Sie sind auf Seite 1von 12

Neurobiologie Unser menschliches Gehirn ist ein

informationsverarbeitendes Netzwerk,
das jeden noch so modernen Computer
primitiv erscheinen lässt.
Es besteht schätzungsweise aus über
100 Milliarden Nervenzellen.

Nervenzellen kommunizieren miteinan­ Bei der zweiten Art der Kommunikation


der. Sie verwenden zwei „Sprachen“, um sind Informationen chemisch verschlüs­
sich miteinander zu verständigen. selt. An den Kontaktstellen der Nerven­ Abermilliarden Schaltungen zwischen
zellen werden Botenstoffe freigesetzt. den Nervenzellen sammeln Informa­
Die erste „Sprache“ der Nervenzelle ist Diese Moleküle binden an Rezeptoren tionen, vergleichen, verstärken oder
der Nervenimpuls, auch Aktionspotenzi­ in der Membran der nachgeschalteten unterdrücken und speichern sie.
al genannt. Ein elektrischer Impuls, der Nervenzelle und bewirken dort einen
sich entlang der Nervenfaser fortpflanzt. elektrischen Stromfluss.

Zusammen mit Computerherstellern


haben Wissenschaftler der Bioche­
mie einen Neurochip gebaut. Mit bis­
lang unerreichter Genauigkeit kann
der Mikrochip Impulse einer einzigen
Nervenzelle aufnehmen und diese
zur Weiterverarbeitung an einen
Computer vermitteln. Ein Mittel zur Analyse von Gehirnaktivitäten stellt die Messung der
Gehirnströme dar. Mit einem EEG werden Spannungsschwankungen
an der Kopfoberfläche gemessen.

Die Vision vom Neurochip, der die menschliche Intel­


ligenz oder unser Gedächtnis verbessert, ist jedoch
Sciene Fiction.

130    131
1 Struktur und Funktion von Neuronen und Synapsen ���� ������������� ����

Das Neuron �������

Nervenfaser Die wichtigsten Bauelemente eines Nerven­


��������� ����������������������� ���� �������������
Axon mit umgebenden systems sind die Nervenzellen, die Neurone ��
Hüllzellen (c s. S. 172). Diese Zellen können elektri­ ����������
sche Erregungen erzeugen, verarbeiten und ������������ �����������
Nervenzelle weiterleiten. Man unterteilt sie in drei funk­ ��������
auch Neuron genannt; tionelle Hauptklassen. Die sensorischen ���� ������������� ����
spezialisierte Zelle �����������
Neurone übertragen Informationen von den
für die Verarbeitung
und Weiterleitung von
Sinneszellen in das Zentralnervensystem. ���������

Erregungen Über Motoneurone werden Befehle in Form


elektrischer Signale an ausführende Organe

���������������������������������������
Nerv geschickt. Interneurone verbinden vor  allem
Bündel von Nerven­ im Zentralnervensystem die sensorischen �� ����������������������� ���� �������������
fasern, umgeben von Nervenzellen mit den motorischen. Die Spe­ Tintenfisch Loligo 1 Marklose (A) und markhaltige Nervenfasern (B) des Menschen
Bindegewebe zialisierung der verschiedenen Neurone
��������
aufgrund ihrer unterschiedlichen Funkti­
onen zeigt sich unter anderem in ihrer Form �����������

(Randspalte). Ihre Länge reicht von weni­ ����


Marklose und markhaltige Nervenfasern
gen Mikrometern bei Interneuronen bis über ����������
einem Meter bei motorischen und senso­ Alle Nerven wirbelloser Tiere bestehen aus den. Sie wird gebildet von speziellen Gliazel­
rischen Neuronen. Dennoch kann die Viel­ marklosen Nervenfasern. Sie sind nur locker len, die nach ihrem Entdecker Theodor Sch-
falt der Nervenzellen auf einen einheitlichen in Gliazellen eingebettet. Die Bezeichnung wann (1810—1882), der den Bau von Ner­
����
typischen Bauplan zurückgeführt werden „marklos“ ist demnach eigentlich irrefüh­ venzellen erforschte, Schwann’sche Zellen
���������
(Abb. 1). �����������
rend, da auch sie eine Myelinscheide besit­ genannt. Bis zum zweiten Lebensjahr eines
������������ zen, allerdings mit nur einer nicht ganz voll­ Menschen haben die Gliazellen das Axon
����������
������ Das Neuron ist gegliedert in einen Zellkör- ständigen, isolierenden Wicklung (Abb.1, mehrfach umschlungen (Abb. 1, rechts). Da
per und Zellfortsätze. Der Zellkörper, auch links). Auch einige Neuronen des vegeta­ Zellmembranen überwiegend aus Lipiden
Riesen-
Soma genannt, enthält unter anderem den axon tiven Nervensystems der Wirbeltiere sind bestehen, die eine geringe elektrische Leit­
Zellkern. Bei den Zellfortsätzen werden Den- marklos. Dies sind z. B. Nervenzellen, die die fähigkeit besitzen, kommt es durch die My­
driten und Axon unterschieden. Dendriten ����
glatte Muskulatur des menschlichen Darm­ elinschicht zu einer elektrischen Isolierung
leiten Erregungen zum Zellkörper hin, das ����� traktes innervieren. Für die Darmperistaltik des Axons.
Axon leitet Erregungen von ihm weg. ist eine langsame, kontinuierliche Erregung
notwendig, die durch solche marklose Ner­ Die Gliazellen können 1 bis 3 mm breit wer­
Dendriten bilden oft weit verzweigte Fortsät­ venzellen ermöglicht wird. den. Zwischen zwei Schwann’schen Zel­
ze von selten mehr als 2 mm Länge. Sie sind Marklose Nervenfa­ len ist ein etwa 1 µm schmaler, myelinfreier
sern können sehr dick
������
in der Nähe des Zellkörpers meistens dicker werden.
Die meisten erregungsleitenden Axone der Bereich, an dem das Axon nicht isoliert ist.
������ als das Axon, verjüngen sich aber nach je­ 1 Bauplan eines Neurons Die Axone der sensorischen und motorischen Nervenzellen Diese Bereiche entdeckte der französische
der Gabelung mehr und mehr. Das Axon ist Tintenfischgattung sind bei den Wirbeltieren durch Lagen von Histologe Louis Antoine Ranvier (1835—1922),
oft wesentlich länger als die Dendriten. Ein Loligo besitzen einen Zellmembranen (Myelin) fest umwickelt. Di­ und bezeichnete sie als „Einschnürungen“.
Neuron besitzt meist nur ein einziges Axon besonders großen ese Markscheide bzw. Myelinscheide beginnt Sie werden heute als Ranvier’scher Schnür-
mit einem kegelförmigen Ursprungsbereich, aus. Das Axon mit den umgebenden Gliazel­ Durchmesser von bis sich bereits beim menschlichen Fötus zu bil­ ring bezeichnet.
dem Axonhügel. Viele Axone verzweigen len wird Nervenfaser (c s. S. 172) genannt. zu 1mm und sind da­
sich am Ende. Diese Verzweigung nennt man Viele dieser einzelnen Fasern bilden gebün­ her für experimentelle
������� Kollaterale. An jedem Axonende befindet delt und von Bindegewebe umgeben einen Untersuchungen sehr Nerven­ Faserdurch­ mittlere Leitungsge­ Beispiele
���� gut geeignet. fasertyp messer (µm) schwindigkeit (m/s)
sich eine Verdickung. Diese Endknöpfchen Nerv.
bilden Verbindungen (Synapsen), in denen nicht myeli­ 1 1 langsame Schmerzfaser (Säuger)
Informationen zum Beispiel auf ein anderes Man unterscheidet markhaltige von marklosen Gliazelle nisiert
700 25 Riesenfaser (Tintenfisch)
Neuron oder auf Muskelfasern übertragen Nervenfasern (s. S. 133, Abb. 1). Beide be­ Glia,
werden. sitzen Gliazellen, die der marklosen sind je­ gr. = Leim myelinisiert 3 15 sensorische Fasern von Mechanorezep­
����������� doch bei weitem einfacher gebaut, so dass toren des Muskels (Säuger)
������
Nervenzellen sind von sogenannten Gliazel- deren isolierende Wirkung nur gering ist. Myelinscheide 9 60 Berührungsempfindungen der Haut
len umgeben. Es gibt schätzungsweise 10 Myelinos,
gr. = markhaltig 13 80 sensorische Faser von den Muskelspindeln
bis 50-mal so viele Gliazellen wie Neurone. Die Gliazellen spielen eine wichtige Rolle bei (Säuger)
Sie stützen und ernähren die Nervenzellen einigen Erkrankungen des menschlichen
und sorgen für die elektrische Isolation. Dies Nervensystems wie zum Beispiel der Multi­ 13 30 Faser im Rückenmark (Frosch)
������ wirkt sich auf die Leitungsfähigkeit des Axons plen Sklerose. (s. S. 150). 2 Beispiele für die mittlere Leitungsgeschwindigkeit unterschiedlicher Neurone

