Sie sind auf Seite 1von 32

Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Ziemlich beste Schwestern (Band 4) -


Volle Kanne Urlaub - Teil 2
Eine Geschichte von Sarah Welk mit Illustrationen von Sharon Harmer,
erschienen im arsEdition Verlag.
Hier kommt der zweite Teil der Geschichte.
Wie wir uns richtig über unser Ostergeschenk freuen und Mama auch etwas
findet
Als ich am Sonntagmorgen aufwache, pikse ich mit meinem Finger in Flos

Bauch, die liegt nämlich neben mir.

„Es ist Ostern", flüstere ich. „Wir müssen Sachen suchen!“

Flo klappt sofort die Augen auf und springt mit beiden Beinen gleichzeitig aus

dem Bett.

Was für ein Glück, dass wir auf dem Ausklappsofa im Wohnzimmer

übernachtet haben und nicht im Hochbett, sonst wäre sie jetzt aber ganz

schön weit runtergeplumpst!

„Guten Morgen, ihr Süßen“, hören wir Mamas Stimme aus dem Schlafzimmer,

und deshalb rennen Flo und ich natürlich sofort hin.

Papa und Mama sitzen im Himmelbett und hinter ihre Rücken sind die

1/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Kopfkissen gestopft und in der Hand halten sie die schönen blauen Becher

mit den aufgemalten Blumen.

„Stopp, langsam, nicht so wild!", ruft Papa uns entgegen und er klingt dabei

ziemlich aufgeregt. „Es ist heißer Kaffee in den Tassen!“

„Hast du schlechte Laune, Papa?“,

fragt Flo und hüpft mit einem großen

Sprung ins Himmelbett.

Papa stöhnt und reckt seinen Becher

hoch in die Luft.

Aber dann rückt er doch ein Stück zur

Seite, sodass Flo und ich zwischen

Mama und ihn passen.

Mama hebt mit einer Hand die Decke

hoch und Flo und ich krabbeln

darunter.

„War der Osterhase schon da?“, frage ich und kuschle mich an sie.

„Keine Ahnung", sagt Mama und guckt dabei Papa schief von der Seite an.

2/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

„Vielleicht müsste Papa mal nachgucken gehen!“

„Oder Mama“, antwortet Papa.

Mama zieht eine Schnute. Doch dann nimmt sie den letzten Schluck aus

ihrem Becher und springt aus dem Bett, dass es nur so quietscht und Papa

vor lauter Schreck seinen Kaffee ausprustet.

„Papa", frage ich schnell. „Glaubst du, dass die Flaschenpost rechtzeitig

angekommen ist?“

„Aber klaro!", murmelt Papa und leckt sich dabei Kaffee von der Hand. „Wir

haben die doch so weit ins Wasser geworfen, dass die sicher bis zur

Osterinsel geschwommen ist.“

Genau in dem Moment steckt Mama ihren Kopf durch den Türspalt.

„Ihr könnt kommen“, sagt sie und lächelt. Und dann rasen Flo und ich los.

Als Allererstes rennen wir natürlich zur Terrasse, denn dort haben wir unser

Osternest hingestellt.

Das ist immer das einfachste Versteck, weil da legt der Osterhase ja auf

jeden Fall etwas hinein.

3/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Wir sehen schon von der Tür aus, dass es blau glitzert, und es sind zwei

Schokoladeneier.

„Und jetzt gucke ich in der Schachtel von Knolle und Bolle nach!", ruft Flo, und

das ist natürlich eine gute Idee, weil da ja auch ein Nest drin ist.

Und tatsächlich: In dem kleinen Heukörbchen in der Kartonecke liegen vier

dicke Möhren und nur eine ist schon ein bisschen angeknabbert.

„Guck mal, Mimi", sagt Flo und streichelt dabei Knolles Fell. „Vielleicht hatte

der Osterhase auch selber Hunger und hat heimlich ein Stück abgebissen.“

Und das könnte natürlich gut sein.

