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von Peter Carstens
22.08.2018, 14:29 Uhr
Die Idee, mit ressourcen- und energiesparenden Produkten der Umwelt zu helfen, ist
gut 25 Jahre alt. Funktioniert hat sie noch nie, meint GEO.de-Redakteur Peter
Carstens
Bei den privaten Emissionen gibt es eine enorme Bandbreite. Wer sparsam lebt,
erzeugt vielleicht nur fünf Tonnen im Jahr, andere locker das Dreifache oder mehr.
Wenn diese Schwergewichte dazu gebracht werden könnten, in den wichtigsten
Bereichen – Wärme, Strom, Mobilität – abzuspecken, wäre viel gewonnen. Nur:
keiner wird das freiwillig machen. Und schon gar nicht in allen relevanten Bereichen.
Der größere Teil des enormen Potenzials wird schlicht und einfach nicht zu heben
sein. In den allermeisten Fällen wird es bei Symbolhandlungen bleiben. Der
Klassiker: Einkauf im Bio-Hofladen mit dem SUV.
Grüne Produkte könnten helfen, Energie und Ressourcen zu sparen. Tun sie aber
nicht - weil wir von allem immer mehr brauchen: "Die Ansprüche der
Konsumentinnen und Konsumenten an Wohnraum, Ausstattung, individuelle
Mobilität und Ernährung steigen seit Jahren an. Pro Kopf steigt die Wohnfläche
kontinuierlich an, elektronische Geräte werden vermehrt angeschafft und häufiger
genutzt, es werden längere Wege zurückgelegt, und der Fleischkonsum ist anhaltend
hoch", schreibt das Umweltbundesamt. Offenbar ist nicht nur der Konsum das
Problem. Sondern auch unsere Ansprüche.
4. Umweltbewusstsein hin oder her: Wer viel verdient, schädigt die Umwelt
mehr.
Fliegen war mal verpönt - als diejenige Verhaltensweise, mit der wir in kürzester Zeit
am meisten Schaden für das Klima anrichten können. Seit wir bei atmosfair und Co.
die Schweinerei vermeintlich wiedergutmachen können, ist fliegen moralisch wieder
erschwinglich – und nur unmerklich teurer: Günstig jetten mit gutem Gefühl. Begrenzt
wird der Flugverkehr dadurch nicht. Im Gegenteil: Bis 2035 könnte sich
nach Berechnungen von Experten der Flugverkehr in Europa - und die Emissionen
daraus - verdoppeln.
Seit ruchbar wurde, dass unser Konsum der Umwelt schadet, versuchen Hersteller,
den Absatz ihrer Produkte mit grünen Versprechen anzukurbeln. Während Bio-Siegel
und andere Label zumindest handfeste Mindeststandards garantieren, ist die
Stichhaltigkeit von labbrigen Nachhaltigkeitsversprechen à la "Wir tun was für die
Umwelt" für den Konsumenten meist nicht zu durchschauen. Ein Beispiel: Wer
"Ökostrom" von einem der großen Versorger bezieht, tut nicht unbedingt etwas für
die Energiewende. Denn viele Anbieter verschieben nur den Anteil an billiger
Wasserkraft, den sie ohnehin beziehen, auf das Öko-Kundenkonto. Andere Kunden
erhalten dadurch anteilig mehr Atom- und Kohlestrom. Für die Umwelt gewonnen ist
damit nichts.
Bewusst einkaufen ist sehr kompliziert geworden. Und überfordert viele. Eine Folge:
Es gibt immer mehr aufgeklärte Konsumenten, die wirklich was für die Umwelt tun
wollen. Gleichzeitig gibt es immer mehr Egal- und Hauptsache-billig-Konsumenten.
Unter dem Strich verliert die Umwelt. Es gibt immer mehr Radler, immer mehr
Führerschein-Verweigerer, autolose Menschen und Carsharer – aber auch immer
mehr schwere Autos auf immer mehr Straßen, immer mehr Einfamilienhäuser auf der
grünen Wiese und Flugreisen in ferne Länder.
Bioläden sehen heute aus wie ganz normale Supermärkte: Regale voll mit
überflüssigen Putz- und Waschmitteln, natürlich alle super biologisch abbaubar,
Kartoffeln aus Ägypten, Avocado aus Peru, regalweise Kaffee und Schokolade
aus Südamerika oder Afrika. So macht bio Spaß, so lässt es sich herrlich
unbeschwert shoppen. Wie früher eben. Blöd nur, dass ein wachsender Teil dieses
Sortiments mittlerweile nicht mehr aus Deutschland stammt, dass wir für unsere
Produkte immer mehr Flächen und Wasser in ärmeren Ländern beanspruchen.
Früher nervte der erhobene Zeigefinger. Heute sagt man: "Fang einfach
an und genieße und rette die Welt". Klingt gechillt. Aber ein echter Anreiz,
irgendetwas zu ändern, ist dieser Slogan auch nicht. Er nervt nur nicht mehr. So
haben alle ihre Ruhe: die Nachhaltigkeits-Prediger, die jetzt nicht mehr als
Moralapostel beschimpft werden können, und ihre Schäfchen, die nur noch
niedrigschwellige Angebote erhalten. Die sie getrost ignorieren dürfen. Was sie dann
auch tun.
12. Solange die Preise nicht die Wahrheit sagen, wird die Produktion
umweltschädlich bleiben.
Am Ende entscheidet immer der Preis. Auch wenn viele Konsumenten sich gegen
die Verlockung stemmen, zum billigeren und umweltschädlichen Produkt zu greifen:
Hier muss die Politik eingreifen. Ihre Aufgabe ist es, im Sinne von Nachhaltigkeit und
Tierschutz dafür zu sorgen, dass die wahren (Umwelt-)Kosten der Billigproduktion in
den Verkaufspreis einfließen. Wenn im Preis von Fleisch alle Klima- und
Umweltschäden enthalten wären (vom Tierleid ganz zu schweigen), wäre mit einem
Schlag ein riesiger Posten unserer ernährungsbedingten Emissionen erledigt.
Die Debatte, ob und inwiefern Konsum auch politisch ist, ist so alt wie die Idee des
nachhaltigen Konsums. Aber es hilft nichts: Wir werden mit dem Kassenzettel keine
drastischen Geschwindigkeitsbegrenzungen, kein Straßenbau-Moratorium erwirken,
keine CO2-Steuer einführen oder gar Emissions-Budgets für jeden. Das
Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Wind- und Sonnenstrom zum Durchbruch
verholfen hat, ist nicht das Ergebnis einer Konsumenten-Petition mit dem
Rechnungsbeleg. Sondern politische Rahmensetzung.
14. Die Idee des nachhaltigen Konsums verkennt das Wesen der
Konsumgesellschaft.
Deren Antrieb ist: Immer mehr in immer kürzerer Zeit. Um diesen Anspruch zu
realisieren, müssen permanent neue Bedürfnisse geweckt werden - um die
Nachfrage nach immer neuen Produkten aufrecht zu erhalten. Nachhaltig wäre
genau das Gegenteil: nicht konsumieren. Sondern Dinge pflegen, reparieren,
tauschen, lange nutzen. Wer Nachhaltigkeit will, sollte auf Wirtschaftswachstum
verzichten können. Wie wir auch ohne Wachstum gut leben können, das erzählen
uns Postwachstumsökonomen seit Jahren. Nur hört irgendwie niemand zu.