132  Neurobiologie    Neurobiologie  133


������������
���������
���
�����
Das Ruhepotenzial Entstehung des Ruhepotenzials einzigen Ionen, die die Membran passie­
��������
����
ren können. Na+-Ionen werden auf Grund
Bereits im 18. Jahrhundert beobachtete der Untersuchungen, bei denen radioaktiv mar­ ihres Konzentrationsgradienten und des elek­
�����������
���
������
Forscher Luigi Galvani eine Kontraktion am kierte Kalium- und Natriumionen entweder trischen Gradienten in den Axon-Innenraum
Froschschenkel, während er die freigelegten extra- oder intrazellulär zugeführt wurden, fließen. Dieser Einstrom ist jedoch aufgrund
Beinnerven des Frosches mit seinem Metall­ zeigten, dass ein Teil dieser Ionen anschlie­ der geringen Permeabilität der Membran für
����������
besteck berührte. Er führte diese Beobach­ ßend auf jeweils der anderen Seite der Axon­ Natriumionen so schwach, dass das Membran­
tung auf „tierische Elektrizität“ zurück, konn­ membran zu finden war. Die Permeabilität für potenzial nur einen geringfügig positiveren
te die auftretenden Spannungen aber noch die einzelnen Ionen ist an der nicht erregten Wert als das Kaliumgleichgewichtspotenzial
������� ���������
nicht messen. 1939 gelang es Alan Hodkin Axonmembran jedoch verschieden. Für Na+- annimmt. Auch der Einfluss der Cl--Ionen,
��������� ���������
�������� und Andrew Huxley Spannungen an den Rie­ Ionen beträgt sie nur 4 % der Permeabilität sowie der organischen Anionen ist so un­
������
senaxonen des Tintenfisches der Gattung für K+-Ionen. Die großen organischen An­ bedeutend, dass man vereinfachend die Be­
Loligo (s. S. 133) zu messen. Mithilfe der ionen (A-), wie z. B. Proteine oder Amino­ hauptung aufstellen kann, das Membranpo­
Glaskapillar-Methode und Messverstärkern säuren können dagegen die Membran über­ tenzial eines Neurons wird von dem Kalium­
konnten die Wissenschaftler die am Axon haupt nicht durchqueren. gleichgewichtspotenzial dominiert. Dieses
auftretenden Potenziale exakt bestimmen. „ruhende“ Membranpotenzial nennt man Ru-
����������� �������
������������ ���� Diese unterschiedliche Permeabilität kommt hepotenzial (c s. S. 173).
1 Messung des Ruhepotentials durch selektive Ionenkanäle zustande. Es
Membranpotenzial 1 K+-Ion (oben) bzw. wurden verschiedene Kanalproteine nachge­
Na+-Ion (unten) in Natrium-Kalium-Pumpe
Befinden sich beide Mikroelektroden au­ wiesen, die in der Lipidschicht der Zellmem­
einem Kanal-Protein
ßerhalb der Membran in der umgebenden bran liegen und jeweils nur eine Ionenart Wird die Bildung von ATP durch Zellgifte be­
����� Flüssigkeit, so tritt zwischen ihnen keine hindurchlassen. Durch jede Kanalpore passt hindert, zeigt sich, dass sich das Ruhepoten­
������������������ ������������������ Spannungsdifferenz auf. Wird eine der bei­ eine spezifische Ionen-Art einer bestimmten zial langsam abbaut. Der geringfügige, aber
��� ���������� ��� ���� den Mikroelektroden durch die Axonmem­ Größe und Ladung, da die hindurchflie­ kontinuierliche Na+-Ionen-Einstrom erhöht
�� ������������ ��� ���� bran eingestochen, so stellt man eine Span­ ßenden Ionen einen engen Kontakt zu den auf Dauer die Na+-Ionen-Konzentration auf
��� ���������� nungsdifferenz zwischen der Innen- und Au­ Wänden des Kanals halten müssen (Abb. 1). der Membran-Innenseite. Die negative La­
�� ßenseite der Membran fest (Abb. 1). Die hohe Permeabilität für K+-Ionen lässt dung der Innenseite nimmt ab, was wiede­
darauf schließen, dass verhältnismäßig viele rum einen gesteigerten K+-Ionen-Ausstrom
����� Eine Spannung ist eine elektrische Poten­ K+-Kanäle in der Membran vorliegen. und damit eine Abnahme der internen K+-
������� zialdifferenz. Bei den Messungen am Axon Ionen-Konzentration zur Folge hat.
������ liegt dieser Ladungsunterschied zwischen Da die Konzentration der K+-Ionen auf der
������� der Außenseite und der Innenseite der Mem­ ������������� Innenseite der Axonmembran etwa 30fach Diese Ionenleckströme durch die Axonmem­
��� ����������� bran. Man nennt diese Spannung das Mem- größer ist als auf der Außenseite (Konzen- bran werden im intakten Neuron durch einen
����
�� ���������� branpotenzial. Das Potenzial der außen lie­ trationsgradient), ist die Wahrscheinlichkeit, aktiven, Energie benötigenden Transport­
��� ����������� genden Bezugselektrode wird willkürlich als dass ein K+-Ion von innen nach außen den mechanismus, die Natrium-Kalium-Pumpe
�� ���������� Null definiert. Für die Innenseite der Mem­ Kanal durchquert, ebenfalls etwa 30mal hö­ (Abb. 2) ausgeglichen. Ohne sie würden
����
bran ergibt sich ein Potenzial im Bereich von her als umgekehrt. Jedes K+-Ion, das sich sich die Ionenkonzentrationen langsam ega­
����� -50 bis -100 mV. Die Innenseite der Axon­ durch den Ionenkanal von innen nach außen lisieren und damit würde das Membranpo­
2 Ionenverteilung und relative Permeabilität membran ist also gegenüber der Außenseite bewegt, entfernt eine positive Ladung von tenzial gegen Null gehen. Die Pumpe ist ein
negativ geladen. ���
der Membran-Innenseite. Diese wird also re­ Membranprotein, das Na+-Ionen aus der

lativ zur Außenseite der Membran negativ ge­ Zelle und K+-Ionen in die Zelle transportiert.
Eine Voraussetzung für die Bildung eines laden. Es kommt zu einer Ladungstrennung, Die dazu notwendige Energie liefert ATP.
Membranpotenzials ist die unterschiedliche ��� ein Membranpotenzial wird aufgebaut. Die hier beschriebene Ionenpumpe tauscht,
Konzentration von positiv bzw. negativ ge­ dem Leckstromverhältnis entsprechend, in
ladenen Ionen an der Membran. Innerhalb Ein elektrischer Gradient baut sich auf. Die­ einem Pumpzyklus drei Na+-Ionen gegen
des Axons ist die Konzentration positiv ge­ ��� ser wirkt dem Konzentrationsgradienten ent­ zwei K+-Ionen aus.
ladener Kalium-Ionen (K+) und negativ gela­ �
gegen, weil positiv geladene K+-Ionen von
dener organischer Anionen (A-) hoch, außer­ ��
der negativen Ladung der Membran-Innen­
Aufgabe
halb die von Natriumionen (Na+) und Chlori­ seite angezogen werden. Dies führt letztlich
dionen (Cl-). Eine weitere Voraussetzung für zu einem Zustand, bei dem beide Vorgänge 1 Erklären Sie im Blick auf die Konzentra­
den Aufbau einer Spannungsdifferenz ist die im Gleichgewicht stehen. Der Ausstrom, be­ tionsverhältnisse und den elektrischen
unterschiedliche Durchlässigkeit der Mem­ dingt durch das Konzentrationsgefälle, ent­ Gradienten, weshalb die Chloridionen
bran für bestimmte Ionen. Man spricht hier �
spricht gleich dem Einstrom, der durch das kaum Einfluss auf das Membranpotenzial
von einer selektiven Permeabilität der Axon­ elektrische Feld verursacht wird. haben.
membran (Abb. 2). Diese ergibt sich durch 2 An einem Axon wird mithilfe einer ge­
zahlreiche Proteinkanäle, die in die Membran Die hier durch die K+-Ionen entstandene eigneten Versuchsanordnung dafür ge­
eingelagert sind. Sie sind auf Grund ihrer ei­ Spannung, das „Kaliumgleichgewichtspoten­ sorgt, das kein Sauerstoff mehr zur Ver­
genen Polarität und ihres Porendurchmes­ ����� ����� zial“, bildet die Grundlage für das Membran­ fügung steht. Geben Sie die eintretende
sers eben nur für bestimmte Ionen passier­ potenzial, wie es am nicht erregten Neuron Änderung des Membranpotenzials an
3 Proteinkanal, in der Membran integriert bar (Abb. 3). 2 Na+-K+-Ionenpumpe vorliegt. Kaliumionen sind jedoch nicht die und begründen Sie die Änderung.

134  Neurobiologie    Neurobiologie  135


��������� ������� ���������� ������� potenzials. Die einzelnen Na+-Ionenkanäle Repolarisation noch geöffnet. So können
Reizung
���� schließen sich jedoch sehr schnell wieder weiterhin K+-Ionen an die Außenseite der
� 1 und sind anschließend für eine kurze Zeit Membran gelangen. Durch diesen anhalten-
nicht mehr zu öffnen. Dieser Zeitraum, in der den K+-Ionen-Ausstrom wird das Membra­
��������������
Depolarisation diese Membranstelle unerregbar ist, nennt npotenzial kurzzeitig negativer als das Ruhe­
der
� Zellmembran man Refraktärzeit (c s. S. 172). potenzial.

������������
4 2 5

����
Die Repolarisation der Axonmembran wird Aktionspotenziale zeigen unabhängig von
����������� wesentlich durch den Ausstrom von K+-Io­ der Reizstärke stets den gleichen Verlauf.

����
����������
Einstrom Aktions- nen bedingt (Abb. 1, c). Dies ließ sich durch Sowohl die zeitliche Dauer der einzelnen
��� von potential Experimente mit Giftstoffen nachweisen, Phasen als auch ihr elektrisches Potenzial

���������������
Na+-Ionen am Axon
� die spannungsabhängige K+-Ionenkanäle sind immer gleich. Ein Aktionspotenzial ist
����� ����� ���� ����
��������� ��������� blockieren. Die Repolarisation ist bei sol­ demnach ein Alles-oder-Nichts-Ereignis. Ver­
3
chen Experimenten sehr stark verlangsamt. schiedene Reizintensitäten werden nur über
��� Messungen an den spannungsabhängigen den zeitlichen Abstand der Aktionspotenzi­

����
���������� ����������������� ����������������� Öffnung der K+-Ionenkanälen ergaben, dass ihre Öff­ ale, also in ihrer Frequenz verschlüsselt.
Na+-Kanäle nungswahrscheinlichkeit im Vergleich zu
1 Messung des Aktionspotentials 2 Reizstärke und Membranpotential Na+-Ionenkanälen erst bei einer stärkeren Ein einzelnes Aktionspotenzial verändert die
Depolarisation gegeben ist. Das bedeutet, Ionenkonzentrationen an der Membran nur
dass sie sich erst mit einer gewissen Zeitver­ geringfügig, so dass sich das Ruhepotenzial
zögerung öffnen. Als Konsequenz strömen leicht wieder einstellt (Abb. 1, a). Laufen je­
Das Aktionspotenzial K+-Ionen, aufgrund des Konzentrationsge­ doch tausende von Aktionspotenzialen über
fälles und des elektrischen Gradienten, aus die Axonmembran, so müssen die ATP ver­
Depolarisation Reize rufen in Sinneszellen elektrische Er­ Ionentheorie des Aktionspotenzials dem Axon heraus. Die Membran-Innenseite brauchenden Natrium-Kalium-Pumpen ar­
de, lat. Vorsilbe = regungen hervor. Sensorische Nervenzellen wird nun wieder zunehmend negativ, bis das beiten. Sie stellen die Ionenverteilung wieder
weg, ab; Eine Veränderung der Ionenkonzentration an
leiten diese Erregungen zum Gehirn weiter. Ruhepotenzial erreicht ist. Nun beginnen her, die an der Membran im Ruhezustand
Veränderung des Ruhe­ der Innen- oder Außenseite der Axonmem­
Motorische Nervenzellen leiten Erregungen sich die spannungsabhängigen K+-Kanäle vorliegt. Aus diesem Grunde hat das Neuron
potenzials in Richtung bran führt zu einer Änderung des Membran­
zu den Muskeln, wodurch deren Kontraktion wieder zu schließen. einen hohen Energiebedarf.
des positiven Span­ potenzials. Alan Hodgkin und Bernhard Katz
ausgelöst wird. An einer erregten Axonmem­
nungsbereiches wiesen 1949 durch Experimente an Tinten­
bran misst man kurzfristige Veränderungen Die geöffneten K+-Ionenkanäle sind auch der
fischaxonen nach, welche Ionen hierbei ei­ Aufgabe
des Membranpotenzials, die Aktionspoten­ Hauptgrund, warum es kurzfristig zu einer
ne Rolle spielen. Sie ersetzten die außerhalb
ziale (c s. S. 172) genannt werden. Hyperpolarisation kommen kann (Abb. 1, d). 1 Beschreiben Sie die in Abb. 1 dargestell­
des Axons vorhandenen Na+-Ionen durch
Repolarisation Da sie relativ langsam reagieren, bleiben sie ten Vorgänge eines Aktionspotenzials
positiv geladene, aber wesentlich größere
re, lat. Vorsilbe = für eine gewisse Zeit nach der vollständigen genau mit eigenen Worten.
zurück; Messung des Aktionspotenzials Cholin-Ionen, die die Axonmembran nicht
Rückkehr zum Ruhe­ durchqueren können. So konnten keine Ak­
Im Experiment wird ein Axon an einer be­
potenzial tionspotenziale mehr ausgelöst werden. Die
stimmten Stelle mit unterschiedlichen Span­ ��� ���
Forscher vermuteten, dass das Aktionspo­
nungen elektrisch gereizt. An einer etwas
tenzial durch das Öffnen von Na+-Ionenka­ ������������
entfernt liegenden Stelle wird die Reaktion
nälen und den schnellen Einstrom von Na+-
Hyperpolarisation des Axons mithilfe einer Glaskapillarelektrode ������
Ionen auf die Innenseite der Axonmembran ��������� ������
hyper, gr. = über; und des daran angeschlossenen Oszillos­ ��������
entsteht. Sie entwickelten die sogenannte ������� ���������
Spannung ist nega­ kops gemessen (Abb. 1).
Ionentheorie der Erregung. ����������� ���
tiver als das Ruhepo­

