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School of Theology at Claremont

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Michael Schmaus, Katholische Dogmatik II,2
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Michael Schmaus
Professor an der Universität München

Päpstlicher Hausprälat

Katholische Dogmatik
ZWEITER BAND

Zweiter Halbband

Gott der Erlöser

Sechste, vermehrte Auflage

1963
MAX HUEBER VERLAG MÜNCHEN
Mit kirchlicher Druckerlaubnis
München, 14. 5. 1963, GV Nr. 3436

Matthias Defregger, Generalvikar

© 1963 by Max Hueber Verlag München


Druck: l
Akademische Buchdruckerei F. Straub, München
Printed in Germany
Dekan Pfarrer Georg Schmaus

zu eigen

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Aus dem Vorwort zur 1. Auflage

Wenn ich die zahlreichen Verweise auf Früheres und Späteres


auch in diesem Bande beibehielt, so geschah es nach reiflicher Über-
legung. Der Leser soll ständig an den Zusammenhang erinnert werden,
in welchem eine Einzelwahrheit steht. Erst so wird sich deren ganze
Bedeutung und Tragweite erschließen. Ich bitte daher, die Verweise
nicht nur als Ornamente zu betrachten, sondern als Studienhilfen.
Sie sollen dazu verhelfen, über die Kenntnis des einzelnen hinaus in
den Sinn und Geist des Ganzen einzudringen und so zugleich den
Rang zu finden, den das einzelne im Ganzen der Offenbarung, des
Glaubens und der Frömmigkeit einnimmt.

Münster i. W., im März 1941.

M.Schmaus

Vorwort zur 6. Auflage

Die vorliegende Auflage wurde wiederum weitgehend umgearbei-


tet. Insbesondere ist die seit längerer Zeit in Frankreich mit großer
Lebendigkeit geführte, nun auch in Deutschland aufgenommene Dis-
kussion über die Struktur der Gestalt Christi, vor allem über sein
menschliches Wissen, verarbeitet worden. Ferner wurden die neuen
christologischen Erkenntnisse der Bibeltheologie verwertet. Ich hoffe,
daß der Leser der neuen Auflage alles findet, was man bei dem
heutigen Stande der Theologie von dem Werk erwarten darf. Viele
Fragen mußten begreiflicherweise offen bleiben. Der Kundige wird
sehen, daß auch das Zweite Vatikanische Konzil bei der Überarbeitung
des Bandes seinen Einfluß geltend machte.
VIII Vorwort

Niemand kann übersehen, daß die katholische Theologie heute


in eine Bewegung geraten ist, die vor wenigen Jahrzehnten unmöglich
zu sein schien, die auf keine Weise erwartet werden konnte. Sie
nimmt an einigen Stellen den Charakter einer Krise an. Von manchen
katholischen Theologen wird die bisherige Theologie so heftig ge-
tadelt, ja verurteilt, daß Beunruhigungen und Verwirrungen entstehen.
Es erhebt sich die ernste Frage, ob das, was bisher im allgemeinen
Bewußtsein als katholische Lehre galt, einer so schweren Kritik unter-
zogen werden kann, ohne daß die Glaubensfreude selbst bedroht wird.
Nicht wenige Aufsätze und Artikel der Gegenwart beginnen jeweils
mit einer scharfen Ablehnung dessen, was die katholische Theologie
bisher geleistet hat, um auf dem gründlich abgeräumten Felde ein
neues Gebäude zu errichten. Soweit es sich bei solchen Äußerungen
um den Ausdruck des individuellen Temperaments handelt, haben sie
geringe theologische Valenz. Soweit sich aber in ihnen die Zurück-
weisung der bisher ausgearbeiteten Theologie ankündigt, läßt sich
diese theologische Bewegung nicht ohne tiefe Sorge verfolgen. Es ist
bisher für die katholische Theologie bezeichnend gewesen, daß sie
das Vergangene nicht preisgibt, um etwas Neues zu schaffen, sondern
daß sie das Neue jeweils aus dem Vergangenen oder wenigstens auf
dem Fundamente der Überlieferung entfaltet und entwickelt. Diesem
Prinzip versucht auch der vorliegende Band treu zu bleiben.

Es spielt, wie jeder leicht sehen kann, eine entscheidende Rolle


in dem Verhältnis von Schrift und Überlieferung. Deren gegenseitige
Abgrenzung und Zuordnung, ihr Unterschied und ihr wesentlicher,
innerer Zusammenhang sind einer Vertiefung dringend bedürftig.
Wenn die diesbezüglichen Bemühungen aber darauf hinauslaufen, die
Überlieferung zu Gunsten des Schriftprinzips auszuhöhlen, entstehen
die verhängnisvollsten Folgen. Es lassen sich zwar sämtliche katho-
lischen Dogmen, „irgendwie“ (um mich eines bei Thomas von Aquin
beliebten Ausdrucks zu bedienen) auf die Schrift zurückführen. Manche
lassen sich jedoch nicht hinreichend aus der Schrift begründen. Wollte
man etwa für die leibliche Verklärung (nicht nur das letzte Glaubens-
fundament, sondern) einen theologischen „Beweis“ in der Schrift
suchen, so ginge das nicht ohne Willkürlichkeiten und Gewalttätig-
keiten, nicht also ohne die Preisgabe der historisch-kritischen Methode,
deren sich heute auch die katholische Exegese und Bibeltheologie so
erfolgreich bedient. Es ist etwas anderes, ein katholisches Dogma auf
die Schrift als auf ihre letzte Grundlage zurückführen, etwas anderes,
Vorwort IX

es aus der Schrift beweisen. Selbst wenn man die These vertritt, daß
die Schrift die ganze Offenbarung enthält, ist noch die Frage zu stel-
len, wie sie die Offenbarung enthält, radicaliter (wurzelhaft) oder
formaliter, explizit oder inplizit. Die Frage ist entscheidend. Die
Überlieferung bietet auf jeden Fall hinsichtlich des Aussagemodus
ein Plus an Inhalt, so sehr, daß manche Dogmen hinreichend nur aus
der Überlieferung begründet werden können, weil sie nur in ihr deut-
lich erkennbar bezeugt werden.

In diesem Bande werden denn auch nach wie vor Schrift und
Überlieferung als zwei, auf das engste miteinander verbundene und
ineinandergreifende, aber doch von einander verschiedene und relativ
selbständige Offenbarungszeugnisse verwertet.

Ein besonderes Wort muß zum Literaturverzeichnis gesagt wer-


den. Damit es nicht jeden Rahmen sprengt, wurden aus den in den
früheren Auflagen genannten Werken nur einige ausgewählt. Aus-
führlicher wurden die seit der letzten Auflage erschienenen Arbeiten
verzeichnet. Natürlich konnte auch hier keine absolute Vollständigkeit
erreicht werden.
Der Verfasser gibt sich der Hoffnung hin, daß in dem vorliegen-
den Band die Druckfehler wesentlich reduziert wurden. Für die Lesung
der Korrekturen, sowie für die Herstellung der Indizes und des Lite-
raturverzeichnisses schulde ich besonderen Dank meinem Bruder,
Herrn Dekan Pfarrer Georg Schmaus, Frau Dr. theol. Elisabeth Göß-
mann, Herrn Dr. phil. Wilhelm Gößmann, Herrn Dr. theol. Richard
Heinzmann, Frau Dr. phil. Helen Röttsches sowie Herrn Dr. phil.
Heinrich Fr. Röttsches. Ich möchte auch nicht versäumen, dem Verlag
Max Hueber, geführt von Herrn Ernst Hueber, für vielfaches Ent-
gegenkommen herzlich zu danken.

Ostern 1963

M.Schmaus
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Inhaltsverzeichnis

Zweiter Hauptabschnitt

Gott der Erlöser

Erste Abteilung

Der Erlösungsratschluß Gottes

8 138 Übersicht

8 139 Menschliche Versuche, die Verlorenheit zu überwinden

Erstes Kapitel: Der durch die Sünde verursachte anomale Weltzustand

Zweites Kapitel: Erfolg und Erfolglosigkeit menschlicher Mühe

Drittes Kapitel: Das Verhältnis nichtchristlicher Erlösungsversuche zu


Christus: i, Erps BUT NETT ET IRRE r OER s
I. Vorchristliche Erlösungsversuche
D Nachchristliche Erlösungsversuche

Viertes Kapitel: Der Inhalt und die Weisen nichtchristlicher Erlösungs-


versuche Kr A NE Ze
I. Überblick SR
II. Die einzelnen Versuche . cht
A. Philosophische Erlösungslehren .
B. Die Erlösungsreligionen .

8 140 Gott der einzige Erlöser der Menschen

Erstes Kapitel: Die Lehre der Kirche 15

Zweites Kapitel: Die Lehre der Schrift . 15


I Das Alte Testament de de aen e uan H C sol ms 17
XII Inhaltsverzeichnis

A. Allgemeine Charakterisierung 17
B. Gott selbst ist der Retter 18
1. Die Geschichtsbücher . S 18
a) Die Zeit vor den Richtern . ; 18
b) Die Zeit der Richter und der Boa. ; 24
2. Die Propheten Sr EENEG 30
a) Elias > 30
b) Die Schriftpnoßhetenn 32
aa) Das prophetische Gerichtewort 32
bb) Das prophetische Verheißungswort . 34
a) Amos und Oseas f 34
f) Isaias 35
y) Jeremias 43
ô) Michäas 45
€) Ezechiel 46
£) Zacherias und ophou 48
C. Die Rettung durch einen Beauftragten Gottes . 49
II. Das Neue Testament . K . 50
A. Die synoptischen Evangelien E EN EE A 50
B. Der Apostel Paulus 52
C. Johannes . 53

Drittes Kapitel: Väterzeugnisse 54

Viertes Kapitel: Theologische Überlegung . 55


I. Die Sünde als Zerstörung der Gottesfreundschaft . 55
II. Die Sündenmacht 57

Fünftes Kapitel: Gottes Aktivität und die menschliche Aktivität in der


Erlösung 58

$ 141 Die Freiheit des göttlichen Erlösungsratschlusses

Erstes Kapitel: Der Erlösungsratschluß als Ausdruck göttlicher Liebe . 59

Zweites Kapitel: Angemessenheit der Erlösung . 60


I. Die Ehre Gottes . - 60
II. Der Zustand des Sundigen Menschen 62

Drittes Kapitel: Gottes Freiheit und Gerechtigkeit . 63

$ 142 Gott-Sohn der Erlöser der Menschen


Vorbemerkung 64

Erstes Kapitel: Die Erlösung kein Automatismus . 64

Zweites Kapitel: Die Erlösung durch den Gottessohn als Zeichen


höchster Liebe in der Schöpfung .
Inhaltsverzeichnis XII

Drittes Kapitel: Die Menschwerdung als höchster Schöpfungssinn . . . 68

Viertes Kapitel: Problematik des Ratschlusses der Menschwerdung.. . . 69


I. Notwendigkeit der Menschwerdung . . re, "LI
II. Zusammenhang von Menschwerdung und Erlösung D ee `201
III. Die Angemessenheit der Menschwerdung für den Sohn . . . . . 72

$ 143 Die Vorbereitung der Menschwerdung


Vorbemerkung Sue a ul EE RE ae ey e a a l3

Erstes Kapitel: Die Vorbereitung der Erlösung im Alten Testament. . 74


I. Der vorläuferische Charakter des Alten Bundes. . .2.... 74
1-2 Der£noachitische Bunde. 27 e Eer ieren 2
2,5Der#Abrahams- Bund sm a e ee EE
IE Der Zweckrder Vorbereitung% RE SA. DEE
III. Die Fülle der Zeiten. . . D EE rk e Elle,
LE TE EE EE 829
B. Christus verheiBen im WOrthand Me BEER Tage somi . 79
IM) 1e”synoplischenKvangelıen Eet 1 ed
Kent E rel KentUL Eege,
32 Els E EE EEN et Sit
4. Petrus a ER EE
C. Christus vorentworfen in Gestalten und Geschehnissen `, . . . 8
1. Allgemeines Si. ala Mic. walls ale fee at = 82
2. Einzelheiten . . NEE en Roy
a) Adam, Abraham und SE IFLA, en
b) Das alttestamentliche Priestertum na Prophetsiitum sr Le KR
c) Das alttestamentliche Königtum und Christus. . . . . 84
aa) Der König als Heilsgestaltim ak. sshsioslosa ei h sani 84
bb) Der Jakobssegeni s o s e s.c u w o moa y $5
ce) Der Bileamssegen WEHR FIRE Ay TONETA BEE ` BE
dd) ‘Der Retterkönig Dayid iocans a Een
ee), Die_ Weissagung deéeselsaias fisia aa et ee 9
ff) Die Prophezeiungen des Michäas, des Jeremias, des
Ezechiel 93
d) Das neue Volk 94
e) Das neue Land 96
f) Das Versöhnungsjahr . yes sid: gi 96
g) DertneuetBundi EPRA o e 1. a 8. a wenn m M
h) Der „Gottesknecht” — .» „+ METO nm: MINNEN SE . 97
Ne Der#Menschensohne s SE ma nn ER rt
k) Anmerkung . . ae UN
D. Das Alte Testament als Voreschichte Christi Mu 2 101
E. Christus der letzte Inhalt der Zeiten . . 2 2 2 . . . . . 108
F. Die Erscheinung Christi — eine Überraschung . . . . . . . 104
XIV Inhaltsverzeichnis

Zweites Kapitel: Die Vorbereitung der Erlösung in außerbiblischem


Bereich hen 105

Drittes Kapitel: Die lange Dauer der Vorbereitung . 107

Zweite Abteilung

Jesus Christus der menschgewordene Gottessohn

$ 144 Überblick 109


I. Die zentrale Stellung Christi . 109
II. Die Nähe Christi zum Menschen 110
III. Person und Werk . 111

$ 145 Der Glaube als Zugang zu Christus

Erstes Kapitel: Christus als Erscheinung Gottes . 112

Zweites Kapitel: Die Möglichkeit und die Tragweite der geschichtlichen


Erforschung der neutestamentlichen Schriften . E tr Ee 113

Drittes Kapitel: Vorurteilslosigkeit . 115

Viertes Kapitel: Die Heilige Schrift als theologisches Christuszeugnis . 115

Fünftes Kapitel: Das Ärgernis . 121

$ 145a Christologische Irrlehren 125

Erstes Kapitel: Die altchristlichen christologischen Haeresien 125


A. Die Trennungstheologie 125
B. Die Identitätstheologie 128

Zweites Kapitel: Die neuzeitlichen christologischen Irrtümer . 131

$ 146 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union)

Erstes Kapitel: Das Dogma . 139

Zweites Kapitel: Sinn des Dogmas . 140


I. Die Begriffe. . . 2. 2.2.2. 140
II. Deren Anwendung auf Christus . 141
III. Hilfen für das Verständnis 142
Inhaltsverzeichnis XV

Drittes Kapitel: Idiomenkommunikation . 145

Viertes Kapitel: Das kirchliche Lehramt . 146

Fünftes Kapitel: Die Schrift 157

Sechstes Kapitel: Die Väter . 160

Siebentes Kapitel: Die Heilsbedeutung . 166

Achtes Kapitel: Die spekulative Erklärung 168


I. Die traditionellen Erklärungen 168
II. Neue Versuche 171

Neuntes Kapitel: Die Dauer der hypostatischen Union . 174

8 147 Die geschichtliche Erscheinung des Gottessohnes in einer wahren


Menschennatur

Erstes Kapitel: Keine Biographie Jesu . 176

Zweites Kapitel: Das Schriftzeugnis im allgemeinen . 177

Drittes Kapitel: Die Einzelzeugnisse 180


I. Die Synoptiker . 180
Ii. Paulus . 183
III. Johannes . 186

Viertes Kapitel: Außerchristliche Zeugen . 188

Fünftes Kapitel: Die äußere Erscheinung Christi . 189

Sechstes Kapitel: Die Väter . 190

Siebentes Kapitel: Wahre Menschheit Christi und christliche


Frömmigkeit 193

Achtes Kapitel: Die Geschichtlichkeit Christi und die Glaubens-


begegnung mit ihm . 198

§ 148 Die irdische Herkunft Christi: Maria die jungfräuliche Gottesgebärerin

Erstes Kapitel: Der Glaube der Kirche . 199

Zweites Kapitel: Das Schriftzeugnis . 199


I. Der urkirchliche Glaube 199
II. Jesus und Maria . 201

Drittes Kapitel: Marias Jungfräulichkeit . 202


XVI Inhaltsverzeichnis

. Der Glaube der Kirche . 202


H: Die Schrift 203
IT. Die Väter . 207
IV. Das Wesen der fernen Unyeischriheit 209
. Der Grund der Jungfräulichkeit . 209
IV. Die Jungfräulichkeit nach der Geburt 211
A. Die Schrift . 211
B. Die Väter 212

$ 149 Die Herkunft Christi von einer geheiligten Mutter: die Begnadigung
Marias

Erstes Kapitel: Allgemeines . 214

Zweites Kapitel: Marias Freiheit von der Erbsünde . 215


I. Die kirchliche Lehre . 215
II. Die Schrift 216
III. Die Väter . 217
IV. Theologische Gees 218

Drittes Kapitel: Marias Freiheit von jeder Sünde . 219

Viertes Kapitel: Marias Glaubensleben . 221

$ 150 Das geistig-geistliche Leben der menschlichen Natur Christi:


sein Erkenntnisleben

Vorbemerkung 225

Erstes Kapitel: Das Selbstbewußtsein Christi 226

Zweites Kapitel: Das gegenständliche Wissen Jesu 231


I. Die Gottesschau Christi . 3 231
II. Christi Kenntnis der SE EECH 5 232

Drittes Kapitel: Gottesschau und Erfahrungswissen nach der Schrift . 238

Viertes Kapitel: Gottesschau und Irrtumslosigkeit Christi . 240

Fünftes Kapitel: Gottesschau und Leiden Christi . 242

§ 151 Das geistig-geistliche Gepräge der menschlichen Natur Jesu Christi:


ihre Begnadigung und ihre Heiligkeit

Erster Artikel: Die seinshafte Heiligkeit Christi 246


Inhaltsverzeichnis XVII

Erstes Kapitel: Die ungeschaffene Heiligkeit Christi . 246

Zweites Kapitel: Die geschaffene Gnade 249

Drittes Kapitel: Die Gnade des Hauptes 251

Zweiter Artikel: Die subjektive Heiligkeit Christi . 252

Erstes Kapitel: Christi Sorge um die Herrschaft Gottes . 252

Zweites Kapitel: Christi Freiheit von der Sünde . 254

Drittes Kapitel: Der Monotheletismus . 257


I. Kirchliche Lehre 257
II. Die Problematik 260

Viertes Kapitel: Christi Liebe zu Gott . 263

8 152 Christus der wahre Gottessohn

Vorbemerkung 266

Erster Artikel: Das Alte Testament . 267

Zweiter Artikel: Das Neue Testament . 268

Erstes Kapitel: Allgemeine Charakterisierung des neutestamentlichen


Christuszeugnisses 268

Zweites Kapitel: Die synoptischen Evangelien . 273


I. Jesus der Messias . 273
II. Der Menschensohn 276
II. Christus der Errichter des Gottekreiches! 280
IV. Christus der Sohn Gottes . 283
V. Die Machttaten Christi . 287

Drittes Kapitel: Die Paulusbriefe . 291

Viertes Kapitel: Die johanneischen Schriften 298


I. Das Evangelium i 298
A. Das Selbstzeugnis Christi } 299
1. Die Präexistenz 299
2. Der Sohn 300
3. Die Hellsfunktiönee 302
B. Das Zeugnis der Zeitgenossen . 312
C. Die Bestätigung durch Gott . 314
II. Die Johannes-Apokalypse . 315

Fünftes Kapitel: Das Zeugnis der Auferstehung 318


Inhaltsverzeichnis
XVIII
319
Beschluß

Zweiter Artikel: Die Gottheit Christi bei den Vätern 320

$ 153 Die Weise Christus zu verehren: die Anbetung Christi

Erstes Kapitel: Der kirchliche Glaube . 322

Zweites Kapitel: Die Schrift 323

Drittes Kapitel: Die Struktur des christlichen Kultus 326

Dritte Abteilung

Das Werk Christi

$ 154 Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen

Erstes Kapitel: Die Tatsache der Mittlerschaft Christi . 327

Zweites Kapitel: Der Mittler im Alten Testament . 329

Drittes Kapitel: Der Mittler im Neuen Testament . 332

Viertes Kapitel: Der Mittler bei den Vätern . 334

Fünftes Kapitel: Mittler durch die Menschwerdung und durch das Leben 337

Sechstes Kapitel: Consecratio mundi 339

Siebentes Kapitel: Die Mittlerschaft durch den Tod . 341

Achtes Kapitel: Die menschliche Natur Christi als Werkzeug . 344

S 155 Jesus Christus als der sich opfernde Hohepriester des Neuen Bundes

Erstes Kapitel: Das Priestertum Christi . 353


I. Der Sinn seines Priestertums 353
II. Das Schriftzeugnis 355

Zweites Kapitel: Christi Tod als Opfer 358


I. Die kirchliche Lehre . 358
II. Das Schriftzeugnis 358
A. Der Hebräerbrief RR: 358
B. Die synoptischen Evangelien 360
C. Paulus 361
Inhaltsverzeichnis XIX
D. Johannes 364
E. Der erste Petrusbrief 365

Drittes Kapitel: Der innere Vorgang beim Kreuzesopfer 366

Viertes Kapitel: Der Tod Christi als Tat Gottes und als Tat Christi . 370

Fünftes Kapitel: Der Tod Christi als gnädiges Gericht Gottes 372

Sechstes Kapitel: Der Tod Christi als Gehorsam . 375

Siebentes Kapitel: Die Überzeitlichkeit des Priestertums Christi 376

Achtes Kapitel: Jegliches Priestertum als Teilnahme am Priestertum


Christi 377

§ 156 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel und als Schöpfer eines
neuen Lebens in Freiheit, Heiligkeit und Gerechtigkeit
Vorbemerkung 378

Erstes Kapitel: Aufrichtung der Königsherrschaft Gottes durch Jesus


Christus . 379
I. Sinn und Wesen der Gottesherrschaft 379
II. Die Einzelakte . , 383
A. Die Sündenvergebung 383
B. Die Teufelsaustreibungen . 384
C. Die Totenerweckungen 384
D. Die Krankenheilungen . 385
III. Die Vollendung im Tode . 385

Zweites Kapitel: Die durch Christus besiegten Unheilsmächte . 389


I.
Der Sieg über den Teufel 389
II.Der Sieg über Tod und Leid . 390
III. Der Sieg über die Sünde 393
IV. Der Sieg über das Gesetz 395
V.Die Überwindung der Vergänglichkeit . j 399
VI. Der Sieg Christi als Torheit vor den Menschen Ger Sé Weisheit
vor Gott 401
VII. Der Sieg Christi als EE 402
VIII. Neue Schöpfung . 402

Drittes Kapitel: Die Väterlehre 404

§ 157 Das Kreuzesopfer Christi als stellvertretende Genugtuung und als


stellvertretendes Verdienst
Vorbemerkung 408
XX Inhaltsverzeichnis

Erstes Kapitel: Die Lehre der Kirche . 409

Zweites Kapitel: Die Schrift . 411

Drittes Kapitel: Die Väter 412

Viertes Kapitel: Der Sinn von Sühne und Genugtuung . 414

Fünftes Kapitel: Adaequate und überfließende Genugtuung 416

Sechstes Kapitel: Erklärung der Genugtuung 417

Siebentes Kapitel: Das Verdienst Christi . 421

§ 157a Der Höllenabstieg Christi


Vorbemerkung 422

Erstes Kapitel: Die Tatsächlichkeit der Höllenfahrt . 423

Zweites Kapitel: Die Heilsfunktion der Höllenfahrt . 424

Drittes Kapitel: Religionsgeschichtliche Unterscheidung 425

§ 158 Die Auferweckung Christi

Erstes Kapitel: Grundlegende Bedeutung . 426

Zweites Kapitel: Ein Geheimnis des Glaubens . 427

Drittes Kapitel: Keine menschliche Erfindung . 428

Viertes Kapitel: Zeugnis des Neuen Testamentes . 432


I. Die Auferweckung Christi kein Mythus . 432
II. Die Pauluspredigt . 434
III. Die Petruspredigt . 439
IV. Die Evangelien . 441
V. Auferweckung und A : S 441
VI. Unstimmigkeiten in den een : 443

Fünftes Kapitel: Die Väter . 448

Sechstes Kapitel: Eigenständlichkeit des biblischen Auferstehungs-


zeugnisses DEE ER, ...c S, 450

Siebentes Kapitel: Verklärungsleib und geschichtlicher Leib Christi . 452

Achtes Kapitel: Kontinuität und Diskontinuität 458

Neuntes Kapitel: Auferstehung und Heil . 458


Inhaltsverzeichnis XXI

§ 159 Die Himmelfahrt und die Erhöhung Christi

Erstes Kapitel: Die Heilige Schrift 462

Zweites Kapitel: Die Väter . 468

Drittes Kapitel: Abwesenheit und Anwesenheit des erhöhten Christus 471

Viertes Kapitel: Eschatologische Sicht . 475

$ 160 Die Sendung des Heiligen Geistes

Erstes Kapitel: Auferstehung, Himmelfahrt, Geistsendung . 478

Zweites Kapitel: Der Geist Christi und der Geist der Kirche . 479

Drittes Kapitel: Die Tatsache der Geistsendung 481

Viertes Kapitel: Die Wirksamkeit des Geistes . 483

Fünftes Kapitel: Der eschatologische Charakter des Geistwirkens . 485

$ 161 Christus als Offenbarer Gottes (Christi Erlösung durch das Wort):
sein Lehramt

Erstes Kapitel: Die umgreifende Bedeutung des Wortes 487

Zweites Kapitel: Gottes Weisheit als Kreuzesweisheit . 488

Drittes Kapitel: Christus als Urwort und Urbild . 489

Viertes Kapitel: Christi Botschaft als Heilsbotschaft . 489

Fünftes Kapitel: Christi Wort als heilswirksames Wort 491

Sechstes Kapitel: Christi Wort als Geheimniswort 493

Siebentes Kapitel: Erlösung des menschlichen Wortes . 494

8 162 Christus als König (Königtum oder Hirtenamt Christi)

Erster Artikel: Die Tatsache des Königtums Christi . 494

Erstes Kapitel: Die kirchliche Lehre 494

Zweites Kapitel: Die Schrift . 496


I. Das Alte Testament 496
II: Das NeuenBestament o os cr sec rt on: 497
XXII Inhaltsverzeichnis

Drittes Kapitel: Die Väter 499

Zweiter Artikel: Die Art und die Betätigung seines Königtums . 500

Erstes Kapitel: Andersartigkeit des Königtums Christi . 500

- Zweites Kapitel: Christi Königtum und die irdischen Ordnungen . 502

Drittes Kapitel: Christi Reich und die Kirche 506

Viertes Kapitel: Die Funktionen des Königtums Christi 506


I. Gesetzgebung 506
II. Gericht 507

Dritter Artikel: Teilnahme am Königtum Christi . 508

Erstes Kapitel: Die Schrift . 508

Zweites Kapitel: Die Väter und die Liturgie . 508

S 163 Der umfassende Charakter der Erlösung durch Christus

Erstes Kapitel: Die kirchliche Lehre 510

Zweites Kapitel: Die Schrift 510

Drittes Kapitel: Das alttestamentliche Gottesvolk . 511

Viertes Kapitel: Die Heiden . 514

Fünftes Kapitel: Allgemeinheit der Erlösung als Bestimmung aller zum


Heil 515

Sechstes Kapitel: Christus und die Engel . 516

Siebentes Kapitel: Die Erlösung der außermenschlichen Natur . 517

§ 164 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter

Erster Artikel: Marias leibliche Aufnahme in den Himmel 518

Erstes Kapitel: Maria als Vollerlöste 518

Zweites Kapitel: Leibliche Verklärung Marias . 519


I. Die kirchliche Lehre . 519
II. Die Schrift . 521
III. Die Tradition 522
IV. Die Liturgie 525
Inhaltsverzeichnis XXIII

V. Struktur der Begründung 526


VI. Konvenienzgründe er 527
VII. Die Begründung in der EE EE Deus 527
VIII. Erklärung . 529
IX. Opportunität der leiblichen Aufnahme Marley in ddr Seet ; 530

Zweiter Artikel: Marias Stellung in der Heilsgeschichte . 532

Erstes Kapitel: Marias Teilnahme am Erlösungswerke Christi . 532


I. Marias geistliche Mutterschaft 532
II. Die nähere Erklärung der Teilnahme Marias . 536

Zweites Kapitel: Maria in der Auswirkung des Erlösungswerkes:


Allgemeine Gnadenvermittlung 540
I. Kirchliche Lehräußerungen 5 541
II. Die Schrift und die Überlieferung . 543
III. Der Modus der Vermittlung . 546

Dritter Artikel: Verehrung Marias 550

Abkürzungen
= Migne, Patres Graeci.
= Migne, Patres Latini.
BKV = Bibliothek der Kirchenväter.

