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Zeitschrift für
niederrheinische
Kultur- und
Heimatpflege

Herausgegeben vom
Verein für Heimatkunde
in Krefeld

Schriftleitung
Christoph Dautermann
Burkhard Ostrowski

Jahrgang 85
November 2014
ISSN 0342-5185
Inhalt

Lebensbilder
Claudia Rotthoff-Kraus 13 Nachruf auf Dr. Guido Rotthoff
Klaus M. Schmidt 41 „Kurz vor der Schwelle schlägt es ihn zu Boden“
Zum kurzen Leben und schmalen Werk des Krefelder Autors Ingo Arendt
Christoph Schürmann 195 Dr. Isidor Hirschfelder

Architektur, Denkmal- und Stadtbildpflege

Veit Berroth 104 Ehrengrabstätten in Krefeld


Heike Blondin
Janine Michels
Nicole Nießen
Siegfried Gronert 119 Die Horten-Fassade in Krefeld. Ein Corporate-Design. Teil 2
Helmtrud Köhren-Jansen 130 Krefeld – Neue Landwirtschaftsschule 1941 feierlich ihrer Bestimmung übergeben
Hans Dieter Peschken 134 Von den Vorfahren gebaut – von den Nachfahren gepflegt. 20 Jahre Krefelder Baudenkmal-Stiftung
Ernst Coester 145 Das ehemalige Pfarrhaus von Liebfrauen in Krefeld und sein Architekt Jakob Bong

Geschichte

Margret Grobe 19 Mennoniten auf der Hülsisch-Moersischen Straße in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts
Hertha Sagebiel 28 Die evangelische und die mennonitische Gemeinde in Krefeld 1918 – 1945. Teil 2
Herman van Rens 45 Die Verfolgung der Juden in der niederländischen Provinz Limburg während
Ingrid Schupetta des Zweiten Weltkriegs
Ulrich Friedrich Opfermann 50 „Zigeuner“: Fiktion und Wirklichkeit in einer westdeutschen Region
Burkhard Ostrowski 64 Kurt Devries’ Auswanderung nach Kolumbien
Reinhard Schippkus
Dirk Senger 93 Der Streik der Schausteller
Georg Opdenberg 96 Der Blumenplatz
Gottfried Elfes 147 Bombennacht und Nachkriegszeit. Teil 2
Dirk Senger 155 50 Jahre Städtepartnerschaft Krefeld und Venlo
Peter Mangelmann 158 Die „technischen Ateliers für die Weberei“ in Krefeld
Joachim Lilla 166 Die Stadtverwaltung Krefeld unter dem Nationalsozialismus

2   die Heimat 85/2014


Das Titelbild zeigt die Fassade der 1906 erbauten ehe­
maligen Tapetenfabrik Heeder & Co. Seit dem Ankauf
durch die Stadt Krefeld hat sich der Gebäudekomplex als
Kulturzentrum im Krefelder Südbezirk etabliert.

Foto: Jürgen Sauerland-Freer

Theater, Kunst, Musik und Literatur


Dorothee Monderkamp 74 TAPETENWECHSEL. 1989 – 2014: 25 Jahre Kulturzentrum Fabrik Heeder
Jürgen Sauerland-Freer

Martin Vöhringer 82 Zu Gast auf Heeder: Teheran – Lagos – Guadalajara – Beirut – Tokio

Helmut Wenderoth 84 25 Jahre KRESCHtheater in der Fabrik Heeder

Natur und Landschaft

Helmut Sallmann 25 Die erhaltende Kulturlandschaftspflege im Forstwald


Wolfram Kunick 122 Planung, Entwicklung und Pflege von Staudenflächen im Wehrgang der Burg Linn

Mundart

Paula Coerper 184 Redewendungen und sprichwörtliche Redensarten im Krefelder Platt

Heinz Webers 192 Min Hert hängt an Krieewel: In memoriam Jupp Schäfer (1906 – 1962)

Aus dem Heimatleben

Dirk Senger 6 Von Oktober zu Oktober


Robert Claßen 203 Der Verein für Heimatkunde 2013/2014
204 Bücher
Dirk Senger 214 Personalien/Jubiläen
218 Bildnachweise
220 Autoren

die Heimat 85/2014   3


Druck, Lithoarbeiten u. Gesamtherstellung van Acken Druckerei u. Verlag UG, 47800 Krefeld, Magdeburger Straße 5, Tel. (02151) 44 00-0

Das Krefelder Jahrbuch „die Heimat“ wird seit 1921 vom (BIC: GENODEDIHTK) IBAN: DE83 320600 19182010. Spenden sind
Verein für Heimatkunde e. V. herausgegeben. 1. Vorsitzen- steuerbegünstigt. „die Heimat“ erscheint jährlich Ende November. Für
der ist Robert Claßen, Hagerweg 26, 47798 Krefeld, Tel. Nichtmitglieder sind die Bände im Stadtarchiv oder im Buchhandel
02151 – 786135, classen@heimat-krefeld.de. 2. Vorsitzen- zum Buchhandelspreis zu beziehen. Die Schriftführerin vermittelt auch
der ist Prof. Dr. Jürgen Schram, Corneliusstr. 10, 47798 ältere Jahrgänge. In der Mediothek, im Stadtarchiv und in der Biblio-
Krefeld, Tel. 02151 – 329279, schram@heimat-krefeld. thek der Jüdischen Gemeinde liegen sie als Präsenzbestand vor. Die
de. 1. Schriftführerin ist Daniela Gillner, c/o Stadtarchiv Anzeigenverwaltung liegt in Händen der Fa. van Acken Druckerei u.
­Krefeld, Girmesgath 120, 47803 Krefeld, gillner@heimat-krefeld.de; Verlag UG, Krefeld (s. oben).
als 2. Schriftführer des Vereins ist Lothar Balhorn tätig, balhorn@­ Die Autorinnen und Autoren vertreten ihre Beiträge selbst. Neue Bei-
heimat-krefeld.de. Die Schriftleitung der „Heimat“ liegt bei Dr. träge gehen bitte an die o. g. Schriftleiter.
­Christoph ­Dautermann, c/o Museum Burg Linn, Rheinbabenstr. 85, Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers. Das Recht an
47809 Krefeld, Tel. 02151 – 5539115, dautermann@ heimat-krefeld. den Bildern bleibt den Fotografen bzw. den Eigentümern der Vorlagen
de, sowie Burkhard Ostrowski, c/o Stadtarchiv Krefeld, Girmesgath vorbehalten.
120, 47803 Krefeld, Tel. 02151 – 862703, ostrowski@heimat-krefeld.
de. Als Kassenwartin fungiert Ursula Wolter, Moerser Str. 87, 47803 Gefördert durch:
Krefeld, wolter@heimat-krefeld.de. Weitere Vorstandsmitglieder sind
Dr. Eugen Gerritz und OStD‘ Waltraud Fröchte. Der Verein erhebt seit
vielen Jahren unverändert einen Jahresbeitrag in Höhe von 18 EUR,
worin der Bezug der „Heimat“ bereits inbegriffen ist.
Beitrittsformulare finden sich auf der Internetseite www.heimat-kre-
feld.de. Der Verein bucht grundsätzlich in der ersten Februarwoche
ab und gibt dabei nach dem europaweiten SEPA-Einzugsverfahren
folgende Identifikationsnummer an: DE93ZZZ00000688450. Die Kon-
ten des Vereins lauten bei der Sparkasse Krefeld (BIC: SPKRDE33) Kulturbüro
IBAN: DE30 32050000 0000 309617, und bei der Volksbank Krefeld:

4   die Heimat 85/2014


Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Der 85. Jahrgang des Krefelder Jahrbuchs „die Heimat“ ist wieder zur beachtlichen „Stärke“ des vorliegenden Jahrbuchs beigetragen
einmal etwas umfangreicher geworden als zunächst beabsichtigt. haben. Einen besonderen Dank möchten wir aber dennoch an Dirk
Der Grund dafür liegt ganz einfach darin, dass es nach wie vor zahl- Senger aussprechen, der nicht nur seit einigen Jahren emsig und
reiche Autorinnen und Autoren gibt, denen die Geschichte sowie die zuverlässig die Daten zum Jahresgeschehen sammelt und sie in den
Geschicke Krefelds und der Region am Herzen liegen, seien es nun Rubriken „Von Oktober zu Oktober“ sowie „Personalien“ „lesbar auf-
historische, denkmalpflegerische oder im weitesten Sinne kulturelle bereitet“, sondern der darüber hinaus durch weitere Artikel immer
Themen, die sie bewegen und beschäftigen. Unser Dank gilt daher wieder an wichtige oder denkenswerte Ereignisse in der Krefelder
ganz besonders (wieder einmal) Ihnen, liebe Autorinnen und Autoren, Stadtgeschichte erinnert.
die Sie das Jahrbuch mit Leben und durch Ihre Beiträge erst mit Inhalt
füllen. Ebenfalls sei Dr. Heribert Houben gedankt, welcher nicht allein den
Rezensionsteil verantwortet, sondern auch immer wieder lektorierend
Einen gewissen Schwerpunkt der diesjährigen Heimat bilden die Arti- – diesmal den Artikel von Hertha Sagebiel – tätig wird.
kel, die sich mit der ehemaligen Tapetenfabrik Heeder, dem heutigen
„Kulturzentrum Fabrik Heeder“, befassen. 1906 von dem Architek- Die diesjährige Ausgabe der Heimat wartet mit einer kleinen, aber
turbüro Girmes & Oediger geplant und ausgeführt, ist die Geschichte nicht unwesentlichen „Neuerung“ auf: Wie in vielen Zeitschriften seit
der Fabrik in den letzten Jahren in der Heimat mehrfach von Burkhard Langem üblich haben wir diesmal die Autoren gebeten, uns ein paar
Ostrowski und Reinhard Schipkus behandelt worden. Ihre breit an- Zeilen zu ihrer Person zuzusenden, die wir jeweils an die Artikel ange-
gelegte Untersuchung findet nun mit der Darstellung der Umstände fügt haben. So hoffen wir, dass Sie, liebe Leserschaft, sich auch ein
der Auswanderung von Kurt Devries nach Kolumbien in den 1930er- Bild von denjenigen machen können, die hinter den Artikeln stecken,
Jahren zu einem vorläufigen Abschluss. Längst ist aus dem Ort ein und auf diese Weise die Heimat einen etwas persönlicheren Charakter
Kulturzentrum geworden, das auch überregionale Bedeutung erlangt erhält.
hat, nicht zuletzt durch den engagierten Einsatz derjenigen, die im
vorliegenden Band die letzten 25 Jahre des „Kulturzentrums Fabrik Nun bleibt uns nur – wie immer – Ihnen bei der Lektüre viel Freude zu
Heeder“ Revue passieren lassen (Dorothee Monderkamp / Jürgen wünschen, in der Hoffnung, auch diesmal ein Jahrbuch vorzulegen,
Sauerland-Freer: TAPETENWECHSEL. 1989 – 2014: 25 Jahre Kultur- das den gesetzten Ansprüchen Genüge leistet.
zentrum Fabrik Heeder; Martin Vöhringer: Zu Gast auf Heeder; Helmut
Wenderoth: 25 Jahre KRESCHtheater in der Fabrik Heeder).

Die Nennung dieser Autoren soll natürlich in keiner Weise den Ein- Dr. Christoph Dautermann
satz und das Engagement der anderen schmälern, die wesentlich Burkhard Ostrowski

die Heimat 85/2014   5


Von Oktober zu Oktober

von Dirk Senger


In den vergangenen zwölf Monaten wechsel- che im Stadtzentrum erhalten. Den Unterhalt eingefangen. Die Sozialdemokraten stimmen
ten sich Meldungen und Berichte über Erste und notwendige Sanierungen des Sakralbaus für Frank Meyer als ihren Kandidaten für die
Spatenstiche, Schließungsängste, Richtfes- kann die Gemeinde nicht mehr finanzieren. Oberbürgermeisterwahl 2015. Die Bezirks-
te, Sparzwänge und neue Bauprojekte unter Ein Logistikunternehmen hat an der Auto- regierung Düsseldorf genehmigt den städti-
den widrigen Umständen eines Nothaushal- bahn A 44 ein rund 72 000 Quadratmeter gro- schen Haushalt nicht. Über die Entwicklung
tes munter ab. Freudige Aufbruchstimmung ßes Areal gekauft. Stararchitekt Hadi Teherani der wesentlichen Haushaltsdaten muss der
und Ratlosigkeit angesichts der finanziellen aus Hamburg stellt seine Rheinblickpläne der Kämmerer der Regierungspräsidentin nun
Probleme gingen da manchmal Hand in Hand Politik vor. Ein Lama büchst aus seiner Kop- vierteljährlich berichten. In den kommenden
durch das vergangene Jahr. Und trotz Not- pel aus und läuft prompt in die Radarfalle der Jahren sollen 50 Millionen Euro pro Jahr ein-
haushalts investiert auch die Stadt: Neue Polizei – der flotte Ausbruch wird bundesweit gespart werden. Vor dem Rathaus demons-
Kindergärten wurden gebaut, die Haltestelle in den Medien vermeldet. Die Ratsfraktionen trieren etwa 1  000 Industriearbeiter, weil
Rheinstraße und das Kaiser Wilhelm Muse- folgen einem Vorschlag von Kämmerer Ulrich sie ihre Arbeitsplätze in Gefahr sehen. Das
um sind im Umbau. Da ist einiges sichtbar Cyprian nicht. Das könnte laufende Projekte Kresch-Theater eröffnet das „Hotel Südwall“,
im Werden. Beim Stadtbad Neusser Stra- gefährden. Im 1875 errichteten Brauhaus an ein neues Improvisationsformat. Die beiden
ße zeichnet sich eine Lösung ab. Und der der Neusser Straße bedient Margot Wienges Krefelder Bundestagsabgeordneten, Kerstin
Bau- und Investitionsboom beim Rheinblick, seit 50 Jahren ihre Gäste. Der chinesische Radomski und Ulle Schauws, nehmen an ih-
dem alten Horten-Haus, der Volksbank, der Maschinenhersteller XCMG eröffnet seine 50 rer ersten Plenarsitzung im Deutschen Bun-
Sparkasse an der Friedrichstraße, der Wohn- Millionen Euro teure Europazentrale in Fich- destag teil. Seit 15 Jahren spielt Esther Keil
stättenpassage, dem Neubau an der alten tenhain. Dank einer Stiftung veranstaltet die an den Städtischen Bühnen. Das ehemali-
Werkkunstschule, bei der alten Samtweberei Dante-Gesellschaft ihre Treffen auch weiter- ge Horten-Haus erhält die ersten Elemente
sowie der geplante Neubau von P&C machen hin in Krefeld. Das jüdische Gemeindezent- der neuen Fassade. Das Museum Burg Linn
doch klar: In dieser Stadt kann man offenbar rum an der Wiedstraße feiert sein fünfjähriges zeigt die Ausstellung „Kunst des deutschen
Geld verdienen. Bestehen. Unbekannte beschmieren Häuser, Steinzeugs“. Komiker Otto Waalkes tritt im
unter anderem das Deutsche Textilmuseum Königpalast vor 2 500 Zuschauern auf. Ein
im historischen Stadtkern von Linn. Ein Jung- Sturm entwurzelt einige Bäume und beschert
Oktober bulle entkommt aus einem Viehtransport und der Feuerwehr zahlreiche Einsätze. Das Pa-
wird zwei Stunden von der Polizei auf dem riser Museum Louvre plant eine Ausstellung
Die Bau GmbH kündigt an, rund zehn Milli- Europaring gejagt. Das erschöpfte Tier wurde in der französischen Hauptstadt, in der auch
onen Euro in eine neue Ostwall-Passage zu
investieren. Während einer Probe treten 80
Musiker der Niederrheinischen Sinfoniker
anlässlich des Beginns von Tarifgesprächen
der Branche in Berlin in einen zweistündigen
Warnstreik. Die Weinlese an einem Traarer
Hotel ergibt 90 Kilogramm Trauben von 99
Rebstöcken. Der finnische Konzern Outo-
kumpu plant, seine Investitionen in Krefeld
zu kürzen. Statt 264 Millionen Euro sollen
100 Millionen Euro am Standort eingebracht
werden. Das treibt die Stahlarbeiter auf die
Straße, weil auch ein Stellenabbau drohe.
Die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlun-
gen im Fall einer verstorbenen Seniorin auf.
Ein Altenpflegeheim gerät in den Verdacht,
dass die Pflege der Frau nicht in Ordnung
gewesen sei. Die Versteigerung des Hauses
Blumenthal wird durch zwei Gesellschafter
verhindert, die das Objekt erworben haben.
Am Ostwall beginnt der Abriss der soge-
nannten Steinert-Häuser. Das Frankfurter
Städel-Museum hat eine Spiegel-Installation
von Adolf Luther erworben. Das Objekt hing
einige Jahre am Verwaltungsgebäude der Abb. 1. Erste Ratssitzung nach der Kommunalwahl: Oberbürgermeister Gregor Kathstede gra-
SWK. Ein Initiativkreis möchte die Alte Kir- tuliert dem 1. Bürgermeister Frank Meyer und der 2. Bürgermeisterin Karin Meincke zur Wahl.

6   die Heimat 85/2014


der fränkische Goldhelm aus Gellep gezeigt
werden soll. Weil eine Fensterbaufirma nicht
die geforderten Fenster liefert, zeichnet sich
bei der Eröffnung des Kaiser Wilhelm Muse-
ums eine deutliche Verzögerung bis in Früh-
jahr 2015 an. Das Deutsche Textilmuseum
zeigt die Ausstellung „Fastentuch modern“.
Das Mies 1:1 Projekt auf dem Egelsberg wird
abgebaut.

November
Auf einem Acker bei Höxhöfe endet eine Ver-
folgungsjagd, bei der 20 Streifenwagen ei-
nem Pkw nachjagen. Die Polizei stellt dort
drei Insassen, die Beute und Einbruchswerk-
zeug dabei haben. Die Krefelder NS-Doku-
mentationsstelle bekommt von der Landes-
zentrale für politische Bildung 25 000 Euro
für die Verbesserung der Dauerausstellung.
Die städtischen Kulturinstitute müssen noch
mehr sparen. Der Etat für das Museum Burg
Linn beträgt 2013 nur noch 13 000 Euro für al-
le Wechselsausstellungen. Ein Runder Tisch
der Parteien über einen Nothaushalt endet
mit einem Eklat, da CDU und UWG das Ge- Abb. 2. Einbau der sanierten Alt-Fenster im Kaiser Wilhelm Museum.
spräch über freiwillige Leistungen verlassen.
Die Situation eskaliert, als die SPD über den
gesamten Haushalt diskutieren will. Die nie-
derländische Diskussion über die „Zwarte Der Ausbau des Hafenrings für 6,3 Millionen bis 2020 weiter zusammenarbeiten. Das Ju-
Pieten“ des Sinter Klaas aus Venlo beschäf- Euro beginnt. Der ehemalige Bundestagsab- weliergeschäft Kammen an der Hochstraße
tigt auch die Rheinstadt. In Uerdingen blickt geordnete Otto Fricke aus Krefeld-Uerdingen schließt nach 126 Jahren. Das markante klei-
man jedoch gelassen auf die Aufregung im „wickelt“ die FDP-Bundestagsfraktion ab. ne Haus wird kurze Zeit später abgerissen,
Nachbarland. In der heftigen Haushaltsdis- Nach einer landesweiten Diskussion über weil eine Denkmalwürdigkeit nicht gegeben
kussion möchte Oberbürgermeister Gregor die Zusammenlegung von Kommunal- und sei. Die Arbeitslosenquote liegt bei 11,2 Pro-
Kathstede die Gemüter beruhigen. Er kündigt Oberbürgermeisterwahl 2014 entscheidet zent, 12755 Menschen in Krefeld sind ohne
für das Jahr 2015 jedoch „brutale und mas- sich der Oberbürgermeister, dass er seine Arbeit. Das Podio-Theater muss das Gelände
sive Eingriffe“ an. Für die Inszenierung des Amtszeit bis 2015 erfüllt. Andere Oberbür- einer Brauerei wieder verlassen, weil dort eine
Stücks „Der Kirschgarten“ konstruieren die germeister in NRW treten frühzeitig zu den neue Produktionsanlage gebaut werden soll.
Mitarbeiter des Theaters Krefeld ein Becken Kommunalwahlen an, um unter anderem
mit sechs Tonnen Wasser. Beim A-Gang öff- Kosten zu sparen. Die Montag-Stiftung en-
nen Künstler einmal mehr ihre Ateliers. An gagiert sich in dem Gebäudekomplex an der Dezember
das Pogrom der Nationalsozialisten vor 75 Lewerentzstraße. In der „Alten Samtwebe-
Jahren wird am Platz an der alten Synago- rei“ sollen Wohnungen und Büros entstehen. Die „Fledermaus“ feiert eine berauschende
ge gedacht. Das Museum Burg Linn stellt Wegen des Nothaushaltes sagt die Stadt die Premiere im Stadttheater. Der Müllverbren-
weitere Ergebnisse des Hafenprojektes vor. Fashionworld 2014 ab. Damit können rund nungsanlage in Elfrath droht eine zu geringe
Ein Sammler aus Gellep überlässt dem Mu- 250 000 Euro eingespart werden. Das Theater Auslastung. Ehemalige Kunden lassen ih-
seum Fundstücke für die Katalogisierung. Krefeld/Mönchengladbach wird mit seinem ren Müll anderorts entsorgen, wie der Kreis
Der Abriss der Werkkunstschule an der Pe- Führungsteam um Intendant Michael Grosse Viersen, der ab 2015 seinen Müll in Solingen
tersstraße beginnt, eine denkmalgeschützte und Köln verbrennen lässt. Die Adolf-Luther-
Fassade bleibt für einen Neubau der Wohn- Stiftung gibt zehn Werke des Künstlers als
stätte erhalten. Die Verträge für die neue Dauerleihgabe an das Städel-Museum in
Feuerwache an der Ritterstraße sind unter- Frankfurt. Das Dante-Denkmal bekommt zwi-
schrieben. Ein Mannheimer Unternehmen schen Theater und Mediothek einen neuen
baut die 37,5 Millionen teure Wache. Einmal Standort. Die neue „Legalwand“ für Spray-
mehr kursiert in Krefelder Medien die Mel- er am Voltaplatz wird gut angenommen. Die
dung über den Verkauf des Stadtbades an Idee eines zweiten Wertstoffhofes im Westen
der Neusser Straße. Die Pappköpp präsen- der Stadt wird von der GSAK während einer
tieren ihr neues Programm „Daarestiet TV“. Sitzung des Umweltausschusses ins Spiel
Die Deutsche Post erweiterte ihr Frachtzen- gebracht. Die neueste Ausgabe des Krefelder
trum im Forstwald. Dort können über 28000 Jahrbuchs „Die Heimat“ stellt die Schriftlei-
Pakete pro Stunde bearbeitet werden. Die tung in der Alten Kirche vor. Einige Autoren
Stadt Krefeld reicht eine Klage gegen das halten kurze Vorträge über ihre Beiträge. Die
Ergebnis des Zensus 2011 ein: Demnach Diskussion über eine fünfte Gesamtschule
soll die Einwohnerzahl nur noch bei 222 247 entbrennt wieder in der Politik. Die „Pensi-
Personen liegen. In Uerdingen beginnen die Abb. 3. Das Modell der neuen Feuerwache on Schöller“ feiert eine umjubelte Premiere
Bauarbeiten für ein neues Logistikzentrum. für die Berufsfeuerwehr Krefeld an der Neuen im Theater. In der Deutschen Eishockey Liga
Die Kosten liegen bei rund 40 Millionen Euro. Ritterstraße. glänzen die Stürmer der Krefeld Pinguine. Zur