Flo und ich entdecken auch noch Kaubonbonstangen im Kochtopf und bunte

Zuckereier im Eierkarton.

Und zwei große Schokoladenhasen

sind noch in der Dusche.

„Aber wo ist denn eigentlich unser

richtiges Geschenk?", fragt Flo.

„Welches richtige Geschenk?", fragt Mama.

4/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

„Das wir mit der Flaschenpost bestellt haben!", ruft Flo und klingt ein bisschen

ungeduldig.

„Du meinst, das Geschenk, das ihr euch GEWÜNSCHT habt?“, fragt Mama.

„Papa", ruft Flo. „Kannst du uns bitte einen Tipp geben?“

„Mein Name ist Hase, ich weiß von nix“, murmelt Papa und grinst.

Das soll ein Witz sein, weil in echt ist sein Name nämlich Thomas.

„Schaut doch mal draußen im Schuppen nach", schlägt Mama vor. „Oder in

der Garderobe. Oder im Kinderschlafzimmer.“

„Nein", antwortet Flo und zieht die Nase kraus. „Da stinkt’s.“

„Hä?" Mama zieht ihre Augenbrauen so weit nach oben, dass ihre Stirn ganz

faltig aussieht. „Was soll das heißen, 'da stinkt’s'?“

Flo zuckt mit den Achseln und rennt zur Garderobe.

Aber es stimmt wirklich, dass es im Kinderschlafzimmer ziemlich eklig riecht.

Keine Ahnung, warum, aber Flo und ich finden das auch nicht so schlimm.

5/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Wir schlafen ohnehin jede Nacht woanders, aber das habe ich euch ja schon

erzählt.

Flo öffnet die Garderobentür und schreit „Ahhhh!“.

Es ist also wirklich etwas drin! Mama guckt aber gar nicht.

Sie reißt gerade die Kinderzimmertür auf und schreit „Ihhhh!“.

Und dann hält sie sich mit den Fingern die Nase zu.

Aber ich renne natürlich zu Flo, und da hängen sie: die wirklich allertollsten

Taucherbrillen der Welt.

Sogar mit Schnorchel! Sie sehen beide ganz genau gleich aus und sie sind

knallrot.

Flo und ich setzen sie sofort auf und sie passen genau.

„MIMI! FLORENTINE! KOMMT IHR MAL BITTE?!", hören wir da Mamas

Stimme aus dem Kinderzimmer, und wir laufen sofort los, weil sie ja auch die

Taucherbrillen angucken soll.

„Könnt ihr mir erklären, warum es hier so riecht?", fragt Mama, aber dabei

6/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

schaut sie uns gar nicht an, sondern läuft stattdessen durchs Zimmer und

schnuppert an allen Sachen, sogar an der Heizung.

Plötzlich richtet Mama sich auf und reckt ihre Nase an die Schnurpost.

„Upsi", flüstert Flo und stößt mich in die Seite. „Ich wünsche mir, dass Mama

die Kiste nicht aufmacht.“

Ich gucke sie an. Ach du liebes bisschen! Da ist ja noch unser Fisch drin!

Ich beiße mir auf die Lippe und drehe den Kopf wieder zu Mama, weil die

nämlich leider gerade den Kartondeckel hochhebt.

„Uaaaaah", stöhnt sie und springt mit einem Riesenhopser nach hinten. „Ist

das ekelhaft!“

„Aber das ist ein Wunschfisch!“, sagt Flo zu Mama und legt den Kopf schief.

„Ich will nichts hören", zischt Mama so leise, dass ich sie kaum verstehen

kann. „Und zwar gar nichts. Ich will nur eins: dass dieser Fisch verschwindet.

Und zwar AUF DER STELLE.“

Und damit dreht sie sich auf dem Absatz um und marschiert hinaus.