= Denzinger, Enchiridion Symbolorum, Freiburg 196131, besorgt von K. Rahner.


J. Neuner -H. Roos, Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrver-

kündigung, Freiburg 19585, besorgt von K. Rahner.


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ZWEITER HAUPTABSCHNITT

Gott der Erlöser

ERSTE ABTEILUNG
Der Erlösungsratschluß Gottes

8 138
Übersicht
Die am Anfang ihrer Geschichte in Adam und Eva existierende
Menschheit hat sich durch ihr Nein zu Gott und zu ihrer eigenen Gott-
ebenbildlichkeit und Gottzugehörigkeit der Herrschaft Gottes ent-
wunden; sie hat sich von Gott, von dem Heiligen, vom Leben, von der
Freude losgelöst. Die Flucht von Gott weg bedeutet Ferne von der
Heiligkeit, vom Leben und von der Freude, also Entheiligung, Tod,
Freudlosigkeit, Trauer, Einsamkeit, mit einem Worte: Heillosigkeit.
In dem Erlebnis der Verlassenheit, des Leides, des Todes, der Unge-
borgenheit und Heimatlosigkeit, der Armut und Dürftigkeit des Lebens
drang die Gottesferne ins Bewußtsein und in die Empfindung vor. Die
Strafe, die Gott verhängte, war das aus der Sünde selbst aufsteigende
Unheil, dem Gott gestattete und gebot, sich auszuwirken. Sie war die
Enthüllung des Zustandes der Verlorenheit, des Elendes, der Preis-
gegebenheit.
Dieser Zustand kann vom Menschen nicht überwunden werden, da
der Mensch von sich aus Gott nicht von neuem zur Liebe und Freund-
schaft, die er vertan und verraten hat, nötigen kann. Zudem ist der
Sünder so in sich selbst verfangen, daß er sich hiervon nicht zu lösen
vermag. Er ist ein Gefesselter seines Hochmutes und seiner Selbstsucht.
Er muß von dieser Versklavung befreit werden, wenn er imstande
sein soll, sich wieder zu Gott zu erheben. Wenn es zu einer Änderung

1 Schmaus, Dogmatik I, 2. 6. Aufl.


2 Übersicht S 138

kommen soll, muß der Anstoß hierzu von Gott ausgehen. Nur er
kann seine vom Menschen in Selbstherrlichkeit abgeworfene heil-
bringende Herrschaft in der menschlichen Geschichte wieder aufrich-
ten und so das zerrissene Freundschaftsband von neuem knüpfen,
indem er sich dem verlorenen Sohne nochmals zuwendet, das in
Empörung und Trotz, Trauer und Unfrieden, Mutlosigkeit und
Schwäche verstrickte menschliche Herz verwandelt und sich ihm noch
einmal schenkt. Von Gott allein kann das Unheil beschworen und die
heillose Welt wieder geheilt werden, indem sie geheiligt wird.
Tatsächlich holte Gott die in die Irre gegangene Menschheit wieder
heim ins Vaterhaus, nicht durch Mahnungen und Unterweisungen,
durch Warnungen und Verbote, sondern durch eine Tat: Er ging ihr
nach, setzte sich selbst in der menschlichen Geschichte gegenwärtig,
nahm das menschliche Schicksal auf sich, trug das menschliche Elend
und überwand es von der Wurzel her. Das geschah in der Mensch-
werdung des Sohnes Gottes. Von Ewigkeit her beschlossen, in der
Zeit verheißen, erfolgte sie nach Jahrtausenden der Sehnsucht und
Trostlosigkeit, der Hoffnungs- und Ratlosigkeit in der Fülle der Zeit.
Indem Gott selbst in die menschliche Geschichte eintrat, wurde ein
neuer Anfang gesetzt.
Dieser Anfang trägt die Kraft zur letzten Vollendung in sich. Sie
wird von Christus selbst bei seiner zweiten Ankunft vollzogen. In der
Zeit zwischen der Himmelfahrt Christi und seiner Parusie soll die
Kirche, das von ihm geformte Volk Gottes, die von ihm errichtete, aber
noch nicht zur letzten Gestalt geführte Gottesherrschaft fördern.
Indem der Mensch der Herrschaft Gottes teilhaftig wird, d. h. sich Gott
unterwirft und Gott über sich mächtig werden läßt, gewinnt er das
Heil. Wer sich Christus überantwortet, wer ihn im Glauben ergreift,
für den beginnt etwas Neues: Er gewinnt Anteil am Leben, am Tod
und an der Auferstehung Christi und wird dadurch der Gottesherrlich-
keit teilhaftig. So gelangt er vom Leben zum Tod, von der Unheiligkeit
zur Heiligkeit, von der Verlorenheit zur Geborgenheit, von der Würde-
losigkeit zur Würde, von der Unehre zur Ehre, von der Gottesferne
zur Gottinnigkeit. Christus wird ergriffen im Glauben, der in der Kirche
verkündet wird, und in den Sakramenten des Glaubens, die in der
Kirche gespendet werden. In der Kirche, in ihrem Wort und Sakra-
ment, ist Christus jeder Zeit bis zur Vollendung der Zeiten als Heils-
wirker gegenwärtig.
Im weiteren Fortgang unserer Darstellung wird daher zu zeigen
sein, was es um den Heilsplan Gottes, um die Person und um das Werk
8 139 Menschliche Versuche, die Verlorenheit zu überwinden 3

Christi ist, und im Anschluß daran, wie durch das „Volk Gottes“, die
Kirche, die von Christus aufgerichtete Gottesherrschaft innerhalb der
Geschichte vorangebracht und so die Menschen durch den Glauben
und die Sakramente des Heiles teilhaftig werden, bis Christus wieder-
kommt und sein Werk vollendet.

8 139
Menschliche Versuche, die Verlorenheit zu überwinden

Erstes Kapitel
Der durch die Sünde verursachte anomale Weltzustand

Niemand kann übersehen, daß die Welt in Verwirrung und


Unordnung existiert. So ist es verständlich, daß zu allen Zeiten große
Anstrengungen gemacht wurden, sie zu entwirren und zu ordnen.
Immer hat es Menschen gegeben, welche sich nicht bloß dafür ver-
antwortlich fühlten, daß in dem engumschriebenen Raum, in dem sich
der Kreis ihres Lebens vollendete, Freude und Friede herrsche, sondern
auch dafür, daß Glück und Fortschritt, Güte und Vertrauen in das
Ganze der Menschheit oder in eine umfassende menschliche Gemein-
schaft einzögen. In ihnen wirkt heimlicherweise das Bewußtsein, daß
es eine Gemeinschaftsverantwortung gibt, daß jeder jedem Schuldner
ist, daß jeder durch die Geburt hineingezogen wird in den Zusammen-
hang von Schuld und Verantwortung, in den Zusammenhang, der
nicht bloß in horizontaler Richtung durch die Menschheit geht, son-
dern auch in vertikaler die ganze menschliche Geschichte durchzieht.
Darin, daß sie den Weltzustand, den sie vorfinden, das Leid, den
Hunger, die Krankheit, den Tod nicht als selbstverständliche und un-
abänderliche Gegebenheit hinnehmen, daß sie sich nicht resigniert auf
den Boden der geschichtlichen Tatsachen stellten, kündet sich die
Wahrheit an, daß die jetzige Weltverfaßtheit ein Widerspruch gegen
Gottes ursprünglichen Schöpfungsplan ist. Die Welt sollte anders
sein. Was uns infoige langer Gewöhnung und heilloser Gedanken-
losigkeit als natürlich und normal erscheint, ist unnatürlich und ano-
mal. Gott hat den Menschen nicht für den Tod, sondern für das
Leben, nicht für den Hunger, sondern für die Sättigung, nicht für die
Obdachlosigkeit, sondern für die Beheimatung, nicht für die Knecht-
schaft, sondern für die Freiheit, nicht für die Trauer, sondern für die
Freude geschaffen. Das Leid, den Tod, die Krankheit, die Not sollte

1*
4 Menschliche Versuche, die Verlorenheit zu überwinden S 139

es nicht geben. Wir leben in einer durch die Sünde auf den Kopf ge-
stellten Welt. In dem Willen, sie umzuwandeln, lebt und wirkt heim-
lich, wenn auch leise und mannigfach entstellt, die Erinnerung daran,
wie es ursprünglich war und wie die Welt ohne den verderblichen
und zerstörerischen Frevel der ersten Menschen bis heute geblieben
wäre, die Erinnerung an das Paradies.

Zweites Kapitel
Erfolg und Erfolglosigkeit menschlicher Mühe

Freilich ein letztes Gelingen muß allen rein menschlichen Ver-


suchen, die Unordnung und Trauer, die Verfallenheit und Preisgege-
benheit der Welt zu bannen, sie dem erbsündigen Zustand zu ent-
reißen, versagt bleiben (siehe $ 138). Denn sie können nicht bis zu
jener Tiefe vordringen, aus welcher das Unheil in unerschöpflichem
Fluß emporquillt. Sie können die Trennung von Gott nicht rückgängig
machen. Ja, der Mensch, vorab der sündige, kann bis in jenen schauer-
lichen Abgrund gar nicht hinabsehen. Denn was es um die Sünde ist,
kann man nur in dem Grade wissen und erfahren, in dem man weiß
und erfährt, was es um Gott ist. Nun ist aber gerade Gott für das
sündige Herz in einer besonders dichten Weise verhüllt. Was und wer
Gott ist, erkennt am meisten nicht der Sünder, sondern der Heilige,
nicht der Gottferne, sondern der Gottgeeinte. Darum erkennt das
Grauen der Sünde, der Gottesferne, am meisten nicht der Sünder, der
in die Sünde verstrickt ist, sondern der Heilige, der sie flieht. Deshalb
fürchtet die Sünde am meisten auch nicht der Sünder, der sie über
alles fürchten sollte, sondern der Heilige, der in der Liebe lebt (vgl.
S 113). Das ganze Grauen der Sünde kann indessen nur Gott durch-
schauen, weil nur er sich selbst durchschaut.
Selbst wenn ein Mensch den Abgrund der Sünde mit seinem Geiste
zu durchmessen vermöchte, so könnte er doch die Klüfte und Spalten
zwischen Gott und Geschöpf nicht überbrücken. Es gibt keinen steti-
gen menschlichen Aufstieg ins Übermenschliche und Göttliche, keine
Herbeinötigung der göttlichen Freundschaft und Liebe. Wenn derar-
tiges in der menschlichen Geistesgeschichte gelegentlich geglaubt
wurde, z. B. im Neuplatonismus, so liegt eine pantheistische oder
quasipantheistische Gottesvorstellung zugrunde.
Was jedoch dem Menschen gegeben ist, ist dies: Er kann in der
verlorenen Welt eine Ordnung aufbauen, gewissermaßen eine Not-
§ 139 Das Verhältnis nichtchristlicher Erlösungsversuche zu Christus 5

ordnung, in der sich leben läßt, die sogar nicht wenige Herrlichkeiten
und Freuden bereithält. Das Leben läuft auch in einer solchen Ord-
nung einigermaßen im Geleise. Aber der Mensch gelangt hier nicht zu
jener Erfüllung, für die Gott ihn geschaffen hat. Er bleibt im begrenz-
ten Raum des Endlichen. Er gelangt nicht zur Teilnahme an der un-
endlichen Lebensfülle des dreipersönlichen Gottes, in welcher allein
sein Wesen die letzte Vollendung gewinnt. Er ist um eine Dimension
ärmer als der gottverbundene Mensch und kommt daher nicht zu
seinem wahren Selbst.
Es steht dem Menschen nicht frei, auf diese Wesensvollendung zu
verzichten und sich mit dem Endlichen zu begnügen. Denn Gottes
Liebe hat ihn zur Teilnahme an Gottes eigenem Leben berufen
und auf Gottes unendlichen Reichtum verpflichtet. Dieser Verpflichtung
darf sich der Mensch nicht entziehen, weil Gott der Herr ist, der Ver-
fügungsgewalt über ihn hat. Die Genügsamkeit, in welcher der Mensch
sich mit dem endlichen Leben zufrieden gibt, ist daher Auflehnung
gegen Gott. Sie ist auch Widerspruch gegen das eigene, auf Gott hin-
geordnete Wesen (siehe $ 105). Dies wird noch verständlicher, wenn
wir folgendes bedenken: Infolge der Herkunft des Menschen aus der
göttlichen Liebe ist sein innerstes Wesen durch die Liebe bestimmt.
Das heißt: Er kann nur leben in der Überschreitung seiner selbst auf
das Du hin, letztlich auf Gottes Du hin. Nur so gewinnt er sich selbst.
Nur im dreipersönlichen Gott kommt er zu der Vollendung, für die er
angelegt ist. Wenn er seine Erfüllung nicht in Gott findet, dann bleibt
auf dem Grunde des Herzens eine unüberwindliche Trauer (siehe
8 140).

Drittes Kapitel
Das Verhältnis nichtchristlicher Erlösungsversuche zu Christus

I. Vorchristliche Erlösungsversuche
In der vorchristlichen Zeit sind alle derartigen menschlichen Ver-
suche Vorläufer Gottes, des Heilbringers. Jede irdische Sorge und
Liebe ist ja die Vorhut der göttlichen. Aber es lauert in ihnen auch
eine Gefahr, die Gefahr nämlich, daß der Mensch alles von seinen
eigenen Anstrengungen und nichts mehr von Gott erwartet, daß er
wähnt, sich hinreichend selbst helfen zu können und Gottes nicht
bedürftig zu sein, daß er mehr auf Rosse und Wagen und mensch-
liche Bündnisse als auf Gottes Macht und Erbarmen vertraut. In den
6 Menschliche Versuche, die Verlorenheit zu überwinden S 139

Psalmen und von den Propheten wird diese Haltung oft getadelt (Ps
19 [20], 8; Js 30, 1—7. 15; 31, 1 ff.; 7, 9; 28, 16). Das Herz, das nur auf
seine Kraft hofft und alles selbst vollbringen will, sieht seine Grenzen
und sein Ungenügen nicht mehr ein und ist daher zugeschlossen für
Gott. Es kann nichts empfangen, sondern will alles nur an sich reißen.
Es kann sich daher auch nicht nach Gott sehnen und ihm nicht dan-
ken. So wird das Unbegreifliche begreiflich, daß Gott zu den Seinigen
kam, in sein Eigentum, und die Seinigen ihn nicht aufnahmen
(Jo 1, 11).
Das ist die furchtbarste Verlorenheit, daß jemand seine Verloren-
heit nicht mehr sieht und spürt und stumpfen Sinnes den, der ihn aus
ihr herausreißen will, abweist und, ohne Erlösung erfahren zu haben,
ihn weiterziehen heißt. Das in sich verschlossene und verliebte Ich
sträubt sich gegen den Eintritt Gottes, des Heiligen, vor dem man nicht
stehen kann, ohne die eigene Unheiligkeit zu bekennen. Jo 8, 31—59
wird berichtet, daß Christus den Juden die Freiheit versprach, wenn
sie seinem Worte gehorsam würden. Wer an ihn glaubt, der gewinnt
das Leben und die Freiheit der Kinder Gottes, und nur durch ihn sind
diese Güter zu gewinnen. Die Juden wehren sich dagegen, daß sie erst
noch frei werden müßten, als ob sie es nicht schon wären. Sie haben
keinerlei Empfinden dafür, daß sie Sünder und daher Knechte der
Sünde und unfrei sind. Und doch sind sie nicht bloß mit schwachen
Fesseln gebunden. Sie sind Kinder, Knechte des Teufels. Aber eben
weil sie Kinder des Vaters der Lüge sind, ist ihr Herz und Geist ver-
wirrt, so daß sie ihre Erlösungsbedürftigkeit nicht sehen und den, der
ihnen Freiheit von der Sünde und vom Teufel verspricht, in einer
furchtbaren Verdrehung selbst für einen Boten des Teufels halten. Das
ist das Unheimliche: Das Böse fesselt den Menschen stärker als alle
anderen Ketten. Aber er ist so sehr in diese Gefangenschaft verliebt,
daß er den haßt, der ihn befreien will. Die Finsternis kann nur durch
das Licht vertrieben werden. Aber gerade das Licht fürchtet der an die
Finsternis Gewöhnte. So muß er in ihr bleiben (Jo 3, 19 £.).
Trotz dieser den menschlichen Erlösungsversuchen innewohnenden
Gefahren bleibt es dabei, daß die vorchristlichen Bemühungen des
Menschen um Heil und Rettung eine Vorbereitung auf Christus sind.
Man darf in ihnen sogar eine Nachwirkung der von Gott dem Menschen
gegebenen Urverheißung sehen (Gn 3, 14 f.). Mochte diese im Laufe
der Geschichte auch in ein dichtes Gestrüpp von Aberglauben und
Wahnvorstellungen eingewickelt worden sein, so wurde sie doch nie
ganz vergessen.
§ 139 Der Inhalt und die Weisen nichtchristlicher Erlösungsversuche 7

II. Nachchristliche Erlösungsversuche


Die nachchristlichen rein menschlichen Erlösungsversuche müssen
anders beurteilt werden. Sie sind, sofern sie bewußt Christi Werk ab-
lehnen und zu ersetzen versuchen, gegen die von Gott vollzogene Er-
lösung gerichtet. Sie tragen, soweit sie nicht bloß in der von Christus
erlösten Welt Ordnung schaffen, also die in Christus geschehene Er-
lösung zur Erscheinung bringen, sondern selbst und allein Heil und
Rettung wirken wollen, widergöttlichen Charakter, weil sie Christus
und sein Werk verneinen. Als nachchristlich sollen hier nicht schon
jene Erlösungsbemühungen verstanden werden, die post Christum
natum geschehen sind, sondern jene, die sich Christus entgegensetzen
und an der Stelle seines Werkes etwas rein Menschliches aufrichten
wollen. Soweit dies letztere nicht geschieht, können auch die gleich-
zeitig mit dem Christentum bestehenden Erlösungsreligionen eine
Potenzialität für das Christentum haben. Ihre Anhänger sind poten-
zielle Christen. (Für die nähere Erklärung vgl. Bd. I § 48.)

Viertes Kapitel
Der Inhalt und die Weisen nichtchristlicher Erlösungsversuche

I. Überblick
Mit diesen Überlegungen haben wir einen Maßstab für die Beur-
teilung der in der Geschichte bisher aufgetretenen Erlösungslehren
und Erlösungsmaßnahmen gefunden. Es können natürlich nur die
bedeutsamsten angeführt werden. Sie hängen in ihrem Wesensgefüge
jeweils innigst zusammen mit der Anschauung vom Grunde des Un-
heils bzw. von Sünde und Schuld. Anders wird jene Erlösungsvorstel-
lung ausfallen, die den Grund aller Unordnung in dem jeweiligen sitt-
lichen Versagen der Menschen sieht, in den Taten der Selbstsucht und
des Hasses, in Mord und Habsucht, in Neid und Hochmut, und diese
nicht in eine jenseits der Welt stehende Wirklichkeit hinüberreichen
läßt. Da kann der Weltzustand geändert werden, wenn die mensch-
liche Gesinnung gebessert wird. Wer so denkt, wird auf Belehrung
und Erziehung seine Hoffnung setzen. Die Erlösung wird der Erzieher
bringen. Anders wird sich die Erlösung der vorstellen, welcher alles
Unheil vom Sondersein, vom Sonderwillen, vom Sonderbewußtsein,
d.h. vom Bewußtsein überhaupt, vom Geiste, dem Widersacher des
Leibes, kommen sieht. Er erwartet alles Gute von der Rückkehr zur
8 Menschliche Versuche, die Verlorenheit zu überwinden § 139

Natur, vom Abtun des Geistes, vom Einschwingen in den Rhythmus


des Lebens. Der Erlöser muß ein Gegner oder ein Verächter des
Geistes sein. Anders wiederum wird sich die Erlösung jener vorstellen,
welcher die Verletzung der Lebensgesetze für die Mutter aller Ver-
wirrungen und Verirrungen hält. Seine Mahnung lautet: lebe recht!
Daß dies geschieht, nährt seine Hoffnung und sein Vertrauen.
In der Geschichte haben sich diese vielfältigen Anschauungen im-
mer wieder gekreuzt, überschnitten und verflochten. Bezeichnend und
gemeinsam ist allen, daß ihre Vertreter die Erlösung von menschlicher
Einsicht und menschlichem Bemühen erwarten, von unten, nicht von
oben (Jo 8, 23). Die Welt wird da als ein geschlossener Raum vor-
gestellt, der keine Fenster und Türen zu einer jenseitigen Wirklichkeit
hat. Das gilt im Rahmen derartiger weltimmanenter Erlösungshoff-
nungen auch dort, wo man scheinbar von einem Gott Erlösung er-
wartet. Der Gott, auf den man baut und vertraut, ist nicht von der
Welt verschieden, sondern nur ein Teil von ihr. Auch wenn man Gott
als persönliches Wesen vorstellt, ist er doch von der Art der Welt. Er
ist ihresgleichen. Daß Gott in allem anders ist als die Welt, daß er also
wirklich überweltlich ist, mußte von Gott selbst mitgeteilt werden, auf
daß wir dessen inne wurden. Der Gott, der ein Teil der Welt, von ihrer
Art und ihresgleichen ist, steht in der Verfügung der Menschen. Er
kann wie jedes Ding der Natur in die Gewalt der Menschen gebracht
werden, sei es durch überlegene menschliche Einsicht und Kraft, sei es
durch Zauber und Magie.
Man kann die außerbiblischen Erlösungsvorstellungen unter dem
Aspekt der Herkunft der Erlösung in autosoterische und heterosote-
rische (Selbst- und Fremderlösung) einteilen. Diese Einteilung läßt sich
freilich nur in einem eingeschränkten Sinne aufrechterhalten. Im Grund
genommen sind alle nichtbiblischen Erlösungsvorstellungen Selbst-
erlösungslehren, da es nur im biblischen Bereich den Glauben an den
von der Welt verschiedenen und ihr doch zugleich zuinnerst gegen-
wärtigen Gott gibt. Der Unterschied zwischen den mannigfaltigen
nichtbiblischen Erlösungslehren besteht darin, daß das eine Mal die
ganze Hoffnung unmittelbar auf menschliche Maßnahmen gesetzt
wird, das andere Mal auf einen vom Menschen geschaffenen, im
menschlichen Herzen geborenen (vgl. $ 100 und $ 105) Gott, mittelbar
also wieder auf den Menschen.
Nur mit dieser verbessernden Anmerkung kann man sagen, daß
die außerbiblischen Religionen den Ton auf die Erlösung durch Gott,
die vorchristlichen und die dem Christentum feindlichen nachchrist-
§ 139 Der Inhalt und die Weisen nichtchristlicher Erlösungsversuche 9

lichen Philosophien auf die Erlösung durch eigenes Bemühen legen.


