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Die Geschichte

der Schweiz

Von Silvia Arlettaz, Susanna Burghartz, Olivier Christin,


Justin Favrod, Bertrand Forclaz, Regula Frei-Stolba,
Randolph Head, Irène Herrmann, André Holenstein,
Rudolf J aun, Elisabeth Joris, Marc-Antoine Kaeser,
Béla Kapossy, Georg Kreis, Martin Lengwiler, Urs Leuzinger,
Luigi Lorenzetti, Theo Maus li, Anna Pia Maissen, J on Mathieu,
Kreis, Georg (Hrsg.): Die Geschichte der Schweiz, Schwabe, Basel 2014. Jean-Daniel Morerod, Daniel Pauni er, Christian Pfister,
Philipp Sarasin, Lucie Steiner, Brigitte Studer, Andreas Suter,
Laurent Tissot, Danièle Tosato-Rigo, Béatrice Veyrassat,
Regina Wecker, Andreas Würgler, Sacha Zala

Herausgegeben von Georg Kreis

1(3 224' 1lf


Schwabe Verlag Basel
A- bi0 rf2 9
(A}(. )
1
zwischen Angst und Hoffnung. Eine
Nation entsteht (1798-1848)-rrèneHerrmann

Die Helvetische Revolution war für die Eidgenossenschaft eine ambi-


valente Erfahrung. Mit der von ihr erzeugten Spannung zwischen
wunsch nach Veranderung und Furcht vor dem Wandel pragte sie das
nachfolgende halbe Jahrhundert. Diese fünf Jahrzehnte waren gekenn-
zeichnet durch heftige politische Reaktionen, die in drei Wellen
erfolgten: Die ers te war eine konservative Antwort auf die Revolution,
wahrend die zweite in den 183oer}ahren zugleich ais Spatfolge der
Helvetik und ais Reaktion auf die vorhergehende Phase zu verstehen ist
und den Durchbruch der liberalen Regime in vielen Kantonen brach te.
Diese sogenannte Regenerationszeit setzte eine dritte, zum Teil
parallel verlaufende,jedoch in den 184oer}ahren kumulierende Welle
zweier gegensatzlicher Bewegungen in Gang: Wahrend die Anhanger
der einen die Errungenschaften des Liberalismus zu festigen suchten,
strebten die anderen nach traditionellen Gesellschaftsmodellen.
Dieser Antagonismus mündete zwar zunachst in den Sonderbunds-
Gabriel Lory fils, Die Gondo-
krieg, ebnete aber zugleich den Weg zur Schaffung des Bundes- schlucht, kolorierte
Aquatintaradierung, aus:
staates. Voyage pittoresque de
Genève à Milan par le Sim-
Das Kapitel will die unterschiedlichen ideologischen und politischen plon, Paris tSu (Viaticalpes 1
Médiathèque Valais-Sion, Inv.-
Stromungen, die diese Periode des Umbruchs charakterisieren, Nr. RH 490-<J22).- Der Berner
Mal er Gabriel Lory (1784-1846)
nachzeichnen und verstandlich machen. Dabei folgt die Darstellung gab, teilweise gemeinsam mit
seinem Vater, eine Reihe von
weder einem streng chronologischen noch einem strukturalistischen Schweizer Ansichten heraus,
darunter auch eine Sammlung
Muster. Die Gliederung ergibt sich aus den erwahnten drei Wellen von Darstellungen der un ter
Napoleon neu erbauren, am
der Reaktion auf die Helvetische Revolution, die jeweils analog 9· Oktober 1805 eingeweihten
Simplonstrasse. Dieses tech-
beschrieben und in Hinblick auf ihre Ursachen und Folgen untersucht nische Meisterwerk beendete
die geographische Isolation
werden. Auf diese Weise wird die dialektische Dynamik deutlich, des Wallis und zog Reisende
aus ganz Euro pa in seinen
welche die Epoche gepragt hat. Bann.•

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Die Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann
Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)

DIE ERSTE WELLE: DIE RESTAURATION rektoriums die Greuze überschritten, um die sischen Generais Balthasar von Sd1auenburg, die mittelbar der Bruderzwist des Stecklikriegs, gleich-
ALS REAKTION AUF DIE REVOLUTION Schweizer «Patrioten», die im Waadtland die Re- melH als vierhundertTote forderre.s sam Hohepunkt und Endstadium einer ausser-
volution entfachen wollten, militarisch zu unter- 1799 wurde die Schwciz durcb die Oklmpa- ordentlich konfliktreichen Konstellation, deren
Eine Gesellschaft im Griff der Gewalt stützen. Die franzosischen Truppen verfolgten tiOll in den Zweiten Koalltionsluieg hineingezo- Gründe im Folgenden erortert und deren Auswir-
In der Nacht vom 27. auf den 28. August 1802, wc- eine gut eingespielte Taktik, die unter dem Vor- gen, den Russland, Osterreich tmd Grossbritan- kungen anschliessend betrachtet werden sallen.
niger als einen Mo nat nach dem Abzug der franzo- wand, die nach Frciheit dürstende Bevollœrung nien in All ianz gegen Frankreidl führten. Dieser
sischen Besatzungstruppen, griffen Manner aus zu unterstützen, auf die Kontrolle der grenz- Konflikt erfasste zunachst Graubünden und ver- Die Hoffnungen von 1798 ...
Unterwalden ein Soldatenkorps der helvetischen nahen Gebiete Frankreichs abzielte - und dazu wandelte daraufhin den ostlichen Landesteil in den Welches auch immer die Urheber oder die Ziele
Regierung an. Dieses Gefecht war der Auftakt zum 'zahlte die Eidgenossenschaft. Zwar wurde die Jahren 1799 und 1800 wahrend mcluererM:onare in ail dieser Gewaltakte waren und in welcher Inten-
Stecklikrieg/ einem bewaffneten Konflikt zwi- Eidgenossenschaft, im Unterschied zu anderen ein euro pa isches Schlachtfeld.4 Aufgrund einer am sitat sie letztlich ausfielen, ihre Ursachen waren
schen Bürgern, in dem die Foderalisten ais Anhan- europaischen Regionen, nicht annektiert, sondern 19 . August 1798 unterzeichneten Offensiv- und De- im Kern immer dieselben. Die Aufstande wur-
ger der alten Ordnung und die gemassigten Unita- nur besetzt. Dennoch kam es beim Vormarsch der fensivallianz, die dem Direktorium in Paris schwei- den hervorgerufen durch Veranderungen, die das
rier, die eigentlich die Macht innehatten, einander Truppen der Grande Nation zu mehreren bluti- zerische Truppen zusicherte, stiessen die mit hel- schweizerische System umgestaltet hatten oder
wahrend mehrerer Wochen bekimpften. Die Fo- gen Gefechten. vetischen Kontingenten verstarkten franzosischen im Begriff waren, es umzugestalten. Einige die-
deralisten beherrschten zu diesem Zeitpunkt die Einige dieser Gefechte waren klassische Mili- Armeen mit russischen und osterreichischen Trup- ser Reformen waren schon lange ins Auge gefasst
Zentralschweiz und den Osten des Landes, wah- taroperationen, beispielsweise die Einnahme Berns pen zusammen, die ebenfalls zahlreiche Schweizer worden, namentlich unter dem Einfluss reform-
rend die Unitarier ihr Rückzugsgebiet im Westen der Hauptstadt des wichtigsten Schweizer Kan~ in ihren Reihen zahlten. aufklarerischer Diskussionen im deutschsprachi-
hatten. Mitte September beschossen Unitarier die tons, die mit drei blutigen und sinnlosen Schlach- Doch es war vor allem die Zivilbevolkerung, die gen Raum (siche Kapitel von André Holenstein,
aufstandische Stadt Zürich, wurden aber rasch zu- ten in Neuenegg, Fraubrunnen und im Grauholz, in dieser Situation unter den Verwüstungen und S. 339f.). Doch ihre Konkretisierung- sowohl in
rückgeworfen und am 3. Oktober an der freibur- geschlagen am s. Marz- einen Tag nach der Kapi- Entbehrungen zu leiden batte. Aus diesem Grund Worten wie in Taten - war direkt mit den Inter-
gisch-waadtlandischen Grenze in einer Schlacht tulation der stadtischen Behorden -, verbunden wurde das Land, obwohl es zwischen 18oo und 1802 ventionen Frankreichs verbunden.
geschlagen, die von den Angreifern ebenso wie von war. Bei anderen handelte es sich eher um Nieder- auch einige Monate des Friedens gab, immer wieder In den meisten der dem Direktorium unter-
englischen Kommentatoren als Sieg der Gegenre- schlagungen bewaffneter Rebellionen, etwa der ge- von sozialen Unruhen und politischen Aufstanden stellten Lander bedeutete der militarische Ein-
volution dargestellt wurde. waltsamen Widerstandsaktionen, die die Soldaten erschüttert. So kam es in diesen rund drei}ahren in marsch den Sturz der bestehenden Regierung und
Dem Stecklikrieg - seine Bezeichnung rührt des Direktoriums bei ihrer Ankunft in Gebieten kurzen Abstanden zu vier Staatsstreichen: Der ers te forderte den Aufbau einer neuen Gesellschaft. Die
von der teilweise dürftigen Bewaffnung der Auf- mit «direkter» Demokratie jeweils auslosten. Das stürzte im Januar 18oo die Anhanger cines Unita- Schweiz stellt in dieser Hinsicht keine Ausnahme
standischen her - waren mehrere ungewohnt ge- gewalttatigste Ereignis dieser Art war die Schlacht rismus nach franzosischem Vorbild und brach te die dar: Ein kleiner Kreis der intellektuellen Elite be-
waltvolle Jahre vorausgegangen. Am 28. Januar vom 9· September 1798 zwischen Milizen und Bür- gemassigten, ebenfalls von Paris unterstützten Re- gann, die politischen, wirtschaftlichen und sozia-
1798 hatten die Soldaten des franzosischen tOi- gern von Nidwalden und den Soldaten des franzo- publikaner an die Macht. Diese wiederum muss- len Strukturen der Alten Eidgenossenschaft umzu-
ten im August einer offenjakobinischen Regierung gestalten. Das Grundmuster dieses Umbaus wurde
Platz machen, die ihrerseits im Oktober 1801 von durch die Verfassung vorgegeben, die der Basler
den Foderalisten gestürzt wurde, an deren Stelle Patrizier Peter Ochs (1752-1821) un ter dem Einfluss
im Apri11802 dann die Patrioten traten. und der Kontrolle Frankreichs schon Ende des
Diese politischen Umschwünge konnten die Jahres 1797 verfasst hatte. 6 Dieser am 12. Apri11798
Aufstande nicht verhindern, mit denen die ein- ratifizierte Text sah die Zentralisierung des Lan-
fachen Bürger ab 1798 gegen ihre jeweilige offi- des vor. Die über J ahrhunderte gewachsene territo-
zielle Regierung rebellierten. Aufschlussreich ist riale Struktur der Orte wurde aufgelost, und die
der Verlauf dieser Ereignisse: Wahrend die Wirren neu geschaffenen und sogar mit neuen Namen ver-
anfànglich vor allem von den Anhangern des tAn- sehenen Kantone bildeten nur noch Verwaltungs-
cien Régime und den Landsgemeindekantonen einheiten. Diese waren einer nationalen Exekutive
(t Landsgemeinde) ausgingen, waren sie spater zu- unterstellt, der ein aus zwei Kammern bestehendes
nehmend für jene Bevolkerungsteile charakteris- und vom Volk gewahltes Parlament zur Sei te stand.
tisch, die zuerst von den revolutionaren Ideen ein- Das Volk selbst wurde zum Souveran erklart und
genommen waren, dann aber durch die Art ihrer erhielt ein beschranktes, aber reales Stimmrecht.
Umsetzung bitter enttauscht wurden. Die Revolte lm Rahmen der indirekten Demokratie, zu der
der Bourla-Papay, der unzufriedenen Waadtlander die Schweiz damit geworden war, dekretierte die
Bauern, die im Frühling 1802 die herrschaftlichen Verfassung die Rechtsgleichheit der (mannlichen)
Johann Baptist Seele,
Kampf der Russen und Archive zu verbrennen suchten, kann hier als Bei- Bürger und anerkannte ausdrücklich die verschie-
Franzosen auf der Teufels- spiel angeführt werden.s denen Sprachen und Konfessionen.
brücke am St.-Gotthard-
Pass imJahre 1799, Ôl auf lm Sommer 1802 glich die Schweiz einem Pul- Alle helvetischen Bürger- mit Ausnahme der
Leinwand, 1Soz (Staatsgalerie verfass, dem nur noch ein Funke zur Explosion Juden- erhielten die Niederlassungsfreiheit. Diese
Stuttgart, Inv.-Nr. L 16), ©Photo
Staatsgalerie Stuttgart.- Bereits fehlte. Wurde diese Situation von Napoleon ver- Massnahme sollte nicht nur alte Zwange aufbre-
für die Zeitgenossen stellte kannt oder hat er sie herbeigewünscht? Jedenfalls chen, sondern auch dazu beitragen, die Wirtschaft
der Zusammenprall der Mach-
te in der sagenumwobenen zog er nach der Befreiung der Waadt und der An- zu modernisieren. Dasselbe Ziel wurde mit der Auf-
Schiillenenschlucht ein reiz- nahme einer neuen helvetischen Verfassung seine hebung der Zunftpflicht verfolgt. Darüber hinaus
volles Bildmoti v dar.
Truppen zurück. Und auf diesen Abzug folgte un- sah Artikel13 des Grundgesetzes die Abschaffung

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Die Geschichte der Schweiz Irène Herrmann
Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)

der Feudallasten vor, denn diese symbolisierten die


Schliesslid1 versuchre mau die DO!itis . . J<eit übedassen. Die nie ratifizierte VerfasSLtng Die Aufhebung der Zünfte
Unterdrückung des Volkes und wurden ais Hin- wirrschaftlichcKonsrruktion des helveriscl c1le llnd
Clg . h'1er a11erd'mgs emen
. Sch ntt
. Die 1798 aufgehobene Verpflichtung, dass man einerZunft angehôren
dernis für dessen Vorankommen und Wohlerge- tes nut . .
soztalen und kultttrelleu Massnah
lensraa
~
5· Juli t8oo
vom·rer· ·
gmg
11 d ·· f · U ..
e<Arbelt so en Dur t1gcn ntersrutzung müsse, um ein Handwerk ausüben zu kônnen, wurde schon 1803 in
hen wahrgenommen. Am 10. November 1798er- 1 'd' r
mnso l 1 1eren. n beremstimmung mit den
o· . . lllcn
Tl z.u we1 · .
folgte die Ratifizierung durch ein Gesetz, das den rien der Aufklarung schu_f die Verfassung di zleo. den unvennogenden [... ] gegeben und kem Bette] Basel, Schaffhausen, Solothurn und Zürich wieder eingeführt. ln der
melll' geduldetwerden»,8 lautete dort der im Arti- t Restauration folgten weitere Kantone, jedoch wurden die Zünfte nun
sur au'· un d u.. b er,.1ess d em GesetzgeberdieAufe eu.
Kleinen tZehnt auf Obst und Gemüse kurzerhand
aufhob. Der Grosszehnt auf Getreide und Wein und das E . · 1 .. . gabe ]<el 14 festgellaltene Grundsatz. meist ais blosse wirtschaftliche Korporationen ohne politische Vor-
rzte mngswesen vo11 1g neu zu OI.'ganisie ' rechte organisiert. 9 ln der 'l'Regeneration schafften die neuen Verfas-
der Grundzins wurden gegen Entschadigung abge- D f .. d ' D . . ren
er ur teses oss1er zusrandJgeMinisterPhili · un cl ilue Zerstorung sungen die Zünfte erneut ab. Es handelte sich um eine ambivalente
schafft. Der Verlust dieser Einnahmen wurde durch
Albert Stapfer (t766-184o)strebte parallel cfaz.u V~~ ~er in der Verfassung vorn s. Juli 1800 enthaltene Massnahme: Einerseits befreite sie wagemutige Unternehmer und
die Einführung von Steuern und die Errichtung von
besserungen in der Kultu.rpolitik an.7 Der soz· Artilce114 ist altfschlussreich sowohl in Bezug auf Industrielle von erheblichen Zwangen, andererseits beraubte sie zahl-
Staatsmonopolen auf Salz und Schiesspulver sowie Be reich, das Gesundheits-uud das Fürsorge•"c la 1e
auf dem Gebiet des Postwesens kompensiert. . ., sen, seinen Gegensrand als auch hinsiChtlich seiner ei- reiche Handwerker und Arbeiter einer schützenden Struktur; scho-
wmde den Gememden oder der privaten WohLta- genen Wirkw1gslosigkeit. Zunachst drüclct er cine nungslos waren sie nun dem Gesetz von Angebot und Nac hfrage
Die Helvetische Republik 1799
(:··
.... ::.•''t_.•
- unverlœnnbare Sorge um das Wohl der Menschen
aus und zeugt damit von den schweren materiel-
Jen und moralischen Problemen der Zeit. Die Ge-
ausgesetzt, das nicht selten schlicht dem Recht des Starkeren ent-
sprach. Oazu kam der Wegfall elnes bewahrten Berufsbildungswesens.
Die endgültige Aufhebung der Zünfte erfolgte schweizweit erst mit
···.:··· ······ ·•·........... ---················ •• 'f.. waltakte hatten nicht nur die Bevolkerung schwer der neuen Bundesverfassung von 187Ll.
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traumatisiert, sondern auch Hungersnote und gra-
,_')
~ y ............,
:' vierenden Geldmangel verursacht. Diese Probleme grund entluden sich schliesslich verschiedene Res-
~ ( '·· verscharften die sich türmenden Schwierigkeiten sentiments in Form von dumpfer Gewalt. Diese
<(;.. /
im Bereich der Innenpolitik. Die beabsichtigten Re- kontrastierte mit den eher friedlichen Verhaltnis-
~
........................ ./ for men zum Umbau des politischen Systems wa- sen, welche die Eidgenossenschaft zuvor mehr ais
··........ .} ren lwstspielig. Sogar in Friedenszeiten batte ein ein Jahrhundert lang erlebt batte, 10 und artete am
..
;
~

HAUT- solches Programm der BevOlkerung betrachtliclle Ende- kaum dass sich mit dem Wegfall der auslan-
Adam Topffer (1766-1847),
<<La Machine a percevoir
/ l
,jr. . r..l
RH 1 N l'lm pot>> (Die Steuer-
Opfer abverlangt. Unter den Bedingungen der Ok- dischen Unterstützung für die Zentralregierung erhebu ngsmasch ine),
kupation, der Anwesenheit fremder Kriegsmachte die Gelegenheit dazu bot- in einen Bürgerluieg in: Daniel Baud-Bovy,
,!t•'"'•••~ \ Les caricatures d'Adam
und der politischen Instabilitat stellte sich dieses a us. In dies er Hinsicht ist der AuslOser des bewaff- Toepffer ct la Restauration
ehrgeizige Projekt als nicht realisierbar heraus. neten Konftikts doppelt bedeutsam: Der Steckli- Genevoise, Genève 1917,
Tafel XV.- Die Projekte
Damit wird verstandlich, warum ein Gross teil krieg begann weniger als zwei Monate nach der der napoleonischcn Periode
der in dieser Periode ausgearbeiteten Plane aufge- umstrittenen Verabschiedung einer Verfassung, stellten sich als finanzielles
Desaster heraus; es muss·
geben werden musste. In dieser Situation bemüh- der wegen ihrer Annahme in einer Volksabstim- ten nene Steuern erhoben
ten sich die helvetischen Behorden, ein Chaos zu mung Novitatscharakter zukam, und nach dem werden. Die Genfer fühl·
ten sich von der Steuerlast
verhindern, wie es oft aus unvollendeten Refor- darauffolgenden Abzug der in der Schweiz statio- erdrückt. Die Legende über
men resultiert. Manche Reformen wurden ganzlich nierten franzosischen Besatzungstruppen. der «Bürgerpresse» lauret:
«Petit appareil servant à
zurüclcgenommen. Dieses Los war namentlich der Aus ali diesen Gründen brachte die Gewalt diminuer ou augmenter la
Pressefreiheit beschieden, die im November 1798, in den Jahren der Helvetischen Republik ein fata- générosité des citoyens»
(Kleiner Apparat zurVerrin-
nur wenige Monate nach iluer Einführung, wie- les Amalgam hervor, das aus starkem Reformwil- gerung oder Vergriisserung
der aufgehoben wurde. Das gleiche Schicksal traf len einerseits und der Angst vor einer Invasion von der Freigebigkeit der Bürger).
die Abschaffung der Feudallasten: Aus Geldman-
gel entschied die Regierung am 15. September 18oo,
die entsprechenden Abgaben wieder einzuführen
dies sogar rückwirkend für die bei den vergangenen
Jah re- und zusatzlich zu den neu erhobenen Steu-
ern! Damit vergrosserten die Behürden schlagartig
das Heer der Unzufriedenen: Zu den Gegnern der
SA L P 1 N. J C H E Zehntabschaffung kamenjetzt noch alljene hinzu,
die sich über die Wiedereinführung argerten.
R PU 1LIK Dieses Beispiel zeigt die Widersprüchlichkeit
der ab dem Frühling des Jahres 1798 eingeführten
Helvetische Republik
Reformen, von denen die meisten nur mit Unter-
......... Departementsgrenzen N stützung von aussen und mithilfe betrachtlicher

~
~ Landesgrenzen ......... heutige Landesgrenze
Geldmittel in zufriedenstellender Weise umsetz-
--',. Kantonsgrenzen
• Kantonshauptorte bar waren. Ais die fremde Hilfe zu prasent wurde
'-----'2::.::.5km
Die Zahl der wiihrend der Helvetischen Republik neu geschaffenen Kantone schwankte zwischen 10 und 22. Die Bezeichnungen der stadtischen Kantone wandelten und die eingeleiteten Massnahmen die Staatsfi-
SIC.h mcht, aber 1hre Grenzen wurden neu gezogen. D1e Landkantone iinderten darüber hinaus auch ihre Na men. Erst 1802 kehrte man mehr oder weniger zu den nanzen schwer zu belasten begannen, erwies sich
fruheren Grenzen und Bezeichnungen zurück, wobei der Aargau, der Thurgau, St. Galien. Graubünden, das Tessin und die Waadt ais neue Kantone fortbestanden.
Que/le. HLS, Bd. 6, S. 260, «Helvettsche Republik», © 2013 Historisches Lexikon der Schweiz, Bern, und Koh/i Kartografie, Kiesen. das Projekt der gesellschaftlichen Erneuerung ais
Îlnmer weniger durchführbar. Vor diesem Hinter-
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Zwischen Ang st und Hoffnung . Eine Nation entsteht (1798-1848)
Die Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann

verischcn Truppen in den napoleonischen Kd egen chem Ausmass anzuhaufen, wie es in der klein-
Habitants de l'Helvétie! [... ] Vous vous êtes disputés trois ans sans gen über den kü uftigen Weg der Eidgenossenschatt
ulieb ]loch. Ge.radezu legendar wurdc elie Opferbe- raumigen Eidgenossenschaft mit ihrem ruhigen
(( VOlis entendre: si l'on VOliS abandon11e plus longtemps à vous-mêmes, encgegen. Die Au fmeri<Samkei t, die er d iesen Be-
Wirtschaftsleben kaum vorstellbar gewesen ware.
vous vous tuerez trois ans sans vous entendre davantage. Votre histoire richten schenkre erldart sich aus seiner Absichc reitsdlaft clieserTruppen in der Schlachr an der Be-
lm Herbst 1813 schlug für die Schweiz mit
prouve d'ailleurs que vos guerres intestines n'ont jamais pu se terminer que jede andere fremde Macht daran zu hindern, di~ resi na. Andere Scbwcizer verptlichteten s.ich in den
Annee.n der verbünderen Monarchen, so dass sich Napoleons Niederlage bei Leipzig die Stunde der
par l'intervention efficace de la France. Il est vrai que j'avais pris le parti de helvetischen Wirren zum eigenen Vorteil auszu-
am 19. Juli 1808 in der Sdtlacht von Bailén in Spa- Befreiung. Dies führte zu einer Situation, die frap-
ne me mêler en rien de vos affaires. [...]Mais je ne puis ni ne dois rester nützen. Seine Absicht war es, sich die Unterstüt-
nien eidgenossische Soldner beider Lager gegen- pierende Analogien zu früheren Szenarien erken-
insensible aux malheurs auxquels vous êtes en proie; je reviens sur ma zung des kleinen Nachbarlandes für die in abseh-
nen lasst. In dem sich selbst überlassenen Land bra-
résolution: je serai le médiateur de vos différends.[ ... ] Il n'est aucun homme barer Zeit ausbrechenden Kriege zu sichem. überstanden.
Diese militarischen Engagements belaste- chen einmal mehr schwelende innere Spannungen
sensé qui ne voie que la médiation dont je me charge est pour l'Helvétie un Diese europaische Perspektive wird in den Be-
ten die Bevolkerung schwer. Da sich die Schweiz auf, die es moglich machten, dass fremde Mach te
friedungsbemühungen der sogenannten Media-
bienfait de cette Providence qui, au milieu de tant de bouleversements et de in der franzosischen Einflusssphare befand, war über sein Schicksal entscheiden konnten.
tionsakte sichtbar, jener von Bonaparte garantier-
chocs, a toujours veillé à l'existence et à l'indépendance de votre nation.»* sie ab 1806 zudem von den mit der Kontinental-
ten Verfassung, die fo rtan die innere Organisation
Napoleon Bonaparte am 30. Septernber 1802, zit. in: Carl Hilty, Les Constitutions fédérales
spcrre einhergehenden wirtschaftlichen Schwie- Die Schweiz im postnapoleonischen Europa
de la Suisse, Neuchâtel1891, S. 358-360. der Schweiz regeln soUte. Ihr Text ist darauf ange-
------------------------- rig1<eiten betroffe n. Allerdjngs batte das Land Kaum war Napoleon gezwungen, die Umklamme-
lege, mit der revolutionaren Periode abzuschlies-
dank seiner anerkannten - wenngleich nur teil- rung der Eidgenossenschaft zu lockern, meldeten
aussen respektive vor Chaos im Inneren anderer- sen, die gemassigte Rückkehr zu den früheren
weise respektierten- Neutralitat weniger zu lei- die bernischen Eliten ihren Anspruch auf den Aar-
seits bestand.11 Diese konflikttrachtige Ambivalenz Regierungsstrukturen jedoch mit der Schaffung
den als andere Gebiete in Europa. Den Mutigen gau und das Waadtland wieder an. Damit schür-
wirkte sich auf samtliche Lësungen aus, die zur Be- einer neuen Institution und einer neuen Funk-
eriiffneten sich indes phantastische Karrieremiig- ten sie die Restaurationsgelüste der alten Kantone,
waltigung der Krise und des Stecklikriegs von 1802 tian zu konsolidieren: der eines t Landammanns
lichlœiten. Das ist besonders in den von Frank- wahrend sie bei den neugeschaffenen Kantonen
ins Auge gefasst wurden, und pragte auch die nach- der Schweiz. Dieser soli te im Wesentlichen als Ver-
reich annektierten Gebieten erlœnnbar, beispiels- für erhebliche interne Spannungen sorgten, die
folgenden Generationen massgeblich. Sie schuf das bindungsglied zwischen dem künftigen Kaiser und
weise im Falle Genfs. Nachdem die Calvinstadt im sogar in bürgerkriegsahnliche Zustande umzu-
politische und emotionale Spannungsfeld, in dem den Regierungen der Kantone dienen. 12
Jahr 1798 Hauptstadt des Département Léman ge- schlagen drohten. Die tiefen Zerwürfnisse der Eid-
sich die Entwicklung des Landes und der gesell- Auf diesem Weg konnte Napoleon den führen-
worden war, boten sich den jungen Leuten uner- genossen beunruhigten auch bsterreich, das sich
schaftlichen Akteure vollzog. Wahrend der gesam- den Mitgliedern der alten Oberschicht, welche die
wartete Bildungs- und Berufsperspektiven. Der gemeinsam mit den übrigen Siegermachten um
ten ersten Jahrhunderthalfte standen dem in den Geschicke des Landes nun wieder in Handen hiel-
spatere General Guillaume-Henri Dufour (1787- die Wiederherstellung des Friedens in Euro pa be-
Projekten der Helvetischen Republik kurz aufblit- ten, Anordnungen und Mahnungen zukommen
1875) etwa erhielt seine Ingenieursausbildung mühte, wobei man grossen Wert auf den Fortbe-
zenden Optimismus und der Hoffnung auf die Ge- lassen. Bis zu ihrer Abschaffung im Jahre 1813 si-
und seine militarische Schulung innerhalb des stand der territorialen und staatlichen Grenzen
staltung eines besseren Lebens Angst, Misstrauen chertejene neue Institution die Ruhe im Land. Die
franzosischen Systems; er erwarb damit einen legte. 14 Um ihr Vorhaben abzusichern, beschlos-
und ein Gefühl der Erniedrigung gegenüber. acht Manner, die nacheinander die Funktion des
Teil der Kenntnisse, die er spater an die eidgenos- sen die Alliierten, Frankreich mit einem Gürtel
Landammanns ausübten, drohten bereits bei den
sischen Offiziere weitergab. 13 Andere wiederum von Pufferstaaten zu umgeben. Dieser Plan konnte
DIE RESTAURATION geringsten Anzeichen von Chaos oder von Rache-
nutzten die Gelegenheit, ein Vermogen von sol- aber nur funktionieren, wenn die Schweiz genü-
lM EUROPAISCHEN KONTEXT pEinen gegenüber den Anhangern des frühe-
ren Regimes mit einer militarischen Intervention
Die Schweiz in der napoleonischen Ordnung Frankreichs. Die Besetzung des Tessins und die
In ihrer Ohnmacht angesichts des die Eidgenossen- Umwandlung der unabhangigen Republik Wallis
schaft entzweienden Bürgerkrieges baten die hel- ins franzosische Département Simplon imJahr 1810
vetischen Behorden Napoleon Bonaparte im Sep- liessen eine solche Drohung durchaus glaubhaft er-
tember 1802 um Intervention. Napoleon konnte scheinen, obwohl jene territorialen Anpassungen
in dieser Lage die Art seines Eingreifens nach Be- mit den Gegebenheiten der aktuellen Machtver-
lieben wahlen. Rasch setzte er die aufstandischen haltnisse in Europa zusammenhingen und nichts
Foderalisten schachmatt und bot seine «média- mit dem Verhalten der Schweizer zu tun hatten.
tion» an. Das ersparte ihm den kostspieligen Ein- Über die Schlüsselposition des Landammanns
satz von Streitkraften zur Aufrechterhaltung der konnte Napoleon zudem Soldaten anwerben, die
<<Vorstellung der Herren
helvetischen Ordnung und beliess ihm sowohl die sein Kaiserreich in immer grosserer Zahl benotigte. mit den Scheren>>, Holz-
politische Kontrolle als auch die militarischen Vor- Durch die Militarkapitulation vom 27. September schnittillustration aus
einem zeitgentissischen
teile, die Frankreich bereits jetzt aus dieser Abhan- 1803 waren die Kantone verpflichtet, Frankreich Kalender, 1815 (Schweizerische
gigkeit zog. 16 ooo Mann zu stellen. Diese Zahl übertraf bei wei- Nationalbibliothek).- Europa,
versinnbildlicht in der mi tt-
AmEnde des Jahres 18o2lud Napoleon rund rem den Bestand der eigenen Armee und entsprach leren Gestalt, steht irn Span-
sechzig Schweizer Abgeordnete, mehrheitlich Uni- nahezu 1 Prozent der gesamten Schweizer Bevolke- nungsfeld zwischen der
<<gottgewollten Ordnung>>,
carier, nach Paris ein und nahm ihre Berichte mit rung. Zwar wurde sie nachtraglich auf 12 ooo redu- einern Putto, der die Insig-
den darin enthaltenen divergierenden Vorstellun- ziert, doch das militarische Engagement der hel- nien kirchlicher und weltli-
cher Fürsten verstreut, der
realen Macht von Politikern,
' <<Bewohner Helvetims! 1·:·1Ihr habtdrei]ahre lang miteinander gestrittm, ohne eine Verstiindigrmgzu erreichen. Wmnihrnoch liingerEuch die mit ihren Scheren Terri-
selbstuberlassen blerbt, wtrd es dret wettere]ahre Totschlaggeben - und ebensowenig Verstiindigung. Im Übrigen zeigt Eure Geschichte, dass torien zuschneiden, und dern
Eure mneren Krtege stets nur durch dre tatkriijtige Intervention Frankreichs ein Endejanden. Es ist zwar richtig, dass ich beschlossen hatte, das Ganze kritisch beaugen-
mt ch tn kemer Wezse zn Eure Angelegetzheiten einzumischen. [...}Aber weder kann aoch darj ich unberiihrt bleiben von dem Unglück, das Euch den Kalendermann, der
heunsucht: Daher komme teh aujmemen Entschluss zuriick: Ich werde derVermittlerin Euren Streitigkeiten sein. (...]]eder vemünftfgc ais Identifikationsfigur des
Mensch wtrd eznsehen, das.s dte Vermtttlung, dre teh aujmich nehme,fiir Helvetien ein Segen ist, ein Winkjener Vorsehung, die durch so viele Betrachters fungiert.
Umwalzungen und Erschutterungen hmdurch un mer über dem Fortbestand und der unabhiingigkeit Eurer Nationgewacht hat.»