die Heimat 85/2014   7


Halbzeit der Saison bilden Kevin Clark, Da- den Bau. Nach fast drei Jahren Schließung me ist gesunken. Dennoch sind alle Eichen in
niel Pietta und Adam Courchaine die erfolg- und Umbau steht das Haus der Seidenkultur Krefeld erkrankt. Der Gebäudekomplex „Alte
reichste Reihe mit 37 von 80 Treffern bei den an der Luisenstraße vor der Wiedereröffnung. Samtweberei“ geht in Form eines Erbbau-
Pinguinen. Wegen einer Bombenentschär- Eigentlich handelt es sich um eine Neu-Eröff- rechtes an die Montag-Stiftung aus Bonn. Da-
fung müssen rund um den Sprödentalplatz nung, denn dort ist durch private Initiative und mit kann der Umbau des Areals beginnen. Die
1 800 Menschen ihre Wohnungen zeitweise mit Spendengeldern ein modernes Museum Klasse 4a der Grundschule Königshof führt
räumen. Der Caritasverband stellt ein Pro- entstanden. Der Kommunalwahlkampf nimmt als kreative Inszenierungsklasse im Rahmen
jekt vor, bei dem sogenannte „Junkies“ den Fahrt auf, die Parteien positionieren sich in des Programms „Kulturrucksack“ ein Stück
Theaterplatz sauber halten. Nach 45 Jahren der Öffentlichkeit. Das Museum Burg Linn im Stadttheater auf. Im Stadtteil Dießem
schließt Helga Fischer ihr Musikfachgeschäft präsentiert eine stadthistorische Ausstellung steht die letzte Kneipe vor der Schließung.
am Südwall. In einer geheimen Abstimmung über das Philipswerk. Viele ehemalige Mitar- Der 87-jährige Emil Hemmers findet keinen
lehnt der Rat die Zahlung von 1,1 Millionen beiter des Linner Werkes besuchen mit ih- Nachfolger für das Lokal „Alt-Dießem“ an der
Euro Mehrkosten für das Kaiser Wilhelm ren Familien die Schau. Für Flüchtlinge wird Oberdießemer Straße. Beim Moltke-Forum
Museum ab. Gleichzeitig stimmten die Mit- die Don-Bosco-Schule umgebaut. Immer spricht als einer der letzten Gäste der Ver-
glieder des Hauptausschusses der Verlänge- mehr Fachbereiche ziehen aus dem Stadt- leger und Autor Michael Krüger. Was soll mit
rung des Museumsdepot-Mietvertrages für haus am Konrad-Adenauer-Platz aus. Das dem Seidenweberhaus passieren? Die Idee
weitere zwei Jahre zu. Einmal mehr rückt in denkmalgeschützte Eiermann-Gebäude soll einer Bürgerbefragung wäre eine Möglichkeit,
den Medien ein Kaufvertrag für das Stadt- in den kommenden Jahren saniert werden. um diese Frage zu klären. Zuerst müssten
bad Neusser Straße in „greifbare Nähe“. Ein Eine mysteriöse Quelle von Infraschall wird jedoch die Kosten für Sanierung oder Abriss
Gericht verurteilt eine Tierquälerin zu einem in einem Gebiet am Inrath gesucht. Im ersten feststehen. Nach wie vor beschäftigt Bürger
Jahr auf Bewährung. Die 17-Jährige tötete Monat des Jahres beginnt ein Ärgernis, das und Politik der Straßenstrich an der Neuen
und verletzte Tiere in und um Krefeld. Ein hie- sich bis in den Herbst hinziehen wird: Gelbe Ritterstraße. Trotz vermehrter Kontrollen hat
siger Unternehmer erwirbt von der Stadt das Säcke bleiben am Straßenrand liegen, Gelbe sich das Problem nicht gelöst. Im Deutschen
Haus Schönhausen. Die Verwaltung der Mu- Tonnen werden nicht fristgerecht geleert. Im- Textilmuseum wird die Ausstellung „Euro-
sikschule, die dort untergebracht war, zieht mer wieder beschweren sich Anwohner über pe – Asia II.“ eröffnet. Die Stadt lässt etwa
in einen Neubau bei Haus Sollbrüggen. Am den nicht abgeholten Müll. Die Wohnstätte 400 kranke Straßenbäume fällen. Das The-
Hauptbahnhof hält endlich ein Intercityzug präsentiert Entwürfe für den Bau ihrer Zent- ma „Inklusion“ bewegt die Gemüter, vor al-
mit einer direkten Verbindung in die Haupt- rale an der Stelle der ehemaligen Werkkunst- lem die Frage der Finanzierung wird auch in
stadt Berlin. Das Fehlen einer Umweltverträg- schule. Eine 20-minütige Verfolgungsjagd Krefeld diskutiert. Das Eigenkapital der Stadt
lichkeitsprüfung sorgt für den Baustopp an liefert ein 21-Jähriger der Polizei. Mit über schrumpft: Von Ende 2011 bis Ende 2012
einer Stromleitung. Das Niederrheinische Li- 100 Stundenkilometer rast er von Bockum in sank es von 661,7 Millionen auf 639,8 Millio-
teraturhaus beendet ein erfolgreiches erstes die Innenstadt. An der Dionysiuskirche rammt nen Euro. Die Zahl der Unfälle (7672) und der
Jahr mit rund 40 Veranstaltungen. Das Muse- er einen Baum. Die umfangreichen, oberirdi- Verletzten (877) ist in Krefeld auf einen Tiefst-
um Burg Linn zeigt seine neu geordnete Glä- schen Umbauarbeiten auf dem Ostwall kün- stand gefallen. Das Kresch-Theater inszeniert
sersammlung. Die Funde sind teilweise 2 000 digen sich mit ersten Baustellenschildern an, eine beklemmende Version von Kafkas „Der
Jahre alt. Eine Initiative wehrt sich gegen die bereits seit zwei Jahren wird im Untergrund Prozess“. Die neue Gesamtschule Uerdingen
Bebauung eines ehemaligen Kasernenareals gewerkelt. Die Villa Heusgen ist kein Bau von kann 140 Kinder nicht aufnehmen. Insge-
in Forstwald. Das Gelände soll stattdessen Ludwig Mies van der Rohe. Eine schwedi- samt wurden dort 706 Kinder angemeldet.
aufgeforstet werden. Seit 40 Jahren können sche Quelle nennt Rudolf Wettstein und Willi Die Sparmaßnahmen zwingen das Kulturbüro
Bedürftige den Heiligabend in der Gemeinde Kaiser als Architekten. Mit der Proklamation der Stadt Krefeld Angebote wie das Open-
St. Martin feiern. In Gellep-Stratum fürchten im Seidenweberhaus von Michael I. und Karin Air-Kino einzustellen, außerdem werden zwei
die Katholiken, dass ihre Kirche St. Andreas I. fängt die närrische Zeit an. Auf der Kaiser- Konzerte der Serenaden gestrichen. Dafür
geschlossen wird. Der Gastronom Luciano straße werden Szenen für die TV-Serie „Alarm bleiben jedoch andere Veranstaltungen un-
Valera schließt sein Lokal „Quincy“ in der In- für Cobra 11“ gedreht. Die Sängerin Christina angetastet. Die Schwäne auf dem Brunnen
nenstadt. Der Winterzirkus auf dem Spröden- Stürmer begeistert ihre Fans in der Kulturfa- auf dem Schwanenmarkt werden wohl von
talplatz erfreut zahlreiche Besucher zwischen brik. Die Pläne eines Brauhauses im einsti- Metalldieben gestohlen.
den Jahren. gen Bahnhofsgebäude in Uerdingen werden
nicht realisiert. Der Schließungsplan für die
Comenius-Schule an der Mariannenstraße März
Januar stößt auf den Widerstand der Schülereltern.
Das Stadtarchiv Krefeld übernimmt das Ar- Karnevalsskandal: Eine Möhne wird in der
Die Silvesternacht verläuft mit 216 Einsät- chiv des Fichte-Gymnasiums. Traditionsgaststätte Gleumes nicht hinein-
zen für die Polizei normal. Das erste Baby gelassen. Die soll zehn Euro Mindestverzehr
des neuen Jahres in Krefeld kommt um 0.18 zahlen. Der auswärtige Gastro-Konzern, der
Uhr auf die Welt und erhält den Namen „Ut- Februar das Brauhaus betreibt, interessiert sich auch
ku“, was bedeutet: Am Ende kommt er ans im Nachhinein nicht für die Krefelder Tradi-
Ziel. Die Krefeld Pinguine beginnen das Jahr Philibert Reuters löst Wilfried Fabel als Frakti- tion, Möhnen überall kostenfrei Zugang zu
auf Platz vier der DEL-Tabelle. Die Albert- onsvorsitzender der CDU ab. Der milde Win- gewähren. Für ihren neuen Theatersaal stellt
Schweitzer-Schule an der Lewerentzstraße ter sorgte dafür, dass das Salzlager der GSAK die japanische Firma Kawai mit Europasitz
ist fast fertig. Sie fügt sich zum Corneliusplatz noch gut gefüllt ist. In London wird eine Liste in Krefeld der hiesigen Musikschule einen
hin wie einst die Gewebeschule, die früher mit sogenannter „entarteter Kunst“ wieder neuen Flügel zur Verfügung. Die Jecken sind
an dieser Stelle stand. Die Schornsteinfe- entdeckt. Darauf sind auch 98 Kunstwerke los: 50 000 feiern den Tulpensonntag in der
ger kommen ins Rathaus und wünschen viel aufgelistet, die von den Nationalsozialisten Rheinstadt, 120 000 in der Seidenstadt. Einen
Glück für die kommenden Monate. „Bald aus dem Kaiser Wilhelm Museum konfisziert großen Opernabend mit der ausgezeichne-
tut sich was“, titelt eine Krefelder Zeitung in wurden. Bundesweit macht zeitgleich der ten Sopranistin Sophie Witte präsentiert das
Sachen Stadtbad an der Neusser Straße. Es „Fall Gurlitt“ Schlagzeilen, bei ihm wurden Stadttheater mit der Inszenierung von „Ma-
wird nicht der letzte Bericht dieser Art sein. zahlreiche Kunstwerke gefunden, deren Her- non“. Fast die Hälfte aller Krefelder Kinder
Dafür bewegt sich tatsächlich etwas im alten kunft unklar ist. Die Krefelder Wälder haben nutzt das Ganztagsangebot in den Schulen.
Horten-Haus. Dort entkernen 120 Arbeiter sich etwas erholt, der Anteil der kranken Bäu- Im Keller eines Bungalows am Oelhausenweg

8   die Heimat 85/2014


tötet eine Explosion eine Frau. Die Ursache wehr 14 Menschen per Drehleiter. Die Krefeld dem ehemaligen Amtsgericht Uerdingen, wo
bleibt zunächst ungeklärt. Die Leiche eines Pinguine beenden die Hauptrunde auf dem sich die Bücherei befand, herausgeholt. Die
Säuglings wird in Stahldorf gefunden. Wäh- zweiten Tabellenplatz, die Meisterträume „Alte Samtweberei“ an der Lewerentzstraße
rend des Uerdinger Karnevals haben dreiste platzen leider bereits nach dem Viertelfinale erfreut sich großer Beliebtheit, für die Im-
Diebe drei tonnenschwere und gut zehn Me- gegen Ingolstadt. mobilienflächen bewerben sich immer mehr
ter lange Lkw-Anhänger gestohlen, die am Interessenten. Bei einem Dachstuhlbrand an
Bahnhof abgestellt waren. Wieder ein Groß- der Seidenstraße wird ein Mann schwer ver-
brand: In Gellep-Stratum wird ein Zimmerei- April letzt. Später stellt sich heraus, dass er sich
betrieb ein Raub der Flammen. Ein großes umbringen wollte. Für ihre Wahlplakate ver-
Bauschild markiert den offiziellen Beginn der Nach Verhandlungen der IG Metall mit dem wendet die CDU das Stadtwappen, was nicht
oberirdischen Arbeiten auf dem Ostwall im finnischen Konzern Outokumpu soll es in erlaubt ist. Nun muss das Hoheitszeichen
Haltestellenbereich Rheinstraße. Immer noch Krefeld bis 2020 keine betriebsbedingten überklebt werden. Eine „geheime“ Sparliste
ist das Glasdach für die neue Haltestelle ein Kündigungen geben. Zudem will das Unter- der Verwaltung wird öffentlich – der Kommu-
Streitpunkt zwischen den Parteien. Im Rat- nehmen bis 2016 rund 108 Millionen Euro in nalwahlkampf wirft seine Schatten voraus.
haus ehrt der Oberbürgermeister „ehrliche das Kaltwalzwerk sowie 9,5 Millionen Euro Der Vorschlag, das Kinder- und Jugendthe-
Finder“, das sind Kinder und Jugendliche, die in Forschung und Entwicklung investieren. ater wegen des Nothaushaltes zu schließen,
Fundsachen abgegeben haben. Die Suche Nach langem und zum Teil zähem Ringen ver- scheint allerdings vorerst vom Tisch zu sein.
nach dem Kindsmörder aus Stahldorf geht abschiedet der Rat mit großer Mehrheit den Im Jahr 2013 hat jeder Krefelder statistisch
weiter. Eine Hundertschaft der Polizei durch- neuen Flächennutzungsplan. Weil für Nach- gesehen 804 Kilogramm Abfall erzeugt. Der
sucht das Gelände rund um die Fundstelle. pflanzungen kein Geld vorhanden ist, prägen Künstler Caco kündigt an, die Stadt Richtung
Wegen einer neuen Verordnung, welche die immer mehr Baumstümpfe das Bild entlang Bremen zu verlassen. In der Musikschule
Höhe von Geländern auf Brücken tangiert, der Straßen. Im Rahmen des Bildungs- und Krefeld finden die Kawai-Meisterkurse statt.
muss die Stadt Warnschilder an einigen Brü- Teilhabepaketes wurden seit 2011  15 000 Die Kreuzung St.-Anton-Straße/Ostwall wird
cken aufstellen, da deren Geländer zu nied- Anträge bearbeitet und 1,7 Millionen Euro wegen der Umbauarbeiten für den Verkehr
rig sind. Für die Play-Off-Partien-Karten der verteilt. Für Antragssteller betreibt die Stadt gesperrt. Eine Wildwiese für Insekten ent-
Pinguine stehen die Fans Schlange am Kö- ein besonderes Servicecenter im Seiden- steht am Von-Beckerath-Platz. Das Museum
nigpalast. Ohne große Probleme werden die weberhaus. Das Museumscafé in Linn ist Burg Linn eröffnet eine Ausstellung über den
Verkehrsumleitungen rund um den Ostwall offizielle Pilgerstation des Jacobwegs. Mit Ersten Weltkrieg. Im Uerdinger Siemenswerk
eingerichtet. Busse, Bahnen und Pkws fah- einer Ausstellung des Modehauses Schinke geht die Angst um, dass der Konzern dort
ren nun Umleitungen durch die Innenstadt. Couture wird das sanierte und umgebaute Stellen abbaut.
Verschiedene Medien berichten über einen Museum „Haus der Seidenkultur“ wiederer-
massiven Stellenabbau bei der Westdeut- öffnet. Die Kunstmuseen Krefeld zeigen die
schen Zeitung. Von 100 Redakteursstellen Ausstellung „Living in the Material World“ Mai
sollen 50 Prozent wegfallen. Die Redaktion mit Werken von zwölf jungen Künstlern. Die
in Krefeld soll erhalten bleiben, aber von den Bücherei in Uerdingen ist zwar geschlossen, An der Schwertstraße brennt eine Erdge-
Entlassungen werden auch dort Redakteure trotzdem feiert ein Kreis in der Rheinstadt das schosswohnung. Zwei junge Männer retten
und Angestellte betroffen sein. Der getötete 100-jährige Bestehen. Zur Feierstunde liest sich durch Sprünge aus dem ersten Stock.
Säugling wird beigesetzt, die Suche nach der auch der Kabarettist Wilfried Schmickler. Ei- Die Polizei ermittelt einen 23-Jährigen, der
Mutter fortgesetzt. Eine Belohnung in Höhe nige Tage später wird das letzte Inventar aus das Feuer vorsätzlich gelegt haben soll, und
von 5000 Euro wird ausgelobt. Auch einen
Massengentest führt die Polizei durch. Erst
haben sich alle gefreut, dass sich am Ostwall
endlich etwas bewegt. Nun passiert etwas,
und einige Einzelhändler klagen über die
Bauarbeiten. Ein Teilbereich des Rheinblicka-
reals wird von der Stadt versiegelt und darf
nicht mehr betreten werden. Dort haben nicht
genehmigte Abbrucharbeiten stattgefunden.
Der Bürgerverein Linn möchte sich für den Er-
halt und Reaktivierung der Wassermühle des
Mühlenhofs am Greiffenhorstpark einsetzen.
Im Rathaus Krefeld passt nun ein Wachdienst
auf. Im Haushaltsjahr 2013 fehlen der Stadt
32,4 Millionen Euro, das sind 15,9 Millionen
Euro mehr als bei der Haushaltsaufstellung.
Weil kein städtischer Eigenanteil geleistet
werden kann und somit auch keine Landes-
mittel fließen, verzögert sich die Umgestal-
tung des Karlsplatzes. Die Kunstmuseen
Krefeld können mit Hilfe von verschiedenen
Geldgebern die Skulptur „Gate (white)“ von
Michael Craig-Martin erwerben. Es steht
seit seiner Ausstellung im Garten von Haus
Lange. Polizei und Stadt zeichnen Bürger
mit Zivilcourage im Rathaus aus. Experten
sprechen auf einer Fachtagung der Lebens-
hilfe Krefeld über das Thema Inklusion in der Abb. 4. Oberbürgermeister Gregor Kathstede, Künstler Michael Craig-Martin, Barbara Kön-
Schule. Bei einem Brand in einem Mehrfami- ches von der Kunststiftung NRW und Museumsleiter Dr. Martin Hentschel mit dem Werk Gate
lienhaus an der Glockenspitz rettet die Feuer- (white), 2011, im Garten von Haus Lange.

die Heimat 85/2014   9


verhaftet ihn. Die Arbeitslosenquote steigt Griff zu bekommen. Die Ratsfraktionen eini-
leicht auf 11,3 Prozent. Das Krefelder Sie- gen sich darauf, die Zahl der Bürgermeister
menswerk geht wohl doch nicht an einen und Ausschüsse zu verringern. Über 40 000
französischen Konzern. In Verberg findet die Besucher kommen zum Flachsmarkt nach
Eärpelstour statt und die „RTL-Dschungelkö- Linn. Eine schwere Gewitterfront zieht über
nigin“ Melanie Müller besucht Krefeld für eine Krefeld hinweg. Dabei wird ein Mann von ei-
Veranstaltung in einem Gastronomiebetrieb nem umstürzenden Baum auf dem Steeger
am Ostwall. Zeitzeugen und Schauspieler er- Dyk erschlagen. Rund 100 Bäume werden
innern sich im Stadttheater an den Schriftstel- durch den Sturm entwurzelt. Der Zoo Krefeld
ler Heinar Kipphardt (1922 bis 1982), der un- eröffnet ein neues Gehege für die Pinguine.
ter anderem am Gymnasium am Moltkeplatz Der Brunnen auf dem Theaterplatz wurde in
sein Abitur machte. Der Verein Kunst und Kre- ein Blumenbeet umfunktioniert. An der Neu-
feld bezieht sein neues Domizil in der Alten en Ritterstraße erfolgt der erste Spatenstich
Post an der Steinstraße. Die Sanierung des für die neue Feuerwache. Die Quelle des In-
Rheindeichs in Uerdingen beginnt. Wegen der fraschalls am Inrath bleibt weiterhin unklar.
Ostwallarbeiten können Straßenbahnen das Die Kreuzung St.-Anton-Straße/Ostwall ist
Depot an der St. Töniser Straße nicht mehr wieder für den Verkehr frei. In den Wochen
erreichen. Deswegen richten die Stadtwerke der Sperrung ist ein Verkehrschaos ausge-
ein Ersatzdepot an der Gladbacher Straße auf blieben. Der Verein Impuls Krefeld versteigert
einem stillgelegten Streckenstück ein. Wieder alte Hortenkacheln im Gesamtwert von 7 300
sorgen die Kosten für das Glasdach an der Euro. Der Erlös wird an wohltätige Einrichtun-
Haltestelle Rheinstraße für Diskussionsstoff. gen gespendet. Ein linkes Parteienbündnis
Eine ehemalige Miss Krefeld soll eine Geisel- möchte in der Uerdinger Stadtbücherei ein
nahme mit geplant haben und wird verhaftet. neues Quartierzentrum einrichten. Die Fra-
Der Künstler Anatol zeigt in Uerdingen Kunst- ge der Finanzierung ist jedoch nicht geklärt.
werke in der einstigen Druckerei Schotte. Die Der Verkauf des Brempter Hofs in der Rhein-
einzige Krefelder Unesco-Projektschule, die stadt kommt nicht zustande, weil eine Käu-
Paul-Gerhardt-Grundschule in Uerdingen, fergemeinschaft einen Optionsvertrag doch
stellt ihr Projekt „Welterbe Erde – Mach Dich Abb. 5. Sanierung des Rheindeichs in Kre- nicht unterschreiben will. In die Diskussion
stark für Vielfalt“ vor. Sieben historische Feu- feld-Uerdingen. über ein Depot für die Krefelder Museen wird
erwehren messen sich in der Vorburg in Linn. nun ein Neubau am Stadthaus in Betracht
Die Freiwillige Feuerwehr nimmt ihre Wache gezogen. In der Villa Merländer präsentiert
in Hüls in Betrieb. Die Baukosten betrugen die NS-Dokumentationsstelle eine neue Dau-
2,88 Millionen Euro. Das ehemalige Bayer- zu haben. Bis Ende 2014 hat die Stadt Zeit, erausstellung. Ministerpräsidentin Hannelore
Casino soll ein Denkmal werden, der Konzern das Problem mit den Stickstoffwerten in den Kraft lässt sich in Krefeld das Projekt „Kultur-
möchte das Gebäude von Helmut Hentrich
jedoch lieber abreißen lassen. In Hüls präsen-
tieren polnische und deutsche Künstler eine
gemeinsame Ausstellung. Am Südwall wird
ein Café-Besitzer von Schüssen getroffen.
Eine Familienfehde soll der Hintergrund der
Tat sein. Der Täter wird später in Lüdenscheid
gefasst. Die Mennonitengemeinde Krefeld
veranstaltet einen Gemeindetag, an dem
über 400 Mennoniten aus Deutschland, der
Schweiz und den Niederlanden teilnehmen.
In Stahldorf soll eine Moschee ein insgesamt
25 Meter hohes Minarett erhalten. Der Krefel-
der Bauunternehmer Ulrich Schmitter stellt
sein Rheinblick-Projekt vor. Bei der Kommu-
nalwahl liegt die SPD (34,7 Prozent) hauch-
dünn vor der CDU (33,7 Prozent), beide Par-
teien erhalten 20 Ratsmandate. Im neuen Rat
sind zehn Parteien vertreten. Die Wohnstätte
AG überweist als Geschäftsgewinn 3,16 Mil-
lionen Euro an die Stadtkasse. Ende 2013
befinden sich 1 580 Häuser mit 9 101 Woh-
nungen im Eigentum der Gesellschaft.

Juni
Im Königpalast kämpft der Boxer Felix Sturm
vor 8 000 Zuschauern um seinen WM-Titel,
den er an diesem Abend verliert. Der West-
deutsche Rundfunk aus Köln berichtet über
Radarmessungen in Krefeld, die angeblich Abb. 6. An der Paul-Gerhardt-Schule in Uerdingen haben die Schüler das Unesco-Fest „Welt-
fehlerhaft durchgeführt werden. Das Lkw- erbe Erde – mach dich stark für Vielfalt“ gefeiert. Rechts: Angela Ortmann, Unesco-Koordina-
Durchfahrtsverbot scheint keine Wirkung torin der Paul-Gerhardt-Schule, mit der Schulleiterin Gabriele Hötter.

10   die Heimat 85/2014


rucksack“ erklären. Das Kulturbüro der Stadt
Krefeld organisiert das hiesige, kostenfreie
Kulturangebot für Kinder- und Jugendliche.
Die sogenannte Ringlösung der Straßen-
bahnlinie in Hüls scheint endgültig vom Tisch
zu sein. Mit viel Musik veranstaltet die Stadt
„Kultur findet Stadt(t)“. Teile der Fassade
der seit Jahren geschlossenen Gaststätte Et
Bröckske an der Marktstraße fallen herab.
Deswegen muss die Straße dort teilweise ab-
gesperrt werden. Das Gebäude steht vorläu-
fig unter Denkmalschutz, ein Käufer für das
Haus findet sich allerdings nicht. Das Deut-
sche Textilmuseum Krefeld eröffnet die Aus-
stellung „Häkelkosmos. Vom Korallenriff zum
Schwarzen Loch“. Binnen weniger Wochen
besuchen Tausende die neue Ausstellung.

Juli
Statt der Fashionworld möchte der Einzelhan-
del „Krefeld pur“ als Ersatz für die abgesetzte Abb. 7. Gabriela von Hollen-Heindorff, Mitarbeiterin des Museums Kunst der Westküste (links)
Modenschau präsentieren. Der Straßenstrich und Hilla Holzhauer, ehrenamtliche Museumshelferin aus Föhr (Mitte), bauen gemeinsam mit
an der Neuen Ritterstraße soll zeitlich zwi- Dr. Annette Schieck, Leiterin des Deutschen Textilmuseums, das „Föhr Riff“ auf.
schen 6 und 22 Uhr verboten werden. Statt
der zuerst berechneten 41,8 Millionen Euro
fehlen dem Kämmerer „nur“ 35,6 Millionen
Euro. Das sei aber kein Grund, die Sparmaß- wehr hat den Brand schnell unter Kontrol- Uerdingen nur noch auf dem historischen
nahmen einzustellen, betonte der Kämmerer. le. In die Sanierung von Schulen investiert Marktplatz statt. Nach dem Umbau der Hal-
Zum Auftakt des Gesamtprogramms des Li- die Stadt während der Sommerferien rund testelle Rheinstraße soll neben der „K-Bahn“,
terarischen Sommers 2014 liest Saša Stanišić 800 000 Euro. Beim Workcamp haben 14 Ju- die offiziell U76 heißt, auch die Linie U70 bis
aus seinem Buch „Vor dem Fest“ im Crefelder gendliche aus neun Nationen das Außenge- in die Innenstadt fahren. Im Schönhausen-
Ruderclub vor. Die SWK erhalten bis Dezem- lände der städtischen Kindertagesstätte an park zeigt ein Duisburger Tanzensemble die
ber zwölf neue Straßenbahnen im Wert von der Märklinstraße neu gestaltet. Bei der Aus- Premiere ihres Stückes „Protected Zone“. Es
30 Millionen Euro. Oberbürgermeister Gre- stellung „Der Himmel so weit“ auf Schloss ist Teil des neuen Formates „Move in Town“
gor Kathstede ist erstmals in das Präsidium Moyland bei Kleve sind auch Werke von des Kulturbüros Krefeld. Trotz strömenden
des Deutschen Städtetages gewählt worden. Krefelder Künstlern wie Heinrich Nauen und Regens schauen sich über 150 Zuschauer
Das Gut Heyenbaum in Verberg soll bis 2016 Joseph Beuys zu sehen. Die Kunstmuseen die Inszenierung im Platanenhain an. Die Bib-
zu einem Wohnkomplex umgebaut werden. Krefeld haben ein Werk von Helmuth Macke liothek des Deutschen Textilmuseums nimmt
Nach wie vor ungelöst bleibt die Ursache für ausgeliehen. Erstmals findet die Kirmes in die 10 000ste Monographie in ihren Bestand
den Infraschall am Inrath. Ein Betrieb konnte
als Quelle zwischenzeitlich ausgeschlossen
werden. Für das Stadtbad Neusser Straße
wird ein Optionsvertrag unterzeichnet. Eine
Firma aus Erftstadt hat bis Dezember 2015
Zeit, Pläne zu konkretisieren. Wegen ergie-
biger Dauerregenfälle müssen in der Stadt
Arbeiten an manchen Baustellen wie am Ost-
wall zeitweise eingestellt werden. Mit einem
Wandbild wird der Künstler Fritz Huhnen an
der Viktoriastraße geehrt. Eine 300 Jahre al-
te Blutbuche mit einem Stammdurchmesser
von 2,50 Metern muss im Greiffenhorstpark
in Linn gefällt werden. Der kranke Baum kann
nicht mehr gerettet werden. Seit Jahren war
er bereits mit Stahlseilen abgesichert worden.
Als neues Domizil bezieht der Uerdinger Hei-
matbund das sogenannte „Bügeleisenhaus“
an der Bruchstraße. Die Krefelder feiern
ausgelassen den WM-Sieg der deutschen
Fußball-Nationalmannschaft. Der Künstler
Georg Opdenberg zeigt eine Ausstellung auf
Burg Linn. Bundesweites Aufsehen erregt der
Diebstahl von 300 000 Litern Bier aus einer
Lagerhalle in Linn. Die Polizei entdeckt das
Bier wenige Tage später in Rheinland-Pfalz. Abb. 8. Jugendliche aus neun Nationen haben im Rahmen eines Projektes des Internationa-
Am Rheinhafen brennt es wiederholt auf dem len Jugendgemeinschaftsdienstes das Außengelände der städtischen Kita Märklinstraße neu
Gelände einer Düngemittelfabrik. Die Feuer- gestaltet.

die Heimat 85/2014   11


bekischen Taschkent. Der Künstler Jochen
Stücke aus Krefeld stellt Werke aus seinem
„Pariser Album“ im Von-der-Heydt-Museum
in Wuppertal aus. Das 15. Mies-van-der-Ro-
he-Stipendium geht an die Italienerin Rossel-
la Biscotti. Ihre Ausstellung „10x10“ wird im
Museum Haus Esters gezeigt. Die Hochschu-
le Niederrhein begrüßt 3250 Erstsemester
im König-Palast. Das Kulturzentrum Fabrik
Heeder feiert sein 25-jähriges Bestehen. In
Krefelder Zeitungen wird über eine mögli-
che Schließung des Dr.-Isidor-Hirschfelder-
Schullandheimes in Herongen berichtet. Der
Umbau der St.Dionysuskirche soll im Oktober
beginnen. Die Umbauarbeiten für die City-
Seelsorge und „Unser täglich Brot“ sollen
im Frühjahr 2015 abgeschlossen sein. Die
Gemeinde wird in dieser Zeit andere Kirchen
in der Innenstadt nutzen. Statt der Fashion-
world veranstalten Krefelder Einzelhändler
„Krefeld pur“ als Ersatzveranstaltung. Auch
im Jahr 2015 soll das große Modespektakel in
der Innenstadt dem Rotstift zum Opfer fallen.
Zum elften Mal findet das Bandoneon-Fes-
Abb. 9. Oberbürgermeister Gregor Kathstede, Ministerin Ute Schäfer, Preisträgerin Camille tival statt. Das Kulturbüro der Stadt Krefeld
Henrot, Förderpreisträger Manuel Graf und Fritz Behrens (v.·l.), Präsident der Kulturstiftung hat mehrere Musiker eingeladen. Die Firma
NRW, bei der Verleihung des Nam June Paik Awards im Museum Haus Lange in Krefeld. Compo am Krefelder Hafen investiert 65 Mil-
lionen Euro in den Neubau ihrer Anlagen. Der
erste Spatenstich für ein Minarett erfolgt in
Stahldorf. Angesichts der nicht enden wollen-
auf. Es ist die größte Fachbibliothek zum The- Kündigungen erhalten. Die Sparkasse Krefeld den Probleme mit den Gänsen am Elfrather
ma Textiles in Deutschland. vermeldet, dass an Stelle ihrer Filiale an der Badesee denken Verwaltung und Politik
Friedrichstraße ein Neubau entstehen soll. über eine Schließung des Freibades nach.
Der Investor soll Anfang Oktober vorgestellt Die französische Künstlerin Camille Henrot
August werden. Das Museum Burg Linn eröffnet eine erhält in Krefeld den mit 25 000 Euro dotier-
archäologische Mitmach-Ausstellung. ten Nam June Paik Award der Kunststiftung
Mit einem Heimspiel gegen den FC Schalke Nordrhein-Westfalen. NRW-Kulturministerin
04 II beginnt für den KFC Uerdingen die neue Ute Schäfer und Dr. Fritz Behrens, Präsident
Saison in der Regionalliga. Die Arbeiten an September der Kunststiftung NRW, übergeben den Preis
und in der neuen Volksbankzentrale am Dio- im Museum Haus Lange. Den gleichzeitig
nysiusplatz gehen auf die Zielgrade. Im De- Die Neubauten der Musikschule Krefeld wer- verliehenen und mit 15 000 Euro dotierten
zember sollen die 150 Mitarbeiter dort ihre Ar- den offiziell in Betrieb genommen. Für eini- Förderpreis erhält der Düsseldorfer Künstler
beit aufnehmen. In der Rheinlandhalle fangen gen Wirbel sorgen neue Meldungen über ein Manuel Graf.
die Krefeld Pinguine mit dem Eistraining an. weiteres Defizit in der Stadtkasse. Angeblich
Zum Auftakt kommen einige Hundert Fans fehlen 15 Millionen Euro und dann wieder
an die Westparkstraße. Mit einer Party feiert nicht. Mit einem russischen Abend eröffnen
Wirt Leo Herwix das 20-jährige Bestehen des die Niederrheinischen Sinfoniker ihre neue
Fasskellers an der Hülser Straße. Oberbür- Spielzeit im Seidenweberhaus. Lisa Schmid-
germeister Gregor Kathstede gibt bekannt, la gewinnt im deutschen Ruder-Doppelvierer
dass er 2015 nicht mehr zur Wahl antreten eine Goldmedaille bei der Weltmeisterschaft
wird. Begründung: Er wolle mehr Zeit für seine in Amsterdam. Erstmals spielen die Krefeld
Familie haben. Für die Anwohner des Luther- Pinguine in der Champions Hockey League.
platzes werden die Trinkgelage auf dem Areal Der Brempter Hof hat nun doch einen Käu-
immer mehr zum Ärgernis. Das Folklorefest fer gefunden. Das Pionierhaus in der „Alten
auf dem Platz an der Alten Kirche beginnt mit Samtweberei“ wird eröffnet. Am Hansahaus
einem kubanischen Abend. Der 21-jährige wird ein Glockenspiel installiert. Der Ärger mit
Krefelder Majid Kessab gewinnt die Fernseh- Handwerksunternehmen beim Umbau und
Tanzshow „Got to dance“. Die Rheinstädter der Sanierung des Kaiser Wilhelm Museums
feiern die Erweiterung des Stadtparks in Uer- hat nicht nur Auswirkung auf die Wiedereröff-
dingen vor 30 Jahren. Die Krefelder Karne- nung. Die „gedeckelten“ 12,5 Millionen Euro
valisten gründen mit dem „Comitee Crefel- für die Arbeiten sind passé, eine Zeitung be-
der Carneval“ eine neue Dachorganisation. richtet von geschätzten 17 bis 18 Millionen
Ohne Erfolg bleibt die Suche nach der Mut- Euro. Zum 30. Mal findet ein Festival des
ter des getöteten Säuglings in Stahldorf. Im Jazzklubs Krefeld statt, rund 700 Zuschauer Abb. 10. Krefelds Oberbürgermeister Gregor
Theater begrüßt Generalintendant Michael kommen in die Vorburg nach Linn. Eine Kre- Kathstede und der Venloer Bürgermeister An-
Grosse alle Mitarbeiter zur neuen Spielzeit. felder Delegation besucht Venlo anlässlich toin Scholten bei den Feierlichkeiten zu 50
Bei der Westdeutschen Zeitung wurden die des 50-jährigen Bestehens der Städtepart- Jahren Städtepartnerschaft in Venlo. Kaths-
angekündigten Stellenstreichungen nun um- nerschaft. Die 23-jährige Krefelder Ringerin tede trug sich zu diesem Anlass auch in das
gesetzt. Auch in Krefeld haben Redakteure Aline Focken gewinnt das WM-Finale im us- Goldene Buch der Partnerstadt ein.