Dabei läßt sich zwischen Religion und Philosophie nicht immer genau
unterscheiden. Von mancher Erlösungsvorstellung bleibt es zweifel-
haft, ob sie Religionslehre oder Philosophie ist.
Unter dem Aspekt des Erlösungszieles kann man personhafte und
sachhafte Formen unterscheiden, je nachdem primär eine Änderung
des Menschen oder der (politischen, wirtschaftlichen, sozialen) Zu-
stände angestrebt wird. Auch diese Einteilung ist inadäquat, weil die
Änderung in der einen Dimension immer eine solche in der anderen
im Gefolge hat.
II. Die einzelnen Versuche

A. Philosophische Erlösungslehren
Folgende Einzelversuche seien herausgehoben und andeutungs-
weise umschrieben:
a) Wer den Grund allen Unheils nicht in der Loslösung von Gott,
sondern ausschließlich oder vor allem in der mangelhaften Verteilung
der irdischen Güter sieht, in einer Unordnung also auf der Oberfläche
der Erde und des menschlichen Lebens und in einer darauf beruhen-
den verkehrten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Ordnung, der wird die Erlösung von wirtschaftlich-politisch-sozialen
Maßnahmen oder von der Wissenschaft und der Technik erwarten
(der durch keine entscheidenden Argumente bewiesene, sondern auf
einem unbestimmten Gefühl gründende, durch die Erfahrung viel-
fach widerlegte Fortschrittsglaube des weltanschaulichen Liberalis-
mus und der die Personalität des Menschen verkennende Marxismus).
Einem einseitigen Spiritualismus und Idealismus gegenüber muß be-
tont werden, daß derartige Bemühungen berechtigt, ja notwendig
sind, weil der Mensch ein leiblich-seelisches Wesen ist und innerhalb
der Welt des Stofflichen sein Leben vollzieht. Sie führen jedoch nicht
zur Erlösung, sondern zu noch verhängnisvolleren Zerstörungen, wenn
sie nicht in die von Gott geprägte Gesamtordnung eingefügt, sondern
isoliert und verabsolutiert werden (vgl. Th. Steinbüchel, Der Sozialis-
mus als sittliche Idee, Düsseldorf 1921). Eine totale Verkehrung aller
Werte bedeutet es, wenn man die These verficht, daß der Mensch nur
dann wahrer Mensch werden könne, wenn er sich von Gott losmache.
Hier wird das Wesen des Menschen völlig verkannt (siehe die Aus-
führungen über den Atheismus Bd. I § 31).
b) Wer die Wurzel des Unheils in der Unwissenheit sieht, läßt
Erlösung mit Erkenntnis zusammenfallen. Oft verbindet sich die Er-
10 Menschliche Versuche, die Verlorenheit zu überwinden § 139

kenntnis mit der Abwendung von der Sinnenwelt und der Unterdrük-
kung des Lebenswillens. Hierher sind die indischen Philosophien und
Religionen zu rechnen. Nach dem Brahmanismus (13 °/o der Erdbevöl-
kerung) wird die Erlösung gewonnen, wenn das Zusammenfallen von
Atman (dem Einzel-Ich) und Brahman, dem monistisch gedachten Ur-
grund des Alls, geschaut wird. Dann besteht kein Begehren mehr nach
Besitz und nach Kindern.
Eine besondere Bewandtnis hat es mit dem Buddhismus. Er trägt
seinen Namen nach der geschichtlichen Erscheinung Buddhas. „Viel-
leicht gibt es keine religiöse Gestalt, die mit einem so ungeheuren und
zugleich so ruhig sich durchsetzenden Anspruch aufgetreten ist wie
Buddha. Er wird als ‚der Erhabene, der Vollendete, der vollkommen
Erleuchtete, reich an Wissen, wegekundig, der Pfadvollender, Welt-
erkenner, der unvergleichliche Menschenerzieher, der Lehrer von
Göttern und Menschen‘ gerühmt. Seine Autorität gilt unbedingt.
Alle Wesen, Menschen nicht nur, sondern auch Geister und Götter
erwarten ihr Heil durch ihn... Selbst Brahma, von der vedischen
Tradition her mit allen Bedeutungen der höchsten Gottheit ausge-
zeichnet, erbittet bei ihm Rat und Belehrung.“ Er kennt die vier-
fache Wahrheit vom Leid: Alles ist Leid. Ursache des Leides ist der
Durst nach Sein, gänzliche Vernichtung des Begehrens ist Aufhebung
dieses Durstes und damit des Leides, der Weg dahin ist der heilige
Pfad (rechtes Glauben, rechtes Wollen, rechtes Leben, rechtes Tun,
rechtes Streben, rechtes Denken, rechtes Sichversenken). Solange diese
Erkenntnis nicht vollkommen erreicht ist, muß der Mensch in stän-
digen Wiedergeburten das Dasein immer wieder neu durchlaufen. Das
vollkommene Wissen bringt das Ende der Wiedergeburten und den
Eingang ins Nirwana, einen Zustand des Aufhörens von Begierde und
Leid, von den einen gedeutet als Seligkeit, von den anderen als Er-
löschen des Bewußtseins. Diese Erlösungslehre schließt in sich Flucht
vor der Welt, vor der Kultur, Verachtung der Arbeit und der Frau.
Schon darin liegt ein wesentlicher Unterschied zum Christentum. Aber
die Verschiedenheit greift noch tiefer, so hoch der Rang Buddhas und
des Buddhismus immer sein mag. Buddha ist „erwacht“. Er hat den
Wahn überwunden. Er hat das Gesetz des Daseins, das Gesetz vom
Leiden, von der Entstehung des Leidens, von der Auflösung des Lei-
dens und von dem zur Leidensauflösung führenden achtteiligen Pfad
erkannt und ausgesprochen. Ohne ihn wäre in diesem Zeitalter keiner
zur Erkenntnis des Seinsgesetzes und des Erlösungsweges gekommen,
aber nur, weil keiner die Kraft dazu hatte. Buddha selbst hatte in
§ 139 Der Inhalt und die Weisen nichtchristlicher Erlösungsversuche 11

vorausgehenden Daseinsformen diese Kraft auch nicht gehabt. Die


Menschen bedürfen also seiner Führung. Aber das ist nur tatsächlich
so, nicht grundsätzlich. „Grundsätzlich vermöchte jeder, wenn er recht
gesinnt und stark genug wäre, den gleichen Weg zu gehen. Das Ziel,
dem Buddha zustrebt, bildet das Erlöschen, das »Nichts mehr ist«.
Nachher ist er wirklich nicht mehr; nur noch die Erinnerung an ihn
bleibt, und im übrigen besteht »die Lehre und die Gemeinde«. Von der
Lehre aber wird immer wieder gesagt: Aus eigener Kraft wird sie be-
folgt; aus eigener Kraft wird der Weg der Befreiung gegangen... Auf
die Aufforderung seines Lieblingsjüngers Ananda, er möge vor dem
Tode eine letzte Ordnung aufstellen, erwidert Buddha: »Ananda,
was erwartet denn die Bhikkhu-Gemeinde noch von mir? Ich
habe die Lehre verkündet, ohne ein Drinnen und Draußen zu unter-
scheiden, der Tathägata geizt nicht, wo es sich um die Lehre handelt,
wie sonst wohl die Lehrer zu tun pflegen... So sucht denn, Ananda,
hienieden Leuchte und Zuflucht in euch selbst, nirgends sonst, und
sucht in der Lehre der Wahrheit Leuchte und Zuflucht, nirgends sonst «
Von den großen Bekehrten berichtet der Schluß der Geschichte immer
wieder, daß sie mit heißem Eifer, ohne gestützt zu sein auf irgend
jemanden in der Gemeinde, dem Ziele zustreben. Das aber heißt: Die
religiöse Bedeutung Buddhas hat also äußerstes Maß; im Letzten sagt
er aber doch nur, was grundsätzlich jeder sagen könnte. Er weist den
Weg, der auch ohne ihn, mit der Geltung eines Weltgesetzes, besteht.
Die Person des Buddha selbst steht im Religiös-Eigentlichen nicht; sie
erlischt. Es ist nur folgerichtig, wenn der Glaube an Personalität über-
haupt als die gefährlichste Form des Irrwahns dargestellt wird. In
Wahrheit gibt es kein Selbst. Der Schein eines Selbstes muß, wenn der
Mensch zur Erlösung kommen soll, Schicht um Schicht abgetragen
werden, indem der Strebende zu jedem sagt: »das ist nicht« — um
schließlich nicht auf einen letzten Wesenskern zu stoßen,“ sondern
alles Selbst aufzuheben (R. Guardini, Das Wesen des Christentums,
Leipzig 1938, 8—12).
Demgegenüber ist Christus im strengen Sinne ein Einmaliger und
Einzigartiger, so daß, was sich an ihm begibt, grundsätzlich an keinem
anderen Menschen geschehen kann. Daher ist das Heil an seine Person
gebunden. Des Heiles wird der Mensch teilhaftig, der im Glauben
Christus ergreift, der in der Taufe an Christus Anteil gewinnt (vgl. die
Gnadenlehre, Bd. III 2). Christus zeigt nicht bloß den Weg, sondern
er ist der Weg zu Gott. Buddha und Christus unterscheiden sich nicht
12 Menschliche Versuche, die Verlorenheit zu überwinden § 139

bloß durch ein Mehr oder Weniger an Lehre und an Sittlichkeit,


sondern durch ihre Seinsart und durch ihre Stellung im Heilsgeschehen.
Zu dieser Form der Erlösungshoffnungen gehören ferner der Gno-
stizismus (Erlösung bedeutet darnach die Befreiung der in jedem
Menschen lebenden göttlichen Lichtfunken aus der Materie, sie erfolgt
durch Erkenntnis [Gnosis], und zwar in dem Grade, welcher der Stärke
der Lichtfunken im Menschen entspricht: Hyliker, Psychiker, Pneuma-
tiker), der Manichäismus (die besonders bei der Frau sehr schwierige
Erlösung besteht in der Befreiung der Lichtteile aus dem Banne der
Finsternis durch eine dreifache Enthaltung: Des Mundes [nicht lästern
und lügen], der Hände [Vermeidung gemeiner Arbeit] und des Schoßes
[Verbot der Ehe]); die Philosophie des Sokrates und Platos (Tugend
ist Wissen), Plotins (Erlösung besteht in dem durch die Ertötung der
Sinne bedingten stufenförmig aufsteigenden intellektuellen Einswer-
den mit der Gottheit), Spinozas (E. ist bedingt durch die Erkenntnis
Gottes, aus welcher der amor intellectualis [geistige Liebe] entspringt
ohne Hoffnung auf göttliche Gegenliebe, die unmöglich ist), Schellings
(Sünde ist Abfall der Idee vom Absoluten, d. h. die Sonderexistenz der
Dinge als solche; Erlösung daher das fortschreitend sich vertiefende
Selbstbewußtsein des Absoluten im Menschen), Schopenhauers (Ver-
neinung des Willens zum Leben, welche die Erkenntnis voraussetzt,
daß das Leben nicht lebenswert ist), Eduard von Hartmanns (Erlösung
des Individuums durch den Tod, der gesamten Welt durch gemein-
same Verneinung des Lebenswillens, welche eintritt, wenn die Kultur-
entwicklung ihren Höhepunkt erreicht hat und so alle Glücksmöglich-
keiten erprobt und als trügerisch erwiesen worden sind), Euckens
(nicht durch Reue, Buße und Umkehr, sondern durch Anerkennung
einer hinter der partikulären Existenz stehenden, pantheistisch vor-
gestellten geistigen Welt, welche Kraftquelle, Ziel und höchster Inhalt
des geistigen Lebens ist), ferner der Neu-Buddhismus, die Theosophie
und die Anthroposophie (Konglomerat von buddhistischen, neuplato-
nischen und christlichen Vorstellungen) und die Neugeistlehre (Gewin-
nung eines glücklichen, gesunden, kraftvollen Lebens durch Auto-
suggestion, Betäubung des Leid- und Sündenbewußtseins), die Psycho-
analyse und die Individualpsychologie, insofern sie das Unheil aus-
schließlich in hemmenden und fesselnden seelischen Komplexen be-
gründet sehen und nur von deren Auflösung die Rettung erwarten, die
„Tiefenpsychologie“ soweit sie allein von der psychotherapeutischen
Kunst ohne Hinwendung zu Gott die Heilung des von der Angst ge-
lähmten Menschen bzw. die Überwindung der Neurosen erhofft.
§ 139 Der Inhalt und die Weisen nichtchristlicher Erlösungsversuche 13

c) Wer das menschliche Elend in der Kraft- und Richtungslosig-


keit des Willens sieht, wird auf Tatkraft und sittliche Anstrengung
seine Hoffnung setzen. Hierher gehört z.B. der Konfuzianismus (8!/20/o
der Erdbevölkerung; Erlösung ist Befreiung von der würdelosen Bar-
barei gesellschaftlicher Unkultur durch bürgerliche, staatliche und
gesellschaftliche Sitte). Kant sieht die Lebenserfüllung in der Erfüllung
der Pflicht um der Pflicht willen, Fichte in der tatwirklichen Darstel-
lung des reinen Ich durch das empirische Ich in unendlicher Annähe-
rung: Die Haupt- und Todsünde ist die Trägheit, Freiheit bringt die
Selbstbetätigung um ihretwillen und unter allen Umständen: Activi-
tate iustificamur.
d) Andere erwarten Erlösung nicht von einer bestimmten Ord-
nung des menschlichen Lebens oder von der Anstrengung oder Verhal-
tensweise einer Einzelkraft, sei es der Vernunft, sei es des Willens,
sondern von der Behauptung des Daseins oder dem Vollzug des Lebens
selbst. Dabei kann man seine Hoffnung wieder auf die Bejahung eines
sich selbst genügenden, schönen, kraftvollen Menschentums oder auf
die Überschreitung des jetzigen menschlichen Daseins zu einem neuen
gefüllteren setzen. Die erste Weise der Erlösungshoffnung wird ver-
kündet im Humanitätsideal der Renaissance, der Aufklärungszeit und
der deutschen Klassiker. Der Prophet der zweiten Art von Erlösungs-
hoffnung ist Nietzsche (Lebensphilosophie). Er predigt den Hinüber-
gang der Menschheit aus dem jetzigen Zustand in den des Über-
menschen. Es wird die Selbstüberschreitung eines geminderten, armen
Daseins zu einem reicheren, kraftvolleren gefordert und verheißen.
Dieses Dasein wird mit religiöser Inbrunst umfangen. Die endliche
Welt selbst wird vergöttlicht (Gott ist tot, bleibt der Erde treu). Das
Heilige und Heilende wird nicht mehr jenseits der Welt gesucht, son-
dern in ihr. Es soll herbeigezwungen werden durch den Willen zur
Macht, der den Übermenschen gebiert.
e) Heidegger und Jaspers verzichten im Grunde auf jede Erlösung.
In Heideggers Philosophie wird nicht eine Selbstüberschreitung des
Menschen auf den Übermenschen, sondern auf den Tod hin gelehrt. Im
Anblick des Todes kommt der Mensch zu sich selbst, zu seinem eigent-
lichen Dasein, zur Existenz. Er erlebt sein Ausgeliefertsein an den Tod,
an das Nichts in der Grundstimmung der Angst. Dieser Gedanke mün-
det in eine tragisch-heroische Existenz, in welcher der Mensch die
Schrecken des Daseins stolz und unfroh bejaht, ohne Hoffnung auf
Befreiung von ihnen. Jaspers verkündet die Bejahung des gefährlichen,
in den endlichen Raum eingeschlossenen Lebens. Jede Sicherung,
14 Menschliche Versuche, die Verlorenheit zu überwinden § 139

welche von der Hoffnung auf göttliche Hilfe ausgeht, hemmt das trot-
zige und stolze Ja. Ein Leben in stolzer Freiheit ist nur im steten Blick
auf die Gefahr vollziehbar, aus der es kein Entrinnen gibt. Man darf
jedoch den tiefen Unterschied zwischen Heidegger und Jaspers nicht
übersehen. Während es nach Jaspers kein Entrinnen aus der endlichen
Welt gibt, weil es keine echte Transzendenz gibt, scheint nach Heideg-
ger über das „Nichts“ hinaus, durch es hindurch ein Weg zum Sein
offen zu bleiben. (Vgl. B. Welte, Die Glaubenssituation der Gegen-
wart, Freiburg i.Br. 1949. G. Siewerth, Der Thomismus als Identitäts-
system, Frankfurt a.M. 1961?. A. Grégoire, Immanence et transcen-
dence, Brüssel 1939. Ihre äußerste Zuspitzung erfährt die Existenz-
philosophie bei J. P. Sartre. Dichterisch gestaltet wurde die ihr zu-
grunde liegende Denkweise von R. M. Rilke, vgl. $ 31.)

B. Die Erlösungsreligionen

In den Erlösungsreligionen ist der Erlöser in der Regel eine


mythische Gestalt (Tier, Mensch, Gott, Gott in einem menschlichen
Scheinleib). Eine Ausnahme macht, wie wir sehen, der Buddhismus,
den man nicht nur als philosophische, sondern auch als religiöse Er-
scheinung betrachten kann. Ein mythischer Erlöser begegnet uns bei
den primitiven Religionen und bei den Mysterienkulten (Osiris in
Ägypten, Marduk in Babylonien, Adonis in Syrien, Attis in Kleinasien,
Mithras in Iran usw.). Bei den Mythen handelt es sich um die sym-
bolisch-dramatische Darstellung des Sterbens und Wiedererstehens in
der Natur. In der mythischen Erlösergestalt wird der Zusammenhang
des Menschen mit dem Leben der Natur ausgedeutet und symbolisiert.
Die Erlösung wird gewonnen durch Teilnahme am Leben und Sterben
der Gottheit, also durch Hingabe an den Rhythmus der Natur. Sie
bedeutet sonach Aufgehen im Leben der Natur und Vernichtung des
personalen Selbst.
Der Unterschied zwischen der Erlösungsvorstellung der Mysterien-
kulte und jener des Christentums ist grundlegend und wesentlich: Bei
jenen dreht es sich um mythische Gestalten, bei dem letzteren um
eine geschichtliche Erscheinung. Die mythischen Erlösergestalten stam-
men von der Erde. Sie sind Gebilde des nach Erlösung verlangenden
menschlichen Herzens. Christus hingegen kommt von oben, da sich
in ihm Gott vom Himmel zur Erde neigt. In dem Erlösungsvorgang der
Mysterienkulte verliert der Mensch sich selbst. Durch die von Christus
vollzogene Erlösung gewinnt er seine eigene Erfüllung (siehe Bd. I § 1
§ 140 Gott der einzige Erlöser der Menschen 15

u. $ 31). Wenn heute manche Vertreter der liberalen Theologie, bes.


R. Bultmann, weithin auch die christliche Offenbarung, z. B. die Lehre
vom Sühnetod Christi, von seiner Auferstehung und seiner Himmel-
fahrt als Mythus verstehen und sie von ihren angeblich mythischen
Elementen befreien, also entmythologisieren wollen, um sie dem
modernen Menschen annehmbar zu machen, so ist zwar zuzugeben,
daß die Offenbarung gelegentlich im mythischen Gewande erscheint,
insofern sie sich des antiken Weltbildes als eines Darstellungsmittels
bedient (vgl. die Enz. „Divino afflante Spiritu“ vom 30. Sept. 1943).
Andererseits aber ist unverkennbar, daß solche Entmythologisierungs-
versuche von dem Lebensgefühl des autonomen neuzeitlichen Men-
schen und daher von einem weltanschaulichen Apriori genährt werden,
in welchem die menschliche Vernunft und das menschliche Lebens-
gefühl darüber befinden, was sein darf und was nicht, statt entgegen-
zunehmen, was durch die Geschichte bezeugt ist. Es läßt sich auch
zeigen (insbesondere hinsichtlich der Auferweckung Jesu), daß die
Hagiographen keinen Mythos bieten wollen, diesen vielmehr bewußt
ablehnen. (Vgl. Kerygma und Mythos. Ein theologisches Gespräch [mit
Beiträgen von R. Bultmann, G. Harbsmeier, Fr. Hochgrebe, E. Loh-
meyer, P. Olivier, H. Sauter, J. Schniewind, F. K. Schumann, J. B.
Soucek, H. Thielicke, hrsg. von H. W. Bartsch], Hamburg 1948. Siehe
auch R. Bultmann, Offenbarung und Heilsgeschehen, München 1941.
H. Fries, Bultmann-Barth und die katholische Theologie, Stuttgart
1955.)
S 140
Gott der einzige Erlöser der Menschen

Erstes Kapitel
Die Lehre der Kirche

Alle rein menschlichen Erlösungsversuche, so großartig sie auch


sein mögen und so ernst sie genommen werden müssen, soviel Anstren-
gung, Mühen und Tränen sie begleiten, müssen scheitern, weil sie eine
unerfüllbare Aufgabe zu bewältigen hätten, nämlich die Aufgabe, die
Sünde zu vernichten. Da gilt: Die Menschheit konnte sich nicht selbst
von der Sünde befreien und wieder zu Gott erheben, weder die Heiden
durch die Kraft der Natur noch die Juden durch den Buchstaben des
Gesetzes. Dieser Glaubenssatz wurde ausgesprochen vom Konzil von
Trient in der 5. Sitzung (3. Kapitel; D. 790). Auch in der 6. Sit-
16 Gott der einzige Erlöser der Menschen § 140

zung, welche von der Rechtfertigung, also von der subjektiven


Aneignung der Erlösung handelt, spricht das Konzil von der Not-
wendigkeit der Erlösung durch Gott. Es sagt (1. und 2. Kapitel;
D. 793 f; NR. 710 £.): „Zuerst erklärt die heilige Kirchenversammlung,
daß jeder zum rechten und klaren Verständnis der Rechtfertigungs-
lehre notwendig anerkennen und bekennen muß, daß alle Menschen
im Sündenfall Adams ihre Unschuld verloren hatten (Röm 5, 12),
unrein und nach dem Apostelwort der Natur nach Söhne des Zorns
geworden sind (Eph 2, 3). Wie sie in dem Lehrentscheid über die Erb-
sünde erklärt hat, wurden die Menschen so sehr der Sünde versklavt
und Satan und dem Tod untertan, daß nicht nur die Heiden auf Grund
ihrer natürlichen Kräfte, sondern auch die Juden auf Grund des Buch-
stabens des Gesetzes Moses’ sich nicht daraus befreien oder erheben
konnten. Trotzdem wär der freie Wille in ihnen keineswegs aus-
gelöscht, wenn auch an Kraft geschwächt und hinfällig. So geschah es:
Der himmlische Vater, »der Vater des Erbarmens und der Gott allen
Trostes« (2 Kor 1, 3) sandte, als jene selige Fülle der Zeit kam (Eph 1,
10), Christus, seinen Sohn, der vielen heiligen Vätern vor dem Gesetz
und unter dem Gesetz kundgetan und versprochen war, zu den Men-
schen, damit er die Juden, die unter dem Gesetz lebten, loskaufe, da-
mit auch die Heiden, die nicht nach Gerechtigkeit strebten, die Gerech-
tigkeit erlangten (Röm 9, 30) und als Söhne angenommen würden. Ihn
hat Gott durch den Glauben in seinem Blute zum Versöhner aufgestellt
für unsere Sünde, aber nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für
die der ganzen Welt (1 Jo 2, 2)“. Damit ist folgender Lehrsatz zu ver-
gleichen (Kanon 1; D. 811; NR. 738): „Wer behauptet, daß der Mensch
durch seine Werke, die durch die Kräfte der menschlichen Natur oder
in der Lehre des Gesetzes vollbracht werden, ohne die göttliche Gnade,
die da ist in Jesus Christus, vor Gott gerechtfertigt werden könne, der
sei ausgeschlossen“. In diesem Text wird die absolute Souveränität
Gottes in allen Fragen des Heils nachdrücklich gelehrt: Sachlich be-
steht in dieser Frage kein Gegensatz zwischen der Lehre von Trient
und der Lehre der Reformatoren.

Was das Konzil mit diesen Worten ausspricht, ist die treue
Wiedergabe der Schriftlehre.
8 140 Die Lehre der Schrift 17

Zweites Kapitel
Die Lehre der Schrift

I. Das Alte Testament

A. Allgemeine Charakterisierung

Das ganze Alte Testament ist ein einziges zusammenhängendes


Zeugnis dafür, daß Gott allein die Rettung des durch seine Schuld der
Not und dem Tod anheimgefallenen Menschen zu vollbringen vermag,
sowie daß er in seinem unbegreiflichen Erbarmen beschlossen hat, den
Verlorenen tatsächlich zu retten. Er drängt jedoch dem Verirrten die
Rettung nicht auf, er bietet sie ihm vielmehr bloß an, sehr dringlich
und mit vielen Verheißungen, Warnungen und Drohungen, aber ohne
die menschliche Freiheit zu unterdrücken. So kommt es zu einem ech-
ten, jahrhundertelangen Ringen zwischen Gott, der die Rettung bringen
will, und dem Menschen, der sich nicht retten lassen will, obwohl er
der Rettung in höchstem Maße bedürftig wäre. Gottes Rettungswille
scheitert unzählige Male am Widerstand des selbstherrlichen Men-
schen. Durch seinen Widerstand verliert sich der Mensch immer tiefer
in dem von ihm heraufbeschworenen Unheil. Je mehr er sich indes
verstrickt, um so stärker werden die göttlichen Rettungsversuche, um
so düsterer werden einerseits die göttlichen Gerichtsdrohungen, um so
leuchtender werden aber zugleich Gottes Verheißungen. Ja, allen
Gerichten Gottes folgt die Gnade nach. Sie ist sogar in ihnen an-
wesend und wirksam.
Die Weise des göttlichen Rettungswerkes entspricht der Weise,
in der der Mensch zum Totengräber seines Lebens und seiner Seligkeit
geworden ist. Er wurde es, indem er sich aus der Herrschaft Gottes
löste. So kann das Heil nur kommen, wenn er sich wieder in die Herr-
schaft Gottes begibt. Gott wirkt also die Rettung des Menschen, indem
er seine Herrschaft wieder über ihn aufrichtet, indem er sich wieder
zum König über die Menschen macht. Gerade daran freilich zer-
schlagen sich die göttlichen Rettungsversuche immer wieder. Der
Mensch verfängt sich immer heilloser in den Fesseln seines Eigen-
willens und wird daher immer unfähiger, die Bedingungen seiner Ret-
tung zu erfüllen, die Bekehrung zu Gott dem Herrn.
So wird das Ringen zwischen dem rettungswilligen Gott und dem
rettungsbedürftigen, aber gegen die Rettung sich wehrenden Menschen

2 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


18 Gott der einzige Erlöser der Menschen § 140

zu einem Kampf um die Herrschaft Gottes. Das alttestamentliche Zeug-


nis von dem Rettungswillen Gottes wird daher zu einem Zeugnis von
dem Vorankommen und Zurückweichen, von der Sicherung und Be-
drohung seiner von ihm selbst in der Menschheit aufgerichteten
Königsherrschaft, bis diese durch Christus endgültig, wenn auch noch
nicht in ihrer letzten Gestalt hergestellt wird.
Unter den alttestamentlichen Zeugnissen von den göttlichen Ret-
tungsplänen können wir zwei Gruppen unterscheiden: solche, nach
denen Gott selbst unmittelbar das Rettungswerk leistet, und solche,
nach denen er es durch ein irdisches Werkzeug vollzieht. In unserem
Zusammenhang sollen zunächst nur jene Zeugnisse erwähnt werden,
in denen Gott als der unmittelbare und alleinige Schöpfer des Heils
charakterisiert wird. Praktisch sind sie alle zugleich Hinweise auf
jene Rettungstat, die Gott durch Christus vollbracht hat. Nach Mt 11,
13 haben alle Propheten und das Gesetz hin bis zu Christus „geweis-
sagt“.

