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Der Sternenmann und das große


Abenteuer - Teil 1
Eine Geschichte von Max von Thun und Romedio von Stein mit Illustrationen
von Marta Balmaseda, erschienen im arsEdition Verlag.
Hier kommt der erste Teil der Geschichte.
Kapitel 1: Der Sternenmann und die furchtlose Prinzessin Luna
Auf einem winzig kleinen Planeten, in einer weit entfernten Galaxie, steht das

Häuschen vom Sternenmann.

Tagsüber schläft der Sternenmann.

Aber sobald es dunkel wird, steht der kleine Mann auf und macht sich bereit,

die Sterne zum Leuchten zu bringen und am Abendhimmel zu verteilen.

Vielleicht hast du ja schon mal vom Sternenmann gehört, oder du hast seine

Arbeit am Firmament bewundert, abends, wenn es dunkel wird und die Sterne

am Himmel zu leuchten beginnen.

Ja, das verdanken wir alle schon seit vielen, vielen Jahren dem Sternenmann.

Und natürlich seinem treuen Freund und Gefährten Carlchen, seinem Hund.

Und den fleißigen Schafen Willi und Walli, die sein Gefährt jeden Abend durch

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den Orbit ziehen, während er die Sterne am Himmel verteilt.

Und solltest du noch nie von ihm gehört haben, will ich ihn dir mal kurz

beschreiben.

Der Sternenmann ist ein freundliches, mutiges, kleines Männchen mit einer

runden Nase und großen, aufmerksamen Augen.

Er trägt einen Umhang und erledigt seine Aufgaben stets mit Sorgfalt.

Und wenn du schon mal vom Sternenmann gehört hast, dann kennst du

vielleicht auch die wunderschöne und tapfere Prinzessin Luna. Und ihre Katze

Samara.

Und dann weißt du bestimmt auch, dass es dem Sternenmann mithilfe von

Luna geglückt ist, die Sterne und vor allem die Erde vor dem großen Kometen

zu retten.

Gar nicht auszudenken, wenn dieser die Sterne zerstört hätte, die ja dann jetzt

nicht mehr am Himmel leuchten würden.

Viel, viel schlimmer aber ist die Vorstellung, was wohl passiert wäre, wenn der

Komet die Erde gerammt hätte.

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So wie damals, vor vielen Millionen von Jahren, als ein riesiger Meteorit auf

der Erde einschlug und kurz darauf alle Dinosaurier ausstarben.

Stell dir mal vor, was dann aus uns, den Menschen, geworden wäre.

Aber das ist ja alles noch mal gut gegangen.

Sonst könnte ich dir jetzt auch nicht von dem großen Abenteuer erzählen,

dass der Sternenmann mit Luna und seinen Freunden bald erleben würde.

Und du könntest dir die Geschichte auch nicht mehr vorlesen lassen (oder sie

selber lesen).

Weil der Sternenmann Luna und Luna auch gleich den Sternenmann damals

sehr lieb gewonnen hatte, fragte sie der Sternenmann, ob sie nicht etwas bei

ihm bleiben und ihm bei der täglichen Arbeit mit den Sternen helfen wolle.

Luna fühlte sich von Anfang an wohl bei ihm und seinen Freunden.

Und weil sie kein Problem damit hatte, mit anzupacken und sich die Hände

dabei schmutzig zu machen, was bei einer Prinzessin ja nun wirklich nicht

selbstverständlich ist, war sie dem Sternenmann nicht nur eine große Hilfe,

sondern wurde zu einem der wichtigsten Menschen in seinem Leben.

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Vielleicht weißt du ja gar nicht, was das für eine anstrengende Arbeit ist, die

der Sternenmann schon seit so langer Zeit jeden Abend erledigt.

Dass er die Sterne anhaucht und sie so zum Leuchten bringt, bevor er sie am

Firmament verteilt, weißt du ja schon.

Aber was machen die Sterne eigentlich tagsüber, wenn sie nicht am Himmel

leuchten?

Das ist nun der Teil der Arbeit, bei dem man sich die Hände schmutzig macht.

Weil so ein Stern die ganze Nacht strahlt, wird er bis zum Sonnenaufgang

ziemlich heiß.

So wie eine Glühbirne, die die ganze Nacht durchbrennt.

Die sollte man ja auch nicht mit bloßen Fingern anfassen.

Da kann man sich nämlich ziemlich wehtun, wenn man nicht genau weiß, was

man macht.

Also stülpt der Sternenmann, ohne die heißen Sterne dabei mit den Händen

zu berühren, einfach einen Sack über jeden einzelnen und vergräbt sie dann

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zum Abkühlen in der weichen Erde hinter seinem Haus.

Gleich neben seinem Schuppen, in den er sein Spacemobil und die Schafe

Willi und Walli nach getaner Arbeit bringt.

Und das ist ziemlich wichtig, denn die Sterne werden im Lauf der Nacht

wirklich so heiß, dass es den ganzen Tag in der dunklen Erde benötigt, um sie

wieder abzukühlen.

Und wie die Tage so vergingen und die beiden immer mehr zu einem

eingespielten Team wurden, da wuchs in Luna langsam auch das Heimweh.

Sie vermisste ihre Welt in einer anderen Galaxie und natürlich auch ihren

Vater, König Max, den 265.

Ja, in Lunas Welt war vieles ganz anders, als es der Sternenmann von

unserem Universum gewohnt war.

Aber dazu kommen wir später noch.

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Eines Abends, als der Sternenmann

und Luna nach getaner Arbeit auf

seiner Veranda saßen und den Sternen

beim Leuchten zusahen – vielleicht

erinnerst du dich ja, dass der

Sternenmann das jeden Abend machte –, da erzählte ihm Luna wieder mal

von ihrer Welt und von ihrem Vater, dem König, und dass sie eigentlich bald

aufbrechen müsse, da man sich sonst wahrscheinlich Sorgen mache, wo sie

denn abgeblieben sei.