12   die Heimat 85/2014


Nachruf auf Dr. Guido Rotthoff
Leitender Stadtarchivdirektor in Krefeld 1959 – 1987

von Claudia Rotthoff-Kraus


Vor nunmehr über einem Jahr, am 15. Juni Bereits zum Wintersemester 1945/1946 ruf des wissenschaftlichen Archivars. Von
2013, verstarb nach kurzer schwerer Krank- konnte Guido Rotthoff an der Universität 1952 bis 1954 absolvierte er am Institut für
heit Dr. Guido Rotthoff, der langjährige Di- Bonn sein Studium der Fächer Geschichte, Archivwissenschaft in Marburg seine Refe-
rektor des Krefelder Stadtarchivs. Er wurde Latein, Griechisch, Historische Hilfswissen- rendarszeit, die er mit dem Zweiten Staats-
am 27. Oktober 1922 in Krefeld „innerhalb schaften sowie Philosophie aufnehmen, das examen und der Qualifikation zum Staats-
der vier Wälle“ geboren. Seine Kindheit und er 1951 mit dem Staatsexamen für das Lehr- archivassessor abschloss. Erste berufliche
Jugend war somit äußerlich geprägt von amt an Gymnasien abschloss. Aber schon Stationen führten ihn dann zunächst kurz ins
den politischen und sozialen Umbrüchen im einige Jahre zuvor hatten sich andere be- Nordrhein-Westfälische Hauptstaatsarchiv
Gefolge des Ersten Weltkriegs, die schon rufliche Perspektiven aufzutun begonnen. nach Düsseldorf sowie von 1954 bis 1959
bald in die Vorboten des Zweiten Weltkriegs Ein Hauptseminar seines akademischen zur Archivberatungsstelle des Landschafts-
münden sollten. Seine erste Lebenszeit be- Lehrers Professor Dr. Paul Egon Hübinger verbandes Rheinland, damals ebenfalls in
gleitete Dr. Isidor Hirschfelder, jener jüdi- lenkte im Sommersemester 1947 sein wis- Düsseldorf ansässig. Hier erschloss er vor
sche Kinderarzt in Krefeld, dessen Schicksal senschaftliches Interesse auf die Probleme allem Pfarr- und Adelsarchive im Rheinland
­exemplarisch für viele weitere Opfer des Na- der Reichsgutforschung und mündete im und in der Eifel, eine Tätigkeit, die damals,
tionalsozialismus Eingang in den 5. Band der Jahre 1951 in seine Dissertation zum Thema wie er hin und wieder gerne erzählte, auch
Krefelder Stadtgeschichte gefunden hat. Zu „Studien zur Geschichte des Reichsguts in schon einmal Expeditionscharakter anneh-
seinen ersten schemenhaften Erinnerungen Niederlothringen und Friesland während der men konnte.
zur Zeitgeschichte gehörte die Ankunft des salisch-sächsischen Kaiserzeit“. Es eröffne-
Reichspräsidenten Hindenburg am Krefelder te sich die Möglichkeit einer wissenschaft- In die Zeit seiner Tätigkeit bei der Archiv-
Hauptbahnhof im März 1926. Die jüngste lichen Karriere, die Dr. Rotthoff aber auf- beratungsstelle datiert auch die Grundle-
Geschichte seiner Vaterstadt kannte Guido grund der damit verbundenen neuerlichen gung des – neben der Krefelder Geschichte
Rotthoff also nicht nur als Historiker. Unsicherheiten – die durchlebte Kriegszeit – zweiten Schwerpunktes im wissenschaft-
hatte hier sehr sensibel gemacht – und aus lichen Lebenswerk von Dr. Guido Rotthoff:
Seine Schulzeit verbrachte er im Schatten Rücksicht auf seine wachsende Familie nicht Die Stiftskirche des Hl. Viktor zu Xanten. Hier
von St. Dionysius, nach der Volksschule be- weiter verfolgte. Er wandte sich vielmehr ei- galt sein besonderes Interesse der Edition
suchte er das Städtische Arndt-Gymnasium, ner anderen, nicht minder anspruchsvollen der für den Xantener Dom außergewöhnlich
dem er über die Teilnahme an Schülerpro- beruflichen Herausforderung zu, die diesen gut überlieferten mittelalterlichen Baurech-
jekten, denen er sich als Zeitzeuge zur Ver- Verzicht wett zu machen versprach: Der Be- nungen, die er in jahrelanger, mühevoller, in
fügung stellte, bis wenige Monate vor sei-
nem Tod verbunden blieb. Bereits während
der Gymnasialzeit erwachte das Interesse
des späteren Stadtarchivars an der Krefel-
der Geschichte, hatte er in Dr. Karl Heinzel-
mann, dem späteren Herausgeber der von
Gottfried Buschbell begonnenen Krefelder
Stadtgeschichte, doch einen auch in der
Lokalgeschichte kompetenten Geschichts-
lehrer gefunden. In die Gymnasialzeit fiel
sein bis zuletzt gern erinnertes Engagement
in der Katholischen Jugendbewegung, die
auch nach deren Verbot durch die National-
sozialisten nicht abriss, sondern eher noch
intensiver wurde. In diesen Jahren wuch-
sen auch seine jahrzehntelang gepflegten
Freundschaften zu Msgr. Dr. Rudolf Besouw
und zum späteren Pfarrer Hermann Lunke-
bein. Dem Abitur im Jahre 1941 folgte wie
für die meisten seiner Generation die wohl
schwerste Zeit ihres Lebens, der Krieg. Es
war Dr. Rotthoff vergönnt, diesen nicht nur zu
überleben, sondern seine Vaterstadt bereits
im Juni 1945 unversehrt wiederzusehen.
Viele seiner Klassenkameraden und Jugend-
freunde hatten dieses Glück nicht. Abb. 1. Dr. Guido Rotthoff an seinem Arbeitsplatz im Stadtarchiv Krefeld

die Heimat 85/2014   13


der Freizeit geleisteter Kleinarbeit schließlich mer selbst „Historiker“ sein muss. Das gilt war der sogenannte BeNeLim-Konvent, ein
bis Ende des 15. Jahrhunderts bearbeitete für Städte in besonderem Maße. Es war Dr. lockerer Zusammenschluss belgischer und
und herausgab. Ein weiteres seiner Xantener Rotthoff daher eine besondere Freude, auch niederländisch-limburgischer Archivare, die
Editionsprojekte stellte die von Renate Jac- Dieter Hangebruch, seinen langjährigen und ihm als einem der ersten deutschen Kollegen
ques begonnene Dokumentation der reich- besten Mitarbeiter am Krefelder Stadtarchiv, bereits in den früheren 1960er-Jahren die
haltigen Paramentensammlung der Stifts- für eine intensive stadtgeschichtliche For- Hand reichten. An weiteren Vereinigungen
kirche dar, ein Thema, das zudem auch in schungs- und Publikationstätigkeit gewin- seien genannt: die „Gesellschaft für Rhei-
die Familiengeschichte wies, betrieben doch nen zu können. Mehrere umfangreiche Bei- nische Geschichtskunde“ in Köln, der „Ver-
Verwandte im 19. Jahrhundert in Krefeld eine träge der großen Stadtgeschichte sind der ein zur Erhaltung des Xantener Domes“, der
Paramentenweberei. Feder von Herrn Hangebruch zu verdanken. „Historische Verein für den Niederrhein, ins-
besondere das alte Erzbistum Köln“ sowie
Im Jahre 1959 fand Dr. Guido Rotthoff dann In den späten 1960er- und frühen 1970er- der „Verein für Geschichtliche Landeskunde
in der Leitung des Stadtarchivs seiner Vater- Jahren machte sich gerade im kommuna- der Rheinlande“ mit Sitz in Bonn.
stadt Krefeld seine berufliche Heimat. Man len Archivwesen ein Mangel an ausreichend
wird sagen dürfen, dass er dieses Institut als qualifizierten Fachkräften unterhalb der Ebe- Vor allem ist hier aber natürlich der Krefelder
erster hauptamtlicher Facharchivar eigent- ne des Höheren und Gehobenen Dienstes „Verein für Heimatkunde“ zu nennen. Es war
lich erst aufgebaut hat, sein Vorgänger, der immer stärker bemerkbar. Daher wurden Dr. Rotthoff eine besondere Freude, dass der
Historiker Dr. Dr. Carl Müller, war noch mit entsprechende Fortbildungskurse für ge- Verein ihm den Band des Jahres 2002 zum
vielfältigen anderen Aufgaben betraut gewe- eignete Mitarbeiter aus Kommunalverwal- 80. Geburtstag widmete. Seine Verbunden-
sen. Mit dem Dienstantritt von Dr. Rotthoff tungen eingerichtet. Auch hier stellte sich heit mit dem Verein mag man auch daraus
erhielt das Archiv auch erstmals eine eige- Dr. Guido Rotthoff außerhalb der regulären ablesen, dass er sich noch im Jahre 2009 als
ne Unterkunft im ehemaligen „Ratskeller“, Dienstzeit bereitwillig für eine Dozententä- Beisitzer im Vorstand bestätigen ließ. Dem
zwar eine deutliche Verbesserung, aber mit tigkeit zur Verfügung. langjährigen Vereinsvorsitzenden Dr. Rein-
so vielen baulichen Mängeln behaftet, dass hard Feinendegen war er zeit seines Lebens
der neue Archivleiter mehr als einmal auch Als einen besonderen Höhepunkt der Kre- über das gemeinsame Interesse an der Kre-
seine fundierten handwerklichen Kenntnis- felder Tätigkeit von Dr. Guido Rotthoff wird felder Geschichte hinaus freundschaftlich
se zum Einsatz bringen musste. Bald war man die 600-Jahr-Feier der Stadterhebung verbunden. Dr. Rotthoff empfand es sehr
das Archiv auf einem guten Weg zu einer des Jahres 1373 nennen dürfen. Er beteiligte schmerzlich, dass der zehn Jahre Jüngere
stadtgeschichtlichen Informations- und sich intensiv an der Vorbereitung und Gestal- ihm im Jahre 2012 im Tod vorausging.
Forschungsstelle für alle Krefelder Bürger, tung dieses Jubiläums, u. a. durch eine Aus-
aber auch für auswärtige Benutzer, hier vor stellung. Pünktlich zum Jahre 1973 legte das Auch nach seiner Pensionierung im Jah-
allem Studenten, die Material für ihre Arbei- Stadtarchiv den ersten Band der „Krefelder re 1987 blieb Dr. Rotthoff der Erforschung
ten suchten. Dr. Rotthoff hatte auch ein offe- Studien“ vor, in dem die Bürger nachlesen der Krefelder Geschichte intensiv verbun-
nes Ohr für die stadtgeschichtliche Bildung konnten, was sie überhaupt feierten. den. Neben einer zweckmäßigen Unterbrin-
von Schülern, seine Beteiligung an den da- gung des Archivs hatte die Erstellung einer
mals aus städtischen Mitteln (!) finanzierten Wenige Jahre später begann sich dann am heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen
„Stadtbürgerlichen Briefen für die Jugend“ Horizont endlich eine zweckmäßige und genügenden, aber trotzdem gut lesbaren
legt davon Zeugnis ab. Von Anfang an pfleg- würdige Unterbringung des Stadtarchivs Stadtgeschichte immer zu seinen Wün-
te er zudem eine intensive, bis wenige Jahre abzuzeichnen. Noch in seinen letzten Le- schen gehört. Erste Vorüberlegungen wa-
vor seinem Tod fortgeführte Publikations­ bensjahren konnte Dr. Rotthoff intensiv von ren bereits anlässlich des Stadtjubiläums
tätigkeit zur Stadtgeschichte, manchmal, wie den jahrelangen Mühen und Schwierigkeiten im Jahre 1973 erfolgt, waren damals aber
er selbst sagte, zu unbedeutenden Details, der Planung und Umsetzung des Archivbaus noch verfrüht. Als dann Ende der 1980er-
die dann aber schließlich doch der umfang- auf dem ehemaligen Verseidag-Gelände be- Jahre ein solches Projekt vor allem dank des
reichen jüngst erschienenen Stadtgeschich- richten. Schließlich wurde im Jahre 1982 der Engagements des damaligen Beigeordneten
te zu etwas mehr Leben und Anschaulichkeit Neubau bezogen. und Kulturdezernenten Dr. Hans Vogt und
verhalfen. Nicht nur die lange Liste seiner des unvergessenen Dr. Reinhard Feinende-
Beiträge in der „Heimat“ macht dies an- Ein Jahr später erinnerte das Stadtarchiv gen in greifbare Nähe rückte, war Dr. Guido
schaulich, aus seiner Feder stammt auch ei- dann mit einer umfangreichen Ausstellung Rotthoff für das Mittelalter und die Reforma-
ne Reihe stadt- und regionalgeschichtlicher im Museum Linn an die 300 Jahre zuvor do- tionszeit der Autor der Wahl. Die Mitarbeit an
Beiträge der wichtigsten wissenschaftlichen kumentierte Auswanderung von Krefelder der Stadtgeschichte war die Hauptaufgabe
Zeitschriften des rheinischen Raumes. An Familien nach Pennsylvanien im Jahre 1683. seiner letzten Lebensjahrzehnte.
Monographien seien vor allem das 1968 er- Die Vorbereitungen führten Dr. Rotthoff bis
schienene Uerdinger Urkundenbuch, die drei nach Philadelphia, wo dieser Geschichte in Es war Dr. Guido Rotthoff vergönnt, bis zu-
im Rahmen des „Rheinischen Städteatlas“ einem liebevoll gestalteten Museum gedacht letzt als freier, selbstständig denkender und
edierten „Lieferungen“ zu Uerdingen (1976), wird. handelnder Mensch zu leben. Seit 2007
Linn (1978) und schließlich Krefeld (2003), die wohnte er im Hanseanum, bis März 2009
Edition des Inventars der „Sammlung Vielha- Seine ganze Dienstzeit hindurch war Dr. Gui- noch mit seiner Frau Helene Rotthoff, geb.
ber“ im Stadtarchiv (1988), vor allem aber do Rotthoff zahlreichen rheinischen wissen- Wagner, auch sie eine Krefelderin. Nachdem
seine großen Beiträge in den Bänden 1 (Von schaftlichen Institutionen und Geschichts- seine Frau nach langer schwerer Krankheit
der Frühzeit bis zum Mittelalter), 2 (Reforma- vereinen eng verbunden, heute würde man verstorben war, fand Dr. Rotthoff seit Herbst
tionszeit) und 4 (Das kölnische Umland) der sagen: Er war gut vernetzt und brachte sich 2009 noch einmal die Kraft zu wissenschaft-
neuen großen Krefelder Stadtgeschichte. Er ein. Er gehörte zu den Gründungsmitglie- licher Arbeit, unter anderem sei hier sein
initiierte die bis heute bestehende Publika- dern des Arbeitskreises der niederrheini- Beitrag zu dem seinem Freund Dr. Reinhard
tionsreihe des Stadtarchivs, die „Krefelder schen Kommunalarchivare, für den er sich Feinendegen gewidmeten Band der Heimat
Studien“, deren erste Bände er selbst inten- z. B. im Jahre 1985 am Zustandekommen genannt. Ein langjähriges wissenschaftliches
siv betreute. Er war immer der Meinung, dass der Ausstellung „Kurköln, Land unter dem Projekt hätte er gerne noch abgeschlossen,
die Aufgabe eines Archivars sich nicht in der Krummstab“ in Kempen in erheblichem seit 2011 ließen dann aber seine Kräfte doch
Bewahrung und Bereitstellung des Materials ­Maße engagierte. Eine weitere, ihm sehr am deutlich nach. Immerhin konnte er es einem
erschöpfen darf, sondern dieser auch im- Herzen liegende informelle Kontaktgruppe späteren Bearbeiter geordnet übergeben.

14   die Heimat 85/2014


Seinem Sarg folgte eine große Schar von Von der Leyen in Brasilien, in: Die Heimat 31 Artikel „Uerdingen“, in: Handbuch der His-
Menschen, die ihm bis zuletzt freundschaft- (1960), S. 128f. torischen Stätten Deutschlands, 3. Band:
lich verbunden waren, nicht wenige hatten Nordrhein-Westfalen, hrsg. von Walther
ihn noch in den ersten Monaten des Jahres (Bearb.), Inventar des Archivs der Pfarrkirche Zimmermann, Hugo Borger, Friedrich von
als anregenden Gesprächspartner erlebt, St. Suitbertus in Kaiserswerth, Essen 1961 Klocke und Johannes Bauermann, Stuttgart
viele Beileidsschreiben bekundeten seine (Inventare nichtstaatlicher Archive, hrsg. von 1963, S. 611f.
Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und geistige der Archivberatungsstelle des Landschafts-
Offenheit. Mit ihm hat Krefeld einen profilier- verbandes Rheinland, 6). Hohenbudbergs kirchliche Anfänge, in: Die
ten und jahrzehntelang engagierten Anwalt Heimat 34 (1963), S. 63 – 66.
seiner Identität verloren. Der mittelalterliche Markt Krefelds, in: Die
Heimat 32 (1961), S. 3 – 5. Krefeld bis zur Verbindung mit Moers (Kre-
Dr. Claudia Rotthoff-Kraus: Geboren in feld von A bis Z, Stadtbürgerliche Briefe für
Krefeld; Studium der Geschichte und Ro- Die Häuser zum „Schiffgen“ und zum „gol- die Jugend, hrsg. vom Schuldezernenten der
manistik, Promotion (Rheinische Landesge- denen Ring“ in Krefeld, in: Die Heimat 32 Stadt Krefeld, Nr. 49, Mai 1963).
schichte) in Bonn; seither wissenschaftliche (1961), S. 78f.
Mitarbeit an mehreren Forschungs- und Kriegsleiden des Geismüllers, in: Die Heimat
Editionsprojekten vor allem zur spätmittel- Zus. mit Franz Heckmanns, Das Uerdinger 35 (1964), S. 41f.
alterlichen Reichsgeschichte und zur rhei- Grundbuch von 1658, in: Die Heimat 32
nischen Landesgeschichte; Stellvertretende (1961), S. 87 – 98. Krakau – Krefeld 1605, in: Die Heimat 35
Vorsitzende des Geschichtsvereins für das (1964), S. 42 – 46.
Bistum Aachen. Das Anwesenheitsbuch der Loge „Zur voll-
kommenen Gleichheit“, in: Die Heimat 32 Vagedes-Studien, in: Die Heimat 35 (1964),
(1961), S. 109 – 113. S. 87f.
Das Wappen der Stadt Krefeld (Krefeld von A
Liste der Veröffentlichungen bis Z, Stadtbürgerliche Briefe für die Jugend,
Die Gedenktafel der Gräfin Johanna von
Horn, Tochter des Grafen Friedrich von
Dr. Guido Rotthoff: hrsg. vom Schuldezernenten der Stadt Kre- Moers, in: Die Heimat 35 (1964), S. 110ff.
feld, Nr. 1, Mai 1961).
Studien zur Geschichte des Reichsguts in Aus der Geschichte des Linner Schützenwe-
Niederlothringen und Friesland während der Stadtgraben – Überbevölkerung, in: Die Hei- sens, in: Linner Burg-, Trachten und Heimat-
sächsisch-salischen Kaiserzeit. Das Reichs- mat 33 (1962), S. 12. fest 1965, S. 23 – 30.
gut in den heutigen Niederlanden, Belgien,
Luxemburg und Nordfrankreich, Bonn 1953 Eine Reise des Cornelius de Greiff in den
Das Münkerhofverzeichnis, in: Die Heimat 36
(Rheinisches Archiv 44). Rheingau und die Rheinpfalz, in: Die Heimat
(1965), S. 65 – 77.
33 (1962), S. 13.
(Hrsg. und Bearb.), Carl Wilkes und Guido Das öffentliche Badewesen in Krefeld und
Rotthoff, Die Stiftskirche des Hl. Viktor zu Siegelstempel für Dr. Johansen, in: Die Hei-
Uerdingen, in: „Badezentrum Krefeld“, Fest-
Xanten, hrsg. im Auftrag des Deutschen mat 33 (1962), S. 18.
schrift zur Eröffnung 1967.
Vereins für Kunstwissenschaft e. V. und des
Vereins zur Erhaltung des Xantener Domes Ein böhmischer Herr besucht Krefeld, in: Die
Heimat 33 (1962), S. 42. Zur Baugeschichte der Alten Kirche, in: Die
e. V. von Walter Bader. Band III, Teil 2: Die Heimat 38 (1967), S. 31 – 35.
Baurechnungen der Jahre 1357 bis 1437,
Berlin 1957. Das ältere Krefelder Obertor und die östli-
chen Türme der Stadtmauer, in: Die Heimat Die Stadtwohnung von Cornelius de Greiff,
33 (1962), S. 47 – 52. in: Die Heimat 38 (1967), S. 48ff.
Zur Geschichte des Hauses Traar, in: Die
Heimat 29 (1958), S. 116 – 118. (Bearb.), Urkundenbuch der Stadt und des
Tollwutbekämpfung 1827, in: Die Heimat 33
(1962), S. 90ff. Amtes Uerdingen, Krefeld 1968 (Verlag des
(Bearb.), Die Urkunden des Archivs der Uerdinger Heimatbundes) (Inventare nicht-
Pfarrkirche St. Chrysanthus und Daria in Hermann von Wynteren, ein Xantener Stein- staatlicher Archive 10).
Münstereifel, Euskirchen 1959 (Veröffentli- metz, in: Sechzehnhundert Jahre Xantener
chungen des Vereins der Geschichts- und Dom, Xantener Domblätter Nr. 6, Köln 1963. Ein Kölner Einblattdruck von 1487 für Xanten,
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Domes e. V. von Walter Bader, S. 161 – 165.
Urkundenbuch und Aktenverzeichnis „Haus Ein vergessener Krefelder Stadtplan, in: Die
Dreven“ Hohenbudberg, Krefeld 1959. Artikel „Krefeld“, in: Handbuch der Histori- Heimat 39 (1968), S. 39 – 43.
schen Stätten Deutschlands, 3. Band: Nord-
Kinderarbeit in Krefelder Textilfirmen, in: Die rhein-Westfalen, hrsg. von Walther Zimmer- Anmerkung zu Ferdinand von Braunschweig,
Heimat 30 (1959), S. 93 – 95. mann, Hugo Borger, Friedrich von Klocke in: Die Heimat 39 (1968), S. 137f.
und Johannes Bauermann, Stuttgart 1963,
Uerdinger Medizin 1766, in: Die Heimat 31 S. 377 – 379. Aus der Geschichte der Krefelder Eisenbahn,
(1960), S. 16ff. in: 100 Jahre Krefelder Eisenbahn 1868 –
Artikel „Linn“, in: Handbuch der Histo- 1968, Krefeld [1969].
Rathäuser und Rathausprojekte in Krefeld, rischen Stätten Deutschlands, 3. Band:
in: Die Heimat 31 (1960), S. 65 – 72. Nordrhein-Westfalen, hrsg. von Walther Die Stadtentstehung am linken Niederrhein,
Zimmermann, Hugo Borger, Friedrich von in: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen
Ein Krefelder Unternehmer in Kitzingen, in: Klocke und Johannes Bauermann, Stuttgart Denkmälern 14, Linker Niederrhein: Krefeld,
Die Heimat 31 (1960), S. 126f. 1963, S. 406f. Xanten, Kleve. Mainz 1969, S. 102ff.

die Heimat 85/2014   15


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der Leyen, in: Die Heimat 41 (1970), S. 69f.
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16   die Heimat 85/2014