7/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

„Hm", sagt Flo. „Ich halte die Tür auf und du trägst den Fisch in den Garten,

okay?“

Aber da sage ich, dass ich das auf keinen Fall mache.

„Und wenn ihr jetzt auch noch streitet„, ruft Mama aus der Küche, „dann flippe

ich aus.“

Flo verdreht die Augen zur Decke.

„Er stinkt fast gar nicht“, sagt sie dann mit so einer quetschigen Stimme und

drückt dabei die Taucherbrille noch ein bisschen fester auf ihre Nase.

Also ich finde, sie hat recht. Und Mama nicht.

Und deshalb nehmen wir die Kiste einfach beide und tragen sie zusammen

nach draußen und stellen sie ganz hinten in der Gartenecke hinter einem

Baum ab, weil da sieht sie ja niemand.

„Wir brauchen einen neuen Wunschfisch", sagt Flo anschließend zu mir. „Am

besten einen, der lebt. Dann funktioniert der auch besser.“

„Mama!“, fragt sie laut. »Gehen wir an den Strand? Mimi und ich wollen

unsere Taucherbrillen ausprobieren."

8/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

„Ganz sicher nicht", ruft Mama zurück. „Jetzt fahren wir in die Stadt und

gucken uns die Osterprozession an.“

Ich weiß gar nicht, was eine Osterprozession ist, aber Mama klingt immer

noch wütend, sodass ich lieber nicht weiter nachfrage.

„Pfff!“, stößt Flo hervor und verdreht die Augen.

Doch sie quengelt nicht weiter. Weil wenn Mama sauer ist, dann lässt sie sich

sowieso nicht überreden.

Der Marktplatz ist voller Menschen, alle rufen und reden durcheinander und

haben richtig gute Laune.

Nur Papa nicht, weil wir so lange einen Parkplatz gesucht haben.

Und Flo auch nicht, weil sie immer noch beleidigt ist.

Sie sieht ein bisschen lustig aus, sie schiebt ihre Unterlippe nach vorne und

ihre Augen wirken hinter der Taucherbrille ganz groß und ein bisschen

glupschig.

Ich trage meine Brille lieber in der Hand, weil mir das peinlich ist, wenn alle

mich anstarren.

9/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

„Schaut mal!", ruft Mama plötzlich und sie klingt wieder ganz vergnügt.

Dabei zeigt sie in eine Straße und gleichzeitig dreht sie sich zu Papa um.

„Hebst du mich mal hoch?“, bittet sie ihn. Also bestimmt will sie ein Foto mit

ihrem Handy machen.

„Du sollst mich auch hochheben“, sage ich zu Papa, weil ich nämlich

überhaupt nichts sehen kann.

„Nee", ruft Flo dazwischen. „Du sollst mich hochheben!“

Aber Papa stemmt schon Mama in die Luft.

„Wann bin ich denn dran?“, frage ich.

„Gleich“, stöhnt Papa, aber ich weiß nicht, ob das wirklich stimmt.

Ich drehe mich um, und da sehe ich fast direkt hinter uns einen Brunnen mit

einer Mauer drum herum.

Ich greife nach Flos Hand und ziehe sie hinter mir her.

Es ist gar nicht so schwierig, auf die Brunnenmauer zu klettern.

10/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Wir stellen uns auf die Zehenspitzen, und nun können wir auch sehen, was da

los ist.

Oben auf einem Hügel hopsen Männer in roten und gelben Anzügen herum,

und dahinter sind Leute, die eine Statue tragen.

Also irgendwie finde ich das nicht so interessant.

„Ich dachte, da ist was richtig Tolles“, murmelt Flo und geht in die Hocke.

11/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Ich setze mich neben sie und wir halten unsere Hände ins Brunnenwasser.

„Mama ist manchmal echt doof“, sagt Flo und baumelt mit den Beinen.

„Hmm“, antworte ich.

„Guck mal, Mimi!“, ruft Flo plötzlich und zeigt ins Wasser.