Da entdeckten die beiden etwas am Firmament, das funkelte und leuchtete

und langsam auf sie zukam.

Ein Stern war es nicht, da waren sich die beiden schnell einig.

Aber was konnte es denn dann sein?

Da vernahmen sie so eine Art Rauschen. Also zuerst war es nur ein Rauschen.

Als es aber immer näher kam und immer stärker zu funkeln begann, da hörte

es sich eher so an, als würden Hunderte kleiner Glockenspiele gleichzeitig

und durcheinander klingen.

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Luna und der Sternenmann sahen sich ratlos an.

Und auf einmal klang es, als würden tausend Chöre zusammen singen.

„Prinzessin Luna", konnten die beiden jetzt ganz deutlich hören, „Prinzessin

Luna, wir suchen Euch schon in allen Galaxien, um Euch zu sagen, dass Euer

lieber Herr Vater, König Max, der 265., vom bösen Zauberer Knuterich mit

einem noch böseren Zauber belegt wurde und seitdem nicht mehr aufhören

kann zu niesen.“

„Niesen?“ Der Sternenmann und Luna sahen sich ratlos an.

„Ja, niesen! Nur mit größter Mühe konnte der König uns, seinen Sternenstaub,

entsenden, um Euch, Prinzessin Luna, zurückzuholen, um ihn von dem

heimtückischen Zauber zu erlösen und damit zu verhindern, dass der böse

Knuterich ihm die Krone abspenstig macht, nach der er ja schon so lange

trachtet."

Der Sternenmann und Prinzessin Luna hörten gebannt zu.

„Ihr dürft keine Zeit verlieren, denn diese läuft langsam ab!“ Während der

ganzen Zeit kam der Sternenstaub immer näher auf die beiden zu, und als die

Veranda schon hell erleuchtet war, so als hätte jemand unzählige Kerzen

angezündet, da löste sich der Sternenstaub auch schon auf und es wurde

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wieder ganz ruhig und dunkel.

„Mein armer Vater! Ich muss sofort aufbrechen, um ihn und sein Königreich

zu retten. Das verstehst du doch, oder?“

Und ob der Sternenmann das verstand!

Und weil er Luna so lieb gewonnen hatte, und sie ihm ja schließlich auch

geholfen hatte, seine Sterne und die Erde vor dem Kometen zu retten, sagte er

das Einzige, was ein guter Freund und mutiger kleiner Kerl in so einer

Situation wohl sagen konnte:

„Wir kommen selbstverständlich mit und helfen dir und deinem Vater.“

„Aber was ist mit deinen Sternen?", fragte Luna sofort.

„Da werde ich mir schon etwas einfallen lassen. Seinen Freunden zu helfen,

wenn sie in Not sind, ist erst mal wichtiger.“

Kapitel 2: Der Aufbruch


Nachdem die Schafe eingespannt waren und Carlchen und Samara auf ihren

Plätzen saßen, stiegen auch Luna und der Sternenmann in das Spacemobil.

Natürlich war er in Gedanken immer noch bei seinen Sternen.

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Wie lange würde er wohl weg sein? Und wer sollte dann seine Arbeit für ihn

erledigen?

Aber Luna ganz alleine diese Reise antreten lassen konnte er ja auch nicht.

Dafür sind Freunde schließlich da. Um sich in Notfällen zu helfen. Und das

war ja ganz offensichtlich einer.

Doch: Was war das überhaupt für eine Reise?

Wie kam man in Lunas entfernte Galaxie? Und wie lange brauchte man dafür?

Luna bemerkte die Sorgenfalten auf seiner Stirn, und als könnte sie seine

Gedanken lesen, sagte sie:

„Man muss zuallererst das schwarze Loch finden. Nur durch dieses gelangt

man in meine Welt!“

Ein schwarzes Loch?

Der Sternenmann hatte schon viel von diesen schwarzen Löchern gehört und

dass sie sehr gefährlich waren, weil man nie wissen konnte, ob man so eine

Reise durch das Loch unbeschadet überstehen würde.

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„So ein schwarzes Loch verschluckt einen und spuckt einen an einem

anderen Ort wieder aus“, hatte der Mondmann ihm mal erzählt.

Und seine Freundin, die Astronautin, hatte ihm davon berichtet, wie sie sich

und ihre Rakete nur im allerletzten Augenblick vor dem Sog eines schwarzen

Lochs retten konnte.

Und dass man ihnen deshalb besser fernbleiben solle.

Doch bevor der Sternenmann etwas erwidern konnte, platzte es aus Luna

heraus:

„Genau das ist ja das Problem. So ein schwarzes Loch wandert am

Firmament, sodass man nie genau weiß, wo es sich gerade befindet.“

„Und wie sollen wir es dann überhaupt finden?", fragte der Sternenmann.

„Es findet uns…“, sagte Luna, und mit einem unguten Gefühl im Magen gab

der Sternenmann seinen Schafen das Kommando zum Start.

Und so flogen sie also los, ohne genau zu wissen, wo es eigentlich hingehen

sollte.

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Sie waren auch noch nicht sehr weit

gekommen, da passierte etwas ganz

Merkwürdiges.

Obwohl der Sternenmann die Zügel

fest in beiden Händen hielt, konnte er die Schafe irgendwie nicht mehr

kontrollieren.

Das Gefährt flog einfach nicht mehr, wohin er wollte.

Egal, wie sehr er die Zügel auch zog, er hatte keine Kontrolle mehr.

Er schaute Luna an, und diese bemerkte sofort, dass irgendetwas nicht

stimmte.

Es war, als würde sie ein riesiger Magnet anziehen oder irgendeine andere

starke Macht im Universum.

So etwas hatte der Sternenmann noch nie erlebt.

Auch die Schafe Willi und Walli schauten sich sorgenvoll an, denn sie

merkten, dass sie, egal wie sehr sie sich auch bemühten, das Gefährt einfach

nicht mehr ziehen konnten.

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Plötzlich sahen sie alle etwas vor sich am Firmament.

