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Fall 84

24-jähriger Mann mit Schwellung des Kniegelenks


Ein 24-jähriger Fußballer hat sich im Kampf um den Ball das linke Kniegelenk verdreht. Nun ist das Knie
angeschwollen und schmerzhaft. Er kann es nicht mehr komplett strecken und hat das Gefühl, dass Knie
wäre nicht mehr stabil, so „als würde es ihm wegknicken“.

Fragen
84.1 Welche Strukturen können bei dem Patienten verletzt sein?

84.2   Erklären Sie den Begriff „Unhappy Triad“!

84.3 Welche Tests führen Sie bei Verdacht auf Bandverletzungen am Kniegelenk durch?

84.4 Welche weiteren diagnostischen Möglichkeiten haben Sie neben der klinischen Unter-
suchung? Eine Untersuchung kann gleichzeitig therapeutisch genutzt werden. Beschreiben Sie
diese Möglichkeit!

Antworten und Kommentar auf Seite 296 97


Fall 84 von S. 97
Eine Operation wird bei freiflottierenden Throm- Katheter kann dann mitsamt dem thrombotischen
ben, Phlegmasia coerulea dolens, segmentalen Material herausgezogen werden. Zum Abschluss
Oberschenkel- und Beckenvenenthromben, sowie wird das gesamte Bein von distal nach proximal mit
septischen Thrombosen durchgeführt. Standard- einer elastischen Binde gewickelt, um nach distal
verfahren ist hierbei die Thrombektomie mittels abgeschwemmtes thrombotisches Material zu ent-
Fogarty-Katheter. Intraoperativ erfolgt eine Ober- fernen. Postoperativ erfolgt eine Vollheparinisierung
körperhochlagerung (Anti-Trendelenburg-Lagerung) (PTT 60–80 s) und überlappend die Umstellung auf
sowie Überdruckbeatmung zur Vermeidung einer eine orale Antikoagulation mit Phenprocoumon
Lungenembolie. Zum Operationsbeginn werden (z. B. Marcumar, INR 2,5–3,5; Quick 20–30 %) oder
nochmals 5000 IE Heparin i. v. als Bolus verabreicht. neue orale Antikoagulantien (NOAK) für mindestens
Bei der Thrombektomie werden zunächst beide 3 Monate. Zusätzlich wird ein Kompressionsstrumpf
Vv. femorales in der Leiste freigelegt. Dann wird angepasst.
ein Ballonkatheter über die gesunde Seite bis in die
Lösungen

V. cava inferior vorgeschoben, um eine Abschwem-


mung von thrombotischem Material zu verhindern.
Zusatzthemen für Lerngruppen
Nun wird auf der erkrankten Seite ein Katheter an
der Thrombose vorbeigeschoben und dahinter der ▪ Phlegmasia coerulea dolens
Ballon an der Spitze des Katheters aufgepumpt. Der

Fall 84 Kniegelenkstrauma
84.1 Welche Strukturen können bei dem
Patienten verletzt sein?
Aufgrund der beschriebenen Symptomatik (Schwel-
lung und Instabilität des Kniegelenks, Streckhem-
mung) kommen Verletzungen an der Kapsel, den
Menisken, Seitenbändern, Knorpel, vorderem und
hinteren Kreuzband sowie evtl. knöcherne Läsio-
nen im Bereich des Kniegelenks in Frage.

84.2   Erklären Sie den Begriff „Unhappy Triad“!
Kombination von Verletzung des vorderen Kreuz-
bandes, des medialen Meniskus und medialen Abb. 84.1 Vorderer Schubladentest (nach Buckup,
Seitenbandes (anteromediale Instabilität → OP-In- Buckup, Klinische Tests an Knochen, Gelenken und
dikation!) Muskeln, Thieme, 2018).

84.3 Welche Tests führen Sie bei Verdacht auf


▪Schubladen-Test bei Innen- und Außenrotation
Bandverletzungen am Kniegelenk durch?
des Unterschenkels: Nachweis kombinierter
▪Überprüfung der Stabilität der Seitenbänder: Verletzungen von Kreuz- und Seitenbändern (z. B.
vermehrte Aufklappbarkeit des medialen oder „Unhappy-Triad-Verletzung“)
lateralen Kniegelenkspaltes in voller Streckung ▪Lachman-Test: entspricht Schubladen-Test bei
und bei 20° Beugung (hintere Kapsel entspannt) 20–30°-Beugung des Kniegelenkes, Prüfung des
▪Schubladen-Test: 90°-Beugung des Kniegelenkes, Kreuzbandes
durch Zug nach vorne (vordere Schublade, siehe ▪Pivot-Shift-Test: Bei zerrissenem vorderem
Abb. 84.1) oder Druck nach hinten (hintere Kreuzband subluxiert das Tibiaplateau bei Valgus-
Schublade) gegen den Tibiakopf wird im Seiten- Stress und Innenrotation des gestreckten Kniege-
vergleich auf eine vermehrte Verschieblichkeit lenks nach ventral; bei Kniebeugung kommt es
geachtet, Überprüfung der Kreuzbänder durch den Tractus iliotibialis zu einer spürbaren
Reposition der Tibia.