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Oie Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann


Rigi-Kulm, Anlmnft von
Touristen. Federzeichnung,
gend Zusammenha1t aufwies, um sich selbst ver- Vertretcr der Grossmadue zur Aufgabe die Gren~ 1s44 (Burgerblbliothek Bem,
Sign. Gr.ll. 862). - D ic engli-
teidigen zu konnen.'s zen der Eidgenossenschaft neu zu ziehen, so dass sche Beschriftung des Blattes
Zu Beginn des Jahres 1814 nahmen daher die das Land gegen eventuelle Erobenmgsversuche (rechts unten: <<Inn on the
top of the Rigi. 6 o'clockP.M.
internationalen Pressionen zur Vermeidung eines FrankreidlS gut zu verteidigen war - wobei sie be~ Thursday July sth») lasst
Bürgerkriegs im Lande zu. Die eidgenossischen Be- stimmte schweizeriscbe Gebiete in zahen inter~ vermuten, dass es von einem
der zahlreichen britischen
horden wurden ultimativ «eingeladen», sich zu- narionalen VerhandJw1gen als Tauschobjelne be~ Touristen starnmt, die seit
sammenzutun und einvernehmlich die politi- nutzten. So wurden das Wallis Neuenburg, Gen.f dem 18. Jahrhundert gerne
auf die Rigi stiegen, um von
schen Institutionen zu konzipieren, mit denen die und das Fürstbistum Base! der Scbweiz, das Veit~ dort die Aussicht auf den
Eidgenossenschaft neu ausgestattet werden soUte. lin hingegen dem Lombardo-Venezianischen Ko~ vierwaldstattersee und die
Al pen zu geniessen.
Die Rechtsgleichheit der Kantone - ein besonderes nigreich zugeschiagen. Damit war die Kleinheit
Anliegen von Zar Alexander 1. von Russland, dem der italienischsprachigen Schweiz, die fortan nur
Schüler des WaadŒinder Patrioten Frédéric-César noch aus dem Tessin und aus Italienischbünden
de La Harpe (1754-1838)'6 - soli te dabei erhalten blei- bestand, besiegelt. Das Dappental, das wegen sei-
ben. Die Wendung, welche die Verfassungsdiskus- ner strategischen Bedeutung noch bis 1862 ein
sionen nahmen, gefiel jedoch nicht allen; Schwyz Streitobjekt zwischen der Schweiz und Frankreich
und Nidwalden beschlossen sogar, aus der Eidge- blieb, wurde der Waadt angegliedert.
nossenschaft auszutreten. Angesichts der offensicht- Bei diesen Gebietsverhandlungen wurden die
lichen Notwendigkeit, in einem sich verandernden eidgenossischen Gesandten kaum angehort. Aller~
Euro pa geeint zu bleiben, legten sich zwar die meis- dings konnten sich diese auch nicht einigen und
ten dieser sezessionistischen Anwandlungen bald brachten gelegentlich einander widersprechende
wieder, aber es bedurfte doch einer Abordnung von Anliegen vor. Einer der wenigen, der en Stimme Ge-
Bundestruppen, um das kleine Nidwalden im his- hor fand, war Charles Pictet de Rochemont (1755-
torischen und geographischen Zentrum des Landes 1824), der ais Genfer und somit als Neuling unter den Foderalismus ais Grund für ihre verzoger-
den Vertretern des eidgenossischen Staatenbündels Die Schweiz und das Euro pa Metternichs
MitteAugust1815 zurVernunft zu bringen. ten Antworten vorschoben, reagierten sowohl die
Das Einvernehmen auf internationaler Ebene
Vor diesem Hintergrund legten die in Zü- noch wenig in die Streitigkeiten involviert war, die 6sterreicher ais auch die Franzosen mit Invasions-
hatte konkrete Auswirkungen auf Leben und Al~­
rich zusammengekommenen Abgeordneten der das Land in Unruhe versetzten. Es verdankte sich
tag der Bürger; so wurden die Beziehungen ~:ut drohungen.
Schweiz ais Ergebnis ihrer Arbeit schliesslich ei- seinen Arbeiten und seiner Gewandtheit, dass der In dieser ausserst angespannten Situation
dem Ausland vielfaltiger und erreichten eme
nen neuen Bundesvertrag vor, der erst nach dem Wiener Kongress beschloss, über die Anerkennung wurde am 14· Juli 1823 das Presse- und Fremden-
grossere Spannweite. Der Sturz Napoleons liess
Wiener Kongress in Kraft treten soUte. lm Verlauf einer «immerwahrenden N eutralWit» der Sch weiz konklusum (tKonklusum) verabschiedet. Mit die-
für kurze zeit die Militarkapitulationen neu auffe-
mehrerer Konferenzen vor und nach Napoleons zu befinden. In Anbetracht dieser Tatsache grenzt sem Beschluss verpflichtete sich die Schweiz, eine
ben_ mit Rolland, Frankreich und dem Kongreich
Herrschaft der Hundert Tage machten es sich die es an Ironie, dass eidgenossische Truppen zwi- rigorose Zensur der Presse auszuüben -: sie wurde
Neapel wurden solche Kapitualtionen a~geschlos­
schen der zu Beginn der Herrschaft der Hundert zu grosster Vorsicht bei der Kommentteru~g der
sen -,und schweizer Soldaten kamen wteder aus-
Die beginnende Blüte des Schweizer Tourismus Tage abgegebenen Neutralitatserklarung und ih- auslandischen Ereignisse ermahnt - und dte An-
serhalb der Landesgrenzen zum Einsatz. lm Lauf
Das Ende der napoleonischen Kriege wirkte sich belebend auf die Ent- rer offiziellen Ratifizierung acht Monate spater in wendung des Asyirechts strengstens zu über-
der Jahre verringerte sich aber die Zahl der
wicklung touristischer Aktivitaten aus. Gewiss waren diese in der Eid- Paris noch Zeit fanden, in Hochburgund einzufai- wachen. Dem Willen der Grossmachte wurde gross-
schweizer Regimenter, dadas Soldnertum vor al-
genossenschaft nie ganz zum Stillstand gekommen, wie etwa der Erfolg Ien und sich anschliessend wieder von dort zurück- tenteils Folge geleistet, auch wenn sich die Waadt
lem aus moralischen Gründen immer starker in
des zweiten Unspunnenfests im Jahr 1808 belegt. Dieses Fest ga lt zuziehen. Die Anerkennung ihrer Neutralitat war und Ge nf dem Diktat nur widerstrebend beugten. 21
gleichzeitig dem Gedenken der damais noch in das Jahr 1308 datierten gleichwohl ein wichtiges Anliegen der Schweizer; die Kritik geriet. Trotz des Nachgebens seitens der Schweiz stieg
Der Zusammenbruch des franzosischen Em-
Gründung der Eidgenossenschaft und zog auch zahlreiche Fremde an, sie kam aber nur zustande, weil sie auch den Inter- die internationale Spannung in den folgenden Mo-
pire und das Wiedererwachen revolutionarer Be-
darunter die Malerin Elisabeth Vigée-Lebrun (1755-1842) und die ais essen der Grossmachte entgegenkam. naten weiter an und machte sich schliesslich auf
Madame de Staël bekannte Baronin Anne Louise Germaine de Staël-
strebungen in Euro pa führten zu einem Zustrom
Mit ihrer Zustimmung zur militarischen Ab- wirtschaftlichem Gebiet negativ bemerkbar. Um
politischer Flüchtlinge. Zahlreiche Aufstandi-
Holstein (1766-1817). Beidetrugen massgeblich dazu bei, die Schonheit seitsposition der Eidgenossenschaft bezweckten den Auswirkungen der klassischen Nachkriegs-
sche die vom eben zurückgewonnenen Asylrecht
der Schweizer Al pen un ter den Gebildeten Europas bekannt zu machen. die Grossmachte eine Konsolidierung des politi- depression entgegenzutreten, hatten die ~eisten
der ~antone profitierten, ftohen vor der in ihren
Die aktivsten Forderer der Schweizer Berge und Landschaften wurden schen und militarischen Gleichgewichts und da- europaischen Staaten in der nachnapoleomschen
tandem drohenden Repression und liessen sich
jedoch ab 1815 - nach einem langeren kriegsbedingten Unterbruch - mit eine Sicherung des Friedens in Europa (siehe zeit hohe Zollschranken errichtet. Die schon da~
Beitrag von Georg Kreis, S. 306).'9 Die Neutralitat in der Schweiz nieder, der einzigen Republik auf
erneut die Englander; durch ihre Prasenz kam der Tourismus erst rich- mals stark von Exporten abhangige Eidgenossen-
dem Kontinent. 20 Diese Situation verargerte die
tig in Fahrt. Die Aufnahme, Befôrderung , Unterbringung und Betreuung der Schweiz soUte verhindern, dass die Eidgenos- schaft bekam vor allem die Folgen der Marktab-
Grossmachte, und dieser Unmut wuchs mit der
der Gaste geschahen, wie man befand, mit so viel «docilité, flexibilité, senschaft unter die Hegemonie Frankreichs oder schottung Frankreichs zu spüren. Zu Beginn d~r
zunahme der Proteste. Die revolutionaren Um-
maniabilité, compréhension [et) bienveillance», 17 dass nach 1830 eine Osterreichs geriet. Zugleich Iegte man den Bun- s oer Jahre verhartete sich die franzosisch~ Posi-
regelrechte Schweizer Tourismusindustrie entstand (siehe Beitrag von des behorden nahe, in ihrem Land eine mili tarische triebe in Italien und Spanien zu Beginn der 182oer 1 2
tion derart, dass die Schweiz unter dem Emfluss
Laurent Tissot, S. 482). Auch die Schweizer selbst fanden zunehmend Organisation aufzubauen, die diesen Namen ver- Jahre veraniassten schliesslich die Alliierten, die
des Grossherzogtums Baden sowie Württembergs
Garantie der schweizerischen Neutralitat mit der
Gefallen daran, die Schonheiten ihres Landes zu entdecken, besonders diene. lm Januar 1817 wurde die Schweiz Mitglied eine entsprechende Erhohung der eigenen Zolle
Auftage zu verbinden, dass jene Flüchtlinge, wel-
jene der Alpen. Dieses Freizeit vergnügen war indes vielfach von pad- der Heiligen Allianz, die von Zar Alexander 1. von in Erwagung zog. Dabei gerieten aber die ~liten
che die Mach te selbst als unerwünscht betrachte-
agogischen oder patriotlschen Abslchten motiviert, wie beispielsweise Russiand angeregt worden war, um den Frieden der vier Wirtschaftsregionen des Landes aneman-
ten aus der Eidgenossenschaft auszuweisen sei en.
die von Rodolphe Topffer organisierten Reisen zur Erbauung und Be- und die Abkommen zwischen den Machten auf ein der: Die auch im Bankgeschaft tatigen Handels-
lehrung seiner Privatschüler belegen.18 christliches Fundament zu stellen.
Au~ die Ausftüchte der Schweizer Behorden, die
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Die Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann

Zwischen Angst und Hoffnung . Eine Nation entsteht (1798-1848)

leu te von Ge nf und Base! sowie der Innerschweizer


wurde auf d rel reduzien: lm Zweijahresrhythm ·vatismus bedeutete jedoch nicht, dass die ter dem Namen Bockenkrieg bekannt gewordene
Landadel distanzierten sich vom sogenannten Re- d
fanden die Versammlungen abwechshmgsweise ~s J{onsCJ . .
n Bonapartes Gnaden wtederelllgesetzcen un Aufstand beunruhigte die Tagsatzung so sehr, dass
torsionskonkordat, das die Vorreiter der Ostschwei-
Zü rich Bern oder Luzern statt. Pa rail el dazu wu.rd11 vo von den Grossmachten an der Mache gehal- sie ihn olme Nachsicht niederschlagenliess. .
zer Textili ndustrie und die Hindlichen Kantone des
dieBuudesverwaltung ausgebaut. Die vom Kanzle: dann liten derMc.inunggewesen waren, ·· · 11""t-
ste Für die kompromisslose Haltung der Magts-
westlichen Mittellands anstrebten. 22 lm Oktober re~ E .
vcrfassten 1'Abschiede wurden jetzt in speziel!en
1824 wurde die Idee ei ner eidgenossischen Zoll ver-
Ardtiven aufbewahrt. Zudem gaben sich die One
. h ftüher in einer perfe kten Welt
ren stc . m
.. bewegr traten müssen indes auch strukturelle Gründe
ordnung aufgegeben 2 3- ein Entscheid, der von der der d .te Massen
' grundlos versucht hatten,
. .s1e zu verantwortlich gemacht werden, namentlich der
aJtsarzweise ei ne gemeinsame Militarorgan isation .. . Doch glaubten sie sehr wohl, ste. set en am starke demographische Druck, der damais in den
okonomischen Verwundbarkeit der in der Mitte des snuzen.
die 1817 mit der Gründung einer Offiziersschul~
Kontinents gelegenen Eidgenossenschaft kündet. besten be"'a"higt
t. ' die ho he Kunst des Regterens aus- meisten Regionen der Schweiz zu spüren war. Auf-
konkretisiert und mittels Einnahrnen aus den an ··ben und sie waren überzeugt, dass das beste grund der tiefgreifenden Veranderungen, die .das
Ein}ahrzehnt nach demEnde der franzosischen zuu ' "d
Landesgrenzen erhobenen Zoflgebiihren bezahlt Mittel, zukünftige Rebellionen zu vermet en, 18. Jahrhundert mit sich gebracht hatte, verzetch-
Schutzherrschaft reagierte die Schweiz also im-
wurde (siehe Bei trag von Rudolph ]a un, S. 540). Der . ht m . der Erweiterung der Rechte des. Vollœs nete die Schweiz in der ersten Halfte des 19. Jahr-
mer noch stark auf Pressionen von aussen. Immer- ntc .
Bundesvcnrag garanrierte schliessl ich die Existcnz . e sondern in der Verbesserung und stttllchen hunderts eine deutliche Bevêilkerungszunahme
hin wurde der politische Druck auf die Geschicke l!Cg' .
der I<losrcr und sicherre deren Besitzstand. (siche Beitrag von Luigi Lorenzetti, S. 1Z8). Die Ein-
des Landes nicht mehr nur von einem einzigen Gestaltung seiner Lebensbedmgungen.
Von der ab 1815 auf Bundesebene errichte- wohnerzahl stieg- allerdings mit grossen kanto-
Staat ausgeübt, sondern gemeinsam von bsterreich
ten Verwaltuug darf man sich keine falsdten Vor~
und Frankreich, spater noch von Russland und Wirtschaftlicher und sozialer .wa~del _ . . tulen Unterschieden - zwischen 1798 und 18.50
stcllungen machen. Weoige }ah re zuvor harte Na-
Preussen. Und diese Machte waren selbst durch M.. licherweise wurden die Obngketten m dteset von 168o ooo auf 2 392 74Z Einwohner an. Dtes
poleon mie der Mediationsakte die Macht an die og · b .. l
zahlreiche Differenzen entzweit- durch Kontlikte, . l t durch den Fortgang der Ereigmsse estar (t,
S!Cl entspricht einer durchschnittlichen Jahr~s~achs­
J<anrone zurückgegeben da das Einheitssysrem . . d
die oft von Grossbritannien, das wenig Interesse an genauer: durch die Reaktionen, welch~ dte Wte er- tumsrate von über 8 Promille, wahrend ste m den
nicht zu einer Schweiz «constituée fédéral e par einsetzung der alten Eliten an der Spttze ~er Ka~­ vorhergehenden fünf}ahrzehnten unter 5 Pro mille
einer neuen hegemonialen Macht auf dem Konti-
la natttre» passe, wie es in der Praambel der Akte tone hervorrief. Denn der Preis, der für dte Medt- gelegen hatte und zwischen 1850 und 18~.8 erne~t
nent batte, geschlichtet oder auch geschürt wur- 2
heisst. 4 Napoleon forderce auch die Rückkehr ation zu zahlen war, gefiel bei weitem nicht allen. lediglich 5,77 Pro mille erreichte. zs Der gross te Te~!
den. Auf diese Weise neutralisierten si ch die Gross-
der durcit die Helvetische Republik entmachte- lm Frühling 1804 brach auf der Zürcher Lan~sch~ft dieses betrachtlichen zuwachses fâllt in die Zett
mach te in ihrem Einfluss gegenseitig und trugen
ten Familien und überliess es ihnen, die internen eine Revolte aus, deren Grün de zum einen dte ~te­ zwischen 1798 und 1837 und ist auf eine relativ
damit zum Überleben der Eidgenossenschaft bei.
Angelegenheiten in ihren Kantonen zu regeln. Da- dereinführung schreiender Ungleichheiten bel den hohe Geburtenziffer zurückzuführen (ungefâhr
Allerdings blieb ein Gefühl von Abhangigkeit und
mit gelang es ihm, die Ruhe im Inneren der Eid- Volksrechten und zum anderen der hohe Preis für 37 Prozent) - dies trotz cines hohen Anteils Ehe-
Ohnmacht bestehen; ja, die durch die Ereignisse
genossenschaft wiederherzustellen. Als Folge die- die Ablêisung des Grosszehnten waren. Dieser un- loser von rund 20 Prozent bei beiden Geschlech-
von 1802 ausge!Osten negativen Emotionen wie
ser eigennützigen Grosszügigkeit erlebten die
Furcht und Erniedrigung wurden sogar noch ver-
meisten Kantone eine Restauration avant la lettre Geburten und Sterblichkeit 1801-1900
starkt. Diese Wahrnehmung pragte fortan nicht
und kehrten mehr oder weniger zu dem politi-
nur die Aussenpolitik des Landes, sondern insbe- Geburtenl

~(e~~:~~-~···r· · · · · · · · · · · ]· · · · · · >· · · · · · · · · · · · ·'· · · · · · · •· · · · · · · · · · · · :· · · · · · · · · · · · · ..................;..........:..........,......................:···························..··········


.. : •• 0

sondere auch seine Innenpolitik. schen System zurück, das vor der Revolutionszeit Sterbefiil/e
geherrscht hatte.
Von 1803 an besass die Schweiz drei verschie-
DIE RESTAURATION lM INNEREN dene politische Herrschaftsformen zur gleichen
40 ••••••'*''" ''iouoooo••ol••••••••••;,.,,,,,.,,,,:,,~,,.,,,,l•••• .. oooo,•oooooo••ouo••""'''''"''''"''.:.'''' ' ' ' ' " ' ' " ' ' ' ''''"'''''''''."'''''"u• • • O •• 80 000
Politische Neuordnung Zeit. Die neuen Stande neigten zum System der .................................: •• •

reprasentativen Demokratie - ein Erbe der Hel-


;-:y;·:\.;;;o....... ~· .· ·: · ' "·.·, .·:::· ~. . . ·:: . .._·:·::·:. :·:-..:-.....,...... ...,...,.( ,. -,;.; t\...r.~ :v-
Gemass der Mediationsakte vom 19. Februar 1803
vetik. Die alten Stadtkantone erhielten emeut pa- 30 .......... . . .. . . .
Il d
besrand die Schweiz aus neunzehn redttsglelchen .... 60000
Staaten: den dreizehn Al ten Orten und- neu- den
trizische Regime, und die alten Landkantone setz- ..................................... ; \ ,Il ., 1
!.j._ ... ,.•. t ..... ··t "' ·••'!l }
ten die Landsgemeinden wieder ein. Trotz dieser
Kantonen Waadt, Tessin, Aargau, Thurgau, St. Gal- ,, , ............. ,...... 1;-
Ien und Graubünden. Allerdings hatten die sechs
Unterschiede waren sich die Regierungen in vie-
lem almlich. Die Kantone wurden von wenigen
20 .... 1' .... 40 000