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18   die Heimat 85/2014


Mennoniten auf der Hülsisch-Moersischen Straße
in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts
Eine Untersuchung vor dem Hintergrund der Entwicklung in Krefeld

von Margret Grobe


Die Eigenentwicklung der Hülsisch-Moer- orie, dass im Reformierten Kirchenbuch das 200 danieder gesetz, 96 heuser. Darinnen
sischen Straße beginnt im 15. Jahrhundert, dritte Aufgebot nicht durchgestrichen oder ein closter vnd geringe Kirchlein, warinnen
als sie sich „staatsrechtlich zu einer Exklave das Heiratsdatum nicht eingetragen ist, trifft den Catholischen meß zu celebriren zuge-
der Grafschaft Moers entwickelte“1. Diese nur sehr vereinzelt zu. Deshalb wird ergän- glaßen wirdt, hatt sonsten eine reformirte
Besonderheit zeigt sich vor allem in der Auf- zend eine Einwohnerliste der Hülsisch-Moer- pfar Kirch. Vnder Creuelt gehoret nur eine
nahme von Andersgläubigen, die im Umland sischen Straße vom 8. Oktober 1665 heran- baurschafft Einrath gnand, bestehendt in 40
kein Bleiberecht bekommen haben. Das gilt gezogen,5 weil sie die einzige ist, die Berufe ad 50 heuser. Die gantze Herschafft Creu-
sowohl für Katholiken aus protestantisch re- angibt und in der Mennoniten als „anab.“ he- elt kan in einer Stunde vmbritten werden.
gierten Regionen als auch für Mennoniten. raushebend gekennzeichnet werden. Dieses Zwischen Creuelt vnd die Graffschafft Morß
Merkmal ist zwar von anderer Hand nachge- ist Collnisch territorium vnd muß man ein
Bei einer Kirchenvisitation 1641 wird für die tragen worden und auch nicht immer fehler- stundtlang vber Collnisch gehen, ehe man in
Hülsisch-Moersische Straße die Zahl von frei, aber es ist der einzige Anhaltspunkt, den die Graffschafft kommen kan.“9
sechs Ketzern, für den Flecken Hüls nur einer die momentane Quellenlage bietet. Hilfreich
genannt.2 Da in jenem Zeitraum aus katho- wegen der Namensnennungen, die die Zeit Im Vergleich zur Hauptstadt der Grafschaft,
lischer Sicht jeder als Ketzer oder Häretiker des Zuzugs eingrenzen, sind auch weitere Moers, dessen Größe in der gleichen Quelle
bezeichnet wird, der nicht katholisch ist, Quellen aus der Sammlung Roosen.6 mit 200 Häusern und einer Fläche von 20
kann es sich sowohl um Evangelische aller kölnischen Morgen angegeben wird, ist Kre-
Richtungen als auch um Mennoniten gehan- Auf die Mennoniten will ich im Folgenden feld ein unbedeutender Ort. Die Grundfläche
delt haben. Wiedertäuferische Tendenzen mein Augenmerk richten. Dabei lege ich der Stadt beträgt nur ein Viertel von Uerdin-
sind schon früh erkennbar, wenn in den 60er vor allem die Archivalie 2197 der Sammlung gen und die Hälfte von Linn. Wäre Krefeld
Jahren des 16. Jahrhunderts3 zu einer Ver- Roosen im Kreisarchiv Viersen „Rechnungs- kurkölnisch wie diese beiden, hätte es wohl
sammlung in Hüls eine große Zahl, 700 ist wesen der Moersischen Straße 1648 – 1711“ keinerlei Chancen auf eine Stadterhebung
wohl eine biblische Übertreibung, an Wie- zugrunde. Sie enthält u. a. mehrere vollstän- gehabt.10 Die andere moersische Exklave,
dertäufern zusammengekommen sein soll. dige Listen der Bewohner zwischen 1648 die Hülsisch-Moersische Straße, die kaum
und 1698.7 Fünf sind Abgaben-Listen, die auf einem historischen Atlas zu entdecken
Auch in Krefeld muss zu Beginn des 17. Jahr- älteste ist vom 25. Mai 1648, es folgt eine von ist, wird überhaupt nicht genannt, weil sie
hunderts bereits eine auffällig große Zahl an August 1651 und des Weiteren eine von Ok- weder eine Kirche noch eine Kapelle hat und
Mennoniten gelebt haben. Wie wäre es sonst tober 1661, dann eine vom 30. Juni 1690 und von daher für die Synode nicht existent ist.
erklärbar, dass sich am 5. Februar 1609 der abschließend die vom 23. November 1698.
Krefelder Prediger bei der Synode in Moers Eine weitere Liste von Mai 1657 wird wegen Während die Geschichte der Mennoniten in
darüber beschwert hat, dass „zu Krefeld die der Namensnennungen mit herangezogen. Krefeld seit Jahrzehnten aufgearbeitet wird,
Wiedertäufer einreisen und sich nicht allein Diese Quellen geben Auskunft über einen verweist man bei Hüls meist nur darauf, dass
mit ihren Zusammenkünften begnügen, begrenzten Zeitraum, in dem in Krefeld drei es dort ähnlich sei, weil auch dort auf Grund
sondern auch aus der Gemeinde Leute zu unterschiedlich große mennonitische Flücht- der liberalen oranischen Politik Mennoniten
sich herüberziehen“4. An der Klage erkennt lingswellen angekommen sind. Zuflucht gefunden haben. Analog zu Krefeld
man sowohl die Angst der Reformierten als wird angenommen, dass sie vorwiegend aus
auch ihre Bosheit oder Unkenntnis. Nach Ist die Situation auf der Hülsisch-Moersi- den jülischen Gebieten stammen.11 So ent-
dem Münsteraner Wiedertäufer-Debakel schen Straße vergleichbar? Welche Men- steht der Eindruck, es gäbe eine gleichlau-
von 1536 spaltet sich eine gemäßigte, be- noniten haben im 17. Jahrhundert auf der fende Entwicklung zwischen diesen beiden
tont friedfertige Gruppe, zu der auch die Hülsisch-Moersischen Straße gelebt, woher moersischen Landesteilen.
Niederrheiner gehören, ab und nennt sich stammen sie und wie ist ihr sozialer Status
nach ihrem Vordenker Menno Simons „Men- gewesen? Wichtig ist mir vor allem eine Be- Beiden ist schon auf den ersten flüchtigen
noniten“. Hier werden sie aber sprachlich in antwortung der Frage, ob die Entwicklung Blick gemeinsam, dass es sich um moersi-
einen Topf mit den militanten Münsteranern in dieser kleinen Moersischen Exklave ge- sche Exklaven, umschlossen von kurkölni-
geworfen. nauso verläuft wie die in der größeren, der schem Gebiet, handelt. Ebenso haben beide
Stadt Krefeld. eine vorwiegend katholische Bevölkerung
Eine Bestimmung dessen, wer Mennonit und in beiden werden Mennoniten geduldet.
ist, ist nicht immer leicht oder eindeutig. Da Ein Bericht, vermutlich aus den Jahren 1662- Aber laufen die Entwicklungen hinsichtlich
diese in Krefeld bis 1738 keine eigenen Pro- 16678, beschreibt Krefeld folgendermaßen: des prozentualen Anteils der Mennoniten,
clamationsregister haben dürfen, sondern „Die Herlichkeit Creiuelt bestehet in ein Klei- der Zeit der Zuwanderung und der sozialen
ihre Aufgebote im reformierten Kirchenbuch nes Stattlein, deßen circuit 15 colnische mor- Stellung synchron?
vermerkt werden, ist eine Bestimmung oft gen begreifft, hatt von alters nur 50 hußplat-
nur über die Kenntnis der Namen oder der zen gehabt. Ietzo aber, weiln die auß Landt Um vergleichen zu können, vorweg eine kur-
Familiengeschichte möglich. Auch die The- von Gulich verdriebene Memnoniten sich in ze Zusammenfassung der bekannten Kre-

die Heimat 85/2014   19


felder Fakten. 1601, beim Regierungsantritt Nutzen zögen“.16 Auch wenn diese Aussage um einen größeren Familienverband aus der
Wilhelms von Oranien, gibt es keine einhei- der Wirklichkeit nicht ganz entspricht, so ist hülsischen Gegend handeln. Vor der Liste
mischen Mennoniten.12 Spätere Zulassungs- doch der größte Teil aller Flüchtlinge mit Lei- von 1651 steht durchgestrichen die verein-
patente lauten auf die gesamte Grafschaft nenherstellung und -vertrieb beschäftigt. Vor zelte Notiz: „Dreutgen Seimus kompt ahn
Moers, aber in der Hauptstadt Moers ist der allem letztere, die Linnenreider, zahlen 1716 summen(?) 50dlr ahn pension mit diß 1651
Widerstand so groß, dass eine Ansiedlung so viel Steuern, dass das Steueraufkommen jahr 2 1/2 dlr.“25 In einer weiteren Einzelnotiz
unmöglich ist. In Krefeld, das nach Kriegen der Mennoniten überproportional hoch ist. vom 21. Januar 1675 wird der Name „Weinert
und der Zerstörung von 1584 stark entvölkert Seimes“ genannt. Hermann op den Graffs
ist, kann sich Wilhelm mit der Hoffnung auf Schwiegervater Andries Pletges war in erster
eine Neubesiedelung der Stadt gegen die Woher stammen die Mennoniten Ehe mit einer Grietgen Simons verheiratet.
Widerstände der Reformierten durchsetzen. Auch im kurkölnischen Hüls und in Kempe-
Seit 1609 ziehen nachweislich Mennoniten auf der Hülsisch-Moersischen ner Kirchenbüchern kommt der Name vor.
aus dem Umland zu, von denen nur eini- Straße?
ge namentlich bekannt sind wie ein Zweig Die nächste Gemeindesteuerliste ist datiert
der Gerberfamilie Dahmen-Velbereider aus Die Hülsisch-Moersische Straße, deren auf den 8. Oktober 1661. In Krefeld sind die
Gladbach, Goerdt Lemmen, ein Getreide- Grundfläche zu den Ländereien der Papen- geschätzten 70 Familien der vertriebenen
großhändler aus Benrad, op den Graff, ein burg gehört hat, wird erst in der zweiten Dahlener Täufer untergekommen. Wie sieht
Tuchhändler aus Aldekerk, Schroers oder Hälfte des 17. Jahrhunderts intensiver be- das auf der Hülsisch-Moersischen Straße
Remkes aus Dülken.13 Um 1622, als Menno- siedelt.17 Eine Liste vom 27. Mai 1648 nennt aus? Auch hier hat sich die Zahl der genann-
niten im Jülicher Land von der Ausweisung 37 Haushalte und ihre jeweiligen Abgaben. ten Einwohner seit 1651 stark vergrößert. Es
durch den Kölner Erzbischof bedroht wer- In der folgenden vom 27. August 1651 geht sind nicht mehr nur 36, sondern 57 Namen
den, gehen die ersten nach Krefeld. es wahrscheinlich um die Tilgung von Ge- von Steuerzahlern angegeben, statt vier sind
meindeschulden im Umlageverfahren für es jetzt sechs Mennoniten. Hilleken op den
1654 nehmen in Mönchengladbach die Re- 36 Haushalte. Beide Namenslisten sind fast Graff wird nicht mehr genannt, obwohl sie
pressalien so zu, dass fast alle Mennoniten identisch; erst unter den letzten Namen erst 1691 stirbt. Statt des verstorbenen Peter
ihre Heimat verlassen. Während ein großer sind Änderungen zu erkennen. Es werden Lemmen zahlt sein Sohn Adam. Neu sind
Teil, es ist die Rede von 200 Personen oder in beiden Listen vier Mennoniten nament- Jacob Selbach, Jan Camp und Petter den
70 Familien, nach Krefeld zieht, flüchten lich genannt: Hilleken op den Graff, Henrich Kremmer. Jacob Selbach ist ein Sohn des
andere vorübergehend in umliegende Herr- Seymes, Peter Lemmen und Neypers. Alle Dahlener Täufers Wilhelm Selbach; laut Dah-
schaften. vier Familien stammen aus der unmittelbaren lener Täuferverzeichnis vom 23. September
Hülser Umgebung. Hilleken op den Graff 1638 ist dieser „mit keinen gütern versehen,
1694 werden die, die ins benachbarte Rheydt ist eine Tochter des oben genannten Men- ernehrt sich seines handtwerks mit Korden-
geflüchtet sind und dort auf dem Schloss des noniten Hermann op den Graeff, der von weben“.26 Die Dahlener Täufer, die sich seit
Herrn von Bylandt Aufnahme gefunden ha- Aldekerk nach Krefeld ausgewandert ist. 1637 gegen ihre Ausweisung oder gegen die
ben, von Truppen des Düsseldorfer Kurfürs- Auch Henrich Niepers (Neyper) ist bereits pekuniären Auflagen wehren, die ihnen ein
ten Jan Wellem überfallen. Wer nicht flüch- am 13. Dezember 1637 in Hüls nachweisbar, Bleiben ermöglichen würden, müssen 1654
ten kann, wird nach Paffendorf verschleppt, als er anstelle seiner verstorbenen Frau mit ihre Heimat verlassen. Wann Wilhelm Sel-
eingekerkert und gefoltert. Die Krefelder dem Kaxgut vor der Mühlenpforte im kurköl- bach gegangen ist, bleibt unbekannt. 1666
Verwandten und Glaubensgenossen set- nischen Hüls behandigt wird.18 Dieser Vor- lebt er in Krefeld, ist Hausbesitzer und stellt
zen sich in Den Haag für die Freilassung der gang ist umso erstaunlicher, als Mennoniten dieses der Mennonitengemeinde als Ver-
Gefangenen ein und bringen das geforderte in katholischen Gebieten keinen Grundbesitz sammlungshaus zur Verfügung. Es gilt da-
Lösegeld auf. So ist es naheliegend, dass haben durften. 166519 wird er als Ackermann mit als Vorläufer der Mennonitenkirche.27
auch diese sich anschließend nach Krefeld bezeichnet – auch ein Hinweis auf seine lo- Sein Sohn Jacob ist Weber und bereits 1657
begeben. Es soll sich um eine Gruppe von kale Herkunft. Peter Lemmen ist Mennonit, in Hüls nachweisbar28, damals noch unter
ca. 35 Familien gehandelt haben.14 Aus den wenn auch sein Sohn Adam in der Liste von den „heuer leut“ aufgeführt. Über Peter den
Angaben des Münckerhof-Verzeichnisses ist 1665 nicht als solcher bezeichnet wird.20 Da Kreimer (Krimmer, Kremmer) wird 1665 ge-
abzulesen, dass zugezogene Mennoniten im der über Adam Lemmen stehende Derich sagt, „anab. Peter krämer ist ein kreimer“.
Jahre 1716 ein Viertel der Krefelder Bevölke- Baum fälschlicherweise als „anab.“ gekenn- Auch in der Steuerliste von 1661 wird sein Be-
rung ausmachen.15 zeichnet wird, nehme ich an, dass der unbe- ruf als namentliches Unterscheidungsmerk-
kannte Schreiber sich beim Nachtrag in der mal genannt, sein wahrer Nachname bleibt
Durch drei Vertreibungswellen im 17. Jahr- Zeile geirrt hat. Peter Lemmen ist ein Bruder unbekannt. Er erscheint in den betrachteten
hundert vervielfältigen sich sowohl die An- des Krefelders Goerdt Lemmen. Die Familie Steuerlisten nur dieses eine Mal. Sein Steu-
zahl der Mennoniten als auch die Probleme stammt möglicherweise von Benrad.21 Be- eraufkommen ist gering, es liegt unter einem
zwischen den verschieden konfessionellen reits am 25. September 1630 wird er in den Prozent des Gesamtaufkommens. Mehr ist
Bevölkerungsteilen. Um die Reformierten zu Kempener Häretiker-Verhören als „Lemmen momentan über ihn nicht in Erfahrung zu
beruhigen, die sich über Jahrzehnte in der Peter zu Hulß anabaptista von der murßen bringen.29 Auch die Herkunft von Johann
Moerser Synode und in Den Haag beklagen, straße“ genannt.22 Er ist Händler. Wie sein Camp ist nicht mit Sicherheit klärbar. Sein
weil sie eine Verschlechterung ihrer Lebens- Bruder ist auch er Großhändler in Getreide. Beruf als Weber und die Zeit seines Zuzugs
situation befürchten, versuchen die Men- Beide zusammen betätigen sich auch als lassen die Möglichkeit zu, dass er der Jan
noniten die Lage zu entschärfen, indem sie Pferdehändler.23 Henrich Seymes ist Krä- Camp aus der Bedtrader Honschaft ist, der
argumentieren, dass die Stadt im Gegenteil mer, Händler im großen Stil. 1655 tritt er bei im Täuferverzeichnis von 1654 aufgeführt
von ihnen Nutzen habe, denn unter „ihnen einem Getreidehandel als „Consort“ von Pe- wird: „Jan Camp Mercken eheleuth, ein be-
sei kein Bäcker, kein Wirt, kein Schmied, ter Lemmen in Erscheinung.24 Bis zu seinem hausung bruch und landt, 1 ¼ morgen, ern-
kein Schneider und kein Zimmermann zu Tod ist er einer der beiden Armenprovisoren. ehrt sich mit weffen (weben), 3 kinder“.30 Bei
finden. Bei ihnen seien auch wenig Land- Dieses Amt würde man keinem zugezoge- der Häufigkeit des Namens ist kein sicherer
besitzer. Alles, was sie nötig hätten, müss- nen Mennoniten anvertrauen. So spricht Nachweis der Identität möglich, solange die
ten sie bei anderen kaufen. Sie gingen allein vieles dafür, dass auch er aus dem Umland Namen seiner Frau und dieser Kinder nicht
mit Flachsgarn und Leinentuch um, aus dem stammt. Der Name „Simons“ als Patronym bekannt sind. In Krefeld steigt die Bevölke-
viele einfache Leute einen nicht geringen ist weit verbreitet. Es könnte sich aber auch rung durch den Zuzug von 70 Mennoniten-

20   die Heimat 85/2014


familien im Jahre 1654 von geschätzt 1 050 Wikkrath“ apostrophiert.36 1674 erscheint (∞ mit Barbara Simons, ebenfalls einer Toch-
Einwohner in den Jahren 1650/53 bezogen Michael erstmals in Listen der Moersischen ter von Hendrich) erscheint ihr Sohn Theiß.40
auf Stadt und Land um etwa 275 Mennoniten Straße37. Sein Beruf wird nirgends angege- Unverändert steht der Name von Michel
an.31 Auch auf der Hülsisch-Moersischen ben. Zwei Mönchengladbacher Flüchtlings- Reiffers. Als Neuzugang scheint Conrad Le-
Straße wächst die Zahl der Mennoniten an, familien sind hinzugekommen. Die Zahl der men genannt zu werden. Es handelt sich um
außer bei Selbach ist aber kein Bezug zur Mennoniten wächst zwar, innerhalb der Ge- Conrad Jansen Koenen, den Ehemann der
Vertreibung beweisbar. samtzahl der Bewohner bleibt sie aber klein. Feiken te Neues, die wiederum eine Enkelin
Auf der Hülsisch-Moersischen Straße hat von Peter Lemmen ist. Eingehen müsste man
Die Namens- und Steuerliste vom 30. Juni sich die Zahl der Haushalte in den vergan- auch auf Jan Kreinen, obwohl er hier zum
1690 32 zeigt den Stand zwischen den beiden genen sieben Jahren um mehr als die Hälfte einzigen Mal genannt wird. Er stammt aus
großen Flüchtlingswellen von 1654 und 1694 vergrößert, nämlich von 36 auf 57, die Zahl Grefrath, ist mit der Mennonitin Agnes Her-
für die Moersische Straße auf. Die Zahl der der Mennoniten hat sich sogar verdoppelt. mes von Gladbach verheiratet.41 Er zahlt nur
Steuerzahler erhöht sich auf 71, die der Men- Trotz des Zuzugs der Flüchtlinge Flickerts, einen sehr geringen Betrag, zählt von daher
noniten auf 9. Das heißt, die Bevölkerung ver- Selbach, Reiffers und möglicherweise Camp wohl zu den „heuer leut“, den Mietern. Das
mehrt sich nur wenig, jedoch vergrößert sich bleibt die Zahl gering. Es fehlt der große gleiche gilt 1707 für seine Witwe Nesken42.
die Anzahl der Mennoniten um die Hälfte. Zuzug der Vertriebenen aus dem Jülicher 1714 zahlt dann ihr Schwiegersohn Henrich
Sieht man sich die Namen an, stellt man fest, Land und damit auch der Einfluss, den diese von Dülcken schon eine Summe, die etwa
dass ein Generationswechsel stattgefunden Fremden auf das Denken und vor allem auf 40 % der meist zahlenden Familie Rosen
hat. Statt Henrich Simons erscheint sein die Wirtschaft haben. beträgt43. Die Familie ist aber aus einem an-
Sohn Jacob, statt Hendrich nun Johann Nie- deren Grund hier zu nennen.
per, statt Johann nun Paulus Camp. Adam Die nächste Steuerliste ist vom 23. Novem-
Lemmen lebt zwar noch, hat aber offensicht- ber 1698,38 also vier Jahre nach der letz- 1665 lebt bei dem alteingesessenen Menno-
lich wirtschaftliche Probleme, so dass nicht ten großen Flüchtlingswelle, die Krefeld mit niten Henrich Niepers „beywohnend Meister
er, sondern seine älteste Schwester Trein- schätzungsweise 35 Familien aus Rheydt Wihlem anab“. Wer in dieser Liste als „bey-
gen Lemmen (verwitwete te Neues, verhei- trifft39. Die Hülsisch-Moersische Straße wohnend“ bezeichnet wird, ist arm, alt oder
ratet mit Derich Siepmann aus Kervendonk weist jetzt 79 Haushalte auf, darunter 14 beides. So werden genannt „eine Wittib“,
gen. Lemmen) die Lemmen-Familie und das mennonitische. Es gibt keine mennoniti- oder eine verarmte „Wittib una domus olim“
stark geschrumpfte Vermögen repräsentiert. schen Zuzüge, sondern die Erhöhung ge- oder Flüchtlinge. Zu dieser Annahme passt
Unverändert lebt hier Jacob Selbach. Peter schieht durch Aufspaltung der Familien in auch, dass er 1657 unter „heuer leut“ geführt
Kremer wird nicht mehr genannt. Drei neue der Generationenfolge. Jacob Simons ist wird, und sein geringes Steueraufkommen
Familien sind hinzugekommen: Henderich vor dem 21. Januar 1692 hochverschuldet 1662 und 167444. Die Bezeichnung „Meister“
Fenners, Theiß und Wilhelm Flickerts, und gestorben. Das bedeutet, dass der Name muss kein handwerklicher Rang sein, son-
Michel Reiffers. Die Vorfahren von Hende- dieser bedeutenden Mennonitenfamilie, die dern kann auch eine Ehrenbezeichnung für
rich Fenners stammen vom Fenners-Hof in von 1648 bis 1690 immer die höchste Steuer- verdiente Leute sein. In der Steuerliste von
Hüls-Orbroich,33 es gibt auch hier wie bei summe aufgebracht hat, nicht mehr existiert. 1674 steht er mit seinem vollen Namen „M.
Nieper und Lemmen einen katholischen und Es zahlen für die Töchter Hendrich Simons Wihlm Kreinen“. Danach erscheint er nicht
einen mennonitischen Zweig. Bereits 1665 deren Ehemänner Dietrich Claessen Köter, mehr. Ein Wilhelm Kreinen aus Grefrath hat
und 1674 werden Hendrich und und sein Hendrich Fenners und Wilhelm Flickerts. 1632 gemeinsam mit Herman op den Graff
Vater Theiß Venners (Fenners, Vinners) ge- Die Neuzugezogenen heiraten in die alten Krefeld auf der Dordrechter Synode ver-
nannt. Henrich ist von Beruf Krämer, heiratet Familien ein, deren ursprünglicher Besitz so treten. Das könnte altersmäßig der Meister
Barbara Simons, eine Tochter von Henderich neu verteilt wird. Es vermehren sich die Fli- Wihlem sein, der im Alter bei seinem Glau-
Simons, was ihm ein beachtliches Erbe vor ckerts. Es gibt neben Wihlem(!) Flickerts, bensgenossen Niepers wohnt. Betrachtet
allem an Land im Orbroich und mit Sicherheit der mit Sophie Simons, Henrichs Tochter, man die Anzahl der Haushalte von Menno-
auch Ansehen und Anerkennung innerhalb verheiratet ist, deren Söhne Jan und Theiß. niten und Nichtmennoniten im Zeitraum von
der mennonitischen Gemeinschaft gebracht Anstelle von Jacob Selbach erscheinen 1648 bis 1698, so verdoppelt sich die Anzahl
hat. Ein weiterer Zuzug ist Theiß Flickerts Geiret (Gerhard), der mit Hilleken Fenners der Haushalte der Nicht-Mennoniten. Die der
aus Mönchengladbach. 1665 wohnt er bei verheiratet ist, Wihlm(!), der 1694 in Jüchen Mennonitenhaushalte wächst auf 22% der
seinem ebenfalls mennonitischen Vater Abel verhaftet wurde, und Greitgen (Gritgen) Sel- Gesamthaushalte. Damit nähert man sich
auf der Moersischen Straße.34 Laut Mön- bachs. Zusätzlich zu Hendrich Fenners den Krefelder Ergebnissen von 25%.
chengladbacher Täuferverzeichnis leben
1654 in Obergeburt „Theiß Flickerts Oellit-
gen eheleuth wohnen zur pacht, haben 1 ½
viertheill pleenß broichs, 1 kindt; ernehret
sich des leinen webens“. Abel ist demnach
schon früher geflüchtet und hat seinen Sohn
nach 1654 aufgenommen. Auch Micha-
el Reiffers, der aus Dahlen oder Wickrath
gebürtig sein muss, gehört zu den Zuge-
zogenen. Der Name erscheint auch in den
Variationen Riepers, Reifers, Reifferscheidt.
Sein Vater wird im Dahlener Täuferverzeich-
nis von 1638 beschrieben: „Henrich Reiffers
ist von Collen burtig, deßen elteren folgentds
zu Mullheimb gestorben, hat sich A° 1635 zu
Dahlem verheiratet“.35 Von dort vertrieben,
war das nächste Ziel seiner Flucht Wickrath,
denn seine Tochter Magdalena, Michaels
Schwester, wird 1679 bei ihrer Proclama-
tion mit Johann Niepers von Hüls als „von Abb. 1. Zahl der mennonitischen Haushalte in der Zeit von 1648 bis 1698

die Heimat 85/2014   21


Ist damit Hüls die Miniatur­ Krefelder müssen sie ihr Aufgebot beim re- als die übrigen Bewohner. Die Hauptlast tra-
ausgabe von Krefeld? formierten Pfarrer in Krefeld bestellen, der gen bis 1690 die Familien Simons, op den
kirchliche Mittelpunkt ist für sie die menno- Graff und Lemmen. Das ändert sich 1698,
nitische Gemeinde. als zwar das Steueraufkommen immer noch
In Krefeld sind es vorwiegend Flüchtlinge, überproportional hoch ist, es sich aber auf
die um 1654 in Mönchengladbach leben. Ein Auf der Hülsisch-Moersischen Straße ist das mehr Familienzweige verteilt.
großer Teil von ihnen hat dort Vermögen ge- Leben miteinander nicht unbedingt christlich
habt. Das wird meist ausgewiesen mit „hat und friedlich zu nennen. 1656 klagt der Pre- Von 1648 bis 1691 hat die Familie Simons im-
erbschaft“ oder „hat große erbschaft“ wie diger aus Kapellen auf der Moerser Synode, mer gemeinsam mit der katholischen Familie
bei Köthers, ter Meer, Nehen, Scheuten, dass „die einwohner Zu Hülß sich gelüsten Rosen das höchste Steueraufkommen. Als
Jentges, te Camp und anderen. Viele ernäh- laßen, mit ihrer päpstischen proceßionibus Jacob Simons hoch verschuldet stirbt, über-
ren sich durch den Handel mit Leinentuch auch über die Mörsische straße daselbst nimmt sein Schwager Wilhelm Flickerts die
und -garn. Zugehen, und den leuthen in die häuser Position des reichsten Mennoniten. Ähnlich
Zufallen, auch mit schlagen die jenigen zu sieht es bei Lemmen aus. Adam Lemmen
In Hüls sind nur drei mit Sicherheit aus Mön- vexieren, so sich Ihren abgotterey nicht be- erscheint ab 1690 in keiner Steuerliste mehr,
chengladbach und Umgebung gekommen. quämen wollen“.45 obwohl er noch bis 1702 lebt. Bereits vorher
Flickerts und Selbach sind Weber, beide oh- repräsentieren seine Schwestern, Schwäger
ne großes Vermögen, eventuell muss man Aber nicht nur vom „feindlichen Ausland“, und Neffen das Lemmen-Vermögen. Warum
Camp, der ebenfalls Weber ist, noch dazu dem kurkölnischen Hüls, kommen Übergrif- diese vormals reiche Familie so unbedeu-
zählen. Reiffers Beruf ist unbekannt. In ab- fe. Auch innerhalb der Bewohnerschaft gibt tend wird, ist noch nicht erforscht.
soluten Zahlen sind es drei oder vier im Ge- es deftige Auseinandersetzungen wie die
gensatz zu ca. 105 nach Krefeld geflüchteten zwischen Theiß Flickerts und dem katholi- Abschließend sei festgestellt, dass die Ent-
Familien. Der Prozentsatz der Mennoniten- schen Tilman Rosen im Jahre 1673.46 Und wicklung in Krefeld und auf der Hülsisch-
haushalte liegt zwar dicht beieinander, aber allein die Regesten der Urkunden der Samm- Moersischen Straße nicht in allen Punkten
anders als Krefeld wird Hüls wird nicht von lung Roosen machen deutlich, dass es un- synchron verläuft. Gemeinsam ist, dass in
den großen Flüchtlingswellen getroffen. gezählte juristische Auseinandersetzungen beiden Exklaven die Mennoniten einen über-
zwischen Mennoniten (am häufigsten ist proportionalen Anteil an Steuern aufbringen.
Adam Lemmen beteiligt) und Mennoniten Die Krefelder Mennoniten kommen vor allem
Weshalb sind nicht größere oder Mennoniten und Katholiken gibt. als Folge der Vertreibung aus dem Jülischen
in zwei großen Wellen, so dass sie 1716 ein
Ströme nach Hüls gekommen? Auch scheint es nicht die sicherste Umge- Viertel der Bevölkerung ausmachen.
bung gewesen zu sein. So wird mehrmals
Die Vertriebenen sind meist Leinenhändler über Diebstähle geklagt. Oder es klagt Adam Der Anteil der mennonitischen Bevölkerung
oder Weber. In Krefeld treffen sich Dahle- Lemmen am 26. Februar 1664, dass ein Holz- in Hüls ist vergleichbar hoch, obwohl man
ner Nachbarn wieder, die oft miteinander klotz durch das Fenster seines Hauses ge- nicht von den großen Flüchtlingswellen ge-
verwandt sind. Sie ziehen möglichst schnell worfen worden sei, als er sich dort mit Gördt troffen wird. Über die Hälfte der dortigen
wieder in Nachbarschaften, heiraten wei- Lemmen aufhielt. Ähnliches sei auch seinem Mennoniten stammt von den Höfen des
terhin untereinander und leben in der Ge- Nachbarn Jacob Selbach geschehen.47 umliegenden Landes. Einzelne Vertriebene
meinde. „Gemeinde“ ist für sie nicht nur eine kommen wohl eher, weil Moers und Krefeld
kirchliche Organisation. Sie ist auch Vermitt- Sanktionen erlassen, die einen Zuzug vorü-
lerin von Handelsbeziehungen zu anderen, Wie ist die wirtschaftliche bergehend erschweren.
vor allem niederländischen Gemeinden. Sie
ist Geldgeberin für größere wirtschaftliche ­Situation der Mennoniten auf der Beiden ist gemeinsam ein hoher Anteil an
Transaktionen. In ihr werden Ehen mit den Hülsisch-Moersischen Straße? Händlern, doch während in Krefeld der Lei-
Kindern von Geschäftspartnern arrangiert, nenhandel überwiegt, sind es in Hüls „Händ-
die zur Sicherung oder Vermehrung des Ver- Betrachtet man die Höhe des Steueraufkom- ler in Allerlei“. Hüls hat nicht den Bezug zum
mögens dienen. mens in den oben paradigmatisch untersuch- Leinenvertrieb wie Krefeld. Einige Flüchtlinge
ten Jahren, so zahlen die wenigen Mennoni- wie Selbach und Camp sind zwar Weber, be-
Die Hülsisch-Moersische Straße hingegen ist ten durchgehend eine höhere Steuersumme einflussen aber die Wirtschaft in Hüls nicht.
klein und kann sich flächenmäßig als Exklave
im kurkölnischen Gebiet nicht ausdehnen.
Die schon dort lebenden Glaubensgenossen
stammen großenteils von hier, besitzen hier
Land und verdienen ihr Geld im bäuerlichen
Umfeld, selbst dann noch, wenn sie Getrei-
dehändler wie Lemmen und Simons sind, die
beide noch zusätzlich über einen größeren
Besitz an Land verfügen.