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Lösungen
▪Eine Verletzung der Menisken sollte ebenfalls Arthroskopie durchgeführt werden (s. Antwort zu
durch verschiedene Tests überprüft werden. Frage 84.4).
Hierzu gehören: Böhler-Test, Steinmann-I/II-Test,
Payr-Test, Apley-Test (s. Fall 58). Therapie: Siehe Antwort zu Frage 84.4.
Therapieziel ist die Wiederherstellung des Band-
84.4 Welche weiteren diagnostischen Möglich- apparats und damit der Stabilität des Kniegelenks.
keiten haben Sie neben der klinischen Unter- Unabhängig vom Lebensalter des Patienten und Aus-
suchung? Eine Untersuchung kann gleichzeitig maß der Verletzungen kann sowohl konservativ als
therapeutisch genutzt werden. Beschreiben Sie auch operativ vorgegangen werden. Bei beiden Vor-
diese Möglichkeit! gehensweisen können Restinstabilitäten verbleiben,
eine generelle Empfehlung für die Akutbehandlung
▪Röntgen des Kniegelenks in 2 Ebenen: Aus-
gibt es nicht.
schluss knöcherner Läsionen
Indikationen für eine konservative Therapie
▪MRT: Nachweis von Verletzungen an Menisken,

Lösungen
sind isolierte Seitenbandverletzungen (v. a. Innen-
Gelenkknorpel, Knochen
bandverletzungen), isolierte Rupturen des vorderen
▪Arthroskopie: Diagnosesicherung und Versor-
oder hinteren Kreuzbandes sowie das Vorliegen
gung evtl. verletzter Strukturen wie
von Kontraindikationen für eine Operation (z. B.
▪Meniskusläsion: Resektion oder Refixation ver-
höheres Lebensalter, Gonarthrose). Die konser-
letzter Anteile
vative Therapie zielt auf Schmerzreduktion, Rück-
▪Seitenbänder: zunehmend konservative Be-
gang der Schwellung und des Reizzustandes sowie
handlung durch initiale Teilbelastung und an-
Herstellung des normalen Bewegungsausmaßes ab.
schließende Orthesenbehandlung für 6 Wochen;
Über einen Zeitraum von 6 Wochen wird mit einer
operative Rekonstruktion bei Verletzung
bewegungseinschränkenden Kniegelenksorthese
anderer wichtiger Bandstrukturen, z. B. bei
(Extension/Flexion 0/20/90), Unterarm-Gehstützen
„Unhappy-Triad-Verletzung“
sowie Physiotherapie behandelt.
▪Kreuzbänder: abhängig von Alter und Leis-
Die operative Therapie besteht in einer Sehnen-
tungsanspruch des Patienten konservative The-
ersatzplastik. Die primäre Sehnennaht ist wegen
rapie mit Muskelaufbautraining oder operativ
schlechter Ergebnisse verlassen worden. Bei einem
mit Bandersatz durch autologes Patellarsehnen-
knöchernen Ausriss ohne Verletzungen der eigent-
drittel oder Semitendinosus-Sehne möglich
lichen Bandstruktur erfolgt eine Refixation mittels
Kirschner-Drähten oder kanülierten Schrauben.
Kommentar Indikationen für die Sehnenersatzplastik sind kom-
plexe Kreuzbandverletzungen, Verlust von vorderem
Ätiologie: Durch direkte (z. B. Schlag) oder indirekte
oder hinterem Kreuzband mit Instabilität, Sekun-
Gewalt (z. B. Sturz) auf das Kniegelenk sind Verlet-
därschäden der Menisken, junge Patienten, Sportler.
zungen des Bandapparates, der Menisken sowie knö-
Als Bandersatz werden autologe Patellarsehne oder
cherner oder knorpeliger Strukturen am Kniegelenk
mehrsträngige Sehnentransplantate der Mm. semi-
möglich.
tendinosus et gracilis verwendet. Eine begleitende
Verletzung der Seitenbänder wird bei knöchernen
Klinik: Typisch für Bandverletzungen am Kniegelenk
Ausrissverletzungen (Fixierung durch Schrauben
sind schmerzhafte Bewegungseinschränkungen
oder Anker) und bei komplexen Bandverletzungen
mit evtl. Instabilität des Kniegelenks. Meist ist das
(direkte Naht) mitversorgt. Postoperativ erfolgt für
Knie geschwollen. Die im Fallbeispiel beschriebene
6 Wochen die Anlage einer Kniegelenksorthese mit
Streckhemmung des Gelenks ist typisch für eine
einer Begrenzung der Flexion bei 90°, die Belastung
Meniskusläsion mit Einklemmung eines Meniskus-
kann ab der 3. postoperativen Woche zunehmend
anteils im Gelenkspalt. Das vom Patienten bemerkte
bis zur Vollbelastung gesteigert werden. Kontrollier-
Instabilitätsgefühl spricht für eine Verletzung der
te Sportarten wie Radfahren oder Jogging sind ab der
Seiten- oder Kreuzbänder.
6. Woche erlaubt.