bevolkerungsreichsten Kantone, das heisst Bern,


Exekutivmitgliedern regiert, die zum Teil auch
Zürich, Waadt, St. Gallen, Aargau und Graubün- •... 20000
der Legislative angehorten. Diese war zwar gros-
den, in der tTagsatzung je zwei Stimmen; ein Pri-
ser, besass aber weniger Eintluss und wurde eben-
vileg, das sie jedoch am 29. Dezember 1813 wieder
falls aus einem eingeschrankten Kreis rekrutiert.
verloren. Der am 31. August 1815 ratifizierte und als 0
Meist hinderten bürgerrechtliche Unterschiede
volkerrechtliches Abkommen nicht revidierbare 1810 1820 1830 1840 1850 1860 1870 1880 1890 1900
und komplexe Wahlverfahren oder der Zensus die
Bundesvertrag brachte weitere Neuerungen, die
Landbevolkerung und die armeren Stadtbewoh- /\ Geburtenrate
. V ( _ Anzahl dor Geburten
1\,- Sterberate
(" Anzohl der Todesfalle
.. Anzahl der Geburten (absolut) 1Anzahl der Todesfalle (absolut)
den Aufbau und das Funktionieren der Eidgenos-
ner daran, aktiv am politischen Leben ihres Kan- ~ro 1000 Elnwohner) pro 1000 Emwohner)
senschaft sichem sollten. So wurde die Anzahl der tons teilzunehmen.

~~~~:,~~~ ~ic~~': b~~~~~!t).~n~~~~~~ e~~;;r;,bk01~ ~ ~g;:~~~~~:~~~~~i~~ ~~~~!~~~:!i!;:~:~~~~k~~~~~~s~~:~~:~~:~95~~~~~~h~~~~~~~~~~~~~~n~E~~:i;~~~~:~:2


Kantone offiziell auf 22 erhoht, und es wurde ih- 9 8 8 1 1 1 infol e von Zuwanderung und Wlrtschaftsaufschwung langsam, nach
Die Ursachen dieser Einschrankungen waren
nen ausdrücklich verboten, untereinander separa te 8 0
vieWiltig und !agen grosstenteils in der jüngeren ln Notzeiten in donen es wemger Geburten ga • k bedlngt · fOr die Mortalltâtskrlse des Ja res

::~tË;;~2:5;E:~~~~!:~iËË~?ÉËS~~~;:~~:~E:l~:!~~;f.:.:?::;~

Allianzen einzugehen oder sich mit auslandischen
Geschichte des Landes. Nach fünf besonders trau-
Machten zu verbünden. Der Bundesvertrag schuf
matisierenden }ahren waren die alten Führungs- klassan nlcht ohne Elnfluss auf die Vltalltilt unserer Bev erung ge .
auch die nutzlos gewordene Funktion des Land-
schichten ab 1803 bestrebt, das Regierungssystem,
ammanns ab. Die Zahl der Vorortskantone (tVor- Bern, Jg. VI und VIl für 1871 und 1872, S. 232 f.] . hi ue Euro éen; Hansjorg Siegenthaler, Halner Ritzmonn-8/Jckenstarfer (Hg.),
das sie unter dem revolutionaren Druck hatten auf- Quel/en (Doten): Bundesomr fO~ Sra_rlsr/k 1 Observa~~;~g~:;;:~hurien- und ~terberaten var 1861 beruhen ouf Sch/itzungen),
ort), in denen die Tagsatzung turnusgemass tagte, Histortsche Stotfst/k der Schwe1z, lOr/ch 1996, S. 18 ,,
geben müssen, zu restaurieren. Dieser politische © 2013 Schwabe AG, Ver/ag, Base/, und Marc SJegenthafer, Bem.

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Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)

tern, einem der hëchsten in Euro pa. Dazu kam ein


mit Verbesserungen in der Landwirtschaft, in der dabei um einen vielschichtigen Innovationspro-
deutlicher Rückgang der Mortalitat, vor allem der
damais no ch nahezu 6o Prozent der akti ven Bevël- zess, der die Blockaden, die den Fortschritt in der
Kindersterblichkeit. 26 Diese für eidgenëssische ver-
kerung beschaftigt waren. In den ersten J ahrzehn- Landwirtschaft zuvor behindert hatten, aufzubre-
haltnisse enorme, etwa im Vergleich zur britischen
ten des Jahrhunderts verstarkte sich eine schon
Entwicklung jedoch bescheidene Dynamik betraf . chen vermochte. In denjenigen Kantonen, in de-
lm 18.. Jahrhundert
. einsetzende Entwicklung, d te · nen die landliche Oberschicht die Neuerungen ais
hauptsachlich die landlichen Gegenden im Nor-
von emtgen Agrarhistorikern als veritable Revo- nützlich erkannte und akzeptierte, konnten die in
den und in der Innerschweiz, und war von der Kon-
lution beschrieben worden ist (siehe auch d der Helvetischen Republik eingeleiteten Initiativen
fession unabhangig. Hingegen korrelierte sie eng B · en
ettrag von ]on Mathieu, S. 184). Es handelte sich eine schon zuvor in Gang gekommene Bewegung
Bevëlkerungsentwicklung nach Bezirken verstarken, deren Ziel es war, die Bewirtschaftung
des Bodens durch die Ablësung der Feudallasten
1800-1850 oder mittels Einhegung des Besitzes von den Zwan-
Durchschnitt jahrliches gen der kollektiven Nutzung zu befreien.
Wachstum in o/"'
Einer der wichtigsten Schritte in diesem Pro-
-12 bis -5
zess war die allmahliche Aufgabe der Brache (t Drei-
- obis o zelgenbrachwirtschaft) und die Einführung der
0 bis 5 Feldgraswirtschaft, schliesslich der Fruchtwech-
5 bis 10 selwirtschaft. Jedes dritte, dann jedes zweite Jahr verteilung der Haushalte. lm selben Zuge ver- Ansicht der Linthbrüclœ
von Hans Conrad Escher,
wurden andere Pflanzen als Getreide angebaut. starkte sie die Tendenz eines grosser werdenden Feder und Aquarell, 1798
20 bis 40 Auf den früher brachliegenden Feldern wurden Teils der armeren Bauernschaft, die freie Zeit auf (Graphische Sammlung der ETH
Zürich). - H. C. Escher
a Kantonshauptorte nun Klee oder Luzerne ausgesat, die wie bestimmte Heimarbeit zu verwenden. Die Praxis der Heim- notierte anlasslich der Eriiff-
Hülsenfrüchte Stickstoff aus der Luft im Boden bin- arbeit war an sich nicht neu; sie ging auf die zu- nung des Linthkanals am
8. Mai 1811: «Fliesse nun also,
den und somit eine vom Getreidebau ausgelaugte nachst hauptsachlich im Norden des Landes an- bezahmter Bergstrom, ruhig
Erde anzureichern vermëgen. Manchmal wurden gesiedelte Textilindustrie zurück. Die Wohnung deiner neuen Besrimmung
entgegen! Auf]ahrtausende
auch Zuckerrüben oder, seltener, Mais kultiviert. diente hier als Fabrikationsstatte, deren Gerat- hinaus wirst du ein sch1ines
Diese Diversifizierung brach te besseres Viehfutter schaften oft der jeweiligen Arbeiterfamilie gehor- Beispiel dessen sein, was
brüderlicher Gemeinsinn
und machte die Stallfütterung auch im Sommer ten. Diese wurde nach den Regeln des tVerlagssys- eines kleinen Vo11œs auch in
mëglich. Dadurch wiederum konnte der ebenfalls tems von einem Unternehmer mit bearbeitetem drückenden Zeitverhaltnis-
sen vermag.>> 2 9 Die Linrh-
zur Anreicherung der Baden genutzte Mist gesam- oder unbearbeitetem Rohmaterial beliefert; das korrektion brach te Abhilfe
melt und gezielt ausgebracht werden. Die Folge die- fertige Produkt der Arbeit wurde einige Zeit spa- gegen die damais immer
haufigeren Überschwemmun-
ser gesamten Umstellung waren bessere Getreide- ter abgeholt. Das System fusste weitgehend auf gen und die da mit einher-
ertrage und reichere Ernten auch bei der Kartoffel, der Organisationsform des Familienbetriebs, gehende Bedrohung durch
die Malaria.
1888-1910 die zwar mehr Dünger benotigt, im Vergleich zu das heisst auf der gemeinsamen Arbeit der Man-
Durchschnlt t jihrliches
Wachstum in o/œ
anderen Nutzpflanzen aber die meisten Kalorien ner, der Frauen und auch der Kinder. Die Baum-
fürMensch und Tierliefert. 2 7 wollspinnerei, etwas spater - nach systemati-
Indem dieser komplexe Mechanismus die Pro- scher Mechanisierung - die Baumwollweberei, 28
-5 bis 0
duktivitat der landwirtschaftlichen Kulturen er- die Strohflechterei und die Seidenbandherstel-
0 bis 5
hëhte, wurde Weideflache für das Vi eh frei und die lung beschaftigten im Verlagssystem 120 ooo bis
5 bis 10
ganzjahrige Rinderhaltung im Tal ermoglicht, wo 130 ooo Personen, vor allem im Osten des Lan-
sich parallel dazu auch der Obstbau zu entwickeln des und in den Kantonen Zürich, Aargau und
begann. Auswirkungen hatten diese Veranderun- Basel-Landschaft (siehe auch Kapitel von André
o Kantonshauptorte
gen zudem auf die bereits von den Physiokraten Holenstein, S. 318 f.).
in der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts einge- Diese vielschichtige Entwicklung führte zwar
leiteten Bemühungen um eine verbesserte Zucht- zu einer raschen Bevëlkerungszunahme, brachte
wahl, dies nicht nur beim Rindvieh, sondern auch aber zugleich materielle Unsicherheit und Not.
bei den Ziegen und vor allem den Schweinen, de- Das demographische Wachstum war in seinen
ren Masthaltung intensiviert wurde. Diese Ent- Auswirkungen ambivalent: Es hielt einerseits den
wicklung steigerte wiederum die Düngermenge. Wirtschaftsaufschwung in Gang, reduzierte aber
Der Prozess, dass die Tiere den Boden düngen, auf andererseits den materiellen Nutzen, der den Ar-
dem ihr Futter wachst, welches wiederum ihre Ent- beitenden hatte zugutekommen konnen. Beson-
Die obere Ker:t~ ~elgt die demographlsche Oynamlk ln den fandllchen Ge enden dl wicklung fërdert, verwandelte sich somit in einen ders hart traf die Armut die Gemeinden in den Al-
Agrarproduktlllltet profitlerten. Die lndustrlalislerten Geblete entwlckelt2n si h d e aufgrund des ROckgangs der Breche oder deren Aufgabe von der stelgenden
wahren Circulus virtuosus, das heisst einen sich po- pen und Voral pen, wo seit jeher Überbevollœrung
vorhergehenden Jahrhundert berelts elnen demographlschen Aufs h ~ b agegen wenlger s~hnell: sie hatten durch die Protolndustrlallslerung lm
Umland stark an, die ll!ndllchen Ge blete varloren hlngagen Einwoh~e;~~eg ~; ~ tj Ab 1850- .hler mcht abgeblldet - wuchs die Bevolkerung ln den Sttldten und lht em si tiv verstarkenden Kreislauf, der sich auch auf das herrschte. Zudem war die Schweiz von verschiede-
es ab 1888 - wle aur der unteren Karte zu sehen - ln den stlldtlschon , e er assu~gsfrethelt salt 1848 spielte dabel elne Rolle. Nach Jahron der Depression kam
Ersten Waltkrfeg andauerte. Dio Schwelz war zu elnom Elnwanderung~l~d ; lnlgon ~ndltchen lndusrrleragionen zu elnem elgantllchen Fln-do-Siècle-Boom, der bis zum Leben der Menschen auswirkte. nen, teils auch konjunkturell bedingten Krisen be-
Quelle: Bruno Fr/tzscho / Thomas Fre / u R< S n gewor en. Tatsachlich gewahrleistete diese Entwicklung troffen: 1811 bis 1812 ging sie durch eine schlimme
Die Entstehung der modernen Schwe~ Bo~en j'dot asnd1ra9(gR~r:;edr, H)ist~n2
"scher ~rukturatlas der Schweiz.
• • · ..un ert , ... 001 h1er und jetzc, Baden. eine hohere Rentabilitat der Nahrungsmittelpro- Rezession, 1816 bis 1817 erlebte sie eine der letzten
duktion und erlaubte eine bessere Ressourcen- Phasen von Nahrungsmittelknappheit, und 1845
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383
...
Die Geschichte der Schweiz - - Irène Herrmann

Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)


Pla lœtte in Form einet·
Blüte zum Andenken
an die Teuerung d es durch die d rohende Seuche so sehr beuo . 1 . fL'I b und Guts beranbren, zu anfwallender Solidar i- Emigration
Jahres 1817 (Heimatmuseum
d . b . . lU ltgt
ass ste eretts tm Vorfeldd ie entsprechendcn • racdie nicht an den Kanronsgrcnzen haltmachte.34 Obwohl das Ausmass der schweizerischen Emigration nicht genau
Sissach). - Im Blütenteller
ist eine Ansicht von Schaff- genmassnah men koordiniene .3 1 In verse!11e · d eneGe- Nadt dem Bergsmrz von Goldau im Jahre 1806 ermittelt werden kann, so lasst sich doch konstatieren, dass sie star-
hausen zu sehen, im Hi mme! I<anronen wu rden die solche Epidemien beer~· ~1 und oacb den verheerenden Überscbwemmw1gen ker war ais die anderer europaischer Lander. Der Hauptgrund dafür
schweben eine Garbe und gen d en sozta. .1 .,,111Stt-
ein F üllhorn, das ii ber der en U rnsrande neu ais «Paupe . in den Zenrralalpen 1834 und 1839 entstand cine lag eindeutig im Unvermogen, angemessen auf den starken Bevolke-
.- rt mus»
Stad t ausgeleert w ird; ganz bezctc 1met, und es wurden Massnahmen . . .
oben erscheint die H a nd .. . zut Etn- schweiz weite Bewegung gegenseitiger H ilfe. Auch rungsdruck zu reagieren, der im beginnenden 19. Jahrhundert den
dammung dteses Phanomens eingeleitet.
Gattes. Un ter der Garbe und wurden grosse, kantonübergreifende Bauwerke in meisten Regionen zu schaffen machte. Oie Migration fand in der Re-
dem F üllhorn ist z u !esen . Auf kommumiler Ebene griff man zun " h Angriff genommen, danl< deren sich den Arbeirssu- gel in gewohnten Bahnen statt - temporar und auf den Kontinent
<<Geden ke, dass n och ein Go tt au f al t bewa.. 1ure Rezepre zurück lm And ac sr ,
is t>> . Auf den BlütenbHittern . h . .. e.n Re- chenden neue Erwerbsmoglichkeiren boten. Dicse beschrankt. ln einem geographisch engeren Radius emigrierten vor
sind d ie Hiichstpreise von gtme atte dte Fursorge nicht allein in der V . projel<te, w ie zum Deispiel der Bau des Linthltanals, allem Frauen, um in angrenzenden Siedlungsgebieten Hausarbeit zu
Lebensmitteln im Juni 1s 17 er ant-
verzeid10et.3° Die Jetz te g ros- WOrtWl~ von Familie und Kirche gelegen, sondertl betrafen entweder die Vcrbesser ung der Verl<ehrs- finden. Zahlreiche Fachleute, meist Manner, boten ihr Handwerk und
se Hungersnot, verursacht be~nd stch au dt im Zustandigkeitsbereich der G - wege oder die E ntsumpfung landwirtschaftlicher ihr Wissen - zum Teil im saisonalen Rhythmus - in verschiedenen
durch Konjunktureinb rüche m em d en. J2 D'tese Regelung wurde in der M ct ·e
in derTex tilindustrie und . . . e ta- Gebiete. Regionen Europas an (siehe auch den Beitrag von Silvia Arlettaz,
Missernten, traf vo r a!lem tlonszett wteder aufgenommen führte aber . d Der Kampf um die Verbesserung der Lebens- S. 362). Schliesslich verzeichnete man eine verstarkte Auswanderung
Gebiete m it starker Proto- . . . ' men
industrie. thrersetts notletdenden Gemeinden gelegentlich zu bedingungen wurde im Wesentlichen innerhalb zur Gründung von Siedlungen. Oiese Form der Emigration konnte- wie
graus~mer Kr~.ativitat. So entstand etwa die Idee, die der kantonalen Grenzen geführt. Auf der Basis von im Falle der 1803 und 1822 in Russland gegründeten Schweizer Kolo-
«unnutzen Mauler» zur Verringerung der drücken- vorarbeiten aus der Zeit des Ancien Régime und nien - auf Einladung eines Herrschers erfolgen. Mit Beginn des
bis 1846 verursachte die KartoffeWiule - wie bei-
den Lasten zu expatriieren. In Brasilien wurde al von Erfahrungen, die man wahrend der Helveti- 19. Jahrhunderts fand sie jedoch immer haufiger ohne eine solche
nahe überall in Europa- grosse Ernteausfalle die
sich gravierend auswirkten, da die Kartoffel in~wi­
A~tworr au: die Hungerkrise von 1816/17 die Kolo~ schen Republik gesammelt batte, gaben sich die Anbindung und in Richtung anderer Kontinente statt. Generell fallt
me Nova Fnburgo gegründet; zweitausend Gr ·
s~hen das - nahezu einzige- Grundnahrungsmittel B 1 . d etse, meisten Kantone nach und nach institutionelle eine offensichtliche Korrelation zwischen schlechten Ernten und
vteler Haushalte darstellte. e 1111 erte und Kranke, die die Stadt Frei burg nicht oder gesetzliche Strukturen, welche die Existenz- Migrationsspitzen auf. 36
mehr ernahren wollte, sollten dorthin übersiedeln. bedingungen ihrer Bürger verbessern sollten. An-
Diese Ereignisse hatten keine eigentlichen
Doch der ausgeklügelte Plan, das Elend zu exportie- gesichts des Zustroms von Notleidenden vor allem cherorts orientierte man sich an Philipp Emanuel
Hungersnote zur Folge, schwachten die Bevolke-
ren, wurde zum menschlichen Drama.J3 in den Stadten spezialisienen sidt die Pürsorgeein- von Pellenberg (1771-1844), an Pater Gregor Girard
rung aber doch so stark, dass sie für Epidemien an-
Manchmal wurden die Behorden durch Kata- richtungen entsprechend den Bedürfnissen und (1765-18so) oder an Johann Heinrich Pestalozzi
fallig wurde. 1816 bis 1818 war die Schweiz beson-
strophen bewogen, landesweit Hilfe zu organisie- unterschieden beispielsweise deutlicher die aUge- (1746- 1827). Bei allen dreien handelte es sich um
ders hart vom Typhus betroffen. Zwar entging das
ren. So kam es nach Grossfeuern oder dramatischen mein Bedürftigen von den geistig Verwirrten und eintlussreiche Padagogen, die für denkende statt
Land der.Cholera, die Europa zu Beginn der 183oer
Erdrutschen, die vor allem die armere Bevülke- den Kranken, fü r die man ab den 183oer Jahren Spi- lediglich mit Wissen vollgestopfte Kopfe, für die
Jahre heunsuchte, doch wurde die Tagsatzung
rung in den betroffenen Ortschaften ihres ganzen taler zu errichten begann. Ganz allgemein bemüh- Bildung von verantwortungsbewussten statt von
ten sich die Regierungen, die Medizinalberufe bes- unterwürfigen Bürgern und für Lernen durch Ver-
ser zulcontrollieren und die Volksgesundheit mit stehen statt durch Nachplappern pladierten. Ent-
Die Abreise von Estavaycr- verschiedenen Massnahmen zu fordern. sprechend forderten sie bald einen an der Lancas-
Ic-Lac am Sonntag, dem terschule orientierten wechselseitigen Unterricht,
1815 wurden in den Kantonen Thurgau und
+Juli 1819, Aquarell cin es
nnbel<annten Malers (M usée Zürich erstmals Vorschriften zur Kinderarbeit er- der an die Stelle der Unterweisung ex cathedra tre-
d'art et d'h istoire, Fribourg), lassen. In Zürich, wo die industrielle Entwick- ten sollte.Jl
©P/wtoMAHF.- DieHunger-
Jahre von 1816/17 fiihrten z u lung rasch und erbannungslos verlief, beschloss Nicht alle Anhanger dieser Ideen waren fort-
einer erhiihten Bereitschaft, man, die Arbeitszeit von Kindern in den Fabriken schrittlich eingestellt; etliche unterstützten sie nur,
bessere Lebensbedi ngungen
ausserhalb der Schweiz zu zu begrenzen und die Nachtarbeit für Kinder un- weil sie die Volkserziehung fü r eine besondere Tra-
suchen. 1819 schob der Ka n ton ter neun Jahren generell zu verbieten.3 5 Anstoss dition ihres jeweiligen Kantons hielten. Mit den
Frei burg zooo Randstandige,
darunter vor allem H eimat- für den europaweit ersten Versuch dieser Art waren Konservativen waren sich diese auch in Hinblick
lose, Greise, Behinderte und eine offensichtliche Verschlechterung des Gesund- auf das Bildungsziel einig, das in der Hebung der
Kranke, nach Brasilien ab
wo in der Folge d ie h eu te ;lOch heits- und Bildungsniveaus sowie der «moralische Sittlichkeit im Geiste der christlichen Gebote be-
besteh en de Stadt N ova stand.J8Nicht zuletzt aufgrund der un ter der fran-
Verfall» der Jugend; Beobachtungen, die un ter den
F riburgo ents tand. Das Votiv-
bild verweist auf die religiiise Eliten zu einer gewissen Beunruhigung führten. zosischen Vorherrschaft erduldeten Lei den lcamen
Stiftung, die der mit der
Das El end wurde allgemein als Zeichen und Resul- religiose Stromungen auf, die eine starke Glau-
Durchfiihrung der Em igra-
tion beauftragte Unternehmer tat einer geistigen Verwahrlosung verstanden- das benssehnsucht zum Ausdruck brachten: So fanden
Zllm Schutz der Kolonie ins Übel soli te deshalb praventiv behandelt werden. in der protestantischen Welt die Erweckungsbewe-
Leben rief. Es verschl eiert den
eigentlichen Charakter des gungen, die eine Art individuellen Mystizismus
Unte rnehmens, ei ner beh o rd- Moralische Erneuerung predigten, betrachtlichen Zulauf. In den katholi-
lichen <<Aufraumaktion»
(<<d éblaiemenr»). M it versch ie- Ein zentrales Anliegen sowohl der AufkHirung als schen Gebieten manifestierte sich diese Tendenz
denen Dr uckmitteln wurden
die z ukiinftigen Kolonisten
auch der Zeit nach der helvetischen Revolution namentlich im tllluminismus und in der Rück-
z um Unterzeichnen der war die Erziehung. Deren grundsatzliche Bedeu- kehr der Jesui ten, der en Or den im Jahr 1814, ein gu-
Auswanderungsvertrage
gedrangt. Auch aus anderen
tung wurde auch in der Mediationszeit nicht be- tes halbes Jahrhundert na ch seiner dur ch den Pa pst
Ka ntonen wurden Leu te auf stritten, doch über Ausrichtung und Ziele gingen erwirkten Aufhebung, wiederhergestellt wurde.J9
die Re ise gesch idct.
die Meinungen zwischen Stadt und Land und zwi- Der hohe Sittlichkeitsanspruch findet sich
schen den einzelnen Kantonen auseinander. Man- nach 1802 allen thal ben, wenn auch in unterschied-
384
Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)

Die Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann


Ruhig, na ch dem erf1altenen Bericht, àass die[cidgenossiscl!ell] Tmp-
cJ aft) sich «regenerierten». Die nach demogra-
licher Gestalt. Deutlich zeigen sich darin die Angste verschiedenen Gründen. Enrwed.er cnts(lr h 1 (( pen in Sissac/1 a.ngelangt seien, legten wir u11s zu Bette ais wir au!
und Hoffnungen jener, die damais (emeut) an die
. fi .
die M 0 d 1 kattonen der ideologischen m·· e.rzeu-
ac en ~(liscJ1cm Gewicht wie nach wirtschaftl~cher Dy-
eineunangenehme Weisedurch starfœs, unaujl?orlicl1es chiessengeweckt
Macht kamen. Das Gebot der Sittlichkeit stellte gung der Machthabe.r selbst oder - was h "a·ufi ger mil< wichrigsten Regionen der Scbwe1z hatten
. naun eine liberale Verfassung. Dicse war all erd"mgs wurden . Wir l1orten gleich, dass es ganz var unserem Hause war aber ic11
eine Massigung der Regierenden und den Gehor- vorkam - s.1e waren das Resultat von Press·10 nen weiss nic11t, ich Il attc im Gerin.gsten lœineAngst (... ] GeliebteMutter[,]
sam der Regierten in Aussicht und schien auf diese
.
die von aussen auf die politischen Entscheldu ' ~on Ka nton zu Kanton politlsch unterschiedlich
gef;1rbt: eL1er gemassigr liberal in Bern, Solothur~l ic/1 kann nicht sagen, dass icl1 var den J<ugeln Angst Tw.be, aber zu wissen,
Weise die Angste zu bannen, von einer auswartigen rragcr ausgeübt wurden. In beiden Fallen solnlgs.
. . ten z ü.dch, Luzeru F reiburg, im Aargau, Thurgau, Ul dass Leu te, denen man gewiss nic /œinen Anlass zu salchem gab, und die
Militarmacht besetzt zu werden, in die Anarchie d te ge1e1sreten Zugesrandnissc verhindern, dass d.
der Waadt und im Tessin radil<aler in St.Gallen, immcr sojreundlic/tgegen uns tatcn Leute aus der Gemeinde salelles tun
abzugleiten und im Elend zu versinken. Die For- Bevolkerung iluen Forderungen mit Gewalt A te
derung nach Sittlichkeit flankierte auch die Rück-
'
druck verlieh. Es erschien opportun, ldeine refor-
llS·
in BaseJ-Landschaft und~ nach 1835, in Glar~s und konnten, das ist fast nicht zu ertragen.»
schaffhausen.4 2 Dennocb lassen sich gememsame Atlszl!ge nus cincmllricfvon Esther EmiJic Sarnsi n-.l'orc:tr~ i1~ Tcnnilœn an ihrc. Mun_cr .
kehr zu bereits mehr oder weniger bekannten po- merische Schritteaus freien Stücken zuzugesrch er,, Margarcrha Forc:~rt-rsclln in Basci, vom 17./18. Sept. 1831, Zlt. m: Sara jan ner, Mligcn su: Vereme
litischen Systemen und bildete das Fundament ans ta tt gezwungen z.u werden, Recllte abzutrcten züge tUld Tendenzen fcststellen die aufgrund ih- bildc.n ... : J1 raucn und Prauc nvcrei nc !nl3ascl inl19- Jahrhundert, Bascl1995, S. 14+f.
der Bemühungen um soziale Fortschritte in den auf die man inl<einem Fall verzichteo wollre. Aller~ rer Bcdeurung auf eidgcnossischer Ebene schliess-
wohlvertrauten kantonalen Grenzen. Das Bedürf- dings sind halbherzig durchgeführte Massnahmen lich dieZukunftdes ganzen Landes pragensoLlten.
Sympathisanten der politischen Reformen
nis nach Ordnung, das hier zum Ausdruck kam, selten von Bestand- diese Erfahrung soUte weni- fanden sich auch unter jenen Familien, welche
ist nicht Zeichen einer Rückkehr zum Ancien Ré- ger als einJahr spater die ganze Schweiz machen. oie soziale Dimension der politischen
die mit den Umwalzungen von 1798 entstande-
gime, wie oft behauptet wurde, sondem des offen- 1830, noch vor der Julirevolution in Frank- unzufriedenheit nen unternehmerischen Moglichkeiten genutzt
sichtlichen Willens, eine Rückkehr der Revolution reich, veranderte im Tessin ein Machtkampf zwi- Der zusammenhalt im regenerierten Lager beruhte
hatten. Das gilt etwa für die Grundbesitzer, die
zu verhindern. Es ist eine klassische Ironie der Ge- schen den beiden gesetzlichen Landammannern weder auf der Spracbe noch auf der Religion. Das
sich die neuen landwirtschaftlichen Techniken
schichte, dass gerade solche Versuche der Absiche- die Verhaltnisse in der Schweiz grundlegend. Einer verbindende Element- über alle regiooalen und
angeeignet hatten und damit ihre Ertrage hatten
rung gegen U nruhen oftmals zu einer der wichtigs- der bei den dortigen Amtsinhaber brach te den an- volkswirtschaftlich bedingten Unterschiede hin-
steigem konnen, noch deutlicher aber für jene
ten Urs achen für deren Wiederausbruch werden. deren mit der Forderung nach einer Verfassungsre- weg- 1<ann wohl vor allem in der Frustration der
Unternehmer, die am Anfang des industriellen
vision in Verlegenheit- ein Vorschlag, der sogleich Akteure gesehen werden, einer Frustration, d le sich
Aufschwungs in der Schweiz standen. Sie profi-
die Massen in Erregung versetzte. In der Folge fiel durch die Art, wie mit iluer Belmndung umgegan-
DIE ZWEITE WELLE: REAKTIONEN tierten nicht nur vom gemeinsamen Markt, den
das Tabu revolutionarer Veranderungen, das sich gen wurde, nocb verstarkre. Ein wi.chrigcr ASpekt
AUF DIE RESTAURATION das Revolutionsregime geschaffen hatte, son-
seit der napoleonischen Ara gehalten hatte: Das war zudem dass ei ni ge Vordenlœr der Regeneration
dem auch von der Kontinentalsperre, die einen
Politische Unzufriedenheit Tessiner Volk stimmte am 4.Ju1i 1830 einem neuen bereits in der Helvetischen Republik wichtige Funk-
Schutz vor der Konkurrenz englischer Produkte
Trotz der intemationalen Garantien und der politi- Grundgesetz zu. Dieses Ereignis und die kurz dar- tienen innegehabt hatten, etwa Paul Usteri (1768-
bot. Günstig wirkte sich auch das demographi-
schen, sozialen und moralischen Vorkehrungen der auf ausbrechende Julirevolution gaben das Signal 1831) oder Heinrich Zschokke (1771-1848).
sche Wachstum aus, dank dem die Schweiz über
zu diesen altehrwürdigen Führungsperson-
Kantone zur Vermeidung neuer Unruhen ergriffen für eine zweite Oppositionswelle in der Schweiz. 41 relativ gut qualifizierte, zugleich aber bezahlbare
Unzufriedenheit und Unrast schon gegen Ende der Zwischen Oktober und Dezember 1830 fan- lichkeiten gesellten sich jüngere Protagonisten, die
Arbeitskrafte verfügte. In diesem Umfeld hatten
18zoer Jahre emeut die Gemüter und intensivier- den im Thurgau und im Aargau, in Luzem, Zü- dem radikal-liberalen Lager einen gewissen gene-
einige Pioniere mit der mechanischen Baumwoll-
ten sich deutlich zu Beginn des folgenden Jahr- rich, St. Galien, Freiburg und Lausanne rund ein rationenübergreifenden und soziookonomischen
spinnerei und -weberei begonnen. Gewiss brems-
zehnts. Ein ers ter Reflex dieser breiten Opposition Dutzend Volksversammlungen statt. Es ging vor zusammenhalt gaben. Zur Zeit der Helvetik wa-
ten die Mediationszeit, in der die Binnenzolle wie-
lasst sich in einer Reihe von Massnahmen sehen, allem darum, Druck auf die Behorden auszuüben, ren sie zumeist noch Kinder oder Jugendliche ge-
dereingeführt wurden, und die derlei Tendenzen
um Veranderungen zu erreichen, welche die meis- wesen und hatten, im Gegensatz zu vi elen Alteren,
welche die amtierenden Behorden zur Flexibilisie- noch verstarkende Restauration den Schwung be-
rung der bestehenden Gesetzgebung ergriffen. So ten der im Prinzip nicht revidierbaren Kantonsver- keine lebendigen Erinnerungen an die Schrecken
trachtlich. Doch ail dies vermochte die Iangerfris-
lancierte der Genfer 'l'Syndic Jean-Jacques Rigaud fassungen und der starren, personell abgeriegelten dieser Zeit. Zudem entstammten sie grosstenteils
tige Entwicklung nicht zu stop pen (siche Graphik
(1785-1854) in der Mitre der 18zoer Jahren eine Po- politischen Systeme ohne Durchbrechung der ge- dem Jiberalen Bürgertum, das von den durch die
im Kapitel von Regina Wecker, S. 435). Zwar kam
litik des sogenannten graduellen Fortschritts, die setzlichen Schranken nicht zuliessen. Wie im FaU Revolution beschleunigten strukturellen Veran-
es auch zu zahlreichen Konkursen, aber die soli-
derungen profitiert hatte43 und in dem jenes Wis-
insbesondere die Bedingungen für die Ausübung der in Uster am 22. November 1830 abgehaltenen desten Firmen hielten stand, indem sie die Quali-
des aktiven und passiven Wahlrechts lockerte und Versammlung reichten friedliche Machtdemons- sen geschatzt wurde, welches auf einer rationalen
rat ihrer Ware verbesserten oder Diversifizierun-
damit die aristokratischen Züge der Regierung sei- trationen im Allgemeinen aus, um den Aufbau Erfassung der Welt beruht. Da sie vor allem in der
gen vomahmen. Die Industrien breiteten sich in
nes Kan tons milderte. In der ganzen Eidgenossen- neuer Regierungsstrukturen auszulOsen. Medizin, der Jurisprudenz oder im hoheren U nter-
der Landschaft entlang der Wasserlaufe, die ih-
schaft folgten nun die Reformen in immer schnel- In einigen Fallen reagierten die Obrigkeiten richtswesen tatig waren, erreichten sie in der Ge-
nen die no tige Energie lieferten, aus. So entstand
lerem Rhythmus: 18z6 verbesserte zum Beispiel hart, etwa in den Kantonen Waadt, Freiburg und sellschaft ein gewisses Ansehen und besassen intel-
ausserhalb der Stadte allmahlich eine Schicht von
Schaffhausen die Reprasentativitat seiner Insti- Schaffhausen, wo es ihnen dennoch nicht gelang, lektuelle Fahigkeiten, die von den Obrigkeiten der
dynamischen, mutigen und oft wohlhabenden
tutionen, mehrere Kantone verzichteten auf die denliberalen Lauf der Dinge aufzuhalten. lm Wal- Restauration nicht immer gebührend anerkannt
Zensur, und 1829 führte Appenzell Innerrhoden lis, inN euenburg und in Schwyz kam es zu bewaff- wurden. Einige Kantone versuchten zwar, die Un- Bürgern.
Wegen ihres Wohnorts oder aufgrund ihrer
das Recht wieder ein, an der Landsgemeinde The- neten Konfrontationen, aus denen die Konserva- gerechtigkeit des Zensus auszugleichen, indem sie
Herkunft besassen die Manner a us dies er neuen
men vorzubringen, die die Behorden nicht behan- tiven als Sieger hervorgingen. In Base! brach ein aU jenen, die ein Amt oder eine langjahrige akade-
Schicht meist keine politischen Rechte oder nur
dela wollten. Zürich beschloss, die Gesetzesinitia- kleiner Bürgerkrieg aus, der 1833 zur Teilung des mische Bildung nachweisen konnten, Moglichkei-
solche von geringer Relevanz. In der Regel hatten
tive nicht dem Kleinen Rat vorzubehalten, und die Kantons führte. ten zur aktiven Teilnahme am politischen Leben
sie lediglich die Moglichkeit, einen Reprasentan-
Waadt schaffte zu Beginn der 183oer Jah re die Man- Bis zur Mitre der 183oer Jahre blieben neun anboten. Diese Zugestandnisse kamenjedoch zum
ten in ein ineffizientes Parlament zu wahlen, in
date aufLebenszeit ab.4° t Stande und ein Halbkanton (Basel-Stadt) bei ih- einen zu spat, und zum anderen blieben sie zu ver-
dem überdies die Stadte von vomherein viel bes-
Zu dieser Aufweichung der in den Handen ren alten Gesetzen und politischen Eliten, wahrend einzelt, als dass sie der bereits in Gang gekomme-
ser vertreten waren. In dem Masse aber, in dem die
der alten Eliten konzentrierten Macht kam es aus zwolf Kantone und ein Halbkanton (Basel-Land- nen Dynamik hatten Einhalt gebieten konnen.
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Die Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann
Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)

okonomische Macht der als Unternehmer tatigen Das Bewussrsein, in ihren jeweiligen Kanron
Bürger wuchs, verlangten diese auch, ihrem Wahl- emer vor allem über die Schweizer Soldner, die vom
· Mm' d er11e1t
· anzugehoren, brach te sie dazten
euen franzosischen «Bürgerkonig>> Louis Phi-
stand und ihren Kompetenzen entsprechend an sich über alle politischen Differenzen und dt' n
der politischen Gestaltung beteiligt zu sein und sprachlichen und rel igiosen Umerscl1ieèiehinwe e lippe verabschiedet worden waren. Die }LùJtevo-
'

reagierten enttauscht und verargert, wenn sich Jution lieferte einen zusatzlich.en Beweis flir die
zusamrnenzuschliessen. 45 Durd1 Presseorgan! verandcrbarlœi t einer vermeintlich fest ve.ranlœr-
diesbezüglich nichts veranderte. Die Regierun- wie die 1828 gegründete «AppenzeUer Ze itun~>
rcn Ordnung und für die wicbtige Rolle, die de.rn
gen gerieten besonders dann in arge Bedrangnis, oder Vereine wie die 1819 eursrandene Studentcn-