„Das sind Goldfische“, sage ich, weil ich das nämlich aus der Schule weiß.

„Nein, ich meine ganz unten!", ruft Flo. „Da liegt Geld! Mindestens zehn oder

tausend Euro!“

Ich kneife meine Augen ein bisschen zusammen und jetzt sehe ich es auch.

Unten im Brunnen liegen Geldstücke, und zwar nicht nur ein paar, sondern

richtig viele.

„Mimi!“, schreit Flo und auf einmal klingt sie richtig aufgeregt.

„Goldfische sind noch viel besser als Wunschfische! Die machen Geld selber!

Damit können wir uns alle Sachen kaufen, die wir haben wollen!"

Ich gucke Flo an und mein Herz fängt an zu klopfen.

12/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Stellt euch das mal vor! Wenn ihr einen Goldfisch hättet, und im Aquarium

liegt morgens einfach immer Geld, das man nur herausangeln muss!

Flo schiebt schon ihre Ärmel ganz nach oben und ihre Arme verschwinden bis

zu den Schultern im Wasser.

Aber die Fische hauen leider ab.

„Wir müssen runtertauchen, sonst können wir keinen fangen“, sagt Flo und

stemmt die nassen Hände in ihre Hüften.

„Aber ich weiß nicht, ob man das darf“, antworte ich.

„Natürlich darf man das", ruft Flo. „Im Freibad darf man das doch auch!“

Ich kaue auf meiner Unterlippe und bin mir nicht sicher, ob ich mich traue.

Aber Flo zieht sich schon ihr T-Shirt über den Kopf und schlüpft aus ihrer

Hose.

„Jetzt mach schon!", sagt sie mit so einer Befehlsstimme. „Und setz deine

Taucherbrille auf!“

Ich schaue mich um, aber es guckt sowieso keiner zu uns, sondern alle

13/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

starren auf diese komischen Hopsemänner, und deshalb schlüpfe ich so

schnell wie eine Rakete aus meinen Sachen.

Weil wenn wir erst mal unter Wasser sind, dann können uns die Leute ja gar

nicht mehr richtig sehen.

Flo nimmt meine Hand und ruft: „Eins, zwei, drei!"

Und bei „drei“ springt sie mit einem Riesensatz in den Brunnen und zieht mich

einfach mit.

Das Wasser ist so eiskalt, dass ich vor Schreck fast nicht mehr atmen kann.

„Ich treib sie zu dir und du schnappst dann einen!", schreit Flo und taucht ab.

Ich hole tief Luft, drücke die Taucherbrille fest auf meine Augen und nehme

den Kopf unter Wasser.

Ich sehe, wie Flo gerade auf mich zuschwimmt, und vor ihr und hinter ihr und

unter ihr sind richtig viele Goldfische.

Ich strecke die Arme aus und versuche, einen zu schnappen, aber leider sind

die flitzeschnell.

14/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Also so funktioniert das irgendwie nicht.

Ich glaube, wir brauchen ein Fischernetz oder so etwas.

Ich tippe Flo an und zeige mit dem Finger nach oben. Wir tauchen genau

gleichzeitig auf.

Ich hebe den Kopf aus dem Wasser, und erst kann ich gar nicht so richtig

gucken, weil meine Taucherbrille beschlägt.

Ich schiebe sie nach oben und kriege den allerallergrößten Schreck in

meinem ganzen Leben.

Weil ratet mal, was ich plötzlich sehe?

15/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Rund um den Brunnen stehen immer

noch die ganzen Leute, aber nicht

mehr mit dem Rücken zu uns, sondern

alle gucken uns an.

Dabei rufen sie ganz aufgeregt und

werfen die Hände in die Luft und ein

paar zeigen mit dem Finger auf uns.

Sie sehen aber nicht wütend aus oder

so, sondern die meisten lachen.