Erst sah es aus, als würden sich dort dunkle Gewitterwolken

zusammenziehen.

Und sie steuerten direkt darauf zu!

Doch je näher sie kamen, desto mehr nahmen diese dunklen Wolken eine

deutliche Form an.

Und jetzt konnten sie es alle erkennen: Die Wolken hatten die Gestalt eines

Bärenkopfs!

Ich weiß, das ist kaum zu glauben.

Aber es geschah nun mal wirklich so und er sah nicht gerade nach einem

freundlichen Bären aus.

Er hatte ein wildes, dunkles Fell, eine riesige Nase, die so aussah, als könne

sie alles im gesamten Universum riechen, und seine Augen funkelten

gefährlich im Dunkel des Alls. .

Er hatte kleine, spitze Ohren, die bestimmt alles im Orbit hören konnten, und

lange, scharfe und sehr gefährlich wirkende Zähne.

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Solche, die sich mühelos in ihr Gefährt bohren und somit der Reise ein jähes

Ende bereiten könnten.

Der Sog wurde immer stärker und das Gefährt mit unseren Freunden bewegte

sich schneller und schneller auf dieses düstere Wolkengebilde von einem

Bären zu.

Vor lauter Angst nahmen sich Luna und der Sternenmann in die Arme.

Auch Carlchen und Samara hielten sich aneinander fest.

Nur die Schafe Willi und Walli, die sich auch gerne schützend in den Arm

genommen hätten, wirbelten wild durch die Lüfte und mussten das Ganze

hilflos über sich ergehen lassen.

Auf einmal öffnete sich das Maul des Bären und seine Augen leuchteten

rubinrot.

Und während nun alle dachten, ihr letztes Stündchen hätte geschlagen, und

sie dem Maul schon so nahe gekommen waren, dass sie glaubten, sogar

seinen Atem zu riechen, konnten sie endlich in das Innere des

Wolkengebildes schauen.

Es sah aus wie eine dunkle Spirale, die sich zu drehen schien.

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Und genau das passierte jetzt auch mit unseren Helden.

Das ganze Spacemobil, mit all seinen Insassen, begann sich langsam im

Kreis zu drehen wie ein Karussell auf dem Jahrmarkt.

Nur dass man bei einem Karussell weiß, was passiert, und sich ja eigentlich

freiwillig reinsetzt, weil es Spaß macht.

Das alles hier passierte aber in keinster Weise freiwillig.

Man konnte nur einfach nichts dagegen tun.

Das Drehen wurde schneller und schneller, und als sie schließlich in dem weit

geöffneten Maul des Bären verschwanden, wurde es auf einmal ganz still um

sie.

Nun sauste und brauste nichts mehr um sie herum, und ob sie sich immer

noch drehten oder nicht, vermochte keiner von ihnen zu sagen.

Tiefer und tiefer wurden sie in das Maul und damit in die unendliche Spirale

hineingezogen.

Es war, als stünde die Zeit still.

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Man konnte nichts mehr hören oder sehen.

Das schwarze Loch hatte sie endgültig verschluckt.

Kapitel 3: Im Königreich von Max, dem 265.


Wie lange sie in diesem schwarzen Bärenmaul-Loch waren und ob sie sich

darin weiterdrehten oder nicht, konnten sie danach gar nicht mehr sagen.

Aber irgendwann spürten sie alle wieder einen Sog, der stärker und stärker

wurde.

Und als hätte der Bär sie einfach wie einen Kirschkern auf der anderen Seite

ausgespuckt, kehrte ihre Wahrnehmung plötzlich zurück, und ehe sie sich’s

versahen, schwebte ihr Spacemobil wieder ganz ruhig vor sich hin.

Nichts drehte sich mehr und der Sternenmann hatte wieder die komplette

Kontrolle über das Fahrzeug und damit über seine Schafe Willi und Walli.

Er sah an sich herunter und dann zu den anderen.

Alle waren unversehrt, auch wenn Carlchen noch ein wenig schwindlig

zumute war.

Was immer da gerade mit ihnen passiert war, sie hatten es scheinbar gut

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überstanden.

„Das ist mein Zuhause, mein Universum!", durchbrach Luna freudig die Stille,

und der Sternenmann fragte sofort: „Bist du ganz sicher?“

„Na klar, sieh doch mal“, sagte Luna und zeigte auf etwas vor ihnen: „Unser

kleiner und unser großer Mond!“

Jetzt sahen es auch die anderen.

In Lunas Universum gab es tatsächlich zwei Monde. Einen großen und einen

kleinen, die scheinbar friedlich nebeneinander herschwebten.

Aber das Besondere, neben der Tatsache, dass es zwei davon gab, war, dass

sie auch ganz anders aussahen als der Mond, den wir von unserem Himmel

kennen.

Der große Mond war nämlich gestreift.

Und zwar in einem strahlenden Grün, einem warmen Rot und einem dunklen

Blau.

Und der kleine Mond, und das kann man sich wirklich kaum vorstellen, war

kariert. Nämlich lila und weiß.

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Der Sternenmann rieb sich verwundert die Augen.

Sie waren tatsächlich unversehrt durch den Bärenkopf in Lunas Welt

angekommen.

Daran bestand nun kein Zweifel mehr.

Und dass hier nicht nur der Mond, oder besser gesagt die Monde, anders

aussehen sollten als bei uns, das würden wir schon bald erfahren.

„Nun aber schnell zum Palast meines Vaters“, sagte Luna und zeigte dem

Sternenmann den Weg.

Wie du dir vielleicht schon denken kannst, war das natürlich auch nicht die Art

Palast, wie wir sie von der Erde kennen.

Er hatte nämlich keine Türme und Zinnen und auch keine Zugbrücke und kein

mächtiges Tor.

Vielmehr bestand der Palast von Max, dem 265., aus lauter großen,

durchsichtigen Kugeln.

So als hätte jemand viele riesige Seifenblasen einfach übereinandergestapelt.