B. Gott selbst ist der Retter

1. Die Geschichtsbücher

a) Die Zeit vor den Richtern

Nach Gn 3, 15 ist der gleiche Gott, der über den sündigen Menschen und
die von ihm verdorbene Welt Gericht hielt, der die Rückkehr zum Paradies durch
die Wächterengel für immer versperrte, zugleich der Erlöser von der Verzweiflung.
Er eröffnete den aus der Fülle und der Geborgenheit des paradiesischen Lebens
Hinausgewiesenen eine Hoffnung, die wie ein großes Licht am Anfang der mensch-
lichen Geschichte steht und diese auch in ihren dunkelsten Zeiten nicht ohne Hellig-
keit läßt. Er hat die Befreiung vom Bösen verheißen. „Gott der Herr sprach zu der
Schlange: Weil du das getan, seist du verflucht vor allem Vieh und allen Tieren
des Feldes! Auf deinem Bauch sollst du geh’n und Staub fressen alle Tage deines
Lebens. Feindschaft will ich setzen zwischen dir und dem Weibe, zwischen deinem
Samen und ihrem Samen: er wird dir den Kopf zertreten, du aber wirst seiner
Ferse nachstellen“ (Gn 3, 14 f.: Protoevangelium).
Gottes Gerichte über den tiefer und tiefer fallenden Menschen haben in der
Sintflut eine unheimliche Gewalt bekundet. Aber gerade mit Noe und seiner die
Flut überlebenden Familie schloß Gott einen Bund, der seinen künftigen Schutz
verbürgte. Aus freier Huld bindet sich Gott im noachitischen Bund in ewiger Treue.
Hierfür gibt er ein Zeichen. „Gott sprach zu Noe und seinen Söhnen, die
bei
ihm waren, also: Ich, ich, siehe ich errichte jetzt meinen Bund mit euch und euren
Nachkommen, die nach euch sein werden, und mit allen Lebewesen, die
bei euch
sind, mit den Vögeln, dem Vieh und allem Wild, was bei euch ist,
mit allen Tieren
der Erde, die aus der Arche ausgezogen. Ich errichte meinen Bund mit euch: Nie
8 140 Die Lehre der Schrift 19

mehr soll wieder alles Fleisch von den Wassern der Flut ausgerottet werden, nie
mehr soll kommen eine Sintflut, die Erde zu verderben. Und Gott sprach: Das ist
das Bundeszeichen, das ich stelle zwischen mich und euch und jedes Lebewesen,
das bei euch ist, für ewige Zeiten: Meinen Bogen stelle ich ins Gewölk, er sei
ein Bundeszeichen zwischen mir und der Erde. Und wenn ich dann die Erde mit
Gewölk bewölke und der Bogen im Gewölk erscheint, da will ich denken an den
Bund, der zwischen mir und euch besteht, und zwischen allen Lebewesen jeglicher
Art. Nicht sollen die Wasser wieder kommen zur Sintflut, zum Verderben der Ge-
schöpfe“ (Gn 9, 8—15; siehe 8, 20 ff.).
Der gewissermaßen mehr im Rahmen der „Naturreligion“ liegende noachitische
Bund wird erneuert und fortgeführt durch den ausgesprochen geschichtlich charak-
terisierten Abrahamsbund (Gn 12—25). Wiederum griff Gott machtvoll in die mensch-
liche Geschichte ein. Er berief Abraham, der in Ur in Chaldäa wohnte, heraus aus sei-
ner Heimat, seiner Sippe und gebot ihm, in ein unbekanntes Land und in eine unbe-
kannte Zukunft zu ziehen. Er verhieß ihm, daß er ihn zum Stammvater eines großen
Volkes machen werde und daß in ihm alle Völker der Erde gesegnet sein sollen (Gn
12, 1 ff. 14—18). Abraham gehorchte und trat die ihm befohlene Wanderung an. Sie
war voll von Gefahren und Mühsalen. Das verheißene Land wollte sich nicht zeigen.
Abraham aber blieb dem Glauben an Gottes Verheißungen treu. Dieser erneuerte
zur rechten Zeit sein Abraham gegebenes Wort. „Als nun Abraham neunundneunzig
Jahre alt war, erschien der Herr dem Abraham und sagte zu ihm: Ich bin der all-
mächtige Gott. Wandle vor mir und sei vollkommen! Ich schließe einen Bund zwi-
schen mir und dir. Ich werde dir überaus zahlreiche Nachkommenschaft geben.
Da warf sich Abraham auf sein Angesicht nieder, und Gott redete mit ihm also:
Ja, ich schließe einen Bund mit dir: Du sollst der Stammvater gar vieler Völker
werden. Darum sollst du fortan nicht mehr Abram heißen, sondern Abraham sei
dein Name; denn zum Stammvater gar vieler Völker bestimmte ich dich. Ja, ich
will deine Nachkommen überaus zahlreich werden lassen. Völker sollen von dir
abstammen und Könige von dir ihre Abkunft herleiten. Ich schließe einen ewigen
Bund zwischen mir und dir und deiner Nachkommenschaft, Geschlecht auf Ge-
schlecht. Dein Gott will ich sein und der Gott deiner Nachkommen. Dir und deiner
Nachkommenschaft will ich das Land, in dem du jetzt als Fremdling weilst, ganz
Kanaan, als ewiges Besitztum geben. Und ich will ihr Gott sein“ (Gn 17, 1—8).
Abraham wurde nicht an Gottes Treue irre, als er ebenso wie die vorausgehenden
Urväter ins Grab sank, ohne daß er selbst die Erfüllung schauen durfte. Der
Hebräerbrief bezeugt, daß diese Urträger der göttlichen Verheißungen recht taten,
wenn sie nicht wankten, sondern, was ihnen die Gegenwart versagte, für ihre Nach-
kommen von der Zukunft erwarteten. Gott wird als Erlöser hervortreten zu der
von ihm bestimmten Stunde und dann sein Wort einlösen. „Im Glauben gehorchte
Abraham dem Rufe, in ein Land zu gehen, das er als Erbe erhalten sollte, und so
zog er aus und wußte nicht, wohin er käme. Im Glauben siedelte er sich im Lande
der Verheißung an, wie in einem fremden, und wohnte in Zelten mit Isaak und
mit Jakob, den Miterben derselben Verheißung. Er wartete ja auf die Stadt mit
festen Grundmauern. Gott ist ihr Baumeister und ihr Gründer. Im Glauben erhielt
Sara noch die Kraft, Mutter zu werden, trotz ihres hohen Alters, weil sie den für treu
hielt, der die Verheißung gegeben hatte. Darum wurden sie auch von dem Einen
und dazu Erstgeborenen erzeugt, so zahlreich wie die Sterne des Himmels, un-

Kl
20 Gott der einzige Erlöser der Menschen § 140

zählbar wie der Sand am Meeresstande. Im Glauben starben diese alle, ohne daß
sie die verheißenen Güter schon erlangt hätten. Sie hatten sie aus weiter Ferne nur
gesehen und begrüßt und so bekannt, daß sie nur Pilgrime und Fremdlinge auf
dieser Erde seien. Denn die so sprachen, zeigen, daß sie eine Heimat suchen. Wenn
sie dabei an das Land gedacht, aus dem sie ausgezogen waren, so hätten sie die
Möglichkeit gehabt, dorthin zurückzukehren. So aber trachten sie nach einem bes-
seren, d.h. nach dem himmlischen. Darum scheut Gott sich auch nicht, sich ihren
Gott zu nennen. Er hat ihnen ja eine Wohnstätte bereitet“ (Hebr 11, 8—16).
Als auch Abrahams Enkel Jakob sich anschickte, zu den Vätern zu gehen,
versammelte er seine Söhne zum Abschied um sich. Zwischen den letzten Worten,
mit denen er den Segen Gottes seinen Söhnen übertrug, rief er aus: „Herr, ich
warte auf dein Heil!“ (Gn 49, 18). Joseph kehrte mit den Brüdern nach Ägypten
zurück. Als er erkannte, daß auch seine Stunde geschlagen habe, sprach er zu
ihnen: „Ich sterbe, und Gott wird euch gewiß heimsuchen und euch aus diesem
Lande hinaufführen, in das Land, das er Abraham, Isaak und Jakob zugeschworen
hat.“ Und Joseph nahm einen Eid von den Söhnen Israels und sprach: „Wenn
Gott euch wirklich heimsuchen wird, dann führet meine Gebeine von hier mit
hinauf.“ Darnach starb Joseph, hundertundneunzehn Jahre alt; man balsamierte
ihn ein und legte ihn in Ägypten in einen Sarg (Gn 50, 22—26).
Ein Sarg also bleibt in Ägypten stehen. Auf Hoffnung hin. Noch sind die
Stämme Israels in Ägypten, wo sie der Befreiung harren. Wenn sie, von der Knecht-
schaft gelöst, in Kanaan einziehen, nehmen sie zwei Kleinodien mit: Die Lade des
Gottes und den Totenschrein Josephs (Fr. Delitzsch). Mochten die Träger der gött-
lichen Verheißungen, einer nach dem anderen, ins Grab sinken, die Hoffnung sank
nicht mit ins Grab. Einer reichte sie dem anderen wie eine immer brennende Fackel
weiter. „Im Glauben dachte noch beim Sterben Joseph an den Auszug der Kinder
Israels und gab »Anweisung über seine Gebeine«“, sagt der Hebräerbrief (11, 22).
Gott unternahm die Befreiung durch seinen „Knecht“ Moses. Dieser erhielt
den Auftrag, die in Ägypten in schwerer Bedrückung lebenden Stämme Israels, die
Nachkommen Abrahams, in das verheißene Land zu führen. So sprach Gott durch
Moses zu den Israeliten: „Ich bin der Herr! Ich werde euch befreien vom Druck
des ägyptischen Frondienstes, euch erretten aus ihrer Knechtschaft, euch erlösen
mit hocherhobenem Arm und gewaltigen Strafgerichten. Zu meinem Volke will ich
euch erwählen und euer Gott sein. Ihr sollt erkennen, daß ich es bin, der Herr,
euer Gott, der euch vom Druck des ägyptischen Frondienstes frei macht. Ich werde
euch in das Land führen, das ich durch feierlichen Schwur Abraham, Isaak und Jakob
zugesichert habe. Euch will ich es zum Besitze geben, ich, der Herr“ (Ex 6, 6ff.).
Der Weg von Ägypten nach Kanaan war zwar der Weg in die Freiheit, aber
er war ein Weg durch Kampf und Drangsal, so daß die Stämme mehrfach sich nach
der Ruhe und Sicherheit des Sklavendienstes in Ägypten zurücksehnten. Lieber die
ägyptische Knechtschaft als den Tod in der Wüste! (Ex 14, 10—14). Indes Gott
selbst war der zuverlässige Führer. „Der Herr aber zog vor ihnen her, bei Tag in
einer Wolkensäule, um ihnen den Weg zu zeigen, und bei Nacht in einer Feuer-
säule, um ihnen zu leuchten, damit sie bei Tag und Nacht wandern konnten. Bei
Tag wich nicht die Wolkensäule und bei Nacht nicht die Feuersäule von der
Spitze des Volkes“ (Ex 13, 21f.). Als der Pharao mit sechshundert auserlesenen
Kriegswagen den ausgerissenen Sklaven nachjagte, um sie zurückzuholen, offen-
§ 140 Die Lehre der Schrift 21

barte Gott seine unendliche Erhabenheit über die menschliche Großmacht. Ver-
zweifelt schrieen die Israeliten gegen Moses, der sie dem sicheren Tode ausgeliefert
zu haben schien, als die feindlichen Streitkräfte auf sie zustürmten: „Waren denn
keine Gräber in Ägypten, daß du uns mußtest zum Sterben in die Wüste führen?“
(Ex 14, 11). Aber Moses hatte die Gewißheit, daß die Hand, die ihn seinerzeit aus
dem Nil gezogen, mit leisem Wink heute dem Volk einen trockenen Weg durch
das Schilfmeer bahnen könne. Er spricht: „Fürchtet euch nicht! Stehet fest und
sehet zu, was für ein Heil der Herr heute an euch tun wird. Denn diese Ägypter,
die ihr heute sehet, werdet ihr nimmermehr sehen ewiglich. Der Herr wird für
euch streiten, und ihr werdet stille sein!“ (Ex 14, 14). Gott ist der Retter. Einen
anderen hat das Volk nicht. Es bedarf aber auch keines anderen. Wenn er die
Rettung beschlossen hat, kann keine feindliche Macht den Beschluß durchkreuzen.
Als weithin sichtbares Signal und immerwährende Bürgschaft der unvergleichlichen
Überlegenheit Gottes über alle widergöttlichen Mächte eröffnet die Wundertat im
Schilfmeer die von Gott gestiftete Geschichte des Volkes Israel. „Du bliesest mit
deinem Hauche, da deckte sie das Meer; sie versanken wie Blei in den gewaltigen
Wassern. Wer ist wie Du, Herr, unter den Göttern, wer ist wie Du, Hehrer in
Heiligkeit, Furchtbarer in Ruhmestaten, Wunder-Wirker!“ (Ex 15, 10 f.). Israel ver-
stand das Zeichen. Es sah die gewaltige Hand des Herrn. „Da fürchtete das Volk
den Herrn, und sie glaubten an den Herrn und seinen Knecht Moses“ (Ex 14, 31).
Die Geretteten sangen ein Siegeslied „Singen will ich dem Herrn, denn er ist gar
gewaltig: Roß und Reiter warf er ins Meer! Sieg und Sang ist mir Gott, da er mir
Retter ward! So ist mein Gott — darum will ich ihn preisen! So meines Vaters Gott
— darum will ich ihn rühmen! Stark im Kampfe ist der Herr, Herr ist sein Name.
Die Wagen des Pharao und seinen Heerbann warf er ins Meer. Von seinen Streitern
die besten gingen im Schilfmeer zu Grund. Wasser wogten über sie hin: Wie
Stein fuhren sie nieder zur Tiefe! Deine Rechte, Herr, ist gewaltig an Kraft! Deine
Rechte, Herr, zerschmettert den Feind!... So wallte hindurch, o Herr, dein Volk.
So wallte hindurch dein Volk, das du erworben. Du führst sie hin und pflanzest
sie ein auf dem Berge, der dir eigen, am Ort, den du, Herr, zur Wohnung dir
schufst, am Heiligtum, das, Herr, deine Hände gebaut. Der Herr ist König in Ewig-
keit“ (Ex 15, 1—6, 16ff.).
Das Schilfmeerwunder ist ein Markstein auf dem Wege der Erlösung. Es
offenbart die Macht und die Entschlossenheit Gottes, allen feindlichen Gewalten
zum Trotz seine Herrschaft in der Welt aufzurichten und so die Heillosen zu heilen.
So wird es begreiflich, daß die Heilige Schrift Gott ob dieser Rettungstat als den
wahren Erlöser und Befreier preist (Is 51, 9 ff.; Ps 73 [74], 13; Ps 88 [89], 10 u.ö,,
im Ganzen an etwa 20 Stellen; vgl. auch Ex 18, 10).
Am Sinai schließt Gott mit den durch sein eigenes geschichtsmäßiges Wir-
ken zu einem Volk heranwachsenden Stämmen Israels einen Bund, in welchem die
vorangehenden Gottesbündnisse erneuert und für die vorchristliche Zeit zu ihrer
endgültigen Gestalt gebracht werden. Vom Berge herab rief Gott dem Moses zu:
„Künde folgendes dem Hause Jakob und tue es kund den Söhnen Israels: Ihr habt
gesehen, wie ich mit den Ägyptern verfuhr, wie ich euch mit Adlersflügeln trug und
euch hierher zu mir brachte. Wenn ihr nun treulich auf mein Wort hört und meinen
Bund haltet, so sollt ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein —
denn mir gehört die ganze Erde, — und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern
22 Gott der einzige Erlöser der Menschen S 140

und ein heiliges Volk sein“ (Ex 19, 3ff.). Im täglichen Morgenopfer am Eingang
des Offenbarungszeltes will Gott seinem Volke sich offenbaren, so daß es in der
gottentfremdeten Welt eine Stelle zuverlässiger Gottesbegegnungen gibt. „Dort werde
ich mich den Söhnen Israels offenbaren, und durch meine Herrlichkeit wird es
geheiligt werden. Das Offenbarungszelt und den Altar werde ich heiligen. Auch
Aaron und seine Söhne will ich heiligen, damit sie mir als Priester dienen. Ich
werde inmitten der Kinder Israels wohnen und ihnen Gott sein. Sie sollen wissen,
daß ich, der Herr, ihr Gott bin, der sie aus dem Ägypterland geführt hat, um in
ihrer Mitte zu wohnen, ich der Herr, ihr Gott“ (Ex 29, 43—46).
Als das Volk den Bund brach, kaum daß er geschlossen war, erneuerte Gott
ihn auf Bitten des Moses: „Vor deinem ganzen Volke will ich Wundertaten voll-
bringen, wie sie auf der ganzen Erde und bei allen Völkern nicht geschehen, und
das Volk, in dessen Mitte du lebst, soll sehen das Wirken des Herrn. Denn wunder-
bar ist, was ich an dir tun werde“ (Ex 34, 10).
Der himmlische Bundesherr ließ sein Volk durch Aaron und dessen Söhne
mit diesen Worten segnen: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse
sein Antlitz über dir leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende dir sein An-
gesicht zu und schenke dir Frieden.“ Wenn so das Volk unter den Schutz des
Bundesherrn gestellt wird, wird dieser es segnen (Num 6, 22—27).
Als in den Kämpfen um den Einzug in das verheißene Land Israel auf die
Moabiter stieß, ließ der Moabiterkönig den berühmtesten Zauberer, Bileam, kommen
und gebot ihm, die Israeliten zu verfluchen. Doch dieser mußte, von Jahwe er-
leuchtet, statt des Fluches einen Segen sprechen. Vier Segenssprüche rief er über
die Israeliten, die zu verfluchen er gekommen war. Die drei ersten Sprüche lauten:
„Von Aram holte mich Balak her, Moabs König von den Bergen des Ostens: Komm
her! Verfluche mir Jakob! Komm her! Verwünsche doch Israell Wie? Ich soll
fluchen, wem Gott nicht flucht? Wie? Ich soll verwünschen, wen der Herr nicht
verwünscht? Denn ich seh’s vom felsigen Grat herab, erschau’s von den Kuppen
der Berge: Sieh, ein Volk! Einsam wohnt es für sich... Rechnet sich nicht unter
die Völker... — Wer möchte zählen Jakob, zahlreich wie Staub! Wer wollte mes-
sen nur den Viertteil von Israel! Sterben möcht ich den Tod der Gerechten... Mein
Ende soll wie das seine sein!“ (Num 23, 7—10). „Auf, Balak! Horche! Neig mir dein
Ohr, Sephors Sohn! Nicht wie ein Mensch ist Gott, daß er lüge, nicht wie ein
Menschenkind, daß ihn gereute! Er sollte verkünden und es nicht tun? Sollte ver-
heißen und es nicht erfüllen? Siehe, zu segnen bin ich bestellt: Gesegnet hat Er!
Ich kann’s nicht wenden: Nicht sieht man Unheil in Jakob. Nicht schaut man
Mühsal in Israel! Ihm steht bei der Herr, der sein Gott ist: Königsjubel klingt in
ihm auf. Gott, der aus Ägypten es führte, ist ihm wie wilder Ochsen Gehörn“ (Num
23, 18—22 ... „Gott also ist König in Israel; er ist des Volkes Kraft und Stärke“).
Zum dritten Male tat Bileam, das Auge der Wüste und den dort lagernden Stämmen
Israels zugewandt, folgenden Spruch: „Bileam spricht, Beors Sohn. Es spricht der
Mann, dem sich auftat das Auge. So spricht, der göttlichem Raunen lauscht, der des
Allmächtigen Gesichte schaut. Versunken in sich, doch entschleierten Blicks: Wie
sind deine Zelte, Jakob, schön, deine Wohnungen, Israel, wie Bachesgründe, ins
Breite gedehnt... Wie Gärten am Strom... Wie Eichen vom Herrn gepflanzt...
Wie Zedern am Wasser entlang... Wasserschwall ergießt sich aus seinen Eimern.
Seine Saat hat reichliches Maß. Trutzig reckt sich sein König empor. Hoch empor
8 140 Die Lehre der Schrift 23

wächst sein Königtum! Gott, der aus Ägypten es führte, ist ihm wie wilder Ochsen
Gehörn (= Kraft). Er frißt, die es bedrängen, die Völker... Zermalmt ihre Kno-
chen... Zerschlägt ihre Hüften... Wie der Löwe kauert es nieder zur Ruh... Wie
die Löwin... Es reizen — wer wagt’s? Gesegnet sei, wer dich segnet! Verflucht sei,
wer dich verflucht!“ (Num 24, 3—9).
Wenn freilich das von Gott erwählte Volk seine Bundespflicht bricht, wird es
vom Fluche des Herrn selbst getroffen. Unter alle Völker zerstreut, von einem Ende
der Erde bis zum anderen, von Gott gezeichnet und ruhelos auf Wanderung, wird
es nicht leben und nicht sterben können. Von tausend Schrecken gepeinigt, wird es
dennoch nicht untergehen. Gott läßt ihm die Möglichkeit der Umkehr offen. „Wenn du
in dich gehst und umkehrst zum Herrn, deinem Gott, daß du seiner Stimme ge-
horchst von ganzen Herzen und von ganzer Seele, so wird der Herr, dein Gott, dein
Gefängnis wenden und sich deiner erbarmen und wird dich wieder sammeln aus
allen Völkern, unter die er dich verstreut hat. Und wenn du bis an der Himmel
Ende verstoßen wärest, so wird der Herr, dein Gott, dich doch wieder sammeln
und von dort zurückholen“ (Dt 30, 1—4). Die Treue des Herrn wird Israel nicht
völlig versinken lassen. Sie wird denn auch im sogenannten Moseslied als die
Macht verkündet, die allein Erlösung und Freiheit zu wirken vermag. Den Himmel
und die Erde fordert Moses auf, ihm zuzuhören. Denn seine Worte verkünden das
Geheimnis von der Rettung des Menschen, welches das innerste Geheimnis der
Weltgeschichte ist. „Den Namen des Herrn will ich ausrufen. Gebt unserm Gott
allein die Ehre! Er ist der Fels, der Gott der Treue, ohne Falsch“ (Dt 32, 3£.). „Er
findet es im Wüstenlande, in der Öde, im Geheul der Wildnis; er umgibt es, er umsorgt
es, er umhegt es wie die Pupille seines Auges. Wie ein Adler seine Brut zum Fluge
aufstört und über seinen Jungen schwebt, so breitet er die Flügel, nimmt es auf und
trägt es hoch auf seiner Schwinge. Der Herr allein geleitet es, kein fremder Gott
ist mit ihm“ (Dt 32, 10ff.). Das satt gewordene und den Versuchungen seiner Um-
gebung mit ihren naturhaften Götterkulten ausgesetzte Volk fällt immer wieder ab
von seinem einzigen Helfer und Retter und reizt ihn zum Zorn und fordert seine
schweren Gerichte heraus. Aber dennoch, er vertilgt es nie ganz. Einen „Rest“ be-
wahrt er, um seiner eigenen Ehre willen. Wenn nämlich Israel den Weltmächten
preisgegeben wird, weil es seinen Gott verraten hat, liegt das Mißverständnis nahe,
diese seien stärker als der Gott Israels. Darum soll durch die Wendung von Israels
Geschick offenbar werden, daß Gott der Fels ist, an dem Israel gescheitert ist, und
daß dieser Fels nicht wankt. „Ich hätte wohl gesagt, spricht Gott im Moseslied:
Ich blase sie hinweg, und lösche ihr Gedächtnis aus der Menschheit aus, wenn ich
des Feindes Hohn nicht scheute. Denn ihr Dränger möchte es verkennen und sagen:
Unsere Hand war mächtig und nicht der Herr hat alles gewirkt“ (Dt 32, 26 f.). Indes,
er ist Richter und Retter in einem. „Seht jetzt, daß Ich, Ich es bin und kein Gott
mit mir. Ich bin’s, der tötet, ich mache lebendig, zerschmettert habe ich, ich werde
heilen, und keiner reißt mir’s aus der Hand. Ja denn, ich hebe meine Hand zum
Himmel, spreche: So wahr ich ewig lebe“ (Dt 32, 39f.; vgl. 33, 3). Nach dem
Liede segnet Moses das Volk und sagt u.a.: „Vom Sinai kam der Herr, licht-
gewandet erschien er von Seir dem Volke, glänzte auf von Pharans Gebirg, zog
einher inmitten heiliger Engelreihen — Ihm zur Rechten wabernde Glut! Noch liebt
er sein Volk... All seine Frommen sind geborgen in seiner Hand. Zu deinen Füßen
scharten sie sich, empfingen deine Gebote, die Satzung, die Moses uns anbefahl. Da
Gott der einzige Erlöser der Menschen S 140
24

Erbteil Jakobs Gemeinde, und er ward König in Jeschurun, als zu-


wurde sein
sammentraten die Hüter des Volkes, Israels Stämme sich scharten... Keiner ist wie

der Gott Jeschuruns: Am Himmel fährt er einher, Dir zu helfen — auf den Wolken
voll Majestät... Droben hilft der ewige Gott, drunten die ewige Armee, er treibt
den Feind vor sich her; vertilge, befiehlt er. Laßt Israel wohnen in sicherer Hut,
abgesondert ist Jakobs Quell. In einem Land von Getreide und Most, Tau träufelt
nieder sein Himmel. — Heil dir, Israel! Wer kann sich messen mir dir, du Volk,
siegreich im Herrn? Er ist dein rettender Schild, das Schwert, das dir Sieg schafft.
Deine Feinde müssen sich beugen vor dir, auf ihren Höhen schreitest du siegreich
dahin“ (Dt 33, 2—29. Siehe für diese Darstellung W. Vischer, Das Christuszeugnis
des Alten Testaments, I, München 1939; II, Zürich 1942).

b) Die Zeit der Richter und der Könige

In der nun folgenden Zeit, in der Zeit der Richter und der Könige, da die
siegreichen Israeliten sich in dem ihnen zugefallenen Lande Kanaan heimisch zu
machen versuchten, waren sie der großen Gefahr eines jeden Siegers ausgeliefert,
der Gefahr nämlich, der hohen Kultur und den religiösen Kulten der im Lande ver-
bliebenen unterworfenen Kanaaniter zu verfallen. Von den einheimischen Baals-
kulten, die durchweg sinnenberauschende Fruchtbarkeitskulte waren, ging eine so
verführerische Kraft aus, daß das Volk Gottes, das als Eroberer ins Land kam,
immer wieder von ihnen überwältigt wurde und Jahwe vergaß oder oftmals
neben Jahwe auch die mythischen Baale, die „Himmelskönigin“ Astarte verehrte
(Jer 44, 17). Die Folgen waren jeweils wirtschaftliche und politische Unfreiheit und
Bedrückung. In solchen Katastrophen hielt der himmlische Bundesherr Gericht über
sein treuloses Bundesvolk. Durch bestimmte, von ihm erwählte und beauftragte
Männer ließ er dem Volke jeweils verkünden, daß sein Unglück nicht bloß und nicht
erstlich Folge politischer und wirtschaftlicher Fehler, Mißgeschick oder Verhängnis,
sondern eine Strafe war. Zugleich stellte er Rettung in Aussicht, wenn das Volk
sich bekehre. Ja, selbst die Katastrophe hat jeweils keinen anderen Sinn als diesen,
das Volk zur Sinnesänderung zu rufen. So ist auch schon das Gericht eine Gnade
Gottes. Die Jahrhunderte zwischen der Besetzung des Landes und der Ankunft
Christi sind ausnahmslos erfüllt von dem Rhythmus: Abfall des Volkes — Straf-
gericht Gottes — Bekehrung des Volkes — Begnadigung Gottes und darauf folgender
neuer Abfall in endloser Kette. Durch seine Strafgerichte und die durch die Be-
kehrung des Volkes bedingte Rettung offenbarte Gott seine Bundestreue und seine
Macht, das von ihm in Aussicht genommene Ziel durch alle Widerstände des Volkes
hindurch zu erreichen.
Diese Zusammenhänge werden aufgedeckt in der Ansprache, die Josue, der
nach Moses’ Tode von Gott beauftragte Führer des Bundesvolkes, an die versammel-
ten Stämme vor seinem Tode hielt. „»So spricht der Herr, der Gott Israels: In alter
Zeit wohnten eure Ahnen jenseits des Stromes, Terach, der Vater Abrahams und
Nachors, und verehrten andere Götter. Da holte ich euren Vater Abraham aus dem
Lande jenseits des Stromes weg und ließ ihn im ganzen Lande Kanaan umher-
wandern, gab ihm zahlreiche Nachkommen und schenkte ihm Isaak. Dem Isaak
gab ich Jakob und Esau, und Esau wies ich das Gebirge Seir zum Eigentum an,
während Jakob und seine Söhne nach Ägypten zogen. Dann sandte ich Moses und
8 140 Die Lehre der Schrift 25

Aaron und suchte Ägypten heim durch das, was ich darin tat. Hierauf führte ich
euch weg. Ich führte eure Väter aus Ägypten weg, und ihr gelangtet an das Meer.
Da verfolgten die Ägypter eure Väter mit Wagen und Reitern bis an das Schilf-
meer. Nun riefen sie laut zum Herrn, und er ließ dichte Finsternis zwischen euch
und die Ägypter treten und ließ das Meer über sie dahinfluten, so daß es sie be-
deckte. Ihr saht mit eigenen Augen, was ich Ägypten antat. Dann bliebt ihr lange
Zeit in der Wüste. Hierauf führte ich euch in das Land der Amorrhiter, die jenseits
des Jordan wohnten. Als sie gegen euch kämpften, gab ich sie in eure Gewalt. Ihr
nahmt ihr Land, und ich vernichtete sie vor euch. Da erhob sich der Moabiter-
könig Balak, der Sohn Sephors, und kämpfte gegen Israel. Er ließ Bileam, den
Sohn- Beors, rufen, damit er euch verfluche. Ich wollte jedoch Bileam nicht will-
fahren. Er mußte euch vielmehr segnen, und so rettete ich euch aus seiner Gewalt.
Ihr zogt dann über den Jordan und kamt nach Jericho. Hier kämpften gegen euch
die Bürger von Jericho. Die Amorrhiter, Phereziter, Kanaaniter, Hethiter, Gergesiter,
Heviter und Ibusiter. Doch ich gab sie in eure Gewalt. Ich sandte Hornissen vor
euch her. Die haben sie, zwei Könige der Amorrhiter, vor euch vertrieben, nicht
dein Schwert und dein Bogen. Ich gab euch ein Land, um das du dich nicht ab-
gemüht hast, und Städte, die ihr nicht gebaut habt und in denen ihr euch nur
niederzulassen brauchtet. Weinberge und Olivengärten, die ihr nicht gepflanzt habt,
erhieltet ihr zum Gebrauch, So fürchtet nun den Herrn und dient ihm aufrichtig
und treu! Schafft die Götter weg, denen eure Väter jenseits des Stromes und in
Ägypten gedient haben, und dient dem Herrn! Gefällt es euch aber nicht, dem
Herrn zu dienen, so entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt: den Göttern,
denen eure Väter jenseits des Stromes dienten, oder den Göttern der Amorrhiter,
in deren Land ihr wohnt. Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.“
Da erklärte das Volk: »Ferne sei es von uns, den Herrn zu verlassen, um anderen
Göttern zu dienen. Denn der Herr, unser Gott, ist es, der uns und unsere Väter
aus Ägypten, aus dem Haus der Knechtschaft, weggeführt hat. Er hat vor unseren
Augen jene großen Wunder getan und uns behütet auf dem ganzen Wege, den
wir zurücklegten, und unter allen Völkern, durch deren Mitte wir zogen. Der Herr
vertrieb vor uns alle Völker, auch die Amorrhiter, die Bewohner des Landes. Auch
wir wollen dem Herrn dienen. Denn er ist unser Gott.« Josue erwiderte dem Volk:
»Es ist euch unerträglich, dem Herrn zu dienen. Denn er ist ein heiliger Gott, er ist
ein eifernder Gott, er wird euch eure Übertretungen und Sünden nicht vergeben.
Wenn ihr den Herrn verlaßt und fremden Göttern dient, so wird er sich abwenden,
euch Unheil widerfahren lassen und euch vernichten, nachdem er euch gut be-
handelt bat, Das Volk aber antwortete Josue: »Nein, dem Herrn wollen wir
dienen!« Josue sagte zum Volke: »Ihr seid Zeugen wider euch selbst, daß ihr euch
den Herrn erwählt habt, ihm zu dienen!« Sie antworteten: »Das sind wir.« So
schafft nun die fremden Götter weg, die unter euch sind, und wendet euren Sinn
dem Herrn, dem Gott Israels, zul Da versprach das Volk Josue: »Dem Herrn, un-
serem Gott, wollen wir dienen, und auf seine Stimme hören!«“ (Jos 24, 2—24).