������������������������������
�� �������� ��
tenzial Wird durch die Reizelektroden kurzzeitig ei­ Die Abb. 1 auf Seite 137 veranschaulicht die ����

�����������������������
ne stärkere positive Spannung als das Ruhe­ Entstehung des Aktionspotenzials. Durch � �������������������������������������������
���������������������������������������� � � ��������������������
potenzial angelegt, steigt die Membranspan­ einen elektrischen Reiz wird das Axon über­
nung auch vorübergehend an der Mess­ schwellig depolarisiert (Abb. 137. 1, b). Mem­- ���
stelle (Abb. 2). Je höher die Reizspannung, brangebundene, spannungsabhängige Na+- ���
����� �� ���������
desto höher wird auch die Depolarisation Ionenkanäle öffnen sich daraufhin schlagar­ ����
���
an der Messstelle. Überschreitet der Reiz tig. Na+-Ionen strömen, angetrieben vom ��� ��� ������ ��������� � � ���
jedoch einen bestimmten Schwellenwert Konzentrationsgradienten und angezogen ���������� ������� �������
���� ���
(ca. -50 mV), erreicht das Membranpotenti­ von der negativen Ladung auf der Innensei­
al schlagartig innerhalb einer Millisekunde te des Axons, durch die Membran. Der An­
einen Spitzenwert von ca. +30 mV. Die In­ teil der positiv geladenen Ionen wird dadurch � � � � � � � �
nenseite der Axonmembran ist nun gegen­ auf der Außenseite der Membran geringer, ���������
über der Außenseite positiv. Man spricht auf der Innenseite dagegen größer. Diese ��������������������� �� ��
von einem Aktionspotenzial, das durch den Veränderung des Membranpotenzials führt �� ��������������������������������������������
überschwelligen Reiz ausgelöst worden ist. zur Öffnung weiterer spannungsabhängiger ������������������������������������ �� ������������������������������������
������������������������ �������������������
Das Aktionspotenzial bleibt gleich hoch, Na+-Ionenkanäle und zur weiteren Depo­
auch wenn der Reiz stärker wird. larisation bis zum Höhepunkt des Aktions­ 1 Molekulare Vorgänge beim Ablauf eines Aktionspotenzials

136  Neurobiologie    Neurobiologie  137


Fortleitung des Aktionspotenzials Riesenaxonen der Tintenfische (s. S. 133) er­ Dort erst bewirken diese Ausgleichsström­
� � � � � � � � � � � � � � reicht die mittlere Leitungsgeschwindigkeit chen eine sehr rasche Depolarisation, die zu
Eine Nervenzelle wird normalerweise an 25 m pro Sekunde. Bedenkt man den relativ einem Aktionspotenzial führt. Da die Schnür­
� � � � � � � � � � � � � � den Dendriten oder am Soma gereizt. Von hohen Platz- und Materialaufwand, ist die Er­ ringe etwa 1 bis 2 mm Abstand haben und
dort werden elektrische Signale passiv zum regungsleitung bei marklosen Nervenfasern nur dort die zeitaufwendigere Verstärkung
Axonhügel weitergeleitet, da im Bereich des relativ langsam. Bei Wirbeltieren wird die des Aktionspotenzials auf den Ausgangs­
Zellkörpers keine spannungsgesteuerten Io­ kontinuierlich Erhöhung der Fortleitungsgeschwindigkeit wert erfolgt, beobachtet man bei myelinisier­
� � � � � � � � � � � � � �
nenkanäle vorhanden sind, die ein Aktions­ lat. kontinuare = fort­ des Aktionspotenzials dabei auf ganz ande­ ten Axonen Fortleitungsgeschwindigkeiten
potenzial auslösen könnten. Eine solche setzen re Weise erreicht. bis zu 180 m/s (ca. 650 km/h).
� � � � � � � � � � � � � � passive Ausbreitung der Spannungsände­
rung nennt man elektrotonische Leitung. Bei Die saltatorische Erregungsleitung ist nicht
saltatorisch Saltatorische Erregungsleitung
dieser Art der Fortleitung erfolgt mit zuneh­ lat. saltare = springen
nur in zeitlicher Hinsicht der kontinuierlichen
1 Kontinuierliche Erregungsleitung mender Entfernung vom Ort des Reizes eine Sehr hohe Fortleitungsgeschwindigkeiten Erregungsleitung überlegen. Da ein gerin­
Abschwächung der Depolarisation. Ist die findet man bei myelinisierten Axonen, die nur gerer Axondurchmesser für eine hohe Lei­
Stärke des elektrischen Feldes, die den Axo­ an den Schnürringen Aktionspotenziale aus­ tungsgeschwindigkeit ausreicht, wird auch
��� nhügel erreicht, noch groß genug werden bilden können, da sich nur hier spannungsge­ Material eingespart. Nur dünne Axone er­
dort spannungsgesteuerte Ionenkanäle ge­ steuerte Natrium-Ionenkanäle befinden. Die möglichen die Entstehung komplexer Ner­
��������


���������
öffnet. Das daraufhin entstehende Aktions­ myelinisierten Bereiche dazwischen werden vensysteme wie des Gehirns auf kleinem
����

���
potenzial „läuft“ am Axon entlang (Abb. 2) bis von den Aktionspotenzialen scheinbar fast Raum. Auch der Energiebedarf ist bei sol­
zu den einzelnen Endknöpfchen und über­ ohne zeitliche Verzögerung übersprungen. chen Systemen geringer.
�� ���
� � � � � � � � � � � � � � trägt dort das Signal weiter an ein anderes Man spricht daher von einer saltatorischen
� � � � � � � � � � � � � � Neuron oder auf Muskelfasern. Exakt for­ Erregungsleitung (s. S. 138, Abb. 3).
� � � � � � � � � � � � � � � Aufgaben
� � � � � � � � � � � � � � � muliert wandert nicht ein Aktionspotenzial
����������� �� ��� entlang des Axons, sondern es wird über die Die Membranen der Gliazellen sind in vielen 1 Erklären Sie, warum die saltatorische Er­
gesamte Strecke sequenziell immer wieder Schichten um das Axon gewickelt. Die Lipide regungsleitung an Nervenbahnen weni­
��� neu aufgebaut (c s. S. 172). dieser Membranen isolieren elektrisch sehr ger Energie benötigt als die kontinuier­
��������

� gut und sorgen daher für eine extrem geringe liche Erregungsleitung.
��������� Leitfähigkeit quer durch die Membran. Die 2 Im Experiment wird ein präpariertes
����

Kontinuierliche Erregungsleitung
��� bei einem Aktionspotenzial eingeströmten Axon überschwellig in der Mitte gereizt.
�� ��� Bei marklosen Nervenfasern führt die De­ Na+-Ionen bewirken eine Verschiebung der Vergleichen sie die Erregungsleitung in
� � � � � � � � � � � � � � polarisation eines Axonabschnittes elek­ Ionen entlang der Membran bis zum näch­ diesem Versuch mit der Reizung unter
� � � � � � � � � � � � � �
� � � � � � � � � � � � � � �
trotonisch auch in den benachbarten Mem­ sten Schnürring (elektrotonische Leitung). natürlichen Verhältnissen.
� � � � � � � � � � � � � � � branbereichen zur Öffnung von spannungs­
����������� �� ��� abhängigen Na+-Ionenkanälen. Es werden
���
dort Kationen an der Membran-Außenseite ettelkasten
angezogen und an der Innenseite abgesto­
��������

� ßen. Diese Verschiebung der Ionen werden ������������� Absolute und relative Refraktärzeit
����

��������� Ausgleichsströmchen genannt. Erreicht die­


��� se Depolarisation einen bestimmten Schwel­ Die kurze Zeitspanne von etwa 1 ms nach dem Ma­
��������� ximum eines Aktionspotenzials, in der die betref­
�� ��� lenwert, wird ein Aktionspotenzial gebildet. fende Membranstelle völlig unerregbar ist, nennt
� � � � � � � � � � � � � �
� � � � � � � � � � � � � � So entsteht in der Nachbarregion ebenfalls man absolute Refraktärzeit. In dieser Phase kann
� � � � � � � � � � � � � � � ein Aktionspotenzial. Auf Grund der Refrak­ �
� � � � � � � � � � � � � � �
durch eine noch so starke Depolarisierung eine
tärzeit kann jedoch immer nur der kurz zu­ erneute Öffnung der spannungsabhängigen Na+-

���������������������
����������� �� ���
���������������� vor nicht erregte Membranbereich ein neues Ionenkanäle nicht erreicht werden.
Aktionspotenzial aufbauen. Deshalb verläuft
Auf die absolute Refraktärzeit folgt die so genann­
2 Momentbilder zur Ausbreitung des Aktionspotentials die Erregungsleitung nur in eine Richtung
te relative Refraktärzeit, die ebenfalls 1 bis 3 ms
weiter und wandert nicht zum Ursprungsort dauert. Hier muss die Membran wesentlich stärker
zurück. Man spricht von einer kontinuier- depolarisiert werden als normal, um ein Aktions­
lichen Erregungsleitung (Abb. 1). potenzial auszulösen, d. h. der Schwellenwert liegt
höher. Das Aktionspotenzial erreicht noch nicht
Die Geschwindigkeit, mit der sich ein Ak­ ��� vollständig seine übliche Höhe.
������������������ tionspotenzial an der Axonmembran aus­
������������ ����������������� Durch eine stärkere Depolarisation am Axonhügel
breitet ist bei marklosen Nervenfasern vom können daher Aktionspotenziale in schnellerer Fol­
Durchmesser des Axons abhängig. Je grö­ ge ausgelöst werden als durch eine schwache De­
ßer der Durchmesser, desto geringer ist der ���
��������� polarisation. Die Stärke der Erregung einer Sinnes-
elektrische Widerstand und dementspre­ oder Nervenzelle, als Maß für die Reizintensität,
� � � � � ���������
chend schneller die Fortleitung. In dünnen führt so zu einer höheren Aktionspotenzial-Fre­
Axonen, deren Faserdurchmesser nur 1 µm ������� ������� quenz. Reizintensitäten werden demzufolge durch
������������ ���� misst, beträgt die Leitungsgeschwindigkeit ������������� die Aktionspotenzial-Frequenz verschlüsselt.
3 Saltatorische Erregungsleitung nur wenige Zentimeter pro Sekunde. Bei den

138  Neurobiologie    Neurobiologie  139


Die Membran wird an der Stelle des jeweils ausgelöst und registriert. In Aufgaben
Material
��� 2 ms 5 mV
angesaugten Membranflecks elek­ Abbildung 5 werden Veränderungen im

���������������������
����������������
trisch gereizt. Die Messungen werden Vergleich zur Amplitude eines Aktions­  Erläutern Sie mit Hilfe der angege-
kurz hintereinander wiederholt und die potenzials unter normalen Bedingungen benen Ionenverteilung in der Tabelle

Messergebnisse summiert. Die Summe aufgetragen. Reiz
die möglichen Ionenvorgänge, die
������������������������
der Kanalströme ist ein Maß für die Öff­ bei der Armleuchteralge das Ruhe­
nungswahrscheinlichkeit eines Ionen­ ������������� potenzial und das Aktionspotenzial
������������� hervorrufen.
kanals. ���  Stellen Sie begründet fest, welcher