Wenn die Moerser Regierung beiden Exkla-


ven die gleiche Duldungspolitik verordnet,
so liegt es auf der Hand, dass Krefeld die
erste Wahl ist. Da aber der oben genannte
Beschluss von 1657 einen Zuzug von außer-
halb unterbindet, so bedeutet Hüls sowohl
räumlich als auch konfessionell die größt-
mögliche Nähe und ist damit die zweitbes-
te Lösung. Die Hülser Mennoniten sind den Abb. 2. Der Bevölkerungsanteil und das Steueraufkommen der Mennoniten in der Zeit von
Krefelder Gemeinden zugeordnet. Wie die 1648 bis 1698

22   die Heimat 85/2014


Wie verläuft die weitere handelt es sich nicht um eine wirtschaft- Eine Liste vom 1. Oktober 1720, in der die
­Entwicklung? lich schwache Schicht, sondern um Nach- Mennoniten aufgeführt werden, die eine
kommen der „alten“ Familien. Ein wichtiger Sonderkontributionssteuer zur Befreiung
Grund wird sein, dass Krefeld 1694 den vom Militärdienst zahlen, erscheinen am
Die Zahl der Mennoniten nimmt hier im 18. Mennoniten das Bürgerrecht zugesteht. Das Ende die neun der Hülsisch-Moersischen
Jahrhundert ab. Die Gründe sind teilweise bedeutet vor allem freie Berufsausübung Straße: Abraham Selbach, petter(!) te Ne-
banal. Ende des 17. Jahrhunderts sterben und die Erlaubnis, Besitz zu erwerben. Da- wes, Mattheiß te Newes, Johannes Sigfried,
die männlichen Linien der Simons, Lemmen mit ist Krefeld nicht mehr zweite Wahl wie Pieter Andrieß, Andrieß Andrießen, Johan-
und Riefers aus, Namen und Besitz werden 1654, als allein Nijmegen den Vertriebenen nes Andrießen, Mewes ter Meer und Jacob
auf Nachkommen der weiblichen Linie über- das kostenlose Bürgerrecht anbietet. Außer- fenners (!).58
tragen. dem wird 1670 der Bau einer eigenen Kirche
erlaubt, die eine zentrale kulturelle Begeg- Im Taufbuch der Mennonitischen Gemeinde
Erkennbar ist das an der Gemeindesteuerlis- nungsstätte ist. werden mit dem Zusatz „tot hult“ nach 1733
te vom 7. April 1704.48 Hier werden Peter und nur noch die Namen der Familien Andries-
Mateiß Lemen, eigentlich Peter und Matthias Moers und seine Exklaven werden 1702 sen, Selbach und te Neues verzeichnet.59
te Neues, genannt, beides Enkel von Peter preußisch. Die preußischen Könige unter- 1738 gibt es nur noch zwei Mennoniten auf
Lemmen. Es erscheint ein Peter Seymes, der stützen persönlich den Aufstieg der Familie der Hülsisch-Moersischen Straße, die Kon-
1706 als Peter Seymes Funcken bezeichnet von der Leyen um des Seidengewerbes wil- tributionssteuer zahlen, nämlich Mattheis te
wird. Er ist der Ehemann von Drutgen Nie- len. Die wirtschaftliche Bedeutung Krefelds Neues und Jacob Ferners (Fenners).
pers, einer Tochter von Hendrich Niepers nimmt durch diesen Wechsel zu. Es bietet als
und Helena Flickerts, letztere eine Enkelin aufstrebende Stadt mit Fabriken mehr Chan- Damit ist die Bedeutung der Mennoniten
Hendrich Simons. Wahrscheinlich geht es cen als die kleine Hülsisch-Moersische Stra- für Hüls für alle Zeiten vorbei. 1737 stellt die
um den Erbteil seiner Frau aus dem Nachlass ße, in der schon rein räumlich wenig Wandel Moerser Regierung in einem Schreiben an
der Familie Simons. 1702 zahlt Dierich Sey- möglich ist. Durch mehrere Stadterweiterun- die reformierte Gemeinde in Krefeld fest,
mes, nämlich Dietrich Claessen Köter, unter gen wird vor allem für die mennonitischen dass Mennoniten die Stadt Krefeld und das
dem Mädchennamen seiner Frau Gritgen. Flüchtlinge Wohnraum geschaffen.51 Damit Fürstentum Moers „durch fabriquen und den
1727 tritt ein Mewis Symons, das ist Mewis erhöht sich der Lebenswert im Gegensatz commercio empor zu bringen und würklich
ter Meer, der zweite Ehemann der obenge- zur Hülsisch-Moersischen Straße, wo nur gebracht, daß sothanes städtlein nach pro-
nannten Helena Flickerts, in Erscheinung. Teilungen von Grundstücken möglich sind portion seiner größe und situation würck-
und vor allem Handel, Handwerk und bäu- lich eins der vornehmsten handelsstätten
Auswärtige Mennoniten heiraten ein. Sie erliches Leben ein Einkommen ermöglichen. in Deutschland geworden …“60 sei. Welche
werden aber nicht lange auf der Hülsisch- Chancen bietet dann noch die benachbarte
Moersischen Straße sesshaft. 1703 heiratet Peter Andriessen, Sohn ei- Hülsisch-Moersische Straße?
nes Andreas, der aus Goch oder Emme-
Adelheid Riefers heiratet 1702 Theiß Reiners rich stammen könnte 52, Gertrud Simons,
aus dem Rheidt, auch genannt Kremers.49 die Tochter von Jacob Simons. Ihre Söhne
Hilleken Venners heiratet erst den Nachbarn Johannes und Andreas verlassen Hüls und Margret Grobe geb. Onnertz, geboren 1944
Gerhard Selbach und in zweiter Ehe Johan- ziehen nach Krefeld.53 1757 findet man beide in Krefeld-Uerdingen, Abitur 1963 am da-
nes Siegfried, dessen Herkunft im Dunkeln als Arbeiter „an der seiden fabriq“.54 Andre- maligen Städtischen Mädchengymnasium
bleibt, wenn er auch bei der Proclamation als as Andriessen, eine Verwandtschaft ist nicht Krefeld-Uerdingen. Studium der Germa-
„tot hult“ bezeichnet wird. 1720 kommt Hu- nachweisbar, heiratet Entgen Fenners, eine nistik, Geschichte und Philosophie an der
bert Pluiß, Mennonit aus Gaul bei Maastricht, weitere Enkelin Hendrich Simons. Auch ihre Universität Bonn, schwerpunktmäßig am
als zweiter Ehemann von Gritgen Riefers hin- Söhne Wilhelm und Johannes „de jonge tot Institut für Rheinische Landesgeschichte
zu. Gritgen Riefers stirbt 1719 kinderlos, ihr hult“ ziehen nach Krefeld.55 Johannes lebt bei den Professoren Franz Petri und Rudolf
Erbe muss ihr Witwer 1723 an ihre Schwester dort 1750 als Sammetmacher mit seiner Frau Schützeichel; 1969 1. Staatsexamen für das
Oletgen und deren Mann Theiß Reiners aus- Catharina Preyers Bender und zwei minder- Lehramt an Gymnasium; 1969 bis 1971 Re-
zahlen.50 jährigen Kindern.56 Jacob Selbach, Sohn ferendariat in Aachen; 1971 2. Staatsexamen
von Gerhard Selbach und Hilleken Fenners, für das Lehramt an Gymnasien; von 1971 bis
Nach 1700 verlassen Mennoniten vermehrt bekommt 1740 das Bürgerrecht und lebt 2006 im gymnasialen Schuldienst im Kreis
die Hülsisch-Moersische Straße. Dabei 1750 als Sammetmacher in Krefeld.57 Kleve tätig.

Anmerkungen

1 Rotthoff, Guido, Das Mittelalter, in: Reinhard Feinen- Hüls im 17. und 18. Jahrhundert in: Krefeld. Geschichte 10Buschbell, Gottfried, Geschichte der Stadt Krefeld I,
degen und Hans Vogt (Hrsg.), Krefeld. Die Geschichte der Stadt Bd. 2, S. 662 ff. Krefeld 1953, S. 228 ff.
der Stadt Bd. 1, Krefeld 1998, S. 468 f.
6 Vor allem Kreisarchiv Viersen (KrAVie) Sammlung 11 So z.B. Föhl, Walter, Die Moersische Straße in Hüls
2Niepoth, Wilhelm, Evangelische im Kempener Raum, Roosen 609, sie enthält Abgabenlisten u. a. aus den um das Jahr 1673, in: HHBl 4 (1956), S. 13f., Hange-
Kempen 1958, S. 52 f. Jahren 1651 – 1657. bruch, Dieter, Zur Geschichte der Toleranz in Krefeld
am Beispiel der Mennoniten, in: 300 Jahre Mennoniten-
3 Rotthoff, Guido, Die Reformation in Krefeld, in: Rein- 7 KrAVie Sammlung Roosen 2197 Blatt 1, 3, 6, 8, 10. kirche Krefeld, Krefeld 1993, S. 4 ff., Kaiser, Hans, Die
hard Feinendegen und Hans Vogt (Hrsg.): Krefeld. Die Territorienbildung in den ehemals kurkölnischen Ämtern
Geschichte der Stadt Bd. 2, S.102f. legt das Ereignis in 8 Nicht 1624 wie Mast, a.a.O., 2. Heft 1956, S. 33 Kempen, Oedt und Linn (= Schriftenreihe des Kreises
das Jahr 1561; Mackes, Karl, Aus dem alten Neuwerk behauptet; vgl. Deisel, Frank, Zur Revision der Datie- Viersen, Bd. 29), Mönchengladbach 1979, S. 152 f.
(Krefeld. Geschichte der Stadt, Bd. 2, a.a.O., S. 254) rung der ältesten Stadtbeschreibung, in: Die Heimat 62
auf 1565. (1991), S. 16 f. 12 Hangebruch, Dieter, Krefeld unter oranischer und
preußischer Herrschaft, in: Krefeld. Geschichte der
4 Mast, Paul, Geschichte der Kreissynode Moers, Moers 9Mast, Paul, a.a.O., S. 33 f.; laut Kriedte, Peter, Vom Stadt Band 2, S. 189 f.
1955 ff., S. 17 ff. Leinen zur Seide. Bevölkerungs-, Sozial- und Wirt-
schaftsgeschichte Krefelds. Vom Beginn des 17. Jahr- 13 Ebd. S. 190 f.
5 Landesarchiv NRW Düsseldorf Kurköln II 2550, in hunderts bis 1794, in: Krefeld. Geschichte der Stadt
gedruckter Form in: Hangebruch, Dieter, Die Herrschaft Bd. 2, S. 253 f., gelten die Zahlen für die Jahre 1662/67. 14 Ebd.

die Heimat 85/2014   23


15 Siehe: Haushaltsvorstände und Hausbesitzer in Kre- 26Krumme, Ekkehard, Die Täufer in Gladbach, in: 41 Niepoth, Evangelische, a.a.O. S. 47 f.
feld im 18. Jahrhundert (= Krefelder Archiv, NF Bd. 2), Rheydter Jahrbuch 12 (1977), S. 20 f.
Krefeld 1993. 42 KrAVie Sammlung Roosen 1094 vom 13.1.1707.
27Klötzer, Ralf, Verfolgt, geduldet, anerkannt, in: Sie 43 KrAVie Sammlung Roosen 1412_1 vom 12.1.1714.
16 Mast, a.a.O., S. 124 f. kamen als Fremde, Krefeld 1993, S. 42 f.
44 KrAVie Sammlung Roosen 609.
17 Kaiser, Territorienbildung, a.a.O. S. 152 f. 28 KrAVie Sammlung Roosen 2197 Blatt 2, vom 18. Mai
1657 über Leistungen, die zu erbringen sind. 45 Mast, a.a.O., S. 117f.
18 StAKr Lagerbuch Hüls, fol 84r.
29 46 Siehe Niepoth und Föhl, HHBl 4 (1956).
Den ebenfalls in der Liste von 1665 als „anab.“
19 Hangebruch, Dieter, Die Herrschaft Hüls, a.a.O., bezeichneten Blaufärber „Peter Thomaßen“, der bei 47 Landesarchiv NRW Düsseldorf Kurköln Nr. 2554.
S. 662 f; Landesarchiv NRW Düsseldorf Kurköln II 2550 Henrich Jaspers wohnt, lasse ich außer Acht, weil er in
Nr. 5 Niepers statt Siepers, Nr. 2 Johann Camp (nicht keiner Steuerliste aufgeführt ist. 48Alle im Folgenden genannten aus: KrAVie Sammlung
Wilhelm). Roosen 2197.
30 Krumme, a.a.O., S.47 f.
20 Vgl. Anmerkung 12. 49 Ebd. S. 63 f.
31 Kriedte, Taufgesinnte und großes Kapital. Die nieder-
21 50 KrAVie Sammlung Roosen 823.
Niepoth, Evangelische, a.a.O., S. 58 f. rheinisch-bergischen Mennoniten und der Aufstieg des
Krefelder Seidengewerbes (Mitte des 17. Jahrhunderts 51 Krefeld.Die Geschichte der Stadt Bd. 2, S. 203 f. und
22 Föhl, Walter, Gegenreformation im Kempener Land – 1815), Göttingen 2007, S. 73 ff. Abb. 8 S. 204 f.
(= Schriftenreihe des Landkreises Kempen-Krefeld, Bd.
11), Hüls 1958, S. 25 f. 32 KrAVie Sammlung Roosen 2197 Blatt 8. 52 Niepoth, Wilhelm, Krefelder Genealogie, in: Die Hei-
mat 32 (1961), S. 117 f.
23 www.historische-daten.de/genealogie/deutsch/Fa- 33 Niepoth, Evangelische, S. 45 f.
miliengeschichte_Empelmann.htm. 53 Niepoth, Evangelische, a.a.O., S. 65 f.
34 Hangebruch, Dieter, Die Herrschaft Hüls, S. 662 f.
24 54 Peters, Leo, Fragment einer Krefelder Bevölkerungs-
KrAVie Sammlung Roosen Nr. 95 Gerichtsprotokolle.
35 Krumme, a.a.O., S. 21 f. liste von 1757, in: Die Heimat 56 (1985), S. 52 ff.
25 Auch die „Helena Simons von der Meursenstraße“, 55 Ebd.
die am 12. Juni 1695 Dietrich Jacobs te Camp aus Reid 36 Edition Brühl Nr. 232/1+2.
heiratet und die wahrscheinlich mit der Helena Semans 56 Risler, Walther, Die Krefelder Mennonitengemeinde
aus den species facti identisch sein dürfte, ist keine 37 KrAVie Sammlung Roosen 609 Blatt 1. im Jahre 1740, in: Die Heimat 30 (1959), S. 23 f.
Nachfahrin von Hendrich Simons. Ihre ältesten Kinder
38 57 Ebd. S. 30 f.
heißen Geertruydt und Jacob. Eventuell war Dreutgen KrAVie Sammlung Roosen 2197 Blatt 10.
Seimus ihre Mutter und ein Jacob Seimes, von dessen 58
Existenz Lichtenberg in seinem Nachlass ausgeht, ihr 39 StAKr 80/4 Nr. 402/1-51.
Kriedte, Peter, Vom Leinen zur Seide, S. 253 ff.
Vater. Da aber auch die Großeltern te Camp Jacob und 59 StAKr 80/4/90.
Geertgen heißen, bleibt offen, nach wem die Kinder 40 Der ebenfalls in der Quelle genannte Peter Fenners
benannt sind. *1671 gehört zur katholischen Linie der Familie. 60 Kriedte, Peter, Taufgesinnte a.a.O., S. 101 f.

24   die Heimat 85/2014


Die erhaltende Kulturlandschaftspflege
im Forstwald

von Helmut Sallmann


Das Areal Forstwald in der
geschicht­lichen Entwicklung

Das Areal des heutigen Forstwalds wurde


1844 im Zuge der preußischen Urauf­nahme
skizziert. Man erkennt bereits die von G
­ erhard
Schumacher ab 1830 angelegten Wald- und
Wegestrukturen, das landwirtschaftliche
Areal und die spätmittel­alterliche Landwehr.
Auch das 1838 erbaute Forsthaus und das
Gleis der Eisenbahn sind schon sichtbar. 15
Jahre früher hätte man nur die offene Heide-
landschaft gesehen, wie sie in der Tranchot-
Karte dargestellt ist. Die Wälle der Allmen-
de und die hellen Agrar­flächen um die Höfe
sind erkennbar. Der Name Forstwald war
noch nicht gebräuchlich. Der Volksmund hat
später den Wald am Forsthaus „Forstwald“
­genannt. (Abb.1)

Krefeld-Forstwald mit den Wohngebieten


und der Kulturlandschaft Forstwald

Im Landschaftsplan der Stadt Krefeld


wird der Forstwald als bewaldetes Naher­
holungsgebiet geführt. Hinweise auf die Abb. 1. Die Karte gewährt einen Rückblick in die Zeit der Entstehung des Forstwalds
Spuren vergangener Nutzungen oder histo-
rischer Hinterlassenschaften sind nicht vor-
handen. Durch die vielfältige Benutzung des
­Areals für Freizeitaktivitäten kam es häufig
zu B­ eeinträchtigungen der Landschaft und
der historischen Strukturen. Intensive Auf-
klärungsarbeit, von privater Seite geführt und
von vielen Unterstützern gefördert, hat hier zu
einer veränderten Wahrnehmung geführt. Seit
längerer Zeit gibt es eine neue Sicht auf die-
sen Teil der Landschaft. Die geschicht­lichen
Spuren sollen erhalten bleiben. (Abb. 2)

1. Denkmalpflege am
Bodendenkmal Landwehr

Die Instandsetzung und Sicherung

Von großer Bedeutung für den Erhalt der


gesamten historischen Kulturlandschaft
Forstwald war die Instandsetzung und Si-
cherung des Bodendenkmals Landwehr.
Der Anstoß dazu wurde 2005 von der Be-
zirksvertretung West an die Verwaltung
gegeben. Für den Fachbereich 67 sicher Abb. 2. Die Deutsche Grundkarte (DGK) M 1:5000 mit dem Ausschnitt Forstwald

die Heimat 85/2014   25


Abb. 5. Die offizielle Übergabe der Landwehr
durch die Verwaltung am 28. Januar 2013.

2. Die Inwertsetzung der


historischen Kulturlandschaft
Forstwald
Die Anregung, den Bereich des historischen
Forstwalds um die Begrifflichkeit einer his-
torischen Kulturlandschaft zu ergänzen,
Abb. 3. Eine neue Infostele an der Landwehr wurde in 2012 von der Verwaltung auf­
genommen. Die Verwaltung wird dem Rat
der Stadt Krefeld vorschlagen, die „Histo-
kein ein­faches U ­ nterfangen, erstmals ein in den vergangenen zwei Jahren komplett rische Kulturlandschaft Forstwald“ in den
komplettes B ­ odendenkmal instand zu set- instandgesetzt und gesichert. Neue Info- Landschaftsplan aufzunehmen. Nach den
zen und zu s­ ichern. Die Aufgabe muss man Tafeln w
­ eisen jetzt auf das Bodendenkmal Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes
nach dem vorläufigen Abschluss als gelun- hin und geben auch Hinweise zur Geschich- werden damit Landschaften bezeichnet,
gen betrachten. Mit dem Aufstellen von drei te und zur Nutzung. Die „neue“ Landwehr deren geschichtliche Entwicklung von re­
Infostelen an der Landwehr konnten die über wurde am 28. Januar 2013 in einer Feier- gionaler Bedeutung ist und die über sichtba-
mehrere J ­ ahre laufenden Arbeiten jetzt ab- stunde von der Verwaltung der Öffentlichkeit re Strukturen verschiedener abgeschlosse-
geschlossen werden. Die Landwehr wurde vorgestellt. ner Epochen verfügen. Diese Änderung dient
der Bewahrung von Landschaft und Historie
und eröffnet dem Fachbereich eine gezielte-
re Pflege. Hierdurch werden sowohl die Er-
holungsfunktionen als auch die Historie des
Areals gestärkt. So konnte der stetige Verlust
der historischen Strukturen im Forstwald ge-
stoppt werden. Die Besucher können wieder
nachvollziehen, was hier einmal gewesen ist.

Unser Bestreben, die Kulturlandschaft


Forstwald zu bewahren und seine histori-
schen Strukturen zu sichern, wird auch vom
Landschaftsverband Rheinland unterstützt.
Der LVR hat nach mehreren Exkursionen in
das hiesige Landschaftsschutzgebiet und
der Sichtung des historischen Materials sein
Interesse für diesen Landschaftsausschnitt
mit seinen in Grün gebetteten Denkmal-
strukturen bekundet. Das KuLaDig-Team
(Kultur-Landschaft-Digital) des LVR hat den
geschichtlich und auch heute noch interes-
santen Kulturlandschaftsbereich Forstwald
2011 / 2012 digital erfasst. Dieser ist heute
unter www.kuladig.de allgemein zugäng-
lich. Im Verlauf wurde die Kulturlandschaft
Forstwald zum Objekt des Monats Juni
Abb. 4. Der Landwehrgraben nach der Ablage der Stämme – heute zeigt sich wieder ­Vegetation 2012 erklärt.

26   die Heimat 85/2014


Beispielhafte Landschaftspflege in der
Kulturlandschaft Forstwald

Abb. 6. Die Alleen wurden durch Neu­ Abb. 7. Alte Querwege zur Landwehr wurden zu Ruhezonen.
pflanzungen wieder sichtbar gemacht.

Abb. 8 und 9. Die Trampelpfade vom Parkplatz am Tennisgelände in den Wald wurden ­aufgehoben und bepflanzt.

die Heimat 85/2014   27


Die evangelische und die mennonitische
­Gemeinde in Krefeld 1918 – 1945
Teil 2

von Hertha Sagebiel


Inhalt Als erster DC-Pfarrer wurde Pastor Engels ger in Krefeld gewesen war. Schon damals
nach Krefeld geholt. Von seiner Einführung in hatten Nichtgenannte, vermutlich Presbyter,
Teil 1 (veröffentlicht in: die Heimat 84, 2013, Krefeld am 29. Oktober 1933 berichtete der versucht, Lauers Anstellung in Krefeld zu
S. 164 – 172) Superintendent dem Konsistorium: Der Got- erreichen, und Ärger erregt, als sie Unter-
tesdienst „bekam ein besonderes Gepräge schriften dafür gesammelt hatten. So etwas
I.  Die evangelische Gemeinde Krefeld durch die Beteiligung der Jugendgruppen, wurde als ungehörig empfunden. Die Pfarr-
  1. Die ab 1918 veränderte Stellung der des Posaunenchores und des Kampfchores wahlkommission schlug am 13. Juli 1934 die
Evangelischen in Krefeld der Glaubensbewegung ,Deutsche Chris- Wahl von Haape und Lauer endgültig vor,
  2. Die politische Orientierung der ten‘“.25 und das Presbyterium nahm ihren Bericht
­Gemeinde in der Nachkriegszeit an, so dass damit die Wahl faktisch schon
  3. Pfarrstellenbesetzung bis 1945 Zum Nachfolger für Pastor Bender erkoren vorweggenommen war. In Zusammenhang
  4. Gemeindewachstum, Konfessions­ sich die DC im Mai 1934 Pastor Haape. Er mit diesen Vorgängen verzeichnet das Proto-
fragen, Ein- und Austritte war 1931 für einige Wochen Hilfsprediger in koll, Pastor Wewer habe einen der DC-Pres-
  5. Gemeindearbeit Krefeld gewesen. Sie meinten, er sei rheto- byter gebeten, sich in Zukunft nicht mehr
  6. Andere Kirchen und Sekten risch begabt und positiver Christ. Über diese so verletzend auszudrücken, da man sonst
  7. Die Ausweitung der Krefelder Wahl kam es in Krefeld zu erregten Ausein- gezwungen sei, nicht mehr an den Sitzun-
­Gemeinde in die Außenbezirke andersetzungen. Der Streit spaltete auch die gen teilzunehmen. Das Protokoll der Wahl
  8. Liturgie DC-Gruppe. So sprach sich Pastor Dungs Lauers am 5. September unterschrieb von
  9. Gemeindeleben, Vereine, Diakonie gegen die Methoden und die Schnelligkeit den Pastoren nur Pastor Engels. Demnach
dieser Pfarrwahl aus. Ein Presbyter und hatten sich die Übrigen von der Handlung
10. Schulen
früherer Volkskirchenbund-Anhänger woll- ferngehalten.
11. Kinder- und Jugendarbeit im Dritten
te, man solle mehrere Kandidaten in Erwä-
Reich
gung ziehen, und ein anderes Mal beklagte Zur Wahl Lauers findet sich eine Konsistori-
12. Parteiungen und Kirchenwahlen 
er, dass in Bezug auf die Wahl so viel hinter alnotiz, dass man von der Wahl Lauers wie
1921 – 1934
den Kulissen gearbeitet werde, man müs- Haapes auf private Anfrage aus Krefeld hin
se einhellig hinter allen Pfarrern stehen und dringend abgeraten habe. Beide seien erst
Teil 2 alle hören, Haape sei auch zu jung, um der seit gut einem Jahr im Amt und nach der Kir-
gewünschte, verantwortungsvolle Vertreter chenordnung sei ein Wechsel so früh nicht
13. Parteiungen und Pfarrwahlen  der Gemeinde sein zu können. Er griff sogar zulässig. Nur die Tatsache, dass Lauer sich
1933 – 1940 direkt den Wortführer der DC an, als er fest- nicht um Probepredigten bemüht habe, au-
14. Die Stellung der Pastoren zum stellte, dieser sei ja eigentlich ein Neuling in ßerdem, dass die Kreise „Deutscher Chris-
­Nationalsozialismus der Gemeinde, woraufhin der konterte, nicht ten“ sich bemühten, ihn für Pfarrstellen zu
15. Die Kirchenblätter im Dritten Reich in der Gemeinde, wohl im Presbyterium. Die gewinnen, und die Überlegung, dass Lauer
16. Bausachen Krefelder setzten sich auch über den Hin- durch den Wechsel nach Krefeld der Rhei-
weis aus dem Konsistorium hinweg, Haape nischen Kirche erhalten bleibe, hätten zur
II.  Die mennonitische Gemeinde Krefeld sei in seiner jetzigen Gemeinde erst zu kurz, Bestätigung der Wahl geführt.27
  1. Gemeindeleben, Vereine, Diakonie um schon zu wechseln; desgleichen miss-
  2. Die Einstellung der Pastoren zum achteten sie die Ansicht des Konsistoriums, Beide wurden am 2. Dezember 1934 einge-
­Nationalsozialismus er sei nicht als Pfarrer einer Stadtgemeinde führt, und auch das Protokoll der Einführung
  3. Die Eidfrage geeignet. Auch nach der Wahl Haapes ver- trägt nur die Unterschrift von Pastor Engels
  4. Das Kriegsende suchte das Konsistorium noch, mit Presby- als einzigem Pastor.
tern zu sprechen, um wegen der Lage der
III.  Die evangelische Gemeinde Uerdingen Gemeinde Einfluss zu nehmen.26 Dennoch Die unterschiedlichen Haltungen der Grup-
wählten die Krefelder am 25. Juli Haape, und pen zeigen sich an relativ kleinen Anlässen.
die Wahl wurde im Oktober genehmigt. Als die DC-Ortsgruppe Bockum-Oppum die
Überlassung des Kirchraums für DC-Ge-
13. Parteiungen und Pfarrwahlen  Während in Krefeld um die Wahl Haapes meindeabende beantragte, erklärte Pastor
1933 – 1940 gestritten wurde, erhielt Pastor Dungs einen Schütz, dann müsse man den Raum beiden
Ruf nach Mülheim, den er, wie er sagte, nicht Gruppen zu Verfügung stellen. Pastor En-
Welche Probleme die Krefelder Gemeinde angenommen hätte, wenn sich die Verhält- gels hielt diese Folgerung für nicht stichhal-
im Dritten Reich hatte, wird am deutlichsten nisse in Krefeld nicht so zugespitzt hätten. tig, denn die DC stünden auf dem Boden
im Zusammenhang mit den Pfarrberufungen Wieder hatten die DC-Presbyter gleich ei- des Reichskirchenregiments, die Bekennt-
(Abb. 5). Deshalb gehören sie wesentlich in nen Nachfolger fest im Auge, Pastor Lauer, nisgemeinde aber in scharfem Gegensatz
die Gemeindegeschichte der Zeit. der 1931 / 1932 für rund ein Jahr Hilfspredi- dazu. Der Antrag der DC wurde genehmigt.