Eine Frau guckt ganz lieb und sagt

irgendwie so etwas wie: „Wjenitesoro, wjeni.“

Ich glaube, das soll heißen, dass wir herkommen sollen, weil sie dabei mit der

Hand winkt.

Aber das will ich auf keinen Fall, weil ich kenne die ja gar nicht!

„Gott sei Dank!“, höre ich da plötzlich eine Stimme, und gleichzeitig wird mein

Herz ganz froh, weil das ist nämlich Papas Stimme. „Julia, komm schnell!

Hier sind sie!“

16/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Er drängelt sich durch die Leute nach vorne und steht auf einmal direkt am

Brunnenrand.

Dann streckt er die Arme aus, und Flo und ich schwimmen hin, so schnell wir

können, und alle helfen uns beim Rausklettern, und wir umarmen Papa so doll

wir können und Papa uns auch und er wird ganz nass.

Und dann spüre ich plötzlich Mamas Arme an meinem Rücken.

„Was macht ihr denn für Sachen, ihr Hühnchen, wir haben euch gesucht, wir

haben uns solche Sorgen gemacht", sagt sie in meine Haare und umarmt

mich auch ganz fest.

Und die Leute klatschen und freuen sich und streicheln uns über die Haare

und eine Frau drückt uns sogar ein Geldstück in die Hand, und das ist

natürlich richtig toll, weil wir ja keinen Goldfisch erwischt haben. Und Flo und

ich sind ganz froh.

Wie Flo und ich einmal ein echtes Klohaus gebaut haben
Ich kann jetzt übrigens schon richtig gut Italienisch sprechen, ich weiß schon

vier Wörter.

Nämlich „Ciao„, das heißt Hallo, und „Grazie“, das bedeutet Danke, und

„Tesoro“, das hat eine Frau zu uns gesagt, als wir im Brunnen standen, aber

17/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

das habe ich euch ja schon erzählt. Also Tesoro heißt auf jeden Fall Schatz,

das hat Mama am Handy für mich nachgeguckt. Und dann noch „Siesta“.

„Wir machen jetzt Siesta“, sagt Mama nämlich immer, wenn sie und Papa

Mittagsschlaf machen wollen.

Flo und mir ist oft ein bisschen langweilig, weil wir dürfen dann nicht

rumschreien und auch nicht streiten, sondern nur malen oder Hörspiel hören

oder solche Sachen.

Aber hier in Italien ist ja gar kein CD-Player und wir haben auch nur fünf

Buntstifte eingepackt, und vier davon sind abgebrochen und der Anspitzer ist

irgendwie weg.

Deshalb wissen wir jetzt überhaupt nicht, was wir machen sollen.

Flo bohrt erst ein bisschen mit dem Finger in der Nase und springt dann vom

Stuhl auf.

„Ich muss Pipi“, sagt sie.

„Aber nicht abschließen“, rufe ich hinter ihr her, weil das sagt Papa auch

immer, wenn wir hier ins Badezimmer gehen.

18/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

„Du bist nicht der Bestimmer", schreit Flo über die Schulter zurück. „Und

außerdem kann ich die Tür ganz alleine wieder aufschließen, guck mal!“

Die Badezimmertür in unserem Ferienhaus ist richtig toll.

Da ist kein Schlüsselloch dran, sondern so ein Klickser, den kann man zur

Seite drehen, und schon ist die Tür verriegelt.

Jetzt steht die Tür aber weit offen und Flo lässt den Klickser die ganze Zeit

hin- und herschnappen und sagt dazu im Takt: „Auf, zu, auf, zu, auf!"

Und dann streckt sie mir die Zunge raus, knallt die Tür hinter sich zu und

schließt ab. Einfach so! Obwohl Papa das verboten hat!

Also das finde ich jetzt richtig doof.

Aber ich wecke Mama und Papa trotzdem nicht auf, weil ich nicht genau

weiß, ob das ein Notfall ist.

Flo klettert gerade wieder vom Klo, das kann ich hören.