volk bei eine.r solchen Umwalzung zukommen
wenn sich solcher Unmut mit der Unzufrieden- verbindung Zojingia, 46 aus der 1832 ein radikaler
hei t weniger privilegierter Bevolkerungsgruppen Flügel, die Helvetia, hervorging, entwickelte und J<Onnte. Auf inrernatioualerEbene führte sie aus-
verband. scrdem vor Augen, dass nicbtjederRegimewech-
verbreitete sich liberales Gedankengut. Die auf sel zwangslaufig mit e.iJ1er Invasion fremder Ar-
Die Petitionen und Gesuche, die im Hin- diesem Wege propagierten Ideen waren nicht ein-
meen sanktio.niert werden mt1ssre. En tgegen den
blick auf die Ausarbeitung neuer Kantonsverfas- heitlich und variierten oft von Kan ton zu Kan ton.
.Bestrebungcn des Zaren gelang es England, das
sungen zusammengetragen wurden, geben die Verbindend war die Forderung nach einer Erwei-
Eingreifen der Gross mach te in Frankreich zu ver-
Stimmungslage in der Bevolkerung anschaulich terung der Grundrechte, auch wenn die prakti-
hindern. Der franzosische Konig Louis Philippe
wieder. Alles in allem sind es desillusionierte Be- sche Ausübung dieser Rechte durch diverse Vor-
schlass sich der britischen Sicht der Dinge rasch
rich te über die Gegenwart, durchzogen von Ver- kehrungen wieder eingeschrankt werden soUte.
an und veranderte damit das Allianzgefüge in Eu-
gangenheitssehnsucht und Zukunftsangst. Trotz Wesentlich für die Herausbildung des Liberalis-
ropa merklich. lm Schutze dieser Konstellation
der Vielfalt der Eingaben lassen sich drei domi- mus schweizerischer Pragung war das mehrstu-
führten die Schweizer Kantone ihre Regeneration
nierende Themen unterscheiden: Wie die Unter- fige Verwaltungssystem, das gelegentlich auch
durch- doch soUte sich dies er Schutz bald ais fra-
nehmer forderten auch einige dies er Gesuchsteller den liberalen Theoretikern und Vordenkern er- Johann Baptist Kirner,
gil und wenig dauerhaft erweisen. 47 ben, wo er die Bewegung]unges Europa gründete, ei-
eine bessere Vertretung der Landschaft, das heisst laubte, ein offentliches Amt auszuüben und sich Ein Schweizer Gardist
mehr Mitspracherechte bei Entscheidungen, die auf diesem Weg mit den Tücken der Machtaus-
Die Geschebnisse in Frankreich regten auf nen Geheimbund mit mehreren nationalen Sektio- erzahlt in sein er Heimat
dem ganzen Kontinent zur Nachahmung an. Mit nen, von dem man glaubte, dass er den Kontinent seine Erlebnisse wahrend
schliesslich in erster Linie sie betrafen. Die Ein- übung vertraut zu machen- zumindest auf kom- der Pariser Julirevolution
Ausnahme des Aufstands in Belgien müssen diese 'revolutionieren und auf republikanische Grundla- von 1830, Ôl auf Leinwand,
gaben verraten zudem die Verbitterung der Bau- munaler Ebene. Der schweizerische Liberalismus
umwalzungsversuche aber als gescheitert betrach- gen stellen wolle. 1836 wurde Mazzini ausgewiesen, 1831 (Staatliche Kumthalle
ern angesichts der hohen Preise für die Ablosung unterschied sich fortan von anderen europaischen Karlsruhe). - Schweizer Sold-
tet werden. Die Unruhen führten im Gegenteil bei dies, nachdem die meisten Kantone - nicht ohne ner verteidigten 1830 das
der Feudallasten oder der extremen Langsamkeit Varianten durch seinen im Allgemeinen pragma-
den umstrittenen Machthabern zu Verhartungs- Protest- einem tKonkordat zugestimmt hatten, Bourbonen-Konigtum erfolg-
des Reformprozesses. Und sie drücken eine grosse tischeren Ansatz. los gegen die aufsüindischen
tendenzen, die sich rasch auch auf die Schweiz aus- das die Ausweisung von Fremden vorsah, deren re- Bürger von Paris, die für mehr
Beunruhigung über die Verbreitung der neuen
wirkten. Ende des ]ah res 1830 war die internatio- volutionare Umtriebe die internationalen Bezie- Freiheit kampften. Es ware
Maschinen aus, die den Reichtum der Unterneh- Europaische Hintergründe interessant zu hëren, was sie
nale Situation so angespannt, dass die Tagsatzung hungen der Schweiz gefâhrden konnten. 49 Diese zu Hause einer gebannt
mer begründeten, zugleich aber das Gespenst der und Verwicklungen lauschenden Zuhtirerschaft
eine Mobilisierung der Truppen beschloss, um die Haltung war Ausdruck einer - manchmal wider-
Arbeitslosigkeit, der Armut und des Elends um- Neben dem liberalen Gedankengut aus Frankreich berichteten. Schilderungen
gehen li essen. 44 Grenzen zu schützen. strebenden - Politik der Willfâhrigkeit, zugleich von Schweizer Stildnern in
und England beeinflusste auch die Haltung der Im Bereich des Asylwesens kam es schliesslich aber auch Anzeichen eines in der Luft liegenden franztisischen Diensten, wel-
Die von den kantonalen Behorden der Medi- Grossmachte gegenüber der Eidgenossenschaft die che die Unruh en zu Beginn
emeut zu verstarktem Druck von aussen. Die ge- grosseren Umschwungs. der 183oer Jahre miterlebt
ation und dann der Restauration angeordnete Ab- Anfânge der schweizerischen Regeneration. Tar- hatten, ermutigten jedenfalls
scheiterten Revolutionen führtenzahlreiche Flücht- Nach dem Attentat Giuseppe Fieschis auf
schliessung der politischen Institutionen forderte sachlich fâllt das Anschwellen der Proteststromun- zu den Revolutionen, die in
linge in die regenerierten Kantone, die nicht un- Louis Philippe vom 28. Juli 1835 und der darauf der Eidgenossenschaft
Missmut und Frustration. Ab dem Ende der 182oer gen zeitlich mit einer gewissen Lockerung der inter-
glücklich darüber waren, jene verbannten Gesin- folgenden Conseil-Affareso begann Frankreich sch\iessl ich allenthalben
Jahre ideologisierte und organisierte sich das La- nationalen Kontrolle über die Schweiz zusammen. ausbrachen.
Versammlung vor einer nungsgenossen aufnehmen zu konnen, und die der Schweiz unmissverstandlich zu drohen. Aber
Sennhütte in Ayent im
ger der Unzufriedenen in zunehmendem Masse. Nach dem Tod Alexanders I. von Russland und
vor den revolutionaren Aktivitaten, die diese Exi- die Stimmung hatte sich in der Zwischenzeit ge-
Wallis, in: Die Schweiz, der Ablosung der reaktionarsten auslandischen
historisch, naturhistorisch lanten von der Schweiz aus weiterhin gegen ihre andert, so dass die Drohungen das Gegenteil
und malerisch dargestellt, Gesandten wie des osterreichischen Botschafters monarchischen Regierungen betrieben, oft die Au- der erhofften Wirkung erzielten. Aufgeschreckt
Neuchâtel1836 (UB Base/, Franz Alban von Schraut, des franzosischen Mar-
Sign. Fa lk 72). -Der Verfasser gen verschlossen. Diese Situation verargerte vor durch die Intrigen, die Charles Louis Napoléon
trifft auf einer Wanderung quis Clément-Edouard de Moustier oder des Bayern allem 6sterreich, das die eidgenossischen Behor- Bonaparte vom Thurgau aus schmiedete, um auf
jene seltsame Versammlung
von Mannern <<mit Iangen,
Johann Franz Anton von Olry war ab Mitre der den mit diplomatischen Noten geradezu über- den Thron seines Onkels zu gelangen, forderten
schwarzenHaaren und trot- 182oer Jahre der ultrakonservative Druck der euro- schwemmte. Von da an schwankte die Tagsatzung die franzosischen Behorden die Ausweisung des
zigen Mienen» an; «ein
einziger von ihnen sass und
paischen Grossmachte weniger stark spürbar. Aus zwischen Lavieren und Sichfügen. Wenn eine Ange- Prinzen - gegen den Willen des Kantons, dessen
schien der Prasiden t zu sein; diesem Grund war es derTagsatzung 1829 moglich, legenheit und ihre Protagonisten zu bedeutend wa- Bürgerrecht dieser bekommen batte. Ende des
er führte das Wort und zeich- das Presse- und Fremdenkonklusum aufzuheben,
nete auf ein Stück Papier[ ... ] ren, als dass man sie in den verschlungenen Wegen Sommers 1838 hob Frankreich eine Armee von
eine Art von Hieroglyphen>>. oh ne dass jemand in Euro pa ihr deswegen Vorhal- der Verwaltung batte versickern lassen konnen, zo- 25 ooo Mann aus und verlegte sie an die Gren2e
Worüber hier so ernsthaft tungen gemacht batte.
debattiert wird, bleibt de rn gen es die Magistraten vor, sich zu beugen oder gar zur Schweiz. Diese Einschüchterungsversuche
Wanderer verborgen, doch Mit dem Nachlassen der Bedrohung von aus- den Forderungen der Grossmachte zuvorzukom- empfanden die Schweizer Politiker als Demüti-
eine in der Nahe weidende sen nahm automatisch die Erhitzung der Gemü-
grosse Kuhherde lasst ihn men. So entschuldigten sie sich 1834 bei Sardinien gung, und sie beschlossen, sich den Zumutungen
begreifen, dass «alle diese ter im Inneren zu. Doch für den entscheidenden dafür, dass Giuseppe Mazzini48 in seinem Schwei- aus Paris energisch zu widersetzen, ungeachtet
Mann er irgend ein Eigen-
thumsrecht an diese [sic]
Schritt von der Reform zur Revolution bedurfte zer Exil ungehindert polnische, deutsche und itali- der damit verbundenen Invasionsgefahr. Gross-
Herde hatten, und si ch hier es emeut eines Beispiels aus dem Ausland- in enische Emigranten zu einer Revolte hatte aufwie- britanniens Bemühungen um Entspannung der
versammelten, um den
Gewinn z u rh eilen».
diesem FaU war es die }ulirevolution. Die Nach- geln konnen. Eine gescheiterte Expedition zwang Lage und dieAbreise von Charles Louis Napoléon
richt vom Umsturz in Paris verbreitete sich rasch, Mazzini schliesslich dazu, in der Schweiz zu blei- Bonaparte nach England am 15. Oktober 1838 setz-
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Oie Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)

ten der Episode schliesslich ein Ende. Dieser di- DIE REGENERATION IN DEN en versprach. Iudem die Umwa1zungen di- sonliche Freiheit, Niederlassungs-, Gewerbe-,
plomatische Zwischenfall spiegelt exemplarisch KANTONEN I<ODlll1 • Petitions- und Pressefreiheit sowie die Eigen-
li vcrfassungsanderwlgen führten letsteten
die vern Bewusstsein der internationalen Schwa- ~« 1 ~ . . tumsgarantie. Vordergründig gewann also die Be-
. dem Gewi:i.h r fii.r ihre eigene Dauerhafngkett.
che der Schweiz und von ihrem Streben nach na- Die politische Regeneration 51e zu . . . . vëlkerung zahlreiche Rechte, die ih r bei der Ver-
tionaler Behauptung gepragte Atmosphare je- Die Haufung der liberalen Staarsstreiche zu B . 110 die neuen Grundgeserze emte, bet aller Un- waltung des Gemeinwesens mehr Gewicht geben
pe chiedlichl<eit das Bemüben umdieBewahrung
nes langen Jahrzehnts. Auch mach t die Affare die d et. 1830er J.ah re l1mg . l1t nur m it dem uegllln
. ntc cers f . li . l d
.. . 11 lllttt der liberalen Vorherrscha t un po :•sc 1cn un so- sollten. Bei genauerem Hinsehen stellt manjedoch
scheinbar paradoxen Bemühungen um Liberali- wa cl1sender Bevolkemngsgrnppcn und der v . . ol<onontischen Lebender regenenertenl<aorone. fest, dass diese Errungenschaften vor allem ihren
sierung einerseits und Nationalisierung anderer- übergehend gesllllkenen Wachsamkeit der Gr ° 1 ~
seits verstandlich, die sich im Wesentlichen vor- machte zusammen. Die damais vorherrsche ssd 0 z tO ..
oie gleichen Uberlegtmgen, d 'te m
. F· ran 1ue1c
. h jeweiligen unmittelbaren Forderern zugutekamen

.. n e bei der Einfülu·ung des 1'Zensus~ahlrechts 11ach und dem gemeinen Volle nur in sehr beschranktem
erst innerhalb der kantonalen Grenzen auswirken po1msc 11eArmosphare ist auch auf die Anziehun • dem staatsstreich vom <<18 Brumrure >massgebend Masse zu mehr Einfiuss verhalfen. Die führenden
sollten, wo sich, geschützt vor den interventio- kraft der Libcralen Ideologie zurückzuführen :. gewescn waren,s• veranlassten 1m1~ die Eliten d~r Personlichkeiten der Regeneration waren namlich
nistischen Absichten der Grossmachte, ein neues SI"clJ a1s 1"dea1cr Weg zur Lësung der winschaftspo-
' te regeneriertcn Kantone, jenes staathche ?rgaL1 m!t der Überzeugung, dass sie am besten in der Lage
Zusammengehorigkeitsgefühl herauszubilden litiscllen Probleme der I<antone an bot, als Weg, der den meisren Befugnissen auszustatten, 111 dem ste seien, für das Wahl des Vallees zu sorgen. Vor al-
begann. zudem oh ne die Exzesse der Revolutionszeit auszn- se1bst am besren vertreten sein würden. Dies führte
unweigerlicl1 zur Beschneidtmg der Reelue und (Fortsetzung von Seite 390)
Vergleichende und chronologische Tabelle der Errungenschaften Kompetenzen des Kleinen Rats. Sicherlich spielte Johr Erworbenes Recht Kan ton
in den verschiedenen regenerierten Verfassungen
dabei auch das Bedürfnis nach Rache an jenem 1832 Abschaffung der erbl. Rechte von Handel und Gewerbe BL
Johr Erworbenes Recht Kan ton ehemals machtigen Organ eine Rolle. Allerdings Recht auf Schadenersatz und Rehabilitierung BL
1830 Abschaffung der erbl. Rechte von Handel und Gewerbe Tl musste die Zahl der Exekutivmitglieder aus prak- Verfassungsinitiativrecht BL
Petitionsrecht Tl tischen Gründen beschrankt bleiben. Schon allein Wahl der Parlamentarier in direkter Volkswahl BL
Eigentumsgarantie Tl deswegen entsprach der Kleine Rat den Ambitio- Eigentumsgarantie BL
Niederlassungsfreiheit auf dem ganzen Kantonsgebiet Tl nen der zahlreichen Unternehmer, freiberufiich Parlamentarische lmmunitat BL
Pressefreiheit Tl Tatigen und reich gewordenen Vertreter des ter- Entschadigung für die gewahlten Volksvertreter BL
Rechtsgleichheit, Handels- und Gewerbefreiheit Tl Œiren Sektors nicht mehr, die sich deutlich bessere Verbot der Errichtung von Allodien BL
Wahl eines Verfassungsrats AG, BE, FR, LU, SH, VD chancen auf angemessene Reprasentation im Gros- Verbot der lebenslanglichen Dienstverpflichtung BL
Obligatorisches Verfassungsreferendum Tl sen Rat ausrechnen konnten. Verbot der Todesfallabgabe BL
Volkssouveranitat Es ist daher nicht verwunderlich, dass die ent- Vereinsfre iheit BL, ZH
Tl
1831 Abschaffung der Folter BE, FR, ZH scheidenden Kompetenzen der Legislative zuge- Niederlassungsfreiheit für Bürger anderer Kantone BL
Abschaffung der erbl. Rechte von Handel und Gewerbe SG, SO, TG sprochen wurden. Auch hier gab es erhebliche Un- Niederlassungsfreiheit auf dem ganzen Kantonsgebiet BS
Keine Vorrechte für Handel und Gewerbe FR, LU, VD terschiede zwischen den Kantonen, aber in allen Meinungsausserungsfreiheit BL
Recht auf konfessionell gemischte Ehen SG revidierten Verfassungen wurde das Parlament Glaubens- und Gewissensfreiheit BL
Verfassungsinitiativrecht zum wichtigsten Rad im Getriebe des Staates: Es Pressefreiheit BS
AG, LU, SH, TG
Beschrankte Handels- und Gewerbefreiheit war das Parlament, das die Gesetze vorschlug und Freiheit, ohne staatliche Erlaubnis zu unterrichten BL
AG, BE, SH , ZH
Petitionsrecht ratifizierte. Das Parlament bestimmte die Politik Rechtsgle ichheit, Handels- und Gewerbefreiheit BS
AG,BS, BE,FR, LU,SG,SH,SO,TG , VD, ZH
Vetorecht SG des Kantons, entschied über Budgetfragen und Obligatorisches Verfassungsreferendum BS
Wahl der Parlamentarier in direkter Volkswahl SG, TG , VD beschloss die Instruktionen für die Tagsatzungs- Volkssouveranitat BL, ZH
Wahl durch gemischtes Verfahren AG, SH, SO, ZH gesandten. In allen grossen Kammern war nun die 1833 Petitionsrecht sz
Wahl durch Wahlmanner BE, FR, LU Landschaft besser vertreten als in der Vergangen- Vetorecht BL
Eigentumsgarantie AG,BE, FR,LU,SG,SH,SO,TG,VD,ZH heit. Zudem wurden die Vertreter vom Volk ge- Eigentumsgarantie sz
Parlamentarische lmmunitat VD wahlt, bei dem nunmehr - wie immer wieder be- Niederlassungsfreiheit auf dem ganzen Kantonsgebiet sz
Entschadigung für die gewahlten Volksvertreter FR,TG,VD tant wurde- die Souveranitat lag. Pressefreiheit sz
Verbot der Errichtung von Allodien ( 1' A!lod) SG In Hinblick auf die Stimmberechtigung Rechtsgleichheit, Handels- und Gewerbefreiheit sz
Niederlassungsfreiheit für Bürger anderer Kantone BE, TG herrschten allerdings grosse Ungleichheiten. Die Obligatorisches Verfassungsreferendum sz
Niederlassungsfreiheit auf dem ganzen Kantonsgebiet AG , BE, FR, LU,SG,SH,SO,TG,VD, ZH Diskriminierung betraf zum einen Frauen gene- Volkssouveranitat sz
Meinungsausserungsfreiheit AG, LU, TG rell,SZ zum anderen aber auch Manner, etwa jene, 1836 Recht auf konfessionell gemischte Ehen GL
Glaubens- und Gewissensfreiheit die wegen Unmündigkeit, Unselbstandigkeit oder Petitions recht GL
AG, BE, TG, ZH
Pressefreiheit Nichtzugehorigkeit zum Kan ton vom Wahlprozess Eigentumsgarantie GL
AG,BE,FR,LU,SG,SH,SO,TG,VD,ZH
Freiheit, ohne staatliche Erlaubnis zu unterrichten ZH ausgeschlossen waren. In den meisten Kantonen Niederlassungsfreiheit auf dem ganzen Kantonsgebiet GL
Rechtsgleichheit, Handels- und Gewerbefreiheit konnten die Kantonsbürger ihre Vertreter selbst Glaubens- und Gewissensfreiheit GL
AG,BE,FR,LU,SG,SH,TG,VD,ZH
Wahl aines Verfassungsrats und ohne Diskriminierung aufgrund des Vermo- Pressefreiheit GL
BL
Unschuldsvermutung in Gerichtsprozessen BE gens wahlen, in den konservativsten Kantonen wie Rechtsgleichheit, Handels- und Gewerbefreiheit GL
Obligatorisches Verfassungsreferendum Bern herrschte jedoch ein indirektes, das heisst Obligatorisches Verfassungsreferendum GL
AG,BE,LU,SG,SH,SO,TG,VD, ZH
Volkssouveranitat über die Bestimmung von Wahlmannern ausgeüb- Volkssouveranitat GL
AG,BE,FR,LU, SG,SH,SO, TG,VD
ab 1831 Abschaffung der Feudallasten tes, Zensuswahlrecht. 1838 Verfassungsinitiativrecht SG
überall
Die regenerierten Verfassungen führten eine
(Fortsetzung auf Seita 391) Quelle: Irène Herrmann .
betrachtliche Anzahl von Grundrechten ein: per-

390 391
Die Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann

Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)

lem aber wollten sie nicht von der Masse überrollt


Vergleich mit der diesbezi:igli:cb nod1 un bef.· .
werden und den Staat ins revolutionare Chaos stür- ae11de J·en s·ru · · tl edt~ Thurgau und Solothurn die Ablosung des Zehnten Die Vereinheitlichung der Gewichte, Masse, Münzen
" 1 atton m anderen europaischen
zensehen. für obligatorisch und crsetzten die Feudallasten und des Postwesens
ten vermochre d ie Enttauschung darüber Staa~
In St. Galien führten die heftigen Proteste die . zwar c r~ durcb ein Sreuersystem das den Bedürfnissen des Die Vereinfachung des Handels verlief über die Vereinheitlichung der
was zu .l mdern, doch ku1tivierte m an gJ.. ; 1
sich z.u Beginn der 183oer Jahre entluden, jedoch . "d (" . . . '-'C lWOhl staates besser entsprach. Gewichte, Masse und Münzen. Ein erster Schritt in diese Richtung
eme 1 ea •ste rte Stcht der Verga ngenheit. Es iscjedoch nicht verw u nderlid1, dass d i ese Re~ war schon zur Zeit der Helvetischen Republik getan worden, ais es
letzthch zur Ausarbeitung eines Kompromisses
Die Bevolkerung der übrigen rege 11 e .
(sie~e auch den Beitrag von Andreas Su ter, s. 366): n erte 11 fo rmcn in erster Li nie auf elie Entwicldu ng der In- den vom franzëisischen Vorbild inspirierten Patrioten gelungen war,
Kantone harre nod1 meb r Grund, Wlgehalt
Der m der Mediation durch die Vereinigung di ver- . s· t . .
~cm. Je Jatte an der Sette der Liberalen fürR
en zu dusrtic und die Absatzforderung der von ihr herge- das metrische System bei Massen und Gewichten und den Schweizer
ser Gebiete geschaffene Kanton batte keine tradi- a 1 ·· f Ccllte srellren Produlne zielten. Verschicdene in den neuetl Franken einzuführen. Die Mediation gab jedoch den Kantonen die
.,e <amp t, von denen ste sich eine Verbess .
ti~nelle, ihre Macht eifersüchtig verteidigende . . et ung verfassungen verartkerreBestimmungen crleichcer- Kompetenz auf diesen Gebieten zurück und bewog so die meisten von
tbrer Lebensbediogungen erhoffte. Doch d" .
Elite und war aus Bevolkerungsgruppen verschie- . . . œ t~ ten den Personenverkehr, dan eben bcmühten sich ihnen zur Rückkehr zu ihren alten Massen und Gewichten. Die prak-
stttuttonellen rnstrumente die man ausgel ..
dener politischer Kulturen zusammengesetzt. Die . b
d tgt el<am, erwiesen sich als smmpf. Meb r noch 1 a n~ zahlreiche Kantone um die Forderung des Güter- tischen Schwierigkeiten, die aus der nun (wieder) entstandenen Viel-
Bürger, die den Liberalen geholfen hatten, die kon- verkehrs. Dabei ging es in der Regel daru rn, al te Vor- fait resultierten, waren wiederum Anlass für eine gewisse Standardi-
der Kampf hatte der liberalen F ührung gros
servative Regierung zu stürzen, beabsichtigten .. h . sere rechte von Gemeinden oder von Privatpersonen auf sierung in einigen Reglonen. Var allem in der Westschweiz hlelt man
po1msc e Bcfugmsse und wirtscbafrl!che "' .....
nun, ein Landsgemeindesystem zu errichten. Und (" l t · !V.tOg- den Staat zu übertragen. Die meisten der regenerier- sich wegen des gestiegenen Handelsvolumens mit Frankreich weiter-
IC 1l<e l tcn gcbrach t, aber uicht zur un mi trelbaren
diese direkte Demokratie - damais auch «reine» ten Regierungen schenkten der Entwicklung des hin an das metrische System. 1828 packte die Tagsatzung das Problem
Verbesserung
. der materiellen Situation des Volkes
Demokratie genannt - wollten sie nicht wie die b etgetragen. Gütertransports auf dem Landweg besondere Auf- erneut an, aber sie brauchte zehn Jahre, um ein Konkordat von nicht
Landsgemeindekantone auf historische Rechte merksamkeit. Sie griffen damit ein Anliegen auf, das mehr ais zwëilf Kantonen in Kraft treten zu lassen. Nicht besser erging
gründen, sondern auf das wahrend der Helvetik bereits zu Beginn des Jahrhunderts verschiedent- es der Münzvereinheitlichung. ln der Mitte des 19. Jahrhunderts, ais
Die wirtschaftliche Regeneration
p~pular gewordene Naturrecht. In die Enge ge- lich zum Bau von Strassen über die wichtigsten Al- ein Gesetz auf der Grundlage der neuen Bundesverfassung den Fran-
Der Beginn der Regeneration fiel mit einer Wirt-
tneben, gewahrten die neuen Behorden des Kan- penpasse geführt batte; nun bemühte man sich um ken ais einzige Geldeinheit durchsetzte, zirkulierten gegen 900 ver-
schaftsdepression zusammen. Die spürbare Ver-
tons ihren Bürgern im Jahre 1831 immerhin das die Verdichtung des regionalen Hauptstrassennet- schiedene Münzsorten im Land. Dieser Tatbestand verkomplizierte
lan~samung der Konjuktur zwischen 183o und 1833 zes.s4 Ausserdem wurden einige Binnenzolle wie seinerseits die Befëirderung der Postsachen . Auch hier war man nach
Vetorecht, also die Mi:iglichkeit, vom Grossen Rat
beforderte den Reformhunger der liberalen Anfüh-
erlassene Gesetze abzulehnen.s3 Dieser Entscheid Brückengelder, Warenumsatzsteuern und spezifi- der Helvetik zu dem Usus zurückgekehrt, dass jeder Kanton seine
~er, genauer: den Willen, die Wirtschaftsstrukturen
schlug eine Bresche ins reprasentative System in- sche lokale Zollgebühren über Konkordate verein- eigenen Tarife festlegte. Einige Versuche, das Postwesen auf dem
th res jeweiligen Kan tons zu modernisieren und ei-
~em er ein direktdemokratisches Element in~eg­ heitlichr.ss Die Eidgenossenschaft war nach wie vor Konkordatsweg zu modernisieren, stiessen auf grossen Widerstand,
n~n Teil der rechtlichen Hindernisse zu beseitigen,
~Ierte. D~nnoch blieben die Mittel der St. Galler, von Zollstellen in hoher Dichte übersat, so dass in- was etwa dazu führte, dass in Gent der Erhalt eines Briefes aus Ror-
dte Handel und Industrie hemmten. In der Tat
thren Wtllen kundzutun, in der Praxis eng be- ternationale Kaufleute sie oftmals- etwa um Waren schach ebenso teuer war wie der eines Briefes aus Istanbul. Erst mit
brachten einige der neuen Rechtsnormen Relikte
schrankt,ja selbst das zugestandene Veto recht un- von St. Gallen nach Genf zu transportieren - un ter der Verfassung von 1848 gelang es, diese Probleme zu regeln. 59
des Ancien Régime zum Verschwinden, etwa im Be-
terlag einer ganzen Reihe von Restriktionen. Der Inkaufnahme grosser Umwege durch andere Land er
reich der Landwirtschaft. So erklarten die Kantone
umgingen. Aus diesem Grund ergriffen liberale Re- eine rn Selektionsprozess in der Wirtschaft geführt.
Zollstatten und Hauptstrassennetz im Jahr 1825 gierungen die Initiative zur Vereinfachung des ZoU- In dieser Hinsicht nahm die Textilindustrie eine
systems, und Zürich gab im]ahr 1835 das seine zu- Sonderstellung ein, obwohl auch sie, bedingt durch
gunsten direkter Steuern ganz auf. die Mechanisierung, einige Veranderungen erfuhr.
Der kantonale Rahmen dieser verschiedenen So profitierte namentlich die Seidenverarbeitung
Anzahl Zollstatten je Kanton
Massnahmen hemmte allerdings ali jene Initiati- vom technischen Fortschritt und erlebte eine Blü-
2 bis 8
ven, die eine zusammenhangende Entwicklung an- tezeit. Die no ch weitgehend von der Heimarbeit ab-
strebten. In der politischen Kleinraumigkeit, zu der hangige Herstellung von grobem Tu ch siedelte sich
noch technische und die offentlichen Finanzen be- vor allem im Zentrum und im Norden des Landes
treffende Probleme von unvorstellbarem Ausmass an, wahrend die Q.ualitatsweberei und die Spinne-
- - Haupt- und Fahrstrassen hinzukamen, liegt sicherlich auch einer der Gründe rei sich im Norden und Nordosten des Landes kon-
° Kantonshauptorte
für die Verspatung, mit der sich die Schweiz der Ent- zentrierten, wo Wasserkraft und das für die Ma~
wicklung des Eisenbahnwesens zuwandte:s 6 Die schinen benotigte Kapital vorhanden waren (siehe
ers te Teilstrecke des schweizerischen Eisenbahnnet- Karte im Kapi tel von André Holenstein, S. 319).
zes wurde erst 1844 von Strassburg her kommend lm Norden und Nordosten wurden zwischen
in Base] eroffnet. Nicht auszuschliessen ist jedoch, 1798 und 1849 auch die meisten der landesweit ins-
dass auch die starke Zunahme der Dampfschifffahrt gesamt 130 Sparkassen gegründet, die in erster Li-
in der Mitte der 183oer Jahres7 sowie die Verbesse- nie für die Ers paroisse der Arbeiter gedacht waren.
rung des Transports auf der Strasse den Zeitpunkt Zu den klassischen Privatbanken kamen die ersten
hinausgezogert haben, von dem an die Eisenbahn Diskontbanken und Kantonalbanken hinzu, in
ihre Faszination auf Regierungen, Bürger und In- Bern war dies imJahr 1834, in Zürich und in St. Gal-
Jeder Ort gllt )ewells nur ais eine Zollstiitte. ln den melsten Stadten exl vestoren auszuüben begann.s 8 Ien 1837 der Fall. Das Kreditsystem alimentierte
Zellweger 1 Keller von 1825) nlcht elnzeln ausgewlesen. stlerten mehrere Zollstiitten, doch sind diese der hlstorlschen Quelle (Zollkarte von
Nach der Krise Anfang der 183oer Jahre tru- die Entwicklung der Textilbranche - und wurde
Das HauptstrQssennetz wurde ln der Folgezelt welter QUS ebaut Di
9 geu die neuen Massnahmen und Rechtsnormen
gesellschaftllchen Zusammenhalt. · es dlente nlcht nur dam aufstrebenden Tre.nsportwesen, sondern fôrderte auch den durch sie alimentiert. Der Textilsektor batte aber
Guai/en: ~rune Fritzsche / Thomas Frey/ Urs Rey/ Sandra Romer Histarisch zum wirtschaftlichen Aufschwung der Schweiz - noch andere Auswirkungen auf den Wirtschafts~
S. 55 (geandert), noch: Johann Kaspar Zellweger / Heinrich Keller' Zollkarte d=~ ~~hukt~rat18/a2s5de©r Schweiz. Die ~ntstehung der modernen Schweiz, Baden 2001
• we1z, , 2001 h1er und 1etzt, Baden. ' und zum Wohlstand ihrer Unternehmer- bei. Wie aufschwung des Landes. Die immer starkere Me-
stets in solchen Situationen, batte die Rezession zu chanisierung der Stoffproduktion bildete auch die
392
393
Die Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann

Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)


Johann Heinrich Bleuler
<<Ouchy Seehaven von '
Lausanne>>, Gouache, 1 8 24_ dieAnzabl derFabrlken; seit demEnde des t8.Jahr- keit und Verelendung gab. Am 22. November 1832 Grosse Taschenuhr mit
1830 (MllSée historique de türldschen Ziffern fiir den
Lausanne),© Photo Musée histo- hunderts entstanden inuner mehr Betriebe die setzten Heimsticker, aufgeschreckt durch die An- Export, Courvoisier & Cie,
tique de Lausanne.- Im Vorder- putzendc vonPersonen an einer einzigen ProduJ<- kunft mechanischer Webstühle, die sie als unwei- La Chaux-de-Fonds,
grund sind an den noch kaum mn 182o (Musée i11temati01ral
befestigten Uferbéischungen rionssr.ïtte versammelten, so dass im zweiten Vier- gerliche Konkurrenz ihrer eigenen Arbeit wahr- d'horlogerie, La Chaux-de-Fonds),
traditionelle Fischerboore tel des Jahrhunderts erwa 20 ooo Manner, Fraueo nahmen, eine Fabrik in Uster in Brand. Das Ereignis ©PhotoMIH.
festgemach t, im Himergrund
istjedoch zudem ein mit und I<inder in FabriJœn arbeiteten, vor allem in der erregte die Gemüter nicht nur aufgrund seines ge-
einer Schweizerfahne TextiUndustrie. Dicse Entwicldw1g verand erre den waltsamen Charakters, sondern auch, weil es sich
geschmücktes Dampfschiff
zu erkennen. Es handelt sich Arbeitsalltag der Menschen radikal. Was die weib- genau anjenem Ort abspielte, an dem das Zürcher
vielleicht um die <<Guillaume lichen Arbeitskrafte anbelangt, so machten diese Volk zwei Jahre zuvor die Liberalen an die Macht ge-
Tell>>, den ersten Dampfer
der Schweiz, der 1823 auf dem zwar auch bei den Bauern, im Gewerbe oder bei bracht hatte. 66 Von hoher Symbolkraft ist es auch,
Genfersee in Betrieb genom- den Dienstleistungen einen erheblichen Anteil - weil hier das grundlegende Missverstandnis der
men wurde. Das Beispiel
n~achte rasch Schule, so dass
insgesamt rund die Halfte- aller Arbeitenden aus, Regeneration zusammengefasst erscheint, von der
dre Werkstatten von Escher doch wiesen die Fabriken im Zürcher Oberland sich alle, Arm und Reich, eine Verbesserung ihres
Wyss & Cie. amEnde der '
183oer Jahre mit grossem und in Glarus besonders hohe Zahlen beschaftig- Loses erhofft hatten, ohne sich darüber im Klaren
Engagement in den Schiffbau ter Frauen auf. 62 zu sein, dass- wie so oft- die einen ihr Glück weit-
einstiegen.6°
lm Unterschied zum Alltag in anderen Pro- gehend auf Kosten der and eren mach en würden.
duktionssektoren wie der Heimarbeit, dem Land- So einschneidend dieses Ereignis auch war, es
wirtschafts- oder Handwerksbetrieb waren in der stellte nicht den Regelfall dar, und im Allgemei-
Fabrikarbeit ta tige Familienmitglieder oft vonein- nen setzte man weniger auf Kampf ais auf priva te
ander getrennt, was eine deutliche Verschlechterung Wohltatigkeit und Solidaritat. Gemeinnützige
der Lebensqualitat zur Folge hatte. Dieser Umstand Gesellschaften und Hilfsvereine gründeten Ins-
mag auch dem für diese Zeit feststellbaren Wieder- titutionen, zum Beispiel Heime, oder suchten auf
anstieg der Kindersterblichkeit zugrunde liegen63 dem Weg wissenschaftlicher Studien nach geeigne-
Grundlage für die Entstehung einer eigentlichen und zur Verlangsamung des demographischen ten Ideen zur Unterstützung der Bedürftigen. Die
~n den Tag: Wahrend die einen neue Absatzmarkte Wachstums ab Mitte der 183oer Jahre beigetragen neuen Verhaltnisse in der Arbeitswelt regten zu-
Maschinenindustrie. Der erste diesbezügliche lm-
~~ Innern erschlossen, suchten die anderen jen- haben. Interne Fabrikordnungen gewahrleisteten dem die Schaffung von Hilfskassen an, in welche
puis war zur Zeit der Kontinentalsperre erfolgt,
setts der Grenzen und sogar in Übersee Abnehmer
a_Is das ~erbot, Webstühle aus England zu impor- eine strengere Regulierung der Arbeitsablaufe, ins- die Mi tglieder regelmassig einzahlten, um im Not-
für ihre Waren (siehe Graphik und Tabelle im Ka- besondere eine Zunahme der Arbeitszeit auf rund fan auf die Einlagen zurückgreifen zu konnen. In
tleren, emzelne Unternehmer zum Iokalen Nach-
pi tel von Regina Wecker, S. 45of., und den Beitrag 14 Stunden, in einigen Fallen sogar auf 18 Stunden einigen Kantonen wurde diese Idee durch deutsche
bau angeregt batte. Kurz vor Anbruch der 183oer
von B_éatrice ~e~rassat S. 426). Schon im Jahr 1830 pro Tag. 64 Dadurch verringerte sich die Autonomie Emigranten neu belebt; sie gaben den Anstoss zur
Jahre stellten sich im Bereich des Maschinenbaus
war dte Schwetz tm Verhaltnis zu ihrer Einwohner-
e~ste Erfolge ein, und vor allem in der Region Zü- der Arbeiter; eine Situation, die Einzelne zur Emi-