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Und obwohl sie durchsichtig schienen, konnte man nicht in den Palast

hineinschauen.

Also war es dem Sternenmann auch nicht möglich herauszufinden, wo er mit

seinem Gefährt denn nun landen sollte.

„Flieg einfach in diese Kugel hinein. Das ist der Eingangsballon. Von dort

gelangen wir in die königlichen Gemächer“, half ihm Luna und zeigte auf eine

der äußeren kleinen Kugeln.

Eines hatte sich der Sternenmann auf dem Weg zum Palast bereits fest

vorgenommen:

Egal, was noch alles passieren oder man ihm über dieses Universum erzählen

würde, er wollte sich nicht mehr darüber wundern.

Zumindest nicht allzu sehr. Falls das überhaupt möglich war an diesem Ort.

Denn dass hier alles anders zu sein schien, als er es kannte, wurde ihm

schnell klar.

Und sich dauernd über alles zu wundern, würde ihm ja schließlich auch nicht

helfen.

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Also lenkte er sein Gefährt einfach, wie ihm geheißen, auf die kleine Kugel zu

und wunderte sich auch nur ein bisschen, als sie einfach durch die dünne

Wand hindurchglitten, ohne dass die Kugel zerplatzte oder ihnen irgendetwas

geschah.

Im Inneren der Kugel war alles weiß.

Weißer Boden aus Marmor und weiße Wände ebenfalls aus Marmor, die

komischerweise gar nicht gewölbt waren, wie man es vom Inneren einer

Kugel wohl erwarten würde.

Nein, von innen sah alles so aus, wie wir es von unseren eigenen Wänden zu

Hause kennen.

War das alles eine optische Täuschung? Oder dienten die Kugeln nur als

Schutz für den eigentlichen Palast?

Wie auch immer, der Sternenmann wollte sich ja nicht mehr über alles

wundern, also versuchte er das auch hier.

Kaum war das Gefährt auf dem glänzenden weißen Boden gelandet, da

öffnete sich schon eine große weiße Tür und herein kroch eine weiße

Schlange.

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Diese trug einen kleinen Hut auf ihrem

Kopf und eine kleine Krawatte um den

Hals.

Und das alles konnte man nur deshalb

so gut erkennen, weil die Schlange, ähnlich wie eine Kobra, bevor sie angreift,

mit halb aufrechtem Körper den Saal betrat.

Das heißt, die vordere Hälfte ragte steif nach oben, so als hätte sie ein Lineal

verschluckt, und die hintere Hälfte schlängelte am Boden und half ihr, sich

sehr elegant fortzubewegen.

„Prinzesssssin Luna, Sssssamara, wie schön, Euch wiederzusssssehen. Dann

habt Ihr alssso unsssere Nachricht erhalten? Dem Himmel sssssei Dank!“,

zischte die Schlange, und der Sternenmann dachte bei sich, dass er noch nie

eine Schlange so elegant hatte zischen hören.

Zumindest redete er sich das ein, denn in Wahrheit hatte er überhaupt noch

nie eine sprechende Schlange getroffen. Du vielleicht?

„Cornelius, wie schön, wieder hier zu sein", rief Luna.

„Bitte untertänigssst um Vergebung, Königliche Hoheit,“ zischte Cornelius

weiter, „aber Euer Herr Papa, der grosssssmütige und stolze König Max, der

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265., ist bedauerlicherweissse nicht mehr in der Lage, Euch persssönlich zu

empfangen. Wie Ihr sssssicherlich der Botschaft entnehmen konntet, wurde

er vom bösssen Zauberer Knuterich verflucht und mussssste mir diesen

Hilferuf auf ein Pergament schreiben, damit ich den Sternenstaub

losssschicken konnte, um Euch zu finden. Aber, genug geredet. Bitte folgt

mir."

Und damit drehte oder vielmehr wand er sich einmal um die eigene Achse

und verschwand wieder in der großen Tür.

Der Sternenmann und Carlchen wechselten einen vielsagenden Blick, folgten

dann aber Luna und Samara, die schon vorausgegangen waren.

Die Schafe Willi und Walli sollten beim Spacemobil bleiben und gut darauf

aufpassen – nur für den Fall der Fälle.

Außerdem waren sie viel zu ängstlich, um sich auch nur einen Zentimeter von

ihrem Platz zu bewegen.

Man kann nun wirklich sagen, dass alles in diesem Palast weiß war.

Jeder Stuhl, jede Vase, jedes Kanapee, jeder Paravent, jede Tür und jeder

Fensterrahmen.

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Und als sie durch die große Ahnengalerie mit den Porträts aller vorherigen

Könige schritten, stellten sie fest, dass selbst die Bilder an den Wänden

ausschließlich weiß waren.

264 weiße Bilder, um genau zu sein.

Alle Könige Max, die vor Max, dem 265., hier regiert hatten.

Allerdings konnte man auf den Bildern natürlich nichts erkennen.

Weiße Leinwände, mit weißer Farbe bemalt, in weißen Rahmen.

Und darunter weiße, scheinbar unbeschriftete Schildchen, auf denen man

keinen einzigen Buchstaben erkennen konnte.

So schritten sie von Raum zu Raum, oder besser gesagt von Blase zu Blase,

und als Carlchen gerade anfangen wollte zu jammern, dass ihm so langsam

seine Pfoten wehtaten, öffnete Cornelius die mächtige weiße Tür zum

weißesten aller Räume, dem großen Thronsaal.

Das war der wohl größte Saal, den man sich nur vorstellen konnte, und ganz

am anderen Ende stand auf dem glänzenden Marmorboden ein riesiger

weißer Thron, der ebenfalls aus Marmor war und mindestens zehn Meter

hoch.

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Vielleicht wirkte er aber auch nur so groß, weil auf ihm ein winzig kleines

Männchen saß.

Wobei das Männchen vielleicht auch nur so klein wirkte, weil der Thron so

groß war.

So genau konnte der Sternenmann das nicht sagen.