28   die Heimat 85/2014


1. 2. 3. 4. 5.

6. 7. 8. 9. 10.

Abb. 5. (vgl. Teil 1, S. 166)

  1. Pfarrer Karl Starck (1894 – 1928)


  2. Pfarrer Karl Theile (1895 – 1921)
  3. Pfarrer Ludwig Keller (1899 – 1933)
  4. Pfarrer Ernst Bender (1906 – 1934)
  5. Pfarrer Ernst Wewer (1907 – 1939)
  6. Pfarrer Ernst Schütz (1910 – 1935)
  7. Pfarrer Friedrich Neuhaus (1922 – 1954)
  8. Pfarrer Heinz Dungs (1928 – 1934)
  9. Pfarrer Paul Engels (1933 – 1960)
10. Pfarrer Johannes Lauer (1934 – 1963)
11. Pfarrer Hans Haape (1934 – 1974)
11. 12. 12. Pfarrer Bartho von Werner (1937 – 1944)
13.
13. Pfarrer Heinrich Hamer (1940 – 1947)

Immerhin erhielt im Februar 1935 die Be- ter Leiter des kirchlichen Jugendamtes. Im Kandidaten von Werner erhoben wurde.
kenntnisgemeinde die Alte Kirche für einen November 1934 begannen die Presbyter, es Nachdem die Wahl trotzdem am 20. Okto-
Gottesdienst. ihm zu entwinden. Er sagte, das sei gegen ber erfolgt war, legten Bockumer Gemeinde-
seine Person gerichtet. Anfang 1935 wurden mitglieder beim Superintendenten Einspruch
Im Februar 1934 war unter der Ägide von alle Jugend- und Wohlfahrtssachen einem ein. Der erreichte bei seinen Vermittlungsver-
Pastor Engels die Eingliederung der evan- Ausschuss zugewiesen, im Juni akzeptierte suchen keinen Fortschritt und gab die Sache
gelischen Jugend in die HJ vollzogen wor- man ohne Einwand, dass die Jugend- und an das Konsistorium weiter.
den. Im März legte das Presbyterium die Wohlfahrtsamtsarbeiten größtenteils von der
gesamte Jugendfrage in Engels’ Hände, NSV, der Nationalsozialistischen Volkswohl- Innerhalb kürzester Zeit hatten die Bocku-
nachdem Pastor Neuhaus den Vorsitz im fahrt, übernommen wurde. mer 1 000 Unterschriften gegen die Wahl ge-
Jugendausschuss niedergelegt hatte. Im sammelt. Die Protestierenden betonten, nur
April berichtete Pastor Engels, die Jugend- Im Oktober 1934 reichte Pastor Schütz sein 15 Männer des DC-Presbyteriums vergewal-
arbeit lasse sich gut an, allerdings habe sich Pensionierungsgesuch ein, er wurde am tigten sie. Das aus den Wahlen von 1933 her-
vom MBK (Mädchenbibelkreis) niemand zur 1. Mai 1935 emeritiert, die Wiederbesetzung vorgegangene Presbyterium habe sich seit-
Verfügung gestellt. Das liege an der Leite- der Stelle vorläufig wegen der ungeklärten her nur durch Kooptation ergänzt, so dass
rin. Pastor Schütz stellte sich vor den MBK Finanzsituation der Kirche untersagt; im Mai ein unbeschränktes DC-Regiment erhalten
und meinte, sie machten treu Kindergottes- 1936 wurde sie erlaubt, zog sich jedoch hin, geblieben sei. Keines der Presbyteriumsmit-
dienst und mehr gehe nicht. Pastor Wewer weil aus der Krefelder Gemeinde Protest ge- glieder habe eine persönliche Bindung zum
war noch von der Inneren Mission beauftrag- gen den vom Presbyterium ausersehenen Pfarrbezirk. Es gehe um Kirchen- und Macht-

die Heimat 85/2014   29


politik, nicht um die Gemeinde. Für den von sei mangelhaft, die kirchenpolitisch stark ums endgültig die Verfügung, dass es bei
den Bockumern gewünschten Hilfsprediger erregte Krefelder Gemeinde brauche aber der Wahl bleibe. Im November 1937 wurde
Schmidt hätten sich 800 Gemeindeglieder „eine nüchterne, schriftgemäße, kräftige und Pastor von Werner in Krefeld eingeführt.28
durch ihre Unterschrift erklärt. Er gehö- vollmächtige Predigt“. Mit Sicherheit würde
re keiner Gruppe an. Bei einer Vorwahl im von Werner in Krefeld in die Auseinander- Keine zwei Jahre später, im Juli 1939, kam
Presbyterium am 7. Oktober hätten noch 13, setzungen hineingezogen und der Zwiespalt das Presbyterium beim Konsistorium um die
darunter alle Pfarrer, für Schmidt, nur 8 für dort vertieft werden. Versetzung von Werners ein. In Krefeld sei
von Werner gestimmt. Dann sei bis zur Wahl eine gedeihliche Führung des Pfarramtes
am 20. so viel Agitation betrieben worden, Protesten des Presbyteriums begegnete nicht mehr möglich. Selbst die Presbyter, die
dass von Werner gewählt worden sei. Aber man mit dem Hinweis, nicht die politische sich unnachgiebig für von Werner eingesetzt
auch dieses Mal hätten alle fünf Pfarrer für Haltung von Werners habe den Ausschlag hatten, erklärten, alles Bemühen um ihn sei
Schmidt gestimmt. Die Antragsteller hatten zur Ablehnung durch den Provinzialkirchen- vergebens. Sie bezeichneten seine Arbeit als
über von Werner allerlei menschlich Nega- ausschuss gegeben, vielmehr die Einsicht, völligen Bankrott. Von Werner gehe eigene
tives erfahren und kannten Urteile, die auch dass er und die Gemeinde nicht zusammen- Wege, verweigere Jugend- und Frauenar-
an von Werners geistiger Befähigung Zweifel passen könnten. Das habe das Presbyterium beit, halte sich entgegen seinem schriftlich
anmeldeten. Dem entsprach eine Stellung- indirekt auch dadurch zugegeben, dass es gegebenen Wort zu den Thüringer DC, das
nahme des Vikariatsvaters, die sowohl hin- erwogen habe, infolge der Wahl von Wer- war die extremste DC-Gruppierung, auch
sichtlich der geistigen wie der menschlichen ners Pastor Neuhaus oder Pastor Wewer habe er entgegen seiner Zusage seine kir-
Qualitäten von Werners vernichtend war. nach Bockum zu versetzen. In dem Zusam- chenpolitische Betätigung verschärft. Das
Andere Beurteilungen untermauerten dies. menhang ging man auch noch einmal auf die Presbyterium lieferte eine „Charakterologi-
Auch der Bruderrat der Bekenntnisgemein- Wahl von Haape und Lauer ein. Sie seien bei- sche Beurteilung“ von Werners, in der es ihm
de protestierte gegen die Wahl. Dieser Pro- de als DC-Anhänger gewählt worden, hätten Geltungsdrang und Anerkennungsbedürfnis,
test trug unter anderem die Unterschriften sich allerdings von ihren Wählern kirchenpo- innere Haltlosigkeit, Eitelkeit, Trotz, asoziale
der beiden Krefelder Pfarrer Neuhaus und litisch gelöst. Das Presbyterium habe jedoch Lebenseinstellung, mittelmäßige Intelligenz
­Wewer. bei den drei letzten Wahlen planmäßig und bescheinigte. Der Umgang mit ihm sei un-
ausnahmslos DC gewählt. Das Konsistorium möglich und er sei auch nicht wahrhaftig.
Der Superintendent versuchte, die Krefel- habe alle drei Wahlen bestätigt. Der Evange- Maßnahmen erfolgten nicht, der Kriegsbe-
der Sache in einer Presbyteriumsberatung lische Oberkirchenrat wollte die Ablehnung ginn unterband sie wohl. Im Oktober 1942
zu regeln, musste aber feststellen, dass die nicht anerkennen, entscheidend sei, ob ei- ging von Werner zur SA-Standarte 40, 1944
Presbyter nicht zu belehren waren. Dabei, ne schwere Störung des Gemeindelebens wurde seine Scheidung bekannt, woraufhin
so meinte er gegenüber dem Konsistori- in Krefeld zu erwarten sei. Das sei nicht si- das Konsistorium den Krefeldern erklärte,
um, hätten ihnen die verschiedenen Urteile cher. Das Konsistorium versuchte noch ein- danach könne über eine anderweitige Ver-
über von Werner eigentlich den Mut nehmen mal, die Wahl zu verhindern. Das Krefelder wendung von Werners, allerdings erst nach
müssen, an ihrer Wahl festzuhalten. Aber Presbyterium hatte sich inzwischen direkt dessen Entlassung aus der Wehrmacht, ent-
auch die Tatsache, dass alle Pastoren und an den Reichsminister für kirchliche Ange- schieden werden. Am 26. September 1944
so viele Gemeindeglieder dagegen waren, legenheiten gewandt, der ihm mitteilte, der fiel von Werner.29
half nichts. Ev. Oberkirchenrat habe die Entscheidung
des Konsistoriums aufgehoben. So folgte Im August 1939 schied Pastor Wewer aus,
Die Presbyter hielten den ihnen gemach- auf den letzten Vorbehalt des Konsistori- und die Entscheidung über seinen Nachfol-
ten Vorwürfen entgegen, sie hätten Haape
gewählt, der nicht DC sei, seinetwegen sei
Dungs, DC, gegangen. Sie hätten Neuhaus
als Präses und sein Amtieren verlängert, ob-
gleich er „Vorsitzender des Bruderrates der
Bekenntnisfront“ sei und obwohl sonst DC-
Pfarrer Engels an der Reihe gewesen wä-
re. Sie betonten, wie liberal sie gegenüber
den Bekenntnisleuten seien, versuchten
aber auch, Pastor Wewer als Liberalen und
Freund der Freimaurer anzuschwärzen, und
meinten, die Mitglieder der Bekenntnisfront
könnten der Predigt eines DC-Pastors gar
nicht richtig folgen.

Schon im Oktober 1932 hatten die DC im


Vorfeld der Novemberwahlen Mitglieder der
kirchlichen Körperschaften, die Freimau-
rer waren, angegriffen. Dagegen hatten die
Pfarrer sich verwahrt und die kirchliche Hal-
tung und den Einsatz dieser Personen her-
vorgehoben.

Das Konsistorium gab keine Wahlbestäti-


gung. Zwar sah es jeden einzelnen Einwand
gegen von Werner nicht als genügend für
diese Verweigerung an, insgesamt werfe al-
les aber Licht auf die Person; von Werner sei
zudem gefühlsselig, ihm fehle Klarheit und
Menschenkenntnis, seine Schriftauslegung Abb. 6. Die evangelische Gemeinde, Krefelder Adressbuch 1942

30   die Heimat 85/2014


ger Hamer ging ganz andere Wege. Offen- Hamer lösen, weil er seine Gemeinde in Not- politischer Tätigkeit enthielt. Für den vom
sichtlich wollte das Konsistorium Hamer, der zeiten verlassen wollte. Auf die Arbeit Pastor Konsistorium plötzlich entlassenen Hilfspre-
Schwierigkeiten in Mettmann hatte, ander- Hamers könne aber nicht verzichtet werden, diger Pelter, der der Bekennenden Kirche
weitig unterbringen und legte dessen Wahl die Kollegen seien außerstande, seine Arbeit zugehörte, setzte sich Pastor Haape ein. Bei
den Krefeldern nah. Pastor Haape ließ sich mitzutun. Der Generalsuperintendent notier- der Pfarrberufung Hamer hielt er eine Ver-
dazu bringen, der Pfarrwahlkommission die te gegenüber dem Konsistorium, in Krefeld mittlerposition. Unter seiner Leitung sprach
Wahl nahezulegen. Dem Presbyterium lang- herrschten unerquickliche Verhältnisse. das Presbyterium auch die Forderung der
te der Hinweis, dass Hamer vom Bruderrat Dies habe ihm bei einem Besuch Rendant Abberufung Pastor von Werners aus. Be-
der Bekennenden Kirche wegen seiner Zu- Gotzen bestätigt.32 Pastor Hamer versuchte zeichnender noch ist der eher unscheinbare
sammenarbeit mit dem Konsistorium aus der daraufhin Urlaub zu bekommen, er wollte zu Versuch, zu einer anderen Ausrichtung zu
Pfarrbruderschaft ausgeschlossen worden seiner nach Mecklenburg evakuierten Fami- kommen, der sich in Haapes Antrag im Pres-
sei. Es gab geringen Einspruch gegen die lie. Schließlich erlangte er Krankheitsurlaub byterium zeigt, neben dem „Weckruf“ auch
Wahl. Ein Gemeindeglied schrieb dem Prä- durch Attest. Das löste das Misstrauen der einige Exemplare des „Sonntagsgrußes“ auf
ses des Presbyteriums Haape, ein neues Gemeinde aus, die in der Krankheit einen Kosten der Gemeinde zur Verfügung zu stel-
Experiment drohe. Er wisse, dass Hamer die Vorwand sah. In der Nachkriegszeit gab es len. Haape scheint insgesamt eine Vermitt-
Gemeinde in Mettmann zerstört habe. Aber allerlei Schwierigkeiten mit ihm. Einem Ver- lungsposition erstrebt und sich selbst nicht
er resigniere angesichts der Tatsache, dass setzungsverfahren kam er 1947 durch Amts- öffentlich festgelegt zu haben. Pastor Engels
Hamer das kleinere Übel von zweien sei.30 niederlegung zuvor.33 versuchte 1937 als Präses, in der Gemein-
de zu Frieden zu gelangen. Beide Gruppen
Es gab bald Schwierigkeiten mit Pastor Ha- sollten gegenseitig anerkennen, dass ihr
mer, der sich öffentlich abfällig über das Re- 14. Die Stellung der Pastoren zum Natio- Boden die Überzeugung sei, Jesus Christus
gime äußerte und durch die Verbreitung von nalsozialismus ist Versöhner und Erlöser. Sie sollten beide
Schriften die Machthaber ärgerte.31 mit gegenseitigen Diffamierungen aufhören
Es ist äußerst schwierig, die Haltung der und keine Flugblätter mehr verteilen. Dass
Seit 1942 (Abb. 6) war Pastor von Werner Pastoren während des Dritten Reichs zu be- die Pastoren Wewer und Neuhaus das Pres-
nicht mehr in Krefeld, ab 1943 bis Ende Sep- urteilen. Unangreifbar und deutlich fassbar byterium verließen, als es um die Einigungs-
tember 1944 wurden die Pastoren Neuhaus, ist die Haltung von Pastor Neuhaus und von bestrebungen ging – Wewer erklärte später,
Haape und Lauer nacheinander in andere Pastor Wewer, der sich aber nicht so wie sein einen dienstlichen Termin gehabt zu haben –,
Gemeinden abgeordnet. In Krefeld waren Amtsbruder in der Bekennenden Kirche en- erschwerte Engels’ Bemühen, machte aber
nur noch vier Pastoren, im August 1944 re- gagierte. Seine von den DC als liberal denun- zugleich deutlich, dass es angesichts der
aktivierte man Pastor Schütz, der aber fast zierte politische Herkunft dürfte der Grund grundlegenden theologischen Verwirrung für
taub und nur bedingt einsatzfähig war. Pas- dafür gewesen sein. Pastor Engels wurde der die Bruderratsleute der Bekennenden Kirche
tor Lauer erkrankte im Herbst 1943, so dass DC-Pfarrer, den die Presbyter sich bei seiner keinen Minimalkonsens geben konnte.
er nur in kleinen Landgemeinden noch Dienst Wahl erhofft hatten. Die Pastoren Lauer und
tun konnte. Ein Versuch im Oktober 1944, Haape entwickelten sich nicht so, wie ihre Unter Engels’ Vorsitz verfasste das Pres-
nach Krefeld zurückzukommen, schlug fehl. Wähler erwartet hatten. Sie hielten sich zu- byterium 1937 eine Erklärung, mit der es
Mitte Dezember fiel Pastor Lauer wegen rück, jedoch in größerer Loyalität gegenüber meinte, einen Vorschlag zur Neuordnung
Krankheit wieder aus. Er wurde vorläufig be- den DC-Leuten, der Konsistorialverwaltung der kirchlichen Lage entwickelt zu haben.
urlaubt. Das Presbyterium bat, ihn eventuell und dem Regime als die Pastoren Neuhaus Die Pastoren Neuhaus und Wewer lehnten
in einer kleinen Gemeinde arbeiten zu lassen, und Wewer. sie mit einer Stellungnahme ab, in der sie
von einer Pensionierung aber abzusehen, er herausstellten, die Erklärung sei völlig unklar
habe zehn Jahre zur größten Befriedigung in Pastor Lauer lässt sich aus den vorliegen- und in sich widersprüchlich. Sie ist tatsäch-
Krefeld Dienst getan, ein Übermaß an Arbeit den Unterlagen nicht näher fassen. Über lich armselig und zeugt von mangelndem
geleistet und entgegen ärztlichem Rat wie- Pastor Haape kann man einige Schlüsse analytischem Denken. Sich aber trotzdem so
der in Krefeld zu arbeiten versucht, deshalb ziehen. Noch in der Zeit, als der Vorsitz des gut zu finden, dass man meinte, mit dieser
sei man ihm besonders verpflichtet und hoffe Presbyteriums bei Pastor Engels lag, holte Erklärung, der alle rheinischen Gemeinden
auf seine Genesung. Nach dem Krieg konnte er als Vorsitzender der evangelischen Schul- zustimmen sollten, den Lösungsweg für die
Pastor Lauer sein Amt wieder ausüben. gemeinde Krefeld den Reichswart der evan- kirchenpolitischen Probleme gefunden zu
gelischen Schulgemeinde ins Presbyterium haben, zeugt von Selbstüberschätzung und
Nach den schweren Angriffen auf Krefeld und ließ ihn über die Bekenntnisschule refe- Unfähigkeit zu Selbstkritik.
hatte Pastor Hamer Anfang 1945 keine Woh- rieren. Der pochte auf Gewissensfreiheit und
nung, lebte auf einem von der Stadt entfern- erhob als Forderung der Schulgemeinde, sie In Zusammenhang mit Engels’ Bemühungen
ten Bauernhof, hatte dann ein Notquartier in sei für den völkischen Staat, aber nicht für ist im Blick auf die Haltung der Pastoren fest-
der Stadt. Er wandte sich an das Konsisto- die völkische Religion. Als Pastor Haape in zustellen, dass wieder Neuhaus und Wewer
rium und bat, ihn abzuordnen. Außer Präses einer gottesdienstlichen Veranstaltung über den klarsten Weg gingen. Haape und Lauer
Haape sei keiner dagegen und in Krefeld die Lage der Gemeinde sprechen sollte – in hielten sich still. Dahinter mag entschieden
gebe es nach den großen Zerstörungen gar der Zeit, als das Presbyterium die Wahl Pas- die Absicht gestanden haben, soviel Frieden
nicht mehr so viel zu tun. Daraufhin reagier- tor von Werners erkämpfte, als zudem Kir- wie möglich in der Gemeinde zu retten.
te das Presbyterium bitterböse. Im Februar chenwahlen in Aussicht standen, die jedoch
1945 nahm es zunächst zur Kenntnis, dass nie verwirklicht wurden, und nachdem schon Am meisten ließ sich Pastor Engels auf den
in Pastor Hamers Bezirk acht Wochen lang eine Veranstaltung stattgefunden hatte, die Nationalsozialismus ein. Dienst an der Ge-
kein kirchlicher Unterricht abgehalten wor- im Sinn der Presbyter verlaufen war –, da meinde und Dienst am Volk verschwammen
den sei, obwohl es noch am 17. Dezember wich Haape aus und meinte, besser sprä- in seinen Vorstellungen. Wie viele war er
entschieden habe, dass der kirchliche Un- che ein Auswärtiger. In Haapes Präseszeit verblendet von seinen Wünschen und den
terricht besonders wichtig sei und auf keinen wehrte sich die Gemeinde scharf gegen ei- Veränderungen nach der als schrecklich er-
Fall ausfallen dürfe. „Dieser Zustand wird als nen ihr zugewiesenen Hilfsprediger aus Thü- fahrenen Zeit seit 1918. Er ließ sich mitrei-
unhaltbar und auch nicht durch die Verhält- ringen und machte zur Voraussetzung, dass ßen von den hehren Worten, mit denen die
nisse bedingt bezeichnet.“ Dann wollte es er überhaupt auch nur für einige Wochen neuen Machthaber ihr Tun verbrämten, und
am liebsten das Dienstverhältnis mit Pastor bleiben dürfe, dass er sich jeglicher kirchen- hielt sie für die Wahrheit statt der ihnen oft

die Heimat 85/2014   31


widersprechenden Wirklichkeit. Wer sich in er „in Demut und Beugung“ zu, in den Jahren einführte, die Jugendarbeit als Einziger för-
die Zeit und das Denken damals zu verset- nach 1933 nicht immer richtig gehandelt zu derte, als Standortpfarrer Seelsorge betrieb
zen versucht, wird viele Begründungen für haben, beklagte „die bewusste Entfernung und noch andere Sonderaufgaben ausübte,
das Hereinfallen auf die Nationalsozialisten der christlichen Konfessionen aus dem öf- die er alle aufzählte, wobei er immer wieder
finden. Dagegen kamen die entlarvenden fentlichen Leben“ und stellte fest, dass die darauf hinwies, wie seine Kollegen all das
Analysen aus den Reihen der Bekennenden „HJ nach ihrer inneren Struktur und Weltan- nicht taten, von ihm Aufgebautes wieder ein-
Kirche nicht an. Die geblendeten Leute ver- schauung keinen Jugendverband neben sich schlafen ließen. De facto unterstellte er ihnen,
mochten damals deren zwingende theolo­ dulden“ konnte, meinte aber andererseits, sich zu drücken, dies immer pauschal, ohne
gische Argumente nicht aufzunehmen, der Kirche sei das Recht der religiösen Arbeit Namensnennung. Er entwarf ein Bild von sich
– dass die Kirche niemals an irgendein poli- mit den ihr zugehörigen Jugendlichen nicht selbst als größtem, vielleicht einzigem Seel-
tisches System gebunden sein kann, wenn abgesprochen worden. Eine solche Äuße- sorger, der sich in seinen vielen Aufgaben
sie denn Kirche Jesu Christi ist, rung im Sommer 1944 erscheint zum min- verzehrte, dem man Ehrgeiz unterstellte, der
– dass sie niemals irgendwem, keinem Volk, desten naiv und täuscht über die Tatsache aber nur als Seelsorger dienen wollte.
keiner Ideologie dienen kann, sondern al- hinweg, dass die kirchliche Arbeit tatsäch-
lein dem Zeugnis von Gottes in der Bibel lich nicht gewünscht und nach Möglichkeit Der Rückblick zeigt, wie schon die oben er-
überlieferter Offenbarung, über das hinaus verhindert wurde. Engels hob hervor, als wähnte Erklärung von 1937, Ehrgeiz, Selbst-
es keine ergänzende Offenbarung durch Er- Redakteur des Gemeindeblattes „Weckruf“ bewusstsein und mangelnde Selbstkritik.
eignisse, „Führer“ oder andere Anlässe gibt, Verweise und Drohungen der Reichspro- Dem Verfasser scheint der Mut oder die Fä-
– dass sie nicht Kirche für das Volk, sondern pagandabehörden erhalten, einen Beleidi- higkeit gefehlt zu haben, sich mit dem Regime
nur für alle Christen sein kann, nicht Kirche gungsprozess von dem damaligen Leiter der und seiner Rolle darin auseinanderzusetzen.
im Dritten Reich, sondern nur in der Welt Deutschen Glaubensbewegung, Professor Es fehlt zum Beispiel im Zusammenhang mit
in nach Zeit, Raum und Art verschiedenen Hauer, angehängt bekommen und ständig seiner Jugendarbeit jeder Hinweis auf die vor
politischen Ordnungen, von deren Geist sie mit einem Fuß im Gefängnis gestanden zu ihm von Pastor Neuhaus getane Arbeit, die
in ihrem innersten Anliegen nicht berührt haben. Als er das schrieb, war das Erschei- dieser im BK, im Schülerbibelkreis im Rah-
sein kann, nen des Blattes wegen Papiermangels inzwi- men der Bekennenden Kirche, fortführte.
– dass die Gemeinschaft der Christen sich schen eingestellt. Das wäre möglich gewesen, auch ohne Stel-
auch innerhalb eines Staates oder Volkes lung zu dessen anderer kirchenpolitischer
nicht über Blut oder Rasse definieren kann Im Übrigen betonte der Verfasser, wie erfolg- Position nehmen zu müssen. Aber Voraus-
und der Ausschluss Angehöriger anderer reich er in Krefeld arbeitete, Bibelstunden setzung dafür wäre wohl gewesen, die ei-
Völker oder Rassen eine Kirche zwingend
als nicht christlich erweise.34

Einige Dokumente erhellen ein wenig die


Hintergründe von Pfarrer Engels’ Handeln.
Das eine ist ein 1938 an das Konsistorium
geschickter Bericht über eine Veranstaltung
für alle in der Gemeinde Beschäftigten, die
Pastor Engels „Betriebsappell“ nannte und
als Beispiel zur Nachahmung empfehlen
wollte. Das sei keine Gemeinschaftsfahrt
gewesen, sondern habe der „völkischen Ar-
beitsweise unserer Tage“ entsprochen. Man
hörte sich einen Vortrag des Kaiserswerther
Pastors Bachmann: „Unser Dienst in Kirche
und Volk“ an, Gesang und Gebet gaben den
Rahmen, und am Schluss der Veranstal-
tung stand ein dreifaches Sieg Heil auf den
Führer.35 Die Umplakatierung eines an sich
gar nicht neuen Tuns als Betriebsappell und
völkische Arbeitsweise, die Überzeugung,
damit neue Wege zu gehen, erscheint von
heute her naiv.

