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Jürgen Schweckendiek, 8/2017 1

Muss das so kompliziert sein?


Hilfen für die Unterrichtsfeinplanung des Portfolios

Vorbemerkungen

Machen Sie sich zunächst noch einmal klar, was die Zusatzqualifikation für Sie bedeutet.
Es ist vielleicht eine Chance, eine pädagogische Tätigkeit auszuüben, für die generell eine
akademische Ausbildung die Voraussetzung ist (minimal ein 4-semestriges
Zusatzstudium). In der Lehrerausbildung folgt darauf der Vorbereitungsdienst oder das
Referendariat als praktische fachdidaktische Ausbildung.

Wenn Sie noch ohne Unterrichtserfahrung DaZ die Qualifizierung begonnen haben, sollten
Sie unbedingt baldmöglichst wenigstens eine gewisse Zeit in einem Integrationskurs
hospitieren. Fragen Sie bei einem Träger von Integrationskursen in Ihrer Nähe an, ob er
Ihnen dies ermöglichen kann, und finden Sie eine/n erfahrene/n Kursleiter/in, bei der oder
dem Sie eine Weile, also etwa zwei Wochen hospitieren dürfen. (Die Liste der Träger von
Integrations-kursen finden Sie unter
http://www.bamf.de/DE/Willkommen/DeutschLernen/Integrationskurse/KurstraegerNaehe/
kurstraegernaehe-node.html. (3/2017)

Den Portfolio-Leitfaden des BAMF für die Zusatzqualifizierung von Lehrkräften finden Sie
unter:
http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Integrationskurse/Lehrkr
aefte/portfolio-leitfaden-fuer-die-zusatzqualifikation-von-lehrkraeften- (3/17)
Wenn Sie vom Träger die Portfolio-Word-Datei erhalten haben, übernehmen Sie am
besten einfach deren vorgegebene Gliederung, damit Sie sicher gehen, zu allen Fragen
und Punkten Stellung zu nehmen. Dies ist die Grundlage für die Bewertung (siehe
Bewertungsrichtlinien für das Portfolio). Sie erhalten nach Abgabe und Bewertung später
vom Träger der Qualifizierung eine Kopie der Bewertung mit Korrekturhinweisen.
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Zur Unterrichtsfeinplanung 1

Die Unterrichtsfeinplanung ist der Bestandteil der Qualifizierung, der sich in der künftigen
Tätigkeit unmittelbar auswirkt. Missverständnisse in der verwendeten Terminologie und
Unsicherheiten beim Unterrichtsaufbau beeinträchtigen deshalb das wichtigste Ziel der
Qualifizierung, das darin besteht „einen ganzheitlich geprägten, handlungsbezogenen
Unterricht zu planen und durchzuführen“ (Portfolioleitfaden). Wenn vieles oder das meiste
des Folgenden Ihnen schon bekannt ist, umso besser. Die Hinweise sind bei der Korrektur
und Bewertung von Portfolios entstanden und sollen helfen, oft einfache Fehler,
Unsicherheiten und Missverständnisse zu vermeiden und Klarheit zu schaffen, damit Sie
sich nicht auf die Terminologie, sondern ganz auf die Gestaltung des Unterrichts
konzentrieren können. Vielleicht scheint Ihnen diese zu verwendende Terminologie fremd
und überkompliziert zu sein - manche finden sie anscheinend auch unnötig. Vielleicht
sagen Sie sich: „Dieses eine Mal für diesen einen Zweck muss ich so verfahren, danach in
der täglichen Praxis werde ich den Unterricht nie wieder in dieser Art planen müssen …“

Natürlich benutzt ein/e erfahrene/r Kursleiter/in zur Unterrichtsvorbereitung nicht dieses


Raster und füllt umständlich jede Spalte aus. Aber wenn man fragen würde, warum sie
oder er gerade jetzt im Unterricht diese mündliche Aktivität oder schriftliche Übung
machen lässt, bekäme man z. B. die Antwort: „Damit die Teilnehmenden die neue Struktur
mit den weil-Sätzen sicherer benutzen können. Wenn die an dieser Stelle nicht intensiv
geübt wird, wird später das Rollenspiel, die die pro und contra Diskussion etc. sehr, sehr
holprig und korrekturlastig verlaufen.“ Ebenso könnte der oder die KL jederzeit sagen,
welcher Wortschatz und welche Struktur gerade gelernt und geübt werden, in welcher
Unterrichtsphase man sich befindet und in welcher Sozialform gearbeitet werden soll. Die
Antworten wären damit gar nicht mehr weit entfernt von den geforderten Formulierungen
des Portfolios, die nur ein bisschen anders klingen: Die TN können die Strukturen mit den
weil-Sätzen in Übung 2a flüssig bilden. Er oder sie hätte also den Inhalt der Tabelle
internalisiert und bräuchte die umständliche Art nicht mehr, in der Sie die Feinplanung
schreiben sollen. Dazu bei den Lernzielen mehr.