Diagnostik: Wenn klinisch durch entsprechende


Prognose: Die beste Prognose haben frühfunktio-
Tests (s. Antwort zu Frage 84.3) der Verdacht auf eine
nell-konservativ behandelte isolierte Seitenbandver-
Schädigung der Bänder oder der Menisken (s. Fall 58)
letzungen. Aber auch nach konservativer Behandlung
besteht, sollte ein MRT des Kniegelenkes oder eine

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Fall 85 von S. 98
kann es trotz guter muskulärer Führung langfristig
zu Scherbewegungen und Schäden an Knorpel und Zusatzthemen für Lerngruppen
Menisken kommen. Belastende Tätigkeiten mit
▪ Anatomie des Kniegelenks
plötzlicher Dezeleration sollten vermieden werden.
▪ Patellaluxation, Patellafraktur
Ersatzplastiken des hinteren Kreuzbandes haben die
▪ Quadrizepssehnenruptur
schlechtesten Heilungsaussichten. In 50 % der Fälle
finden sich nicht zufriedenstellende Ergebnisse.

Fall 85 Lebertumoren
85.1 Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie an- 85.3   Welches sind die häufigsten Lebermaligno-
hand von Anamnese, Klinik und CT-Bild? me? Was sollten Sie daher bei diesem Patienten
Lösungen

unbedingt an weiterer Diagnostik veranlassen?


V. a. malignen Lebertumor: Klinik (Gewichts-
abnahme, Appetitlosigkeit, Schmerzen, Ikterus) und Ca. 80–90 % aller malignen Lebertumoren sind Me-
CT-Befund (unregelmäßig begrenzter, zentral hypo- tastasen. Hierbei handelt es sich in ca. 90 % der Fälle
denser Bezirk im rechen Leberlappen) um Metastasen eines kolorektalen Karzinoms. Daher
sollte eine Tumorsuche – zunächst im Gastrointesti-
85.2 Nennen Sie mindestens je 3 benigne und naltrakt (Koloskopie mit Biopsie) – erfolgen.
maligne Lebertumoren!
85.4 Welche Therapie würden Sie vorschlagen,
▪benigne Lebertumoren:
wenn es sich tatsächlich um eine Metastase
▪Hämangiom: häufigster benigner Lebertumor,
handelt?
meist Zufallsbefund, sonografisch echoreicher
Tumor Es handelt sich hierbei um eine Solitärmetastase, die
▪Leberzelladenom: Entstehung durch Einnahme durch Leberteilresektion im Gesunden nach Resekti-
östrogenhaltiger Kontrazeptiva, sonografisch on des Primärtumors entfernt werden sollte.
echoarmer Tumor, histologisch: Hepatozyten;
cave: Maligne Entartung möglich! 85.5 Nennen Sie Risikofaktoren für die Ent-
▪fokale noduläre Hyperplasie (FNH): Ätiologie stehung eines hepatozellulären Karzinoms!
unklar, evtl. durch östrogenhaltige Kon-
▪Leberzirrhose
trazeptiva induziert, sonografisch echoarmer
▪chronische Hepatitis B und Hepatitis C
Tumor, histologisch: hamartom-ähnliche oder
▪Hämochromatose
reparative Missbildung mit allen Zellen des
▪Aflatoxin (Toxin des Schimmelpilzes Aspergillus
Lebergewebes
flavus)
▪weitere Tumoren: Lipome, Fibrome, Lymphan-
▪Thorotrast (früher verwendetes Röntgenkontrast-
giome, Gallengangsadenome, Zysten u. a.
mittel)
▪maligne Lebertumoren:
▪hepatozelluläres Karzinom (HCC): s. Kommen-
85.6 Welche Möglichkeiten stehen zur Therapie
tar und Antworten zu Fragen 85.5 und 85.6
eines hepatozellulären Karzinoms zur Verfügung?
▪Angiosarkom: Ätiologie: Vinylchlorid, Arsen,
Thorotrast (früher verwendetes Röntgenkon- ▪operative Therapie:
trastmittel) ▪Leberteilresektion bis zur erweiterten Hemihe-
▪Hepatoblastom: seltener Tumor im Kindesalter patektomie
▪Lebermetastasen: s. Antwort zu Frage 85.3, ▪ultima Ratio: Lebertransplantation bei Fehlen
sonografisch unregelmäßig begrenzt, kein von Metastasen
homogenes Binnenecho ▪palliativ: Umgehungsoperationen bei Magenaus-
▪cholangiozelluläres Karzinom: ausgehend vom gangs- oder Duodenalstenose (Gastroenterosto-
Gallengangsepithel; meist muzinöse Adenokar- mie), Gallestau
zinome ▪lokal ablative Verfahren: bei kleinen Herden
potentiell kurabel oder pallitativ bei Inoperabilität
zur Nekroseinduktion

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