Im Sommer 1944 verfasste Pastor Engels


einen Rechenschaftsbericht über seine
Amtstätigkeit in Krefeld vom Oktober 1933
bis zum Juni 1944.36 Der Bericht verschweigt
nicht, dass der Verfasser „als Exponent ei-
ner bestimmten kirchenpolitischen Gruppe“
nach Krefeld geholt worden war. Er lässt an
einigen Punkten vermuten, dass der Verfas-
ser dem NS-Staat 1944 nicht mehr ungebro-
chen positiv gegenüberstand. Engels erklär-
te, er habe „in klarer Ergebenheit dem neuen
Staat gegenüber dennoch (!) das ganze
unverkürzte Evangelium vom gekreuzigten
und auferstandenen Heiland“ verkündigen
wollen. Auf alle Fälle setzte er sich damit von
den extremen DC-Anhängern ab. Auch gab Abb. 7. Evangelischer Anzeiger für Krefeld und Uerdingen, 1920

32   die Heimat 85/2014


gene Jugendarbeit hinterfragen zu lassen. Presbyterium mit, dass die Auflage des Unter Pastor Engels’ Einfluss verstärkte
Denn es waren ja grundsätzliche theologi- „Weckruf“ von 2 700 auf 1 300 gesunken sich der volksmissionarische, erbauliche
sche Motive, die diesem Kollegen und Pastor sei. Diese Entwicklung korrespondiert mit Charakter; hinzu kam, dass für den „Weck-
Wewer, vielleicht auch den Pastoren Lauer dem Rückzug der ehemals lautstärksten ruf“ ebenso wie für alle Kirchenblätter bald
und Haape, die Mitarbeit in seiner Jugend- DC-Mitglieder aus dem Presbyterium und das Verbot galt, sich mit der Kirchenpolitik
und sonstigen Arbeit versagten. Viele Jahre überhaupt aus der Gemeinde. Es war po- zu befassen. Deshalb erfährt man über die
später fand Pastor Engels andere Worte: „... litisch nicht mehr opportun, sich als Christ Meldung von Ereignissen hinaus bald nichts
der goldtreue Friedrich Neuhaus mit seiner zu bekennen. Insofern muss man auch die mehr über die inneren Vorgänge in der Kre-
ganzen Liebe zu der Arbeit an der Jugend Gemeindemitglieder, die als DC-Anhänger felder Gemeinde. Es blieb eine unbedingte
der höheren Schulen, wie sie im BK zusam- im Presbyterium waren, sehr differenziert Loyalität gegenüber den Nationalsozialis-
mengefasst war.“37 Im selben Zusammen- betrachten. Es waren andere, die erst laut ten, die Vorstellung, Hitler sei ein von Gott
hang nannte er Pastor Wewer „unermüdlich“. tönten und dann verschwanden, als die, die, gesandter Heilsbringer. Die Feindbilder der
wenngleich DC, bis zuletzt aktiv Gemeinde- Nationalsozialisten wurden beibehalten und
Bei aller Kritik wäre es sicher völlig falsch, arbeit machten und sich womöglich erst in deren Machenschaften, die vom Boden des
den Bericht unehrlich zu nennen. Am Anfang den späten 30er Jahren, als dies gar nicht Christentums aus nicht zu billigen waren, ge-
seiner Rückschau beschrieb Pastor Engels mehr politisch für sie vorteilhaft war, noch ins rechtfertigt.
begeistert die Gemeinde, aus der er nach Presbyterium aufnehmen ließen.
Krefeld kam. Sie war stark pietistisch, in ihrer
Gemeinschaftshaltung geschlossen, leben- Der „Weckruf“ begann in völliger Identifika- 16. Bausachen
dig, vielleicht etwas separatistisch. Die Mi- tion mit dem politischen, auch kirchenpoliti-
schung aus Selbstbewusstsein im Wissen, schen Geschehen. Als die Organisation der Ein Teil der Bauangelegenheiten wurde
die richtige Sache zu vertreten, christlicher Kirche im Sommer 1933 zerschlagen wur- schon im Rahmen der Ausweitung der kirch-
Demut und mangelnder Fähigkeit zur Selbst- de, begrüßte die Zeitung diese „Einleitung lichen Arbeit in die Vororte behandelt. In den
kritik, die bei Pastor Engels entgegentritt, der Neuordnung“, die Pastor Dungs in einer 20er Jahren arbeitete der Architekt Esch ne-
könnte dort ihre Wurzeln haben. Pastor En- Predigt unter das Motto stellte: Neben dem benamtlich für die Kirche, in den 30er Jahren
gels war ein wirklicher Seelsorger, der auch Christuskreuz das Hakenkreuz.40 Aber der zeitweise Lechmig [Architekt der Oppumer
in damaliger Zeit ehrlich bemüht war, das „Weckruf“ druckte auch Pastor Neuhaus’ Kreuzkirche 1936 (Abb. 8)]. Nach dem Ersten
Evangelium zu verkündigen, und dabei Viele Predigt zur Einweihung des Landheims Wan- Weltkrieg drang das Telefon vor, 1931 be-
erreichte.38 Er wollte lebendiges kirchliches kum, die gänzlich andere Töne hatte, die al- wirkte das Läutwerk der Pauluskirche Funk-
Leben fördern; in seinem Bericht erwähnt er leinige, unbedingte, unverfügbare Herrschaft störungen bei der Post, es gab aber noch
manche Anregung, die er gab, die wert ge- Gottes herausstellte.41 Schon unter Pastor keine technischen Mittel, dem abzuhelfen.
wesen wäre, von seinen Amtsbrüdern aufge- Dungs’ Leitung setzte sich die Zeitung von
griffen zu werden. den von Professor Hauer vertretenen Thürin- Die Gemeinde mietete den Wiedenhof noch
ger DC ab, die sich vom Boden des Evange- bis 1927, gab ihn dann auf, nachdem sie Ba-
liums gelöst hätten und den Menschen zum racken, später ist von Hallen die Rede, für die
15. Die Kirchenblätter im Dritten Reich Maß des Glaubens machten.42 Hier lagen Gemeinde- und Jugendarbeit gekauft und
später auch die grundsätzlichen Unterschie- im Gemeindegarten hinter den Häusern am
1921 wurde entschieden, den Krefelder de zu Pastor von Werner, der Anhänger der Westwall aufgebaut hatte. Die Nachkriegs-
„Evangelischen Anzeiger“ (Abb. 7), der von Thüringer DC war. zeit brachte Mangel auch für die verschie-
der Gemeinde zu hoch bezuschusst werden
musste, eingehen zu lassen und stattdes-
sen eine Krefelder regionale Seite im über-
regionalen „Sonntagsgruß“ einzurichten.
Gegenüber den DC war der „Sonntagsgruß“
ablehnend und stand bald auf der Seite der
Bekennenden Kirche.

Im Januar 1934 machte die DC-Mehrheit


im Presbyterium das bisherige DC-Blatt
„Weckruf“ an Stelle des „Sonntagsgrußes“
zum Krefelder Gemeindeblatt. Der „Weck-
ruf“ wurde erst vom stellvertretenden Gau-
leiter Richard Ammelung herausgegeben, ab
15. Oktober 1933 übernahm Pastor Dungs
die Schriftleitung, nach dessen Weggang
Pastor Engels. Dieser stellte seine Arbeit
unter den nicht gerade bescheidenen An-
spruch, den „Essener Sonntagsgruß nicht zu
unterbieten oder schachmatt zu setzen.“39

Noch im Juli 1939 scheiterte der Antrag


des damaligen Präses Haape, neben dem
„Weckruf“ auch einige Exemplare des
„Sonntagsgrußes“ von Seiten der Gemeinde
zur Verfügung zu stellen, mit 7:6 Stimmen.
Bis zur Einstellung beider Blätter Ende Mai
1941 brachte auch der „Sonntagsgruß“ wei-
ter Krefelder Gemeindenachrichten. Schon
im Oktober 1940 teilte Pastor Engels dem Abb. 8. Oppumer Kreuzkirche, 1936

die Heimat 85/2014   33


denen Vereine, die im Rahmen der Kirche
selbständig waren. So musste die Gemeinde
1919 bei Renovierungen des Bürgervereins
und der Herberge zur Heimat helfen und
1927 beim Ankauf eines Hauses der Frauen-
hilfe. Ende 1927 beantragte die Frauenhilfe
eine Unterstützung für die Erweiterung ihres
Marthahauses. Der Bürgerverein geriet wei-
ter in Schwierigkeiten und musste 1932 um
Darlehen einkommen. Dass man in Bezug
auf den Wiedenhof ein schlechtes Gewissen
hatte, dürfte die Bemerkung belegen, in je-
dem Fall sollte das Haus des Bürgervereins
nicht das Geschick anderer evangelischer
Häuser haben. Als der Bürgerverein sich
1937 auflöste, wurde sein Vereinshaus den-
noch verkauft und nicht von der Gemeinde
übernommen.

1933 gab die Gemeinde dem Jungmänner-


und Männerverein ein Darlehen zum Kauf
des Hauses Westwall 37 / 39. 1936 konnte für Abb. 9. Meldebogen für die Bronzeglocken der Kirchen, Krefeld 1940
einen Kindergarten das Haus Dreikönigenstr.
138 gekauft werden.

Obwohl immer wieder angesprochen und bleiben. 1944 kam der Erlass, Orgelpfeifen Gemeindegarten mit den Baracken. Dies lag
auch bei den städtischen Behörden ange- abzuliefern. im Rahmen der allenthalben gezielt gegen
mahnt, gelang es nie, dem Platz an der Alten die Kirche gerichteten Maßnahmen. In der
Kirche ein befriedigendes Aussehen zu ver- Ende der 20er Jahre richtete die Gemeinde kleinen Baracke blieb die Wehrmacht mit
schaffen. In entscheidenden Zeiten fehlte der in dem Haus Westwall 42 ein Jugendheim Unterbrechung bis zum März 1944. Erste
Gemeinde auch das Geld, Grundstücke um ein. Dem besonderen Einsatz Pastor Neu- Kriegsschäden gab es im Juli 1941 durch
die Kirche herum aufzukaufen, um so lang- haus’ war es zu verdanken, dass 1933 in der Brandbomben an der Alten Kirche. Der An-
fristig doch zu einer Verbesserung der Situa- Wankumer Heide bei Herongen ein Jugend- griff vom 21. Juni 1943 vernichtete die Alte
tion zu kommen. 1935 wurde das Denkmal für heim gebaut werden konnte. Schon 1933 Kirche, die Pauluskirche und die Friedens-
den Grafen Hermann von Neuenahr-Moers beschloss das Presbyterium, das Heim für kirche, zwei Pfarrhäuser, Altersheim, Wai-
enthüllt. Es wird wohl als Provokation zu ver- das Landjahr zu Verfügung zu stellen und senhaus, Mariannenstift mit Kindergarten
stehen sein, dass 1938 und 1939 zur Karne- der Gemeinde nur begrenzten Raum zu re- und die Küsterei an der Alten Kirche. Ein
valszeit die Plätze vor der Alten Kirche und servieren. Die Einschränkung der kirchlichen großer Teil der anderen kirchlichen Gebäu-
der Friedenskirche Schaustellern als Rum- Jugendarbeit verhinderte mehr und mehr die de war beschädigt. Im Januar 1945 meldete
melplätze zur Verfügung gestellt wurden.44 Nutzung des Heims. Im Krieg wurden darin Krefeld ans Konsistorium Bombenschäden
erst Gefangene untergebracht, dann wurde an der Lutherkirche, an der Willicher Kapel-
Im Ersten Weltkrieg hatte die Gemeinde die es von verschiedenen staatlichen Stellen le, an der Oppumer Kapelle, geringere am
Glocken der Friedens-, Paulus- und Luther- belegt, so dass man schon den Verkauf er- Ernst-Moritz-Arndthaus in Bockum und am
kirche abgeben müssen. Ebenso mussten wog, da die Gemeinde nichts davon hatte. dortigen Pfarrhaus. Bei Kriegsende waren
Orgelpfeifen, die aus Zinn waren, abgeliefert Schließlich vermietete man das Haus an die Pfarrhäuser Westwall, Dionysiusstraße,
werden. Bei Kriegsende waren die Krefelder die HJ-Gebietsführung Mülheim/Ruhr, die Luisenplatz und Luisenstraße zerstört. Das
Materialien schon eingeschmolzen, und man mit Zwangsmitteln sogar dessen Räumung CVJM-Haus war beschädigt.
konnte erst im Lauf der 20er Jahre daran- erwirkte, nachdem die Krefelder dort die
gehen, die Orgeln wieder herzurichten und Kinder ihres ausgebombten Waisenhauses Die Zerstörung bis zum Kriegsende war fast
neue Glocken zu bestellen. Erst im Oktober untergebracht hatten; diese mussten des- total. Eine Aufstellung von 1948 zählt auf,
1927 fiel der Entschluss, das volle Geläut von halb im April 1944 nach Emmerichshofen in dass von vier Kirchen drei total zerstört, von
drei Glocken für die Paulus- und für die Lu- Mainfranken ausweichen. Fünf Monate spä- drei Kapellen eine schwer, eine mittelmäßig,
therkirche zu erneuern. ter, im September 1944, hatte die HJ Heron- eine leicht beschädigt, von 21 Gebäuden 13
gen geräumt, Schanzarbeiter wohnten dort. total, fünf schwer und eines leicht zertrüm-
Im Zweiten Weltkrieg wiederholte sich der mert seien.46
Vorgang. 1940 wurden alle Glocken für die Im August 1940 bekam die Friedenskirche
Ablieferung erfasst (Abb. 9). Der „Weckruf“ eine neue Orgel. Im November desselben Vom Februar bis Mai 1940 beschlagnahm-
meinte dazu, nach dem Ersten Weltkrieg sei- Jahres wurde die Friedenskirche leichter, te die Wehrmacht das Pfarrhaus Westwall.
en die Glocken von den Sammelstellen aus, die Lutherkirche schwer durch einen Wirbel- Im Juni 1943 wurde die Oppumer Kirche
wo sie noch waren, in die Hände jüdischer sturm beschädigt. Der Turm der Lutherkirche zur Unterbringung der Möbel von Bomben-
Schieber gekommen, die aus ihrer Vernich- stürzte auf das Kirchenschiff, durchschlug geschädigten beschlagnahmt. Neben der
tung noch Profit geschlagen hätten, jetzt Dach und Gewölbe. Da der Krieg begonnen Lutherkirche war sie bis dahin der letzte
aber opfere man die Glocken auf dem Altar hatte, war die Reparatur erschwert, erst An- brauchbare Kirchenraum.47 Diese Maßnah-
des Vaterlandes.45 Im Januar 1942 wurden fang Dezember 1941 war das Dach wieder men zusammen mit der 1944 vom Zellenlei-
die Glocken der Friedenskirche abgenom- gedeckt. Der Turmhelm wurde seitdem nicht ter der NSDAP veranlassten Entwendung der
men, bis zum März waren die der Lutherkir- wieder aufgebaut. Schieferabdeckung von Dach und Wänden
che und die der Pauluskirche weg, und die der Willicher Kapelle sind sichtbarer Aus-
der Alten Kirche wurden gerade ausgebaut. Bei Kriegsbeginn beschlagnahmte die Wehr- druck der nicht gerade kirchenfreundlich zu
Jeweils durfte die kleinste Glocke zurück- macht die Pfarrwohnung Westwall und den nennenden Haltung des Regimes.

34   die Heimat 85/2014


II. Die mennonitische Gemeinde deutende Sach- und Geldspenden aus ver-
Krefeld schiedenen Ländern, von Gemeinden und
Einzelpersonen. Dennoch musste auch sie
zeitweise den Gebrauch der Kirche wegen
Im Vergleich zum 19. Jahrhundert verloren Kohlenmangels einschränken. Die Menno-
die Mennoniten, zumal nach dem Ersten niten nahmen Kontakte mit den Moravian
Weltkrieg, an wirtschaftlichem und politi- und den Quäkern auf, um Hilfe für Krefeld
schem Einfluss. Gesellschaftlich waren sie zu erlangen, später, als sie selbst keine Hilfe
völlig integriert (Abb. 10). Es war ihnen kein mehr brauchten, spendeten sie für die den
Problem, als Beamte im öffentlichen Dienst Moravian nahestehenden Herrnhuter, dane-
zu stehen. Ihr Ja war an Stelle des Eides an- ben für verschiedene Zwecke, vor allem für
erkannt. notleidende Mennoniten in Osteuropa und
daher stammende mennonitische Flüchtlin-
ge. Die Krefelder Nothilfe unterstützten sie
1. Gemeindeleben, Vereine, Diakonie bis in die 30er Jahre hinein.

Neben den eigenen Kreisen trugen die Men- Zu welchem Einsatz die Gemeindeglieder
noniten weiterhin verschiedene, vor allem bei Bedarf bereit waren, um die Existenz der
karitative, gemeinsam mit den Evangeli- Gemeinde zu sichern, zeigte sich, als in der
schen, so den Verein für Kleinkinderschulen Inflationszeit mehrere, anonym gebliebene
und nicht zuletzt das Evangelische Kran- Mitglieder im Rahmen einer Sammlung ei-
kenhaus. 1928 erwähnt ein Jahresrückblick, nen Betrag in Schweizer Franken zeichneten,
Hanns Müller sei Leiter des interkonfessio- um den Gemeindebediensteten, solange es
nellen Krefelder Hilfsbündnisses für geistige nötig war, feste Francsummen als Gehalt zu
Wohlfahrtspflege und wirke im Vorstand der zahlen und so die Kapitalverhältnisse der
Vereinigung für religionswissenschaftliche Gemeinde zu regeln.49
Vorträge mit.48 Im und nach dem Ersten
Weltkrieg unterstützten die Mennoniten die
Krefelder bei der Finanzierung der Suppen- 2. Die Einstellung der Pastoren zum Natio­
küche. Die Ausgaben der Gemeinde für ver- nalsozialismus Abb. 11. Pastor Kraemer
schiedene Hilfsmaßnahmen waren erstaun-
lich und kamen nicht nur Mennoniten zugute. In Pastor Kraemers bis 1936 gehende Amts-
Nach dem Krieg halfen der Gemeinde ihre zeit fiel noch der Beginn des Dritten Reichs.
ausländischen Beziehungen. In schlimms- Pastor Kraemer (Abb. 11) wird man als hung für den Staat sei ausschließlich Sache
ten Inflationszeiten erhielt sie mehrfach be- deutschnational ausgerichteten Mann be- der HJ, interpretierte Kraemer so zum Bei-
zeichnen müssen. Er selbst war nur unter spiel als Einschränkung des Anspruchs in
der Voraussetzung nach Krefeld gekommen, Bezug auf den Staat und daneben gelasse-
dass man in der Gemeinde nichts gegen nen Freiraum für die christliche Erziehung. Er
die Teilnahme am Wehrdienst hatte.50 Wie glaubte Hitlers Reden von Vorsehung im Sinn
viele seiner Generation fühlte er sich durch seines christlichen Vorsehungsglaubens,
den Ersten Weltkrieg und alles, was danach zumal alles, was passiere, Gottes Wille und
kam, betrogen und war der Ansicht, dass der darum gut sei. Entsprechend benutzte er das
Krieg nicht zunächst auf dem Schlachtfeld, Vokabular der Nationalsozialisten, sprach
sondern zuhause verloren worden war.51 von dienen, sich einordnen, opfern, tüchtig
Die Weimarer Republik war ihm die Zeit der sein, durchhaltend sein, Disziplin, Treue, Hel-
Greuel, des Selbstnutzes, der Verlogenheit, dischem im Menschen usw. Dabei setzte er
in der verachtenswerte Menschen die Politik voraus, dass der Inhalt, den er den Worten
bestimmten und der Bolschewismus droh- gab, identisch mit dem war, den die Natio-
te; Zeit ungerechter Demütigung durch die nalsozialisten hineinlegten. In einem Vortrag
Sieger, des moralischen und kulturellen Nie- von 193854 scheinen sich Kraemers Inhalte
dergangs.52 in Richtung der nationalsozialistischen ver-
schoben zu haben. Den Christen, die mit dem
Schon seine gedruckten Taufpredigten von Regime überkreuz lagen, warf er vor, weil sie
1934 und 193553 zeigten Nähe zum natio- an Dogmen gebunden seien, das wahre po-
nalsozialistischen Staat, dessen Zusage, auf sitive Christentum nicht akzeptieren zu wol-
dem Boden des positiven Christentums zu len, das Sache des Nationalsozialismus sei.
stehen, Kraemer als ideale Voraussetzung Sie stießen sich an falschen Ansichten, die
für Mennoniten sah, deren dogmenfreies, solche Leute verträten, die den Nationalsozi-
an Christus orientiertes, nicht im Sinn der alismus selbst falsch verstanden hätten. Auf
Kirchenlehren gelehrtes, sondern gelebtes dem Weg zum Ziel, um das es gehe, gebe es
Christentum für ihn notwendig identisch war natürlich Missverständnisse und passierten
mit positivem Christentum. Dass Staat und Fehler.
Kirche streng getrennt wurden, demzufolge
die Konfessionsschulen verschwanden, war Bei Kraemer finden sich Äußerungen, die
alte mennonitische Forderung. Wie viele DC- Jesus und Hitler nebeneinandersetzen: Bei-
Anhänger machte Kraemer die Denkfehler, de seien Führer, beide wirkten aus der Kraft
die die Nationalsozialisten bei den Christen des Glaubens, beide suchten nichts für sich
Abb. 10. Mennoniten-Gemeinde, Krefelder erreichen wollten, um sie zu täuschen. Schi- selbst.55 Kraemer war trunken von der Einig-
Adressbuch 1920 rachs Aussage, die weltanschauliche Erzie- keit, Einheit, gesellschaftlichen Gleichheit,

die Heimat 85/2014   35


den guten Einrichtungen von der Winterhilfe Er bemerkte die Bereitschaft der Zeit, blind im Menschen entspringe. Jeder Glaube sei
bis zum Straßenbau, er verteidigte die Erb- auf Autorität hin zu glauben und sich Dog- im Ursprung Glaube an Gott.60 Noch 1940
gesundheitsgesetze, die gegen hoffnungs- men blind zu unterwerfen, allerdings nicht meinte er, weil die Deutschen Gottes Schrei-
lose Rassenverseuchung schützten, setzte bezüglich der Religion. In einer Predigt vom ten durch die Geschichte gehorchen wollten,
körperliche Gesundheit und seelische Ge- 30. Oktober 194358 erwähnte er die Sinnlo- würden sie gesegnet.61
radheit als zwei Seiten einer Sache, woraus sigkeit menschlicher Macht und Anmaßung,
saubere, ehrliche, abgehärtete, straffe, na- forderte, statt über die Gerechtigkeit Gottes Sein Klischeedenken über die Juden fand
turnahe Jungen und edle, mütterliche Mäd- zu grübeln, erst einmal über die eigene und seinen Grund darin, dass die Existenz des
chen hervorgingen. Er lobte die NS-Kunst- die des eigenen Volkes nachzudenken. Gül- jüdischen Volkes auf dessen Ablehnung des
förderung an Stelle der Besudelung und tig bleibe: Was der Mensch sät, das erntet er. Christentums beruhe; dass es daher, statt
Verwüstung durch perverse Ungeister und ein Volk des Geistes zu werden, ein Volk des
die Befreiung vom Treiben galizischer Pres- Mit Beginn des Jahres 1937 trat Pastor Geldes geworden sei.62 Aber schon in Teilen
sebanditen. Dies sind alles seine Ausdrücke. ­Cattepoel (Abb. 12) an die Stelle des pensi- des Alten Testaments meinte er den Beleg
Vernebelung durch Klischees und Infiltration onierten Pastors Kraemer, nachdem er die- zu finden, dass höchstes Glück der Juden
hatten ihr Werk getan. sem im Jahr zuvor schon in der Gemeindear- viele Kinder, ein langes Leben und Reich-
beit geholfen hatte. Die von ihm überlieferten tum seien. Sie gäben sich mit dem Diesseits
Sogar die Ausgrenzung der Juden suchte Predigten und Vorträge aus der Zeit bis 1945 zufrieden.63 Diese theologische Verkürzung
Kraemer, wenn auch mit Mühe, zu rechtfer- haben zum großen Teil einen schöngeistigen war für einen ausgebildeten Theologen zu-
tigen. Da es um das gesamte Judentum ge- Charakter. Oft ist ein Bibelspruch mehr Auf- mal eher reformierter Tradition unredlich.
he, könne nicht Rücksicht auf viele einzelne hänger für Gedankenketten als Anlass zur
ehrenwerte Juden genommen werden. Als Schriftauslegung. Das Allgemeinchristliche Cattepoels pauschales Urteil über die Juden
Gruppe lastete er den Juden viel Übles an, wird gepredigt. Darin setzte Pastor Catte­ verwundert um so mehr, als er sich wieder-
womit er die Ausgrenzung rechtfertigte. Den poel die Tendenz seines Vorgängers fort. holt gegen die Überbewertung der Rasse
persönlich unschuldigen Juden treffe das wandte und den Unsinn der Rasseideologie
Gericht, das das ganze Volk beträfe. Das sei Soweit er politische Äußerungen tat, weisen schon dadurch herausstellte, dass er erklär-
Gottesordnung.56 sie ihn zum mindesten bis 1941 als wirklich- te, das deutsche Volk überbrücke vier oder
keitsblind aus. Er vertrat in Bezug auf den fünf Rassen, die trotzdem durch die Volks-
Er konnte sich auch zu der Äußerung ver- Nationalsozialismus im Großen und Ganzen gemeinschaft zusammengehalten seien. Für
steigen, verpflichtend für den Christen sei die gleiche Haltung wie Pastor Kraemer lan- entscheidend hielt er die Formung durch die
nur, was dem Glauben, dem Geist und der ge Zeit, zeigte tiefe Bewunderung für den so- Umwelt. Im Übrigen gehe es bei der Religion
Gesinnung Jesu Christi gemäß sei, und das genannten Führer, Vertrauen in die politische nicht um Art-, sondern um Wahrheits- und
laufe auf das hinaus, was das Programm der Führung, verteidigte das nationale Erwa- Gottesgemäßheit.64
NSDAP positives Christentum nenne. chen, lehnte dabei die extremen DC immer
ab, desgleichen aber auch die Bekennende Es gibt kritische, eigene Töne, so schon
Beliebigkeit des Gebrauchs von Bibelstellen, Kirche, weil sie eine starre biblisch-konfessi- 1939, als Pastor Cattepoel sich gegen die
Beliebigkeit der Sprachhüllen, Schwärmer- onelle Orthodoxie vertrete.59 Immer wieder Überbetonung des Gesunden wandte und
tum, hier zeigte sich bei aller berechtigten ließ sich Pastor Cattepoel über den Glauben über die Funktion der Schwachen und Kran-
Kritik an den Lehrgebäuden der katholischen des „Führers“ aus, der, wenn er auch poli- ken sprach.65 Von hier geht ein gerader Weg
und evangelischen lutherischen, reformier- tisch sei, so doch der einen Glaubenskraft zu einer Predigt vom 21. September 1941, in
ten sowie unierten Kirche die Gefahr der Bin- der er sich entschieden gegen die Tötung
dungslosigkeit und der fehlenden Korrektur unheilbar Kranker aussprach. Die einzig er-
durch systematisch-theologisches Denken. laubte Frage sei, ob hinter dem Tun Liebe
Wahrhaftigkeit, Humanität, Liebe, Güte und und Ehrfurcht vor Gott stehe. Da dies nicht
Gottvertrauen sind eben nicht Essenzen so sei, seien Egoismus und Lieblosigkeit die
des Glaubens, das Gemeinchristliche, wie wahren Motive. Den Schwachen in Dankbar-
­Kraemer behauptete, sondern allenfalls sei- keit zu dienen sei die Stärke des Christen.
ne Auswirkungen. Wer das tue, wisse, wie viel Liebe dadurch
in die Welt gekommen sei.66 Und schon
Spätere Äußerungen Pastor Kraemers klin- 1939 setzte er sich mit der Provokation im
gen, wenn sie auch keine konkreten politi- Gleichnis vom barmherzigen Samariter aus-
schen Aussagen mehr enthalten, differen- einander. Für Volksgenossen Jesu müsse es
ziert und kritisch. Dabei ist zu bedenken, empörend gewesen sein, dass ausgerechnet
dass, zumal bei vervielfältigten Texten, ein Samariter der Gute war. „Wir müssten
kritische Bemerkungen nicht ungefährlich schon das Beispiel von einem barmherzigen
waren. Am 27. Februar 1942 hielt Pastor Juden gebrauchen, um eine gleiche Empö-
­Kraemer eine Festansprache in Heubuden.57 rung zu wecken, wie sie damals über Jesu
Da sprach er vom offenen und versteckten Worte entstanden ist“.67
Kampf gegen Christus und das Christentum
in unserem Volk, davon, dass die Jugend Im Sommer 1941 wurde Pastor Cattepoel für
vielfach nicht nur ohne jeden Religionsun- einige Wochen zum Heeresdienst eingezo-
terricht groß werde, ihr vielmehr, nicht ohne gen. Seit 1942 war er in der Wehrmachts-
Mitschuld der Kirchen, das Christentum als seelsorge tätig, Ende 1943 schrieb er der
abgetanes, gefährliches jüdische Gifterbe Gemeinde aus der Ukraine. Vom Sommer
verächtlich gemacht werde. Nach tausend 1941 an gibt es nur wenig überlieferte Tex-
Jahren Christentum herrsche ihm gegenüber te, die aber die Vermutung nahelegen, dass
in weiten Kreisen Gleichgültigkeit, sogar Pastor Cattepoel seine Haltung geändert
Feindschaft. Viele der heutigen Antichristen hatte. Die früher immer wieder zu findenden
seien durch christliche Schulung gegangen, Aussagen, die Bewunderung, ja Verehrung
hätten aber Christus nie wirklich gesehen. Abb. 12. Pastor Dr. Dirk Cattepoel für den „Führer“ und seine Mitstreiter zeig-

36   die Heimat 85/2014


ten, die der Propaganda gläubig folgten und
den Feinden die Schuld am Krieg anlaste-
ten68, fehlen seitdem.