„Du musst spülen!“, rufe ich, weil das vergisst sie nämlich immer.

Doch Flo antwortet gar nicht, stattdessen geht in dem Moment schon wieder

19/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

die Klinke nach unten.

Danach kommt so ein kleines Knirschgeräusch und dann ganz oft

nacheinander die Klinke, doch die Tür bleibt zu.

„Flo!“, rufe ich und laufe schnell zum Badezimmer. „Du musst den Klickser

drehen!“

Es knirscht noch einmal und dann höre ich Flos Stimme.

„Aber der geht nicht", jammert sie. „Der ist kaputt.“

Ach du liebes bisschen! Ich drücke die Klinke von außen herunter und rüttle

auch noch einmal, aber es rührt sich nichts.

Die Tür ist wirklich ganz und gar abgeschlossen.

„Ich hol Mama!“, rufe ich.

„Auf keinen Fall", schreit Flo. „Du musst mir helfen!“

Ich gehe in die Hocke und denke nach. Flo ist im Bad eingeschlossen und die

Tür ist kaputt.

20/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

„Warte mal kurz!“, sage ich laut und renne so schnell ich kann nach draußen

in den Garten.

Da ist nämlich das Badezimmerfenster.

Es ist ziemlich weit oben, aber wenn ich mich auf die Zehenspitzen stelle,

komme ich dran.

„Flo", rufe ich und klopfe dabei an die Scheibe. „Mach das Fenster auf! Dann

kannst du raussteigen.“

21/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Im Notfall könnten wir ab jetzt ja einfach immer durchs Fenster ins Bad

klettern, auch Mama und Papa.

Das wäre sogar ziemlich lustig, finde ich. Ich höre so ein kleines Rumpeln und

dann geht die Scheibe auf.

Aber leider nicht richtig, sondern nur auf kipp, also dass da so ein kleiner

Schlitz ist.

„Da pass ich nicht durch“, jammert Flo.

Ich beiße mir auf die Unterlippe.

„Flo", sage ich dann mit einer ganz lieben Stimme, weil sie mir jetzt richtig

leidtut. „Vielleicht musst du heute im Badezimmer übernachten.“

„Aber hier ist ja gar kein Bett", schnieft Flo. „Und ich habe auch nichts zum

Essen! Und meine Schmusedecke ist auch nicht hier! Ohne Schmusedecke

kann ich auf keinen Fall schlafen!“

Flos Stimme klingt so, als müsste sie gleich richtig weinen.

„Aber Flo", versuche ich sie zu trösten. „Ich schmeiße dir die Sachen einfach

durch den Fensterschlitz! Und du kannst dann alles einrichten, als wäre das

22/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

dein ganz eigenes Haus!“

Hinter der Scheibe ist es jetzt still. „Flo?“, frage ich.

„Also gut", antwortet Flo schließlich und zieht die Nase hoch. „Aber du muss

mir richtig tolle Sachen durchs Fenster werfen! Auch Möbel!“

Ich glaube zwar nicht, dass ich da echte Möbel durchkriege, aber das sage ich

lieber nicht, damit Flo nicht wieder traurig wird.

„Ich komme gleich zurück!“, rufe ich und renne ins Haus.

Ich gehe durch alle Räume, außer natürlich ins Schlafzimmer von Mama und

Papa, und überlege mir, was Flo brauchen könnte.

Und ich finde richtig gute Sachen!

Als Erstes quetsche ich zwei Sofakissen durch den Fensterschlitz.

Flo zieht von der anderen Seite, und schon sind sie verschwunden.

„Die kannst du auf den Klodeckel legen!“, rufe ich. „Dann ist das ein richtiger

Sessel.“

Danach kommen alle Dinge, die Flo für ihre Küche braucht, nämlich ein

23/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Schwamm, Spülmittel, ein Geschirrhandtuch, fünf Teller, drei Becher und zwei

Gläser und ziemlich viele Gabeln und Messer und Löffel, falls mal jemand zu

Besuch kommt.