Dieses Versprechen bot indes keinerlei Sicherheit für die Zukunft. Das Volk
wurde von den Baalskulten wie von einer unwiderstehlichen Macht angezogen. Was
im ersten Buche der Richter von den damals herrschenden Zuständen erzählt
wird, gilt für die ganze zwischen dem Tode Josues und der Einführung des König-
tums liegenden Zeit. „Da kam der Engel des Herrn von Golgotha herauf nach
26 Gott der einzige Erlöser der Menschen S 140

Bochim und sagte: »Ich habe euch aus Ägypten weggeführt und euch in das Land
gebracht, das ich euren Vätern zugeschworen hatte. Ich versprach: Auf ewig werde
ich meinen Bund mit euch nicht brechen. Ihr aber dürft mit den Bewohnern des
Landes kein Bündnis schließen, sondern müßt ihre Altäre niederreißen. Aber ihr
hörtet nicht auf meinen Befehl. Warum habt ihr das getan? So sage auch ich: Ich
werde sie nicht vor euch vertreiben. Sie sollen eure Widersacher sein und ihre
Gëtzen euch zum Fallstrick werden.« Als der Engel des Herrn so zu allen Israeliten
gesprochen hatte, fing das Volk laut zu weinen an. Deshalb nannte man jenen Ort
Bochim. Sie brachten dort dem Herrn ein Opfer dar. Als Josue das Volk entlassen
hatte, zogen die Israeliten ab, ein jeder in seinen Erbanteil, um das Land in Besitz
zu nehmen. Und das Volk diente dem Herrn bei Lebzeiten Josues und aller Älte-
sten, die Josue überlebten und noch alle Großtaten des Herrn gesehen hatten, die
er für Israel gewirkt hatte. Josue, der Sohn Nuns, der Knecht des Herrn, starb im
Alter von hundertzehn Jahren. Man begrub ihn im Bereiche seines Erbbesitzes zu
Thamnathsare im Gebirge Ephraim, nördlich vom Berge Gaas. Als dann auch dieses
ganze Geschlecht zu seinen Vätern versammelt war und ein anderes Geschlecht nach
ihnen heranwuchs, das den Herrn nicht kannte noch die Taten, die er für Israel
gewirkt hatte, da taten die Israeliten, was dem Herrn mißfiel, und dienten den
Baalen. Den Herrn aber, den Gott ihrer Väter, der sie aus Ägypten weggeführt hatte,
verließen sie. Sie liefen anderen Göttern nach, den Göttern der Heiden ringsum-
her, beteten sie an und erzürnten so den Herrn. Als sie so vom Herrn abfielen
und dem Baal und den Astarten dienten, entbrannte der Zorn des Herrn gegen die
Israeliten, und er gab sie Räubern preis, die sie ausraubten. Er ließ sie in die
Gewalt ihrer Feinde ringsum fallen, so daß sie vor ihren Feinden nicht mehr
standhalten konnten. Jedesmal, wenn sie ins Feld zogen, war die Hand des Herrn
gegen sie zum Unheil, wie der Herr vorausgesagt und wie der Herr ihnen zuge-
schworen hatte. Und ihre Not war groß. Da ließ der Herr Richter erstehen, die sie
aus der Gewalt der Feinde befreiten. Doch auch ihren Richtern schenkten sie kein
Gehör, sondern trieben mit fremden Göttern Götzendienst und beteten sie an.
Schnell wichen sie vom Wege ab, den ihre Väter gegangen waren, die des Herrn
Gebote befolgt hatten. Sie aber handelten nicht so. Wenn der Herr ihnen Richter
erstehen ließ, dann war der Herr mit dem Richter und errettete sie aus der Gewalt
ihrer Feinde, solange der Richter lebte. Denn der Herr ließ sich durch ihre Klagen
über ihre Bedränger und Bedrücker rühren. Sobald aber der Richter gestorben war,
trieben sie es aufs neue schlimmer als ihre Väter, indem sie anderen Göttern nach-
liefen, ihnen dienten und sie anbeteten. Sie ließen nicht ab von ihrem verstockten
Tun und Treiben. Da entbrannte der Zorn des Herrn gegen Israel, und er sagte:
»Weil dieses Volk meinen Bund übertreten, zu dem ich ihre Väter verpflichtet habe,
und meine Gebote nicht befolgt hat, so will ich aus allen Völkern, die Josue bei
seinem Tode übriggelassen hat, niemand mehr vor ihnen vertreiben. Durch sie will
ich die Israeliten auf die Probe stellen, ob sie den Weg des Herrn einhalten und
darauf wandeln, wie ihre Väter es getan haben, oder nicht.« Statt jene Völker sofort
zu vertreiben, ließ der Herr sie übrig und gab sie nicht in die Hand Josues.“ (Ri 2,
1—23).

In jenen wilden Zeiten legte Gott das Schicksal seines Volkes in die Hand
einer Frau, der Debora, die Richterin im Lande wurde und die uneinigen Stämme
zum heiligen Kriege einte und einen großen Sieg gewann. Sie pries Gott in einem
S 140 Die Lehre der Schrift 27

Siegeslied, das uns erhalten ist: „Lobet Jahwe, daß Israel wieder frei geworden ist
und das Volk sich willig zum Kampfe bot. Höret zu, ihr Könige, merket auf, ihr
Fürsten. Ich will, dem Herrn will ich singen ein Lied. Dem Herrn, Israels Gott,
will ich weihen meinen Sang. Als von Seir du auszogst, Herr, als du anbraustest
von Edoms Gefilden, bebte der Boden, gossen die Himmel, troffen von Wasser die
Wolken. Berge wankten vorm Herrn. Der Sinai vorm Gott, Israels Gott... So gehen
zugrunde, Herr, deine Feinde allesamt. Doch die ihn lieben, die sind wie Aufgang
der Sonne in ihrer Pracht“ (Ri 5, 1—5. 31).
Gott hat sich als wunderbarer Retter erwiesen. Wie ein großes Aufatmen
nach langer Drangsal klingt der abschließende Satz: „Darauf hatte das Land vierzig
Jahre lang Ruhe“ (Ri 5, 31). Gott ist die einzige Hoffnung, welche das kleine Volk
besitzt.
Vom letzten Richter Samuel wird es ihm in einem folgenschweren National-
unglück neuerdings zum Bewußtsein gebracht. Nach einem langen und aufreibenden
Kleinkrieg gerät die heilige Lade, das Bundeszeichen, in die Hände der Philister.
Israel kommt unter die Botmäßigkeit der Erbfeinde. Samuel sieht, daß die Not nicht
durch politische Maßnahmen und nicht durch militärische Unternehmungen zu
beheben ist. Denn ihre Gründe liegen in dem dauernden Abfall von Gott. Nur durch
Umkehr kann das Unheil gewendet werden. „Samuel sagte zum ganzen Hause Israel:
Wenn ihr von ganzem Herzen zum Herrn zurückkehren wollt, so entfernt die
heidnischen Götzen und die Astartebilder aus eurer Mitte und richtet euer Herz auf
den Herrn und dient ihm allein. So wird er euch erretten aus der Philisterhand“
(1 Sm 7, 3). Ähnlich wirkten gegen Ende der Richterzeit (um das Jahr 1030 vor
Christus) prophetische Scharen. Sie führten einen entschiedenen Kampf für den
einen, allmächtigen und allherrscherlichen Gott gegen die ohnmächtigen Baale der
heidnischen Völker.
In diesen von Not zerrissenen, durch den Abfall des Volkes verwirrten, von
der Verkündigung des einen lebendigen und wahren Gottes durch die prophetischen
Scharen zur letzten Auseinandersetzung aufgerufenen Jahren treffen wir zum ersten
Male in klar umrissener Gestalt die Hoffnung, daß, was Gott jetzt noch nicht ge-
währt und infolge der Widerspenstigkeit des Volkes nicht gewähren kann, in der
Zukunft gewähren wird: vollen Frieden und volles Heil, daß er selbst kommen und
sich selbst ein für allemal als König durchsetzen werde, in seinem Volke und dar-
über hinaus in der ganzen Welt (L. Dürr, Ursprung und Ausbau der israelitisch-
jüdischen Heilserwartung, Berlin 1925). Er hat dazu die Macht. Denn er ist der
Schöpfer der Welt. Während die Heidengötter Nichtse sind, die niemandem helfen
können, ist er der Herr, der die Welt mit einer Spanne seiner Hand umfängt, vor
dem die Völker sind wie Tropfen am Wassereimer, die herabfließen, ohne daß man
ihrer acht hat. Wer einen solchen Glauben an Gott hat, wird nicht resignieren, wenn
in der Gegenwart das Dunkel nicht weichen will. Er wird seine Hoffnungen, je
auswegloser die Gegenwart ist, um so intensiver der Zukunft entgegenrichten. Er
verlegt das Schwergewicht seines Vertrauens in die Zukunft.
Eine gewisse Erfüllung der Hoffnung auf die endgültige Rettung durch Gott
brachte das Königtum Davids. Er besiegt die alten Erbfeinde, die Philister, er-
oberte die bis dahin unbezwungene Jebusiterfestung Jerusalem und machte sie zur
Hauptstadt des geeinten Landes. Sie wird noch mehr. Sie wird zur heiligen Stadt.
David errichtete in ihr ein Heiligtum. Gott soll der oberste Herr von Jerusalem
Gott der einzige Erlöser der Menschen & 140
28

sein. Die Königsstadt wird zur Gottesstadt. Sie bildet von da an für alle Zeiten das
Sinnbild und die Bürgschaft der verborgenen Gegenwart Gottes unter den Menschen.
So wird sie in den Psalmen gepriesen. „Es ist gegründet auf heiligen Bergen. Jahwe
liebt die Tore Sions (= heute wird der Westhügel Sion genannt, in der alten Zeit
hieß der Osthügel so) mehr als alle Wohnstätten Jakobs. Herrliches spricht man
von dir, du Gottesstadt“ (Ps 86 [87], 1ff.).
In einem feierlichen Fest hält Gott Einzug in die neue Stadt. David führt in
festlichem Zuge die Bundeslade nach Jerusalem. Gott ergreift Besitz von der Stadt,
so daß sie seine Stadt wird. Er tritt seine von alters her ihm zukommende Königs-
herrschaft an dem ihm geheiligten Orte an. Er ist der einzige König, David ist sein
irdischer Lehensmann. Sein Thron ist von Ewigkeit her festgegründet (Ps 47 [48];
92 [93]; 144 [145]; 96 [97]; 94 [95]; 97 [98]; 96 [97]; 98 [99]).
Aufgabe des Königs ist es, seinem Volke die Freiheit zu verschaffen, indem
er die Bedrücker vernichtet. Die Königsherrschaft Gottes ist Heil für das Volk
Gottes (1 Sm 8, 20; 9, 16; 10, 1; 10, 27; 2 Sm 3, 18; 7, 9; 14, 4; 18, 28. 32;
Pss 2, 8-12:520 [21], 9-13; 44 [45], 6; 88 [89], 23£.; 109 [110], 2—7).
Nichts kann seiner Macht widerstehen. Denn er ist der Herr und König der ganzen
Welt. Er ist ja ihr Schöpfer, der sie in überlegener Freiheit hervorgebracht hat und
den Lauf der Natur ebenso wie den Gang der Geschichte bestimmt. Das Königtum
Gottes steht in engster Beziehung zur Schöpfung (Pss 92 [93], 1; 95 [96], 10; 94, [95],
3; 88 [89], 10—16; 97 [98], 6).
Die Wirklichkeit blieb freilich hinter den hohen Erwartungen von Gottes
Königsherrschaft zurück. So richteten sich die Blicke wieder in die Zukunft. Vorerst
ist Gott im Verborgenen König. Das Vertrauen auf seine unbedingte, durch nichts
aufzuhaltende Macht und seinen Helfer- und Heilswillen ist jedoch so unerschütter-
lich, daß es durch keine Drangsal zerstört wird. Über die Enttäuschungen aller Art
hinweg sieht der gläubige Teil des Volkes in Gott den zuverlässigen Bürgen der
Erfüllung seiner Hoffnungen auf das endgültige Heil. Der Glaube an Gottes ver-
borgene Königsherrschaft formt sich daher zur Bitte um deren unverhüllten Eintritt.
Auf dem Hintergrunde dieser Hoffnungen bekommt die Versicherung Christi, daß
in ihm die so lange ersehnte Königsherrschaft Gottes nun endlich herbeigekommen
sei (Mk 1, 15), ihre aufrüttelnde Dynamik. Von der gleichen, durch die Jahrhunderte
hindurch von jeder Generation der kommenden weitergegebenen Sehnsucht ist die
Bitte des neutestamentlichen Gottesvolkes getragen: Deine Königsherrschaft komme
(Mt 6, 10).
David konnte das Ergebnis seiner Regierung in folgendem Gebete charakteri-
sieren: „Gepriesen seist du, Gott unseres Vaters Israel, von Ewigkeit zu Ewig-
keit! Dein, o Herr, ist die Größe, die Macht, die Herrlichkeit, der Ruhm und die
Hoheit. Denn dein ist alles im Himmel und auf Erden. Dein, o Herr, ist die Herr-
schaft, und du erhebst dich als Herr über alles. Reichtum und Ehre kommen von
dir, und du bist Herrscher über alles. In deiner Hand stehen Kraft und Macht, und
dir ist es anheimgegeben, groß und mächtig zu machen, wen immer du willst.
So danken wir dir, unser Gott, und rühmen deinen herrlichen Namen. Wer
bin ich denn, und was ist mein Volk, daß wir imstande waren, unsere Gaben in
solcher Menge darzubringen? Nein, von dir kommt alles, und aus deiner Hand
spendeten wir dir. Wir sind doch nur Fremdlinge und Beisassen vor dir wie alle
unsere Väter: Wie ein Schatten sind unsere Lebenstage auf Erden und ohne Hoff-
§ 140 Die Lehre der Schrift 29

nung, Herr, unser Gott, all der Reichtum, den wir beschafft haben, um dir ein
Haus für deinen heiligen Namen zu erbauen, aus deiner Hand stammt er, und
dein ist dies alles. Ich weiß ja, mein Gott, daß du die Herzen prüfst und an Auf-
richtigkeit Wohlgefallen findest. So habe ich denn all dies mit aufrichtigem Sinn
gespendet und mit Freuden gesehen, wie dieses dein Volk die Gaben schenkte.
Herr, Gott unserer Väter Abraham, Isaak und Israel, erhalte immerdar im Herzen
deines Volkes solches Sinnen und Trachten und lenke ihr Herz zu dir! Gib meinem
Sohn Salomon ein williges Herz, daß er deine Gebote, deine Vorschriften und Wei-
sungen beobachte und all dies tue und das Prachthaus baue, das ich vorbereitet
habe!“ (1 Chr 29, 10—19).
Gott, den Helfer und Retter in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft preist
David so: „Dem Herrn lobsinget! Ruft seinen Namen an! Macht seine Taten den
Völkern kund! Singet ihm! Spielet ihm! All seine Wunder verkündet! In seinem
heiligen Namen sollt ihr euch rühmen! Jauchzen soll der Gottsucher Herz! Forscht
nach dem Herrn und nach seiner Herrlichkeit! Suchet allzeit sein Antlitz! Denkt
seiner Wunder, die er gewirkt, seiner Zeichen, seines Mundes richtender Sprüche!
Du, Israel, seines Knechtes, Geschlecht, Ihr, Jakobs, seines Erwählten, Söhne! Gottes
Bundestreue und Sorge um Israel. Er, der Herr, ist uns Gott! In alle Welt ergehn
seine rTichtenden Sprüche... Seines Bundes ist ewig er eingedenk, des Wortes, das
er entbot für tausend Geschlechter, des Bundes, den er mit Abraham schloß, und
seines Schwures an Isaak. Er hat es für Jakob bestellt zum Gesetz, zum ewigen
Bündnis für Israel, also sprechend: Kanaan will ich dir geben als euer erbliches
Angebind! Noch waret ihr damals gering an Zahl, wenige nur und fremd in ihm...
Noch zogen sie damals von Volk zu Volk, von einem Reiche zum andern. Doch
er litt nicht, daß man Zwang ihnen tat. Könige wies er ihretwegen zurecht: Rühret
meine Gesalbten nicht an, meinen Sehern tut nichts zuleid! So singet dem Herrn,
alle Lande! Von Tag zu Tag verkündet sein Heil! Den Heiden tut seine Herrlichkeit
kund, jeglichem Volk seine Wunder! Denn groß ist der Herr, lobwürdig gar sehr.
Furchtbar ist er vor allen Göttern. Denn der Heiden Götter sind Götzen all, der
Herr aber rief die Himmel ins Dasein, Pracht und Hoheit strahlt vor ihm auf,
Preis und Jubel in seinem Heiligtum... So bringt dem Herrn, ihr Stämme der
Völker, so bringt dem Herrn Ehre und Preis! Bringet dem Herrn seines Namens
Ruhm! Bringet Geschenke, kommt vor sein Antlitz! Neiget dem Herrn euch in heili-
gem Schmuck! Es soll alle Welt vor ihm beben! Fest steht der Erdkreis — er
wanket nimmer! Der Himmel jubelt, die Erde jauchzt... Kündet den Heiden: Der
Herr ist König! Es braust das Meer und was es erfüllt, es jauchzt die Flut und
was sie bedeckt... Aufjubeln alsdann die Bäume des Waldes vorm Herrn, wenn
er kommt, die Erde zu richten. Dem Herrn lobsinget! Denn er ist gut, und seine
Huld währt in Ewigkeit... Also sprecht: Hilf uns, du Gott unsres Heils! Sammle
uns, rette uns vor den Heiden! Daß wir preisen können deinen heiligen Namen,
daß wir rühmen dürfen uns deines Ruhms. Gelobt sei der Herr, Israels Gott! Von
Ewigkeit zu Ewigkeit!“ Und alles Volk sprach „Amen“ und „Lob sei dem Herrn!“
(1 Chr 16, 8—36).
Gott der einzige Erlöser der Menschen S 140
30

2. Die Propheten

a) Elias

An der Erinnerung an das Königtum Davids und die damals auf den Gipfel
gestiegene Herrlichkeit des Reiches entzündete sich die Hoffnung auf die endgültige
Königsherrschaft Gottes und das in ihr liegende Heil auch in den dunkelsten
Epochen. Nach David sank das Volk wieder in seine alten Schwächen zurück.
Kaum hundert Jahre nach Davids Tod wird der Baalskult vom König Achaz amt-
lich eingeführt. Der Prophet Elias erhebt sich gegen den Abfall des Volkes. Gott
selbst rettet das Werk des Moses durch seinen Beauftragten Elias. Israel dient
den Fruchtbarkeitsgöttern seiner heidnischen Umgebung. Von ihnen erwartet es die
Früchte des Bodens und das Gedeihen der Ernte. Auf dieses Tun antwortet der
von Gott erleuchtete Prophet: „So wahr der Herr, Israels Gott, lebt, vor dem ich
stehe, in diesen nächsten Jahren fällt weder Tau noch Regen, außer es geschähe
auf mein Wort“ (3 Kg 17, 1). Dürre, Hunger und Tod sind der Anteil des ungläu-
bigen Bundesvolkes. Als die Verzweiflung auf das höchste gestiegen war, forderte
Elias die Entscheidung heraus. Auf dem Berge Karmel sprach er zu dem ver-
sammelten Volk: „Wie lange hinket ihr nach beiden Seiten? Ist der Herr Gott, so
folgt ihm! Ist es aber Baal, so folgt diesem! Das Volk aber erwiderte ihm nichts.
Da sprach Elias zum Volke: Ich bin allein übrig als Prophet des Herrn. Der Baals-
propheten dagegen sind es 450 Mann. So gebe man uns zwei Farren! Sie mögen
sich einen Farren wählen, zerstückeln und auf das Holz legen, ohne Feuer anzu-
machen! Ich richte den anderen Farren her und lege ihn auf das Holz, zünde aber
auch kein Feuer an. Dann ruft ihr eures Gottes Namen an und ich rufe den Namen
des Herrn an. Der Gott, der mit Feuer antwortet, ist der Gott. Da antwortete das
ganze Volk und sprach: Der Vorschlag ist gut. Darauf sprach Elias zu den Baals-
propheten: Wählt euch den einen Farren und richtet ihn zuerst zu! Denn ihr seid
die Mehrzahl. Und ruft eures Gottes Namen an! Aber Feuer legt nicht daran! Da
nahmen die den Farren, den man ihnen gab, und richteten ihn her. Dann riefen
sie den Namen des Baal an, vom Morgen bis zum Mittag: Baal, erhöre uns! Aber
da gab es keinen Laut und keine Antwort. Und sie hinkten um den Altar, den man
gemacht hatte. Am Mittag verspottete sie Elias und sprach: Ruft recht laut! Ob-
gleich er Gott ist, so ist er wohl in Gedanken oder ist bei Seite gegangen oder auf
Reisen! Vielleicht schläft er gar und wird dann aufwachen“. Nach dem vergeblichen
Rasen und Rufen der Baalspriester baut Elias den zerstörten Altar des wahren
Gottes wieder auf und betet, Gott möge bezeugen, wer der Lebendige und Mächtige
ist. Um die Zeit der Darbringung des Speiseopfers nun trat der Prophet hervor und
sprach: „Herr, du Gott Abrahams, Isaaks und Israels! Heute werde kund, daß du
Gott bist in Israel und ich dein Knecht und daß ich all dies auf dein Geheiß tue.
Erhöre mich, Herr, erhöre mich, daß dies Volk erkenne, daß du, Herr, der wahre
Gott bist! Lenke ihre Herzen herum! Da fiel des Herrn Feuer herab, verzehrte das
Brandopfer, das Holz, die Steine und das Erdreich und leckte das Wasser im Graben
auf. Das ganze Volk sah es. Da fielen sie auf ihr Antlitz und riefen: Der Herr ist
der wahre Gott. Der Herr ist der wahre Gott“. Ehe man sich’s versah, „war der
Himmel schwarz von Gewitterwolken und ein starker Regen fiel“ (3 Kg 17, 21—45).
Im Eifer für Jahwe ließ Elias die falschen Propheten umbringen, Aber nun
ergriff ihn selbst eine große, lähmende Müdigkeit und Todessehnsucht. Da wurde
8 140 Die Lehre der Schrift 31

ihm eine neue Offenbarung Gottes zuteil. Er hat Gott als den Gewaltigen, als den
Besieger der Feinde erfahren. Am Sinai war Gott im Beben der Erde unter Blitz
und Donner erschienen. Das blieb seine Erscheinungsweise, bis Elias eine neue,
davon völlig verschiedene, für die Zukunft folgenschwere Erscheinungsform Gottes
erlebte. Auf dem Gottesberge Horeb erging das Wort des Herrn an Elias. „Und er
sprach zu ihm: Was willst du hier, Elias? Er sprach: Ich habe für den Herrn, den
Gott der Heerscharen, geeifert. Denn die Söhne Israels haben deinen Bund ver-
lassen, deine Altäre niedergerissen und deine Propheten mit dem Schwerte getötet.
Nur ich allein bin übrig. Nun trachten sie auch mir nach dem Leben. Er sprach:
Gehe hinaus und tritt auf den Berg vor den Herrn! Da zog der Herr vorüber. Vor
dem Herrn zog ein großer heftiger Sturmwind einher, Berge rüttelnd und Felsen
erschütternd. Aber der Herr war nicht im Sturme. Nach dem Sturme kam ein
Erdbeben. Aber der Herr war nicht im Erdbeben. Nach dem Erdbeben kam
Feuer. Aber der Herr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam eine leise feine
Stimme. Als Elias dies hörte, hüllte er sein Antlitz in seinen Mantel, ging hinaus
und trat an den Eingang der Höhle. Da redete ihn eine Stimme an und sprach:
Was willst du hier, Elias? Er sprach: Ich habe für den Herrn, den Gott der Heer-
scharen, geeifert. Denn die Israeliten haben deinen Bund verlassen, deine Altäre
niedergerissen und deine Propheten getötet. Ich allein bin übrig. Sie aber trachten
auch mir nach dem Leben“ (3 Kg 19, 9—14). In der leisen Stimme spricht Gott. „Die
Väter hatten die Herrlichkeit Gottes in kosmischen Katastrophen erfahren. Diese
Erfahrungen enthüllten eine eigentümliche Grenze, die wir erst nach und nach be-
merken. Israel hat nicht sofort die Einzigkeit Gottes erkannt. Der Gott, der ihm
in den Schrecken der Wüste begegnet war und es geführt hatte, besitzt er auch
Macht über die Fluren und den Acker? Kann er das Gedeihen der Felder geben
und den Schoß der Frauen fruchtbar machen? Elias wird die Erkenntnis, welche
Andersartigkeit Gottes sich hinter dem geoffenbarten Namen Gottes verbirgt. Ob
diese Erkenntnis möglich war ohne die Einsicht, wie wenig Gott des Menschen und
seines Kampfes, überhaupt des Mächtigen in der Welt bedürfe, um sein Ziel zu
erreichen? Hatten Moses, die Richter, Debora, Samuel und Elias mit dem Schwert
für Gott gekämpft, von dieser Stunde an wird kein Prophet mehr zur Waffe greifen.
Gottes Wort allein wird die Kraft ihres Ringens werden. An Jeremias und dem
leidenden Gottesknecht wird sich die Größe der Umwendung zeigen, die in Elias
geschah: Fortan werden Erdulden, Ertragen, Leiden und Tod zum Weg, auf dem
Gott das Heil weiterführt“ (Fr. Leist, Zeugnis des Lebendigen Gottes. Zum Ver-
ständnis des Alten Testamentes, Donauwörth 1948, 65).

