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Geld für die Krise


Diesen Bunker kennt bis 1989 fast niemand: In Rheinland-Pfalz liegen
viele Jahre lang extrem hohe Summen – in einem ganz normalen Ortsteil
zwischen Wohnhäusern. Warum? Von Matthias Lauerer
LEICHT
Deutsch perfekt GELD  65

A
n diesem Ort ist die Zeit stehengeblieben. Cochem an
der Bau  die N„chbarschaft, -en 
der Mosel, im Stadtteil Cond, Am Wald 35: Dort steht ,  hier: Konstruktion , hier: Nachbarhäuser;
ein massiver Bunker der Deutschen Bundesbank. Von Nachbarwohnungen
die Milli„rde, -n 
1964 bis 1989 hat sie hier fast 15 Milliarden D-Mark ,  1 000 000 000 der L¢ftschutzbunker, - 
der Notstandswährung BBk II versteckt – für einen die (D-)M„rk 
,  Bunker: Darin sind die
Menschen bei einer Attacke
Atomschlag oder eine Hyperinflation. 1989 ist die Welt, ,  früheres Geld in
mit Bomben geschützt.
die Geldmenge und die Drucktechnologie plötzlich eine andere – und die Deutschland (1 D-Mark ≈
66 Eurocent) der F„ll, ¿e 
Bundesbank braucht den Koloss nicht mehr. Seit 2014 gehört das 9000 Qua­ , hier: Situation
die Deutsche B¢ndesbank 
dratmeter große Areal Petra und Manfred Reuter. Warum sie das gekauft
,  Bank: Sie kümmert sich der Zw¡ck, -e 
haben? „So ein Bunker ist ein großes Abenteuer“, sagt die 59-Jährige. um das deutsche Geld und , hier: ≈ Motiv: Warum
Besucherinnen und Besucher kommen über eine breite Treppe in den die Geldpolitik. gibt es etwas?
Bunker. Oder man geht mit Petra Reuter durch einen versteckten Verbin- die Notstandswährung, -en  die [nlage, -n 
dungsgang. Der versteckt sich hinter einer einfachen Tür und endet nach ,  ≈ Geld von einem Land für , hier: Bunker
eine Krisensituation
wenigen Metern vor einer schweren Metalltür. Dahinter ist noch ein Gang, der/die Zuständige, -n 
verst¡cken  ,  Person: ≈ Sie kümmert
dieses Mal ein langer. Riecht es schon nach Geld? Nein, nach Diesel – von
, hier: machen, dass man sich um eine Sache.
den alten Originalmaschinen. An den Wänden der Gänge hängen Versor- … nicht sehen kann
die Schulung, -en 
gungsleitungen für frische Luft und den Transport von Trinkwasser. Dann der Atomschlag, ¿e  ,  spezieller Kurs: Darin
gibt es da noch ein paar Tische als „Büro“ – und Nuklear-Schutzanzüge. ,  ≈ Attacke mit einer lernt man etwas.
Der Bunker ist 1500 Quadratmeter groß. Bis zu 100 Menschen aus der Atombombe
das Erholungsheim, -e 
Nachbarschaft hatten darin Platz. Warum Nachbarn? Wegen einer Legende. das Abenteuer, -  , hier: ≈ Haus: Dort kann
,  gefährliche, nicht man sich ausruhen und
alltägliche Sache Urlaub machen.