Aber eines hatte er sofort verstanden. Das musste der großmütige und stolze

König Max, der 265., sein.

Lunas Vater, der tatsächlich vor lauter Niesen seine Tochter und seine

Besucher gar nicht richtig begrüßen konnte.

Er hatte lange rote Haare und einen langen roten Bart, der bei jedem Nieser

heftig in seinem Gesicht zuckte.

Luna rannte sofort auf ihn zu, fiel ihm

um den Hals und drückte ihn ganz

fest.

Schließlich hatte sie ihn so sehr

vermisst, und außerdem bemerkte sie

sofort, wie schlecht es um ihren Vater stand.

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Auch Samara lief auf ihn zu und rieb sich schnurrend an seinen Beinen, wie

das Katzen eben ab und zu machen.

„Mein lieber Papa, da bin ich wieder. Wir haben deine Nachricht erhalten und

machen uns große Sorgen!“, rief Luna, aber König Max brachte vor lauter

Niesen kein erkennbares Wort heraus.

»Ssssso geht es nun schon ssssseit einigen Tagen und wir wissen unsss

wirklich nicht mehr zu helfen.

Esssss scheint ein ausgesprochen starker Zauber zu sssssein, und

ssssselbst unsssere Minissster kennen keine Lösssung für diesesss

Problem.

Dessshalb sssind wir alle sssehr froh, dasssss Ihr, Königliche Hoheit, nun

wiedergekehrt ssssseid, um unsss zu helfen.

Wenn Euer Vater noch drei Tage lang ssssso weiterniessst, so hat esss der

bössse Zauberer gesssagt, wird sich Ssssseine Majessstät in einen kleinen

weissssen Krebsss verwandeln

und der bössse Zauberer wird an seiner Stelle den Thron besteigen und über

unssser königlichesss Universssum regieren.

Nur wie man den Zauber beenden kann, wissssen wir leider nicht«, sagte

Cornelius sichtlich verzweifelt.

Als er die Minister erwähnte, machte Cornelius eine kleine Kopfbewegung in

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ihre Richtung, und erst da bemerkte der Sternenmann die drei weißen

Schildkröten, die in der Ministerial-Ecke saßen und vor sich hin grübelten.

Sie trugen alle einen weißen Dreispitz, wie du ihn vielleicht schon mal auf dem

Kopf eines Piratenkapitäns gesehen hast.

Nur dass diese ja immer einen schwarzen Hut trugen, mit einem weißen

Totenkopf und gekreuzten Knochen darauf. Diese hier waren weiß.

Auch die Panzer der Schildkröten waren weiß und sie alle trugen Brillen mit

dicken weißen Gestellen.

Kopfschüttelnd grübelten sie gemeinsam über dem Problem und schienen

weit entfernt von einer Lösung zu sein.

„Nur drei Tage?" fragte Luna entsetzt. „Dann dürfen wir keine Zeit verlieren!

Wir müssen sofort aufbrechen. Und ich weiß auch schon, wohin.“

Damit küsste sie ihren Vater auf die Stirn, drückte ihn noch einmal und

flüsterte ihm dabei ins Ohr:

„Sei unbesorgt, Vater. Wir werden dich von dem Zauber erlösen!“

Dann rannte sie los und die anderen folgten ihr, so gut es ging.

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Nur Cornelius konnte nicht so schnell, wurde abgehängt und rief unseren

Helden noch hinterher: „Ssssseid vorsssichtig! Und hütet euch vor dem

bösssen Zauberer Knuterich …!“

Kapitel 4: Das Abenteuer beginnt


Sie waren wieder in ihr Gefährt gestiegen, und Willi und Walli waren gerade

erst losgeflogen, da fragte der Sternenmann endlich, wohin es denn nun

gehen würde, und Luna antwortete nur:

„Zu den Mondmännern. Die wissen immer alles, also fast alles.“

Genau wie bei uns, dachte der Sternenmann und lenkte sein Spacemobil in

Richtung der beiden Monde.

Auf dem Weg dorthin erklärte Luna ihm noch, dass die beiden Männer im

Mond mit Vorsicht zu genießen seien, da einer von beiden immer lüge und der

andere die Wahrheit spreche.

Nur wisse man nie, wer gerade was tat.

Das entschieden sie wohl immer von Tag zu Tag oder von Besuch zu Besuch

oder wie auch immer.

Auf jeden Fall müsse man immer ganz genau zuhören und auch auf ihre

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Körpersprache achten.

Nur dann könne man den Lügner entlarven und der Wahrheit auf die Spur

kommen.

Denn Lügen haben kurze Beine, das weißt du ja sicher auch, und die meisten

Lügner verplappern sich irgendwann oder verstricken sich in widersprüchliche

Aussagen.

Weshalb lügen ja auch eigentlich ziemlich dumm ist und einen im Leben nicht

wirklich weiterbringt.

Als sie sich den beiden Monden näherten, konnten sie schon von Weitem ein

Geplärre und Geplappere vernehmen, und als sie dort ankamen, waren die

beiden Mondmänner gerade in ein lautstarkes Streitgespräch vertieft.

Sie schrien sich dabei so sehr an, und zwar gleichzeitig, ohne dem anderen

überhaupt nur ein einziges Mal zuzuhören, dass sie erst gar nicht bemerkten,

dass sie Besuch bekamen.

Und so schwebten unsere Helden eine ganze Weile unbeachtet vor den

beiden Monden im Kosmos und sahen sich dabei ratlos an.

Selbst als Luna sich irgendwann laut räusperte, reagierten die zwei

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Streithähne kein bisschen.

Erst als sie ganz laut auf zwei Fingern pfiff, hielten die Mondmänner plötzlich

inne und starrten ihre ungebetenen Besucher in dem Spacemobil fassungslos

an.

Vielleicht kannst du dich ja noch erinnern, wie unser Mondmann aussieht?

Gemütlich und mit einer dicken Knollennase. Einfach ein sehr angenehmer

Zeitgenosse.