Elias erfuhr die rettende Macht Gottes, der mit feiner Stimme zu ihm sprach.
Er muß zurückkehren und Gottes Willen vollbringen. Seinem Gehorsam wird die
Verheißung: „Ich will übrig lassen in Israel siebentausend, alle Knie, die sich nicht
vor Baal gebeugt, und jeden Mund, der ihn nicht geküßt hat“ (3 Kg 19, 18).
Die Bedeutung des Propheten Elias für den Fortgang des göttlichen Heils-
werkes kann man so charakterisieren: „Wenige Propheten nehmen in der Erinne-
rung der Spätzeit eine solche Stellung ein wie Elias.... Moses und Elias stehen
nebeneinander. Was der eine grundgelegt, hat der andere gerettet. Jesus Sirach
rühmt von Elias: »Und der Prophet Elias brach herein wie ein Feuer, und sein
Wort brannte wie eine Fackel. O wie herrlich bist du gewesen, Elias, mit deinem
Wunderzeichen« (48, 1. 4). Die jüdische Gemeinde zur Zeit Jesu glaubte, Elias stehe
32 Gott der einzige Erlöser der Menschen § 140

ihr unsichtbar bei. Daher konnten die Worte Jesu am Kreuze mißverstanden wer-
den, als rufe er nach dem Helfer Elias (Mt 27, 46). Wie Moses wurde auch Elias
in der Endzeit erwartet. Die alttestamentliche Prophetie endet in der Verheißung:
»Siehe, ich will euch senden den Propheten Elias, ehe denn da kommt der große
und schreckliche Tag des Herrn. Der soll das Herz der Väter bekehren zu den
Kindern und das Herz der Kinder zu den Vätern« (Mal 3, 23 f.). Die Jünger fragen
Jesus aus dieser Erwartung heraus: Was sagen denn die Schriftgelehrten, Elias
müsse zuvor kommen? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Elias soll ja zuvor
kommen und alles zurecht bringen (Mt 17, 11f.). Moses stand am Beginn, Elias
dort, wo der Bund zerstört werden sollte. Wir beginnen zu verstehen, warum beide
erscheinen, als jener in seinem Wesensgeheimnis sichtbar wird und erfüllen will,
was beide Männer in unsäglicher Mühe begründet hatten: »... und siehe, da er-
schienen ihnen Moses und Elias, die redeten mit ihm« (Mt 17, 3). Beide stehen in
dem großen Wüstenzug, den Gott durch die Weglosigkeit des Menschendaseins
führt. Das Werk des Elias hat ein anderer zu seiner Stunde aufgenommen: Es ist
Elias schon gekommen und sie haben ihn nicht erkannt (Mt 17,12)“ (Leist, ebda., 66).

b) Die Schriftpropheten

aal Das prophetische Gerichtswort

Als das unbelehrbare Volk von neuem seinen Herrn verließ, erweckte Gott
jene Propheten, von deren Wirksamkeit uns in besonderen Schriften berichtet
wird. Drei weltgeschichtliche Ereignisse sind es, durch welche das heilsgeschicht-
liche Wirken der Schriftpropheten bestimmt ist. Amos, Oseas, Isaias und Michäas
leben zur Zeit, da Assyrien seine Macht bis zum mittelländischen Meer vorschiebt,
von den beiden Teilreichen, in die nach Salomons Tod (932) das von David geeinte
Reich zerfiel, das Nordreich Israel erobert und die Hauptstadt des Südreiches, Je-
rusalem, bedroht (etwa von 760—700). Von 650 ab tritt das neubabylonische Reich
an die Stelle des assyrischen Weltreiches. In diese Zeit fallen die prophetischen
Worte des Sophonias, des Nahum, des Habakuk und vor allem des Jeremias (etwa
von 640—580). Im babylonischen Exil und nach der Rückkehr wirken für die Neu-
formung des Volkes Ezechiel, Aggäus, Sophonias, Malachias. Die kritische Exegese
verlegt auch den zweiten Teil des Buches Isaias (40—60) in die Zeit des babylo-
nischen Exils und schreibt seine Autorschaft einem Unbekannten zu. Die Päpst-
liche Bibelkommission hat in ihrer Entscheidung vom 29. Juni 1908 erklärt, daß
die bisher vorgebrachten Einwände gegen die Einheit des Buches die traditionelle
Auffassung nicht erschüttern können. Der Prophet habe auch den zweiten Teil des
Werkes am
Ende seines Lebens selbst verfaßt, indem er sich im Geiste in die ferne
Zukunft des Volkes, in die babylonische Gefangenschaft versetzt habe (siehe für die
Uneinheitlichkeit J. Ziegler, Isaias, in: Lex. f. Theol. und Kirche, V, Freiburg i. Br.
1960?, 770). Von 500 an verstummt die Prophetie.
Für alle Schriftpropheten sind folgende zwei der Offenbarung des göttlichen
Erlöserwillens dienende Momente wichtig.
Es ist ihnen allen eigentümlich, daß sie Gottes Gericht für die Heidenvöl-
ker, aber mit steigender Deutlichkeit auch für das Bundesvolk selbst androhen.
Amos kündet den vollen Untergang Israels, des Nordreichs, in einer baldigen Ka-
§ 140 Die Lehre der Schrift 33

tastrophe an. Er hört die Stimme Gottes: „Das Ende kommt über mein Volk Israel.
Ich gehe fürder nicht mehr (gnädig) an ihm vorüber. Da heulen die Palastfrauen
an jenem Tag. Viele sind der Leichen. Man wirft sie hin an jeglichem Ort“ (Am 8, 2f.;
übers. nach Fr. Nötscher, Würzburg 1955°). Niemand wird dem drohenden Gericht
entgehen. Amos muß erleben, wie verschieden Gott von jenen Vorstellungen ist, die
meinen, er müsse seinem Volke immer helfen. „Geschehen wird an jenem Tag — Spruch
Jahwes des Herrn: Ich lasse die Sonne untergehen am Mittag und breite Finsternis
auf die Erde am hellen Tag. Ich verwandle euere Feste in Trauer und all euere
Lieder in Klage“ (8, 9f.). „Ich sah den Herrn stehen am Altar, er schlug den
Knauf, daß die Pfosten erbebten. Er sprach: Ich schlage ihnen allen das Haupt ab
und töte mit dem Schwert ihren Rest. Keiner von ihnen entkommt, der flieht, keiner
von ihnen entrinnt, der flüchtet. Brechen sie auch zur Unterwelt durch, greift sie
dort meine Hand; steigen sie auch zum Himmel empor, hol’ ich sie dort herab.
Verstecken sie sich auf der Höhe des Karmel, ich spüre sie auf und greife sie dort.
Verbergen sie sich auf dem Grunde des Meeres vor meinen Augen, heiße ich dort
die Schlange sie beißen. Ziehen sie als Gefangene weg, vor ihren Feinden her, ent-
biete ich dort noch das Schwert, sie zu töten. Ich richte mein Auge auf sie zum
Unheil und nicht zum Heil“ (9, 1ff. Vgl. Os 13, 7£.).
Im Südreich kündet Isaias die hereinbrechenden Strafgerichte Gottes an, zu-
gleich deren Gründe, die schwere Schuld des Volkes, darlegend: „Hört, ihr Himmel!
Horch auf, du Erde! Denn der Herr hat gesprochen: »Kinder habe ich großgezogen
und hochgebracht. Sie aber sind mir untreu geworden. Der Ochs kennt seinen Be-
sitzer und der Esel die Krippe seines Herrn. Nur Israel hat keine Erkenntnis, mein
Volk keine Einsicht!« Wehe, sündiges Geschlecht, schuldbeladenes Volk, Brut von
Frevlern, entartete Kinder! Sie haben verlassen den Herrn, gelästert den Heiligen
Israels, ihm den Rücken gekehrt. Worauf noch soll man euch schlagen, da ihr den
Abfall fortsetzt? Ganz krank ist das Haupt. Ganz siech ist das Herz. Vom Fuß bis
zum Scheitel ist nichts daran heil — nur Beulen, Striemen und frische Wunden...
Man hat sie nicht ausgedrückt, nicht verbunden, nicht gelindert mit Öl. Euer Land
ward zur Wüste. Eure Städte wurden vom Feuer verzehrt! Eure Äcker: Fremde
zehren davon vor euren Augen, eine Wüste ist's wie bei Sodomas Zerstörung. Die
Tochter Sion blieb übrig nur, wie eine Hütte im Weinberg, wie ein Wachthaus im
Gurkenfeld, wie ein Wachtturm. Ja, hätte der Herr der Heerscharen uns nicht einen
Rest gelassen: wie Sodoma wären wir fast, wir glichen Gomorrha!“ (Is 1, 2—9).
„Wohlan, laßt uns rechten!, so spricht der Herr. »Wenn eure Sünden auch rot
sind wie Scharlach, weiß sollen sie werden wie Schnee. Wenn sie auch rot sind
wie Purpur, weiß sollen sie werden wie Wolle! Seid ihr willig und hört, so sollt
ihr die Güter des Landes verzehren. Doch weigert ihr euch und trotzt, so wird
euch das Schwert fressen!« — Wahrlich, der Mund des Herrn hat gesprochen. Ach,
wie ist zur Dirne geworden die treue Stadt, die voll war des Rechtes! Einst wohnte
Gerechtigkeit drin und jetzt — Mörder. Zu Schlacken ist dein Silber geworden, mit
Wasser gefälscht dein Wein. Aufrührer sind deine Fürsten, Genossen von Dieben,
Bestechung lieben sie insgesamt und jagen dem Geld nach. Sie schaffen der Waise
kein Recht. Der Witwe Rechtsstreit kommt nicht vor sie“ (Is 1, 18—23). „Sagt
euch doch los von den Menschen, in deren Nase nur ein Hauch ist! Wie wenig sind
sie zu achten! Seht, hinwegnimmt der Allmächtige, der Heerscharen Herr, aus
Jerusalem und Juda Stab und Stütze, jede Stütze an Brot, jede Stütze an Wasser,

3 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


Gott der einzige Erlöser der Menschen S 140
34

den Helden und den Kriegsmann, den Richter und den Propheten, den Wahrsager
und den Ältesten, den Hauptmann und den Mann von Ansehen, den Ratsherren,
den Meister in Künsten und den Zauberkundigen. Ich mache Knaben zu ihren
Fürsten. Mutwillige Buben sollen über sie herrschen. Da drängt sich das Volk,
Mann gegen Mann, und einer gegen den andern. Anherrscht der Jüngling den Greis,
der Ehrlose den Geehrten. Packt einer dann den Bruder im Haus seines Vaters an:
»Du hast noch ein Obergewand, du mußt unser. Fürst sein und herrschen ob diesem
Trümmerhaufen!< so ruft der an jenem Tage laut aus: »Ich mag nicht Wundarzt
sein. In meinem Hause ist weder Brot noch Gewandung. Ihr dürft mich nicht machen
zum Fürsten über das Volk«. In Trümmern wird sinken Jerusalem, und zusammen-
brechen wird Juda, weil ihre Zungen und Taten sich richten gegen den Herrn,
seinen hehren Augen zu trotzen. Ihres Antlitzes Aussehen legt Zeugnis wider sie ab.
Wie zu Sodoma sprechen sie offen von ihrer Sünde. Weh ihnen! Denn sich selber
fügen sie Unheil zu. Heil dem Gerechten! Denn wohl geht es ihm; denn er wird
ernten den Lohn seiner Taten. Wehe dem Frevler! Böse geht’s ihm; denn ihm wird
vergolten das Tun seiner Hände. Buben, mein Volk, sind seine Gebieter, Wucherer
herrschen darüber. Mein Volk, Verführer sind deine Führer. Sie verwirren den
Lauf deiner Pfade“ (Is 2, 22—3, 12).

Etwa hundert Jahre nach Isaias hat Jeremias den vergeblichen Versuch ge-
macht, das Volk im letzten Augenblick, angesichts des unmittelbar bevorstehenden
Untergangs der Stadt Jerusalem aufzurütteln. „Jahwe sprach zu mir: Es besteht
eine (förmliche) Verschwörung unter den Leuten von Juda und den Bewohnern
von Jerusalem. Sie sind zu den Sünden ihrer Väter von ehedem zurückgekehrt, die
sich weigerten, auf meine Worte zu hören. Sie liefen ja fremden Göttern nach,
ihnen zu dienen. Aufgehoben hat das Haus Israel und das Haus Juda meinen Bund.
den ich mit ihren Vätern schloß. Deshalb spricht Jahwe also: Nun bringe ich Un-
heil über sie, dem sie sich nicht entziehen können, und schreien sie dann zu mir,
werde ich sie nicht anhören. Die Städte Judas und die Bewohner Jerusalems mögen
dann hingehen und zu den Göttern schreien, denen sie auch Opfer brachten! Aber
helfen können sie ihnen nicht in ihrem Unglück“ (Jer 11, 9—12, Übers. nach Fr.
Nötscher, Würzburg 1955°; vgl. 7, 20—34; siehe die Klagelieder).

bb) Das prophetische Verheißungswort

a) Amos und Oseas

So unheimlich die Bilder des verwüsteten Landes und der zerstörten Städte,
der Kriegsgefangenen und Ermordeten sind, welche die Prophetien anfüllen, das
letzte Wort, das Gott seinem Volke zuruft, ist nicht ein Drohwort, sondern ein
Verheißungswort. Gott verheißt Rettung und Heil. Er selbst wird als Retter zu
seinem Volke kommen. Die Verheißungsworte begleiten die Gerichtsworte und geben
ihnen ihren rechten Sinn. Gott sendet Vernichtung nicht um der Vernichtung,
sondern um der Bekehrung willen. Ein „Rest“ wird begnadigt.
Amos ließ vor seinen Zuhörern folgendes Bild des Heiles erstehen, wie auch
andere Propheten vielfach in urtümlichen Symbolen des heilen menschlichen Lebens,
vor allem in den Sinnbildern des Bauern- und Hirtendaseins sprechen. „Sieh, meine
Augen — Spruch Jahwes des Herrn — wenden sich gegen das sündige Reich: Ich
8 140 Die Lehre der Schrift 35

rotte es aus von der Erdoberfläche! Ei, sollt’ ich das Haus Jakob nicht völlig aus-
rotten (unter allen Völkern)? Ja, fürwahr, ich gebe Befehl und lasse das Haus
Israel schütteln, wie man schüttelt im Sieb, daß kein Stein zur Erde fällt. Durch
das Schwert sollen sterben alle Sünder meines Volkes, die sprechen: Das Unheil
trifft uns nicht und erreicht uns nicht. An jenem Tage richte ich die verfallende
Hütte Davids wieder auf, ich vermauere ihre Risse, und ihre Trümmer richte ich
wieder auf und baue sie wie in den Tagen der Vorzeit, so daß sie den Rest Edoms
in Besitz nehmen, und alle Völker, die mir als Eigentum gehören — Spruch Jahwes,
der dies wirkt. Fürwahr, Tage kommen, — Spruch Jahwes, da drängt sich der
Pflüger an den Schnitter, der Trauben keltert, an den, der die Saat streut, da triefen
die Berge von Most, und alle Hügel zerfließen (davon). Da wende ich das Schicksal
meines Volkes Israel: Sie bauen ihre verwüsteten Städte auf und wohnen darin,
sie pflanzen sich Weinberge und trinken davon den Wein, sie machen sich Gärten
und essen davon die Frucht. Ich pflanze sie ein im Boden der Heimat, sie werden
fürder nicht weggerissen vom Boden der Heimat, den ich ihnen gegeben habe,
spricht Jahwe, dein Gott“ (Am 9, 8—15; Übers. nach Fr. Nötscher, Würzburg 19552).
Oseas (Hosea) verkündet das göttliche Erbarmen, indem er das Geheimnis
der göttlichen Liebe offenbart (2, 20f.; 5, 13—6, 3; 11, St: 14, 2—10). Würde
Gott nicht als Retter kommen, so gäbe es keine Rettung (13,4). Die Rettung bringen
nicht Rosse und Reiter, nicht Bogen und Schwert, sie kommt von keinem irdischen
Bundesgenossen, nicht von Assyrern und nicht von Ägyptern, nicht vom Westen
und nicht vom Osten, sondern vom Erbarmen Gottes (1, 7).

f) Isaias
Am ausführlichsten schildert die kommende Heilszeit Isaias. Er verurteilt die
glaubenslose Bündnispolitik, die das Südreich bald an die Seite Ägyptens, bald
an die Seite Assyriens treibt. Für das Gottesvolk gibt es nur eine Rettung: die
Rückkehr zu seinem himmlischen Bundesherrn. Wenn es sich zu ihm bekehrt, wird
ihm Heil zuteil. In glühenden Farben und reichen Bildern schildert der Prophet
das kommende Heil. Charakteristisch ist allen seinen Entwürfen von einer kommen-
den Heilszeit der Glaube, daß nur Gott sie herbeiführen kann und daß er sie herbei-
führt, indem er sich zum König seines Volkes macht. Isaias greift über die
nationalen Schranken hinaus und weissagt die Königsherrschaft Gottes und das in
ihr ruhende Heil für die ganze Welt. Die wichtigsten Texte lauten: „Am Ende der
Tage wird es geschehen, daß der Berg mit dem Hause des Herrn festgegründet
dasteht zu Häupten der Berge, erhaben über die Höhen. Dann strömen zu ihm alle
Völker zusammen. Viele Nationen wallen dorthin und sprechen: »Kommt, laßt uns
hinaufziehen zum Berge des Herrn, zum Hause des Gottes Jakobs! Er lehre uns seine
Wege! Wir wollen wandeln auf seinen Pfaden!« Denn die Lehre geht aus von
Sion und das Wort des Herrn von Jerusalem. Er richtet unter den Völkern, spricht
vielen Nationen Recht. Zu Pflugscharen schmieden sie um ihre Schwerter, ihre
Lanzen zu Winzermessern. Nicht mehr hebt Volk wider Volk das Schwert. Man
lernt nicht fürder den Krieg. Haus Jakobs, wohin! Laßt uns wandeln im Lichte
des Herrn!“ (Is 2, 2—5). „An jenem Tag wird der Sproß des Herrn zur Zierde
und Ehre, und die Frucht der Erde zum Stolz und zum Ruhm sein für die, die
gerettet wurden aus Israel. Wer dann in Sion noch übriggeblieben und am Leben

KA
Gott der einzige Erlöser der Menschen S 140
36

noch ist in Jerusalem, wird heilig heißen, ein jeder, der zum Leben eingeschrieben

ist, in Jerusalem. Wenn der Allmächtige abgewaschen den Unrat der Töchter Sions
und aus seiner Mitte getilgt hat die Blutschuld Jerusalems durch den Geist des
Gerichtes, durch der Läuterung Geist: dann wird der Herr über des Berges Sion
ganzen Raum, über seinen Versammlungen eine Wolke erschaffen für den Tag,
und Rauch, Glanz und lohendes Feuer für die Nacht. Ja, ein Schirmdach wird sein
über der ganzen Herrlichkeit. Und eine Hütte wird da sein, Schatten zu spenden
bei Tag vor der Hitze, zum Schutz und Obdach vor Ungewitter und Regen“ (Is 4,
2—6). Von seiner Berufung berichtet der Prophet: „Ich fragte: »Wie lange, All-
mächtiger?« Er gab zur Antwort: »Bis die Städte verwüstet, ohne Bewohner, die
Häuser menschenleer und das Land zur Öde geworden. Bis der Herr in die Ferne
vertrieben die Menschen und groß geworden im Land die Verödung. Ja, lebt noch
ein Zehntel darin, so soll auch dies der Vernichtung verfallen! Doch wie beim
Terebinthenbaum, wie bei der Eiche, von denen beim Fällen ein Wurzelstock blieb,
ist ihr Wurzelstock heiliger Same.«“ (Is 6, (Pl „Tobt nur ihr Völker — und
zagt! Horcht auf, alle Fernen der Erde! Rüstet euch — zagt! Rüstet euch — zagt!
Faßt einen Plan — er wird doch zunichte! Faßt einen Beschluß — er kommt doch
nicht zustand! Denn Gott ist mit uns“ (Is 8, 9 f.). „An jenem Tag wirst du sprechen:
»Ich preise dich, Herr! Denn hast du mir auch gezürnt, so hat doch dein Zorn
sich gelegt, und du hast mich getröstet. Siehe, Gott ist mein Heil! Voller Zuversicht
bin ich und fürchte nicht. Denn Sieg und Sang ist der Herr mir, der Herr! Er
brachte mir Rettung.« Mit Jubel werdet ihr Wasser schöpfen aus den Quellen des
Heiles. Ihr werdet sprechen an jenem Tage: »Dem Herrn lobsinget! Ruft seinen
Namen an! Macht seine Taten den Völkern kund! Verkündet, daß erhaben sein
Name! Lobsinget dem Herrn; denn Großes hat er getan! Kund sei dies der ganzen
Erde! Jubelt und jauchzt, ihr Bewohner von Sion! Denn groß ist in eurer Mitte der
Heilige Israels!<“ (Is 12, 1—6). In einer großen Vision sieht der Prophet Gericht
und Begnadigung zusammen: „Siehe der Herr entvölkert die Erde, verheert sie;
entstellt ihr Antlitz, zerstreut ihre Bewohner. Dem Priester ergeht’s wie dem Volk,
dem Herrn wie seinem Knecht, der Herrin wie ihrer Magd, dem Verkäufer wie dem
Käufer, dem Verleiher wie dem Entlehner, dem Gläubiger wie dem Schuldner.
Gänzlich entvölkert wird die Erde und völlig geplündert. Denn der Herr hat diese
Drohung gesprochen. Die Erde trauert, verwelkt. Der Erdkreis verschmachtet, ver-
welkt. Himmel und Erde verschmachten. Entweiht ist die Erde unter ihren Be-
wohnern; denn sie haben die Gebote übertreten, das Gesetz überschritten, den
Bund der Vorzeit gebrochen. Darum zehrt Fluch an der Erde und büßen ihre Be-
wohner. Darum verbrennen der Erde Bewohner. Von den Sterblichen bleiben nur
wenige über. Es trauert der Most. Der Weinstock stirbt ab. Es seufzen alle, die
fröhlich waren. Still ward der freudige Paukenschlag. Aufhört der Lärm der Froh-
lockenden. Verstummt ist die lustige Zither. Man trinkt beim Gesang keinen Wein
mehr. Bitter schmeckt den Zechern der Trank. In Trümmern liegt die nichtige
Stadt. Jedes Haus ist dem Eintritt verschlossen. Lautes Klagen um Wein auf den
Straßen... Vergangen ist aller Jubel, hinweggezogen die Freude auf Erden. Übrig
blieb in der Stadt nur Verödung. Zu Trümmern ward zerschlagen das Tor. Denn
also ergeht es auf Erden unter den Völkern wie beim Olivenklopfen, wie bei der
Nachlese, wenn der Herbst vorüber. In lauten Jubel brechen sie aus. Sie jauchzen
im Westen über die Hoheit des Herrn: »Drum preist den Herrn, ihr Bewohner des
§ 140 Die Lehre der Schrift 37