1
Übrigens, sollte jemand in einer Notlage daran denken, vielleicht auch ohne Kontakt zu einem existierenden
Integrationskurs eine Unterrichtsplanung für eine eben fiktive Lerngruppe planen zu können, muss er oder sie damit
rechnen, dass die Planung wahrscheinlich einige gravierende Fehleinschätzungen enthält, die einem/r erfahrenen KL
und Bewerter/in höchstwahrscheinlich auffallen und entsprechend in der Bewertung berücksichtigt werden.
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1. Arbeitsblatt

Zielgruppe: Bitte erläutern Sie kurz, wie die Lerngruppe zusammengesetzt ist (Zahl der
TN, Nationalität, Alter, Geschlecht, Lernvoraussetzungen) – natürlich nur, soweit es
bekannt und zwanglos im Unterrichts- oder Pausengespräch eruiert worden ist.
Interessant sind auch: Welche Schule haben die TN in ihrem Heimatland wie viele Jahre
besucht? Welchen Beruf haben sie ausgeübt? Haben sie vielleicht sogar eine Universität
besucht? Wie lange sind die TN schon in Deutschland? Haben sie viel oder wenig Kontakt
mit Deutschen? Gibt es vielleicht Probleme oder Konflikte im Kurs? All dies sind Faktoren,
die Sie ggf. in Ihrer Unterrichtsfeinplanung berücksichtigen können. Dazu ist wichtig, in
welchem Modul sich die TN genau befinden: A1,1, A2,2, B1,2 ...?

Unterrichtsmaterial: Bitte machen Sie genaue bibliographische Angaben, welches


Lehrwerk Sie verwenden. Denken Sie daran, dass es vielleicht zweibändige und
einbändige Ausgaben und verschiedene (evtl. überarbeitete) Auflagen gibt. Die
Seitenzahlen stimmen dann ggf. nicht überein. Also genau angeben: Lektion und Thema,
welche Aufgabe bzw. Übung im Lehr- und Arbeitsbuch, welche Zusatzmaterialien. Zur
Sicherheit fügen Sie bitte Kopien der Seiten des Unterrichtsmaterials bei, auf das Sie
sich direkt beziehen; vergessen Sie auch nicht eine Kopie, sofern Sie z. B. ein
selbsterstelltes Arbeitsblatt oder eine Spielvorlage aus dem Lehrerhandbuch verwenden.
Die Bewerter/innen besitzen zwar meist die gängigsten Lehrwerke, aber eben nicht alle
und möglicherweise nicht immer genau die Ausgabe, die Sie verwenden.

Lernziele: Die Lernziele der Lektion sind manchmal im Lehrwerk angegeben. In der
behavioristischen Sprache der Unterrichtsplanung ist das oder sind die Gesamtlernziel(e)
das in der Vorstellung erhoffte vorweggenommene Endverhalten bzw. das Ergebnis des
Unterrichts: Die TN können… Natürlich werden Sie mit Ihrer 90minütigen
Unterrichtseinheit nicht die Lernziele der gesamten Lektion aus dem Lehrwerk erreichen,
sie müssen deshalb entsprechend eingegrenzt werden. 2

Lerninhalte: Bedenken Sie, dass sich die Lerninhalte ausschließlich auf die sprachlichen
Mittel beziehen, nicht wie im Sach- oder Fachunterricht auf inhaltliche Zusammenhänge,
Prozesse oder Wissensstoff. Auch Kommentierungen des Vorgehens wie Erstellen einer
Mindmap oder Vorwissen wird aktiviert oder den wesentlichen Inhalt verstehen gehören