zahl das meistexportierende Land Euro pas. 61 Diese gration veranlasste und immer wieder zu Revolten Uhrenindustrie und Arbeitsorganisation
nch wurden mehrere Betriebe gegründet.
verblüffende Tatsache hangt mit der Qualitat der führte. Die Schweizer Uhrmacherei weist im Vergleich zur lndustrialisierung
Schon bald kam es zu einer Di versifikation der
Schweizer Produkte zusammen, war aber auch eine Schliesslich wirkte sich auch der Arbeitskraf- anderer Bereiche in der Schweiz eine leicht verschobene Entwicklung
Produktion in Sektoren, einem Prozess, zu dem die
Folge der niedrigeren Herstellungskosten. Es han- teüberschuss abtraglich auf die Lohne sowohl der auf. Sie erlebte in der Mitte des 18. Jahrhunderts eine erste Blüte und
Unternehmen letztlich selbst beitrugen- so etwa
deite sich um einen Preisvorteil, der nicht auf eine- Arbeiter ais auch der in einem Nebengewerbe ta- wurde im Verlauf der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts mechanisiert.
jene Firmen, die hydraulische Installationen her-
in der Schweiz nicht vorhandene- unmittelbare tigen Bauern aus. 1840 verdiente zum Beispiel ein ln der Zwischenzeit entwickelte sie sich weiter und spielte im Wirt-
stellten und auf diese Weise von den Problemen
Nahe von Rohstoffen zurückzuführen war son- Zürcher Textilarbeiter 400 Franken im Jahr. Die schaftsleben der Westschweiz eine wichtige Rolle. Zunachst siedelte
profitierten, die sie mitverursachten: Die starke
dern in Zusammenhang mit den hier im üb;rfluss
Zu~~h~e von Fabriken batte namlich Energie- durchschnittlich 967 Franken, die der Unterhalt sie sich in Genf an, wo man sich auf Luxusuhren spezialisierte. Von
vorhandenen und daher günstigen Arbeitskraften der Familie kostete, konnten nur aufgebracht wer- dort breitete sie sich im gesamten Jurabogen - var allem im Kanton
bedurfmsse geschaffen, die das klassische Schaufel-
stand. Dieser Umstand war eine wesentliche Vor-
r~d nicht mehr befriedigen konnte, ebensowenig den, wenn seine Frau und seine beiden Kin der noch Neuenburg - aus, wo Handwerker frei von zünftischen Zwangen die
aussetzung für die Mechanisierung, die sehr ho he ihre Lohne (circa 225 und je 150 Franken) dazuleg- Herstellung von Produkten geringerer Qualltat übernahmen. Dlese
dte Verwendung von Holz, das durch die intensive
Startinvestitionen erforderte. Nicht zu vergessen ten.65 Auch wenn die Entwicklung der Lohnsitua- ursprünglich komplementaren Branchen traten schliesslich zuein~:~nder
Nutzung teuer und rar geworden war. Dies beun-
ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Eid- tion von Branche zu Branche variierte und sie sich in Konkurrenz und entwickelten in der Folge ahnliche Strategien : Bei-
ruhigte im Übrigen auch die Behëirden, die Mühe
genossenschaft über keine eigenen Kolonien ver- nach einem Tiefpunkt in der Mitte der 183oer Jahre de intensivierten die Arbeitsteilung, so dass fortan der ganze Prozess-
hatten, das fragile Gleichgewicht zwischen Natur
fügte und Investoren sich hochstens an Kolonial- insgesamt wieder leicht verbesserte, konnten sich in kleinen Ateliers oder zu Hause - in mehrere Dutzend hochspeziali-
und Kultur zu bewahren, das die technischen Inno-
unternehmen beteiligen konnten.
vationen eigentlich stabilisieren sollten. die meisten Arbeiter nur schon das Allernotigste sierter Tatigkeitsfelder aufgeteilt war. Zudem trieben beide ihre
Daneben entstanden Firmen wie Escher Wyss kaum Ieisten. Spezialisierung weiter - Genf wurde das unbestrittene Zentrum der
Die gesellschaftliche Regeneration
& Cie., die ab 1837 am Bau von Dampfschiffen be- Die vom sozialen Elend Betroffenen vermoch- Produktion von Uhren der gehobenen Preisklasse. Schliesslich ver-
Der noch zogerliche Aufschwung der Industrie ten auf diese Zustande in der Regel nur mit der suchte man, einzelne Etappen der Verarbeitung zu mechanisieren und
teiligt waren, welche den Transport der maschinell
mach te zwar einzelne U nternehmer reich bot aber spontansten Form des Protests zu reagieren, dem Einzelteile zu standardisieren. Diese Bemühungen waren lange nur
produzierten Waren ermoglichten. Dies war nicht
keine Gewahr für das Wohl der Arbeite~den. Die Aufstand. Wie in anderen Landern -man denke an halbwegs erfolgreich. Dennoch steilt die Uhrenindustrie einen wichti-
unbedeutend, da die stets defizitare Subsistenz-
neue mechanische Produktionsweise brachte für den Luddismus in England oder an den Aufstand gen Zweig der Schweizer Wirtschaft des beginnenden 19. Jahrhunderts
V.:irtschaft der Kantone stark vom Export abhan-
diese oft schwierige Existenzbedingungen und für der Seidenweber in Lyon im}abr1831- kam es auch dar, nicht nur, weil fast die gesamte Produktion für den Export be-
gtg war. Tatsachlich legten Industrielle und Unter-
das soziale Gefüge haufige Belastungsproben mit in der Schweiz zu einem Fall der Zerstorung von stimmt war, sondern auch, weil sie einer zunehmenden Zahl von Hand-
nehmer diesbezüglich eine erstaunliche Dynamik
sich. Durch die Mechanisierung vervielfachte sich Maschinen, denen man die Schuld an Arbeitslosig- werkern einen verg leichsweise hohen Lebensstandard ermëglichte. fi7
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Die Geschichte der Schweiz- Irène Herrmann
Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)

Aufbau des Zürcher Schulwesens nach 1834 schon im 18. Jahrhundert ausgearbeitete Idee der
. d lC1· Pt'a!!l111g
tfS 'a . 'war der Glaube an die VenuiJ1ft
Alter
mit aem Postulat der Wissensvermehrung ver- Schaffung einer neuen, starker auf technische und
18 eng.. Jft In der Helvensd1en
· Repu b1'IJ'1< 1Jatte ste.
·h praktische Kenntnisse ausgerichteten Spezialbil-
17 )liJippAlberrScapfer nae1I<ra ·en emu lt tese n
J<nuJ • 1 " ft b "1 d' dung um, was eine Differenzierung der Bildungs-
P ·rgedanl<Cil in einem neuen offentlichen Sdml- wege ermoglichte. Ziel war es, einen Teil der her-
· ben a1te net··ur cl1-
tet rem zu veranl<ern. Gew ·tss b Ile anwachsenden Staatsbürger darauf vorzubereiten,
15 sys . d .1
mgen bestehen: Wi.lrden Btld.ung un Et'Zie mtlg den wirtschaftlichen Fortschritt ihres jeweiligen
14
~es voJI<es nicht wieder zu politiscl~~n Forde_run- Kantons weiterzuführen, ohne dass diese dazu
13 oen sozialen Unruhen und Chaos fuhren? Dteser die üblichen humanistischen Bildungsgange zu
12. Ëin~and hatte Gewicb.t aber er trathinteranderen. durchlaufen hatten. Doch auch die ldassischen Bil-
11 ûberlegu ngen zurüd<. dungswege blieben selbstverstandlich bestehen, ja
In der Theorie stützten sich die Regenera- in Zürich und Bern kam es 1833/34 sogar zur Grün-
tion und. der flir sie cbarakreristische Liberalis- dung von Universitaten, die den Willen zur Eta-
8
mus im Wesenrlicheo auf den Rarionalismus. Es blierung einer neuen Ordnung symbolisierten.
erschien wichrig, auch das Vol1< mir den grund le- Innerhalb von weniger als zehn Jahren wur-
5 genden Gedanken dieser Philosophie vertraut z_u den die meisten Kantone, die die Reform ihrer

1 Staatlicher
Unterricht
1 Kirchlicher
Unterricht
Erwerbs-
leben
*Ais Singschüler gelten in den Quellen im Allgemeinen
mad1en- was nur geliogen konnre wenn man die
traditionelle Macht der Kirche auf dem Gebiet des
Verfassung in die Rand genommen hatten, nach
Iiberalen Grundsatzen regiert. Dass sich die we-
die über 14-Jahrigen, welche nur noch die kirchlichen
Sing- und Unterweisungsschulen besuchen . Unterrichtswesens einschrankte. Hinzu kamen sentlichen Veranderungen auf der Ebene der ein-
D.ie Schule der llberalen Âra beanspruchte den Vorrang gegenOber dem kirchllchen Umerrlcht und teltete eln System mit zwei praktische Gründ.e: Die Industrialisierung zelnen Kantone vollzogen, hat mit der für die Re-
d1rterenz1erten A~sblldungsgiingen ein. Das Belspiel des Schulsystems lm Kanton ZOrlch veranschaullcht dan Wlllen , den Einfluss und die Fortschritte in der Landwirtschaft verlang- staurationszeit charakteristischen Überbetonung
der K1rche 1m Erllehungswesen lUrOckzubinden, wle auch die Tatsache, dass sie dennoch sehr pràsent blleb.
Gue/le: Bruno. Frlrzsche /Max Lemmenme/er, Die revo/uclonéire Umgostalrung von Wlrrschoft, Gesel/schafr und Staat 1780- 1870 ten neuartige Kenntnisse, wenigstens bei jenen, des Foderalismus zu tun, die ihrerseits eine Folge
ln: Nlklaus Flue/er/ Morlann9 F/Oeler (Hg.), Gesch/chte des Kantons ZOrlch, Bd. 3, Zürich 1994, s. 20-157, hier s. 135 (geanderr/ die schlüsselpositionen auf diesen Gebieten beset- der negativen Erinnerungen an den Zentralismus
@ 2013 Schwobe AG. Ver/ag, Base/, und More Slllgenthaler. Be rn. '
zen sollten. Ausserdem erforderte die Ausübung der Helvetischen Republik war. Dieses Phanomen
Gründung der spater zahlreichen berufs- oder her- des allgemeinen Wahlrechts - ungeachtet seiner erklart zum Teil das Scheitern der ersten behutsa-
ten, aber nie wirklich umgesetzten Vorschriften nach wie vor bestehenden Beschrankungen- nicht men Versuche, die Regeneration auf die Ebene des
kunftsspezifischen Kassen. Auch die Arbeitgeber
wieder auf. Wie jenes Vorhaben aus der Restaura- nur die Schreib- und Lesefàhigkeit, sondern auch Bundes zu übertragen. In gewisser Weise konnte Kirche und Schulhaus
sahen einen Vorteil in dieser Art der Vorsorge; nicht Reigoldswil (BL), Aquarell
tion verraten auch diese neuen Bestimmungen staatslmndliche Grundlagen. man sogar sagen, dass die Konzentration auf die von Matthias Bachofen,
wenige zogen die entsprechenden Betrage umge-
starke Befürchtungen in Bezug auf die moralische Es erstaunt daher nicht, dass alle regenerierten Kantone das Ergebnis der Bemühungen war, die um 18oo (Archiiologie und
hend von den Lohnen ihrer Arbei ter ab. 68 Museum Bnselland, Kunstsamm·
Gefàhrdung der Jugend. Zudem widerspiegeln sie Kantone die Primarschule für obligatorisch erklar- Regeneration national durchzusetzen. lungell, I1zv.·Nr.1995), ©Photo
Schliesslich griff auch der Staat in den Kampf
eine Ethik, welche die Harte der Lebensbedingun- ten. Abgesehen von dieser grundsatzlichen Über- Museum.BL, Liestal.- Das
gegen die Armut ein. Die Gemeinden übernahmen 19. Jahrhundert ist die grosse
gen von mehr ais 30 Prozent der Bevolkerung nicht einstimmung tielen die gesetzlichen Regelungen Zeit des Schulhausbaus;
ihre traditionelle fürsorgerische Aufgabe allerdings hinterfragte. DIE REGENERATION UND DIE NATION
die Behiirden verwendeten
oft cher ratios oder nur widerwillig. Einige grün- im Einzelnen jedoch sehr unterschiedlich aus. Die besondere Sorgfalt auf diesen
Die gesetzliche Regelung der Beschaftigung Dauer der Schulzeit variierte zwischen sechs und Helvetisierung in pral{tischen Gebaudetypus. Schulen
deten Armenfonds, die nach dem Prinzip der obli-
von Minderjahrigen schuf freie Zeit für Schule und zehn Jahren, der Unterricht wurde nicht überall Angelegenheiten wurden oft, wie hier in Rei-
gatorischen Spende funktionierten. 6 9 Aber da die goldswil im Kan ton Basei-
Lehre. Die heranwachsenden Bürger sollten in den sraatlich kontrolliert, und die Ausbildung der Pri- Die führenden Kopfe der Regeneration hatten Landschaft, ne ben der Kirche
Erhohung der Hilfeleistungen die Bettelei zu for-
entsprechenden Institutionen die Moglichkeit er- marlehrer war in quantitativer wie qualitativer schon früh signalisiert, dass sie beabsichtigten, situiert oder selbst mit
dern schien, zogen es einige Gemeinden vor, sich einem Glockenturm und
halten, sich auf ihre künftigen Pftichten vorzube- Hinsicht oft ungenügend. Auch die Resultate nah- ihre Botschaft im Rahmen einer N ationalisierungs- einer Turmuhr versehen.
ihrer Fürsorgeempfànger zu entledigen, indem sie
reiten- wobei natürlich Iangst nicht alle von den men sich eher bescheiden aus; in den überfüllten,
sie zu tHeimatlosen machten (siche Kapitel von
veranderten Strukturen des Bildungssystem profi- manchmal in baufàllige Raumlichkeiten einge-
Regina Wecker, S. 456f., und Graphik im Kapitel tieren konnten/ 1
von André Holenstein, S. 326)- dieser offizielle Sta- pferchten Klassen erwarben die Schüler im Allge-
tus hatte den Entzugjeglichen Rechts auf offentli- meinen nur Basiskenntnisse. Noch düsterer war der
Die geistig-moralische Regeneration Befund auf dem Land, wo saisonal bedingte bauer-
che Unterstützung zur Folge7°- oder indem sie die
Zwar war das zürcherische Gesetz zur Regelung der liche Arbeiten regelmassig die Schulbanke leerten,
Emigration der Armen forderten.
Kinderarbeit das erste seiner Art und soUte auch sowie bei den Madchen, deren schulische Bildung
Einige Kantone nahmen sich des Problems
lange das einzige bleiben, doch die dahinterste- nur von untergeordneter Bedeutung erschien/ 2
selbst an und gaben Umfragen in Auftrag, um die
hende Haltung entsprach durchaus dem Zeitgeist. Auch in den auf Kinderarbeit angewiesenen BevOl-
Bedürfnisse zu ermitteln, die sich in Zusammen-
Die meisten der vom Wirtschaftsaufschwung oder kerungsschichten wurde das ganze padagogische
hang mit der sozialen Frage ergeben hatten, oder
von der politischen Liberalisierung erfassten Kan- Projekt als unliebsamer Zwang empfunden.
sie Iiessen Studien durchführen, die ais Grundlage
toue bemühten sich nun gezielt, die jüngeren Ge- Darüber hinaus bestand ein starkes Interesse,
für die Ausarbeitung entsprechender Gesetze die-
nerationen für eine Gesellschaft heranzubilden, wie den Begabtesten und Privilegiertesten eine Gele-
nen sollten. Der Kanton Zürich erliess 1837 ein Ge-
man sie sich selbst herbei wünschte. Das Th erna der genheit zum Besuch weiterführender Schulen zu
setz zur Kinderarbeit, um die Folgen abzufedern,
Volksbildung war indes nicht neu. Spatestens seit bieten. Die meisten der regenerierten Kantone er-
die durch die Aufhebung des Zunftwesens mit sei-
dem 1758 publizierten Werk De l'Esprit von Claude moglichten daher den Jugendlichen, ihre Studien
nem Ausbildungssystem entstanden waren, und
Adrien Helvétius, einem einftussreichen franzosi- noch einige Jahre über die obligatorische Schul-
griff die zu diesem Zweck bereits 1815 formulier-
schen Philosophen materialistischer und atheis- zeit hinaus fortzusetzen. Zudem setzten sie die
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Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)

Die Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann


././ Aus der ùmigsten übe1zeugung wil nschen jetzt alle Eidgenossen von
<<Satirisches Bild betr. den Kantonen Züridt, Bern, Luzern, Solot1lllrn, St. Gal- ' ' Einsic/1t und Bildnng ei11 volllwmmeneres Bundesgesetz; sie se/1en
Kampf zwischen Realction . Entsprcchcnd diesem Programm sraneten . d.
Ltberalen umgehend elne regel rechte K •e tell Aargau tmd Thurgau abgeschlossen worden ein, dass diejetzige schwaclze Vereinigung cler Ka.11tone lœincgemeinsame
und At.tflŒirung>>, 1 847,
nach emer Kreidelithogra- r·ur. di e Ob erarbet:un~des
· ampagn
Verrrags. Aber bei ·~
und beinbalcete die gegenscitige Garantie der ScllOpfung, k ine National-Unternelwum.g moglich ma.c11t, dass die fil dus-
ner TagsarztUlg dle stdl nur ein bis zwel Mal ~~
phie von Hieronymus Hess neuen I<antonsverfassungen. Die Mitglieder die-
(Schweizerische NatiOizalbib/io- trie i11 den engsten Spielraum eingeschlossen der Handel übera.l1gehemmt,
thek). - Wahrend zwei Perso- Jahr versammelte und deren Gesandte s·LC11 Zlldelll un ses Bllndnisses wareu zum einen der Ansicht elie
cr • 11 nd den geistigen Kritften der gross te und edelste lteiz, das Bewusstsein
n en eine vor einer Kloster- T:lgS<ltzung sei nidH in der Lage die regenerierte
mauer befind liche La terne "'.enau an dte rnstrukrionen ihrer · Katlto l
ne talte fil:r eine Nation zu arbciten,Jehlt; sic sef1en nrm dass in dieser zerrissen-
anzuzünden versuchen um
da mit sinnbildlich die Stadt
mussten konnte es leicht geschehen das 5 a1<tuen ° ordnung zu verteidigen ztUtl anderen glaubten
heit dieSchweiz stets sc/Jwnc/J, ohnmiiclltig und kraft/os i11 der Mitte
Gesd1ehnisse zwischen den Sitzungen 1·1.llre WJr- • e
sie, po1icischen nrucl< aufbauen zu konnen, um
Luzern mitdem Lichr der 1 die Revision de.s Bundesverrrages von1815 voran- der a11dern Staaten erscl1einen muss. [...) Das sel! en alle Eidgenossen ein
Vernunft zu erleuchten bHist nmg entfulteten. . So erschütterren
. . von d .,..
em •v~o- und wiinscllell daher ebren Btmdesstaat und lœi11en Staaten.bwzd.»
ein bocksfüssiger GeistÙcher
ment an,. da dte RevJstonsfrage vor deJl G esand- zucreiben zu dc.ren Scheitern ihr Konl<ordat aber
auf die Flamme, um sie aus-
un gerade beicragen soUte. K~simir l'fyffer, Zuruf nn den Voron Luze rn :tur Neujahr 1831, zit nach: Wilhelm Oechsli,
zu!Oschen. Obwohl das Bild ten o ffi zte 11· zur Sprache gebracht worden wat·, b"IS 11 QJ.Jellcnbuch zur Schweizergesdlichœ, kleine Ausgabc, 2.. Aufl. (1. Au fi. 1886), Zürich 1918, s. 512.
in der Zeit des Sonderbunds Die Ablehnung des Rossi-Plans markierte
veriiffentlicht wurde illus- zu...d ~em Z..e1tputlkt
. an dem ihnen Verfassun gsent-
triert es doch g ut ded Kampf WUlle prasenrtert werden l<Onnten' tnclu·e re ge- nicht nnr das vorlaufige Eude des Uberalen Vor- schwelenden Angst vor Nahrungsmittellmapp-
den die Liberalen gegen den' . .
waltsame Konfllkte dte Schw"iz srosses auf nationaler Ebene, sondern machte heit erscheint das angstliche, zogerliche Verhal-
<<Obsku rantismus der Kirche>> .. .... · In Anb etracht
der auch die wirtschafrlichen H offnungen zunldlte, ten durchaus verstandlich. Es widerspiegelt auch
führten .
. aufgewuhlten Atmosphare, in der die D.1sk us-
swnen die seine Ausarbeirung befordert hatten. Das Pro- die zweifel, die angesichts der Konzessionen be-
. stattfanden, bemühten sich die Anh··a~
ger emer Vertragsrevision, gemassigte Losungen jel<t batte insbesondere die Vereiuheifliclmng des standen, welche die Realisierung eines nationalen
vorzuschlagen. So prasentierte der St. Galler Gal- Posrwesens, der Wahrungen, Gewichte und Masse Wirtschaftsraums erforderte. In dieser Hinsicht leg-
lus Jakob Baumgartner Ende 1832 einen Text d vorgesehen, das Zollsysrem vereinfucht und allen ten die regenerierten Regierungen auf wirtschaft-
d ' ~ schweizern das Redu der freien. Niederlassung in lichem Gebiet eine Kleinmütigkeit an den Tag, die
em Bundes:taat grossere Macht zusprach und
d~ch d~n ldemen Kantonen ein beachtliches Ge-
der gesamten Eidgenossenschaft garantiert.?s an die Opposition der nicht-regenerierten Kantone
Man hatte erwarten konnen, dass die Kantone
wtcht hess. Die Neuheit dieses gesetzgeberische auf politischer Ebene und auch an den Widerstand
Vorhabens führte zu Meinungsverschiedenhel·t n die Situation nun über Konkordate regeln würden;
des grossten Teils der Schweiz auf dem Gebiet der
. h m diese hatten den extremen Foderalismus, der in der Religion erinnert, wo die Nationalisierungsbemü-
zwtsc en den Gesandten, zum einen über die Re-
kampagne landesweit zu verbreiten, und zwar mit form selbst und zum anderen über die Annahme- Schweiz herrschte, srets ertraglicher gemacht. Aber
hungen freilich schon alteren Datums waren.
dem Ziel, in der Eidgenossenschaft ein gemeinsa- ~od~litaten. Die Versammlung verlangte darauf-
die Zahl der interkantonalen Abkommen nahm ge-
mes Handeln und Denken zu befordern. Zum Jah- hm e.me zweite Vorlage. Dieses zweite Projekt, der rade in dieser Phase tendentiell ab. In Deutschland
Helvetisierung des Denlœns
reswechsel1830/31 erschien ein Text, der in vieler- Ross~-Plan, benannt nach dem Genfer Pellegrino
kam es zur selben Zeit zu einer Intensivierung der
Schon zu Beginn der Restauration gab es Bemü-
lei Hinsicht- Publikationsdatum, Zielpublikum, Rossi (1787-1848), welcher die zu diesem Zweck Zollvereinsbewegung. 1829 behinderten der bay-
hungen, die politischen Grenzen und die Grenzen
Redaktor und Inhalt - bezeichnend ist. Die Ab- ernannte Kommission prasidierte, tragt deutliche risch-württembergische Zollverein und 1833/34 der Bistümer in übereinstimmung zu bringen.
handlung mit dem Ti tel Zuruf an den eidgenossischen Spuren zurücldiegender Erfahrungen mit Verfas- vor allem der Deutsche Zollverein die schweizeri-
So teilte man 1819 die katholischen Gemeinden,
Vorort L~zem bei Übernahme der Leitung der Bundesange- s~ngen und ist Ausdruck des damais allgegenwar-
schen Exporte? 6 Einige Schweizer Unternehmer
die Genf bei seiner Aufnahme in die Eidgenossen-
lege~hetten aujNeujahr 1831 ist an die BehOrden ad-
wollten ihr Land an letztere Organisation anbin-
tlg~n.Zogerns und Zauderns. So soli te der Vertrag schaft angegliedert wurden und die ursprünglich
resslert, welche die Leitung der eidgenossischen revtdterbar sein und die Gleichheit der Kantone re- den, andere schlugen vor, sich auf ein ahnliches Ab-
zum Bistum mit Sitz im franzosischen Chambéry
Tagsatzung übernehmen sollten, und Iiest sich spektieren. Aber er soli te auch die Grundlage fur .. kommen innerhalb der Schweiz zu einigen. Beide
. gehorten, dem Bistum Lausanne und Freiburg zu.
wie eine Zusammenfassung der Gründe für die eme echte Zentralregierung mit Sitz in Luzern le- Stimmen fanden kein Gehor. Nach den Erfahrun-
Seit Ende der 182oer )ah re setzte sich das Land
Helvetisierungsbestrebungen der Liberalen und ~en. Vorgesehen waren ein Bundesgericht, eine na-
gen der Wirtschaftskrise gegen Ende der 183oer
aus mehreren Bistümern zusammen, die zu kei-
zugleich wie ein politisches Programm zur Errei- tiOnale Legislative und eine aus vier Ministern und Jahre stand das Thema zu Beginn des folgenden
nem Erzbistum gehorten, sondern direkt dem Hei-
chung dieses Ziels. einem Landammann bestehende Exekutive. Jahrzehnts in der Tagsatzung emeut zur Debatte,
ligen Sruhl unterstellt waren- aus den BistümeJ·n
Verfasst zu einem Zeitpunkt, als die Schweiz und man führte weitere Umfragen durch. Aber
.. Der Rossi-Plan wurde im Frühling 1833 eher Genf-Lausanne, Basel, Sitten sowie dem kurzlebi-
~ruppen für einen europaischen Krieg mobili- kuhl aufgenommen. Nur achteinhalb regenerierte entgegen dem ausdrücklichen Wunsch Zürichs be-
gen Doppelbistum Chur und St. Galien. Die dar-
sierte, betont der Text die Schwache des Landes Kantone nahmen ihn an. Noch entscheidender aber schloss man, das Problem der Zolle nicht auf natio-
aus resultierende Unmittelbarkeit verstarkte die
im Fall eines bewaffneten Angriffs von aussen. war, dass er am 7· Juli vom Luzerner Stimmvolk nal er Ebene, sondern interkantonal zu regeln. Bis
Macht des Papstes im Land betrachtlich. Die En-
Ob~ohl von Kasimir Pfyffer (1794-1875) unter- deutlich abgelehnt wurde - trotz der wichtigen 1847 scheiterten sowohl die Versuche zur Schaffung zyklika «Mirari vos», die Gregor XVI. am 15. Au-
schneben, war der eigentliche Au tor Ludwig Snell Rolle, die Luzern als Hauptstadt in Folge zuge- eines eidgenossischen Zollvereins wie auch die Ent-
gust 1832 gegen den Liberalisnms und dessen Ver-
(1785-1854), ein unerbittlicher Anti-Ultramonta- komm ·· Den emen · wicklung eines dichten Netzes von Wirtschafts-
.. e_n ware. war die Verfassung zu s tosse gegen die christli.che Glaubenslehre erliess,
ner (tUltramontanismus), der den übersteigerten gemasstgt, den anderen zu radikal. Erstere hat- konkordaten an der protektionistischen Haltung
bewirkte ein grosses Echo in den katholischen Ge-
des einen oder anderen der erhofften Partner, die
~?de~ali:.mus des Landes beklagte.73 Er pladierte ten die Volkswahl eines schweizerischen Verfas- bieten der Eidgenossenschaft. Die Führer mehre-
fur die Forderung eines echten Nationalgefühls in sungsrats gewünscht, Letztere, weitaus zahlrei- jeweils vor allem ihre eigene Wirtschaft gegen die
rer regenerierter Kanrone, katholischer und ge-
d~r gesamt~n Bevolkerung. Der beste Weg, dieses cher, wollten schlicht und einfach keine Reform der Nachbarn verteidigen wollten.77 mischtkonfessioneller, empfanden den Text des
Eine Kapitulation infolge früherer Misserfolge?
Z~el.~u errelchen und damit ein Heilmittel gegen des Bundesvertrags und fürchteten um die kanto- Pontifex maximus als Provokation. Nach dem
dl~ Ubel zu finden, un ter denen die Schweiz leide,
Oder eine Inkonsequenz aufgrund übertriebener
n~le. Souveranitat. Und schliesslich reagierten sie Tod des Bischofs von St. Gallen, Rudolf von Buol-
sel es, den Bundesvertrag von 1815 im Sinne der re- mtt th rer Ablehnung auf die Bedrohung, die sie in Sorge um die eigenen Interessen? Vor dem Hinter-
Schauenstein (1760-1833), beschlossen sie zu reagie-
generierten Kantone zu revidieren, damit sich die grund des noch sehr fragilen Industrialisierungs-
der Gründung des sogenannten Siebnerkonkor- ren. Dabei griffen sie die schon im 18. Jahrhundert
Bürger. des Landes von derBundesgewalt anges pro- dats erkannten. Dieses separate Bündnis war am prozesses und der - aufgrund der ungenügenden
formulierte und seit der Restauration regelmassig
chen filhlen konnten.74 17. Marz 1832, also fast einJahr zuvor, zwischen den Versorgung dur ch die eigene Land wirtschaft- stets
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Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation ent steht (1 798-1848)

Die Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann


vierten Eliten, die sich in den Vereinen, den neuen
. chetlEifer der regenerierten Kantone zuzuschrei- Orten geselliger zusammenlcunft, trafen. In der
Wichtige Konkordate 1803 bïs 1840 ns 'sr Dieser Befuud ist weuiger paradox, als er
ben 1 • . . • • Bevolkerung begann sich das schweizerische zu-
Konkardat (im Originalwortlaut) Kantone . t Es war nun einmal schwtenger, dte Natwn
Datum schem · . fü sammengehorigkeitsgefühl erst dank der Anstren-
6.Juni 1806, wegen gegenseitiger Auslieferung der Ausreisser von besoldeten alle Kantone ausser SZ, SH, AR, Al, SG nkret zu verwirklichen, als bloss mtt Worten r gungen zu verbreiten, die Philipp Albert Stapfer,
bestiitigt am 9. Juli 1818 Kantonstruppen ~~ einzutreten und sie in den Kopfen z~ veranker~l. Heinrich Zschokké' und andere namhafte Pr?p~­
13.Junl1806 und 20.Juni 1809, betreffend gemeineidsgenësslsche Gesundheits-Polizei-Anstalten alle Kantone ausser VD Indes verliefen auch die Konstruktton und ~te
bestiitlgt am 9. Jull1818 gandisten wahrend der Helvetischen Republlk _m
8. Juli 1808, wegen des Heimathrechts der in einen andern Kanton alle Kantone vcrbreitung der Idee eines schweizerischen . N.auo- diesem Sinne unternahmen: Nach dem Vorblld
bestiitigt am 9. Juli 1818 einheirethenden Schwelzerin ewusstseins über mehrere Stufen. Dte metsten
nalb . . ahnlicher Aktivitaten im revolutionaren Frank-
8. Juni 1809, betreffend die Ausschreibung. Verfolgung, Festsetzung und alle Kantone ausser VD, GE dieser Etappen, von der Bildung emes 1wn~tstent~n reich lancierten sie Publikumszeitungen und o:-
bestiitigt am 8. Juli 1818 Auslieferung von Verbrechern oder Beschuldigten; Nationalgefühls bis hin zu seiner Pr~pagterung ~~ ganisierten Feste, an denen Behorden und Volk m
die diessfalligen Kosten; die Verhôre und Evokazion von Zeugen
ln Kriminalfiillen; und die Restitution gestohlener Effekten der Bevolkerung waren bereits zur Zett der Helvetl-
patriotischer Aufwallung zusammenkamen.
7. Juni 1810, wegen gegenseitiger Stellung der Fehlbaren in Polizeifallen alle Kantone ausser AG. VD, VS, GE; n Republik in Angriff genommen worden. Um
sche . . h Die Liberalen der ersten Stunde griffen diese
bestiitigt am 9. Juli 1818 Tl erst ab dem 4.Juli 1820 nau zu sein, war das Ideal einer schwetzensc en
Instrumente wieder auf und versuchten sie z~ per-
11. Juni 1812,
bestiitigt am 7. Juli 1819
betreffend die Ehen zwischen Katholischen und Reformierten alle Kantone ausser UR, SZ, NW, OW, AR,
Al , VS
~~entitat aber auch damais _schon ei~ige Jah:hun- fektionieren. von theoretischer Warte aus mter-
derte alt. Es war ursprünghch um em mytht~ches pretierten Historiker wie der Waadtlande~ Charles
17. Juni 1812 und 9. Juli 1818 betreffend die Polizeiverfügungen gegen Gauner, Landstrelcher alle Kantone ausser NE;
und geftihrllches Geslndel, so wie die Verbannungsurtheile Tl erst ab dem 4.Jull 1820 Bild herum entstanden, das aus dem «Schwetzer~> Monnard (qgo- 1865) das Schicksal der Eldgeno~­
. en Vertreter des von Gatt auf seinem Weg gelet-
22. Juni und 2. Juli 1813; betreffend die Ertheilung und Formulare der Reisepiisse alle 22 Kantone; SZ, Al und NW erst ab
ôD dl ' senschaft neu im Sinne einer Entwickl~ng, ~le
9.Juli 1818 dem 13. Juil 1829; FR und NE ab 6. Juli 1830; reten Vallees machte, dazu ausersehen, ~enA e m ganz «natürlich» zu den «Wohltaten des Llberalls-
OW ab 25.Jull1831
·ne Schranken zu weisen (siehe Kapttel von Su-
8. Juli 1819 wegen Folgen der Religions-Ânderung in Bezug auf Land und alle Kantone ausser BE, UR, SZ, NW, OW, K
!
sanna Burghartz, S.138f.). Unter dem Em 'ftuss d er mus» führen musste. lm gesellschaftlichen All:a~
Heimathrecht AR. Al; BA (Basel) erst ab 5. Juli 1820 wurden die Ideen durch diverse gesellige verem_l-
10. Juli 1819 betreffend das Niederlassungsverhiiltniss unter den Eidgenossen LU, ZH, BE, GL, FR, SO, AG, TG, Tl, VD, Aufldarung entstand das Bild des typischen Be_woh- gungen verbreitet, die weniger elitar waren als dle
NE, GE ners dieses Landes: eines vernunftbeseelten Htr.ten, aufklarerischen Zirkel des vergangenen Jahrhun-
14. Juli 1819 wegen gegenseitiger Mittheilungen zwischen den Kantonen in alle Kantone ausser VD den es seit eh und je nach Freiheit dürstete (steh_e derts. Und da eine wachsende Zahl dieser Vereine-
MOnz-Angelegenheiten
Beitrag von Laurent Tissot, S. 482). Eine in:mer r~t­ beispielsweise die Schützenvereine (1824), die Tu~n­
3. August1819 [betreffend] Ertheilung von Heimathrechten an die Heimathlosen alle Kantone ausser SZ, GR
chere Historiographie belegte und illust_nerte _dte-
vereine (1832) oder die Offiziersvereine (1833~ ~ slc:l
Bild gleichermassen. so Allerdings bheben Jene
4. Juli 1820, (betreffend] Eheeinsegnungen und Kopulationsscheine alle Kantone ausser SZ, GR; ses h" . eine nationale Struktur gab und damit expllzlt ~le
abgeiindert am 15. Juli 1842 UR ab 13.Jull1821 Allegorie und das nationale Zusammenge ong- Schweiz als Mittelpunkt ihrer Organisation begnff,
und am 27. Juli 1843
lœitsgefühl, das sie beschwor, bis zum Ende d~s erhielt ein immer breiteres Publikum die Moglich-
6.Juli 1821 [betreffend] Behandlung der Ehescheidungsfiille ZH, BE, GL, BA, SH, GR , AG , TG, AR, Al,
LU, ZG, FR, SO 18. Jahrhunderts eine Angelegenheit der kultt-
24 .Juli 1826 [betreffend] Erbfiille aus einem Ka nt on in den andern, alle Kantone ausser OW, GL, FR, SH, GR
Rezlprozitiitsgrundsatz bei denselben
13. Juli 1829 [betreffend ] Folgen der Anwerbung schwelzerischer Angehëriger alle Kantone ausser NW, OW
ln solche Kriegsdienste , welchen die betreffenden Stiinde fre md
geblleben sind
26. August 1836 wodurch das Verfahren gegen unruhige Flüchtlinge in Zukunft alle Kanone ausser GL, SG, Tl
geregelt werden soli

Quelle: Irène Herrmann.

wiederbolte Forderung nad1 der Sdtaffung eines Doch die Badener Artikel enthielten auch Wie-
schweizerischen Erzbisrums wied er auf.7 8 deraufnalunen von Elememe.n unseligen Ange-
lm }anuar 1834 versammelten sich Vertreter dcn kens. So sahen sie ccwa die Wiedercinfüh rung Hochzeitszug in
Maisprach (BL) imJahr
der Kantone Bern, Luzern, Solothurn, Basel-Land- des Treueelds der l'riester auf die Verfassw1g var 1823, Aquarell von M. Oser
schaft, St. Gall en, Aargau und Thurgau in Baden obschon dieser bereits den Behorden der Helve- (Archüologie und Museum Basel-
land, I<unstsammlungen, Inv.-
und unterzeichneten vierzehn Artikel zur «Natio- tischen Revolution viele Probleme bereitet batte. Nr. 459), ©Photo Museum.BL,
nalisierung der Religion». Vorgesehen war die ka- Tatsachlich atmet der Text den Geist der Helveti- Liestal.- Die Darstellung
eines Hochzeitszuges in der