Aktionspotentials (mV)
���� -60 Teilaspekt der früheren Hypothese
Aufgaben

Veränderung des
in diesem Fall angezweifelt werden
1 Informieren Sie sich genauer über
a) nach Reiz am Ellenbogen muss.
3 Membranpermeabilität
-40
die Patch-Clamp-Technik.
2 Erklären Sie Form und Amplitude der 2 ms 5 mV
Einzelmessergebnisse (Abb. 1). Aufgabe
-20
3 Tetradotoxin, das Gift von Kugelfi-
4 Beschreiben Sie die Vorgänge zu
schen, wird zur Untersuchung der Reiz
Neurobiologische Experi- Kaliumionenkanäle verwendet, weil
den Messwerten der Kalium- und
0
Natriumionen und bringen Sie diese
mente es die Natriumionenkanäle ver­
schließt. Erläutern Sie, welche medi­
mit der Entstehung des Aktions-
100 50 25 12,5
extrazelluläre
6,25

potenzials in Zusammenhang. Na+-Konzentration (%)


zinische Bedeutung dieser Stoff bei
Patch-Clamp-Technik der Zahnbehandlung hat, wenn er in 5 Einfluss der Na+-Konzentration
die Umgebung der von den Zähnen
Mithilfe von Mikropipetten, die an der kommenden Nerven gespritzt wird. Einfluss der K+-Ionenkonzentration b) nach Reiz am Handgelenk
Zelloberfläche direkt im bereich eines Aufgaben
Ionenkanals angesaugt werden (s. Abb. 6 Leitungsgeschwindigkeit
Experimentell kann die Kaliumionenkon­ 6 Zeichnen Sie ein typisches Aktions­
unten), kann man untersuchen, welche zentration extrazellulär leicht verändert potenzial und tragen Sie die Verän­
Ionen durch einzelne Ionenkanäle diffun­ werden, indem das Axon in verschie­ derungen durch die Verringerung Aufgabe
dieren. dene Badelösungen mit unterschied­ der extrazellulären Natriumionen­
lichen Kaliumionenkonzentrationen konzentration ein. 9 Berechnen Sie aus den dargestellten 7 Armleuchteralge
Ionen-Kanal getaucht wird. Danach wird jeweils das 7 Erklären Sie die Beobachtungen mit­ Messergebnissen (Abb. 6) die Lei­
mit Ruhepotenzial gemessen. hilfe der Ionentheorie des Aktions­ tungsgeschwindigkeit eines Nervs
Mikropipette am Unterarm.
K+ potenzials.
0 8 Erläutern Sie was passiert, wenn die Vergiftung von Neuronen
-20 Na+-Ionen nicht durch Cholin-Ionen
ersetzt würden. Potenziale bei Pflanzenzellen Cyanide sind stark giftig, weil sie u. a.
Ruhepotential (mV)

-40 die Atmungskette blockieren, so dass


K+
2 Kugelfisch Auch bei Pflanzenzellen kann man kein ATP zur Verfügung gestellt werden
-60 Membranpotenziale messen. So hat z. B. kann. Gibt man Cyanide auf Neurone,
Leitungsgeschwindigkeit die Armleuchteralge Nitella (Abb. 7) ein geht das Ruhepotenzial innerhalb kurzer
-80
Mit dieser Patch-Clamp-Technik lassen Membranveränderung Ruhepotenzial von - 90 mV, das durch Zeit gegen Null. In diesem Zeitraum
sich die Öffnungswahrscheinlichkeit -100
Die Leitungsgeschwindigkeit eines unterschiedliche Ionenverteilung an der sind zunächst noch Aktionspotenziale
und der Zeitpunkt der Öffnung einzel­ Nervs am Unterarm wird bestimmt, Membran­außen- und innenseite zustan­ auslösbar, deren Amplituden jedoch
Bei den Messungen zur Membran­
ner Ionenkanäle am Axon ermitteln. Für -120 indem nacheinander je ein kleiner Strom­ de kommt. Bei Reizung treten Aktions­ entsprechend dem Ruhepotenzial immer
permeabilität am Axon wurden unter­
Messungen an den Natriumionenkanälen stoß im Ellenbogen und am Handgelenk potenziale auf. Das Ruhepotenzial soll mehr abnehmen, bis sie am Ende nicht
schiedliche Messergebnisse bei den
werden die auch vorhandenen Kalium- 0,5 1 2 5 10 20 50 gesetzt wird. Die Stellen liegen 27 cm laut älteren Literaturangaben vor allem mehr ausgelöst werden können.
Kalium- und Natrium-Ionen gefunden.
ionenkanäle auf der Zelloberfläche che­ voneinander entfernt. Die Wirkung der auf dem Ausstrom von K+-Ionen und
Gleichzeitig wurde das Aktionspotenzial extrazelluläre
misch blockiert. ausgelösten Aktionspotenziale wird am das Aktionspotenzial auf dem Einstrom
gemessen (Abb. 3). K+-Konzentration (mmol/l)
Daumenmuskel extrazellulär als Mus­ Aufgaben
von Ca2+-Ionen beruhen. Neuere Un­
4 Einfluss der K+-Konzentration kelaktionspotenzial abgeleitet. Auch tersuchungen widersprechen zum Teil  Begründen Sie die Wirkung von Cya­
Muskelzellen zeigen ein Aktionspoten­ dieser Hypothese. Nachfolgende Tabelle niden auf Neurone.
�����
�������� zial.
�������� ����� ��������� gibt die neuesten Messergebnisse über  Zeichnen Sie eine Grafik, welche die
Aufgabe die Ionenverteilung an der Membranau­ beschriebene Serie von Aktionspo­
��������� ��
������������ 5 Beschreiben Sie die Ergebnisse und ������� ßen- und Innenseite der Armleuchteralge tenzialen mit abnehmender Amplitude
���������������� ��� erklären Sie die Vorgänge auf mole­ �������� Nitella an. darstellt.
���������
kularer Ebene. ����
Ionensorte Membranaußenwand (mmol/l) Nitella-Zellsaft (mmol/l)

����� CI- 0,9 90,7


����������� Einfluss der Na+-Ionenkonzentration ���������
Mg2+ 1,7 27,7
��������������
������ �� ����
An isolierten Axonen wird die Natrium­ ��� Ca2+ 0,8 10.2
ionenkonzentration schrittweise verrin­
Na2+ 0,2 10,0
gert. Dies erreicht man indem man die
����� Natrium-Ionen der extrazellulären Bade­ K+ 0,04 54,3
lösung schrittweise durch Cholin-Ionen ������� Organische Anionen — vorhanden
1 Patch-Clamp-Messungen an Ionenkanälen ersetzt. Die Aktionspotenziale werden ������

140  Neurobiologie    Neurobiologie  141


Erreicht ein Aktionspotenzial das Endknöpf­ Als Folge beider Ionenströme wird das Mem­
� ���� mV
������������ chen, werden im Bereich des synaptischen mV branpotenzial negativer als das Ruhepotenzi­
0 0
���������� ��
�� ������ Spaltes an der präsynaptischen Membran al. Diese Hyperpolarisation wird als inhibito-
����
���������� � ������������
Calciumionenkanäle geöffnet (Abb. 1. 1). risches postsynaptisches Potenzial (IPSP).
����������
�������� Calciumionen diffundieren in das Endknöpf­
��������� chen und bewirken innerhalb weniger Mil­ Zeit Zeit Verrechnung an Synapsen
lisekunden das Verschmelzen von synap­
������������ tischen Bläschen mit der präsynaptischen Ein Neuron im Zentralnervensystem ist nicht
������� ��������
� � Membran (Abb. 1. 2). Ein einziges Aktions­ nur mit einem anderen Neuron verbunden,
potenzial kann zur Fusion von Tausenden sondern empfängt und verarbeitet Informa­
�����
�������� von Bläschen mit der präsynaptischen Mem­ tionen von Tausenden von Synapsen. Diese
�������� mV mV
��� bran führen. Die Bläschen öffnen sich und können sowohl erregend als auch hemmend
������ 0 0
������ � geben Transmittermoleküle in den synap­ sein. Die Nervenzelle verrechnet die einge­
��� tischen Spalt frei. Sie diffundieren zur post­ henden Signale räumlich und zeitlich (Abb. 2).
� synaptischen Membran auf der gegenüber­ Werden gleichzeitig mehrere räumlich ge­
liegenden Seite des synaptischen Spaltes. Zeit Zeit trennte, erregende Synapsen aktiviert, so
����������� Dort befinden sich Rezeptoren, an denen die lässt sich dies in Form einer größeren Am­
���������� ����� Transmittermoleküle nach dem Schlüssel- 1 Erregende und hemmende Synapse plitude des EPSP am Soma messen. Man
����� ����� ������������
�����������
������������������� ��������� Schloss-Prinzip binden (Abb. 1. 3). Diese spricht dann von einer räumlichen Summa-
��������� Rezeptoren stehen mit Ionenkanälen in Ver­ tion. Gelangen über eine erregende Synapse
����������� ��� ����������������
������ bindung. Die kurzfristige Bindung des Trans­ Hemmende Synapsen in einem Zeitraum von einigen Millisekunden
mitters führt zu einer Öffnung eines selektiv immer wieder erregende Transmittermole­
1 Bau und Funktionsweise einer Synapse permeablen Membrankanals (Abb. 1. 4). Im Hemmende Synapsen bewirken an der post­ küle an die postsynaptische Membran, sum­
Gegensatz zu den spannungsabhängigen synaptischen Membran keine Depolarisation, miert sich auch dieser Effekt. Das postsy­
Kanälen in der Axonmembran, die für ein Ak­ sondern eine Hyperpolarisation. Bei den naptische Potenzial baut sich nun nur lang­
tionspotenzial verantwortlich sind, werden hemmenden Synapsen werden Transmitter­ sam ab, und das jeweils folgende Potenzial
Synapsen hier die Ionenkanäle durch die Transmitter­ moleküle freigesetzt, die auf K+-Ionen- oder wird zu dem noch vorhandenen addiert (zeit-
moleküle gesteuert (ligandenabhängige Io- Cl--Ionenkanäle einwirken. liche Summation). Ob und in welcher Fre­
1897 führte Charles Sherrington für die Ver­ nenkanäle). An der postsynaptischen Mem­ quenz ein bestimmtes Neuron Aktionspo­
bindungsstelle eines Neurons mit einem bran bildet sich aufgrund von Ionenströmen Im ersten Fall strömen Kaliumionen aus der tenziale generiert, hängt davon ab, wie stark
anderen Neuron den Begriff Synapse (c s. durch die geöffneten Kanäle dann letztend­ postsynaptischen Zelle, im zweiten Fall dif­ seine Membran am Axonhügel durch die
�����������������������
S. 173) ein. An dieser Stelle können Erre­ lich ein Potenzial aus. fundieren Chlorid-Ionen durch die post­ Wirkungen der aktuell eingehenden Aktions­
gungen übertragen werden. Heute wird der synaptische Membran auf die Innenseite. potenziale depolarisiert wird (c s. S. 172).
Begriff allgemeiner verwendet. Synapsen Die Transmittermoleküle werden durch En­
bezeichnen die Bereiche, an denen Neuron zyme im synaptischen Spalt innerhalb kür­
Colorierte EM-Aufnah­ und nachgeschaltete Muskel-, Drüsen-, oder zester Zeit wieder abgebaut (Abb. 1. 5). So
me einer Synapse Nervenzelle am engsten zusammenkom­ spaltet das Enzym Acetylcholinesterase Ace­
men. Ein Neuron im Gehirn hat bis zu 10 000 tylcholinmoleküle in Essigsäure- und Cho­

�������������
� �
����
synaptische Kontaktstellen zum Informati­ linmoleküle. Dadurch ist der Effekt, den die