2
Ggf. schauen Sie sich noch einmal Im Portfolio-Leitfaden unter Unterrichtsfeinplanung die Seiten13 und 14 an, sowie
die Lernzielformulierungen im „Rahmencurriculum für Integrationskurse“ an, das Sie auf der Seite des BAMF finden:
http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Integrationskurse/Kurstraeger/KonzepteLeitfaeden/rah
mencurriculum-integrationskurs.pdf?__blob=publicationFile.
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nicht hierher. Es genügt, wenn die Redemittel, der Wortschatz und die Strukturen, die
erarbeitet werden, oder auf die es für das Erreichen des Gesamtlernziels ankommt,
beispielhaft aufgeführt werden, wie z.B. bei einer Wegbeschreibung auf die Frage: Wo ist
der Bahnhof / das Kino etc. ? . Gehen Sie geradeaus, dann die 1./2./3. Straße
links/rechts. Eine Umschreibung in der Metasprache der Grammatik ist natürlich möglich,
aber nicht erforderlich. Zu den Vorteilen dieses Verfahrens unten mehr. Im
Sprachunterricht muss man im Interesse der TN genau mit der Sprache umgehen. So sind
z.B. Formulierungen wie Redemittel, um über Wohnungen sprechen zu können, recht
vage. Heißt das, dass die TN Zimmer auf einem Grundriss benennen, Inserate mit den
Abkürzungen lesen oder die Hausordnung oder gar die Klauseln in einem Mietvertrag
richtig verstehen können? Entsprechend würde man sich nämlich auf den
Kompetenzstufen zwischen A1,2 bis C. bewegen!

2. Arbeitsblatt

Verwenden Sie am einfachsten das vorgegebene Formular mit den acht Spalten. Dies
enthält noch oft oben Erläuterungen zu den einzelnen Rubriken, die Sie genau
berücksichtigen sollten.(Falls nicht, finden Sie diese bei den „Angaben zu den einzelnen
Spalten des Lehrskizzenformulars“ im Portfolio- Leitfaden.) Mit jedem Lernschritt, jeder
Aktivität will man etwas Spezifisches erreichen, das ist das (Teil-)Lernziel, es ist ein Schritt
in Richtung des Gesamtlernziels dieser Unterrichtseinheit. Man sollte also jeweils darüber
nachdenken, warum man z.B. diese Übung gerade an dieser Stelle machen lässt – und
nicht gedankenlos einfach dem Kurs- oder Arbeitsbuch folgen und Übung für Übung
machen lassen. Durch diese gedankliche Arbeit schafft man sich Souveränität, sie ist eine
Voraussetzung für guten Unterricht ! (Die Lernschritte sollten deutlich getrennt und am
besten aus Gründen der Klarheit und Transparenz und Nachvollziehbarkeit nummeriert
werden.)

Lernziele: Das im Lehrbuch angegebene Sprachhandlungsziel ist z.B. TN können nach


dem Weg fragen und den Weg beschreiben. Dies ließe sich auf verschiedenen
Niveaustufen realisieren: Bitte, wo ist der Bahnhof? Oder Entschuldigen Sie bitte, könnten
Sie mir sagen, wie ich zum Bahnhof komme? Für unsere Unterrichtsplanung formulieren
wir deshalb Teillernziele, die schrittweise auf dem Weg zum Gesamtlernziel erreicht
werden sollen. Man plant rückwärts: Wenn die TN am Ende der Stunde dies und das
leisten können sollen, müssen sie mit sinnvoll aufeinander aufbauenden Schritten – Stufe
für Stufe, wie auf einer Treppe – dorthin geführt werden. Alle Aktivitäten sind in sinnvoller
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Progression auf das Gesamtlernziel ausgerichtet. Die Leitfrage beim Planen ist: Wie lässt
sich der Lernstoff so portionieren, dass er für die TN einsichtig, nachvollziehbar und
lernbar wird? Wenn also in einem Portfolio die Teillernziele der Feinplanung während der
90 Minuten mehr oder weniger gleichlautend formuliert wären, würde das bedeuten, dass
kein Lernfortschritt erwartet würde. Bitte keine vagen Formulierungen wie: Die TN können
die Informationen auf dem Stadtplan verstehen, sondern möglichst konkret: TN können die
Wegbeschreibung des HV auf der CD verstehen und den Weg auf dem Arbeitsblatt
nachzeichnen.