„Ich brauche auch noch was zum Essen!", ruft Flo. „Weil die Dusche ist

nämlich meine Speisekammer.“

Und das ist eine gute Idee, finde ich, denn Speisekammern sind in echt ja

auch nicht so groß.

In der wirklichen Küche finde ich Schokoladenkuchen und zwei Stücke Pizza,

die sind zwar kalt, aber das schmeckt trotzdem gut.

Und dann nehme ich auch noch eine große Knackwurst und ein Stück

Parmesan mit, weil Flo mag nämlich gerne Käse.

„Jetzt fehlt nur noch mein Bett!“, sagt Flo.

Also manchmal ist Flo wirklich noch ziemlich klein. Wie soll ich denn bitte ein

ganzes Bett durch den Fensterschlitz kriegen?

„Du schläfst in der Badewanne!“, rufe ich schnell.

Ich flitze wieder ins Haus und schnappe mir Flos richtige Bettdecke und ihre

24/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Schmusedecke natürlich noch dazu.

Neben dem Sofa steht ein Hocker, den kann man zusammenklappen, und

deshalb nehme ich ihn auch mit, weil das nämlich ein richtig guter Nachttisch

ist.

Als Erstes stecke ich Flos Schmusedecke durch den Fensterschlitz.

Sie hakt ein bisschen, aber dann höre ich „ritsch“ und sie ist weg.

Doch das mit der Bettdecke ist irgendwie schwieriger, als ich dachte. Die ist

so groß und dick!

„Du musst doller ziehen!“, rufe ich, und gleichzeitig probiere ich, möglichst viel

Stoff auf einmal durch die Ritze zu stopfen.

„Aber das geht nicht!“, schreit Flo. Und das stimmt.

Ungefähr die Hälfte der Decke hängt noch im Garten, aber weil Flo so

gezogen hat, ist sie in der Mitte zusammengeknüddelt und klemmt jetzt ganz

fest im Fenster.

„Dann kommt erst mal der Nachttisch!“, rufe ich und schiebe den

zusammengeklappten Hocker über der Decke durch den Fensterschlitz.

25/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Aber irgendwie geht das auch nicht. Ich drücke und drücke, doch er steckt

über der Decke fest und rührt sich nicht mehr, und zwar nicht das allerkleinste

bisschen.

Und da höre ich, wie die Klinke der Badezimmertür von außen

hinuntergedrückt wird, und außerdem Papas Stimme, und die sagt: »Seid ihr

da drin? Habt ihr abgeschlossen? Mimi und Flo, macht bitte die Tür auf, hört

ihr? MIMI! FLO!"

„Aber ich bin ja gar nicht im Bad, Papa“, rufe ich. „Ich bin doch im Garten!“

Eine Sekunde später taucht Papas Kopf an der Terrassentür auf. Er starrt

mich an und sein Mund klappt auf und dann wieder zu.

„A-a-a-ber Mimi? Was machst du denn da?", stammelt er, und dabei fasst er

sich mit beiden Händen in die Haare, sodass sie wieder in alle Richtungen

abstehen.

„Kannst du mir helfen, Papa?„, frage ich. „Die Bettdecke steckt fest! Und der

Nachttisch auch!“

„Ich schlafe heute im Badezimmer!", kräht Flo ganz vergnügt hinter dem

Fenster. „Weil die Tür geht nämlich nicht mehr auf!“

26/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

„Aber das geht doch nicht!", ruft Papa. „Du kannst doch nicht den ganzen

Urlaub im Badezimmer bleiben!“

„Aber warum denn nicht, Papa?", kichert Flo. „Mimi und ich haben ein

richtiges Klohaus eingerichtet! Sogar mit Speisekammer! Und ich kann mich

ja auch einfach mit Handtüchern zudecken!“

„Ich brauche Werkzeug“, murmelt Papa und rennt nach drinnen.