tholische wie d ie reformierte Geistlich keit den po- schen Republik. Dieser Beigeschmack, zusammen Baselbieter Gemeinde Mai-
li dschen Behorden zu u orerstellen, und zwar durch mit dem Schock, den allein schon die Vielzahl der sprach imJahr 1823 bietet.
einen interessanten Embltck
ein Paket von Massnahmen, von denen ei nige in Bestimmungen hervorrief, sowie den Gewissens- in den wandel der Kleidung.
einzelnen Kantonen schou in Kraft waren. In Lu- konflikte.n, dle manche Artil<el verursadlten, trug Die Manner im Festzug tragen
beinah ausnahmslos lange
zern oder in Bern pral<tizierre man zum Beispiel entscheidend zum Scheitern des Reformversuchs Hosen und Zylinder. Beide
clas sogenannte.Piacet das heisst die Verp.flid1tung, bei. Nur die Initianten beschlossen, die verschiede- Kleidungsstücke waren
ursprünglich revolutionare
die kirdùichen Erlasse dem Staat zur Zustimmung nen Punk te umzusetzen. SolOs te sich die Idee eines Symbole, geschaffen ais
zu unterbreiten. In Solothurn, Luzern und im schweizerischen Erzbistums in Luft auf. Gegenstück zum aristokra-
tischen Dreispitz und den
Thurgau wirkte die Regieru ng bei der Ernennung Die Versuche, politisch, wirtschaftlich und Kniehosen. Hier scheinen sie
der Priester mit, und im grossten Teil des Kantons kirchlich zu einer nationalôl Einheit zu gelangen, jedoch bereits zur Sonntags-
Jdeidung zu gehoren.''
Genfhatte der zivile Ehevertrag Vorrang gegenüber zeitigten nur bescheidene Resultate, was sowohl
dem k irchliche.n Segen.79 dem zogerlichen Verhalten als auch dem missiona-
401

400
Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (H9B-1B48)

Die Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann

gung die deutschen Staaten aufwühlte. Vermittelt


keit, sich über das Land zu informieren und es als be~ Privatperso~le.Jl ~n.tergebracht, wie e.twa 1826
erweiterte Heimat zu sehen, die sich über die tradi- betm Fest desEtdgenoSSJschenMusifwereitzs in Gcnf.SG über die Einwanderer und aufgrund der gemeinsa-
tionellen Grenzen der Gemeinde oder des Kan tons Konzerte und Bankette waren besonders geetg-
.
men Sprache erreichte diese Debatte auch die Eid-
·
hinaus erstreckte. nete Orte zur Verbrei tung der Idee eines nationalen genossenschaft. Doch zur grossen Überraschung
Studenten verbindungen, Gesangsvereine oder Bundes. In den 183oer Jahren mehrten sich d l . der württembergischen und badischen Schuhma-
A r- d . er et cher und Schneider, die ihre Schweizer respel<tive
gemeinnützige Gesellschaften erwiesen sich als n asse, un ste brachten die Bevolkerung nolens
wahre Laboratorien des politischen Denkens und volens dazu, zu verstehen und zu fühlen dass . Deutschschweizer Kollegen für die deutsche Sa-
. h . . h ' ste che zu gewinnen versuchten, beriefen sich diese
Handelns, in denen die Nation sozusagen erprobt d te sc wetzensc e Nation ausmachte auch
· hd" , wenn auf ihr Schweizertum. Offensichtlich war man im
wurde.BJ Zum einen postulierten sie die Gleichheit stc te Bedeutung, die einer solchen Identitat bei-
der- meist ausschliesslich mannlichen _ Mitglie- Milieu der kleinen Handwerker in gewisser Hin-
g~~essen wurde, von Kan ton zu Kanton,ja von In-
der und führten ihr Publikum in die Kultur der dtvtduum zu Individuum sicher stark unterschie- sicht nationaler gesinnt als in den Kreisen der gros-
Debatte und des geregelten Streitgesprachs ein.B4 den haben wird. sen Unternehmer, wie sich angesichts der Haltung
Zum anderen reproduzierte und akzentuierte ihre mancher Industrieller in der Frage des Zollvereins
. ~ie stark das nationale Zusammengeho-
Organisation - in den meisten Fallen handelte es ng~ettsgefühl der Bürger war, ist schwer einzu- gezeigt hatte. 89
Das Nationalbewusstsein der Bevolkerung ma-
sic~ um mehrere kan tonale Sektionen, denen ein schatzen. Es wirdjedoch gewiss nicht das zentral
natwnaler Verband vorstand - die foderalistische '_fhema der einfachen Leute gewesen sein. Soga~ nifestierte sich auch in militarischen Angelegen-
heiten. Die Erstellung der topographischen Lan-
Struktur des Landes und forderte somit auf Seiten m den .prospcrierenden Kantonen war der ATirag
deskarten ab 1838 durch Guillaume-Henri Dufour <<Le trompette est l'ami
de~ Mitglieder deren Verinnerlichung beziehungs- der metsten Mensdlen nadl wie vor von der Sich -
erstau~t batte zwar noch nicht die integrierende Wirkung, DIE DRITTE WELLE: DIE UNRUHEN
du bourgeois», Karil<atur
~ets~ das Verstandnis der mehrstufigen Loyalitat, rung de.s blossen Überlebens gepragt. Es von 1846, © Plzoto BGE, Cent!"e
die ihr spa ter zugeschrieben wurde,9° und auch die UM 1840 UND IHRE VORLAUFER d'iconographiegenevoise. - Die
dte fur das institutionelle Gefüge der Schweiz cha- ~aher mcht, dass das, was die Weltanschauung der militarischen Übungslager,
Rekrutenschule spielte noch nicht die Rolle einer
rakteristisch ist. ss a~meren BevOlkerungsschichten am starksten be- Gegen Ende der 183oer Jahre setzte auf mehre- die in den verschiedenen
«Schule der Nation», als die man sie amEnde des Kantonsverfassungen vorge-
. Mehr noch, die Organisationsform der Ver- emflusste, die Religion war. Dieser Befund war in ren auslandischen Absatzmarkten des Schweizer sehen waren, waren oft Schau-
Jahrhunderts sehen soUte. Die Ausbildung der Sol-
et_ne und Gesellschaften regte auch dazu an, die ~en katholischen Gebieten sicher insgesamt deut- Handels ein Schrumpfungsprozess ein, was eine platz a usgedcbnter Zeche-
daten erfolgte noch weitgehend innerhalb der Kan- reien. Dies war nicht nur der
Vtelfalt der Schweiz im wahrsten Sinne des Wor- lich~r ausgepragt. Aber auch bei den Protestanten schwere industrielle Krise in der Schweiz selbst Leistung der Soldaten abtrag-
toue, und nur wenige gemeinsame übungslager in
tes zu «erfahren». Die nationalen Verbande ver- besttmmten weiterhin der Glaube und seine Riten hervorrief. Ob als Folge da von oder aus rein zufil- lich, sondern zog auch die
Wohlen oder Bière boten einigen Tausend Mann unmittelbare Umgebung der
sammelten ihre Mitglieder gerne in wechselnden den Rhythmus von Arbeit, Ruhezeit, Geselligkeit, liger Koinzidenz erschütterte dann zwischen 1839 Schiessplatze in Mitleiden-
die Moglichkeit, sich als nationale Schicksalsge-
Regionen der Eidgenossenschaft. Bei diesen Zu- Leben und Tod. Der revolutionare Geist batte keine und 1841 eine Reihe neuer Aufstande die Eidgenos- schaft, die vielfach von ver-
meinschaft zu erleben (siehe Beitrag von Rudolf irrten Kugeln durchltichert
sammenkünften konnte es sich um festliche Ver- Popularisierung des Atheismus mit sich gebracht- senschaft, die als Reaktionen auf die Regeneration war. Andererseits steigerten
anstaltungen mit Hunderten oder gar Tausenden es handelte sich immer noch um ein eher seltenes Jaun, S. 540). Was die nationale Bewusstseinsbil- solche Gelage den umsatz der
betrachtet werden konnen. Schankwirte und ftirderten
von Personen handeln. Da die Hotelinfrastruktur dung durch das Militar jedoch verstarkte, war die Die Unruhen l<Onzentrierten sich zunachst auf die Entstehung und Festi-
Phanomen -, doch kann man ihn sich als Kataly-
nicht immer in der Lage war, so viele Teilnehmer sator de~ Olmmene vorstellen, die sich in einigen Bedrohung von aussen. Die vor dem Hintergrund Zürich und erfassten in der Folgezeit einen erheb- gung eines schweizerischen
einer befürchteten franzosischen Intervention in Nationalgefühls.
und Besucher aufzunehmen, wurden diese vielfach d~r gemtschtkonfessionellen Kantone damais ent- lichen Teil der Eidgenossenschaft. Sie gingen in-
den Jahren 1830 und 1838 vollzogenen Truppen-
V:tckelte. In Genf wurden Gottesdienste regelmas- sofern unterschiedlich aus, als sie nicht alle zu Re-
aufgèbote verliehen den Forderungen der libera-
stg von Glaubigen beider Konfessionen besucht, gienmgswechseln oder Verfasstmgsanderungcn
leu Führungsfiguren nach nationaler Einheit eine
auch nahm dort die Zahl der Hochzeiten zwischen führten. Die Bewegungen waren zwar ideologisch
K~tholiken und Reformierten zu; der Anteil ge- greifbare Realitat.9' uneinheitlich, aber stets politisch und nicht konfes-
Die Pressionen von aussen trieben nicht nur
tmschter Ehen stieg von 15 Prozent im }ahr 1816 sionell. Einige waren tendentiell fortschrittsorien-
auf 28 Prozent im Jahre 1843·87 Um 1835 zeichnete die liberalen Eliten dazu an, die Bildung der Na-
tiert, wie diejenige im Wallis 1839, und lassen sich
tion auf politischer, wirtschaftlicher und konfes-
sich jedoch im ganzen Land eine Verhartung im als spate Nachbeben der Regeneration interpretie-
Verhaltnis zwischen den beiden Konfessionen ab sioneller Ebene zu forcieren und ihre Kantone nach
ren. Andere waren religios-konservativ, so imre-
wahrend sich gleichzeitig das Gefühl einer schwei~
liberalen Grundsatzen zu organisieren; sie trugen
formierten Zürich (1839) und im katholischen Lu-
auch dazu bei, das Zusammengehorigkeitsgefühl
zerischen Identitat immer deutlicher herauszubil- zern (1841). In den Kantonen Bern (1839), Solothurn
den begann. 88 in der Bevolkerung zu festigen. Doch die Nationa-
(1840), Aargau (1841) und Thurgau (1841) wurden
litat blieb nur eine Facette innerhalb einer Vielfalt
realttionare Aufsrande von der progressiven Mehr-
von Identitatskonstellationen. Mit anderen Worten:
Helvetisierung von unten? heit unterdrückt, wahrend in Genf ein von ent-
Niemand- nicht einmal auf liberaler Sei te- ware
Mehr als von der Sache selbst schien das Volk oft- schiedenen Liberalen angeregter Aufruhr zur Wahl
mals von der Bedeutung beeindruckt zu sein wirklich bereit gewesen, die Nachteile in Kauf zu einer Regierung führte, die spater ebendiese Libe-
w_~l~he ~ie liberale Führung dem zusammenge~ nehmen, welche die Verwirklichung des nationalen
Projektes mit sich gebracht batte. Niemand batte
ralen bekampfte.
«Die Prozession>>
Illustration in: D~r wande- hongkettsgefühl beimass. Deshalb wurde die- Trotz ihrer Unterschiede und il1fer Komple-
ses Zusammengehorigkeitsgefüh1 zu einem Ar- gezogert, dieses Projekt aufs Spiel zu setzen, wenn
rer in der Schweiz, Basel xitat weisen diese Volksbewegungen mehrere ge-
1836-1837 (UB Ba sel, Sign. es andere, für wichtiger erachtete Interessen per-
Falk 2213).- Darstellungen
gument, das man gern bei Anliegen an Behorden meinsame Züge auf, die sie von der Welle der vor-
sonlicher, kantonaler oder religiOser Art gefahrdet
der Religiositat sollten diese vorbrachte, um gut vor diesen dazustehen und sie angegangenen «Revolurionen» der Regeneration
entweder bekraftigen oder batte. }ene Nation, eine der Helvetischen Republik
kritisieren. Dieses Bild gehëirt günstig zu stimmen. Mitunter zeigten die Akteure unterscheiden. Wahrend jene eine tiefe Onzufrie-
entliehene Idee, erwies sich als unfahig, die Rück-
oh ne Zweifel zur ersteren jedoch eine personliche und aufrichtige Verbun- denheit mit den zur Vermeidung eines erneuten
Kategorie: ein zur Nach- kehr der Wirren zu vermeiden, an die sie sich doch Chaos getroffenen Massnahmen der restaurierten
ahmung ermunterndes Bild denheit mit der Sache. Dies geschah namentlich zu
katholischer Glaubigkeit. Beginn der 183oer }abre, als die Frage der Vereini- mit Schrecken erinnerte.
403
402
Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)
Die Geschichte der Schweiz -Irène Herrmann

<<Les patriotes au château


Eliten ausdrückten, verraten die neuerlichen Wir- de Neuchâtel>>, Lithogra-
li ch cypisch
. . für die Landsgemeindeka mone, clercm phie, zugeschrieben César-
ren nicht nur die Frustration, die das liberale Sys- Entsche1~ungssystemsowohl ~en.Regierende n wre Henri Mon vert, 1831 (M usée
tem erzeugt hatte, sondern- beinahe eine Ironie- den .Regtcrten zuzusagen sch1en. Logiséherw · d'art et d'histoire, Neuchâtel). -
. . . . · etse Diese satirisch e Darstellung
ihrerseits die Furcht vor einem Chaos. Diese Angst g111g nur dem Wunsd1, die D1nge nicht zu vera n- der Neuenburger Revolution
wurde zweifellos durch die internationalen Pres- will offenbar die Patrioten
dern, die Befürchtung einher, Reformbestrcbun- diskredirieren, die hier ihren
sionen genahrt, die bose Erinnerungen weckten gen konntcn auch im eigenen Kanron Auftrieb er- Freiheitsdrang mit Trinklust
und ein Aufflackern des Sch weizer N ationalstolzes halten oder .lhru von aussen aufgedrangt werden verwechseln. Mit mannig-
fachen Vergnügungen u nd
auslosten. Die Beunruhigung verstarkte sich zu- Als nun die Tagsatzung die Frage der Btmdcsver~ Streitereien beschaftigt,
satzlich durch die Verlangsamung der Wirtschafts- tragsrevision anging- was Auswirkungen auf die dürften sie kaum noch in
der Lage sein, die hohen
tatigkeit in einigen Industriezweigen ab Anfang interne Organisation dieser Stan de gehabt hatte _ Ideale zu verteidigen, in
der 184oer Jahre. Vor diesem Hintergrund schlug wiesen die vor jeder Vera ndenll1g zurüdcschrecken~ der en N amen sie sich zusam-
mengefunden haben.
die Unzufriedenheit rasch in Verbitterung um und den Kantone das Ansinnen im Namen ihrer Souve-
trieb zur Suche nach anderen Wegen an. Der auff;il- ranitat zurüdc, und bald wurde aus der Ablehnung
ligste Unterschied zur zweiten Welle der Reaktion offener Widerstand.
besteht dar in, dass die Aufstande in den 184oer Jah- Die Schaffung des Siebnerkonkordats der re-
ren nicht von Abkommlingen ehemaliger Patrizier- generierten Kantone im Marz 1832 wurde in der
familien in den Hauptorten, sondern von der Land- Tat als Bedrohung für die etablierte Ordnung
bevolkerung getragen wurden. wahrgenommen. Der sechs Mona te spa ter gefasste
Die neuen politischen Losungsansatze wur- Beschluss der Tagsatzung, die provisorische Tei-
den von den lokalen Umstanden, den sozialen Ak- lung des Kan tons Basel anzuordnen, verstarkte das
teuren und vor allem von den ihnen zugrunde- Gefühl der Gefâhrdung zusatzlich. In ers ter Linie
liegenden ideologischen Forderungen gepragt. weckte die Trennung Unzufriedenheit beim Basler
sowie für das Interesse, das einige von ihnen bald
Bei naherer Betrachtung zeigt sich die Bewegung Patriziat und Unbehagen bei der Schwyzer Ober- Die radikale Dimension der Realctionen
Basel vereinigte in einem einzigen Konfiikt zwei für die Instrumente der direkten Demokratie zeig-
ais eine Art Amalgam gleich zweier Protestbewe- schicht, die mit ahnlichen Spaltungsabsichten
Arten von Reaktionen auf die Regeneration. Zum ten, in ers ter Linie für das Veto recht.
gungen gegen die Regeneration und zugleich als konfrontiert war. Darüber hinaus schien sie zu be-
Der junge Kanton Basel-Landschaft bietet
deren Vollendung: des Protests gegen die neuen weisen, dass die Tagsatzung nicht unbedingt Par- einen gab es hier die nunmehr klassische Opposi-
tion der alten Elite, die wenig N eigung zu einer ge- diesbezüglich ein gutes Beispiel. Hier begehrten
Strukturen in der Politik und des Protests gegen tel für die restaurierten Obrigkeiten ergriff, selbst
rechteren Teilung ihrer Vorrechte zeigte. Zum an- die ehemaligen Untertanengebiete gegen die kon-
Veranderungen im Bereich der Religion. Das po- wenn diese fest entschlossen waren, ihre Macht zu
dern waren da sogenannte Radikale, Manner, die servative Basler Regierung auf. Kaum hatten sie
litische Malaise war vor allem dort spürbar, wo erhalten.
von den Versprechungen des Liberalismus begeis- sich vom stadtischen Teil und von drei stadttreuen
sich die liberalen Ideale nicht oder nur schlecht Am 14. und 15. November 1832 versammel-
tert waren und da von traumten, dessen Lehren zu Landgemeinden getrennt und waren dank eines
durchgesetzt hatten. Das war beispielsweise in ten sich in Sarnen Vertreter von Uri, Unterwalden,
verbreiten. Die erste Erwahnung des Begriffs <<radi- militarischen Sieges im August 1833 als Halbkan-
jenen Regionen der Fall, in denen die gewaltsa- Neuenburg, Basel-Stadt und der inneren Bezirke
kal», bezogen auf die so charakterisierte politische ton bestatigt worden, nahmen sie die sogenannten
men Reaktionen auf die liberale Erneuerungs- des Kan tons Schwyz und gründeten dort ebenfalls
Richtung, datiert aus dem Jahre 1829- im Unter- Fortschrittsideale mit Begeisterung auf. Schon 1832
welle eine militarische Intervention des Bundes ein Separatbündnis, den Sarnerbund. Diese «Re-
schied zu Grossbritannien, wo jene Bezeichnung hatten die frisch formierten Baselbieter ein Grund-
nach sich gezogen hatten, soin Neuenburg (1831), torsionsallianz» wollte vor allem die Bundesver-
bereits gelaufig war.93 Die Radikalen empfanden gesetz verfasst, das nicht nur von liberalen Idea-
Basel (1831/32) und Schwyz (1833). Diese drei Falle tragsrevision und die Kantonsteilungen verhin-
sich als die leidenschaftlicheren Liberalen, aus de- len, sondern auch von demokratischen Prinzipien
sollen hier noch einmal naher betrachtet werden, dern. 1833 beschlossen die Mitglieder, sich in einer
ren Reihen sie auch zweifellos hervorgegangen durchdrungen war. Nach dem Vorbild von St. Gal-
denn sie sind symptomatisch für die verschiede- separaten Tagsatzung zu versammeln, um gegen
waren. Soziologisch unterschieden sie sich nicht Ien gewahrte der Halbkanton dem Volk das Veto-
nen Richtungen, die sich als Reaktion auf die von die offizielle Tagsatzung zu protestieren, die wei-
fundamental von der liberalen Führungsschicht; recht, jedoch nicht ohne dessen Ausübung durch
den Liberalen angestrebten institutionellen Ver- ter über die Ausarbeitung einer neuen Bundes-
vielleicht waren sie im Durchschnitt ein wenigjün- rechtliche Hürden wirksam einzuschranken. 95
anderungen ergaben. verfassung diskutierte und die Spaltung verschie-
ger94 und entstammten einem etwas volksnaheren In den anderen Regionen des Landes vollzog
dener Kantone zu akzeptieren schien. Vor diesem
Milieu. Es handelte sich etwa um Sohne von Gast- sich die «Radikalisierung» im Allgemeinen spa ter.
Die lmnservative Dimension der Realctionen Hintergrund und obwohl sie gegenüber dem Sieb-
wirten, Handlern oder begüterten Landwirten. Erste Anzeichen lassen sich in der Unzufriedenheit
Gewiss, der Fall Neuenburg ist singular. Keine an- nerkonkordat nicht die gleiche Standhaftigkeit ge-
Was diese Manner ais leidenschaftlicheres über die Zaghaftigkeit der liberalen Gesetzesrevi-
dere Regierung hatte es mit einer fortschrittsorien- zeigt batte, loste die Tagsatzung am 12. August 1833
Temperament erachteten, war jedoch viel mehr als sionen erkennen. Die radikale Tendenz verstarkte
tierten Revolte zu tun, die nicht nur die Volksrechte den Sarnerbund auf- ohne grossere Proteste sei-
eine blosse Charakternuance. Dahinter steckte ein sich, indem den bereits bestehenden politischen
erweitern, sondern sich zugleich von der preussi- tens der betroffenen Stande auszulosen. Zu d iesem
wesentlicher Unterschied, namlich ein grosseres Foren der Liberalen eine neue Richtung gegeben
schen Bevormundung befreien wollte. Gleichwohl Zeitpunkt batte sich die Stimmung im Volk bereits
Vertrauen in die pol itischen Fahigkeiten und in die wurde. Dies zeigte sich beispielsweise in den aus-
forderten die BehOrden des Fürstentums und Kan- wieder beruhigt, und die konservativen Regierun-
Reife des «gemeinen Volkes». Diese Überzeugung drücklich als schweizerisch bezeichneten Verei-
tons N euenburg 1831 Bundestruppen an, mit der en gen, die sich an der Macht halten konnten, wie die-
erklart die Energie, mit der die Anführer der Radi- nigungen wie der Studentenverbindung Helvetia
Hilfe sie die Bewegung niederschlugen und darauf- jenige von Neuenburg, sassen wieder fest im Sattel.
kalen trotz interner Divergenzen die Volkssouvera- (1832) oder dem Schweizerischen Nationalverein (1834),
hin mehr oder weniger den Status quo ante wieder- Ausserdem war der Rossi-Plan von Luzern schon
nitat und die Nation voranzubringen suchten. Sie und es machte sich im Rahmen eidgenossischer
herstellten.92 abgelehnt worden, und die Waffen hatten zwar zu-
ist aber auch für ihren Regierungsstil verantwort- Volksfeste bemerkbar. Schliesslich nahm die Be-
Der feste Wille, die alten Strukturen beizube- gunsten der Forderungen der Basler Landschaft
lich, der sich durch einen weniger zuri.ickhaltenden wegung in mehreren regenerierten Kantonen kon-
halten, kam nicht nur inN euenburg, sondern auch entschieden, jene der Ausserschwyzer Bezirke je-
Umgang mit der Macht der Massen auszeichnete, krete Formen an- dank des Einfiusses, den einige
in anderen Standen zum Ausdruck. Er war nament- doch zunichte gemacht.

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Die Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann

Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)


<<Der Ki rchhof zu Muttenz
am Abend des 3ten August
1833>>, Aquarell von Peter Gremien, die über gewisse Recl1te verfügen soll- Den politischen und soziookonomischen Ver-
Toussaint (Arclliiologie und
Museum Baselland, Kw1stsamm- cen, welche früher bei der Landsgemeinde gelegen anderungen, welche die Regeneration mit sich
lu11ge11, Inv. -N1: 43), ©Photo hatrcn. Die Landsgerneinde spielte weiterhin eine brachte, lag ein Gedankensystem zugrunde, dessen
Museum.BL, Liestal.- Das
Aquarell illustriert angebliche wiclltigc RolJejn der Verwalmng des KantorlS und hochste Legitimation nicht mehr Go tt war, sondern
Graueltaten der Baselbieter setzre sicb fortan aus gle.ichbered1tigten Mannern die Vernunft. Nicht, dass die Liberalen Agnostilœr
nach dem entscheidenden
Gefecht vom 3. August 1s33 zusammen, die in dieser Versammlung aufgrund oder gar Atheisten gewesen waren. Die meisten von
an der Hülftenschanz bei des RedltS und nicht aufgrund der Geschic11te zu- ihnen waren glaubig, jedoch zugleich von der Auf-
Frenkendorf. Tm Kirchhof
von Muttenz wurden gefai- gelassen waren. 97 klarung gepragt, die sich auch auf die zwei christ-
Jene Stadtbasler Soldaten Die demokratischen Instrumente waren also lichen Konfessionen des Landes ausgewirkt hatte.
Gemeine wie Offiziere, in'
einem Massengrab beerdigt. weder ausschliesslich ein Vermachtnis der Vergan- Einer solchen Lebensauffassung stand jenes Welt-
lm Hinrergrund ist darge- geoheit nod1 die alleinige Errungenschaft der Re- bild gegenüber, in dem die hochste Instanz jegli-
srellt, wie den Leichen die
Ohren abgeschnitten werden. beHen (siebe auch den Beitrag von Andreas Su ter, chen sozialen Lebens Go tt war. Die Anhanger der
Belegt sind solche Szenen s. 366). Die meisten Un ruben am Ende der 183oer religiOs-konservativen Weltsicht waren angesichts
nicht; Erzahlungen von Kan-
nibalismus und Verstümme- Jahre sollten im übrigcn gerade von sozialen Ak- der Umwalzungen der dreissiger Jahre schockiert.
lung gehorten zum Reper- teuren ausgehen die von denliberalen Regierun- Die anfangliche Missbilligung der Ereignisse ver-
toire der Kriegspropaganda.96
gen enttauscht waren und nach einem typiscll wandelte sich zusehends in Beunruhigung. Dieser
schweizerischen Modell der Entscheidungs.fin- Prozess batte bereits mit den Diskussionen über
dung suchten. Ihre Entschlossenheit beruhte auf die Revision des Bundesvertrags eingesetzt und
der traditionellen Konzeption einer Gesellschaft, sich nach der Enzyldika «Mirari vos» von 1832 be-
in der jeder seinen Platz lœnnt und seine Rechte schleunigt. Mit der Unterzeichnung der Badener
gebraucht, um sein Vertrauen in die etablierte Ord- Artikel durch einige liberal regierte Kantone im
nung zu bekraftigen. Ja.hr 1834 war der Bruch gewissermassen vollzogen.
Im September 1839 kam es in Zürich zu hefti- Der Graben verlief im Wesentlichen nicht entlang
gen konservativen Unruhen. Die regenerierte Re- alter politischer oder konfessioneller Grenzen, son-
ihrer Anführer auf die betreffenden Regierungen gierung wurde gestürzt, und in zahlreichen Peti- dern entsprach ideologischen Differenzen, genauer Ein Liberaler wird vom
Die demokratisch-konservative Dimension
ausüben konnten. Dieser Einfluss auf das Gemein- der Reaktionen tionen wurde eine Ausweitung der Volksrechte gesagt unterschiedlichen Vorstellungen von Staat Beichtstuhl weggewiesen,
Illustration in: Martin
':~sen gin~ in einigen Fallen direlct auf einen po- verlangt. Die neue Zürcher Führungsequipe be- und Gesellschaft.99 Disteli, Schweizerischer
In den Landsgemeindekantonen war die Politik fasste sich allerdings erst ab 1842 mit der Gewah-
llttschen Lmksrutsch zurück, wie vermutlich in Der in den Badener Artilœln vom}anuar 1834 Bilderkalender für das
durch zahlreiche direktdemokratische Elemente rung des Vetorechts, das heisst zu einem Zeit- Jahr 1843 (UB Basel, Sig11.
Schaffhausen im Jahr 1838. Er konnte aber auch deutlich zum Ausdruck gebrachte Wunsch, die VB 297).- lm <<Schweizeri-
gepragt. Doch obwohl die Regierungen hier dem punkt, ais sie ihre eigene Machtposition wanken
das Ergebnis eines Zusammenspiels verschiedener Kirche dem Staat zu unterstellen, alarmierte vor schen Bilderkalender>>
Volk die Moglichkeit gaben, sich zu Fragen der wetterte der Solothurner
an~erer Faktoren sein. In Glarus, wo keine Regene- spürte und sich auf das Beispiel von Luzern stüt- allem katholisch-konservative Kreise, zu denen
S~uver~nitat zu aussern, wurde der Gang der Martin Disteli von 1839 bis zu
ratt~n stattgefunden hatte, wurde im}ahr 1s37 das zen konnte. Mit dem konservativen Umsturz von die meisten der nicht-regenerierten Kantonsre- seinem Tod im]ahr1844
Dmge m Tat und Wahrheit von kleinen, in sich 1839 mach te Zürich den Weg defini ti v frei für ahn- gierungen gehorten. Ihre Erregung wurde noch Î!nmer wieder gegen die
Ansmnen bekundet, die Sitze in den politischen Konservativen. Hier prangert
geschlossenen Eliten gesteuert. Diese Regime be-
Institutionen zwischen den Anhangern der beiden 1iche Entwicklungen in anderen Kantonen. verstarkt durch die Enzyklika «Commissum divi- er die Ausgrenzung an, der
standen überdies schon lange vor der Regenera- die Liberal en im Wallis aus-
Konfessionen anteilsmassig aufzuteilen, was eine Die jurassischen Gebiete des Kantons Bern nitus» vom 17. Mai 1835, in welcher der Papst sein geserzt waren, wo der Klerus,
tion und genossen im politischen Denken der
emporte Reaktion der katholischen Minderheit (1839) und Solothurn (1840) erlebten ebenfalls kon- extremes Missfallen über die Badener Artikel aus- wie in den meisten konser-
Liberalen kein hohes Ansehen, zumal sich der Li- vativen Kan tonen, einen
auslOste und die Einführung einer von den Radi- servative Unruhen, die aber von den amtierenden drückte. Die Einmischung des Papstes in die inter- erbitrerren Krieg gegen sie
beralismus nicht ais ihre Inspirationsquelle be-
kalen gepragten Gesetzgebung zur Folge hatte. Machthabern erstickt wurden.9 8 lm Tessin nahmen nen Debatten der Schweiz machte Eindruck auf führte.
trachten liess. Hingegen forderten die Unruhen
Die Verbreitung der radikaldemokratischen die Liberalen die Zügel rasch wieder in die Rand. In
die 1832/33 den Kan ton Schwyz erschütterten, di~ Luzern hingegen stürzte die Bevolkerung 1841 ihre
Ideologie wurde durch den neuen und vernunftbe-
Entstehung institutioneller Mischformen einer
stimmten Unterricht befordert, wie ihn beispiels- regenerierten Behorden und veranderte die Verfas-
weise die Zürcher Behorden zu implementieren
~rt Mittelweg zwischen den beiden so geg:nsatz- sung in einem konservativen und zugleich demo-
hchen Reaktionen, zwischen dem Willen, den Sta- kratischen Sinne.
versuchten. Die gerechtere Vertretung der ver-
tus quo zu bewahren, und dem Wunsch nach radi-
schiedenen BevOlkerungsgruppen in den Grossen kaler Veranderung.
Raten, die etwa in Schaffhausen erwirkt wurde DIE SPALTUNG NACH DER
Der bewaffnete Konf!ikt zwischen den ausse-
?der di: Einführung des Vetorechts im Thurgau: REGENERATION
ren und den inneren Bezirken des Kantons, bei
un Wal!ts und imAargau taten ihr Übriges, um das
dem es um eine bessere Vertretung der Ersteren Divergenzen und Konvergenzen
«gememe Volk» aktiv in die Politik einzubezie-
ging, endete im August 1833 mit einem innova-
hen. Ungeachtet der Fortschrittlichkeit, die dem Die Umschwünge der spaten 183oer Jahre waren
tiven Kompromiss. In ihrem Bestreben, die Spal- weniger politisch als religios sowie durch soziale
Vetorecht im Rahmen einer Geschichte des Aus-
tung zu vermeiden und den Forderungen des vol- Unzufriedenheit motiviert. Die Regeneration hatte
baus der Volksrechte im Rückblick zugeschrie-
kes Genüge zu tun, schopften die alten Schwyzer
ben ':urde, fand dieses jedoch nicht die einmütige sich nicht nur ais eine Bewegung zur Reform der
Eliten sowohl aus dem Fundus der traditionellen
Zusttmmung aller Radikalen, umso weniger, ais kantonalen Institutionen erwiesen, sondern sie
Institutionen wie auch aus dem Erbe der Helvetik
es auch von manchen Konservativen unterstützt hatte auch zu einem tiefgreifenden Wandel der
wurde. Sie statteten den Kanton mit einer Exekutive und Gesellschaft und der Art, über diesen Wandel nach-
einer Legislative aus, zwei voneinander getrennten zudenken, geführt.
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Die Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann
Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)

<< Elnwürdige~rüder undgeliebte ~dhne, was sicl1 im ]anuar vergan- zu starken. 100 In Freiburg wachten sie ebenfaUs plus signalés, et de prétendus amis des Lumières, des Landes im Hintergrund des Handelns. Diese
ge17el1]alnes m derStadt Baden un Kan ton Amgau in frevelhafter über die Religion und das Unterrichtswesen, be- à ceux qtü oppriment le peuple par l'ignorance! Angst hatte ihre Wurzeln in den Erfahrungen der
Weise zugetragen hat, e1jüllt auch euch mit bitterster Trauer und bereitet hielten aber die liberalen Wirtschaftsgesetze bei,Joj Tant ces fougueux apôtres d'un faux libéralisme Helvetischen Republik. Für die linke Sei te rührte
euchjetzt nochAngst und Sarge.[...] Bines geht aus den Akten der genann- Doch die katholischen Konservativen erprobten sont éloignés d'aimer la liberté pour elle-même!»104 die Gefahr zu Beginn der 184oer Jahre von den
ten Versammlung ganz klar hervor,[... ] aus den wortlich wiedergegebenen auch neue Wege. So hatte Schwyz schon1836 damit (<<d iese paar Verrückten die sicb selber Radilcale Schwierigkeiten her, die Institutionen des Landes
Reden und den dort abgefassten Artikeln. Wenn Wir diese !esen, sind Wir begonnen, regenerationsfeindlich gesinnte Eliten ncnnen und sich nich t sc ham en den bckann tesren im Sinne der Nationalisierung rasch zu verbessern,
entsetzt, denn sie enthalten Prinzipien, die Neuerungen in die Katholische auszubilden, und 1841 wurde der Schweizerische Stu- Aristokraten die Hand zum Bund zu reichen - an- und von der moglichen Ausnützung der sich dar-
Kirche einführen wilrden, die im Gegensatz zu deren Lehre und Disziplin dentenverein gegründet, der diese Eliten in einer na- gcblic11e F reu nde der AufkJarung, die si ch mit je- aus ergebenden Situation durch das Ausland. Für
stehen und die die Seelen verderben. Dies kann in keiner Weise geduldet tionalen Organisation vereinen sollte. 102 nen verbünden, die das Voll< uurerdrücken indem die rechte Sei te war die Gefahr das Resultat eines
werden. Er, der alles in hdchster Weisheit geschaffen und umsichtig Von dieser Rückzugsbewegung wurden auch sie es in Unwissenheit halten! Wie weit sind doch moralischen Niedergangs, der Zerstürung der gatt-
geordnet lwt, will, dass in Seiner Kirche Ordnung hemche, dass also die wei te Kreise der Reformierten erfasst- eine ihrer diese feurigen Apostel eines falschen Liberalismus lichen Ordnung und des Umstands, dass die Leh-
einen Ihr vorstehen und in Ihr herrschen, die anderen aber Ihr untertan Stimmen sol! te Jeremias Gotthelf (1797-1854) wer- davon entfernt, die Freiheit um ihrer selbst willen ren der Vergangenheit vergessen worden seien. 106