�������������

��������
Synapsen
onsaustausch mit anderen Nervenzellen. Transmitter an der postsynaptischen Mem­

�������������
griech. Synapsis = �
���

��������
Verbindung bran hervorrufen nur kurz, aber präzise. Eine ����

��������
���
Zwischen der prä- und postsynaptischen Dauererregung wird so verhindert. Die Spalt­ ���� � ����
Membran ist nur ein im Elektronenmikro­ produkte werden zur erneuten Synthese
skop erkennbarer Spalt, der 20 bis 50 nm unter Energieverbrauch wieder in das End­ ���
����
breit ist (Abb. 1). Man nennt ihn den synap­ knöpfchen aufgenommen und in den synap­
����
tischen Spalt. Elektrische Signale können tischen Bläschen gespeichert (Abb. 1. 6). �������

�������������
ihn nicht überwinden. In den Endknöpfchen ������������
� ����
des Axons befinden sich membranumhüllte
Erregende Synapsen

��������
Bläschen, die synaptischen Bläschen. Sie
enthalten winzige Mengen eines Überträ­ Bei einer erregenden Synapse steuern die ���
gerstoffes. Dieser Transmitter ist eine che­ Rezeptoren Natriumionenkanäle, die im ge­
mische Substanz, die zur Informations­ öffneten Zustand den Einstrom von Na+-Io­
����
übertragung an der Synapse genutzt wird. nen in die Zelle zulassen. Je mehr Transmit­
����
Einer der ersten Transmitter, die genauer termoleküle abgegeben werden, desto mehr

�������������
�������������
�������
erforscht wurden, war Acetylcholin. Er ist Kanäle werden geöffnet, und so diffundieren � �
beim Menschen als Überträgerstoff zwi­ mehr positiv geladene Natriumionen auf die ����

��������
��������
schen Neuronen und Skelettmuskeln, Herz, Innenseite der postsynaptischen Membran. ��� ���
Eingeweide und im Gehirn wirksam. In der Die dadurch einsetzende Depolarisation
Zwischenzeit sind etwa 100 weitere Neuro­ wird als erregendes postsynaptisches Po- � ���� � ����
transmitter identifiziert worden. tenzial (EPSP) bezeichnet. 2 Räumliche und zeitliche Summation

142  Neurobiologie    Neurobiologie  143


c
Muskel-
kontraktion

Synapsengifte Aufgaben
Material direkte
Reizung der 8 Erklären Sie, weshalb Atropin häufig
Für Pflanzen und Tiere ist es oft von Vorteil, Das Gift der Schwarzen Witwe, einer Spinne, Muskulatur vor Augenuntersuchungen in das
Gifte als Fraßschutz oder zum Beutefang bewirkt die gleichzeitige Entleerung aller sy­ Auge getropft wird.
herstellen zu können. Sehr gut untersucht naptischen Bläschen in den synaptischen 9 Erläutern Sie, weshalb Atropin aber
sind schnell wirkende Gifte, die auf die Er­ Spalt. Dies führt zu einer Übererregung der auch als Gegenmittel bei einer Ver­
regungsübertragung zwischen Nerven- und Muskulatur, starre Lähmung, Schüttelfrost, giftung mit einem Acetylcholineste­
d
Muskelzelle einwirken (c s. S. 173). Krämpfe und Atemnot sind die Folgen. Es rase-Hemmstoff eingesetzt werden
kann der Tod durch Atemlähmung einteten. kann.
Muskel- Muskel-
kontraktion kontraktion
Veränderte Acetylcholin-Freisetzung
Blockade des Acetylcholin-Rezeptors Wirkung verschiedener Synapsengifte
Das Bakterium Clostridium botulinum lebt
anaerob, z. B. in schlecht konservierten Nah­ Coniin, das Gift des Gefleckten Schierlings, Aufgaben
rungsmitten wie Fisch-, Fleisch- oder Boh­ verursacht bei vollem Bewusstsein eine Curare, E605 und Atropin entfalten ihre
1 Beschreiben Sie das Experiment Giftwirkung alle an der Synapse. In den
nenkonserven. Botulinumtoxin ist eines der schlaffe Lähmung und schließlich den Tod und seine Ergebnisse. folgenden Diagrammen werden ihre Wir­
stärksten bekannten Gifte. 0,01 mg in der durch Versagen der Atemmuskulatur. Der Synapsengifte 2 Treffen Sie eine Aussage über Wirk­ kungen aufgezeigt:
Nahrung, und schon 0,003 mg in der Blut­ Wirkstoff bindet reversibel an Rezeptormo­ ort und Wirkungsweise von Curare
bahn wirken beim Menschen tödlich. Der Tod leküle für Acetylcholin, ohne die Natrium­ Curare und begründen Sie Ihre Aussage.
Aufgaben
erfolgt durch Atemlähmung. Kochen macht ionenkanäle zu öffnen.
das Gift unwirksam. Botulinumtoxin zersetzt Curare ist ein Gemisch verschiedener 3 Beschreiben Sie die Wirkungswei­
ein Protein in der Membran der synaptischen Suxamethonium, eine synthetisch herge­ Pflanzengifte, mit dem Indianer Südame- sen der genannten synaptischen
„Synapsengifte“ in der Medizin
Bläschen, das ihnen die Verschmelzung mit stellte Substanz, die auch als Succinylcho­ rikas die Spitzen ihrer Jagdpfeile bestrei- Gifte.
der präsynaptischen Membran ermöglicht. lin bezeichnet wird, bewirkt eine Verkramp­ chen. Gelangt das Gift in den Blutstrom Der Wirkstoff Tubocurarin wird bei 4 Erläutern Sie die jeweiligen Auswir-
des Beutetieres, kommt es zu einer Läh­ chirurgischen Eingriffen zur Muskeler­ kungen auf den Organismus.
Dadurch wird die Ausschüttung gehemmt. fung durch Dauerdepolarisation (starre Läh- 5 Begründen Sie, ob Atropin als Ge-
mung der Skelettmuskulatur. Eine Ver­ schlaffung eingesetzt. Er ermöglicht es
Aktionspotenziale können nicht mehr vom mung). In seiner chemischen Struktur ähnelt giftung beim Verzehr des Fleisches wird genmittel bei einer E605-Vergiftung
Nerv auf die Muskeln übertragen werden. es dem Acetylcholin. Es öffnet die Natrium- beispielsweise, störende Muskelreflexe
durch Erhitzung vermieden. Das Gift des Patienten bei Operationen am verabreicht werden kann.
Eine Kontraktion der Muskulatur, wie z. B. Ionenkanäle, wird aber wesentlich langsamer zerfällt dabei. Die Frage nach dem Wirk­ offenen Brustkorb auszuschalten.
der Atemmuskulatur wird auf diese Weise durch die Acetylcholinesterase abgebaut als ort von Curare klärt das im Folgenden

�������������������������
������������������������
gehemmt (schlaffe Lähmung). Botulinum­ Acetylcholin. beschriebene historische Experiment, Nach Beendigung der Operation kann ��������������������
toxin wird inzwischen auch medizinisch bei das 1857 von Claude Bernard durchge­ diese muskelerschlaffende Wirkung
krankhaften Verkrampfungen oder in der führt wurde. durch Injektion der Substanz Neostigmin
Hemmung der Acetylcholinesterase
kosmetischen Medizin angewendet. Hier Rückenmark
wieder aufgehoben werden. Neostigmin
wird das Synapsengift als Anti-Falten-Mit­ Alkylphosphate sind organische Phosphor­ ist ein Alkylphosphat, das reversibel an
tel, bekannt als „Botox“, in die Augenpartie, säureester und Bestandteil von Insektiziden das Enzym Acetylcholinesterase bindet
Abschnüren
Stirn und Mundpartie gespritzt. Es blockiert (z. B. E 605), Weichmachern in Kunststoffen der Gefäße und ihre Wirkung nur für kurze Zeit un­
und Weichteile terbricht.
die Übertragung von Nervenimpulsen zu den und chemischen Kampfstoffen (z. B. Tabun, unter Schonung Muskel ����
Ähnliche Wirkung hat Physostigmin. Es � �
Muskeln für etwa 3 bis 7 Monate. Im Gesicht Sarin). Sie hemmen die Acetylcholinestera­ des motorischen
wurde ursprünglich aus dem Samen der
Nervs
lösen sich so Verspannungen, Falten glätten se irreversibel. Es kommt durch Dauerde­ westafrikanischen Schlingpflanze Physo-
sich. Bei zu hoher Dosis können jedoch Hän­ polarisation zu einer Verkrampfung der Ske­ stigma venenosum gewonnen.

������������
a
gelider, starre Mimik oder ein schiefer Mund lettmuskulatur und zum Tod durch Atemläh­ motorischer
auftreten. mung. Nerv
Aufgaben
6 Nennen Sie Eigenschaften eines
synaptischen Hemmstoffs, die Vor-
aussetzung für einen therapeuti-
Injektion schen Einsatz wären. ����
von Curare 7 Diskutieren Sie über die Verwen­ � �

�������������������������������
dung von Alkylphosphaten als
Pharmaka. Der Begriff Pharmakon
b für Arzneimittel bedeutet in der
griechischen Übersetzung Gift und
Heilmittel.

����������������
Reizung der
motorischen Atropin ist das Gift der Tollkirsche
Nerven Atropa belladonna (ital.: bella donna =
beider Beine
schöne Frau) und anderer Nachtschat­
tengewächse. Es besetzt die Rezep­ ����
keine Muskel- � �
Reiz- kontraktion toren der Natriumionenkanäle in den
elektroden Synapsen des Herzens und weiterer in­ ���������� �������������
������������ ��������������
nerer Organe, aber auch in der Irismus­ �����
c ���������������
Muskel- kulatur des Auges, die die Iris zusam­ ������ ���������������
1 Schwarze Witwe, Clostridium botulinum und Schierling und deren Wirkung an der Synapse kontraktion menzieht und damit die Pupille erweitert. ������� ��������������

144  Neurobiologie    Neurobiologie  145


direkte
Reizung der
Muskulatur
Impulse
Die Entdeckung der Opiatrezeptoren Wohlgefühl aus zweiter Hand normal Gefahren
Opiatrezeptor­ wurden hier auf Schmerzfaser-Sy­napsen Nicht umsonst führt das Original der der Kokain-Sucht
moleküle im gefunden. Die Opiate senken die Trans­ braunen Erfrischungsgetränke Coca im
Rückenmark, mit Kokain-Konsumenten können auf
mitterausschüttung an den synaptischen Namen. Es enthielt ursprünglich Kokain Dauer ohne die Verstärker-Droge
radioaktiven Opiat­
molekülen sichtbar Endknöpfchen dieser Schmerzfasern. als Aufputschmittel (Stimulans), heute kein normales Glücksempfinden
gemacht Die Schmerzschwelle wird erhöht. nur noch Koffein aus dem Samen des mehr entwickeln.
Die Schmerz lindernde Wirkung von Colabaumes. Hustensaft enthielt Kokain
Opium, einem Extrakt aus dem Saft des zur Dämpfung des Hustenreizes. Folge: schwere Depressionen,
Die größte Rezeptordichte zeigt sich Schlafmohns, ist seit langem bekannt. psychische Abhängigkeit
dort, wo die sensorischen Fasern vom Wie ein daraus hergestelltes synthetisch Kokain verhindert die Wiederaufnahme Die Beeinflussung des Verstärker-
Rückenmark an die graue Substanz verändertes Produkt, das Heroin, löst es des Transmitters Dopamin in das sy­ mit Kokain systems führt zu Überforderung
herantreten (orange). Die sog. Schmerz­ außerdem euphorische Zustände aus. nap­tische Endknöpfchen. Die Dopamin­ des Gehirns.
fasern haben hier synaptische Kontakte Es beeinflusst die Signalübertragung an konzentration im synaptischen Spalt ist
zu Neuronen, deren Axone bis ins Ge­ dadurch erhöht. Folge: Wahnvorstellungen
bestimmten Synapsen des Gehirns.
hirn reichen. Opiatrezeptormoleküle Mögliche Auswirkungen der
Erklären Sie die Zusammenhänge. Veränderte Wahrnehmung, veränderte  
Psychoaktive Stoffe Gefühle. Wie lassen sich diese Wirkungen Droge auf den Organismus:
von Kokain erklären? Herzrhythmusstörungen,
„Himmelhoch jauchzend, zu Tode Herzinfarkt, Schlaganfall,
betrübt“. Im Alltag liegt unsere Stim­ epileptische Anfälle
vom Mittelhirn sensorisches Axon
mung meist irgendwo dazwischen. Wenn der Schmerzbahn „Tierisch gut drauf“
wir uns nicht gerade damit beschäftigen
oder jemand uns fragt, ist uns gar nicht
Das Vorkommen von Endorphinen gibt
bewusst, in welcher Stimmung wir
einen Hinweis auf die biologische Be­
gerade sind. Ecstasy – ein Partyspaß?
deutung des Sichwohlfühlens. Auf einen Aus einer Befragung von
Unsere Stimmung ist das Ergebnis der Transmitter 1 Transmitter 2 einfachen Nenner gebracht: Lust und die Drogenabhängigen
Verarbeitung von Sinneseindrücken, Vermeidung von Frustration sind die Ein 1913 als Schlankheitsmittel entwi­
der Signale des Nervensystems und von wesentlichen Triebfedern nicht nur Ich nehme Drogen .... ckelter, aber in Deutschland nie zuge­
Hormonen. menschlichen Verhaltens. lassener Stoff mit dem Kürzel MDMA
weil Rauschmittel die ist unter der Bezeichnung Ecstasy
���������� Stimmung heben können 6,9% zur Modedroge geworden. Illegal zu
����������������
����������� ����� Pillen ge­presst — mit unterschiedlicher
Psychoaktive Stoffe im Körper weil sich dabei Glücksgefühle Dosis und verschiedensten Beimen­
einstellen 5,5% gungen — wird er vielerorts relativ billig
Marathon laufen, Fallschirmspringen und angeboten. Neben den Rauschzustän­
Freeclimbing haben eines gemeinsam: Transmitter Opiatrezeptor Schmerz- weil man damit eigene
den ist auch hier das Ignorieren von Kör­
Es können überwältigende Glücksge­ (Endorphin) in hemmender bahn Hemmungen überwindet 4,9%
Synapse persignalen, wie Erschöpfung und Durst,
fühle auftreten, obwohl die Situationen durch die Konsumenten zu beobachten.
Was halten Sie von diesen Motiven?
für die meisten Menschen extrem an­
Welche Risiken nimmt man in Kauf? Gefahren durch den Konsum? Einstiegs­
strengend bzw. Angst auslösend sind.
Sind sie das Risiko wert? droge? Langzeitschäden? Wichtige Fragen,
auf die man eine Antwort suchen sollte.
Ursache dafür sind „körpereigene Dro­ Drogen – ein Begriff mit zwei Bedeutungen
gen“, also das Bewusstsein beeinflus­
sende Stoffe. Diese Endorphine bewir­- Psychopharmaka �������������������������
Warum gibt es keine Drogen in der Dro­
ken auch, dass Schmerzen und Er­ Arzneimittel (Pharmaka), gerie? Ursprünglich bezeichnete man Ermöglicht man Mäusen, Ratten oder Af­ Sucht
schöpfung weniger wahrgenommen die psychische Leiden durch Trocknen haltbar gemachte Pflan­ fen den Zugang zu Kokain, so versorgen
werden. Sie lösen Glücksgefühle aus. lindern oder heilen kön­ zenteile, die als Arzneimittel Verwen­ sie sich im Versuch kontinuierlich mit der Süchtiges Verhalten gehört als Teil un­
Ihre Entdeckung verdanken wir der nen. dung fanden, als Drogen. Sie wurden als Droge. Andere positiv besetzte Aktivi­ seres Gefühlslebens zu unserer Persön­
Erforschung der Wirkung von Opiaten. Tee, angefeuchteter Brei zum Auftragen täten, wie Fressen, Trinken und Paarung, lichkeit, z. B. als Sehnsucht, Eifersucht,
auf eine Wunde oder zum Einnehmen bei vernachlässigen sie. Spielsucht und Habsucht. Letztlich kann
Krankheiten verwendet.
jedes menschliche Interesse süchtig
Sind diese Tierversuche sinnvoll?
machen, wie Fernseh- und Arbeitssucht
Alle Dinge sind Gift— Heute versteht man unter Drogen meist Nehmen Sie begründet Stellung dazu.
Limbisches System oder Putz- und Sammelzwang zeigen.
nichts ist ohne Gift— psychoaktive Stoffe, die entweder le­
Bei jeder Drogensucht (Abhängigkeit
allein die Dosis macht, gal — wenn auch manche mit Altersein­
Angst lösende Medikamente von psychisch wirksamen Substanzen)
dass ein Ding ein Gift ist. schränkungen — verkauft werden dürfen
treten folgende Phänomene auf:
Paracelsus (1493—1541) (z. B. Alkohol und Nikotin) oder verboten
sind, wie z. B. Haschisch, Kokain, Heroin Manche Menschen leiden unter Angst, heren Dosen einschläfernd. Allerdings — Toleranzentwicklung
oder LSD. Körperliche Schäden und ohne dass ein adäquater Grund vorliegt. besteht auch hier Suchtgefahr. Die Wir­ — physische Abhängigkeit
Abhängigkeit sind mögliche Folgen der Eine solche Erkrankung lässt sich psy­ kung beruht auf der Besetzung von Re­ — psychische Abhängigkeit
Nicht nur sportliche Höchst­ Einnahme dieser Stoffe. chotherapeutisch oder, in schweren Fäl­ zeptoren im Limbischen System und der
leistungen, sondern auch len, medikamentös behandeln. Barbitu- Was versteht man unter diesen Schlagwor­
Großhirn­rinde anstelle von Transmittern.
Tagträume oder angenehme ten?
Erinnerungen können Sichwohl­
In den meisten Kulturen war die Einnahme rate wirken beruhigend (sedierend) und Wie gerät man in die Sucht?
von Drogen an religiöse Vorstellungen werden auch als Schlafmittel eingesetzt.
fühlen und Glücks­gefühle Krankhafte Angst ist selten. Was macht uns Wie kann man wieder herauskommen?
gebunden. Recherchieren Sie Beispiele und Wer müde ist, hat meist weniger Angst.
auslösen. Warum kann Sport Angst? Was kann man tun, ohne gleich zur Wie sollte man sich verhalten, wenn Freunde
erklären Sie die Zusammenhänge. Manche wirken Angst lösend und in hö-
zur Sucht werden? Tablette zu greifen? süchtig werden oder sind?

146  Neurobiologie    Neurobiologie  147


der Einbau von Gangliosiden die Leistungs­
fähigkeit einer Synapse erhöhen (Abb. 2).
Diese kohlenhydrathaltigen Lipide begüns­
tigen in der präsynaptischen Zelle die Aus­
schüttung von Transmittern. Postsynaptisch
besteht die Möglichkeit durch eine höhere
Anzahl von Rezeptoren bzw. Ionenkanälen
eine höhere Permeabilität und somit ein grö­
ßeres Membranpotenzial zu bewirken.

1 Bildung und Auflösung von Spines


Vergessen
„Lernen ist wie Rudern gegen den Strom“.
Was der Komponist Benjamin Britten schon
Neuronale Plastizität Anfang des 20. Jahrhunderts feststellte, wird
Schon lange stellen sich Wissenschaftler auch heute in der modernen Neurophysiolo­
die Frage, wie unser Gehirn lernt, wie es gie manifestiert. Neue und ähnliche Umwelt­
1 Explizites und implizites Lernen Gelerntes auf Dauer im Langzeitgedächtnis reize fördern die Ausbildung unserer Netz­
speichert und wie diese Inhalte wieder ab­ werke, mangelnder Input lässt sie verküm­
gerufen werden. Neuere Vorstellungen über mern. Man kann sich das Gehirn wie einen
die physiologischen Grundlagen des Ler­ Muskel vorstellen, der trainiert werden muss.
Lernen – speichern – erinnern nens gehen von einer neuronalen Plastizität Vergessen heißt in der Sprache der neuro­
aus. Diese Plastizität ist ganz besonders bei nalen Plastizität Zerfall oder Verkümmerung
Egal, ob wir ein Musikinstrument, einen neuen Gedächtnisebenen Kindern ausgeprägt, bleibt aber auch im Er­ von Spines bzw. bestehender Synapsen.
Bewegungsablauf beim Sport oder Vokabeln wachsenenalter erhalten, wenn sie trainiert Auch können Bereiche, die aktiv an Lernen
Im Gegensatz zu einem Computer selektiert
lernen, unser Gehirn speichert in all diesen wird, so dass ein lebenslanges Lernen in je­ und Gedächtnis beteiligt sind, Bereiche, die
unser Gehirn innerhalb von Sekundenbruch­
Situationen neue Inhalte. Das Gedächtnis er­ dem Lebensalter möglich ist. weniger aktiv sind, hemmen, indem sie ihre
teilen welche Inhalte nur kurz und welche
möglicht es, dass wir uns später wieder an Proteinsynthese blockieren.
länger in unserem Gedächtnis verweilen. Die
dieses Wissen erinnern können. Es legt Er­
Speicherung erfolgt auf verschiedenen Ebe­
innerungen in unserem Gehirn ab und bildet Unser Gehirn besitzt über 100 Milliarden Trotz dieser neuen Forschungsergebnisse
nen, die sich vor allem in der Speicherdauer
somit die Grundlage des Lernens. Neuronen, eine Zahl die mehr als zehnmal muss man jedoch eingestehen, dass die mei­
unterscheiden.
so hoch ist wie die Anzahl der Menschen sten Fragen über die Arbeitsweise unseres
Die Fähigkeit, die letzten Worte in einem zu­ auf der Erde. Diese Nervenzellen sind hoch Gedächtnisses noch weitgehend unbeant­
Lernen
vor gehörten Gespräch zu wiederholen ist geordnet in einem Netzwerk von unvorstell­ wortet sind. Gehirnforschung wird noch lan­
Unter Lernen versteht man im Allgemeinen ein Beispiel für das sensorische Gedächt- barer Komplexität miteinander verbunden. ge interessant bleiben und auch weiterhin
Prozesse, die zum Erwerb neuen Wissens nis. Aufgenommene Reize werden in Erre­ Bei der Geburt ist jedes einzelne Neuron mit notwendig sein.
oder neuer Fertigkeiten führen. Circa 70 % gungen umgewandelt und weniger als eine ca. 2500 anderen Neuronen durch Synapsen
der Gehirnkapazität steht dem Lernen zur Sekunde zur weiteren Verarbeitung bereit­ verbunden, die immer wieder modifiziert wer­
Verfügung. Neurobiologen unterscheiden gestellt. Daher spricht man auch vom Ultra- den. In den ersten drei Lebensjahren steigt
zwei verschiedene Lernformen: Explizites kurzzeitgedächtnis. Die Daten aus diesem die Zahl dieser Kontakte rasant an bis sich
und implizites Lernen (s. Abb. 1). Während Gedächtnis werden entweder gelöscht oder zum Erwachsenenalter mehr als 10 000 Ver­ ������������������� ��������������������
explizites Lernen das bewusste Aneignen in das Arbeitsgedächtnis (Kurzzeitgedächt- schaltungen pro Nervenzelle gebildet haben. ������������
von Inhalten umfasst, also das, was man im nis) weiter gegeben. Seine Speicherkapazi­ Erinnerungen wie z. B. an den ersten Kuss
allgemeinen Sprachgebrauch unter Lernen tät ist mit etwa sieben Informationseinheiten oder an einen schweren Unfall, vielleicht so­ �����������
��������
versteht, geschieht implizites Lernen beiläu­ relativ gering. Damit weiterhin Informationen gar das, was man als „Persönlichkeit“ ver­
fig, spielerisch und unbewusst. Allgemein aufgenommen werden können, beträgt die steht, wird in diesem sagenhaften Netzwerk �������
kann man sagen, dass Fertigkeiten implizit Verweildauer im Kurzzeitgedächtnis nur et­ verschlüsselt. Da jeden Tag neue Eindrücke
und Fakten explizit erlernt werden. Moto­ wa 15 Sekunden. Wiederholt man zum Bei­ und Erlebnisse erfahren werden, verändert
rische Fertigkeiten wie Fahrradfahren wer­ spiel explizit Vokabeln, die im Kurzzeitge­ sich auch das Verschaltungsmuster ständig. �����������������������������������
den zum Beispiel implizit erlernt ohne dass dächtnis gespeichert sind laut oder auch nur Neue Synapsen kommen dazu, bestehende
man bewusst Inhalte abspeichert. Erlernte in Gedanken, lässt sich die Verweildauer auf werden verstärkt oder ausgeschaltet. Der
������������
motorische Fähigkeiten werden wiederge­ mehrere Minuten verlängern. Dies erhöht Prozess der synaptischen Übertragung kann
geben ohne einzelne Sequenzen genau aus gleichzeitig die Chance, dass die Inhalte sowohl auf der prä- als auch auf der postsy­
�����������
dem Gedächtnis abrufen zu können. Jedoch danach nicht gelöscht werden, sondern ins naptischen Seite moduliert werden. Werden
��������
sind diese Fähigkeiten auch nur schlecht Langzeitgedächtnis gelangen. Hier können Synapsen verstärkt, so entstehen zunächst
wieder umzulernen. Hat sich zum Beispiel Erfahrungen, Informationen, Emotionen, so genannte dendritische Dornen (Spines, s. �������
bei der Ausübung einer Sportart eine fehler­ Fertigkeiten, Wörter und Regeln, die man Abb. 1). Die­se feinen Verzweigungen wach­
hafte Haltung oder Technik im Laufe der Jah­ sich aus dem sensorischen und Kurzzeitge­ sen ganz gezielt auf mögliche Kontaktpart­
��������������������������������������
re eingeschlichen, so kann dies nur schwer dächtnis angeeignet hat, über Jahre hinweg ner zu, um neue größere Kontaktflächen und
wieder korrigiert werden. gespeichert werden. Synapsen zu bilden. Zusätzlich dazu kann 2 Neuronale Plastizität an der Synapse