Für viele Angestellte der Bank ist der/die 59-Jährige, -n 


,  Person im Alter von 59
das Staatsgeheimnis, -se 
,  ≈ Sache: Nur die Regie-

das Areal ein Urlaubsort – keiner Jahren


der Verb“ndungsgang, ¿e 
rung darf davon wissen.
der Tresor, -e 

merkt etwas von dem Geld. ,  ≈ Korridor zwischen


zwei anderen Räumen
,  Geldschrank: Er hat eine
besonders stabile Konstruk-
tion zum Schließen.
die Vers¶rgungsleitung, -en 
, hier: Konstruktion: die Ersch•tterung, -en 
Beim Bau ab Mai 1962 ist der Bunker offiziell ein Luftschutzbunker für den Da­rin transportiert man , von: erschüttern = hier:
Fall eines Atomschlags. Deshalb hat er auch Plätzchen in den Schutzräumen Wasser und Luft in den machen, dass etwas die
für die Nachbarinnen. So sollen sie das Projekt akzeptieren. 1962 schreibt Bunker. Position ändert
die Rhein Zeitung über den zweiten Zweck der Anlage: „Die Zuständigen der der Sch¢tzanzug, ¿e  die N¢llerjahre Pl. 
, hier: ≈ spezieller Anzug: , hier: die Jahre
Bundesbank wollen hier in Cochem Schulungen anbieten.“ Urlaub machen
Er schützt bei Kontakt mit 2000 - 2009
dürfen Angestellte der Bundesbank dort auch. Niemand findet es zu dieser Nuklearenergie.
der Krieg, -e 
Zeit komisch, dass die anderen drei Erholungsheime an der Nordsee, im (sch•tzen  ,  Streit zwischen
Schwarzwald und in Alpennähe stehen. , hier: helfen, dass … Nationen
Jetzt also Cochem an der Mosel – in einem ganz normalen Ortsteil mit gesund/sicher bleibt)
vielen Wohnhäusern. Und so erholen sich dort viele Jahre lang Angestell-
te der Bank, Hunderte kommen. Keiner von ihnen merkt, neben welchem
Staatsgeheimnis er da schläft. Nur
drei Angestellte passen auf. Sie haben
aber keinen Schlüssel für den Tresor.
Den haben nur spezielle Angestellte Der Bunker in Zahlen
der Bundesbank, die den Bunker im- Bau: 1962 bis 1966
mer mal wieder besuchen. Das Geld
Foto: picture alliance/augenklick/Jürgen Fromme

Größe Areal: circa 9000


ist gut geschützt. Ein System infor- Quadratmeter
miert bei jeder Erschütterung sofort Größe Bunker:
1500 Quadratmeter
die Polizei. Das passiert aber nie. Denn
Größe Heizöltank: 18 000
von dem Areal weiß auch Anfang der Liter
Nullerjahre fast niemand. Größe Wassertanks:
Aber warum hat die Bundesbank 40 000 Liter
mit dem BBk-II-Projekt angefangen? Betten: 170
Maximale Summe:
Sicher hatten sie noch die „Operation fast 15 Milliarden BBk-II-Mark
Bernhard“ im Kopf. Im Krieg haben
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die Deutschen damit die britische