Diese hier, wie könnte es anders sein, sahen natürlich grundverschieden aus.

Der eine war klein und sehr dick, hatte kaum Haare auf dem Kopf und eine

kleine Stupsnase.

Der andere war groß und spindeldürr und hatte so lange Haare, dass sie

beinahe den Boden berührten und wie ein Vorhang über seine große

Hakennase fielen.

Der Kleine hatte eine ganz hohe, piepsige Stimme und der Große eine sehr

tiefe.

„Wer seid ihr denn und was wollt ihr hier … wollt ihr hier?“, fragte der kleine

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Dicke, und der große Dünne fügte noch hinzu:

„Seht ihr nicht, dass wir gerade beschäftigt sind? … Ja sind wir! Ihr stört!“, und

schon fingen sie wieder lauthals an zu streiten, so als wären sie allein und

hätten keinen Besuch, der sie jetzt wieder etwas ratlos ansah.

Da pfiff Luna noch einmal. Diesmal aber viel lauter und länger als beim ersten

Mal.

Und dieser Pfiff zeigte endlich die gewünschte Wirkung.

Wie versteinert starrten die beiden Mondmänner jetzt auf die Störenfriede, die

sie ganz offensichtlich nicht weiter streiten lassen wollten.

„Ich bin Prinzessin Luna und mein Vater, König Max, der 265., wurde von dem

bösen Zauberer Knuterich mit einem Fluch belegt.

Jetzt kann er nicht mehr aufhören zu niesen, und wenn wir innerhalb der

nächsten drei Tage nichts dagegen unternehmen,

wird er sich in einen Krebs verwandeln und der böse Zauberer wird an seiner

Stelle den Thron besteigen."

„Uhhh, ein unangenehmer Zeitgenosse, dieser Knuterich. Jajaja, vor dem

muss man sich schon sehr in Acht nehmen, muss man sich. Tjatjatjatja …

Und was genau sollen wir jetzt tun, also wir … jetzt … tun?“, fragte der lange

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Dünne.

„So ein Quatsch, also wirklich … so ein absoluter Quatsch. Diesen Knuterich,

den gibt es doch gar nicht, gibt es doch gar nicht. Das weiß doch jedes Kind.

Also wirklich jedes Kind! Außerdem, ihr seht doch, dass wir beschäftigt sind“,

fügte der kleine Dicke hinzu.

„Vielleicht könnt ihr uns sagen, was man gegen dieses Niesen tun kann. Es

muss doch irgendein Gegenmittel geben. Und wenn ja, wo können wir das

finden?“, brach es jetzt aus dem Sternenmann heraus.

Schließlich wollte er ja auch helfen und nicht alles der armen Luna

überlassen.

„Da gibt es nichts. Nein, da gibt es wirklich nichts. Da kann man gar nichts

machen. Also rein gar nichts“, sagte der kleine Dicke, und der dünne Lange

fügte sofort hinzu:

„Gegen diese Art von Zauber-Niesen hilft nur eins. Ihr müsst einen blauen

Stachelstrauch finden. Ja, einen blauen Stachelstrauch, den müsst ihr finden

und daraus einen Tee brauen. Jawohl, einen Tee. Nur der kann das Niesen

stoppen.“

„Einen blauen Stachelstrauch gibt es überhaupt nicht! Überhaupt nicht gibt es

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den! Nur einen roten, und der hilft nur bei Schnupfen. Wenn ich es doch sage.

Nur bei Schnupfen“, erwiderte nun der dicke Kleine.

Und so ging das eine ganze Weile hin

und her.

Natürlich gebe es den, sagte der

dünne Lange, und der kleine Dicke

behauptete, dass schon seit vielen

hundert Jahren niemand mehr so einen Strauch gesehen habe, und der lange

Dünne antwortete wiederum, dass das Quatsch sei, weil sein Vater ihm

damals gesagt habe, wo diese Pflanze wachse, woraufhin der kleine Dicke

behauptete, dass der Vater des langen Dünnen doch sowieso immer nur

gelogen habe, worauf der lange Dünne versicherte, dass der dicke Kleine das

nur behaupte, weil sein Vater damals nach einer gewonnenen Wette den

großen Mond bekommen habe, und dass niemand in der Familie des kleinen

Dicken damit umgehen könne, weshalb er jetzt allen so einen Unfug erzähle,

was der wiederum sofort verneinte.

Wie bei einem Tennisspiel flogen die Köpfe unserer Helden von einem

Mondmann zum anderen.

Je nachdem, wer gerade sprach oder den anderen wieder mal unterbrach.

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Und wenn der Sternenmann jetzt hätte sagen sollen, welcher von beiden die

Wahrheit sprach und welcher nicht, so hätte er das nicht im Geringsten

gekonnt.

„Was sollen wir denn jetzt tun? Wem sollen wir glauben?“, fragte der

Sternenmann Luna, die sich auch noch nicht sicher zu sein schien.

Schließlich unterbrach sie die beiden Mondmänner wieder und fragte, wo

denn dieser Strauch zu finden sei, woraufhin der dicke Kleine sofort

losplärrte, dass es diese Pflanze doch gar nicht gebe und sie erst recht nichts

gegen den Zauber ausrichten könne, was der lange Dünne nicht so einfach

hinnehmen konnte.

„Dieser Strauch wächst nur an einem einzigen Ort. Nur an einem einzigen.

Einem sehr gefährlichen Ort. Nämlich dem Feuerplaneten. Ja, da wächst der“,

sagte er prompt, und der kleine Dicke konterte jetzt mit:

„So einen Feuerplaneten gibt es überhaupt nicht. Überhaupt nicht gibt es den.

Das ist albernes Gewäsch, ist das!“

Luna flüsterte dem Sternenmann ins Ohr, dass sie irgendwie sicher sei, schon

mal von dieser Geschichte mit der verlorenen Wette gehört zu haben.

Cornelius und auch ihr Vater hätten ihr mal vor langer Zeit davon erzählt.

