelt litis, die häufig ausgedehnte Narben
per gegen HSV-1, etwa 30 Prozent zurückläßt.
gegen HSV-2. Die Erstinfektion mit trübt der Patient nach wenigen Tagen
HSV-1 findet zumeist im Kindesal- ein. Auch wenn die Erkrankung nicht
ter, beispielsweise in Form einer
häufig ist, so sollten die Kardinalsym- Klinik der
Stomatitis aphthosa, statt. Ein we- Herpes-Enzephalitis
sentliches Merkmal aller Herpes- ptome sowohl dem Hausarzt als auch
Virus-Infektionen ist die Persistenz dem Notarzt bekannt sein, um den Pa- Der Verlauf und die Sympto-
des Virus im Organismus und die matik der HSE sind bestimmt durch
Möglichkeit der späteren Reakti- tienten frühzeitig in eine Klinik zur in- die Dominanz der Infektion im
vierung des infektiösen Prozesses. tensivmedizinischen Behandlung und Schläfenlappen. Daneben sind sel-
Darüber hinaus ist für HSV-1, HSV- tenere Verlaufsformen beschrieben,
2 sowie für das Varizella-Zoster-Vi- neurologischen Diagnostik einzuweisen. bei denen ein primärer Befall des
rus ein spezieller Neurotropismus Hirnstammes im Vordergrund steht
charakteristisch. Gemessen an der der Mutter zugrunde liegt. Die (12). Es ist bedeutsam, daß die Er-
weiten Verbreitung von Herpes- Häufigkeit beträgt ein bis fünf Er- krankung jede Altersgruppe, Pati-
simplex-Virus-Infektionen, ist der krankungen pro 10 000 Schwanger- enten mit und ohne Vorerkrankun-
durch sie ausgelöste Befall des ZNS schaften. Die Herpes-Infektion des gen, Patienten mit und ohne be-
selten. Es gibt allerdings leichtere Neugeborenen oder Säuglings kann kannten Herpes labialis betreffen
neurologische Erkrankungen, die als generalisierte Erkrankung mit kann. Bei Auftreten der HSE findet
Folge einer HSV-Reaktivierung Beteiligung anderer Organe neben sich in der Regel kein Herpes labia-
sein können, wie die aseptische dem zentralen Nerv'ensystem oder lis. Die Kardinalsymptome und
Meningitis oder die periphere Fa- als reine Enzephalitis in Erschei- Verlaufsstadien sind in Tabelle 1 zu-
zialisparese. Meistens wird die her- nung treten. sammengefaßt. Vom Prodromalsta-
petische Genese dieser Erkrankun- Die Herpes-simplex-Enzepha- dium bis zum präfinalen Stadium
gen wegen des undramatischen Ver- litis (HSE) von Kindern jenseits des vergehen nur vier bis sieben Tage,
laufes nicht beachtet. Neugeborenenalters und Erwachse- danach ist keine effektive Behand-
Die Herpes-simplex-Enzepha- nen wird zumeist durch HSV-1 her- lung mehr möglich. Deswegen muß
litis geht mit einem schweren vorgerufen. Sie entwickelt sich ent- die Diagnose im Stadium der neu-
Krankheitsbild einher. Sie hat unbe- weder auf der Grundlage einer rologischen Herdsymptomatik in
handelt eine Letalität von 70 bis 100 Erstinfektion oder einer späteren Betracht gezogen werden. Als Kon-
Prozent; mit einer Inzidenz von Reaktivierung. Der Pathomechanis- sequenz wird die weitere neurologi-
zwei bis vier Fällen pro einer Milli- mus der Penetration des Erregers in sche Diagnostik und Therapie mög-
on Einwohner macht sie nur 5 bis 10 das Gehirn und des Befalles der lichst auf einer Intensivstation
Prozent aller Virusmeningoenze- Nervenzellen ist noch unklar. Es durchgeführt.
phalitiden aus, ist aber für 50 Pro- werden eine spezielle Neuroviru-
zent der Todesfälle in dieser Er- lenz des HSV-1-Stammes, seine
krankungsgruppe verantwortlich. Fähigkeit zur transaxonalen Aus- Diagnostische
Im Neugeborenenalter tritt ei- Zusatzuntersuchungen
ne Herpes-simplex-Enzephalitis Abteilung Neurologie (Vorsteher: Professor
auf, der meistens eine prä- oder pe- Dr. med. Klaus Felgenhauer), Zentrum Neu- Bei Verdacht einer HSE ist fol-
rinatale Infektion mit HSV-2 infol- rologische Medizin der Georg-August-Uni- gende Zusatzdiagnostik entschei-
ge eines latenten Herpes genitalis versität Göttingen dend für Differentialdiagnose und
Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 47, 25. November 1994 (43) A-3267
MEDIZIN
DIE ÜBERSICHT
A 3268 (44) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 47, 25. November 1994
-
MEDIZIN
DIE UBERSICHT
A 3270 (46) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 47, 25. November 1994
-
MEDIZIN
DIE UBERSICHT
Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 47, 25. November 1994 (71) A-3271
MEDIZIN
DIE ÜBERSICHT / FÜR SIE REFERIERT
A 3272 (48) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 47, 25. November 1994
-