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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bauphysik 36 (2014), Heft 1 1
F. Schmid/W. Haase/W. Sobek/E. Veres/S.-R. Mehra/K. Sedlbauer · Schallschutz und akustische Wirkweise bei mehrlagigen textilen Fassadensystemen
Bild 10. Systemverhalten eines leichten Lagenaufbaus mit schaltbarer, beschwerender, fluidbefüllter Lage [27]
Fig. 10. System behaviour of a light layer configuration with switchable, ballastable, fluid filled layers [27]
Bild 13. Vorspanneinrich-
tung (rückseitig zu Bild 12)
(F. Schmid in [13])
Fig. 13. Pre-stressing set-
up (rear view to Fig. 12)
(F. Schmid in [13])
Bild 11. Systemaufbau mit fluidgefülltem Taschengewebe
und Aerogel-Dämmschicht [28]
Fig. 11. System configuration with the fluid filled tube sys-
tem and the aerogel insulation layer [28] elemente (17,5 %) und der Membranfläche (82,5 %) bei
den Messungen aus [13].
Die exemplarische Messreihe für mehrlagige adaptive
lung der Verbundvliesstoff durch eine Aerogel-Lage ersetzt. textile Gebäudehüllen wurde zur Untersuchung der oben
Der prinzipielle Aufbau blieb dabei durch zwei eingesetzte gezeigten Entwicklungsschritte mit den im folgenden Ab-
Taschengewebe erhalten. Die Halterung des als Granulat schnitt beschriebenen Lagenaufbauten systematisch abge-
vorliegenden Aerogels erfolgte in einem 120 mm dicken deckt. Die Anordnungen sind in den Systemskizzen in
Abstandsgewebe, welches von PVC/Polyestergeweben um- Bild 14 dargestellt. Die detaillierte Beschreibung der Bau-
mantelt ist. Bild 11 zeigt den daraus resultierenden dreila- teile mit Angaben zu flächenspezifischer Masse, Volumen
gigen Aufbau. und Materialaufbau ist in den Tabellen 2 bis 5 aufgeführt.
Das akustische Verhalten von ein- und zweilagigen
3 Prototypischer Systemaufbau und messtechnische Unter- Folienaufbauten ist aus Ergebnissen von Mehra et al. [18]
suchung und Maysenhölder [31] bekannt. Eine erneute Untersu-
chung erfolgte daher nicht. Der erste Systemaufbau [A]
Im Rahmen des Forschungsprojektes ARAKO ist die akus- bestand aus zwei PVC-beschichteten Polyestergeweben
tische Leistungsfähigkeit der beschriebenen prototypi- sowie einer Verbundvliesstofflage. Er bildete somit den
schen Systemaufbauten mit dem Schalldämmmaß quanti- Systemaufbau von bereits gebauten Membranbauwerken
fiziert worden. Die Bestimmung der entsprechenden Kenn- ab. Der zweite Systemaufbau [B] wurde durch einen weite-
größe wurde im Türprüfstand am Fraunhofer-Institut für ren gradierten Verbundvliesstoff ergänzt, um das Schwin-
Bauphysik (IBP) in Stuttgart durchgeführt (Bild 12). Der
Einbau in den Türprüfstand erfolgte durch die am ILEK
entwickelte Vorspanneinrichtung. Sie ermöglicht die Be- Tabelle 1. Flächenverteilung der Konstruktionselemente
festigung der Gewebelagen im Prüfstand mit biaxialer Vor- bei der Messung im Türprüfstand [13]
Table 1. Areas of the construction elements in the door
spannung von bis zu 2,5 kN/m [13] (vgl. Bild 13). Tabelle 1
test bed [13]
weist die wirksamen Flächenanteile der Konstruktions
Membranaufbau 1,626 m2
Hydraulikzylinder 0,062 m2
Unterkonstruktion 0,282 m2
gesamt 1,97 m2
Tabelle 3. Aufbau des gradierten Verbundvliesstoffs [13] Tabelle 5. Aufbau des Abstandsgewirks mit Aerogelfüllung [13]
Table 3. Configuration of the graded compound non-woven Table 5. Configuration of the aerogel filled spacer fabric [13]
fabric [13]
Typ des Abstandsgewirks Hightex; Zellner GmbH
Typ gradierter Verbundvliesstoff Material des Abstandsgewirks Polyester
(Projektentwicklung im TEZ Hersteller des Aerogels Cabot AG
der Groz-Beckert KG)
Material des Aerogel Silikat-Aerogel
Material Polyester
Flächenbezogene Masse 11.800 g/m2
Herstellung Nadelvliesstoff
Masse Silicat-Aerogel 3.300 g/m2
Flächenbezogene Masse 4500 g/m2
Masse Polyester-Gewirk 7.600 g/m2
Masse PVC-Folien 900 g/m2
Tabelle 4. Aufbau des gefüllten Taschengewebes [13] Schichtdicke gesamt 120 mm (Toleranz ±10 mm)
Table 4. Configuration of the fluid filled tube system [13] Schichtdicke Abstandsgewirk 2 × 30 mm, 2 × 20 mm, 2 × 10 mm
Typ Jaquard-Gewebe (GST GmbH)
Material Polyester
Beschichtung Folienkaschierung gungsverhalten biegeweicher Konstruktionen und die Ver-
Innere Abdichtung Acrylharz-Titandioxid-Emulsion wendung textiler Werkstoffe in typischen Elementfassaden
Befüllung Wasser einschätzen zu können. Für den dritten Systemaufbau [C]
Sonstiges Einbau auf Metallgewebe zur wurde Aufbau [B] um ein fluidgefülltes Taschengewebe an
Stabilisierung einer Membranlage ergänzt, um so die Rolle von zusätzli-
Schutztasche aus PVC-Folie cher flächenbezogener Masse in die Untersuchung einzu-
Flächenbezogene Masse 18.000 g/m2
beziehen. Der vierte Systemaufbau [D] ersetzt den in Vari-
ante [C] verwendeten Verbundvliesstoff durch ein mit Sili-
Masse Taschengewebe 1.280 g/m2
cat-Aerogel gefülltes Abstandsgewirk. Damit wurde das
Masse Fluid 15.070 g/m2
akustische Absorptionsvermögen eines Systemaufbaus mit
Masse Metallgewebe 650 g/m2
alternativem Wärmedämmstoff untersucht.