Bei der Formulierung der (Teil-)Lernziele soll der zu erwartende Lernfortschritt möglichst
konkret zu beobachten sein. Bei Verben wie wissen, verstehen, lernen, sich bewusst
sein kann man dies nicht direkt beobachten, wohl aber bei Verben, bei denen die TN zum
Zeichen des Verständnisses oder der Kompetenz handelnd tätig werden wie die richtigen
Antworten anstreichen, Schlüsselwörter im Text unterstreichen, nach eigenen Präferenzen
beantworten, Dialogteile in eine sinnvolle Anordnung bringen, selbstständig in anderen
Beispielen verwenden … usw.,
Sprachliche Handlungsfähigkeit ist die Voraussetzung für die Partizipation an der
Kommunikation in der Gesellschaft, sie ist das eigentliche Ziel des Deutschunterrichts.
Das Rahmencurriculum listet deshalb Sprachhandlungsziele auf, (außerdem
Wissensziele (Landeskunde) und Sensibilisierungsziele (Diversität und Interkulturalität)).
Bis ein Sprachhandlungsziel erreicht wird, ist es aber meist ein längerer Weg, und eine
Reihe von Schritten müssen zurückgelegt werden. Diese lassen sich durch Unterziele
beschreiben, zusammen mit den Lerninhalten und entsprechend der jeweiligen
Unterrichtsphase und der KL/TN-Aktivität.. 3. Ob Sie bei der Formulierung der Unterziele
diese z.B. typographisch durch Kursivdruck oder * kennzeichnen wollen, bleibt Ihnen
überlassen.

Lerninhalte: Dass die Planung für einen anderen KL so nachvollziehbar sein soll, dass er
oder sie damit den Unterricht halten könnte, wurde schon gesagt. Ebenso, dass es
genügt, den Wortschatz, die Redemittel und Struktur des jeweiligen Lernschritts,
beispielhaft zu nennen. Dies ist einfacher als die Beschreibungen in grammatischer
Metasprache, die leicht die Tendenz haben, unvollständig zu sein. Wie die genaue
wörtliche Arbeitsanweisung bei den Aktivitäten, die auf einem verständlichen Niveau für
die TN zu formulieren sind, dienen die Lerninhalte bei der Planung dazu, darüber

3
Wenn Sie ein Sprachhandlungsziel formulieren, sollten Sie es aber wie eine Überschrift voranstellen und die Unterziele
darunter schreiben.
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nachzudenken, was in welcher Struktur die TN genau antworten oder äußern sollen. Man
notiert die Lerninhalte also einfach als Antwort auf die Arbeitsanweisung. Wenn es dort
heißt: Wo wohnen Sie, wie wohnen Sie? schreibt man bei den Lerninhalten z. B. zur
Wohnsituation: Ich wohne in der … Straße, Ich wohne zusammen mit ..., Ich habe eine
1/2-Zimmer-Wohnung. Meine Wohnung ist sehr (nicht sehr, ziemlich usw.) teuer … usw.
und reduziert sie dann auf die wichtigste oder wichtigsten. .

Dieses Verfahren ist gut nachvollziehbar und hilft Ihnen, Ihre Aufmerksamkeit beim Planen
auf die zu erwartenden Äußerungen der TN zu lenken. Diese Antizipation ist ein
wesentlicher Bestandteil des Planungsprozesses. Der Wortschatz, der vielleicht dabei
wichtig war, wird (ebenfalls beispielhaft) hier notiert. Um überflüssige Doppelungen zu
vermeiden, können bei einer Übung im Lehrbuch oder einem Lese- oder Hörverständnis
die Angaben zu den Lerninhalten beschränkt werden auf die wichtigste Struktur oder das
wichtigste Redemittel, erst recht beim Wortschatz.

Unterrichtsphasen: Bei induktivem, selbstendeckendem Lernen 4 wird der Unterricht