Aber leider gibt es im ganzen Haus keinen Hammer und keinen

Schraubenzieher und noch nicht einmal einen winzigen Nagel.

Papa findet nur ein Buttermesser, das ist vorne so rund, und jetzt steht er vor

der Badezimmertür und versucht, die Schraube vom Klickser zu drehen.

„Alles gut bei dir, Schatz?“, ruft Mama.

„Geht so“, stöhnt Papa, aber ich glaube, Mama meinte gar nicht ihn.

„Alles super!“, schmatzt Flo, weil sie wahrscheinlich gerade zu Mittag isst.

Ein ganz kleines bisschen bin ich neidisch auf sie, weil ein echtes Klohaus

finde ich nämlich richtig toll. Und da passiert es.

27/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

„UUUUUAAAAAAHHH!“, brüllt es plötzlich aus dem Bad, und zwar so laut,

dass ich vor lauter Schreck die Hände auf meine Ohren presse.

„Was ist passiert?“, schreien Mama und Papa gleichzeitig, aber Flo antwortet

nicht.

Stattdessen brüllt sie noch lauter und dazu schluchzt sie und jammert „Oh

nein, oh nein!".

Und dann kreischt sie los wie eine Sirene.

„Flo!“, brüllt Papa und läuft dabei ans andere Ende des Flurs. „Geh von der Tür

weg!“

„Platz da!“, schreit er noch und dann rast er auf die Badezimmertür zu.

„Thomas!", ruft Mama. „Du kannst doch nicht …“

Aber da ist es schon zu spät. Papa kracht volle Kanone mit seiner Schulter

gegen das Holz.

Es splittert und knirscht und dann springt die Tür einfach auf und donnert

gegen die Wand.

28/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Also Papa ist echt ganz schön stark.

Flo sitzt auf dem Klosessel.

In der einen Hand hält sie die

Knackwurst und mit der anderen reckt

sie Mama ihre Schmusedecke

entgegen.

„Da ist ein Loch drihihihin“, schluchzt

sie. „Meine Schmusedecke ist

kapuhuhuhutt.“

„Das kommt vielleicht vom

Fensterschlit"«, sage ich schnell. „Aber

Mama kann das bestimmt wieder reparieren.“

Wenn Flo so doll weint, dann fühlt sich das immer ganz grummelig in meinem

Bauch an.

Mama nickt und dabei wischt sie Flo mit der einen Hand die Tränen ab und

mit der anderen streicht sie mir durch die Haare.

„Und das ist alles, Flo?", stöhnt Papa und reibt sich die Schulter. „Ich dachte,

29/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

es wäre was richtig Schlimmes passiert.“

Aber da sagen Flo und ich, dass das mit der Schmusedecke wirklich schlimm

ist, und Mama findet das auch.

Papa guckt ein bisschen grimmig, aber dann hilft er uns doch, den Nachttisch

und die Federdecke aus dem Fensterschlitz zu ziehen.

Und danach repariert Mama Flos Schmusedecke, und Flo und ich schleppen

auch noch zwei Matratzen ins Badezimmer, weil heute übernachten wir

nämlich in echt da.

Und wir spielen den ganzen Nachmittag in unserem Klohaus und unser

Abendbrot holen wir uns einfach aus unserer eigenen Speisekammer.

Das ist wirklich richtig toll. Und Flo und ich sind ganz froh.

Wie es weiter geht, erfahrt ihr in der nächsten Geschichte.

30/32
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Ziemlich beste Schwestern (Band 4) - Volle Kanne


Urlaub - Teil 2
Geschichte aus: Ziemlich beste Schwestern (Band 4) - Volle
Kanne Urlaub
Autor: Sarah Welk
Illustration: Sharon Harmer
Verlag: arsEdition
Alterseinstufung: ab 7 Jahren
ISBN: 978-3-8458-2742-1

31/32
Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)

Das könnte Ihnen auch gefallen