Viel spätere Zeugnisse mennonitischer Per-


sönlichkeiten besagen, dass Pastor Kraemer
Pastor Cattepoel nach seinen Vorstellungen
zu formen trachtete und ihn unter Druck setz-
te, seine, Kraemers, theologische Ansich-
ten zu vertreten, andernfalls könne er nicht
seine Nachfolge antreten. Pastor Cattepoel
änderte nach diesen Zeugnissen unter die-
sem Druck seine Dissertation.69 Wie weit
Pastor Kraemers Macht und Einfluss in der
Krefelder Gemeinde Pastor Cattepoel viel-
leicht auch in seinen politischen Äußerun-
gen gegen besseres Wissen und Gewissen
bestimmte, ist nicht festzustellen. Sicher ist,
dass Pastor Kraemer in der Gemeinde eine
erhebliche Anhängerschar hatte. Pastor Cat-
tepoel selbst bezeugte nach dem Krieg aber
auch, dass er dem Nationalsozialismus zu-
nächst durchaus positiv gegenüberstand.70

3. Die Eidfrage

Über die Gemeinde im Dritten Reich lässt


sich kaum etwas feststellen (Abb. 13). Im Abb. 14.
Sinne der Krefelder war es offensichtlich, Krefeld,
dass der Zusammenschluss der Mennoni- Mennonitenkirche
ten in der Vereinigung der deutschen Men-
nonitengemeinden entgegen manchen Be-
strebungen nicht enger erfolgte. Das vom
Reichskriegsministerium 1935 für eingezo- Gelöbnis an Stelle des Eides scheint den hinaus, zu Gefolgschaft, zu blindem Gehor-
gene wehrpflichtige Mennoniten erlassene Mitgliedern des Konsistoriums keine grund- sam zu verpflichten. So wollten die National-
sätzlichen Kopfschmerzen bereitet zu ha- sozialisten den Eid nutzen und in genau dem
ben, und 1937 wollten die Krefelder mit den gleichen Sinn das Gelöbnis, das die Men-
Mennoniten von Gronau und Emden Kontakt noniten statt des Eides abzulegen hatten,
aufnehmen, um mit ihnen unter den deut- ebenso auch den Eid ohne den religiösen
schen Mennoniten dafür zu wirken, dass Bezug. Da liegt der Bruch, dass dem Chris-
den Gemeindegliedern der Eid ohne Anru- ten überhaupt unmöglich ist, unbedingten
fung Gottes, wie der Staat ihn erlaubte, frei- Gehorsam, wie ihn solche Formeln verlan-
gestellt werden sollte. Nur der religiöse Eid gen, zu versprechen. Alles muss unter dem
sollte abgelehnt werden. Die Krefelder woll- Vorbehalt der Vorläufigkeit jeder menschli-
ten sogar ihren Austritt aus der Vereinigung chen Aussage stehen. Diese Erkenntnisse,
der deutschen Mennoniten erklären, falls die die Mennoniten, wenn auch nicht als
diese bei der im Juni 1937 stattfindenden Lehrgebäude dargelegt und gelernt, so doch
Versammlung Beschlüsse fasste, die sie in als Grundhaltung durch die Jahrhunderte
der Eidfrage in Gegensatz zum Staat bringen gelebt hatten, waren im Verlauf der Zeit ver-
könnten.71 Damit war das Eidverbot endgül- schüttet worden.72
tig unterlaufen. Von der ursprünglichen Ab-
sicht des Verbots war nichts geblieben. Denn
bei der Eidverweigerung geht es im tieferen 4. Das Kriegsende
Sinn nicht nur um die religiöse Form der An-
rufung Gottes, die Gott zum Zeugen zu zwin- In der Nacht zum 22. Juni 1943 verlor die Ge-
gen, damit verfügbar zu machen versucht, meinde bei dem großen Angriff auf Krefeld
vielmehr geht es auch bei dem der religiö- alle Gebäude. Kirche, Altersheim, Pfarrhaus
sen Form entkleideten Eid um die Nutzung und sechs weitere Häuser waren zerstört.
der aus dem religiösen Ursprung kommen- Trotz intensiver Bemühungen bald nach
den Reste magischer Bindung. Denn wieso Kriegsende, über ausländische Beziehungen
könnte sonst ein Eid zusätzlich zu einem Ja Geld und Material für den Wiederaufbau der
oder Nein Gewicht haben. Kirche zu erhalten, konnte die Gemeinde ihn
erst 1949 durch Grundstücksverkäufe absi-
Bei der Vereidigung auf einen Staat, eine chern und den Architekten Busch mit seiner
Person, eine Verfassung tritt obendrein die Leitung betrauen. Die 1950 fertiggestellte
Tendenz hinzu, den Vereidigten über sein Kirche war im Vergleich zur alten, durch den
Abb. 13. Mennoniten-Gemeinde, Krefelder eigenes Gewissen hinaus, über den freien, Umbau Ende des 19. Jahrhunderts gepräg-
Adressbuch 1942 ausschließlich Gott unterworfenen Willen ten (Abb. 14), einfach gehalten.

die Heimat 85/2014   37


Nach dem Krieg wuchs die Krefelder Ge- ritätsprinzip aus; in der Tatsache, dass die
meinde vor allem durch den Zuzug von Straßenbahn Krefeld-Hohenbudberg genau
Flüchtlingen auf mehr als das Doppelte. Ihre an der evangelischen Kirche vorbeigelegt
Mitglieder lebten allerdings verstreut in ei- wurde, sah er eine bewusste Provokation,
nem Gebiet, das weite Teile des Rheinlands eine Missachtung des Gotteshauses und der
und des Ruhrgebiets umfasste. Gottesdienste; außerdem erwähnte er immer
wieder Streit mit den Katholiken wegen des
Rekatholisierungsdrucks, den sie vor allem
III. Die evangelische Gemeinde auf Kranke und Sterbende ausübten, und
weil sie darüber hinaus die Evangelischen
Uerdingen schlechtmachten. So verwundert es nicht,
dass er 1933 aufatmend notierte, zum ersten
Pastor Heinrich Kaz leitete die Uerdinger Mal seit vielen Jahren sei in der überwie-
Gemeinde von 1904 bis 1927 (Abb. 15). Wie gend katholischen Stadt die Vorherrschaft
er so setzten auch seine beiden Nachfolger des Zentrums gebrochen.
Wilhelm Bork (1927 – 1938) und Ernst Has-
heider (1939 – 1980) (Abb. 16) die Gemeinde- 1925 wurde Strom in die 1912 gekauften
chronik in unterschiedlicher Ausführlichkeit Häuser Bruchstraße 20 / 22 gelegt. In den
fort. Hatte die Gemeinde 1910  3 200 Mit- 20er Jahren bekam die alte, 1961 abgerisse-
glieder, so wurden es bis 1935  4 091, davon ne Kirche ein elektrisches Läutwerk, außer-
3 258 in Uerdingen, 584 in Linn, 199 in Lank dem wurde sie durch Stiftung des Geheimen
und 50 in Gellep. 1932 wechselte Uerdingen Kommerzienrats ter Meer ausgemalt und mit
von der Kreissynode Moers zur Kreissynode einem Kronleuchter und Wandleuchten ver-
Gladbach. sehen. 1926 wurde für Karfreitag ein großer,
in Oberammergau gefertigter Crucifixus aus
Steht in der Chronik nichts über die Kriegs- Lindenholz angeschafft (Abb. 17), Nachbil-
jahre 1914 – 1918, über die es eine eigene, dung eines Nürnberger Crucifixus von Rie-
wohl verlorene Chronik gab, so berichtete menschneider. Abb. 17. Kruzifix in der evangelischen Kirche
Pfarrer Kaz aus der Besatzungszeit nach Uerdingen
dem Ersten Weltkrieg, das Pfarrhaus sei Pfarrer Bork war ein engagierter Liturgiker,
beständig von Offizieren belegt gewesen. der bei seinem Bemühen, den Gottesdienst
Schlimmer als die Qualen und Leiden infol- liturgisch auszugestalten, wie er bemerkte,
ge der Besatzung und als die Revolution sei auf die gute Vorarbeit seines Amtsvorgän- Diese Regelung konnte er auf Dauer nicht
aber der Terror der Separatisten gewesen, gers aufbauen konnte. Dafür sprechen auch aufrechterhalten, nach gut einem Jahr wurde
denen sich auch einige verblendete Gemein- die noch unter seinem Vorgänger vorge- sie wieder aufgehoben. 1936 richtete Pfarrer
deglieder angeschlossen hätten. nommenen Kirchenverschönerungen. Die Bork eine „Messe“ am frühen Ostersonntag
Kirchenmusik war ihm wichtiger Teil der ein. Seine liturgischen Neuerungen wiesen
Erst Pfarrer Bork berichtete über konfessio- Verkündigung. Mit der Begründung setzte er ihn als Anhänger der liturgischen Berneucher
nelle Spannungen. Er trug Konflikte bei der durch, dass die Gemeinde nach dem Gottes- Bewegung aus. Dafür spricht auch seine
Besetzung der Lehrerstellen nach dem Pa- dienst beim Orgelschlussspiel sitzen blieb. Berufung unter anderen auf Wilhelm Stäh-
lin in Zusammenhang mit dem Weltbund für
Freundschaftsarbeit. Wichtig war ihm auch
der Kindergottesdienst, den er genauso
ernst genommen wissen wollte wie den Got-
tesdienst der Erwachsenen.

1924 wurde am ersten Advent zum ersten


Mal Gottesdienst in Lank gehalten, seitdem
fanden dort monatlich und an den zweiten
hohen Feiertagen Gottesdienste statt. 1928
wurde der Grundstein der dortigen Christus-
kirche gelegt (Abb. 18), 1929 war die Einwei-
hung. 1938 führte Pfarrer Bork einen Kinder-
gottesdienst in Lank ein.

In Linn wurde 1933 in der neuen Katholischen


Volksschule ein Raum extra für die Evange-
lische Gemeinde zur Verfügung gestellt, in
dem am 6. August erstmals und dann bis
zum Krieg, als das Militär die Schule belegte,
Gottesdienst gehalten wurde. Mit der Zeit
vermehrte man die Gottesdienste. 1940 wur-
den in der Gemeinde regelmäßig sonntags
zwei Hauptgottesdienste gehalten, alle zwei
Wochen sogar drei.73 1945, nach Kriegsen-
de, heißt es, es werde nach alter Ordnung
in Linn – wieder in der Katholischen Volks­
schule – 14-tägig Gottesdienst gehalten und
Abb. 15. Pfarrer Heinrich Kaz (1904 – 1927) Abb. 16. Pfarrer Ernst Hasheider (1939 – 1980) in Lank jeden Sonntag.

38   die Heimat 85/2014


Abb. 18. Christuskirche in Lank, nicht ausgeführter Entwurf 1928

1927 wurde ein Gemeindebeamter ange- des Kirchenkampfs auseinandergesetzt.76 ganz unmöglich ist es ohne authentische
stellt, der das Gemeindeamt zu verwalten Nach der erzwungenen Auflösung des Evan- Aussagen Betroffener aus der Zeit selbst.
und die Organistenstelle wahrzunehmen gelischen Arbeitervereins versuchte man,
hatte. Im gleichen Jahr gründete Rektor Ca- dessen seelsorgerische Arbeit im Rahmen Zwar kehrte Pfarrer Hasheider schon im Fe-
rus den Evangelischen Arbeiterverein Uer- des kirchlichen Männerwerks mit denselben bruar 1945 zurück, doch nahm sein Stellver-
dingen. Es war die Zeit, aus der Pfarrer Bork Leuten fortzusetzen, was nur zeitweise zum treter während der Kriegsjahre, der emeri-
von Schwierigkeiten berichtete, die Interes- Teil gelang.77 tierte ehemalige Krefelder Pfarrer Wewer, die
sen der Evangelischen zu behaupten. Amtsgeschäfte in Uerdingen bis zum 1. April
Bemerkte Pastor Bork schon zu 1936, dass 1945 wahr. Seit dem 2. März war Lank von
Politisch war Pastor Bork zurückhaltend. gewisse Parteikreise den Austritt aus der den Amerikanern besetzt, die Front ver-
Schon 1930 feierte er den zweiten Advent Kirche forderten und damit Erfolg hatten, lief zwischen Lank und Uerdingen, das am
in seiner Gemeinde als Friedenssonntag, so sprach er 1937 von einer Verwirrung der 4. März besetzt wurde. Im letzten Moment
wiederholte das 1931, allerdings ohne dies Geister infolge der weltanschaulichen und waren in Uerdingen noch Kirche und Pfarr-
ausdrücklich anzukündigen, da die Fra- kirchenpolitischen Lage, die das Gemeinde- haus beschädigt worden. Insgesamt hielten
ge Krieg und Frieden so schwierig sei, die leben beeinträchtigte. sich die Schäden in den zur Kirchengemein-
Lage des Volks trostlos und „jedes offene de Uerdingen gehörenden Orten in Grenzen.
Wort so leicht Missdeutungen ausgesetzt“ Die Jahre nach dem Weggang Pastor Borks Nach der Evakuierung der Uerdinger und
sei.74 Er selbst war Mitglied der Deutschen sind in der Chronik nur summarisch und, Linner von Mitte März bis Ende April 1945
Vereinigung des Weltbundes für Freund- obwohl die Formulierungen Gleichzeitigkeit konnte der Wiederaufbau beginnen. In den
schaftsarbeit der Kirche und hatte seine Ge- vermuten lassen könnten, offensichtlich im relativ unzerstörten Orten der Gemeinde
meinde dafür geworben. 1932 war er froh, Nachhinein aufgezeichnet worden. Es fehlt setzte schnell der Zuzug der Flüchtlinge ein,
dass in seiner Gemeinde die Wahl zur Grö- die unmittelbare Betroffenheit der Borkschen so dass sie bis 1946 schon um rund 1 200
ßeren Gemeindevertretung ohne Wahlkampf Bemerkungen, und das Gemeindeleben ist Mitglieder zunahm.
gelungen war und sachliche Arbeit in den allzu deutlich in Richtung der Regimekritik
kirchlichen Körperschaften möglich blieb. und des Widerstandes verschoben. Pfarrer
1933 bemerkte er zu den Wahlen, dass wie Hasheider wurde 1939 als neuer Pastor ge- Dr. phil. Hertha Sagebiel geb. Köhne, geb.
überall auch in Uerdingen die DC mächtig wählt, schon 1937 war er als Hilfsprediger 1942 in Gütersloh. Studium der Theologie
vordrangen und durch eine Einheitsliste zur nach Uerdingen gekommen. Von ihm ist aus und Geschichte in Marburg, Bonn, Münster.
Hälfte altbewährte Kräfte, zur anderen jun- der Zeit, bis er im Juni 1940 zum Kriegsdienst Erstes theologisches Examen bei der Evan-
ge neu ins Presbyterium gewählt wurden. Er eingezogen wurde, berichtet, dass er 1940 gelischen Landeskirche von Westfalen in Bie-
schweigt über deren politische Orientierung. vor Gericht gezogen worden sei, da er als lefeld, landesgeschichtliche Promotion und
Altbewährte Mitglieder wurden durchaus politisch nicht zuverlässig angesehen wurde. Staatsexamen in Münster. Referendariat am
auch DC-Mitglieder.75 1934 notierte er, äu- Staatsarchiv Detmold und der Archivschule
ßerlich sei die Gemeinde trotz des anhalten- Andererseits versuchte die Gemeinde, ihn im Marburg. Nach dem Examen vorübergehen-
den Kirchenstreits im Frieden und seine Auf- Februar 1940 vom drohenden Kriegsdienst de kommissarische Leitung des Stadtarchivs
gabe sehe er darin, das reine Evangelium zu unter anderem mit dem Hinweis zu befreien, Paderborn und des Archivs der von Bodel-
predigen. Erst spätere Zeiten würden ein ab- er sei Parteimitglied.78 Gerade das Neben­ schwinghschen Anstalten Bethel. Verschie-
schließendes Wort über den Kirchenkampf einander dieser beiden Überlieferungen dene Beiträge zur westfälischen Kirchenge-
sprechen können. Er selbst hat sich intensiv zeigt die Schwierigkeit, zu gerechter Beurtei- schichte des 19. Jahrhunderts, Mitarbeit an
mit dem Schriftgut aller Seiten aus der Zeit lung der Zeit und der Menschen zu gelangen, Band 4 der Krefelder Stadtgeschichte.

die Heimat 85/2014   39


37 Engels S. 2f. seines Beitrags „Ein Blick in das Heute“ AMG K 80/4/322. Die Einschätzung entspricht der oben
Die benutzten Archive
in: 400 Jahre Evangelische Gemeinde Krefeld, o. J. erwähnten Pastor Kraemers 1938.
(1960).
A EGV K Archiv des Evangelischen Ge- 60 Predigt vom 21.7.1940 StA K Dep. AMG K 80/4/325.
meindeverbands Krefeld 38Angesichts der Überlieferungssituation ist es beson-
ders misslich, dass die Einsicht in die Personalakten der 61 Predigt vom 16.6.1940 StA K Dep. AMG K 80/4/325.
A EKG Ue 
Archiv der Evangelischen Kir- damals amtierenden Krefelder Pastoren aus Personen-
chengemeinde Uerdingen schutz-Gesetzesgründen außer in einem Fall noch nicht 62 Vortrag: Die Aufgaben des Christentums in der Ge-
möglich war. Es mag sein, dass diese eines Tages noch genwart vom 18.10.1941 StA K Dep. AMG K 80/4/326.
A EK Rh Archiv der Evangelischen Kirche entscheidende Differenzierungen ermöglichen. Öfter argumentiert er auch so herum: Dass das Chris-
im Rheinland tentum antijüdisch sei, beweise die Tatsache, dass die
39 A EK Rh Best. 41 Krefeld 5 Bd. 5, Arbeitsschau 1944. Juden das einzige Volk im Abendland seien, das das
HStaD Hauptstaatsarchiv Düsseldorf [Abb. in: Die Heimat 66, 1995, S. 58, 60 (Janß)]. Christentum nicht angenommen haben. So z. B. in: „Hat
StA K Stadtarchiv Krefeld das Christentum eine Zukunft?“ Februar 1940 StA K
40 „Weckruf“ Juli 1933. Dep. AMG K 80/4/326 und 120 (Datierung in 326).
StA K Dep. 
41 ebd. 6.8.1933. 63 Predigt vom 9.4.1939 StA K Dep. AMG K 80/4/323.
AMG K Stadtarchiv Krefeld, Depositum:
Archiv der Mennonitengemeinde 42 ebd. 24.12.1933. 64 So z.B. in einem Vortrag: Deutschtum, Rasse,
Krefeld Religion, gehalten am 13.7.1937 StA K Dep. AMG
43 Außer den Protokollen der Ev. Kirchengemeinde Kre- K 80/4/322.
feld ist herangezogen A EK Rh Best. 41 Krefeld 14 Bau-
Anmerkungen akten, sowohl Provinzialkirchliches Bauamt Bd. 1 und 2 65 Predigt vom 15.1.1939 StA K Dep. AMG K 80/4/323.
als auch die Ortsbauakten Bd. 2 und 3.
25 A EK Rh Best. 41 Krefeld 5 Bd. 4. 66 StA K Dep. AMG K 80/47326.
44 A EGV K 24-5.
26 ebd. 67 Predigt vom 15.10.1939 StA K Dep. AMG K 80/4/323.
45 „Weckruf“ Jg. 8, 1940 Nr. 17 v. 21.4.1940.
27 ebd. 68 Predigten vom 3.9.1939 StA K Dep. AMG K 80/4/323,
46 A EGV K 03-1. 12.5.1940 AMG K 80/4/325, indirekt auch im Vortrag:
28Zu den Vorgängen um die Wahl von Werners außer Hat das Christentum eine Zukunft?, vgl. Anm. 62, wo er
47 A EK Rh Best. 41 Krefeld 5 Bd. 5. fragte, was aus der englischen Staatskirche würde, wenn
den Protokollen der Gemeinde A EK Rh Best. 41 Krefeld
5 Bd. 4. die in England herrschenden Kreise unter den Schlägen
48 StA K Dep. AMG K 80/4/103 Bd. 2. der deutschen Wehrmacht das Weite suchen müssten.
29 A EK Rh Best. 41 Krefeld 5 Bd. 5.
49 ebd. 69 Mennonitengemeinde Krefeld, Briefwechsel mit men-
30 A EGV K 11-1-2. nonitischen Pastoren und Ältesten 1950 – 1955.
50StA K Dep. AMG K 80/4 B 159 Kraemer, Gustav:
31 Wir und unsere Volksgemeinschaft 1938. Druck eines 70StA K Dep. AMG K 80/4/473 Aufsatz: Ein deutscher
A EK Rh Personalakte Hamer.
Vortrags vom 25.1.1938 (zit. Volksgemeinschaft), S. 18. Pfarrer sieht Deutschland, Dez. 1946.
32 ebd.
51 ebd., S. 7. 71 StAK Dep. AMG K 80/4/103 Bd. 2. Zur Eidfrage auch
33 A EK Rh Best. 41 Krefeld 5 Bd. 5. 80/4/73.
52ebd. S. 6, 8, 12ff. StA K Dep. AMG K 80/4 B 161,
34 Taufansprache 1935, S. 4. 72 Zur Eidfrage: Fast Heinold, Die Eidesverweigerung
Abgesehen von dem zahlreichen Kleinschrifttum der
Zeit sei hier nur verwiesen auf: Karl Barth, Theologische bei den Mennoniten. Mennonitische Geschichtsblät-
Existenz heute!, München 1933. Barth war auch spiritus
53 StA K Dep. AMG K 80/4/B 161. ter 22 NF 17 1965 S. 18 – 32. Goertz, Hans-Jürgen:
rector beim Verfassen der Barmer Theologischen Erklä- Besprechung des Buchs „Eid-Gewissen-Treuepflicht“.
rung von 1924. [vgl. auch: Wilhelm Veith, Zur Geschichte 54 Volksgemeinschaft, s. Anm. 50. Mennonitische Geschichtsblätter 23 NF 18 S. 74 – 78,
des Kirchenkampfes 1933 bis 1945 im Kirchenkreis und derselbe: Nationale Erhebung und religiöser Nie-
Gladbach, o.J., o.V., o.O. – nach 1984]. 55 ebd., S. 10, 20, 29 aber auch schon in der Taufan­ dergang in: Umstrittenes Täufertum 1525 – 1975, 2. Aufl.
sprache von 1934, s. Anm. 53. Göttingen 1977, S. 159 – 189.
35 A EK Rh Best. 41 Krefeld 2.
56 73 A E KG Ue 51.
ebd., S. 14.
36 A EK Rh Best. 41 Krefeld 5 Bd. 5. Die siebeneinhalb
57 Pastor Kraemer. Gedenkschrift herausgegeben vom 74 A E KG Ue A 2, 4 zu 1931.
Tippseiten umfassende „Arbeitsschau über die bis-
herigen Jahre meiner Amtstätigkeit in Krefeld Oktober Konsistorium der Mennoniten-Gemeinde zu Krefeld,
Krefeld 1948. S. 28 – 44. 75 A E KG Ue 55.
1933 bis Juni 1944“ ist undatiert. Der Lage in den Akten
nach ist sie im Juli oder August 1944 im Konsistorium
58 Predigt über 1. Petrusbrief 5 V. 6 Von der Demut ebd. 76 A E KG Ue 54, 56, 57 Die gesammelten Materialien zu
eingegangen. Bestimmte Formulierungen belegen, dass
sie während des Krieges und vor den Angriffen Ende S. 45 – 54. den Auseinandersetzungen der Zeit sind mit Unterstrei-
1944 / 
Anfang 1945 auf Krefeld verfasst worden ist. chungen und Bemerkungen versehen.
Ein direkter Anlass ist nicht genannt, er mag in der 59 So in einem im April 1936 bei der Tagung des nieder-
geschwächten Gesundheit gelegen haben, kann aber ländischen Verbandes mennonitischer Prediger in Rot- 77 A E KG Ue 132.
auch angesichts der politischen und Kriegslage der terdam gehaltenen Referat: Die religiösen Strömungen
Versuch gewesen sein, das eigene Tun zu überprüfen. und Richtungen im heutigen Deutschland. StA K Dep. 78 A E KG Ue 51.

40   die Heimat 85/2014


„Kurz vor der Schwelle schlägt es ihn zu Boden“
Zum kurzen Leben und schmalen Werk des Krefelder Autors Ingo Arendt

von Klaus M. Schmidt


Prolog nennt, erschließt sich aus dem Vorwort von er an Epilepsie litt und übermäßig trank, ist
Thomas Hoeps zu dem Band „Die Festung jedoch noch allen gegenwärtig. „Eine töd-
Er tauchte auf und verschwand wieder. Er der Tage“. Hoeps schreibt: „Ingo ­Arendt […] liche Mischung“ nannte das einer der Be-
lebte in prekären Verhältnissen, war krank wurde im Oktober 1993 tot aufgefunden.“5 fragten. Mehr als ein Hinweis auf eine mög­
und trank zu viel. Er war ein Außenseiter und Ein genauer Todestag kann also gar nicht liche Todesursache ist das nicht. Auch einen
fiel auf – durch unangepasstes Verhalten und genannt werden. Auch die genaue Todesur- Selbstmord kann man nicht ausschließen.
sein literarisches Talent. In der Krefelder Lite- sache ist unklar. Im Frühjahr 2014, also über
raturszene, die von Mitte der 1980er- bis M­ itte 20 Jahre später, ergeben Anrufe bei Ord- Was man nicht über Ingo A ­ rendt weiß, über-
der 1990er-Jahre von nicht wenigen Talenten nungsamt und Polizei in Krefeld, die beim wiegt die dürren Fakten bei weitem. Man
bevölkert war, polarisierten seine Texte am Auffinden beteiligt gewesen sein könnten, weiß zum Beispiel nicht, wann er aus der
meisten. Die Suche nach den Spuren Ingo lediglich, dass Akten aus dieser Zeit nicht ehemaligen DDR in den Westen übersie-
­Arendts über 20 Jahre nach seinem frühen mehr vorhanden sind. delte, ob er vor seinem Aufenthalt in Krefeld
Tod im Jahr 1993 war mühsam. Nur wenige noch an anderen Orten wohnte, wo er stu-
erinnern sich an ihn, zwar nicht dunkel, aber Alle, die der Autor dieses Textes zu Ingo diert hat und mit welchem Abschluss er sein
schlecht. Den Satz: „Das weiß ich nicht mehr ­Arendt befragt hat – den ehemaligen Kul- Studium beendet hat, falls er es beendet hat.
genau“, hat der Autor dieses Textes bei der turredakteur der Westdeutschen Zeitung Man weiß nicht, wann genau er in Krefeld an-
Recherche aus vielen Mündern gehört. Krefeld, für den A
­ rendt Feuilleton-Artikel ver- sässig wurde, mit wem er hier über den Kreis
fasste, einen Illustrator von Veröffentlichun- der Mitglieder der Literaturwerkstatt Krefeld
gen ­Arendts sowie ehemalige Mitglieder der hinaus bekannt, vielleicht sogar vertraut war.
Vita Literaturwerkstatt Krefeld, der Ingo ­Arendt
angehörte, erinnern sich kaum oder nur Als berufliche Tätigkeit ist nur seine freie Mit-
„Ingo ­Arendt, geb. 1955 in Hohenstein-Ernst- schlecht an Fakten aus ­Arendts Leben. Dass arbeit beim Feuilleton der Westdeutschen
thal/DDR. Studierte Germanistik, Slavistik
[sic!], Philosophie und Soziologie. Lebt in
Krefeld.“1 Bei seiner ersten Veröffentlichung
in Krefeld, die nicht im Selbstverlag erscheint,
wird der Autor Ingo A ­ rendt mit dieser knap-
pen biographischen Notiz vorgestellt. Bei
weiteren Veröffentlichungen A ­ rendts in der
Zeitschrift „Literatur in Krefeld“ bleibt es bei
diesem Hinweis auf Geburtsort und Studium.
Die Schreibweise von „Slavistik“ wird dabei
zu „Slawistik“ korrigiert. Gelegentlich wird
die Notiz durch den Hinweis auf seinen 1990
in einer bibliophilen Ausgabe erschienenen
Gedichtband „Was in uns stirbt“ ergänzt.2

Nach dem Tod A ­ rendts im Oktober 1993


bringt Herausgeber Klaus Ulrich Düsselberg
in der „Literatur in Krefeld“ A­ rendts Gedicht
„Saumlinie der Trauer“ zum Abdruck. Darun-
ter schreibt er: „Im Oktober starb Ingo A­ rendt
im Alter von 38 Jahren. Viele Jahre war er Mit-
glied der Literaturwerkstatt Krefeld, […]“3 Es
folgt wieder der Hinweis auf den Band „Was
in uns stirbt“, dem das Gedicht entnommen
sei. Die Autorennotiz in den Mitarbeiteranga-
ben dieser Ausgabe nennt wieder Geburts-
jahr und -ort, unterlässt aber den Hinweis
auf das Studium und endet mit dem Zusatz:
„gestorben im Oktober 1993 in Krefeld.“4

Warum Düsselberg nicht den genauen To- Ingo Arendt (links) und sein Illustrator John Waszek präsentieren im August 1990 den biblio-
destag, sondern nur den Sterbemonat philen Band „Was in uns sti