gewöhnlich durch Unterrichtsphasen in folgender Abfolge aufgebaut: Einstieg,
Präsentation (des neuen Stoffes), Semantisierung (Verstehenssicherung), Festigen
(vorlaufender Gebrauch des neuen Stoffes, s.u.), Systematisierung (Regelfindung,
Bewusstmachung, Kognitivierung), Übungsphase 1 (neue Strukturen in stark gesteuerten,
reproduktiven Übungen verwenden), Übungsphase 2 (neue Strukturen in
schwachgesteuerten Übungen verwenden), Phase der freien Anwendung bzw. der
Aufgabenbewältigung (neue Strukturen/Wendungen in offenen, kommunikativen
Situationen frei anwenden.) Die Abfolge sagt nichts über die Zeit aus, in der sie abläuft.
Sie muss also nicht immer mit der ersten Minute des Unterrichts beginnen (wenn z. B. der
Stoff des letzten Tages am Anfang wiederholt wird) und in 90 Minuten beendet sein, sie
könnte sich auch über 3 oder 4 Unterrichtseinheiten erstrecken oder sogar mehrmals in 90
Minuten durchlaufen werden. Die Phasen laufen auch nicht immer in derselben
Reihenfolge ab. Bei einem schwierigen, neuen Text mit vielen Passivkonstruktionen
könnte man z. B. das Passiv „vorentlasten“ d. h. vorab eine einfache Situation mit dem
Passiv kreieren und behandeln (z. B. Wie machen Sie den Salat? … Und wie beschreiben
wir das als Rezept für unser Kochbuch? usw.)

Missverständnisse gibt es immer wieder beim Begriff „Präsentation“. Gemeint ist hier
meist, dass der neue Text in Form eines Lese- oder Hörverständnisses eingeführt wird; er

4
D.h. Im kommunikativen Unterricht werden die TN so geleitet, dass sie die Regelhaftigkeit selbst finden können, s.u.
bei Systematisierung .
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enthält den neuen Wortschatz, neue Redemittel, neue grammatische Schwierigkeiten. Es


handelt sich dabei um einen intentional authentischen Text, der die Wirklichkeit in das
Klassenzimmer bringen soll. Auch wenn er vereinfacht oder von den Lehrbuchautoren zu
Lehrzwecken konzipiert wurde, wird versucht, durch das Layout z. B. einer E-Mail oder
eines Zeitungsartikels den Anschein der Authentizität zu erwecken, denn wer mag
artifizielle, gekünstelte Lehrbuchtexte lesen, die z. B. auffällig viele Präpositionen enthalten
und keine Mitteilungsabsicht und keine Adressaten zu haben scheinen?
Ebenso ist der neue Wortschatz, der vorab vom Lehrer „präsentiert“, d. h. erklärt und an
die Tafel geschrieben wird, keine Präsentation in unserem Sinne, sondern Semantisierung
in Form der Vorentlastung, um einen schwierigen Text anschließend leichter lesbar zu
machen. Zuweilen mögen besonders in der A1 Präsentation und Übung schwer
auseinander zu halten sein. Ein kurzer Dialog, der offensichtlich als Muster zum Einüben
einer bestimmten Sprachstruktur gedacht ist, würde eher der Rubrik Übung zuzurechnen
sein.

Die Semantisierung oder Verständnissicherung ist in einigen Lehrbüchern schon in


Form von z. B. richtig/falsch Übungen als Verständniskontrolle vorgegeben. Man sollte
sich aber nicht immer darauf verlassen, dass sie ihren Zweck ausreichend erfüllen, denn
das Lehrbuch kann natürlich die eigene Klasse bzw. Lerngruppe nicht kennen. Die TN
müssen in der Regel erst an die verschiedenen Hör- oder Lesestile gewöhnt werden,
dass sie also Texte nicht vollständig verstanden haben müssen, um die gestellte Aufgabe
erfüllen zu können. Beim ersten Hören z.B. will man ein Grobverständnis erreichen, das
durch entsprechende Fragen gesichert wird, z..B. Wer spricht? Wo ist das? Worum geht
es? Dabei werden schon wichtige Begriffe geklärt. Beim zweiten Hören oder Lesen geht
es um das detailliertere Verstehen entsprechend der Aufgabe z.B. im selektiven Hören,
wieder geleitet durch Fragen und Worterklärungen. Wenn das noch nicht ausgereicht hat,
kann es noch eine dritte Präsentation des Textes geben.

Das Festigen soll die TN mit dem neuen Text vertraut machen. Durch Nachsprechen bei
Dialogen z. B. soll eine gewisse Geläufigkeit erreicht werden. Man spricht auch von
vorlaufendem Gebrauch: die neue Struktur, der neue Stoff soll nicht mehr fremd,
sondern etwas vertraut, also schon gesprochen und im Kontext verstanden sein und sich
etwas eingeprägt haben. Bevor sich die TN auf das Erkennen oder Entdecken der
Regelhaftigkeit einlassen, wollen sie den Text in der Regel vollständig verstanden haben.
Beim Lesen sind Absätze des Textes in die richtige Reihenfolge zu bringen, Überschriften
den Textteilen zuzuordnen und dergleichen. Die Übungen haben stark reproduktiven
Charakter.
Jürgen Schweckendiek, 8/2017 8