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Deshalb sei sie ziemlich sicher, dass es der kleine Dicke sein musste, der sie

alle anlog.

„Und wo finden wir diesen Feuerplaneten?“, fragte nun der Sternenmann und

sah die beiden Streithähne erwartungsvoll an.

„Da lang! Ist doch klar. Weiß doch jedes Kind!“, sagte der kleine Dicke und

zeigte nach Süden.

Und der lange Dünne meinte: „Da lang, jajaja, da lang!“, und zeigte in die

entgegengesetzte Richtung nach Norden.

„Also auf nach Norden!“, riefen Luna und der Sternenmann gleichzeitig und

Willi und Walli setzten sich in Bewegung.

Noch von Weitem konnten sie die beiden Mondmänner streiten hören.

Über Richtungen, über Sträucher und über irgendwelche verlorenen oder

gewonnenen Wetten.

Bis sie so weit weg waren, dass aus dem leisen Gebrummel wieder die

unendliche Stille des Kosmos wurde …

Kapitel 5: Eine Reise in Kieselgeschwindigkeit

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Sie waren schon wieder eine Weile unterwegs, als der Sternenmann endlich

die Frage loswerden musste, die ihn schon seit ihrer Abfahrt bei den beiden

Mondmännern beschäftigt hatte:

„Ein Feuerplanet? Was ist das?“

Dabei schaute er Luna besorgt an.

Auch sie hatte seit ihrer Weiterfahrt geschwiegen und ganz offensichtlich

beschäftigte sie die gleiche Frage.

„Ehrlich gesagt weiß ich das auch nicht so genau. Unser Universum ist noch

viel größer als eures, und manche Planeten sind so weit entfernt, dass man

nicht immer sagen kann, ob es sie wirklich gibt oder sie nur von Reisenden

erfunden wurden, um den anderen einen Schrecken einzujagen oder sich

wichtig zu machen und Seemannsgarn zu spinnen.“

„Ich hoffe nur, dass er nicht wirklich aus Feuer besteht, sonst könnte das

nämlich eine sehr heiße und unangenehme Angelegenheit werden …“,

antwortete der Sternenmann, und im selben Augenblick entdeckte er etwas

am Firmament, das mit großer Geschwindigkeit auf sie zuraste.

„Wer ist denn das jetzt schon wieder?“, konnte er Luna gerade noch fragen, da

war dieses Etwas schon direkt vor ihnen angekommen und bremste ganz

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abrupt.

Offensichtlich handelte es sich hierbei auch um eine Art Spacemobil, das

nicht nur viel schneller war als ihr eigenes, sondern anstatt von Schafen von

zwei langen, sehr hässlichen Fischen gezogen wurde.

Vielleicht hast du schon mal einen Wels gesehen?

Das ist ein Fisch, den es in unseren Gewässern gibt und der fast so aussieht,

als wäre er ein außerirdisches Monster mit einem riesigen Maul und einem

sehr dicken Kopf.

Zwei von diesen Kreaturen zogen also das Mobil.

Und weil sie so abrupt abgebremst hatten, flog das Männchen, das darin saß

und die Zügel immer noch fest in den Händen hielt, nun in hohem Bogen aus

seinem Gefährt und landete unsanft auf dem Kopf des linken Fisches, der

daraufhin nur ein merkwürdiges Grunzen ausstieß.

„Wer ist denn das jetzt schon wieder?“, äffte das Männchen den Sternenmann

nach und krabbelte dabei langsam über den Rücken des hässlichen Fisches

wieder zurück in sein Gefährt.

„Wer ich bin? Ich bin der Kieselmann. Wer denn sonst?“, sagte er schroff.

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„Der … wer?“, fragte der Sternenmann überrascht.

„Der Kieselmann! Man kennt mich doch. Ich werfe den kleinen Kindern Kiesel

in die Augen und dann zwicken sie diese zu und schlafen so schneller ein.

Weiß doch jedes Kind!“, sagte der Kieselmann ganz empört.

„Ach so, du meinst, du bist hier der Sandmann?„, fragte der Sternenmann,

denn so einen kannte er ja auch von Zuhause.

„Der Sandmann? Schaue ich so aus, als könnte ich mir keine richtigen

Kieselsteine leisten?

Der Sandmann, pfff! Wer soll das denn bitte schön sein?

So ein Quatsch. Wenn es den gäbe, hätte ich doch schon längst von ihm

gehört.

Der Sandmann … hahaha. So ein Blödsinn!

Ich bin der Kieselmann und basta.

Und wenn du nicht aufhörst, so dumme Fragen zu stellen, werfe ich dir ein

paar Kiesel in die Augen,

und dann wirst du schon sehen, wie schnell du davon einschläfst.

Willst du das etwa?! Brauchst es nur zu sagen“, und damit griff er schon in

seinen großen Jutesack,

den er um die Schultern geworfen hatte und der scheinbar voll mit

Kieselsteinen war.

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Kurze Zeit passierte gar nichts.

Irgendwie mussten sich alle erst mal an den Anblick des anderen gewöhnen.

Am schwersten fiel das Willi und Walli, die beinahe Schnauze an Schnauze

diesen beiden hässlichen Fischen gegenüberstanden und dabei fast in

Ohnmacht fielen, so furchtbar rochen diese aus ihren Mäulern.

Ich weiß nicht, ob du schon mal ein Schaf gesehen hast, dass sich die Nase

zuhalten kann. n.

Ich auf jeden Fall nicht. Und so mussten die tapferen Schafe da einfach

irgendwie durch.

„Natürlich weiß ich, wer du bist, lieber Kieselmann. Und vielleicht hast du ja

auch schon von mir gehört. Ich bin Prinzessin Luna.“

„Prinzessin Luna? Die Tochter von König Max, dem 278.?“, fragte der

Kieselmann.

„König Max, der 265., aber ja", verbesserte sie ihn vorsichtig, und damit schien

das Eis gebrochen zu sein.