und gelwrsam seien.» * den. Die protestantische Reaktion war heteroge- zu lieben!»). Die Befürchtungen waren durchaus begrün-
Auszug aus der Enzykli ka <<Commissum divinitus» Papst Gregors XVI. an den schweizerischen ner, verrat aber eine ebenso tiefe Verunsicherung. Trotz solcher Kritik fuhren die Radikalen fort, det. Die Umsetzung der liberalen Prinzipien war
Klerus (1835), in: L'Invariable: nouveau m émorial catholique, Bd. 7, Fribourg 1835, s. 33-34.
Das ist zumindest die Schlussfolgerung, die sich die Volksrechte auszuweiten, sie taten dies mm- nicht ohne Beschneidung der kantonalen Souve-
aus dem Züriputsch- auch bekannt ais «Straussen- um 1840 - jedoch mit mehr Bedacht. Zwar waren ranitat und nicht ohne Umgestaltung der internen
den Klerus, und die aus ihr sprechende Besorgnis handel» - ziehen lasst: Nachdem die Universitats- sie immer noch bereit, das Volk als Druckmittel ein- Machtstrukturen moglich. Andererseits genossen
ging auch auf die Glaubigen über. In den gemischt- berufung von David Friedrich Strauss (1808-1874), zusetzen, sie glaubten aber nicht mehr blindlings die Gegner der Regeneration die Sympathie der
konfessionellen Kantonen Bern und Aargau zeigte des Autors der unter Theologen sehr umstrittenen an dessen vermeintliche und scheinbar naturgege- meisten Grossmachte, so Osterreichs und Preus-
sich die katholische Bevi:ilkerung gegenüber der SchriftDas Leben]esu, kritisch bearbeitet, das Fass zum bene Fortschrittlichkeit, sondern machten es sich sens, die gerne zugunsten der Vertreter des Sta-
Anwendung der Badener Artikel sogar so wider- Überlaufen gebracht hatte, stürzte am 6. Septem- zur Aufgabe, die Bevolkerung im Sinne der AuflŒi- tus quo interveniert hatten. Die Gefahren waren
spenstig, dass sich die kantonalen Behorden veran- ber 1839 die Zürcher BevOlkerung die BehOrden, die rung im Gebrauch der Vernunft auszubilden, um fundamental, denn sie bedrohten die Zukunfts-
lasst sahen, ihre Religionspolitik mitWaffengewalt seit Beginn der Regeneration die Regierung gebil- auf diese Weise die egalitare Gesellschaft zu schaf- plane der meisten führenden Kopfe der Schweiz.
durchzusetzen.
det hatten, und wahl te an ihrer Stelle Vertreter der fen, die sie ersehnten. Diese Entwicklung liess die Mit anderen Worten, die unterschiedlichen Lo-
Die heftigen Reaktionen des Volkes müssen konservativen Richtung. Allerdings erlebten nicht Kluft zwischen den Zielen der Radikalen und den- sungsansatze zur Bekampfung der um sich grei-
mit dem Zeitpunkt ihres Auftretens in Zusam- alle reformierten Kantone eine solche Phase der Re- jenigen der Konservativen immer unüberbrückba- fenden Angst var dem Niedergang führten zu Be-
menhang gebracht werden: Sie ereigneten sich in aktion, wie die Niederschlagung eines konservati- rer erscheinen- trotz gewisser Ahnlichkeiten hin- ginn der 184oer Jahre zur Herausbildung zweier
einem Moment, in dem sich wei te Teile der Bevol- ven Aufruhrs in denjurassischen Gebieten des Kan- sichtlich der von beiden Stromungen favorisierten antagonistischer Lager, von denen das eine auf die
kerung vom wirtschaftlichen und politischen Sys- tons Bern im Frühling des gleichen Jah res zeigt. 103 politischen Mittel. 105 Nation, das andere auf die Tradition setzte. Diese
tem der Regeneration im Stich gelassen fühlten. Paradoxerweise war Strauss' Ernennung Teil Eigenartigerweise stand auf beiden Seiten grundlegende Differenz bezüglich des angepeil-
Die Veranderungen des Alltags, der durch diese einer Politik, die immer radikaler die Verbesserung die alte Angst var dem Niedergang und Zerfall ten Gesellschaftsprojekts bestatigte noch einmal
verursachte Unmut und die Verschlechterung der des offentlichen Unterrichts anstrebte. Der Wunsch
Lebensbedingungen Ende der 183oer Jahre verlei- nach rationalerem Wissen stellte eine Antwort der
teten viele Menschen zur Rückbesinnung auf tra- Fortschrittsglaubigen auf die von ebendiesem Fort-
ditionelle Werte und zur Suche nach Antworten schritt hervorgebrachten sozialen Ungleichheiten
im von der Kirche vorgegebenen Rahmen. Die Tat- dar. Dies offenbart die Ahnlichkeit der Sorgen, die
sache, dass die Rolle ebendieser Kirche durch die den Differenzen zugrunde !agen: Aufbeiden Seiten
neue Ordnung bedroht wurde, deren Unzulang- widerspiegelt sich hier der Wille, die vom regene-
lichkeiten man gerade zu entfiiehen suchte, stellte rierten System ans Licht gebrachten oder von die-
einen zusatzlichen Grund dar, in ihrem Schoss sem geschaffenen Mange! zu korrigieren. Auch die
Schutz zu suchen.
für diese Probleme gefundenen Losungen weisen
Die katholische Kirche bot altbewahrte Lüsun- Flucht der Putschisten
gewisse Ahnlichkeiten auf. über die Zürcher
gen für gesellschaftspolitische Probleme an, stan- Zunachst sympathisierten sowohl Konservative Münsterbrücke, lavierte
den doch die Krankenpfiege, das Armenwesen und Zeichnung, 1839 (ZB Züt•ich,
als auch Radikale mit der Einführung beziehungs- GraphischeSammltmg).- In
die Schule in der katholischen Schweiz noch weit- weise der Beibehaltung von Elementen, die der Zürich wird aufstandisches
gehend unter ihrer Kontrolle. In Luzern bemüh- Landvolkam 6. Septernber
«reinen» Demokratie entstammten. Diese Über- 1839 von Regierungstruppen
ten sich die Reaktionare, die unter dem Drud{ des einstimmung beunruhigte wiederum die Libera- über die Münsterbrücke
Vallees emeut an die Macht gekommen waren, den zurückgetrieben. Der <<Züri-
leu, die la ut protestierten gegen «quelques énergu- putsch» ist dennoch ein
Gemeinden wieder mehr Autonomie zu geben und mènes, soidisant radicaux, [qui] n'ont pas eu honte politischer Erfolg: Die liberal-
den Einfiuss der Kirche auf das Erziehungswesen radikale Regierung dankt ab,
de donner la main d'association aux aristocrates, les N eu wahl en führen zu einer
konservativen Mehrheit im
'<<Intelligitisjam Venerabiles Fratres, Dilecti Filii, de iis Nos loqui, quœ mense]anuario elapsi anni in urbe Bada PagiArgoviensis nefarie Gross en Rat. Die Berufung
gesta, vel pot tus perpetrate su nt; quœque Vos tpsos acerbissimo conjecerunt mœro re, anxiosque ad huc et so/icitos habent. [...]At rem certam ni- des rad ikalen Theologen
mts explo ra tamque No.bts feceru nt ipsa memorati conventus acta[...], tum sermones [...], tum demum confectos ibidem articulas integre exhi- David Friedrich Strauss an
bent. Perhorrmmus VelO stve sermones szve arttculos hosce /egentes, et ejusmodi in iis contineriprincipia, easque inde in catholicam Ecclesiam die Universitat Zürich wird
tnduanovttates mtellextmus, quae utpote il li us d~ctrinœac disciplinœ repugnantes, aperteque ad perniciem animawm pertinentes,Jerri rückgangig gemacht, der
radikale Direktor des Leh rer-
nu llo modo possu~t. Profecto qut omm a saptenttsstmefectt, ac providentissima ordinatione disposuit, is voluit ut multo magis in Ecclesia sua serninars, Thomas Scherr,
vzgetet ordo, et a/11 qwdem prœessent, atque imperarent, a/ii subessent et parerent.»
entlassen.
Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)
Die Geschichte der Schweiz -Iréne Herrmann
<<Wie eine wohlorganisirte
zeidlen von Gewaltbereitschaft lassen sich bereits Freischaar ausziehen that»,
den zwischen den politischen Lagern verlaufen- auch die Verbreitung der für sie bestimmten Bot- >' .1~ IÙ\ t 1 1 1 ~1
1

aq uarellierte Bleistiftzeich-
den Graben: Die protestantischen und die indu- schaft zu verbessern. Unter diesem Gesichtspunkt in den Provokationen crl<ennen, mit det1en si ch die .t.\'\ • • uo•~i\\t••
nung von Johannes Ruff,
Kantone Aargau und Luzern ab Januar 1841 gegen- 1845 (ZB Ziirich, Graphische
strialisierten Kantone waren im Allgemeinen eher wurden nun Vereine und Feste von einem starker Sammlung).- Die Karikatur
geneigt, ihr Glück in einer nationalen Zukunft zu ais bisher auf die Nation ausgerichteten Diskurs seitig überboten. 108 zeigt den Schriftsteller
Der Aargau, der sich gerade eine Verfassung Gottfried Keller {1819- 1890)
suchen, wahrend sich die katholischen und land- erfasst. Die radikale Rhetorik setzte dabei auf die ais Tambour der Ziircher
lichen Kantone zumeist starker auf die Tradition Geschichte ais Argumentationshilfe, indem sie die gegebcn hatte, die rur die katholisd1c Minderheit Freisclùrler. Oben links ist
wenige• voneilhaft war als das bisherigeGrundge- zu !esen: «ich will euch exer-
stützen wollten. Es gab jedoch zahlreiche Aus- Forderung nach auf dem Naturrecht basierenden ziercn ihr j Heiligen sager-
nahmen: Basel-Stadt, das Tessin und Solothurn Neuerungen als ein Pochen auf uralte Rechte dar- setz, versuchte, den ungelegenen Manifestationen ment. / reclm schwenkt euch 1
tendierten beispielsweise zu Positionen, die im stellte, die widerrechtlich usurpiert worden sei en. religiêiser Unzufriedenheit durch die Schliessung arrrsch.>>

Gegensatz zu dem standen, was ihre Konfession Dieses Verfahren war nicht neu. In den 184oer der Klêister den Boden zu entziehen. Dieser nicht
batte vermuten lassen. Noch deutlicher kommt die Jahren bot die politische Deutung und Instrumen- zuletzt dank des Einsatzes des radikalen katholi-
Komplexitat der politischen Konstellation darin talisierung der Vergangenheit jedoch mehrere, schen Abgeordneten Augustin Keller (1805-1883)
zum Ausdruck, dass die erbittertsten Feinde der eng mit der damaligen Situation verbundene Vor- zustandegekommene Beschluss, der dem Kanton
Konservativen die katholischen Radikalen waren. teile. Zum einen konnte auf diese Weise der revo- nebenbei eine hübsche Summe Geld einbrachte,
Iutionare Ursprung der Forderungen verschleiert stand im Widerspruch zum Bundesvertrag von
DieGewalt werden. Zum anderen ermêiglichte die Instrumen- 1815. Dennoch loste er nur eine gemassigte Rüge
Ungeachtet dieser Verwicklungen blieben die bei- talisierung der Geschichte, das natürliche Stre- der Tagsatzung aus, die lediglich die Wiedereri:iff-
den Lager ldar voneinander unterscheidbar. In der ben nach Freiheit als charakteristischen Zug der nung der Frauenklêister verlangte. Vor diesem
ersten Halfte der 184oer Jahre wurde der Graben Schweiz darzustellen. 107 Und schliesslich machte Hintergrund wahlte Luzern 1841 eine konservative
zwischen ihnen sogar noch tiefer, und ihr Handeln sie den Konservativen eine machtige Waffe strei- Regierung, die weniger ais drei Jahre spater, im
radikalisierte sich. tig, die damit ihre Weltanschauung nicht mehr oktober 1844, die Jesuiten einlud, den Unterricht
Die konservativen Umschwünge, die diesen unangefochten auf die Vergangenheit stützen an den hêiheren Schulen des Kantons zu überneh-
men. Der Orden war bekannt als «Katalysator» im Schaffung einer katholischen Schutzvereinigung,
Zeitabschnitt charakterisieren, starkten die Ent- konnten. bestehend aus Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern,
schlossenheit der radikalen Führer. Zwischen 1844 Der Kampf um Symbole war umso wichtiger, Volk vorhandener Angste. Nach seiner Aufhebung
Zug, Freiburg und dem Wallis, die baid un ter dem
und 1847 gaben sich die Kantone Zürich (1844/45), ais das gegnerische Lager seine Haltung ebenfalls imJahr 1773 war er 1814 im Wallis wieder zugelas-
sen worden, 1818 in Freiburg und 1836 in Schwyz. Nam en Sonderbund bekannt wurde.
Waadt (1845), Bern (1845), Genf (1846) und St. Galien verscharfte - besonders auffâllig in Luzern. Tat- Erst im Juni 1846 erfuhren die anderen Kan-
(1847) Regierungen mit radikaien Zieisetzungen, sachlich schlass die 1841 eingesetzte regenerations- Aber seine Rückberufung nach Luzern, einem der
tone von diesem Separatbündnis, das natürlich
mal infolge von Wahlen, mal von Volksaufstanden. feindliche Regierung auch stramm Konservative regelmassigen Tagsatzungsorte, wurde von vielen
sogleich zu einem erbittert diskutierten Thema
Diese zukunftsweisenden Erfolge der Radikalen mit ein, beispieisweise den kompromissiosen Kon- als unertragliche Provokation empfunden.
wurde. Doch erst nach den Regimewechseln in
gingen auf eine grundiegende Erkenntnis zurück: stantin Siegwart-Müller (1801-1869) oder den ultra- lm Dezember 1844 kamen rund hundert em-
porte Manner aus den Kantonen Aargau, Solo- Genf und in St. Gall en ergab sich in der Tagsatzung
Die Unzufriedenheit der Bevêilkerung musste in be- montanenJosefLeu (18oo-1845). Fortan bekam der eine klare, das heisst mehrere katholische Kantone
stimmte Bahnen gelenkt werden, um die erhofften Graben, der die Schweiz spaltete, eine neue Dimen- thurn, Basel-Landschaft und dem Luzerner Dm-
land spontan überein, die Regierung Luzerns zu einschliessende Mehrheit, die am zo. Juli 1847 die
Wirkungen zu erzieien. Daraus ergab sich die Not- sion; die bisher im Wesentlichen defensive Haltung Aufiêisung des Sonderbunds anordnen konnte. Die
wendigkei t, sowohl die Organisation der Massen ais beider Seiten ging in eine aggressive über. Erste stürzen. Trotz des Wohlwollens mehrerer nam-
<<Aargau und die Kliisten>, hafter liberaler und radikaler Politilœr scheiterte Betroffenen hatten allerdings nicht die Absicht,
Karikatur a us dem Satire- dem Befehl Folge zu leisten. Trotz gegenteiliger Be-
magazin <<Guck]{asten» dieser ais ers ter Freischarenzug (tFreischaren) be-
vom zs. Marz 1841 (Schweize- kannt gewordene Angriff. Die darauffolgende Re- teuerungen trachteten beide Parteien danach, die
rische Natia~wlbibliothek). - Die institutionelle Blockade, das «Patt»,110 mitWaffen-
zwei seit Beginn des Jahres pression war hart und lêiste Ende 1845 eine zweite
1841 bestehenden politisch- Operation aus, an der sich 3500 Freiwillige betei- gewalt zu beenden. Bei den einen hing diese Ent-
ideologischen Lager stehen
ligten, angeführt von dem radikalen Hauptmann schlossenheit wesentlich mit der damaligen Situa-
einander im Kampf gegen-
über. Links der zukünftige Ulrich Ochsenbein. tog Auch sie endete mit einer tion des Landes zusammen, bei den anderen batte
Sonderbund, gekleidet in ein
Niederlage der Angreifer. Diese gewaltsamen Er- sie eher mit den Zukunftsaussichten zu tun. In den
Monchsgewand und muer-
stützt von Bauern und Geistli- eignisse veranderten die Lage in zweierlei Hin- Augen der Konservativen schien nur ein militari-
chen. Er sitzt auf einem an das scher Sieg die Respektierung der kantonalen Sou-
Urner Wappen erinnernden sicht: Zum einen forderten sie mehr als hundert
Sri er und auf dem Sattel der Tote, die als Op fer eines regelrechten Bürgerkriegs veranitat in der bestehenden Form zu garantie-
Legitimitat, die der Bundes-
geiten kêinnen. zum anderen verstarkten sie die ren, für ihre Gegner schien nur Waffengewalt die
vertrag verleiht; auf seinem
Rücken tragt er die Weisung Konfessionalisierung der politischen Gegensatze. Mêiglichkeit zu bieten, die Uhmung des Systems
des Nuntius: <<Bethen und
Dabei wurden zunehmend Protestantismus und zu überwinden, die alle Bestrebungen zur Bildung
Fasten». Rechts der moderne
Volkstribun Augustin Keller, Fortschritt auf der einen und (Ultra-)Katholizis- einer Nation blockierte. 111
ein gegen den Eintluss des
Vatikans engagierter liberal er mus und Konservativismus auf der anderen Sei te
Katholik, in traditioneller miteinander assoziiert. Diese Gieichsetzung ver- Der Krieg112
Rüstung mit der polarisieren-
starkte sich in den folgenden Monaten, nachdem Die beidseitige Bereitschaft zu einem Kraftemes-
den Parole: <<Kliister oder
sen erklart nicht nur den Ausbruch des Krieges,
Aargau>>. Die beiden duellie- der Luzerner Regierungsrat Josef Leu von einem-
ren sich vor den entsetzten
obzwar katholischen - enttauschten Radikalen, der sofort begann, kaum dass sich die Mehrheit der
Augen des Niklaus von Flüe,
Kantone für die Aufiêisung des Sonderbunds aus-
der eine mit einem Kruzifix, Jakob Müller, ermordet worden war. Die Luzerner
der andere mit einer Lanze gesprochen hatte, sondern auch die Art und Weise,
bewaffnet. Regierung reagierte am 11. Dezember 1845 mit der

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Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)
Die Geschichte der Schweiz -Irène Herrmann

von der Tagsatzung eine Bestatigung der «in ih-


wie dieser geführt wurde. Wahrend seiner ganzen ren, die Ernennung ne uer kanronaler Beho rd . sD"\lschweigendes Ei overnehmen zwischen
. Siege rn
rer Proklamation vom 20. Weinmonat abhin feier-
Dauer wurden Weisungen herausgegeben, die die und niche ztùerzt clicAusweisung der Jesuiten vc~ 1
d sesiegten des Sonderbu ndslmeges.
UJ nie Rhetorik der Sieger eodastete die Bevol- lich gegebenen Versicherung der Garantie der hei-
Schaden in Grenzen halten sollten. Die militari- Als finanzielle Entschadigung wurdc eiot.
ligen Religion und der Rechte und Freiheiten aller
schen Operationen der Tagsatzungstruppen wur- Kriegsschtùd in R ohe von sechs Millionen Fra~~ !{erung der unrerlegenenJ{anrone. J?iese s~i ge-
Kantone» 11 7 zu verlangen.Diese wenigen den Ka-
den mit ausserster Schnelligkeit durchgeführt; l<e.n eingefordert, was in einer Zeit, in der beispiel _ rauscht worden und trage daher otcht d1e ge-
dementsprechend verlief der Krieg ganz in ihrem . d"te ZenrrdUtasse
we1se -" der reformierten One ru nd s jn!!Ste Schuld. So hoffte mau, Strafexpedirionen pitulationsvereinbarungen hinzugefügten Zeilen
1 · dern, d'Je ·tn vermochten die Hauptbetroffenen wieder etwas
r do gegenseitige Raclleakte zu ve.i·1111
Sinne. Er begann am 4· November 1847 und endete toooo Praolœn enthielr, einer enormco Summe 111
am 29. November desselben Jahres mit der Über- entsprach. Besatzungsrruppen sollten die Bezah- ~nem Land, das geeim wcrden soll stcts fatal sind. zu beruhigen, ohne siejedoch davon abzubringen,
gabe des Wallis, nachdem nacheinander Freiburg, lung sid1erstellen. Schon bald setzteo sich jedoch Die Wahl der ]esuiten und Oligarchcn als Sünden- weitere Forderungen zu stellen.
Um ihre Kriegsschulden zu reduzieren, ver-
Zug, Luzern und die Waldstatte kapituliert hatten. die Tagsatzungsbehorden für die Entlasnmg der bôcl<e Uisst spiegelbHdlich erlœnnen, wie sich elie
Radilcalen die Zukunft der Schweiz vorstellten: Für fassten die Sonderbundskantone zahlreiche Bitt-
Die kurze Dauer des Krieges ist auf die militari- Bewohner in den unterworfenen Gebieten ein. Sie
die kommenden Jahrhunderte soUte sie eine unab- schriften. Die Bundesbehêirden, selbst lmapp bei
sche Überlegenheit der Sonderbundsgegner zurück- erlaubten ihnen, von gewissen Unterstützungen
hangige Nation sein, regiert vom Volk, das seiner- Kasse, zeigten anfanglich wenig Bereitschaft, die
zuführen, zugleich aber auch auf den festen Willen zu profitieren, die eigentlich für die Familien der
seits von einem vernünftigen - das heisst den Re- finanzielle Last ihrer Mitbürger zu mindern. Bi-
zur Zurückhaltung. Zwar traf dieser Vorsatz im verletzten oder getoteten Soldaten bestimmt wa-
gein cines zentralisierteren und demokratischeren zarrerweise ermunterte diese Haltung die Unterle-
Lager der national Gesinnten nicht sofort auf ein- ren. Nach und nach wurden die Bundestruppen
genen zu einer Rückzugsstrategie, für die sie sich
hellige Zustimmung, wie die Schwierigkeiten be- aus den besetzten Kantonen abgezogen, noch bevor staatcs unterstcllten - Cluistencum geleitetwi.irde.
gleich doppelt beim Argumentarium der Sieger be-
legen, die im Zuge der Ernennung von Guillaume- diese ihre Schuld vollstandig begliche.n hatten.u4
diemen. Zum einen griffen die meisten der durch
Henri Dufour zum General auftraten. Nachdem er Ein solcher Sinneswandel war nicht oder zu- TROTZ ALLEM DIE SCHWEIZ
Akklamation gewahlten provisorischen Regierun-
aber einmal mit dem Kommando beauftragt war, mindest nicht nur Ausdruck eines plëtzlichen Mit-
116 gen ebenfalls auf die religiësen, politischen und na-
scheint der Genfer alles daran gesetzt zu haben, die leids mit der Bevolkerung der klein en Kantone. Im Die Vision der (spateren) Verlierer
Zahl der Opfer mi:iglichst niedrig zu halten. Wah- Zuge der Kapitulationen batte man die Ernennung Aber blenden wir noch einmal zurück. Gewiss heg- tionalen Sündenbocke zurück, welche die offizielle
rend etwa im amerikanischen Sezessionskrieg rund einer provisorischen, den neuen Verhaltnissen ent- ten die Sonderbundskantone nicht die gleichen Propaganda geschaffen batte. Sie sahen in der lda-
620 ooo Soldaten umkamen, waren in der Schweiz sprechenden Regierung arrangiert. Diese un ter der Ambitionen für die Zukunft des Landes. Als die mi- ren Benennung der Schuldigen eine bequeme Mêig-
«nur» 98 Tote und 493 Verletzte zu beklagen."3 Kontrolle der Tagsatzungsbataillone gewahlten litarische Konfrontation unausweichlich erschien, lichkeit, ihren eigenen Platz zu rechtfertigen und
Auf dem Schlachtfeld versuchten die Angreifer, Magistraten waren meist Anhanger der Radikalen. nahmen sie jedoch eine resignierte und zugleich dem Volk ein direktes Ven til für eventuelle Frustra-
den Feind mit den Waffen mehr zu beeindrucken, Um nun die konservativen Gebiete für die Sache unversohnliche Haltung ein. Militarisch erwiesen tionsentladungen zu bieten. Als es um die Bezah-
ais von diesen wirklich Gebrauch zu machen. Der- des Fortschritts zu gewinnen, erschien es geboten, sie sich ais eindeutig unterlegen. Ihren Führern lung der Kriesschulden ging, gerieten die «Verant-
selbe Geist der Zurüd{haltung lag den wiederholten sich versohnlich zu zeigen. Darum beschlossen die mangelte es, bedingt durch den fehlenden territo- wortlichen» der schwierigen Nachkriegssituation
Appellen zur Respektierung von Hab und Gut zu- Sieger, die installierten Regierungen als politische rialen Zusammenhang, an Koordination. Zudem ins Visier, also die alten geistlichen und weltlichen
grunde. Die spateren Sieger bemühten sich, die Be- Panner zu entlasten, denn es war heikel, eine so herrschte unter ihnen eine tiefe Uneinigkeit über Eliten, die noch immer Reichtümer besassen. Zum
vëlkerung der rebellischen Kantone zu schonen, mit grosse finanzielle Anstrengung von einer Bevëlke- Sinn und Zwedc der alles entscheidenden Konfron- anderen bezogen sich die Gesuche an die Tagsat-
Ausnahme ihrer wichtigsten Anführer. rung zu fordern, die man si ch doch ais Verbündete tation mit den übrigen Kantonen. So standen die zung ausdrücklich auf die einigenden Werte, die
Der eigentliche Beweggrund dieser Milde war auf ideologischer, religiëser, gesellschaftlicher, ja Eroberungsabsichten des Kriegsratsprasidenten wahrend des Krieges von Seiten der national Ge-
indes das nationale Ziel. Dieses Ziel beugte Ge- auf nationaler Ebene wünschte. Konstantin Siegwart-Müller den Verteidigungs- sinnten so leidenschaftlich beschworen worden
waltexzessen vor und verhinderte, dass Ausschrei- Sei es aus Kalkül oder in voiler Aufrichtigkeit: visionen des Truppenkommandanten, des Bünd- waren. Man wollte also die Sieger milder stimmen,
tungen und gegenseitige Rachegefühle einen Teu- Die eidgeni:issischen Behorden achteten stets dar- ners Johann Ulrich von Salis-Soglio (1790-1874), nicht nur mit Berichten über die herrschende Ar-
felskreis in Gang setzten, der die Bildung eines auf, die sezessionistischen Umtriebe des Sonder- diametral gegenüber, und dieser Gegensatz mach te mut, sondern auch mit einem Appell an die Ge-
geeinten Landes erschwert hatte. In diesem Sinne bunds ais Resultat eines Komplotts darzustellen. 11s schliesslich ihre gemeinsamen Anstrengungen zu- fühle der Brüderlichkeit, die in einer Nation zum
Ausdruck kommen sollten. Diese Vereinnahmung
wurde den Besiegten in den Sonderbundskantonen Indem man den Bruderkrieg den Machenschaften nichte.
von den Anhangern einer neuen Schweiz eine Kapi- eines staatsfeindlichen Klüngels zuschrieb, leug- Auch zeigten sich die Truppen, die von der nationaler Werte fand sich nun plêitzlich auch in
tulation auferlegt, deren allgemeine Bedingungen nete man die tiefen Risse, die der Konflikt offen- Gerechtigkeit ihrer Sache und daher von der Hilfe der Rhetorik der alten Elite und ihrer - trotz ge-
sich als programmatisch erwiesen. Neben anderen barte. Mehr noch, durch die deutliche Benennung Gottes für ihr Unternehmen überzeugt waren, genteiliger Behauptungen- noch immer zahlrei-
Forderungen sah sie die Übernahme der Kriegskos- von «Schuldigen» trug man dazu bei, die beiden meist kaum in der Lage, den Angreifern ernsthaf- chen Anhanger.
ten Widerstand entgegenzusetzen. Unter diesen Die Gesuche der Verlierer lassen sowohl eine
gegnerischen Parteien auf der Basis einer geteilten
(( Eidgenossische Wehnnt'inncr! Illr 'vverdetin den Ka.nton.Luzem ein- Ablehnung wieder zusammenzuschweissen. Der Bedingungen wurden die ersten Rückschlage als latente Unzufriedenheit als auch, nolens volens,
rüclœn. Wie Ihr die Grenzen überschreitet, so lasstEuren Groll zurück eine an den Pranger gestelite Feind waren die}esui- offensichtliche Beweise gëttlicher Abwendung in- eine gewisse Anpassung an das geistige Rüstzeug
und denkt nur an die Erfüllung der Pfiichten, welche das Vaterland Euch ten, die der willentlichen Zerstorung der Schweiz terpretiert. Sie lësten eine allgemeine Demoralisie- der Radikalen erkennen. Dies blieb den Siegern
aujerlegt. Zieht dem Feinde kühn entgegen, schlagt Euch tapjer und steht und des blinden Gehorsams gegenüber einer frem- rung aus und hemmten die Kampfeslust, was den nicht verborgen; sie sollten sich spa ter daran erin-
zu Eurer Fahne bis zum letzten Blutstropfen! Sobald aber der Siegfür den Macht, dem Heiligen Stuhl, bezichtigt wurden. Gegnern wiederum erlaubte, das Tempo ihres Feld- nern, als es darum ging, den Frieden zu gewinnen.
uns entschieden ist, so vergesset jedes Rachegefühl, betragt Euch wie gross- Der andere Sündenbock waren die kantonalen Re- zugs zu steigern. Doch wenn die Geschlagenen nun
auch ihre Waffen niederlegten, gaben sie deswegen Das Recht der Sieger?
miitige Krieger, denn dadurch beweist Ihr Euren wahren Muth. Th ut gierungen, die man beschuldigte, ihre Bürger in
noch lange nicht alle ihre Forderungen auf. In Zug Erwartungsgemass erfolgte der Wiederaufbau der
un ter allen Umstiinden, was ich Euch schon oft empfohlen habe. Achtet Bruderkampfe verwickelt zu haben. Aus Grün-
zeigte die Bevêilkerung keine Eile, sich radikal ein- politischen Institutionen nach dem Krieg über die
die Kirchen und alle Gebiiude, welche dem Gottesdienst geweiht sind! den des Machterhalts hatten sie die von der Tag-
gestellte Behorden zu geben. Nidwalden und dar- Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Man batte
Nichts befieckt Eure Fahne mehr, als Beleidigungen gegen die Religion.» satzung abgegebenen Garantien verheimlicht und
aufhin die ganze Urschweiz besassen nach der un- es ja nicht zuletzt deshalb zum Sonderbundskrieg
das Vertrauen ihrer Mitbürger missbraucht. Auf
General Guillau.me-H'enr! Dufour am 22. Novcm bcr 1847, zit. nach: Wilhelm Oechsli, Quellen-
umganglichen Kapitulation sogar die Kühnheit, kommen lassen, weil man das Dauerthema der
buch zur Schwetzcrgcschtchrc, kleine Au ·ga be, z ..Aun. (1. Aufl. 1886) ZUrich 1918, s. 528. der Grundlage dieser Vorwürfe entstand eine Art
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Zwischen Angst und Hoffnung . Eine Nation entsteht (1798-1848)
Die Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann

Bundesvertragsrevision einer Losung zuführen gen aussen neutralcn Bundesstaat für die I<anto (siehe .Beirrag voll Christian Pfister, S. 34).U-' Die in
wollte. Jetzt beabsichtigten die Sieger, ganz dem .1 . . 1b .
111c 1t tmmer rarsam war, SIC 1 eiKonfl.ikten inun-
ne diesetn Rahmen vollzogene Ausklammerung der
Zeitgeist entsprechend, ihre Sicht der Dinge in ei- ncrn in die Neutralitat zu flüchten und abseits z Bisenbahn harre zur Folge dass di.c ersren Bahn-
ner Verfassung zu verankern und auf diese Weise stehen. Die Sonderbundskantone bingegen wu ~~ 1 stredœtt spa ter von priva ter Ha nd erbaut wurd.en.
mit der gewünschten Legitimit:oü auszustatten.11 8 den in den kleiuen I<reis der das Fundament der vor allem aber sagt dieser Punkt etwas a us über die
DieserWunsch war nicht neu. Schon am 16. Au- künftigen Verfassung legen soli te, aufgenornmcn. l<anconalen Rivalitaten innerhalb des Gremiums
gust 1847 batte man eine Kommission aus Vertre- Allerdings handelte es sich dabei entweder um und die Bemühuug, allzu beftigen Streit zu ver-
tern der sonderbundsfeindlichen Kantone ernannt, Mitglieder von Regierungen, die unter Gewaltan- meiden.
die die Grundlagen für eine neue Verfassung erar- drohung gewahlt worden waren, oder um Ver- zweitens: Grundsatzlich lasst sich sagen, dass
beiten soUte. Die zunehmenden Spannungen und treter der radikalen Elite dieser Kantone, die den die Verfassung die Krënung des Erfolgs der Libera-
der anschliessende Kriegsausbruch hatten den Be- Krieg ausgenutzt oder sogar vorangetrieben hat- len und des Liberalismus darstellt. Der Text verrat
ginn dieses Unterfangens jedoch blockiert. Nach ten, um selbst an die Macht zu gelangen' 20 - auch diese soziale Herlmnft zum Beis piel im Artikel über
dem Ende des Konflikts konnte es auf verbreiter- wenn sie diese dann, wie etwa in Freiburg, noch die Abschaffung der Binnenzolle, welche die Wett-
ter Basis angepackt werden. Am 17. Februar 1848 viel autoritarer als ihre konservativen Vorganger bewerbsfahigkeit der schweizerischen Unterneh-
beschlossen die Sieger, die Bundesrevisionskom- ausübten. Aber es war besser, bei der Errichtung men behinderten. Mit diesem Artikel beendete die
mission einem erweiterten Personenkreis zu off- der neuen Ordnung auf die Mitwirkung aller _ Verfassung endgültig die zu Beginn der 184oer}ahre
nen. Das Gremium zahlte fortan 23 Mitglieder und oder fast aller - Kantone der Eidgenossenschaft wiederaufgenommene Debatte, in der die Verfech- Karilcatur auf die Rivalitat
tone blieben damit die massgeblichen Einheiten um den Bundessitz zwi-
umfasste nicht nur Manner aus dem siegreichen verweisen zu kënnen und so zumindest einem Teil ter einer Liberalisierung von Handel und Industrie
des politischen Lebens in der Eidgenossenschaft. schen Bern, Zürich und
Lager, sondern auch aus dem unterlegenen. Die des Widerstands, den die Verfassung unweigerlich stets auf die beharrliche Ablehnung der Anhanger Luzern, um 1848 (Sclrweizeri-
122 Die Verfassung sah natürlich keine Volkswahl des sclte Natiollalùibliothek). - Die
Einzigen, die von dem Unternehmen ausgeschlos- auslOsen würde, den Wind aus den Segeln zu neh- des Status quo gestossen waren. Indes war diese
Regelung, ungeachtet der wirtschaftlichen Vorteile, Bundesrats vor. Andererseits legte die Bundesre- November 1848 veranschau-
Wahl der Bundesstadt Ende
sen wurden, waren Neuenburg und Appenzell In- men. Ausserdem waren die gemassigten Liberal en
visionskommission jedoch fest, dass ein Kanton licht die komplexen Pro-
nerrhoden, die den Fehler begangen hatten, keine nicht unglücklich darüber, die radikale Ausrich- die sie zu versprechen schien, vor allem ein Aus-
~icht mehr als einen Bundesrat stellen dürfe. Die- bierne, mit denen man es bei
Soldaten für die Bekampfung des Sonderbunds zu tung des Gremiums auf diese Weise etwas ausglei- druck einer bereits in Gang gekommenen Entwick- der Ausarbei rung der neuen
ser Entscheid rundete jenes Element ab, das oft als Verfassung zu run hatte. Aus
stellen- es zeigte sich, dass es im entstehenden, ge- chen zu konnen. lung. lm September 1847 waren rund zehn Kantone
die klügste institutionelle Einrichtung der Bundes- Angst, die Erfahrungen mit
Die so zusammengestellte Kommission gerade im Begriff, sich per Konkordat über die Zoll- dem Rossi-Plan zu wieder-
lgnaz Paul Vital Troxler (1780-1866) oder: scheint ihre Entscheidungen, wenn auch nicht ein- frage zu einigen. Die Verfassung verstarkte diese verfassung bezeichnet wird: das Zweikammersys- holen, entschied man sich,