Das Entdecken der neuen Strukturen geschieht im Schritt Systematisierung, Bewusst-


machung oder Kognitivierung. Das entdeckende Lernen ist besonders in DaZ das
adäquate Verfahren der Grammatikvermittlung, weil es den natürlichen, ungesteuerten
Spracherwerb nachahmt, der aber dort mehr oder weniger unbewusst abläuft. Es verläuft
nach dem Prinzip Sammeln (z. B. Unterstreichen der neuen Struktur im Text), Ordnen
beim Herausschreiben in Gruppen und Systematisieren, d. h. Herausarbeiten der
Regelhaftigkeit, Einordnen in den Kontext des bereits Gelernten. (Erinnert sei noch einmal
daran, dass die Begriffe sich auf Grammatik und sprachliche Strukturen beziehen und
nicht auf inhaltliche Zusammenhänge, Prozesse, Wissensstoff wie im Sach- oder
Fachunterricht.)

Bei der Auswahl von Übungen sind immer zwei Anforderungsebenen für die Lernenden
zu unterscheiden. Fragen Sie sich erstens, was sie bezüglich des Inhalts leisten müssen,
also welches inhaltliche und semantische Vorwissen sie brauchen, um die Übung lösen zu
können, und zweitens, was sie in Bezug auf die grammatischen Anforderungen leisten
müssen.
Bei den stark gesteuerten Übungen steht die neue Struktur im Mittelpunkt, bei
schwachgesteuerten Übungen soll der Gebrauchsradius der neuen Struktur abgesteckt
werden, d. h. die neue Struktur wird mit bereits bekannten Strukturen verknüpft. Hier ist
die sprachliche Realisierung nur noch teilweise vorgegeben.

Von Transfer spricht man, wenn dabei in andere Kontexte und


Kommunikationssituationen gewechselt wird. Übungen bauen aufeinander auf. Nach Üben
1 und Üben 2 kommt das Anwenden oder die Aufgabenbewältigung. Reales
Kommunizieren kommt im Sprachunterricht eigentlich zuerst nur bei der
Unterrichtsorganisation (der Lehrersprache) und bei Spielen vor, später soll sie in
Diskussionen, Stellungnahmen und Projekten und beim Simulieren realer Situationen
erreicht werden. Ein Weg dahin sind Aufgaben, bei denen wie in der Wirklichkeit die
einzelnen Fertigkeiten in einer Abfolge (kombiniert) geübt werden. Z. B. beim Telefonieren
höre ich zu und antworte, mache mir vielleicht Notizen und schreibe dann eine E-Mail.
Kommunikatives Handeln lässt sich am besten üben, wenn solche Abfolgen des Hörens,
Sprechens, Lesens und Schreibens wie in der Wirklichkeit kombiniert werden. Beim Begriff
„Anwenden“ denkt man im Deutschunterricht an diese Art des Übens; er sollte deshalb
nicht in den anderen Zusammenhängen verwendet werden, sondern nur, wenn die
Lernenden zeigen sollen, dass sie das Neue in ihr Repertoire integriert haben und frei
darüber verfügen können.
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TN-KL-Aktivitäten: 5 Da man als KL vor allem in den Anfängerstufen die eigene Sprache
kontrollieren und anpassen muss, ist es ratsam, sich in dieser Rubrik, wie gesagt, wörtlich
die für das sprachliche Niveau der TN angemessenen Arbeitsanweisungen
aufzuschreiben. Diese gliedern und steuern den Unterricht. Dieses Vorgehen ist übrigens
auch für die künftige Tätigkeit zu empfehlen, besonders am Anfang eines
Anfängerkureses, bis man sich auf das Sprachniveau der TN eingestellt hat. Dazu als
Beispiel der Einstieg in das Thema Wohnen in einer A1,2: Welche Erfahrungen habt ihr
bei der Wohnungssuche gemacht? Die Arbeitsanweisung ist direkt als Frage an die TN
formuliert. Das ist gut, obwohl die Formulierung für eine A1,2 reichlich kompliziert ist. Die
Frage verlangt außerdem in der Antwort das Perfekt, das in der Lektion erst später zum
Thema wird. Hat der KL also sprachlich ungenau geplant und die TN überfordert? Oder
hat er nur eruieren wollen, wer in der Gruppe dank ungesteuertem Spracherwerb die
Frage schon verstehen und vielleicht sogar beantworten kann? Das hätte er aber dann
bei den Methodischen Hinweisen anmerken sollen.
Beim Einstieg stellt man am besten solche Fragen, die die TN ohne große Mühe
beantworten können, wie im obigen Beispiel: Wo wohnen Sie? Wo ist (liegt) das? Haben
Sie ein Zimmer oder eine Wohnung? Wie groß ist sie? Ist die Wohnung neu? Ist Ihre
Wohnung teuer? Usw. Dies kommt wie gesagt als Arbeitsanweisung in die Spalte KL-
Aktivitäten, die erwartete Antwortstruktur (nicht die individuelle Antwort) wird beispielhaft
bei den Lerninhalten notiert. Die TN-Aktivitäten dienen für Beschreibungen oder
Kommentare wie TN schreiben Tafelanschrieb in ihre Hefte, TN hören Text von der SC
und zeichnen den beschriebenen Weg auf ihrem Stadtplan ein, je ein TN der Gruppe trägt
das Gruppenergebnis vor, TN erhalten Stücke eines zerrissenen Fotos und suchen die
Partner ihrer 3er-Gruppe usw.