Ostens, ihr an den Meeresküsten, den Namen des Herrn, des Gottes Israels! Wir
hörten Gesänge vom Saume der Erde: Preis dem Gerechten!« Doch ich rief: »Ver-
derben ist über mir! Verderben ist über mir! Weh mir! Die Treulosen handeln
treulos, Treulosigkeit treiben die Treulosen treulos.« Grauen, Grube und Garn kommt
über dich, du Bewohner der Erde. Wer vor dem Grauen flieht, fällt in die Grube.
Wer aus der Grube heraufkommt, fängt sich im Garn. Denn die Schleusen der
Höhe sind aufgetan. Es erzittern die Grundfesten der Erde. Die Erde zerbirst, zer-
kracht... Die Erde zerreißt, zerklafft... Die Erde schwankt hin, wankt her...
Wie ein Trunkener taumelt die Erde. Wie eine Hängematte schwankt sie hin und
her. Schwer lastet auf ihr ihr Vergehen. Sie fällt hin und erhebt sich nicht wieder.
An jenem Tag wird heimsuchen der Herr das Heer der Höhe da oben und die Könige
der Erde auf Erden. Sie werden in den Kerker gesperrt wie Gefangene. Hinter Schloß
und Riegel müssen sie lange Zeit büßen. Der Mond wird erröten und die Sonne
sich schämen. Denn der Herr der Heerscharen wird antreten die Königsherrschaft
auf dem Berg Sion und in Jerusalem. Vor seinen Ältesten erstrahlt er in Hoheit“
(Is 24, 1—23). „Mein Gott bist du, Herr! Dich rühm ich, deinem Namen lobsing ich.
Denn Wundertaten hast du vollbracht, Ratschlüsse aus uralter Zeit in Treue und
Wahrheit. Du hast ja in Schutt verwandelt die Stadt, den befestigten Ort in Trüm-
mer, die Paläste der Stolzen in eine verschwundene Stadt. Nimmer baut man sie
auf... Drum ehren dich starke Völker, fürchten dich die Städte gewaltiger Ge-
schlechter. Ja, dem Geringen warst du ein Hort, ein Hort dem Armen in seiner
Not, ein Obdach vorm Wetter, ein Schatten vor Sonnenglut... Denn der Gewalt-
herrn Schnauben ist wie ein Winterguß, der gegen die Mauer peitscht, wie Sonnen-
glut über dem Dürrland... Denn du dämpftest das Toben der Stolzen. Wie durch
den Schatten der Wolken die Sonnenglut, so hast du gedämpft das Jubellied der
Gewaltherrn.« Bereiten wird der Heerscharen Herr allen Völkern auf diesem Berge
ein Mahl feinster Speisen, ein Mahl edelster Weine, bester feinster Speisen, geläu-
terter, edelster Weine. Vernichten wird er auf diesem Berge die Hülle, die alle
Völker verhüllt, die Decke, die über alle Nationen gedeckt ist. Er vernichtet den
Tod auf immer. Der allmächtige Herr wischt ab die Tränen von allen Gesichtern.
Die Schmach seines Volkes schafft er hinweg von der ganzen Erde; denn der Herr
hat gesprochen. Sagen wird man an jenem Tage: »Seht, da ist unser Gott, auf den
wir hoffen, daß er uns rette, da ist der Herr, auf den wir hoffen! Laßt uns jubeln
und froh sein ob seiner Hilfe!« Denn die Hand des Herrn wird ruhen auf diesem
Berg. An seiner Stätte wird Moab zertreten, wie man Stroh im Jauchetümpel zertritt.
Und ob er auch seine Hände darin ausbreitet, wie der Schwimmer sie breitet beim
Schwimmen: Der Herr wird sein Aufstreben niederdrücken trotz der geschickten Be-
wegungen seiner Hände. Er wird deine festen, steilen Mauern umstürzen, niederwerfen,
zu Boden stoßen bis in den Staub“ (Is 25, 1—12). .. „An jenem Tag wird im Lande
Juda dieses Lied gesungen werden: »Wir haben eine feste Stadt: Heil setzte er
uns zu Mauern und Wall. Öffnet die Tore, daß einziehe ein gerechtes Volk, das
die Treue bewahrt! Fest ist sein Sinn. Du wirst dauerndes Heil gewähren, weil es
auf dich vertraut. Vertraut auf den Herrn für immer! Denn der Herr, der Allmäch-
tige, ist ein ewiger Fels. Denn erniedrigt hat er die Bewohner der Höhe, die ragende
Stadt... Er hat sie erniedrigt, ja bis zur Erde erniedrigt, sie niedergestoßen bis
in den Staub. Nun zertritt sie der Fuß, der Elenden Fuß, der Schwachen Tritt...
Der Pfad des Gerechten ist gerade. Geebnet hast du den Weg des Gerechten. Selbst
38 Gott der einzige Erlöser der Menschen S 140

auf deiner Gerichte Pfad haben dein, o Herr, wir geharrt. Nach deinem Namen,
nach deinem Lobpreis geht unsrer Seele Verlangen. Meine Seele sehnt sich nach
dir in der Nacht. Mein Geist sucht dich in meinem Innern. Denn treffen deine Ge-
richte die Erde, so lernen Gerechtigkeit die Bewohner der Welt. Doch wird dem
Gottlosen Gnade zuteil, so lernt er nimmer Gerechtigkeit. — Im Land der Gerechtig-
keit bleibt er ein Frevler und sieht nichts von der Hoheit des Herrn. Herr, ist hoch
deine Hand auch erhoben: Sie sehen es nicht. Zur Beschämung sollen sie sehen
deinen Eifer um dein Volk!. Das Zornesfeuer, das deinen Widersachern bereitet,
wird sie verzehren. Herr, Frieden wirst du uns schaffen. Denn, was auch an uns
geschah: Du hast es gewirkt. Herr, unser Gott! Es herrschten andere Herren als du
über uns, doch wir preisen nur deinen Namen. Die Toten werden nicht leben, die
Schatten nicht wieder aufstehen. Drum hast du sie heimgesucht und vertilgt, jed’
Gedächtnis an sie vernichtet. Gemehrt hast du das Volk, o Herr, gemehrt hast du
das Volk, dich herrlich erwiesen, alle Grenzen des Landes erweitert. Herr, in der
Drangsal haben sie dich gesucht. Sie haben flüsternd gefleht, da deine Züchtigung
sie traf. Wie eine Mutter vor dem Gebären sich windet und aufschreit in ihren
Wehen, so waren, o Herr, wir vor dir: Wir gingen schwanger, wir lagen in Wehen,
doch als wir gebaren, war’s — Wind. Wir schafften dem Lande nicht Heil. Kein
Erdenbewohner wurde geboren. Doch deine Toten leben. Meine Leichname steh’n
wieder auf. Wacht auf und jubelt, die ihr im Staube ruht! Denn Tau des Lichts
ist dein Tau. Die Erde gibt die Schatten heraus.< —“ (Is 26, 1—19). Das Böse
wird keinen Raum und keine Achtung mehr haben:, Siehe, gerecht wird herrschen
ein König. Nach dem Recht werden Fürsten regieren. Jeder wird sein ein Zufluchts-
ort vor dem Sturm, vor dem Wetter ein Schutzdach, wie Wasserbäche in dürrer
Steppe, wie der Schatten eines mächtigen Felsens in lechzendem Land. Nicht mehr
werden verhüllt sein der Sehenden Augen. Aufmerksam werden der Hörenden Ohren.
Erkenntnis wird lernen der Unbesonnenen Herz. Geläufig und deutlich wird reden
der Stammelnden Zunge. Nicht wird man mehr edel nennen den Gemeinen, noch
vornehm heißen den Schurken. Denn der Gemeine redet Gemeines. Sein Herz sinnt
Unheil. Er handelt ruchlos und redet Irriges gegen den Herrn. Den Hungrigen läßt
er darben. Dem Durstigen versagt er den Trank. Und des Schurken Waffen sind
böse. Er sinnt nur auf Ränke. Verdirbt die Armen durch trügerische Reden, auch
wenn der Schwache sein Recht vertritt. Der Edle aber sinnt nur auf Edles und tritt
nur für Edles ein“ (Is 32, 1—8). Der Herr wird König sein: „Den König in seiner
Pracht wirst du schauen, wirst sehen ein weites Land. Dein Herz gedenke noch
der Schreckenszeit: »Wo ist nun, der da zählte? Wo ist nun, der das Geld wog?
Wo ist nun, der die Türme zählte?« Das freche Volk wirst du nicht mehr sehen,
das Volk mit stammelnder, unverständlicher Sprache, das in sinnloser Rede lallt.
Sion schau an, die Stadt unserer Feste! Deine Augen mögen Jerusalem sehen, die
sichere Stätte, das Zelt, das nicht wandert, dessen Pflöcke niemals herausgerissen,
dessen Seile nimmer zerrissen werden. Denn dort ist bei uns der Herr, der Herr-
liche, an Stelle der Flüsse und breiten Ströme. Keine Ruderflotte wiegt sich darauf.
Kein stolzes Schiff gleitet hinüber. Denn der Herr ist unser Richter, der Herr unser
Gebieter, der Herr unser König. Er ists, der uns rettet. Wohl hängen jetzt schlaff
deine Taue herab, so daß sie nicht aufrecht halten das Gestänge des Mastbaums,
und nicht ausgespannt sind die Segel. Doch einst wird in Menge Beute über Beute
verteilt, so daß selbst die Lahmen reichlich Beute machen, und kein Bewohner
$ 140 Die Lehre der Schrift 39

wird sagen: »Ich leide.< Das Volk, das dort wohnt, ist befreit von der Schuld“
(Is 33, 17—24). Gott wird die feindlichen Mächte vernichten. „»Es lacht über dich
(= den König von Assyrien, Sennacherib), es spottet dein die Jungfrau, die Tochter
Sion. Es schüttelt hinter dir her das Haupt die Tochter Jerusalem. Wen hast du
gelästert, hast du verhöhnt, wider wen die Stimme erhoben, emporgeworfen den
stolzen Blick? — Wider den Heiligen Israels! Gelästert hast du durch deine Diener
den Herrn. So war dein Sinnen: Durch die Macht meiner Wagen hab ich erklom-
men der Berge Höhn, den Gipfel des Libanon... Hab ich gefällt die ragenden
Zedern, die schönsten Zypressen... Bin ich gedrungen zum obersten Gipfel, zu
seiner Waldungen reichste ... — Brunnen grub ich und konnte mich letzen an
fremdem Naß, machte ausdorren mit meiner Füße Sohle alle Ströme Ägyptens.
Ging dir’s noch immer nicht auf? —: Von längst her hab ich’s bereitet, geplant seit
den Tagen der Vorzeit, — jetzt ließ ich’s geschehen: Feste Städte wurden in wüste
Trümmer verwandelt. In Ohnmacht bebten ihre Bewohner und wurden zuschanden,
wurden wie Kraut auf dem Feld und wie sprossendes Grün, wie Gras auf dem Dach,
wie Korn, das versengt ward, noch eh’ es gereift. Dein Ruhn, dein Gehn, und dein
Kommen kenne ich wohl, auch dein Toben nun wider mich... Weil nun wider
mich du dich bäumst, und dein Trotz mir zu Ohren drang, leg in die Nase ich dir
meinen Ring und meinen Zaum in die Lippen und zwinge dich heim des Wegs, den
du kamst. Das aber soll dir zum Zeichen sein: Dieses Jahr wird man essen, was
nachwächst, im folgenden Jahre, was brachwächst, doch im dritten Jahr geht zur
Saat und zur Mahd, legt Weinberge an und genießt ihre Früchte! Was dann ent-
ronnen von Judas Haus, was übriggeblieben, treibt wieder Wurzeln nach unten,
nach oben trägt’s Früchte. Denn ein Rest geht aus von Jerusalem, eine Schar, die
gerettet, vom Sionsberg. Des Herrn der Heerscharen Eifer wird solches vollbringen.«
Drum spricht also der Herr über Assyriens König: »Nicht eindringen soll er in diese
Stadt! Und keinen Pfeil darein schießen. Nicht berennen soll er sie mit dem Schild,
noch aufwerfen einen Wall wider sie. Des Wegs, den er kam, zieht er wieder von
hinnen. Nicht eindringen soll er in diese Stadt!« Also lautet der Spruch des Herrn...
»Umhegen werde ich diese Stadt, sie zu retten. Um meinetwillen und meines Dieners
David!«“ (Is 37, 22—35).
Im zweiten Teil des Buches stehen die Trostprophetien im Vordergrund. Die
Gefangenschaft geht zu Ende, die Heimkehr steht bevor: „»Tröstet, tröstet mein
Volk«, so spricht euer Gott, »redet Jerusalem zu, tuet ihm kund, daß abgelaufen
sein Frondienst! Denn beglichen ist seine Schuld, weil es doppelte Strafe erhielt
aus der Hand des Herrn für all seine Sünden.« Horch, ein Ruf erschallt in der
Wüste: »Bahnt dem Herrn einen Weg! Ebnet in der Steppe unserem Gott eine
Straße! Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken! Was uneben
ist, soll zur Ebene werden, das Hügelgelände zum Talgrund! Denn offenbar wird
des Herren Glanz. Alles Fleisch zumal wird ihn schauen. Denn der Mund des Herrn
hat es versprochen.« Horch, eine Stimme erschallt: »Verkündel« Und er wird fragen:
»Was soll ich verkünden?« »Alles Fleisch ist Gras. All sein Liebreiz wie die Blume
des Feldes. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, wenn der Hauch des Herrn sie
anweht. Ja, Gras ist das Volk, das Gras verdorrt, die Blume verwelkt... Doch das
Wort unseres Gottes bleibt ewig bestehen.« Auf hohen Berg steig hinauf, Sion, als
Freudenbotin! Erhebe mit Macht deine Stimme als Freudenbotin, Jerusalem! Erhebe
sie! Fürchte dich nicht! Verkünde den Städten von Juda: »Seht, da ist euer Gott!
40 Gott der einzige Erlöser der Menschen § 140

Seht, der allmächtige Herr kommt als Sieger. Sein Arm gab ihm Sieg. Seht, sein
Lohn kommt mit ihm. Seine Vergeltung geht vor ihm her. Wie ein Hirt, so weidet
er seine Herde. Die Lämmer nimmt er in seinen Arm. Er trägt sie an seinem Busen;
Sacht führt er die Mutterschafe.«“ (Is 40, 1—11). Der Herr wird helfen: „Du aber,
Israel, mein Knecht, du Jakob, den ich erkoren, Sprößling Abrahams, meines
Freundes, du, den ich holte von den Enden der Erde, den ich rief aus ihrem
äußersten Winkel, ich sagte zu dir: Du bist mein Knecht. Dich hab ich erwählt
und nie dich verworfen. Fürchte dich nicht; denn ich bin mit dir! Schau nicht
angstvoll umher; denn ich bin dein Gott; ich stärke dich. Ich stehe dir bei. Ich
stütze dich mit meiner hilfreichen Rechten“ (Is 41, 8ff). „Die Elenden, Armen
suchen nach Wasser, doch keines ist da. Vor Durst lechzt ihre Zunge... Ich, der
Herr, will sie erhören, ich, Israels Gott, verlasse sie nicht. Ströme laß ich aus kahlen
Hügeln hervorgehn, Quellen inmitten von Tälern. Zum Wasserteich mach ich die
Wüste, zu Wasserquellen das trockene Land. Die Wüste will ich mit Zedern, Aka-
zien, Myrten und Ölbäumen füllen, in der Steppe will ich Zypressen pflanzen, Ulmen
und Tannen zumal. Sie sollen es sehen und einsehn, achtgeben und insgesamt es
erkennen, daß die Hand des Herrn dies getan, der Heilige Israels es gewirkt hat“
(Is 41, 17—20). „Ihr Tauben, hört zu! Ihr Blinden, blickt her, um zu sehen! Wer
ist blind, wenn nicht mein Knecht, und so taub wie mein Bote, den ich gesandt?
Wer ist so blind wie der Vertraute, so blind wie der Knecht des Herrn? Du hast
vieles gesehen, doch nicht beachtet. Mit offenen Ohren hörte er nicht. — Um seiner
Treue willen plante der Herr, das Gesetz gar groß und herrlich zu machen. Und
doch ist's ein beraubtes, geplündertes Volk. Man hält sie alle in Kerkern gefangen,
in Gefängnishäusern versteckt. Sie sind zur Beute geworden, und keiner ist da, der
sie rettet, der Plünderung preisgegeben, und keiner verlangt: »Gib zurück!« Wer
von euch wird auf folgendes hören, darauf merken und es später befolgen? Wer
gab Jakob der Plünderung preis und Israel den Räubern? Hat’s der Herr nicht
getan, gegen den wir gesündigt? Sie wollten nicht wandeln auf seinen Wegen, nicht
hören auf seine Weisung. Da goß er die Glut seines Zornes, die Schrecken des
Krieges über ihn aus, die rings ihn versengten, doch er nahm’s nicht in acht. Er
brannte. Doch er nahm es sich nicht zu Herzen. Nun aber spricht also der Herr,
dein Schöpfer, o Jakob, dein Bildner, o Israel: »Fürchte dich nicht! Ich erlöse dich
ja. Ich ruf dich beim Namen: Mein bist du! Gehst du durch Wasser, ich bin bei
dir, durch Ströme, sie werden dich nicht überfluten. Gehst du durch Feuer, du
wirst nicht verbrennen, nicht wird dich versengen die Flamme. Denn ich, der Herr,
bin dein Gott, der Heilige Israels ist dein Erretter. Ich gäbe Ägypten für dich als
Lösegeld hin, Äthiopien und Saba statt deiner. Weil du so teuer mir bist, so wert
und so lieb, gäbe ich Menschen für dich, Völker statt deines Lebens. Fürchte dich
nicht; ich bin ja mit dir! Vom Osten hol ich herbei deine Kinder. Vom Westen her
sammle ich dich. Ich sage zum Norden: »Gib her!« Zum Süden: »Halte sie nicht
zurück!« Meine Söhne bring aus der Ferne herbei, meine Töchter vom Ende der
Erde, alle, die nach meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen,
gebildet, bereitet!“ (Is 42, 18—43, 7). „Nun aber höre, Jakob mein Knecht, und du,
Israel, das ich erwählte! So spricht der Herr, dein Schöpfer, dein Bildner, dein
Helfer vom Mutterleib an: Fürchte dich nicht, Jakob, mein Knecht, Jeschurun, den
ich erwählte. Denn wie ich Wasser gieße auf lechzendes Land, und Bächlein auf
trockenes Erdreich, so gieß meinen Geist ich auf deine Nachkommen, meinen Segen
8 140 Die Lehre der Schrift 41

auf deine Sprößlinge. Sie sollen sprossen wie Gras am Bach, wie Weiden an Wasser-
läufen. Der eine wird sagen: »Dem Herrn bin ich eigen«, und sich berufen auf
Jakobs Namen. Der andere wird als sein Denkzeichen schreiben: »Dem Herrn
gehörig!« Und sich den ehrenden Beinamen Israel geben“ (Is 44, 1—5). „Jubelt,
ihr Himmel! Denn der Herr vollbringt es. Jauchzt, ihr Tiefen der Erde! Brecht
aus in Jubel, ihr Berge, du Wald und all ihr Bäume darin! Denn der Herr wird
Jakob erlösen, sich an Israel herrlich zeigen“ (Is 44, 23). „Meine Hilfe aber wird
ewig bestehen. Mein Heil hat niemals ein Ende“ (Is 51, 4ff.). Wenn der Herr Ret-
tung sendet, ist kein Mensch mehr zu fürchten. „Ich bin’s, der euch tröstet. Wer
bist du, daß du dich fürchtest vor sterblichen Menschen, vor Menschenkindern, die
hinschwinden wie Gras? / Daß den Herrn du vergaßest, der dich geschaffen, der
den Himmel gespannt und die Erde gegründet? Daß du immerfort bebst, allzeit vor
dem Grimm des Bedrückers, der darauf ausging, dich zu verderben? Wo ist nun
der Grimm des Bedrückers? Bald wird seiner Fesseln der Gefangene ledig. Nicht
stirbt er, nicht fährt er zur Totenwelt. Er leidet nicht ferner Mangel an Brot. Ich
bin’s ja, der Herr, dein Gott, der das Meer aufwühlt, daß seine Wogen erbrausen,
dessen Name Herr der Heerscharen. Ich legte in deinen Mund meine Worte. Ich
barg dich im Schutz meiner Hand. / Ich, der den Himmel geschaffen, die Erde ge-
gründet, zu Sion gesagt hat: Du bist mein Volk“ (Is 51, 12—16). Der Herr bringt
Freude. „Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße des Freudenboten, der den
Frieden verkündigt, der Glück verheißt, der Heil ausruft, der zu Sion sagt: »Dein
Gott ward König.« Horch, deine Wächter erheben die Stimme! Sie jubeln zumal.
Denn Aug’ in Aug’ sehn sie voll Freude die Rückkehr des Herren nach Sion. Jubelt
laut allesamt, ihr Trümmer Jerusalems! Denn der Herr tröstet sein Volk. Er erlöst
Jerusalem. Der Herr hat gezeigt seinen heiligen Arm vor aller Völker Augen. Alle
Enden der Erde schauen das Heil unseres Gottes“ (Is 52, 7—10). Die kommende
Herrlichkeit wird strahlender sein als die vergangene. „Auf, werde Licht! Denn
dein Licht ist gekommen. Die Herrlichkeit des Herrn erstrahlt über dir. Denn siehe:
Finsternis hält die Erde bedeckt und Dunkel die Völker. Doch über dir erstrahlt
der Herr, über dir leuchtet auf seine Herrlichkeit. Völker wallen zu deinem Licht
und Könige zum Glanz, der über dir aufstrahlt. Erhebe ringsum deine Augen und
sieh: Sie haben sich alle versammelt, kommen zu dir. Deine Söhne kommen von
fern, und deine Töchter werden auf den Armen getragen. Da wirst du, wenn du
das siehst, strahlen vor Freude, dein Herz wird erbeben und wird sich weiten.
Denn des Meeres Reichtum kommt zu dir her, die Schätze der Völker strömen dir
zu. Eine Flut von Kamelen wird dich bedecken, die jungen Kamele von Madian
und Epha. Sie alle kommen von Saba. Gold und Weihrauch werden sie bringen,
und freudig wird man verkünden die Ruhmestaten des Herrn. Alle Herden Kedars
wird man versammeln für dich. Die Widder Nabajoths werden zu Diensten dir
stehen. Man bringt sie auf meinen Altar mir zu Gefallen. Das Haus meiner Herr-
lichkeit will ich noch herrlicher machen. Wer sind diese, die daherfliegen gleich
einer Wolke, gleich Tauben zu ihren Schlägen? Ja, auf mich harren die Länder am
Meer. Die Tharsisschiffe segeln voran, deine Kinder von ferne herbeizubringen
samt ihrem Silber und Gold für den Namen des Herrn, deines Gottes, und für den
Heiligen Israel: denn er will dich verherrlichen. Leute aus fremdem Lande bauen
deine Mauern, und ihre Könige stehen dir zu Diensten. Denn wenn ich in meinem
Grimm dich auch schlug, so erbarmte ieh mich auch deiner in meiner Gnade. Deine
42 Gott der einzige Erlöser der Menschen S 140

Tore werden beständig geöffnet sein, bei Tag und bei Nacht nicht geschlossen
werden, einzulassen in dich die Schätze der Völker und ihre Führer, die Könige.
Aber das Volk und das Reich, das dir nicht dienstbar sein will, wird untergehen,
solche Völker werden
völlig vertilgt. Des Libanon herrliche Bäume wird man dir
bringen: Zypressen, Ulmen und Tannen zumal, zu zieren den Ort meines Heilig-
tums und zu ehren den Schemel meiner Füße. Tiefgebückt kommen zu dir die
Söhne deiner Bedrücker. Deine Verächter fallen dir alle zu Füßen. Man wird dich
nennen Stadt des Herrn, das ‚Sion des Heiligen Israels. Zum Lohn dafür, daß du
verlassen warst und gehaßt, so daß dich niemand besuchte, mache ich dich zum
ewigen Stolz, zur Wonne für alle Geschlechter. Und saugen wirst du die Milch der
Völker und dich an der Brust von Königen nähren. Du wirst erkennen, daß ich,
der Herr, dein Erretter bin, und dein Erlöser der starke Gott Jakobs. Statt des
Erzes bringe ich Gold, statt des Eisens bringe ich Silber, statt des Holzes Erz und
statt der Steine Eisen. Zu deiner Obrigkeit will ich den Frieden, zu deinem Herrn
die Gerechtigkeit machen. Von Gewalt wird man zukünftig nicht hören in deinem
Lande, von Verheerung und. Zerstörung in deinen Grenzen. Deine Mauern wirst du
»Heil« nennen, deine Tore »Berühmtheit«. Nicht wird ferner bei Tag die Sonne
als Leuchte dir dienen, noch wird des Mondes Schimmer dir scheinen: Nein, der
Herr wird zum ewigen Lichte dir sein und dein Gott zu deiner herrlichen Zier.
Nicht wird künftig untergehen deine Sonne, noch verschwinden dein Mond; denn
der Herr wird zum ewigen Lichte dir werden, und zu Ende sind deiner Trauer
Tage. Dein Volk wird aus lauter Gerechten bestehen. Sie werden für immer das
Land besitzen, meine sprossende Pflanzung, das Werk meiner Hände, zu meiner
Verherrlichung. Zum Stamme soll werden der Kleinste, zu einem starken Volk der
Geringste. Ich, der Herr, werd es eilends vollbringen zu seiner Zeit. Der Geist des
allmächtigen Herrn ruht auf mir. Denn mich hat der Herr gesalbt, mich gesandt,
den Demütigen frohe Botschaft zu bringen. Er hat mich gesandt, die gebrochenen
Herzen zu heilen, den Gefangenen Freiheit zu künden, den Gebundenen Erlösung,
auszurufen ein Gnadenjahr des Herrn und einen Rachetag unseres Gottes, allen
Trauernden Trost zu spenden, den um Sion Trauernden als Gabe für sie zu ver-
leihen Kopfschmuck statt Asche, Freudenöl statt des Trauergewandes, Loblied statt
der Verzagtheit. Eichen der Gerechtigkeit wird man sie nennen, eine Pflanzung des
Herrn zu seiner Verherrlichung“ (Is 60, 1—61, 3). „Denn siehe, ich will einen neuen
Himmel und eine neue Erde schaffen. Der früheren Dinge gedenkt man nicht mehr.
Keinem kommen sie mehr in den Sinn. Nein, freut euch, frohlockt immerdar über
das, was ich schaffe! Denn seht, ich werde Jerusalem umschaffen zum Jubel und
sein Volk zum Frohlocken. Ich selbst will über Jerusalem jubeln und über mein
Volk frohlocken. Man wird keinen Laut des Weinens, keinen Laut des Wehgeschreis
darin mehr vernehmen. Nicht soll es dort einen Säugling mehr geben von wenigen
Tagen, noch einen Greis, der sein Alter nicht voll erreicht. Nein, der Jüngling soll
sterben als Hundertjähriger, und wer nur hundert Jahre alt wird, gilt als vom
Fluch getroffener Sünder. Häuser werden sie bauen und darin wohnen. Weinberge
werden sie pflanzen und ihre Früchte genießen. Man wird nicht bauen, und ein
anderer wird darin wohnen. Man wird nicht pflanzen, und ein anderer wird davon
essen. Vielmehr wird dem Alter der Bäume das Alter meines Volkes gleich sein.
Den Ertrag ihrer Hände werden meine Auserwählten auch selbst verbrauchen. Sie
werden sich nicht vergeblich mühen, noch für ein jähes Ende Kinder hervorbringen.
S 140 Die Lehre der Schrift 43
D

Denn sie sind ein Geschlecht von Gesegneten des Herrn und ihre Sprößlinge zu-
gleich mit ihnen. Ehe sie noch rufen, werd ich schon Antwort geben. Während sie
noch reden. werde ich sie schon erhören. Wolf und Lamm werden beisammen
weiden, und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind und die Schlange sich
nähren vom Staub. Nicht werden sie Schlimmes verüben, nicht Unheil stiften auf
meinem ganzen heiligen Berg, spricht der Herr“ (Is 65, 17—25; vgl. 66, 5f., 10—14).