tem. Anfanglich scheint dies er Vorschlag allerdings d iese Frage nicht im neuen
Von oben oder von unten? vernehmlich, so doch relativ rasch getroffen zu ha- Bestrebungen lediglich und gab ihnen eine allge- Grundgesetz zu regeln. Man
eher eine KompromisslOsung gewesen zu sein. Die sprach sich gegen das unpralc-
Der im luzernischen Beromünster geborene Arzt und Philosoph lgnaz ben. Um Pressionen von aussen zu vermeiden, ar- meine, also gesamtschweizerische Gültigkeit.' 23
Das oberste Ziel der neuen Verfassung war al- Umsetzung eines modifizierten amerikanischen seinen wechselnden Ver-
tische System des Vororts mit
Paul Vital Troxler war einer der Vordenker und Wegbereiter des schwei- beitete sie unter Ausschluss der bffentlichkeit, Modells war zwar schon rund fünfzehn Jahre zu- sammlungsorten aus, privile-
zerischen Radikalismus. Sein Den ken war gepragt durch die Erfahrung was es der Geschichtsforschung erschwert, ihre lerdings - in Anbetracht der politischen Situation
vor von radikalen Denkern angeregt worden, so von gierte aber dennoch die I<an-
der helvetischen Revolution und ihres Scheiterns. Mehrmals in seinem interne Dynamik zu durchschauen. Man weiss je- und im Einklang mit liberalen Überzeugungen- 124 didatur der ehemaligen
Leben war Troxler gezwungen zu ftiehen: zweimal vor der Luzerner doch, dass die Debatten, die oft stürmisch verlie- die Umgestaltung der Institutionen. So legte die Ignaz Paul Vital Troxler oder James Fazy (1794- Tagsatzungssitze. Luzern
1878).125 Der Zürcher Jonas Furrer (18os-1861) nahm schied ras ch wegen mangeln-
Obrigkeit in den Kanton Aargau, und 1832 aus Basel, wo er kurze Zeit fen, die wohlbekannten Gegensatze der Vorkriegs- Verfassung vor allem die Vormachtstellung des Par- der politischer Kompatibilitat
die Idee in der Kommission wieder auf, um eine Ent- aus, Zürich erlittdas gleiche
sogar Rektor der Universitat gewesen war, die separatistischen Land- zeit zwischen leidenschaftlichen Verteidigern der laments gegenüber der Exekutive fest und über-
scheidung herbeizuführen zwischen den Voten aus Schicksal aufgrund seines
schi:iftler jedoch zu offen unterstützt hatte. Das Ausmass seiner Ak- kantonalen Souverani tat einerseits und Anhangern trug die wichtigsten, in den regenerierten Kan- dem Ftideralismus nicht
den bevOlkerungsreichsten Kantonen, die Auban- dienlichen übergewichts.
tivitat war gewaltig: Allein im Jahre 1831 schrieb Troxler, oft unter eines deutlich starker zentralisierten Staates ande- touen bereits garantierten Grundrechte auf die
nationale Ebene. Wichtige Anliegen der Radikalen ger einer parlamentarischen Vertretung nach demo- den Vorteil hatte, naher bei
Blieb noch Bern, das zudem
Pseudonym, 296 Zeitungsartikel, in denen er sich unter anderem für rerseits noch einmal aufbrechen liessen. An der Ver- graphischer Grosse waren, und jenen a us der histo-
wurden ebenfalls verankert: die Revidierbarkeit den Westschweizeri<antonen
die Schaffung eines Bundesstaates einsetzte. 119 Aufgrund seines Ka- fassung, die aus diesen Diskussionen hervorging, rischen Wiege der Eidgenossenschaft, die für eine zu liegen.
tholizismus und Radikalismus war es nur konsequent, dass er im fallen drei wesentliche Züge auf, die im Folgenden der Verfassung per Volksreferendum und die For-
strikt kantonale Vertretung pladierten. Die vorge-
Straussenhandel (siehe S. .-:108) wie auch im Zuge anderer konserva- genauer betrachtet werden sollen. Dabei erscheint derung der allgemeinen Wohlfahrt. Zwar enthielt
schlagene LOsung überzeugte nicht sogleich: Sie sei
tiver Reaktionen mit philosophischen Argumenten für die lnteressen bemerkenswert, dass eine ganze Reihe von Bestim- die Verfassung darüber hinaus Bestimmungen wie
in keiner lokalen Tradition verwurzelt, sie werde
des Volkes und gegen die liberalen Regierun- mungen die Handschrift der Sieger tragt, zugleich das Verbot der Todesstrafe für politische Delikte
gen Stellung bezog. Er erkannte in diesen aber auch Ausdruck deren ideologischer Divergen- oder die der Schaffung einer eidgenossischen Uni- den Ablauf der Geschafte verlangsamen und sei zu
teuer. Schliesslich wurde sie von der Tagsatzung
Volksbewegungen Zeichen einer neuen Zeit zen ist. Darüber hinaus atmet das Dokument zwei- versitat, doch blieb sie in ihren Forderungen nach
dennoch angenommen. Allerdings sah diese darin
und nicht eine Bedrohung liberaler Errungen- felsohne den Geist sein er Epoche. fortschrittlichen Reformen insgesamt moderat.
nur einen vorlaufigen Beschluss, der helfen soUte,
schaften. Vor allem aber wehrte er sich gegen Erstens: Ein aufschlussreiches Beispiel für die- Drittens: Der Einftuss der Besiegten faUt viel-
eine Blockade aufzubrechen, deren Andauern mit
eine Reform von oben, wie sie 18.-:17/.-:18 von sen allgemeinen Geist findet sich in Artikel 21, der leicht nicht unmittelbar auf, denn er verstecl<t sich
einem hohen politischen Risiko verbunden gewe-
einer Tagsatzungskommission dann auch tat- dem Bund das Recht zuspricht, «irn Interesse der in den Punkten, über die sich die Verfassung aus-
26
sachlich durchgeführt wurde, und forderte Eidgenossenschaft» Offentliche Werke zu finanzie- schwieg und die sie damit ausdrücklich den Kanto- sen ware.'
Die Gefahr des Scheiterns drohte von zwei
vergeblich eine Reform von unten durch einen ren, womit Bauvorhaben zum Schutz der Bevol- nen überliess. Tatsache ist, dass sie auf diese Weise
Ignaz Paul Vital Troxler
vom Volk gewahlten Verfassungsrat. Mehr Er- kerung vor Naturgefahren gemeint waren. Diese der kantonalen Souveranitat eine entscheidende Seiten, von innen und von aussen, und sie erklart
um 1830, nach einer Litho- das hohe Tempo der Kommission, die ihre Arbeit
graphie von Bernhard folg hatte er mit seinem Vorschlag, nach dem Bestimmung veranlœrte ein wichtiges soziales An- Bedeutung einraumte. Besonders deutlich kommt
Egli, in: Martin Hiirlimann schon am 8. April abschliessen konnte. Die in die-
Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika liegen der Fortschrittlichen, zugleich widerspiegelt dies im sozialen und lmlturellen Bereich zum Aus-
(Hg.), Grosse Schweizer. sem zusammenhang feststellbare Fügsamkeit der
Hundertzehn Bildnisse zur das Zweikammersystem - eine nationale sie eine «prometheische» Beziehung zur Umwelt, druck. Das Schulwesen, die Ausbildung der Lehrer,
eidgenossischen Geschichte unterlegenen Sonderbundskantone war lœin Aus-
Volksvertretung ne ben einer kantonalen Stan- die als wilde und feindliche Umgebung durch den die Polizei sowie die Fürsorge wurden weiterhin-
und l(ttltur, Zürich 1938, druck ihrer plOtzlichen Bekehrung zu den Prinzi-
5.496. devertretung - zu etablieren. zivilisierten Menschen gebandigt werden soUte und werden bis heu te- kan tonal geregelt. Die Kan-

415
414
Zwischen Angst und Hoffnung . Eine Nation entsteht (1798-1848)
Die Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann

Messieurs, Daignez agréer les f élicitatians et les vœux de deux seligkeiten. Dieser Vorfall erlaubte es den Siegern freulicben Auswirlmngen det· Bevormundung die brach te, dass es von Vorteil sei, sich miteinander zu
(( hommes qui, les premiers, on t combattu dans lew·pays l'ennemi que des Sonderbundskrieges, ein ironisch gefarbtes y:ormulierung des Anspruchs auf Anerkennung vertragen, auch wenn man sich noch nicht wirklich
vous venez de chasser du vôtre[... ] Vous avez consolé la France- Pères, Dankesschreiben zu verfassen, in dem sich un ter ais Nation an, zum anderen spornre die forrschrci- verstand.
tende Abschwachung der Ein flussnahme diesozia- Dieser Gedanke vermochte die zur letzten Tag-
ancêtres et maîtres de la liberté républicaine, du Gouvernement de l'aven il~ anderem folgende Aussage findet: «Les peuples
Ien Akteure dazu an, das Konglomerat von Kan- satzung zusammengekommenen Delegierten der
continuez d'en donner au monde la véritable tradition. Tandis que la des 22 cantons, malgré leurs diversités d'origines
wnen de facto und de iure in ein einheitlicheres Kantone offenbar zu überzeugen, denn nur dieAb-
Calabre, la Pologne, toute la terre fum e du sang de nos martyrs, des mar- de mœurs, d' instituti.oos locales et de religion'
ordnung aus Schwyz lehnte die neue Verfassung ab.
tyrs de la Liberté, -là où elle règne et triomphe point de sang, point de forment une seule et même nation, la natio~ sraarsgebilde umzuformen.
suisse»128 («Die Volkerschaften der 22 Kantone, un- Dass dieses Ziel skh nicht konfliktfrei verwirk- Bis zu einem gewissen Grad kam es auch in der Be-
violence, la paix dans la force- que tous voyent [sic], reconnaissent, à ce
geachtet ihrer untersch iedlichen Herkunft, Sitten, lichen liess, hing mit den unterschiedlichen Erin- vollœrung, die zur Abstimmung aufgerufen war,
spectacle, où est la cause de Dieu![... ] L'unité nationale, que vous cherchez nerungen an die einzige einheitsstaatliche Peri- zu einem Einvernehmen. In Obwalden und Ap-
Institutionen und Konfession, bilden zusammen
et voulez, serait compromise, autant que l'humanité, par toute violence eine Nation, die schweizerische Nation»). ode zusammen, welche die Schweiz gekannt batte: penzell Innerrhoden lag der Anteil der Ja-Stim-
partielle. Constituez, hommes de la Suisse, votre unitépar la clémence!»* Am 18. Januar 1848 jedoch drohten die auto- die Helvetik. Die Divergenzen im kollektiven Ge- men allerdings unter 10 Prozent. Dieses schwache
Brief der fra nzosischen Republikaner Edgar Quinet {J803-1875) und Jules Michelet(1798-1 874)
ritaren Monarchien abermals, im Falle einer Ver- dachtnis führten zu einer bemerkenswerten politi- Abstimmungsergebnis lasst sich als Kompensation
vom 12. Dezember 1847 an die Mitglieder der eidge noss ischen Tagsatzung Archives d'Etat de
Genève, Genf, RC Ann AF 1847 II, 254. ' fassungsrevision militarisch zu intervenieren. Vor schen Kreativitat. Tatsachlich sind die erweiterten für die erlittenen Demütigungen und als deutli-
diesem Hintergrund bedeutete der Ausbruch der volksrechte in der Verfassung von 1848 nicht allein che Zurückweisung der vorgeschlagenen Lebens-
pien der Sieger, sondern ihrer Demütigung. Mit Februarrevolution in Paris am 22. Februar, nur Ausdruck liberaler Prinzipien. In diesen Rechten formen interpretieren; nichts deutet darauf hin,
anderen Worten, sie konnte jederzeit in eine un- fünf Tage nach der ersten Sitzung der Bundesrevi- haben sich auch demokratische Prinzipien nieder- dass es sich dabei um die Ablehnung der Idee einer
versohnlichere und weniger leicht zu kontrollie- sionskommission, eine Atempause in einer heiklen geschlagen, die mit z.wei ganz unterscbiedlid1en schweizerischen Nation als solcher handelte. Die
rende Haltung umschlagen. Es war daher geraten, Lage und zugleich einen Ans po rn, die Vollendung Argumenten begründet wurden. Nach klassischer Resultate der anderen neutralen oder unterlege-
die politische Lahmung der Verlierer so schnell wie des grossen Projekts zu beschleunigen. Gewiss Auffassung stellen sie die konsequente Weiterfüh- nen Kantone waren deutlich positiver. Sie reichten
moglich zu nutzen, um eine neue Ordnung zu er- konnte niemand voraussehen, dass sich die Ereig- rung und Erweiterung des Prinzips der Volkssou- von einer Zustimmung von 14 Prozent in Uri bis zu
richten. Ein emeutes Aufflammen der Feindselig- nisse in Frankreich rasch zu einem allgemeinen veranitat dar, der rechtlichen Basis jedes Reprasen- 95 Prozent in Neuenburg. Indes müssen Freiburg
keiten, welches das oberste Ziel der Sieger zunichte Flachenbrand auf dem Kontinent entwickeln wür- tativsystems. Eigenwilliger ist ihre Konzeption als und Graubünden hier ausgenommen werden, da
gemacht batte, wollte man umjeden Preis verhin- den. Sicher ist hingegen, dass die Garantiemachte historisches Erbe und ihre Legitimation durch die dort jeweils nur der Grosse Rat den Verfassungs-
dern. Dieses Ziel, das auch die taktischen Rückzie- des Bundesvertrags von 1815 wegen der revolutio- Tradition. Erst in diesem Sinne überzeugten sie text ratifizierte, ebenso Luzern, wo nach verbrei-
her rechtfertigte, bestand in der Bildung der Nation naren Umtriebe so sehr mit eigenen Problemen be- auch die Konservativen. So trafen sich die beiden teter Gewohnheit die Stimmenthaltungen zu den
oder, um die Rhetorik der Zeit aufzugreifen, in der schaftigt waren, dass sich für die Sieger des Sonder- gegensatzlichen Auffassungen auf dem Gebiet des Ja-Stimmen gezahlt wurden.
Wahlrechts, und man naherte sich einander auch in Dank des entscheidenden Einft.usses der stad-
Wiedererrichtungjenes alten Bunds der Schweizer, bundskrieges ein Zeitfenster offnete, das sie nutzen
dessen Seele die Fortschrittlichen wiedererweckt gesellschaftspolitischen Fragen an. Dennoch fand tischen Wahlerschaft nahmen nahezu 6o Prozent
mussten: Es galt, das neue Regime auf eine verfas-
jedes ideologische Lager wieder andere Antworten, der Stimmenden die neue Verfassung an. In die-
zu haben glaubten und dessen «Einheit, Kraft und sungsmassige Grundlage zu stellen, um das Risiko
als es um die praktische U msetzung ging. sem Resultat spiegelt sich die grundsatzliche Zu-
Ehre» mit der neuen Verfassung gefestigt werden einer Einmischung von aussen zu eliminieren. Und
sollten. 127 Tatsachlich hatten die wahrend des Sonder- stimmung der Bevolkerung zu einer spezifischen
in der Tat, die neue Verfassung der Schweiz war aus-
bundskrieges scharf hervorgetretenen Gegensatze Form des Zusammenlebens als Nation, zugleich
J ene Aufgabe erschien umso dringlicher, als es gearbeitet, genehmigt und erprobt, lange bevor in
den Anschein hatte, dass die Besiegten auf Unter- Euro pa wieder Ruhe einkehrte. das gemeinsame Interesse jenseits der Kluft zwi- aber auch die relativ bescheidene Überlegenheit
stützung von aussen zahlen konnten. Schon wah- schen links und recl1ts einerseits und katholisch der zustimmenden Mehrheit. In einigen Fallen
rend des Bürgerkriegs hatten die Bundestrup- Eine Nation entsteht und reformiert andererseits vielfach überdeckt. batte die Zurückhaltung allerdings eher materi-
pen die mit so vielen unheilvollen Erinnerungen Auch wenn dieses Ergebnis der zügigen Arbeit der Die theoretischen Berührungspunkte- jenseits der elle als ideologische Gründe, wie etwa die Ableh-
verbundene und den nationalen Ambitionen ab- Kommissionsmitglieder zu verdanken ist, so lasst es ideologischen Differenzen - fanden sich zwar erst nung der Tessiner zeigt, die weniger gegen den
tragliche Intervention fremder Machte nur ver- sich doch in eine umfassendere, die gesamte Perio- auf einer relativ hohen Abstraktionsebene: zum ei- Geist des Textes als vielmehr gegen gewisse Zoll-
hindern konnen, indem sie oh ne Zeitverzug han- de lœnnzeichnende Dynamik einordnen. Die erste nen in einem geschichtsphilosophischen Konzept bestimmungen opponierten. Bezeichnenderweise
delten. Die militarische Auseinandersetzung war Halfte des 19. Jahrhunderts war gepragt von einer der Eidgenossenschaft, die über die J ahrhunderte haben gerade jene Bevolkerungssegmente, wel-
bereits nach weniger als drei Wochen beendet. In sich allmahlich abschwachenden Einflussnahme zur Na ti on zusammenwachsen soUte, zum anderen che die Verfassung und das ihr inharente Gesell-
der Zwischenzeit batte England in Sorge um das der auslandischen Machte auf die Eidgenossen- in einem modern en prozeduralistischen Staatsver- schaftsprojekt guthiessen, spater durch sozialen
europaische Gleichgewicht alles Erdenkliche ge- schaft: Am Anfang stand eine militarische Beset- standnis, das den notwendigen Raum für die Inte- Aufstieg von ihrer Entscheidung profitiert und da-
tan, die Behandlung der Angelegenheit un ter den zung, diese ging über in eine Schutzherrschaft, gration der divergierenden Vorstellungen bot. We- mit dem neuen Staat ein Fundament gegeben, wie
Grossmachten zu verschleppen. Aus diesen Grün- ausgeübt erst durch einen, dann durch mehrere sentlich bei diesem Findungsprozess war jedoch die es die Auseinandersetzungen und Befürchtungen
den stellten Frankreich, England, Preussen, Russ- Staaten, und mündete in einem gewissen Kontroll- Angst vor Niedergang und Chaos - eine allgegen- im Vorfeld seiner Gründung sicherlich nicht hat-
land und 6sterreich ihr (in drohendem Ton gehal- vakuum. Diese Entwicklung starkte das schweize- wartige Angst, welche schliesslich die, wenn auch ten erwarten lassen.
tenes) Vermi ttl ungsange bot erst am 30. Novem ber rische Nationalgefühl in doppelter Hinsicht. Zum noch fragile, Übereinstimmung darüber hervor-
1847 zu, also einen Tag nach dem Ende der Fei nd- einen regten die materiell und moralisch uner-

• «Hochgeachtete Herren! Gestattet zwei Mdnnern, die in ilmm Land als Ers te den Fei nd bekiimpft ha ben, den Ihr soeben vertrieben habt,
Euch d~e besten Gliick~ und Segenswiinsche darzubringen. [...] Ihr habt Frankreich Trost zugesprochen - Ihr Va ter, Vorfahren und Meister der
republtkantschen Frethett, der Staatsform der Zukunft,fahrtfort, deren wahre Tradition der Welt zu schen/œn. Wahrend Kalabrien, Polen,ja
dte ganze Erde vom Blut unserer Miirtyrer dampft, der Miirtyrer fllr die Freiheit - ist da, wo Freiheit herrscht und triumphiert, nicht Blut noch
Gewalt, sondem Frteden m Kraft und Stiirke, auf dass alle sehen und erkennen, wo Gottes Wer/( vollbracht wird! [... ]Die nationale Einheit,
dte Ihr sucht und wiinscht, wiiregefiihrdet, die Menschlichkeit befteckt durchjede einseitige Gewalt. Errichtet daher Ihr Miinner der Schweiz
Eure Einheit mit M ilde und Grossmutl» ' '

.1117
Die Geschi c hte der Schweiz - Irène Herrmann
Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation ents teht (1798 - 1848)

Gründe des Missbehagens analysiert, welches mit den Bemü- um den Preis der Aufgabe ihrer Souveranitat ais eigenstandige
[Jungen um Verein heirJidmng einherging. ' 34 Darüber bina us Republiken, selbst un ter Liberalen nicht unumstritten war. Und
enrstanden zahlreiche Studien zu den Anfàngen der Nationsbil- ferner hat sich das Bild der Landsgemeinde, einer Institution, die
du ng, die sich an neuen methodologischenund historisd1en Er- zuvor oft als eigentliche Statte des Machtmissbrauchs dargestellt
Iœnntnissen orientierten. Durch diese Arbeiten konnten Fort- worden ist, zum Positiven gewendet.'37
schritte in drei zusammenhangenden Bereichen erzielt werden: Der Wunsch, sich von den früher in der Geschichtswissen-
Es kam zu einer Vertiefung der neuen Forschungsansatze, gan- schaft etablierten Sichtweisen zu lüsen, seien es klassisch-tradi-
gige Interpretationcn wurdcn in Fragc gesrellt, und es eroffneren tionalistische oder solche aus den 196oer Jahren, hat seinerseits
sicb neuc Arbeitsfelder. Die Untersuchungen bestarig ren zum zur Entdeckung neuer Themenfelder geführt. Auf theoretischer
ZUM STAND DER FORSCHUNG einen die grosse Bedeutung der Vereinsarbeit und des Schul- Ebene versuchen etwa Autoren wie Andreas Ernst in überzeu-
systems sowie diejenige von kollektiven Bildern und Vorstellun- gender Weise, soziologische und politologische Modelle auf die
Das Kapite] von Georges Andrey in der Geschichte der Schweiz und der schiedenen Formen des nation building. Die Auswirkungen dies es gen. Angeregt von Gruners grundlegenden Werken wurden nun Schweizer Geschichte anzuwenden. Eher von empirischen Fra-
Schweizer, das sich mit dem hier vorgestellten Zeitraum befasst, neuen Forschungsinteresses auf die Schweiz liessen nicht lange zum anderen die soziologischen Aspekte des Kampfes herausge- gestellungen geleitet, befassen sich zudem immer mehr For-
bietet eine ausgezeichnete Synthese der historischen Kenntnisse auf sich warren: In Fortsetzung der Pionierarbeiten von Daniel arbeitet, den die Freisinnigen für die Modernisierung ihres Kan- scherinnen und Forscher mit der Lebensweise von benachteilig-
und Problemstellungen, wie sie zu Beginn der 198oer Jahre vor- Frei oder Ulrich lm Hof131 wiesen Historiker wie Hans Ulrich} ost tons und ihres Landes führten. ten Gruppen wie den Frauen, den Heimatlosen oder denJuden.
herrschten. And reys besondere Aufmerksamkeit galt den bis zu oder Albert Tanner auf die entscheidende Bedeutung des zu Be- Diese Wiederentdeckung des Politischen hat unweigerlich Eine wachsende Zahl von Forschenden erkundet die Lebenswelt
diesem Zeitpunkt in der Geschichte der Schweiz vernachlassig- ginn des 19. Jahrhunderts florierenden Fest- und Vereinslebens zur - manchmal polemischen- Neuinterpretation von Proble- der Verlierer des Sonderbundskrieges. Damit werden nicht nur
ten soziookonomischen Faktoren. Seine Darstellung drückt zu- für die politische Zukunft der Eidgenossenschaft und die Ent- men geführt, die bis anhin strikt okonomisch erklart worden wa- neue Perspektiven eroffnet, sondern es wird auch eine Darstel-
dem gewisse Vorbehalte gegenüber den rein ereignisgeschicht- stehung einer nationalen Identitat hin.'32 Die zuletzt genann- ren, oder, haufiger noch, zur erneuten Beschaftigung mit Fragen, lung ermoglicht, welche jene Epoche unausweichlich auf eine
lichen Aspekten des von ibm behandelten Zeitabschnitts aus, ten Publikationen erschienen mn das Jahr 1990, im Vorfeld eines die gerade wegen dieser Tendenz zu okonomischen Sichtweisen Entscheidung zusteuern sieht, oh ne sie jedoch quasi schicksals-
wenngleich ein besonderes Interesse an politischen Phanome- JubiHiums, in dessen Mittelpunkt nun tatsachlich die Schweiz seitJahrzehnten nicht mehr im Mittelpunkt des Forschungsin- haft in den Erfolg der Radikalen und Reformierten von 1848
nen ebenfalls nicht zu verkennen ist. 129 stand. Die Siebenhundertjahrfeier der Eidgenossenschaft regte teresses gestanden hatten. Beachtliche Anstrengungen wurden münden zu lassen.
And reys Text gab die Richtungen vor, welche die Forschung die Fachleute dazu an, jene Epoche, die traditionell als Grün- etwa unternommen, um einen genaueren Einblick in die Regu- Die Erforschung der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts
in den folgenden Jahren einschlagen soli te. Ein Teil der Unter- dungszeit des Landes gilt, neu zu betrachten. Die von den Me- lierungs- und Klassifizierungssysteme im Handelsverkehr zu er- wird durch Jubilaen, vor allem aber auch durch aktuelle Ereig-
suchungen befasste sich weiterhin mit der Wirtschafts- und So- diavisten angeregte Überprüfung hatte indes auch bedeutende halten, was namentlich ein besseres Erfassen der Zollorganisa- nisse standig vorangetrieben. Gerade die heutigen gesellschaft-
zialgeschichte. Die Arbeiten von Erich Gruner behandelten die Konsequenzen für die mit dem 19. Jahrhundert befasste Ge- tion erlaubte. Wesentlich starker umstritten ist der Ansarz, die lichen Herausforderungen legen einerseits nahe, die typischen
Arbeiterfrage in nahezu erschopfender Weise,'3° doch liessen schichtsschreibung. Denn in der Tat kristallisierte sich damais lange Zeit ebenso rein okonomisch interpretierten Gründe und Themen der Wirtschaftsgeschichte emeut aufzugreifen und da-
sie auch Raum für die Vertiefung oder gar Entdeckung weiterer, eine deutlich auf den Aspekt der Nationsbildung ausgerichtete Ziele der Verfassung von1848 aus nationaler oder klassenkimp- mit an die Fragestellungen anzuknüpfen, die seinerzeit der Ge-
mehr oder weniger mit ihr verbundener Bereiche. Besondere Fas- Sichtjener «Gründungszeit» des Mittelalters heraus. Die Arbei- ferischer Sicht neu zu beurteilen. 13s schichte der Schweiz und der Schweizer zugrunde lagen. Andererseits
zination übte etwa die Demographie aus, nicht zuletzt aufgrund ten des Mediavisten Guy P. Marchal- zum Teil Weiterführungen Die Neubewertung und damit die Kontroversen betref- fordert die Aktualitat die Geschichtsschreibung auch dazu auf,
des wachsenden Interesses an familiaren Netzwerken (siehe Bei- seiner früheren Studien- fanden ein ausserordentliches Echo. 133 fen vor allem eine protestantische, freisinnige und «nationa- an die Tradition der grossen Schweizer Geschichten anzuknüp-
trag von Elisabeth Joris, S. zso), insbesondere im Zusammen- Zwar lag sein Fokus weder auf der Restauration noch auf der Re- lisierende» Lesart der Vergangenheit. Dies zeigt sich etwa im fen, denn epochenübergreifende Darstellungen bieten einen
hang mit Migration. Mit der Demographie vermochte sich auch generation, doch konnte er anhand der Geschichte des Mittelal- Zuge von Debatten wie jener über die Zahl der Todesopfer des Schlüssel zu einem neuen und tieferen Verstandnis der Vergan-
die Klimageschichte ais Forschungsfeld zu etablieren. Dieser An- ters aufzeigen, wie sich der Gebrauch der Geschichte zu politi- Sonderbundskrieges; 136 Debatten, die zunachst unbedeutend genheit. Gerade in Hinblick auf die Schwei zer Geschichte der ers-
satz bereicherte wiederum die Studien zur Landwirtschaft, die in schen Zwecken entwickelte und welch entscheidende Rolle diese erscheinen, tatsachlich aber die Grundvoraussetzungen der ten Halfte des 19. Jahrhunderts, in der verschiedene langfristige
der Schweiz oft mit der Untersuchung der Heimarbeit und der Instrumentalisierung 1848 bei der Transformation des Konglo- schweizerischen Geschichtsschreibung in Frage stellen. Neue Entwicklungsstrange in der Schaffung des Nationalstaats
beginnenden Industrialisierung einhergehen (siehe Beitrag von merats von Kantonen in einen eigentlichen Nationalstaat spielte. Forschungsergebnisse zur Verkehrsgeschichte haben die Zasur kulminieren, konnen solche «grossen Erzahlungen» zu einem
Jon Mathieu, S. 184). Die Überschneidungen und Interdependen- Dieses Thema bildete auch die Grundlage vieler Publika- relativiert, die gewohnlich zwischen Restauration und Regene- besseren und vor allem spezifisch historischen Verstandnis bei-
zen der Forschungsfelder weisen auch darauf hin, warum sol che tionen, die aus Anlass eines dritten Jubilaums im Jahre 1998er- ration gesehen wurde. Zudem hat sich gezeigt, dass die «Natio- tragen.138
Studien haufig in Kantonsgeschichten enthalten sind: Die Kan- schienen. Die Zweihundertjahrfeier der Helvetischen Republik nalisierung» der Kantone, das heisst deren Zusammenschluss
toue bilden einen in sich homogenen und somit besser fassba- sowie die Hundertfünfzigjahrfeier des Bundesstaates wurden
ren Rahmen ais die Eidgenossenschaft ais Ganzes. So erstaunt bereits im Vorfeld von geschichtswissenschaftlichen Studien be-
es nicht, dass sich die Textgattung der Kantonsgeschichten seit gleitet, welche die Wahrnehmung der ersten Halfte des 19. Jahr- ANMERKUNGEN
Mitre der 198oer Jahre in starkem Aufschwung befindet. Ihr hunderts massgeblich veranderten. Zahlreiche Autorinnen und 1-Zu r Si mplonstrasse s - Chris tian Simon (Hg.), xelles/Berlin/ Zürich 2003. Würgler, Aush andel n statt Pro- d' Affry, 1743- 1810: premier
Erfolg ist aber auch Ausdruck und Resultat einer Rücldœhr der Autoren vertieften in ihren Arbeiten frühere Forschungsansatze. siche Arthur Fibi cher, Walliser Bd. 1: Widerstand und Pro tes te 7- AdolfRohr, Philipp Albert zessieren. Zur Ko nftiktlmlrur Jandanunan de la Suisse: la
Geschichte, Bd. 3.1, Sitten 1993, zur Zeit der Hel vetik 1Rés is- Stapfer: Minis ter der Helveti- der al ren Eidgenossenschaft im Confédérati on suisse à l'heure
politischen Geschichte. Das Verstandnis der Revolutionsperiode, deren (Neu-)Erkun- s. 89- 96. tance et contestation à l'époque schen Republik und Gesandter Vergleich mir Frankreich und napoléonienne, Genève/Givi-
Diese bereits bei Audrey erkennbare Tendenz zur politi- dung bereits rund ein Dutzend Jahre vor dem Jubilaum einge- 2- Jürg Stüssi-Lauterburg, de l'Helvétie, Base! 1998; der Sch weiz in Pari s 1798-1803, de m Deutschen Reich (1S00- siez 2003; Irène Herrmann,
Fiideralismus und Freiheit. Der j acques Besson, L' insu rrec tion Baden zoos. 18oo), S. zs-38, und Thomas Un intermédiaire en deçà du
schen Geschichte soli te sich in den neunziger Jahren anlasslich setzt harre, konnte dadurch wesentlich verbessert werden. Nach Aufstand von 18oz: ein in der des Bourla-Papey (ou brûleurs 8-Arr. 14 derVerf. vom s.Juli Maissen, Dispuratio de Hel· Médiateur: le Landammann, in:
der Feier mehrerer Jahrestage akzentuieren. Das erste dieser Ju- einem Jahrzehnt engagierter Neuinterpretation und Rehabili- Schweiz geschriebenes Kapi tel de papiers) dans le Canton du 18oo, in: Alfred KO! z, Neuere vetHs, an natu ra consentlant. Société vaudoise d'histoire et
Weltgeschichte, Brugg 1994. Léman du 15 septembre 18oo à Schwei zerische Verfassungsge- Frühneuzeirliche Annaherun- d'archéolog ie (Hg.), Vaud sous
bilaen war kein schweizerisches, sondern ein europaisches,j a so- tation, getragen von der Bewunderung für die Modernitat der 3- H istorischer Verein Nid- fi n septemb re 18oz et l'abolition schich te. Ih reGrundlinien vo m gen an d ie Sch weizer Konsens- l'Acte de Médiation. 1803- 1813.
gar ein weltweites: die Zweihunderrj ahrfeier der Franzosischen damais in Angriff genommenen Reformen und ihre Promoto- waldcn (Hg.), Nid walden 1798. des droits féo daux dans le can- Ende der Alten Eidgenossen- berei tschaft, S. 39- 56. La naissance d'un canton confé-
Gesch ichte und Überlieferung, ton de Vaud (loi du 31 mai 1804), schaft bis 1848, Bern 1992, S. 138. 1 1 - Irène Herrmann 1Cori nne déré, zooz, S. ng- 123.
Revolution. Dieses Ereignis regte die Produktivitat der Histori- ren, schien es schliesslich jedoch ruhiger zu werden rund um je- Stans 1998, S.118f. Le Mont-sur-Lausanne 1997· 9 - Anne-Marie Dubler, Walke r (Hg.), La mémoire de 13 - Roger Durand (Hg.), Guil-
ker merklich an und lenkte beispielweise den Blick auf soziale nes Themenfeld. Als greifbares Zeichen der Entwicklung hin zu 4 - Jürg Stüssi-Lauterbu rg/ 6 - Alfred Dufour et al. (Hg.), Handwerk, Gewerbe und Zunft 1798 en Suisse romande: repré- laume-Henri Dufour dans son
Hans Luginbühl/ Richard Mun- Bonaparte, la Suisse et l'Europe. in Stad t und Landschaft Luzern, sentations collectives d'une temps (1787-1875), Genève 1991;
Praktiken, derenAnfange auf das}ahr 1789 zurückgehen: Nach- einer weniger emotionalen Debatte kann der 1998 erschienene day 1Uel i Stump, Wel tgeschi ch- Actes du Colloque européen Luzern/St uttgart 1982, S. 169f. période révol utionnaire, Lau- Jean-Louis Rieu, Mémoires de
einander tratennun Feste, Vereine und Lieder ins historiogra- kleine Samme! band Widerstand und Proteste zur Zeü der Helvetik an- te im Hochgebirge. Enrschei- d' histoire constitutionnelle 10-Vgl. Traverse,Jg. 8, Nr. 3, sanne zoo!. j ean-Louis Rieu, ancien premier
dung an der Gri msel, 14. August pour le bicentenaire de l'Acte de 2001: Die Schweiz - Land des 12- Georges Andrey 1Alai n- syndic de Genève, Genève/Base!
phische Blickfeld und motivierten zur Untersuchung der ver- geführt werden, der auf eine ausgesprochen sachliche Weise die médiation (1803-2003), Bru- Konsenses?, darin insb. Andreas Jacques Czouz-Tornare, Lo ui s 1870.
1799, Baden 1999.
Zwischen Angst und Hoffnung. Eine Nation entsteht (1798-1848)
Die Geschichte der Schweiz - Irène Herrmann

119-Emil Spiess (Hg.), Biblio- 129 - Vgl. Kreis (Hg.), Weg z ur


Régime à la Restauration (1798- taS-Carlo Moos, Dimensio-
14-Matthias Schulz, Normen Escher von der Lin th-Gesell- sociabilité: l'exemple des socié- tionnemen t des ménages, in: Schweiz. Die süddeurschen Jdentil~t. t8-\S- 1914·1'roblcmc. nen eines Bürgerkriegs. Für graphie Troxler, Bd. 1, Gia rus Gegenwart.
Er rungcnschaftcJl, Mlsscrfol ge, 1835), in: Guy Bedouelle/Fran- 130 - Gruner, Arbeiter.
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çois Walter (Hg.), His toi re reli- 131-Daniel Frei, Die Forde-
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