Über Sozialformen braucht an dieser Stelle nicht weiter gesprochen werden. Ein guter
Rhythmus zwischen den Sozialformen bringt Abwechslung in den Unterricht, erzeugt eine
gute Lernatmosphäre und ist dem Lernen förderlich. Wie wir zusammenarbeiten,
beeinflusst die Beziehungen in der Gruppe und wirkt regulierend auf das Verhalten der
Einzelnen, z. B. bei Dominanzverhalten, es kann Sprechängste verringern, die
Sozialkompetenz stärken etc.

Materialien/Medien: Hier also bitte genaue Angaben zu den Quellen und die Nummern
der Übungen oder Aufgaben. Die Seitenzahlen können variieren. Und nicht vergessen:
Arbeitsblätter, Spielvorlagen usw. bitte in Kopie beifügen.

5
Hierzu bieten die Lehrerhandbücher detaillierte Vorschläge
Jürgen Schweckendiek, 8/2017 10

Die Methodischen Hinweise enthalten manchmal Dinge, ohne die man den
Unterrichtsablauf nicht verstehen kann, wie z.B. Die Gruppe musste aus Mangel an TN
aus TN des Niveaus A1,2 und A2,1 zusammengestellt werden. Vor allem ist hier ein
Freiraum für Sie, zu erklären, was Ihnen wichtig ist, warum Sie z.B. die übliche Abfolge der
Unterrichtsphasen geändert haben, auch können Sie schreiben, was in die anderen
Rubriken nicht passt, z.B. warum die Gruppen Karten in unterschiedlichen Farben
bekommen haben, oder dass mit Ihrer Methode die Selbstkorrekturfähigkeit der TN
gefördert werden soll oder warum Sie Bewegung und Rhythmus zum Einprägen von
Strukturen verwenden. Hier können Sie nicht zuletzt auch Beziehungen herstellen zu dem
von Ihnen gewählten Aspekt bei der Analyse des Unterrichtsmaterials, z.B. warum Sie
leistungsmäßig heterogene Gruppen bilden lassen oder warum die TN besser in 3er
Gruppen arbeiten als in 4er oder 5er Gruppen, warum die Ermittlung des Vorwissens für
die Handlungsorientierung wichtig ist oder warum den TN immer wieder Gelegenheiten
gegeben werden sollten, über sich und die eigene Herkunft zu sprechen, Gefühle
auszudrücken, dass dies am besten in Kleingruppen geschieht und wie damit das
Interkulturelle Lernen gefördert wird.

Zeit: Die kleinste Rubrik der Unterrichtsfeinplanung kann viel aussagen: Ist der Zeitbedarf
für diese Aktivität auf dieser Stufe realistisch? (Besonders oft wird der Zeitbedarf für die
Gruppen-arbeit unterschätzt.) Wer Unterrichtserfahrung mit. unterschiedlichen Gruppen
besitzt, ist hier natürlich im Vorteil. Man kann vorsorgen, indem man sich einmal die Dauer
solcher Phasen bei einer Hospitation notiert - oder natürlich eine/n erfahrene/n KL befragt.

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