Masse Schutztasche 1.100 g/m2
In Bild 15 werden die Ergebnisse aus der Messung des
Schichtdicke gesamt 18 mm Schalldämmmaßes für die Systemaufbauten [A] bis [D] ver-
Schichtdicke Taschengewebe 15 mm glichen. Ergänzend sind Messergebnisse zu ein- und zwei-
a) b)
c) d)
Bild 14. Systemskizzen der Lagenaufbauten [13]: jeweils Prinzipschnitt und Horizontalschnitt mit Abmessungen und Kon
struktionsdetails; a) mit einfacher Vliesstofflage, b) mit zwei gespiegelt angebrachten Vliesstofflagen, c) mit zusätzlichem
gefüllten Taschengewebe, d) mit Aerogel-gefülltem Abstandsgewirk
Fig. 14. System configurations [13] with schematic cross section, dimensioned horizontal section and details
4 Fazit
Mit dem Fokus auf der akustischen Wirkweise wurde gart, Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren
in einem interdisziplinären Workshop die Sinnhaftigkeit, ILEK; FH Dortmund, Fachbereich Architektur. Stuttgart
Wirksamkeit und die Entwicklungsmöglichkeit der Varian- 2012.
ten diskutiert. Daraus resultierte eine Empfehlung, die für [11] Mommertz, E.: Akustik und Schallschutz: Grundlagen, Pla-
nung, Beispiele. München: Institut f. intern. Architektur-Dok.
den weiteren iterativen Entwicklungsprozess zwischen
2008.
den Instituten und den Industriepartnern richtungswei-
[12] Blesser, B., Salter, L.: Spaces Speak, Are You Listening?
send war. In einzelnen Bauteilen werden mehrere Funk Experiencing Aural Architecture. The MIT Press: Boston
tionen angereichert. Dies ist notwendig, um ein Erfüllen 2009.
der gesetzten Anforderungen hinsichtlich Funktionalität, [13] Schmid, F. et al.: Adaptive Raumakustik und akustische
struktureller Effizienz und Erscheinungsbild bei gleichzei- Konditionierung – ARAKO. Forschungsbericht in Vorbe
tiger Reduktion der eingesetzten Masse und Energie zu reitung. Universität Stuttgart, Institut für Leichtbau Entwer-
gewährleisten. Im Entwicklungsprozess wurde ersichtlich, fen und Konstruieren, Lehrstuhl für Bauphysik. Stuttgart
dass zur Erfüllung der Anforderungen bei ultraleichten 2011.
Systemen die Potentiale eines gesamtheitlichen Designpro- [14] Koch, K.-M.: Bauen mit Membranen: Der innovative Werk-
zesses genutzt werden müssen. Das heißt, dass eine Zieler- stoff in der Architektur. München: Prestel Verlag 2004.
[15] Seidel, M.: Textile Hüllen - Bauen mit biegeweichen Tragele-
füllung nur durch die angemessene Verwendung von Ma-
menten. Materialien, Konstruktion, Montage. Berlin: Ernst &
terialien, die zielgerichtete Nutzung von Werkstoffeigen-
Sohn 2007.
schaften und das gezielte Zusammenspiel von relevanten [16] Kaufmann, A., et al.: Wärmetechnische Besonderheiten
physikalischen, chemischen und biologischen Wirkungen von Membrankissenkonstruktionen. Bautechnik 90 (2013),
gewährleistet werden kann [22], [33]. H. 7, S. 395-401.
[17] Cremers, J., Lausch, F.: Transluzente Hochleistungsdäm-
Danksagung mung aus Silika-Aerogelen für Membranen. Detail 48 (2008),
Nr. 5, S. 524–530.
Die Erkenntnisse und Ergebnisse konnten durch die För- [18] Mehra, S.-R., et al.: Akustisches Verhalten von Hüllenkon-
derung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung struktionen aus Folien und Membranen - AHAFUM. Univer-
(BBR) in einem Forschungsprojekt der Forschungsinitia- sität Stuttgart, Lehrstuhl für Bauphysik. Stuttgart 2003.
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[34] Maeda, J.: The Laws of Simplicity. Boston: The MIT Press
2006. Dipl.-Ing. Eva Veres
Prof. Dr.-Ing. Schew-Ram Mehra
Autoren dieses Beitrages: Prof. Dr.-Ing. Klaus Sedlbauer
Dipl.-Ing. Fabian Schmid Universität Stuttgart
Dr.-Ing. Walter Haase Lehrstuhl für Bauphysik (LBP)
Universität Stuttgart Pfaffenwaldring 7, 70569 Stuttgart
Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP)
Pfaffenwaldring 7 & 14, 70569 Stuttgart Nobelstraße 12, 70569 Stuttgart