gefælscht  der Karton, -s 
Ökonomie destabilisiert. Dazu haben ,  ≈ illegal imitiert ,  ≈ Packung aus dickem,
Agenten der Nazidiktatur extrem vie- der G¡ldschein, -e 
hartem Papier
le sehr gut gefälschte Geldscheine der , hier: ≈ Papiergeld heimlich 
Bank of England in das Geldsystem , hier: nicht offiziell
ähnlich sein 
Großbritanniens gebracht. Was also, ,  fast gleich sein schr¡ddern 
, hier: Dokumente in sehr
wenn andere diese Methode in einem vertrauen 
kleine Teile machen
neuen Krieg gegen Westdeutschland , hier: sicher sein, dass
eine Sache gut ist s“ch st¡llen 
benutzen? In so einer Situation soll , hier: ≈ sich kümmern um
die Notstandswährung helfen. der Fokus, -se 
, hier: Platz und Propor- die Gest„ltungs­
Die Scheine dieser BBk-II-Serie tionen von verschiedenen möglichkeit, -en 
Der Bunker liegt 30 Meter tief. sind den D-Mark-Scheinen der Bun- Elementen ,  ≈ Option: Man kann mit
dem Bunker verschiedene
desrepublik sehr ähnlich. Auf ihnen die R•ckseite, -n 
Sachen machen.
sind die gleichen Personen der deut- ,  ≈ von zwei Seiten die
Seite hinten scheinen zu 
schen Historie zu sehen wie auf dem zu der Zeit normalen Geld. Die Men- , hier: ≈ so aussehen, dass
schen sollen in einer Krise dem neuen Geld vertrauen. Die Designer des das W„schbecken, - 
man glaubt, sie …
,  ≈ Ding im Bad oder in der
Krisengelds ändern nur den Fokus etwas. Ganz anders als die Originale sind Küche: Dort wäscht man m“tarbeiten 
nur die Rückseiten der Scheine mit ihren geometrischen Figuren. sich die Hände. , hier: einen Teil von der
Arbeit machen
Zurück in den Bunker in den 60er-Jahren. Seine Einrichtung ist einfach. das Hochbett, -en 
Es gibt keine Duschen, sondern zwei Waschbecken für die Körperreini- ,  Bett auf einer hohen sanieren 
Konstruktion, sodass man , hier: ≈ reparieren und
gung. Und einfache Hochbetten. Außerdem steht in dem Bunker eine Ma- fast unter der Zimmerdecke restaurieren
schine, die aus Urin Trinkwasser machen kann. liegt
vœllig 
(die Z“mmerdecke, -n  , total
,  obere Seite von einem

Im Dark­net bezahlen Menschen


marode 
Raum: Dort hängt z. B. eine
, hier: alt und kaputt
Lampe.)

heute extrem hohe Summen für


Der m¢ss weichen. 
der Urin 
,  ≈ Man muss ihn weg-
,  ≈ gelbes Wasser: Man
machen.

das Alternativgeld.
lässt es aus dem Körper.
das G“tter, - 
, Metallkonstruktion

Details, die dem Besucher keine große Lust machen, dort mehrere Monate
lang zu leben. Im Zentrum des Bunkers stehen bis heute hohe, beige Git-
ter, dahinter liegen aber nur noch ein paar Kartons. Früher waren es einmal
1000. Heute stehen dort nur noch ein paar Kopien.
Denn die legendäre Notstandswährung gibt es schon lange nicht mehr.
Die Bundesbank hat alle Scheine von Dezember 1988 bis Januar 1989 heim-
lich abgeholt und geschreddert. Alle Scheine? Fast! Denn ein paar davon
gibt es doch noch. Im Dark­net bezahlen Menschen heute extrem hohe Sum-
men dafür, wie Petra Reuter erzählt.
Reuter sagt auch: „Der Bunker ist eine Lebensaufgabe, der wir uns ger-
ne stellen, weil es so viele Gestaltungsmöglichkeiten gibt.“ Der Satz über-
rascht. Denn sein Geld verdienen die Eheleute eigentlich mit einer Busfir-
ma mit Autowerkstatt. Aber das Projekt der Eltern scheint auch für andere
interessant zu sein – auch ihre beiden Söhne arbeiten heute daran mit.
Am Ende des Rundgangs zeigt Petra Reuter dem Besucher noch das alte
Schwimmbad. Dafür läuft sie schnell die Treppe nach oben bis zu einem
Foto: picture alliance/dpa/Thomas Frey

Plateau. Dort liegt der leere Pool. „Den wollten wir eigentlich sanieren“, sagt
sie. Aber die kalkulierten Kosten dafür waren viel zu hoch. Was jetzt mit
dem Pool passiert? Das ist unklar.
Dann geht Petra Reuter zu einem alten Pavillon, der direkt neben dem
Pool steht. „Der ist völlig marode und muss leider weichen“, sagt die 59-Jäh-
rige. Ein Glück aber, dass sie und ihr Mann das Potenzial des alten Bunkers
gesehen haben – und der nicht weichen musste.

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