148  Neurobiologie    Neurobiologie  149


������������������������ Nebenwirkung unwillkürliche Bewe­ Krankheit leidenden Frau. Die damals kamente verabreicht. Diese helfen,
������� � gungen auftreten. Deswegen werden
gerade jüngere Patienten zunächst �����������
51-jährige Auguste Deter wurde in
eine Frankfurter Nervenheilanstalt
die Synapsenfunktion zwischen den
überlebenden Nervenzellen zu ver­

������������������������������
���
mit so genannten Dopaminagonisten eingeliefert, in der Alzheimer tätig war. bessern, weil sie die Konzentration

behandelt. Diese ahmen an den Re­ Sie litt zunächst u. a. an einem uner­ des Transmitters Acetylcholin in den
��� �������������
zeptoren die Wirkung von Dopamin ������ klärlichen Gedächtnisverlust. Einen Synapsen steigern.
� nach. Monat nach ihrer Einlieferung konnte
��� sie sich nicht mehr an ihren Namen
Es wird jedoch immer wieder betont, ������������� erinnern. Ihr Zustand verschlimmerte
� Depression
dass auch der Patient selbst durch sich zusehends, bis sie 1906 an einer
��� regelmäßige Aktivitäten, wie zum Bei­ ����������� Blutvergiftung starb. Nach ihrem Tod
Depression ist in vielen Industrielän­
� spiel Spaziergänge oder Beweglich­ untersuchte Alzheimer das Gehirn der
dern die am häufigsten auftretende
��� keitsübungen, die Therapie unterstüt­ Patientin. Schon mit dem bloßen Auge
psychische Erkrankung. Ursachen
zen und somit in begrenztem Maße waren tiefe Furchen zu erkennen und
� dieser Erkrankung sind nicht vollstän­
Einfluss auf den Krankheitsverlauf unter dem Mikroskop entdeckte er
�� �� �� �� �� �� �� �� �� dig aufgeklärt, man geht jedoch von
nehmen kann. in den Nervenzellen Eiweißablage­
Erkrankungen des mensch- ����� ������������� rungen. Diese Proteine sorgen für den
einer Multikausalität aus. Erbliche Ver­
anlagung und traumatische Ereignisse
�����������
lichen Nervensystems Absterben der Nervenzellen im Gehirn
Stößt die medikamentöse Therapie
jedoch an ihre Grenzen werden seit
Stofftransport vom Soma zu den Sy­
napsen, nun aber verklumpen sie und
können ebenso eine Rolle spielen, wie
kommt, die den Transmitter Dopamin �������������
Stoffwechselstörungen. Das männ­
ein paar Jahren auch neurochirur­ verstopfen das Axon. Heute weiß man,
Parkinson-Syndrom herstellen. Durch den Mangel an die­ ���������� liche Gehirn erzeugt z. B. wesentlich
gische Behandlungsmöglichkeiten dass es bei der Alzheimer-Krankheit
sem Botenstoff ist die Weiterleitung höhere Mengen Serotonin als das
eingesetzt. In einer riskanten Opera­ zu einem starken Verlust an Synapsen
1817 beschrieb der englische Arzt von Erregungen in dopaminergen Sy­ weibliche Gehirn, und Depressionen
tion werden dem Patienten ein bis kommt. Im weiteren Krankheitsverlauf
James Parkinson in der Monografie napsen gestört. Neben dem Dopamin­ kommen bei Frauen tatsächlich häu­
zwei Elektroden in den Gehirnbe­ nimmt die Gehirnmasse durch das
“An Essay on the Shaking Palsy“ erst­ mangel wurde auch ein Ungleichge­ figer vor als bei Männern. Bei an De­
reich implantiert, der für das typische Absterben von Nervenzellen ab.
mals die wichtigsten Symptome der wicht anderer Neurotransmitter fest­ pression erkrankten Menschen stellt
Zittern verantwortlich ist. Diese sind �����
später nach ihm benannten Krankheit. gestellt. Sind diese Transmitter nicht man also einen Mangel an Serotonin
unter der Haut mit einem Impulsge­
Muskelsteifheit, Verlangsamung und in gewöhnlichen Mengen vorhanden, ������������� ������ aber auch an Noradrenalin fest. Diese
nerator, dem „Hirnschrittmacher“ ������������
Verarmung der Bewegungen bis zur kommt es zu massiven Störungen u.a. Moleküle dienen den Nervenzellen des
verbunden. Er verursacht schwache
Bewegungsunfähigkeit und Ruhezit­ im Bereich der Motorik. Man vermutet, Gehirns als Neurotransmitter. Unklar
Stromstöße, die die überaktiven Neu­ ������� �������
tern sind die typischen Merkmale. Mit dass alle diese Faktoren zu den be­ ����������� ist jedoch, ob der Mangel an Boten­
ronen lahm legen.
zunehmender Krankheitsdauer entwi­ schriebenen Symptomen führen. ���������� ��������� stoffen eine Ursache oder eine Folge
ckelt sich die für Parkinson-Patienten Durch molekulargenetische Untersu­ der Erkrankung ist. Neuere Untersu­
typische Körperhaltung. chungen von Familien, in denen die chungen verstorbener Depressions­
Krankheit auftrat, gelang die Identifi­ Multiple Sklerose (MS) patienten fanden eine auffällig geringe
zierung von Genen, deren Mutation wird derzeit nicht mehr ausgeschlos­ Zahl von Astrozyten in bestimmten
Parkinson auslösen kann. Diese Gene Multiple Sklerose ist eine der häu­ sen und intensiv erforscht. Auch der ����������
Hirnregionen, die für Stimmung und
codieren bestimmte Proteine, die bei figsten entzündlichen Erkrankungen Einfluss von Umweltfaktoren wie z. B. Motivation wichtig sind. Die sternför­
Überproduktion in dopaminproduzie­ des Nervensystems, die meist schon Infektionen im Kindesalter wird als ein ������ ��������� migen Astrozyten sind ein besonderer
renden Nervenzellen verklumpen und im jungen Erwachsenenalter beginnt. mitbeteiligter Faktor vermutet. Typ von Gliazellen, die quer durch das
Einschlüsse bilden. Dies führt zum Hierbei treten Entzündungsherde in menschliche Gehirn ein Kommunika­
Gehirnbereichen und Rückenmark Die Erkrankung ist zurzeit nicht heil­ tionsnetz bilden. Sie sind nicht nur am
Absterben der Neuronen.
auf. Vermutlich verursachen dies bar, der Verlauf kann jedoch durch Informationsaustausch der Neuronen
verschiedene Maßnahmen, wie z. B. Die Degeneration beginnt in den Be­
Doch nicht nur mutierte Gene, son­ körpereigene Abwehrzellen durch beteiligt, sie scheinen auch deren Im­
Physiotherapie günstig beeinflusst reichen des Gehirns, die für Gedächt­
dern auch Umweltgifte werden als den Angriff auf die Myelinscheiden puls zu Synchronisieren — nimmt man
werden. nis und Informationsspeicherung
mögliche Krankheitsursache disku­ der Axone (Autoimmunreaktion). Die doch an, das eine einzige Gliazelle
zuständig sind. Eine Verschlechterung
tiert. In Verdacht sind sie geraten, als Schwann’schen Zellen werden so bis zu 140 000 Synapsen beeinflussen
des Kurzzeitgedächtnisses ist deshalb
das Parkinson-Syndrom bei Heroinab­ teilweise oder komplett abgebaut. kann.
häufig das erste Symptom. Demge­
hängigen beobachtet wurde, die sich Durch die damit verbundene fehlende Alzheimer Krankheit genüber sind die Erinnerungen an
Isolationswirkung wird ein Aktionspo­ Symptome einer Depression sind
eine Designer-Droge gespritzt hatten. die Jugend oft noch lange Zeit sehr
tenzial um ein Vielfaches langsamer u.a. Stimmungseinengungen, Kon-
Die Parkinson-Krankheit ist eine der In den letzten Jahren haben Forscher Eine der größten Bedrohungen für präsent. Im Laufe der Erkrankung
weitergeleitet. zentrationsschwäche, vermindertes
häufigsten Erkrankungen des Ner­ eine Reihe von Umweltgiften entdeckt, die alternden Industrienationen ist treten Sprachstörungen auf, Alltagsfä­ Selbstwertgefühl, Antriebslosigkeit
vensystems. Man nimmt an, dass in die Parkinson auslösen können. die Alzheimer Demenz. Schätzungen higkeiten, wie Ankleiden können nicht
Die Folgen hiervon sind unterschied­ und Schlafstörungen.
der Bundesrepublik bis zu 400 000 zufolge leiden in Deutschland mehr mehr bewältigt werden. Schließlich
Menschen daran leiden. Die Häufigkeit Da man die Ursache der Krankheit liche Symptome wie z. B. Schluckbe­ als eine Millionen Menschen an dieser verlieren die Erkrankten die Kontrolle Depressionen können in der Regel
steigt mit zunehmenden Lebensjah­ noch nicht genau kennt, können nur schwerden, Sehstörungen, Gangunsi­ Krankheit. über ihre Körperfunktionen und sind erfolgreich therapiert werden. Häufig
ren. Das durchschnittliche Alter bei die Symptome behandelt werden, z. B. cherheit oder Spasmen. Man nennt schließlich vollständig auf Hilfe ange­ wird eine Kombination aus medika­
Beginn der Erkrankung liegt derzeit durch Einnahme von L-Dopa, einer Multiple Sklerose deshalb auch die Die Ursachen sind noch nicht ge­ wiesen. mentöser und psychotherapeutischer
bei 64 Jahren. Aus diesem Grund gilt Vorstufe des Dopamins. Dopamin „Krankheit mit den 1000 Gesichtern“. klärt. Viele Faktoren beeinflussen die Behandlung angewandt. Antidepres­
Parkinson als klassische Alterskrank­ selbst ist als Medikament unwirk­ Diese Symptome können in Schüben Krankheitsentstehung: Erbanlagen, Die Alzheimer-Krankheit ist noch nicht siva fördern die natürliche Produktion
heit, doch sind mittlerweile mehr als sam, da es wegen seiner chemischen oder schleichend auftreten. Kopfverletzungen und bestimmte heilbar. Derzeit zugelassene Medi­ von Serotonin und Noradrenalin und
zehn Prozent der Patienten jünger Eigenschaften nicht vom Blut ins Hirn Erkrankungen wie Arteriosklerose und kamente beeinflussen die Symptome hemmen ihren Abbau. Lichttherapie
als 40. wechseln kann. Die Vorstufe über­ Die Ursache von MS ist noch nicht Bluthochdruck. nur sehr gering und können den und Ausdauertraining scheinen eben­
windet diese Barriere und wird dann geklärt. Vermutlich müssen mehrere Krankheitsverlauf kaum verzögern. falls erfolgsversprechende Behand­
Die Krankheitsursache ist noch durch chemische Veränderungen zum Bedingungen und Einflüsse zusam­ Der deutsche Psychiater Alois Alz- Im frühen und mittleren Stadium der lungsmethoden zu sein, da auch sie
unbekannt. Man fand jedoch schon Dopamin. Nach mehrjähriger Einnah­ mentreffen, um die Krankheit auszu­ heimer beschrieb 1901 als Erster Alzheimer-Krankheit werden Acetyl­ auf den Gehirnstoffwechsel normali­
sehr früh heraus, dass es zu einem me von L-Dopa können jedoch als lösen. Eine genetische Dispostion die Symptome einer unter dieser cholinesterase-Hemmer als Medi­ sierend wirken.