„Soso, die Prinzessin. Da schau her. Und wer ist die Knalltüte da?“, fragte er

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immer noch etwas beleidigt und sah dem Sternenmann jetzt direkt in die

Augen.

»Ich bin der Sternenmann. Ich komme aus einer anderen Galaxie und bin hier

mit meinem treuen Gefährten Carlchen, um der Prinzessin zu helfen", sagte

der Sternenmann und versuchte dabei den Kieselmann so wenig wie möglich

zu provozieren.

„Der Sternenmann also, soso … So was brauchen wir hier nicht. Unsere Sterne

fliegen tagsüber von ganz allein in die große Sternenhöhle und am Abend

verteilen sie sich wieder am Himmel. Und wobei hilfst du der Prinzessin, wenn

ich fragen darf?“

Dabei funkelte er den Sternenmann mit seinen kleinen, tief sitzenden

Knopfaugen an, die von buschigen Augenbrauen umrandet waren wie von

einer dunklen Hornbrille.

„Wir suchen den Feuerplaneten. Weißt du vielleicht, wo wir den finden

können?“

Und dann erzählten sie dem Kieselmann die ganze Geschichte.

Wie sie die Sternenstaub-Nachricht bekommen hatten und durch das

schwarze Bärenmaul in Lunas Galaxie gelangt waren, was der böse Zauberer

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Knuterich Lunas Vater angetan hatte und dass sie jetzt auf der Suche nach

dem blauen Stachelstrauch waren, der angeblich nur auf dem sogenannten

Feuerplaneten wuchs.

„Der böse Zauberer Knuterich also, soso … gar nicht gut. Das ist gar nicht gut.

Ein sehr unangenehmer Zeitgenosse. Wohnt auf dem schwarzen Planeten,

auf dem nie die Sonne scheint.

Ist eigentlich ein Graf, und weil er als solcher nie den Thron besteigen kann,

hat er sich der schwarzen Magie verschrieben, um an die Macht zu gelangen.

Der Kerl ist richtig fies, erzählt man sich."

Der Kieselmann machte eine nachdenkliche Pause und fuhr dann fort:

„Ihr sucht also den Feuerplaneten? Natürlich weiß ich, wo der ist. Ihr habt

doch gesehen, wie schnell mein Fahrzeug ist.

Ich war schon in jedem Winkel dieses Universums. Aber mit dieser lahmen

Mühle werdet ihr noch Jahre brauchen, bis ihr dort ankommt. Da braucht ihr

schon Kieselgeschwindigkeit.“

Das wiederum konnte der Sternenmann nicht auf sich sitzen lassen und

fragte ungläubig noch einmal nach: „Lahme Mühle?“

Und auch Willi und Walli begannen jetzt zaghaft zu blöken, hörten aber gleich

wieder damit auf, weil die beiden Fische sie jetzt irgendwie angrunzten oder

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anrülpsten.

So genau ließ sich das nicht sagen.

Auf jeden Fall stank es so bestialisch, dass alle kurz die Luft anhalten

mussten.

„Ich mache euch einen Vorschlag“, unterbrach nun der Kieselmann die Stille.

„Ich muss sowieso in die Richtung und kann euch ein Stück weit ziehen. Ein

Seil hätte ich, und so schafft ihr es vielleicht noch rechtzeitig. Aber kurz vor

dem schwarzen Planeten des Zauberers Knuterich muss ich abbiegen. Von

da an müsst ihr dann alleine weiter.“

„Der Zauberer lebt in der Nähe des Feuerplaneten?“ fragte Luna irritiert, denn

das gefiel ihr gar nicht.

Aber was blieb ihnen anderes übrig?

Schließlich mussten sie ja dorthin, um den blauen Stachelstrauch zu holen.

Also befestigten sie das Seil, das ihnen der Kieselmann herüberwarf, an ihrem

Spacemobil, und ließen sich mit atemberaubender Geschwindigkeit durch

den Orbit ziehen.

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Würde man einen Astronauten fragen, so hätte er wahrscheinlich von

Lichtgeschwindigkeit gesprochen, so schnell sausten sie dahin.

Der Kieselmann nannte es allerdings Kieselgeschwindigkeit.

Und es vergingen gefühlt nur ein paar Sekunden, bis die beiden Gefährte

wieder langsamer wurden und schließlich ganz zum Stehen kamen.

„So, weiter kann ich euch nicht ziehen. Hier trennen sich unsere Wege. Ich

muss da lang und ihr dort. Viel Glück bei eurer Suche!“

Und damit schossen die beiden hässlichen Fische mit atemberaubender

Geschwindigkeit wieder los.

Doch plötzlich bremsten sie abrupt und der Kieselmann flog abermals, die

Zügel fest in der Hand, nach vorne und landete schon wieder auf einem

Fischkopf.

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Diesmal war es allerdings der andere.

„Müsst ihr immer so stark bremsen …? Mann, Mann, Mann!", schimpfte er mit

den Fischen.

Und während er wieder zurück in sein Gefährt kletterte, rief er den anderen

noch zu:

„Eines hätte ich fast vergessen zu erwähnen. Der schwarze Planet des

Zauberers ist nämlich magnetisch und zieht alles Metallische an. Ihr dürft ihm

also nicht zu nahe kommen, sonst kommt ihr nie wieder von dort weg und

werdet zu seinen Sklaven. Also macht lieber einen weiten Bogen um seinen

Planeten und vor allem um seine Burg. Macht’s guuuuuuuuut!“

Und damit schossen die Fische wieder los und der Kieselmann verschwand

als kleiner Punkt im Orbit.

Wie es weiter geht, erfahrt ihr in der nächsten Geschichte.

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Der Sternenmann und das große Abenteuer - Teil 1


Geschichte aus: Der Sternenmann und das große Abenteuer
Autor: Max von Thun, Romedio von Stein
Illustration: Marta Balmaseda
Verlag: arsEdition
Alterseinstufung: ab 5 Jahren
ISBN: 978-3-8458-3755-0

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