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Ernst Hiemer
Herr Doktor! Lassen Sie mich
bitte in Ruhe
(1938)
Der Text sowie die dazugehdrige Illustration entstammen dem Giftpilz m giftsvamp
Kinderbuch »Der Giftpilz«. Das antisemitische Buch erschien erscheinen udkomme
1938 im Stiirmer Verlag, Niirnberg. Der »Stiinner« war ein mahnen formane
wamen advare
nationalsozialistisches Propagandablatt, das von Julius Strei- unwillig irriteret
5 cher (LX) herausgegeben wnrde. Unsinn m vrøvl
recht i orden
nge ist krank. Schon seit mehreren Tagen hat sie leich- BDM m = Bund
M
Abb. 6. Origimlillustration zu Text 6 von Fips (Philipp Rupprecht), der viele antisemi-
tische Karikaturen zeichnete.
20.
nach den Zeitschriften und versucht zu lesen. Da offnet Teufel m djævel
sich die Tiire. Inge blickt auf. Der Jude erscheint. Ein verbogen krum
Schrei dringt aus Inges Mund. Vor Schreck lafit sie die Verbrecher- forbryder-
wulstig fyldig
Zeitung fallen. Entsetzt springt sie in die Hohenlhre Grinsen n grin
Augen starren in das Gesicht des jiidischen Arztes. Und fleischig tyk; »kødfidd«
dieses GesTcht ist das Gesicht des Teufels. Mitten in die sich fassen genvinde
sem Teufelsgesicht sitzt eine riesige, verbogene Nase. fatningen
Hinter den Brillenglasern funkeln zwei Verbrecherau- zupacken gribe fat
gen. Und um die wulstigen Lippen spielt ein Grinsen. entsetzt forfærdet
beschamt flov;
10 Ein Grinsen, das sagen will: »Nun hab ich dich endlich, beskæmmet
kleines, deutsches Madchen!« Vorwurf m bebrejdelse
Und dann geht der Jude auf sie zu. Seine fleischigen Miihe f besvær
Finger greifen nach ihr. Nun aber hat sich Inge gefafit. Trane f tåre
Noch ehe der Jude zupacken kann, schlagt sie mit ihrer ins Wort fallen afbiyde
15 Hånd in das fette Gesicht des Judenarztes. Dann ein allmahlich efterhånden
Sprung zur Tiire. Atemlos rennt Inge die Treppe hinun- É
ter. Atemlos stiirzt sie aus dem Judenhaus. Weinend
kommt sie zu Hause an. Die Mutter erschrickt, als sie ihr
Kind sieht. »Um Gottes willen, Inge! Was ist passiert?«
20 Es dauert lange, ehe das Kind nur ein Wort sprechen
kann. Dann aber erzåhlt Inge ihr Erlebnis beim Juden-
arzt. Entsetzt hort die Mutter zu. Und als Inge ihre
Erzahlung beendet hat, senkt die Mutter beschamt den
Kopf.
25 »Inge, ich hatte dich doch nicht zu einem Judenarzt
schicken sollen. Als du fort warst, da machte ich mir
schon Vorwiirfe. Ich hatte keine Ruhe mehr. Am hebsten
hatte ich dich gleich wieder zuriickgeholt. Ich ahnte
plotzlich, dafi du doch recht hattest. Ich ahnte, dafi dir
30 etwas zustoSen wiirde. Aber nun ist alles doch noch gut
gegangen. Gott sei Dank!«
So stohnt die Mutter und hat Miihe, ihre Tranen zu
verbergen.
Allmahlich hat sich Inge beruhigt. Nun lachelt sie
35 schon wieder. »Mutter, du hast mir schon so viel Gutes
getan. Ich danke dir dafur. Aber eines mufit du mir jetzt
versprechen: fiber den BDM ...«
Die Mutter fållt ihrem Kind ins Wort.
»Ich weiB schon, was du sagen willst, Inge. Ich ver-
40 spreche es dir. So allmahlich merke ich, dafi man sogar
von euch Kindem etwas lernen kann.«
Inge nickt. Spruch m fyndord;
»Du hast recht Mutter. Wir BDM-Madels, wir wissen »guldkorn«
schon, was wir wollen, auch wenn ihr uns nicht immer Ehre f ære
gesunden blive sund
so ganz versteht. Mutter, du hast mich friiher so man-
og rask
5 chen Spruch gelehrt. Heute will ich dir einen Sprudl Heilkunst f lægekunst
sagen, den du dir merken mufit!« ... gefunden = gefun
Und langsam und bedeutungsvoll spridit Inge: den hat »finder«
»Den Judenarzt im deutschen Land Sinn m (her) sindelag
Hat uns der Teufel hergesandt. furderhin frn nu af
io Und wie der Teufel schandet er
Die deutsche Frau, die deutsche Ehr'.
Das deutsdie Volk wird nicht gesunden,
Wenn es nicht bald den Weg gefunden
Zu deutscher Heilkunst,
15 deutschem Sinn,
Zum deutschen Arzte furderhin.«
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