150  Neurobiologie    Neurobiologie  151


�������� ���������������������������� ����������������������������

Informationsübertragung Umcodierung Kontrolle bei der Signalübertragung Neurochip


Synapsen übertragen Informationen Im Axon wird Information in Form von Ein wirkungsvoller Kontrollmechanismus Schon im Jahr 1991 setzten Wissen­
von einer Zelle zur anderen. Chemische Aktionspotenzialen weitergeleitet. Die bei der Weiterleitung von Erregungen schaftler erstmals eine Nervenzelle von
Synapsen wandeln dabei eine elek­ Dauer und die Intensität des Reizes sind ist die präsynaptische Hemmung. Sie einem Blutegel auf einen Computerchip,
trische Erregung in eine chemische um. in der Anzahl der Aktionspotenziale pro wirkt auf das Endknöpfchen einer erre­ und ein Transistor fing die von der Zelle
Elektronenmikroskopische Aufnahmen Zeiteinheit verschlüsselt. Es handelt sich genden Synapse und ist häufig an der ausgesandten Signale auf. 1995 gelang
zeigen diese Kontaktstelle sehr detail­ um einen Frequenz-Code. Schmerzweiterleitung beteiligt. dieses Experiment dann auch in der
liert. Gegenrichtung: Eine Zelle wurde über
Erreicht ein Aktionspotenzial eine Die Wirkungsweise der Hemmung lässt einen Chip mit elektrischen Impulsen ge­
erregende Synapse, werden Transmit­ sich über die in der Abbildung darge­ reizt und antwortete darauf mit Aktions­
termoleküle in den synaptischen Spalt stellten Messung erklären. potenzialen, die als Signale gemessen
von intaktem Nervengewebe über einen
abgegeben und die postsynaptische werden konnten.
Neuronale Informations- Membran wird depolarisiert. Je schnel­
längeren Zeitraum bietet den Neurobi­

��
ologen neue Einsatzmöglichkeiten. So
verarbeitung ler die Aktionspotenziale aufeinander Heute werden die Versuche in ganz an­

��

werden z. B. neuroaktive Substanzen auf
folgen, desto höher ist die Anzahl an � deren Größenordnungen durchgeführt:
Neurochips gegeben und deren Reakti­
synaptischen Bläschen, die sich öffnen. Tausende winzige Kontaktsensoren
Erregungsleitung im Modell ��� onen darauf in einer Datenbank katalo­
Bei hoher Impulsrate werden dadurch ��������� können mehrere Millionen Zellsignale
� ��� gisiert. Die Reaktionsmuster derartiger
� viele Transmittermoleküle freigesetzt. ��������� pro Sekunde aufzeichnen. Die Sensoren
Modelle sind meist vereinfachte Darstel­ bekannter Referenzsubstanzen sollen

��
So kommt es zu einer unterschiedlichen eines Chips sind auf einer Fläche von
lungen. Sie dienen unter anderem der � als Anhaltspunkte für die Charakteri­
Höhe des postsynaptischen Potentials etwa einem Quadratmillimeter unterge­
Veranschaulichung komplizierter Sach­ � �������� sierung neuer Wirkstoffe dienen. Dies
(EPSP). Die in der Aktionspotenzialfre­ bracht und haben einen Abstand von nur
verhalte. Die Erregungsleitung am Ner­ würde eine enorme Zeitersparnis bei
quenz verschlüsselte Information wird ��� etwa acht Mikrometer. Weil der Durch­
ven ist durchaus solch ein komplizierter ��������� der Entwicklung neuer Medikamenten
in ein EPSP umcodiert. Da nun die Am­ �������� messer einer Nervenzelle etwa zehn
Vorgang. Er soll durch einen einfachen bedeuten.
plitude, d. h. die Potenzialhöhe, variabel Mikrometer beträgt, ist sichergestellt,
Modell-Aufbau veranschaulicht werden.
ist, spricht man von einem Amplituden- dass ein auf dem Chip aufgebrachter Voraussetzung für den Bau eines funkti­
Ihnen stehen folgende Materialien zur
Code. Nerv auf jeden Fall Kontakt mit einem onierenden Neurochip, d. h. für eine gute
Verfügung: ��������
Messfühler hat, ganz gleich wo die Zelle Zell-Elektroden-Kopplung, ist jedoch ein
� Das EPSP führt am Soma zu neuen wächst. Der Neuro-Chip ist damit in der ausgewogenes Verhältnis von Nerven-
Aktionspotenzialen mit bestimmter Fre­ Lage, mehrere Nervenzellen oder gar und Gliazellen.
quenz. Bei der Informationsübertragung Nervennetze gleichzeitig in einer Ebene
von einem Neuron auf das nächste wird zu analysieren.
Aufgaben Aufgaben
also mehrfach umcodiert.
Aufgaben
 Welche Funktion haben die Neu­ Im Gegensatz zu klassischen Methoden  Welche Aufgaben erfüllen bei einem
4 Benennen Sie die Buchstaben A—D ronen A und B? der Neurophysiologie werden die Zellen Neurochip die Gliazellen?
Aufgaben
mit den entsprechenden Fachbegrif­  Erklären Sie die Entstehung des auf dem Neuro-Chip durch die Messungen  Informieren Sie sich über weitere
fen. 7 Ordnen sie dem unten dargestellten Aktionspotenzials an der weiterlei­ nicht gestört oder verletzt. Die nun Einsatzmöglichkeiten von Neuro­
5 Beschreiben Sie die ablaufenden Schema die Begriffe analoge und tenden Nervenzelle. mögliche störungsfreie Beobachtung chips.
Vorgänge an einer chemischen digitale Codierung zu.
Synapse. 8 Beschreiben Sie den Einfluss der
6 Vergleichen Sie die Ionenkanäle Reizdauer auf eine Frequenz- oder
eines Neurons am Soma, am Axon Amplituden-Codierung. Gehirnentwicklung beim Menschen
und in der postsynaptischen Mem­ 9 Nennen Sie Vor- bzw. Nachteile der
bran. Erklären Sie die Unterschiede. verschiedenen Codierungsformen.
Im Labyrinth der Hirnwindungen
Wie Nervenzellen ihren Platz im Körper finden
������������� ��������������� ������������� Den meisten Lesern genügen zwei Sekunden, An vorderster Front der wachsenden Nerven-
um die Überschrift dieses Artikels zu verste- fasern bilden sich kurze fingerförmige Aus-
60 Dominosteine, 6 Zeichenstifte, Stopp­ hen. In dieser Zeit verarbeiten Hunderttausen- stülpungen, die sich in die Umgebung vorta-
uhr und Maßband de von Nervenzellen die Lichtsignale auf dem sten. Wie Fühler erkunden sie das unbekannte
Augenhintergrund, leiten sie an Umschaltstel- Terrain und suchen mittels Erkennungsmole-
len im Zwischenhirn weiter und verteilen sie külen (Rezeptoren), die auf ihrer Oberfläche
Aufgaben an höhere Zentren, wo sie als Worte erkannt sitzen, nach Wegweisern. Als solche dienen
und mit Bedeutungen assoziiert werden. ihnen im Gehirn verteilte Eiweißmoleküle,
1 Bauen Sie mit den Bausteinen und �������������� �������������� �����������
��������������������

die die Rezeptoren binden können und daher


den Zeichenstiften je ein passendes Damit dies reibungslos funktioniert, mussten als Liganden (Bindungspartner) bezeichnet
Modell für eine kontinuierliche und im menschlichen Gehirn schätzungsweise 100 werden. Nach Erkennen eines Liganden sendet Aufgaben
eine saltatorische Erregungsleitung. � � � Milliarden Nervenzellen bis zu 100 Billionen der Rezeptor Signale ins Zellinnere. Je nach
2 Analogisieren Sie Modellteile und Verknüpfungen schaffen. (. . . ) Wegweiser zieht die Nervenfaser die Ausstül-  Beschreiben Sie die im Schema
Vorgänge mit Bestandteilen des ��� ��� ��� Bereits im zweiten Monat der Schwanger- pungen zurück oder baut sie aus und lenkt so dargestellte Entwicklung neuronaler
schaft beginnen im Embryo die Nervenfasern ihre Wachstumsrichtung. Netze bei Kindern.
Neurons und der Erregungsleitung.
mit dem Bau des komplexen dreidimensio-
3 Ermitteln Sie jeweils die „Leitungs­ ���� ���� ���� nalen Netzes. (. . .)
 Erklären Sie die Bildung eines neuro­
(Text: SZ, S. 42,12.12.96)
geschwindigkeit“ der beiden Modelle. ����������������� ���� ����������������� nalen Netzes mit Hilfe des Textes.

152  Neurobiologie    Neurobiologie  153

Das könnte Ihnen auch gefallen