y) Jeremias

Jeremias tröstet nach dem Falle Jerusalems im Jahre 586 die zu Boden Ge-
tretenen und Deportierten mit dieser Zukunftsvision: „Das Wort, das von Jahwe
an Jeremias erging: So spricht Jahwe, der Gott Israels: Schreibe dir alle Worte, die
ich dir gesagt habe, in ein Buch. Denn fürwahr, es kommen Tage — Spruch
Jahwes —, da wende ich das Geschick meines Volkes Israel und Juda, spricht
Jahwe, und bringe sie zurück in das Land, das ich ihren Vätern gegeben habe,
daß sie es besitzen. Das sind die Worte, die Jahwe über Israel und Juda spricht:
Ja, so spricht Jahwe: Schreckensrufe hören wir, Bangen herrscht, unheilvoll! Fragt
doch und sehet, ob ein Mann gebiert! Warum sehe ich jeglichen Mann, die Hände
an den Hüften gleich einer Gebärenden? Entstellt sind alle Gesichter, sind totenblaß
geworden. Ja, groß ist jener Tag ganz ohnegleichen. Eine Zeit der Not ist’s für
Jakob, doch wird er daraus gerettet. Geschehen wird’s an jenem Tage — Spruch
Jahwes der Heerscharen — da zerbreche ich sein Joch an seinem Halse und seine
Stricke zerreiße ich, daß ihn Fremde nicht mehr knechten. Vielmehr werden sie
dann Jahwe, ihrem Gotte, dienen und ihrem König David, den ich ihnen erstehen
lasse. Aber du, fürchte dich nicht, mein Knecht Jakob — Spruch Jahwes —. Denn
sieh, ich errette dich aus der Ferne, deine Nachkommen aus dem Lande der Ge-
fangenschaft. Jakob kehrt zurück und niemand mehr schreckt ihn. Ja, ich bin dir
zur Seite — Spruch Jahwes — dich zu retten. Gewiß mache ich den Garaus allen
Völkern, unter die ich dich zerstreute; nur dir mache ich nicht den Garaus, sondern
züchtige ich mit Maßen; doch ungestraft kann ich dich nicht lassen. Ja, so spricht
Jahwe: Heillos ist deine Verletzung, tiefschmerzlich deine Wunde! Niemand führt
deine Sache. Keine Heilung für dein Geschwür, keine Gesundung für Dich! Dich
vergaßen alle deine Freunde, kümmern sich nicht mehr um dich. Ja, wie ein Feind
schlägt, so habe ich dich geschlagen mit harter Zucht ob deiner großen Schuld —
deine Sünden sind gewaltig. Was schreist du über deine Verletzung, daß heillos
dein Schmerz? Ob deiner großen Schuld — deine Sünden sind gewaltig — habe
ich dir dieses getan. Nun schaff ich dir Vernarbung und heile deine Wunden —
Spruch Jahwes. Ja, Verstoßene nannten sie dich, Sion, eine, um die sich niemand
kümmert. Alle darum, die dich fraßen, werden gefressen, und all deine Bedränger
(sie alle) wandern in Gefangenschaft. Die dich plünderten, verfallen der Plünderung,
und die dich beraubten, mache ich alle zum Raub. So spricht Jahwe: Fürwahr,
ich wende das Geschick der Zelte Jakobs und erbarme mich seiner Wohnungen.
Die Stadt wird wieder gebaut auf ihrem Hügel, und die Burg steht wieder auf
ihrem Platz. Es dringt aus ihnen wieder Jubel, die Stimme von Fröhlichen. Ich
mehre ihre Zahl; sie mindern sich nicht; ich bringe sie zu Ehren; sie sind nicht
mehr geringgeschätzt. Seine Söhne werden sein wie vordem, seine Gemeinde hat
festen Bestand vor mir. Ich strafe all seine Bedrücker. Seine Macht aber ersteht
44 Gott der einzige Erlöser der Menschen S 140

aus ihm (selbst): sein Herrscher kommt aus seiner Mitte. Ich lasse ihn zu, daß er
mir naht. Denn wen gäbe es, der sein Leben dran wagte, mir zu nahen? — Spruch
Jahwes. So seid ihr mein Volk und ich bin euer Gott. Fürwahr, ein Sturm fährt von
Jahwe los, ein Wirbelsturm; über das Haupt der Gottlosen bricht er herein. Jahwes
Zornesglut wendet sich nicht, bis er vollbracht und vollführt, was er im Herzen
plant. Am Ende der Tage erkennt ihr es. In jener Zeit — Spruch Jahwes — werde
ich allen Geschlechtern Israels Gott sein, und sie werden mein Volk sein. So spricht
Jahwe: Gnade fand in der Wüste das Volk der dem Schwert Entronnenen, Israel
gelangte zur Ruhe. Aus der Ferne erschien ihm Jahwe: Mit ewiger Liebe habe ich
dich geliebt; darum habe ich dir lange die Huld bewahrt. Wieder bau ich dich auf,
daß du gebaut bist, Jungfrau Israel, wieder schmückst du dich mit deinen Pauken,
ziehst aus im Reigen der Fröhlichen. Wieder pflanzest du Weingärten auf den
Bergen Samarias; die Pflanzer, die pflanzten, genießen auch die Frucht. Ja, es kommt
der Tag, da rufen die Wächter auf dem Gebirge Ephraim: Auf, zum Sion laßt uns
wallen, zu Jahwe, unserem Gott! Denn so spricht Jahwe: Jubelt Jakob zu voll
Freude, jauchzet über das Haupt der Völker, verkündet es jubelnd und sprechet:
Gerettet hat Jahwe sein Volk, den Rest Israels. Fürwahr, ich bringe sie herbei aus
dem Nordland und sammle sie von den Enden der Erde, unter ihnen auch Blinde
und Lahme, Schwangere und Wöchnerinnen zusammen, eine große Gemeinde, kehren
zurück. Siehe, weinend kommen sie, aber tröstend geleite ich sie. Ich führe sie zu
Wasserbächen und ebenen Wegen, wo sie nicht straucheln. Denn ich bin Israels
Vater und Ephraim ist mein Erstgeborener. Höret das Wort Jahwes, ihr Völker
kündet’s auf den Inseln in der Ferne, und sprecht: Der Israel zerstreute, sammelt
es, und hütet es wie ein Hirt seine Herde. Ja, Jahwe erlöst Jakob und befreit ihn
aus der Hand dessen, der stärker als er. Sie kommen und jubeln auf Sions Höhe,
sie strahlen vor Freude über Jahwes Heil, über Korn und Most und Öl, über die
jungen Schafe und Rinder. Sie sind wie ein reich bewässerter Garten, sie ver-
schmachten fürderhin nicht mehr. Dann freut sich die Jungfrau beim Reigen,
Jünglinge und Greise zumal. Ich wandle ihre Trauer in Wonne, spende nach
Kummer ihnen Trost und Freude. Reich labe ich die Priester mit Fett, mein Volk
wird gesättigt an meinem Heil — Spruch Jahwes. So spricht Jahwe: Horch, in
Rama hört man Klage, bitteres Weinen: Rachel beweint ihre Kinder, sie will sich
nicht trösten lassen — ihre Kinder, weil sie dahin sind —. So spricht Jahwe:
Wehre deiner Stimme das Weinen, deinem Auge die Tränen! Denn Lohn winkt
deiner Mühe — Spruch Jahwes — sie kehren heim aus dem Feindesland. Hoffnung
winkt deiner Zukunft — Spruch Jahwes — die Kinder kehren heim in ihr Gebiet...
Fürwahr es kommen Tage — Spruch Jahwes —, da schließe ich mit dem Haus
Israel (und mit dem Haus Juda) einen neuen Bund, nicht gleich dem Bund, den
ich mit ihren Vätern schloß, als ich ihre Hand erfaßte, um sie aus Ägyptenland
herauszuführen — selbigen Bund mit mir haben sie ja gebrochen, obwohl ich ihr
Herr war —, Spruch Jahwes — sondern dies ist der Bund, den ich nach jenen
Tagen mit dem Hause Israel schließen werde — Spruch Jahwes: Ich lege mein
Gesetz in ihr Inneres und schreibe es in ihr Herz, so werde ich ihr Gott sein und
sie sollen mein Volk sein. Sie werden sich nicht mehr gegenseitig, einer den an-
deren, belehren: Erkennet Jahwe; denn sie alle werden mich erkennen vom Klein-
sten bis zum Größten — Spruch Jahwes. Ja, ich erlasse ihre Schuld, und ihrer
Sünde gedenke ich nicht mehr. So spricht Jahwe, der die Sonne bestimmt zum
S 140 Die Lehre der Schrift 45

Licht am Tag und den Mond und die Sterne bestellt zum Licht in der Nacht, der
das Wasser aufpeitscht, daß seine Wogen brausen — Jahwe der Heerscharen ist
sein Name: Wenn diese Ordnungen vor mir ins Wanken geraten — Spruch Jahwes
— dann werden auch die Nachkommen Israels aufhören, ein Volk vor mir zu sein
allezeit. So spricht Jahwe: Wenn der Himmel droben gemessen und der Grund der
Erde drunten erforscht werden kann, dann verwerfe auch ich Israels gesamte Nach-
kommen ob all dem, was sie getan — Spruch Jahwes“ (Jer 30, 1—31, 37; vgl. 33;
siehe Klgl 3, 21—38; 5, 19—22).

ô) Michäas

Der Prophet Michäas (Micha), ein jüngerer Zeitgenosse des Isaias (etwa
724—701) verkündet das kommende Heil zu einer Zeit, da die syrischen und palästi-
nensischen Staaten sich der Übermacht des assyrischen Reiches in meist unglück-
lich verlaufenden Kämpfen zu erwehren suchen. Die Situation ist durch den Fall
Samarias, der Hauptstadt des Nordreiches Israel, und durch die unmittelbare Be-
drohung Jerusalems, der Hauptstadt des Südreiches, charakterisiert. Jahwe greift
in die Geschichte ein. „Höret, ihr Völker alle, horch auf, o Erde, und was sie
erfüllt: Der Allherr Jahwe erscheint unter euch als Kläger, der Allherr aus seinem
heiligen Tempel! Sieh, Jahwe verläßt seine Stätte, er steigt herab, betritt die Gipfel
der Erde. Da zerfließen unter ihm die Berge, und Täler tuen sich auf wie Wachs
vor dem Feuer, wie Wasser vergossen am Abhang“ (Mich 1, 2ff.). Sein Kommen
ist ein Gericht, aber zugleich ist es Rettung. „Gewiß will ich sammeln ganz Jakob,
vereinigen, was übrig von Israell Ich bring’ es zusammen wie Schafe in der Hürde,
wie die Herde in der Trift, daß es wogt von Menschen! Heraufzieht der Durch-
brecher, ihnen voraus bricht er durch; sie durchschreiten das Tor und kommen
heraus. Ihr König zieht vor ihnen her, Jahwe an ihrer Spitze“ (Mich 2, 12f.).
Sion wird der Mittelpunkt der religiösen Einheit und des Völkerfriedens sein. „Am
Ende der Tage wirds geschehen: Der Berg des Hauses Jahwes steht da, fest-
gegründet an der Spitze der Berge, und erhaben ist er über die Höhen. Zu ihm
strömen die Völker und wallen viele Nationen; sie sprechen: Auf, laßt uns hinauf-
steigen zum Berge Jahwes und zum Hause des Gottes Jakobs! Er soll uns seine
Wege lehren, daß wir auf seinen Pfaden wandeln! Denn von Sion ergeht die Lehre
und Jahwes Wort von Jerusalem. Er spricht vielen Völkern Recht und schlichtet den
Streit mächtiger Nationen bis in die Ferne. Sie schmieden ihre Schwerter zu
Pflugscharen um, zu Winzermessern ihre Lanzen. Nicht zieht mehr Volk gegen
Volk, das Schwert und den Krieg lernt man fürder nicht. Jeder kann sitzen unter
seinem Weinstock und Feigenbaum und niemand schreckt ihn auf. Wahrlich, der
Mund Jahwes der Heerscharen versprichts Von allen Völkern fürwahr wandelt
ein jedes im Namen seines Gottes. Doch wir wollen wandeln im Namen Jahwes
unseres Gottes für immer und ewig. An jenem Tage — Spruch Jahwes — werde
ich sammeln, was hinkt, zusammenbringen, was zerstreut war, und jegliches, dem
ich wehe tat. Was hinkt, mache ich zum Rest, was krank ist, zum starken Volk,
und Jahwe ist über sie König auf dem Berg Sion von nun an auf ewig. Du aber,
Herdenturm, Hügel der Tochter Sion, zu dir kommt die Herrschaft wie früher, das
Königtum (das gebührt) der Tochter Jerusalems“ (Mich 4, 1—8). „Dann wird der Rest
Jakobs sein (unter den Völkern), unter vielen Nationen wie Tau von Jahwe, wie
46 Gott der einzige Erlöser der Menschen 8 140

Regen aufs Gras, der auf Leute nicht warten, auf Menschen nicht harren muß.
Dann wird der Rest Jakobs sein unter den Völkern, unter vielen Nationen wie der
Löwe unter den Tieren des Waldes, wie der Leu unter Schafherden, der niedertritt,
wo er hinkommt, und zerreißt, wo niemand rettet. Du erhebst die Hand über
deine Gegner, all deine Feinde werden vernichtet. An jenem Tage wird’s geschehen.
Spruch Jahwes, da vernicht’ ich die Rosse in deiner Mitte, und zerstöre deinen
Wagen; ich vernichte die Städte deines Landes und schleife all deine Festungen;
ich vernichte in deiner Hand den Zauber, und Wahrsager sollst du nicht mehr
besitzen; ich vernichte Schnitzbilder und die Malsteine in deiner Mitte. Du wirst
fürder nicht anbeten das Werk deiner Hände. Ich zerschmettere deine Mahlsteine in
deiner Mitte und vernichte deine Götzen. In Grimm und Zorn nehm’ ich Rache an
den Völkern, die nicht gehorchen“ (Mich 5, 6—14). Die Prophetie endigt mit einem
Gebete Jerusalems selbst, in welches ein verheißender Gottesspruch eingefügt ist:
„Freu dich, meine Feindin, nicht über mich! Wohl bin ich gefallen, doch ich steh’
wieder auf. Sitz’ ich im Dunkeln, ‘ist Jahwe mein Licht. Jahwes Zorn muß ich
tragen, da ich gefehlt gegen ihn, bis meinen Streit er geführt und Recht mir ver-
schafft. Er führt mich ans Licht, ich schau seine Gerechtigkeit. Meine Feindin
solls sehen und Scham sie bedecken, die zu mir sprach: Wo ist er, Jahwe dein
Gott? Meine Augen sollen sich weiden an ihr, nun wird sie zertreten wie Gassenkot.
Ein Tag bricht an, deine Mauern zu bauen, jener Tag, da sich weitet die Grenze,
jener Tag, da sie kommen zu dir von Assur bis nach Ägypten, von Tyrus bis hin
zum Euphratstrom, von Meer zu Meer, vom Berg bis zum Berge. Die Erde wird
aber zur Wüste ob ihrer Bewohner, als Frucht ihrer Taten. Weide dein Volk im
Walde inmitten des Fruchtlandes! In Basa und Gilead mögen sie weiden gleich wie
in den Tagen der Vorzeit! Den Tagen gleich, da aus Ägypten du zogst, laß Wunder
uns schauen! Die Völker müssen sehen und Schande erleben in all ihrer Kraft. Sie
legen die Hand an den Mund, ihre Ohren sind taub, gleich Schlangen lecken sie
Staub, wie Kriechtiere am Boden. Aus ihren Festen kommen sie zitternd hervor zu
Jahwe, unserm Gott, voll Schrecken und Furcht vor dir. Wer ist, o Gott, wie du,
der Schuld vergibt und Frevel verzeiht, dem Rest seines Erbes? Er hält seinen Zorn
nicht immer fest, sondern Gnade gefällt ihm. Er wird sich uns wieder erbarmen
und abwaschen unsere Schuld. Er wirft in die Tiefen des Meeres all unsere Sünden.
Jakob wirst du Treue erweisen und Abraham Gnade, wie unseren Vätern du schwurst
in den Tagen der Vorzeit“ (Mich 7, 11—20).

€) Ezechiel

Unter den Gefangenen in Babylonien am Flusse Kebar entzündete einer der


großen Propheten, der Mitgefangene Ezechiel, die Hoffnung auf eine neue, von
Gott heraufgeführte Zeit. Mit dem König Jehojakin wurde er im Jahre 597 nach
Babylonien deportiert. Dort predigte er seinen Landsleuten Buße. Er erklärte ihnen
die nationale Katastrophe als Gericht Gottes und kündigte für Jerusalem neues
Unheil an, wenn es sich nicht bekehre. Dies trat ein, als König Sedekias, von dem
ägyptischen Pharao Hophar verleitet, einen Aufstand gegen die neubabylonische
Herrschaft wagte, die Stadt Jerusalem von dem babylonischen König Nebukadnezar
belagert, erobert, geplündert, mitsamt dem Tempel verbrannt und ein großer Teil
der Bevölkerung nach dem Osten deportiert wurde. Mit dieser Niederlage war das
8 140 Die Lehre der Schrift 47

Davidische Reich, durch die Schuld seiner Erben, durch die Gottlosigkeit und die
Treulosigkeit gegen den Gottesbund, in seiner alten Gestalt für immer untergegangen.
Die Gefangenen an den Flüssen Babylons verfielen einer dumpfen Verzweiflung.
Ihr Gottesglaube war zutiefst erschüttert und gefährdet. Die Welt, an der sie mit
allen Fasern ihres Herzens hingen, war versunken. Hat sich darin nicht zugleich die
Überlegenheit des babylonischen Gottes Marduk über den Gott Jahwe gezeigt? War
es nicht besser, sich ihm anzuvertrauen? In diesem allgemeinen Zusammenbruch
des äußeren Lebens und in der schweren Bedrohung des Gottesglaubens sah Eze-
chiel die Treue Gottes wie einen unzerstörbaren Felsen aufragen. Er, der Gott der
Väter, wird eine neue Zeit mit einer neugestalteten Gemeinde herbeiführen. Der
Prophet richtet die Blicke seiner Mitgefangenen in die lichte Zukunft. Der vordem
ein Unheilsprophet war, wird ein Heilsprophet, der Bußprediger wird zum Trost-
prediger. In vielen Bildern und Symbolen singt er das Hohe Lied von der Güte
und Liebe, von dem Erbarmen und dem Verzeihen Gottes. Er verkündet den Glanz
und die Schönheit des kommenden messianischen Reiches, die Herrlichkeit und
Vollkommenheit des neuen Tempels, den Gott in der Mitte der neuen Gemeinde
aufrichten wird (Ez 33—39).
Am gewaltigsten offenbart sich Gottes schöpferische Helfermacht in der großen
Vision des Totenfeldes, dessen Totengebein Gott wieder zum Leben erweckt. „Es
kam über mich die Hand Jahwes, und er führte mich im Geiste hinaus und ver-
setzte mich mitten in die Talebene; diese aber war voll von Totengebeinen. Und er
ließ mich ringsum an ihnen vorübergehen, und siehe, es waren ihrer auf dem
Boden der Talebene sehr viele; sie waren ganz verdorrt. Und er sprach zu mir:
Menschensohn, werden diese Gebeine wieder zum Leben zurückkehren? Ich ant-
wortete: Herr, Jahwe, du weißt es. Da sagt er zu mir: Weissage über die Gebeine
und sprich zu ihnen: Ihr dürren Gebeine, höret das Wort Jahwes. So spricht der
Herr Jahwe: Siehe, ich gebe euch Odem, daß ihr lebendig werdet. Und ich will
euch mit Sehnen umgeben, euch mit Fleisch überkleiden und euch mit Haut über-
ziehen und Odem euch geben, daß ihr lebendig werdet, und ihr sollt erkennen.
daß ich Jahwe bin. Und ich weissagte, wie mir befohlen war, und als ich weissagte,
siehe, da entstand ein Rauschen, und die Gebeine rückten eines an das andere
heran. Und ich schaute, und siehe, Sehnen und Fleisch kamen über sie, und Haut
zog sich darüber, aber Odem war noch nicht in ihnen. Und er sprach zu mir:
Weissage über den Odem, weissage, o Menschensohn, und sprich zu dem Odem:
So spricht der Herr Jahwe: Von den vier Winden komm, du Odem, und wehe diese
Erschlagenen an, daß sie lebendig werden. Da weissagte ich, wie er mir geboten
hatte, und der Odem kam in sie, und sie wurden lebendig, und stellten sich auf
ihre Füße, ein gar großes Heer. Und er sprach zu mir: Menschensohn, diese Ge-
beine sind das ganze Haus Israel. Siehe, sie sprechen: Verdorrt sind unsere Gebeine,
dahin ist unsere Hoffnung, es ist aus mit uns. Darum weissage und sprich zu
ihnen: So spricht der Herr Jahwe: Siehe, ich öffne eure Gräber und hole euch
heraus aus euren Gräbern, mein Volk, und bringe euch in das Land Israel, und ihr
sollt erkennen, daß ich Jahwe bin, wenn ich eure Gräber öffne und euch aus euren
Gräbern heraushole, mein Volk. Ich lege meinen Odem in euch hinein, daß ihr
lebendig werdet, ... und bringe euch in euer Land, und ihr sollt erkennen, daß ich,
Jahwe, es gesagt und ausgeführt habe, spricht Jahwe... Dann sage zu ihnen: Also
spricht der Herr Jahwe: Siehe, ich nehme die Söhne Israels aus den Völkern
48 Gott der einzige Erlöser der Menschen S 140

heraus, zu denen sie gezogen sind, und sammle sie von allen Seiten her und bringe
sie in ihr Land. Und ich mache sie zu einem Volke im Lande, auf den Bergen
Israels, und ein König soll sie alle regieren, und nicht mehr sollen sie zwei Völker
bilden und nicht mehr in zwei Königreiche geteilt sein. Und nicht mehr sollen sie
sich mit ihren Götzen und ihren Scheusalen und all ihren Freveln verunreinigen;
ich werde sie retten aus all ihrem Abfall, durch den sie sich verunreinigt haben,
und werde sie reinigen, und sie werden mein Volk sein, und ich werde ihr Gott
sein. Mein Knecht David soll König über sie sein, und einen einzigen Hirten werden
sie alle haben, und sie werden nach meinen Gesetzen wandeln und meine Gebote
beobachten und sie erfüllen. Sie werden wohnen in dem Lande, das ich meinem
Knechte Jakob gegeben habe, in dem ihre Väter gewohnt haben, und sie werden
darin wohnen, sie und ihre Söhne und ihre Enkel auf ewig, und David, mein
Knecht, wird ihr Fürst sein auf ewig. Ich werde mit ihnen einen Bund des Friedens
schließen, ein ewiger Bund soll es für sie sein, und ich werde sie zahlreich werden
lassen und werde mein Heiligtum mitten unter sie stellen auf ewig. Meine Wohnung
wird bei ihnen sein, und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.
Die Heidenvölker aber sollen erkennen, daß ich Jahwe bin, der Israel heiligt,
wenn mein Heiligtum auf ewig in ihrer Mitte ist“ (Ez 37, 1—14. 21—28; vgl. 38,
21—29. Übers. nach M. Schumpp, Das Buch Ezechiel, Freiburg 1942).

&) Zacharias und Sophonias

Der Prophet Zacharias (Sacharia) kündet: „Jubele und freu dich, Tochter
Sion, denn ich komme und wohne in deiner Mittel: Spruch Jahwes. Viele Nationen
werden sich Jahwe anschließen an jenem Tage und werden zu seinem Volke
werden. Sie werden wohnen in deiner Mitte, und du wirst erkennen, daß Jahwe
der Heerscharen mich zu dir gesandt hat. Drum nimmt Jahwe Juda wieder in
Besitz als sein Erbteil auf heiligem Boden und erwählt wieder Jerusalem. Still,
alle Welt, vor Jahwe! Denn er bricht schon auf aus seiner heiligen Wohnung“
(Zach 2, 14—17). Eine ähnliche Heilsbotschaft verkündet Sophonias (Sephanja):
„An jenem Tage wird man zu Jerusalem sprechen: Jubele, Tochter Sion, jauchze
Israel! Freu dich und frohlocke von ganzem Herzen, Tochter Jerusalem! Jahwe hat
deine Machthaber entfernt, deine Feinde verjagt. König Israels ist Jahwe in deiner
Mitte, fürder erlebst du kein Unglück! Sion, fürchte dich nicht, deine Hände seien
nicht schlaff! Jahwe, dein Gott, ist in deiner Mitte, als rettender Held. Er freut sich
deiner in Wonne, er ist bewegt von Liebe. Er frohlockt über dich voll Jubel, wie
man jubelt an Festen. Ich raffe das Böse hinweg aus dir, daß du seinetwegen nicht
Schmach leidest. Siehe, deinen Bedrückern mach ich ein Ende in jener Zeit. Ich
rette das Hinkende, ich sammle das Zerstreute. Ruhm und Namen verleih ich ihnen
in jedem Land, da sie Schande erlebt, zur Zeit, da ich euch begnadige, zur Zeit, da
ich euch sammle. Ich, ich verleihe euch Namen und Ruhm bei allen Völkern der
Erde, wenn ich euer Schicksal wende vor ihren Augen, spricht Jahwe“ (Soph 3,
14—20. Siehe auch Abd 17—21). Das Erscheinen Jahwes, die Epiphanie Gottes,
bringt Heil. Sie ist Unheil für die Gottlosen, aber Rettung für die, die sich bekehren
(vgl. Hab 3, 3—19; Ps 28 [29]).
S 140 Die Lehre der Schrift 49

C. Die Rettung durch einen Beauftragten Gottes


Gott richtet seine Königsherrschaft auf und bewirkt das damit gewährleistete
Heil durch seinen irdischen Beauftragten. Die Hoffnung, daß er selbst Rettung
bringen werde, wird so zur Gewißheit, daß er seinen „Gesalbten“ senden werde, um
durch ihn sein Reich zu verwirklichen. In dem irdischen Werkzeug handelt Gott
selbst. Ja, in ihm kommt er gewissermaßen zur Erscheinung. Man kann in diesem
Sinne sagen: „Wie in der Feuersäule, wie im Engel, wie im prophetischen Wort, so
erscheint Jahwe im Messias, nicht so, daß er darin gefangen wäre, aber doch genau
er selbst, so daß er den Menschen als der, der mit ihnen umgeht, an ihnen handelnd
erscheint, wie er anders für Menschen überhaupt nicht da sein kann, wenn sie nicht
von dem Anblick seiner vollen Gegenwart sterben sollen“ (H. W. Wolff, Herrschaft
Jahwes und Messiasgestalt im Alten Testament, in: Zeitschrift für die alttestament-
liche Wissenschaft N. F. 13, 1936, 193).
Mehrfach wurde die Frage erörtert, ob Gottesreich und Messias nicht zwei
einander entgegengesetzte oder wenigstens zwei voneinander verschiedene, nicht
miteinander zusammenhängende Gedankenreihen seien, und gelegentlich bejaht. In
Wahrheit gehören die beiden Vorstellungen jedoch auf das engste zusammen. Gott
ist der einzige Heilbringer (Zach 14, 9). Er selbst vollzieht die Erlösung. Er selbst
wird kommen, um sein Volk zu befreien und zu retten (Dt 9, 26; Pss 7, 3; 24 [25],
22; 30 [31], 6; 70 [71], 23; 106 [107], 2; 129 [130], 8; Sir 49, 12; Is 44, 12; 62, 12;
Ps 39 [40], 8; Ps 95 [96], 13; Is 35, 4; 40, 10; 41, 14; 43, 3; 44, 6; 59, 20; 60,1;
62, 11; Dan 7, 13. 22; Ag 2, 8; Zach 3, 8; 9, 9; 14, 5; Mal-3, 1; 1 Chr 29, 12;
Job 19, 25; Jer 50, 54). Aber er verwirklicht seine Königsherrschaft in geschicht-
lichen Gestalten, die er als seine Werkzeuge verwendet. Diese haben nicht ihren
Willen, sondern den Auftrag Gottes zu erfüllen. Die wichtigste unter ihnen, die
letzte und entscheidende, ist der verheißene Messias. Daß er nichts anderes als Gottes
Willen auszuführen hat, ergibt sich aus der Bezeichnung „Knecht Gottes“ sowie
aus seiner Erfüllung und Formung durch den Geist Gottes (Is 11, 2). Man kann
daher die Verheißung der Königsherrschaft Gottes, des Reiches Gottes, und die
Verheißung des messianischen Reiches nicht so unterscheiden, daß man die erste
auf einen nach der irdischen Geschichte eintretenden, also streng eschatologischen
Zustand, die zweite aber auf die Wiederherstellung des davidischen irdischen König-
tums bezieht. Eine solche radikale Unterscheidung wird durch keinen Text gestützt.
Umgekehrt widersprechen ihr fast alle Texte, in denen die Botschaft von dem messia-
nischen Reich verkündet wird. Wohl ist in den zahlreichen schon erwähnten und im
nächsten Paragraphen noch anzuführenden Texten die Wiederherstellung und Neu-
gestaltung der irdischen religiös-politischen Gemeinde in Aussicht gestellt. Aber ge-
rade dieses irdische Heil wird auf keinem anderen Wege erreicht als durch die
Aufrichtung der Gottesherrschaft. Sie zu verwirklichen, ist die Sendung des irdi-
schen Lehensträgers Gottes. Wenn er selbst König genannt wird, so ist sein König-
tum eine Erscheinung des Königtums Gottes. Die Königsherrschaft Gottes beschränkt
sich jedoch nach der Schilderung insbesondere des Isaias nicht auf das Volk
Gottes. Sie greift vielmehr darüber hinaus und erfaßt auch die Heidenvölker. Über
die ganze Welt soll Gott König sein. Der messianische König soll die Königsherr-
schaft Jahwes zwar zunächst in dem von Gott erwählten Volke verwirklichen.
Darin erweist die Königsherrschaft Gottes ihre „Geschichtsmächtigkeit“. Aber von

4 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


Gott der einzige Erlöser der Menschen 8 140
50

hier aus soll er die gesamte Menschheit dem himmlischen Herrn untertänig machen.
Bei den Propheten, am meisten wiederum bei Isaias, ist die von dem irdischen Mes-
siaskönig aufzurichtende Gottesherrschaft so geschildert, daß sie vollkommen ent-
weder nie oder nur jenseits der irdischen Geschichte verwirklicht werden kann.
Sie trägt also eschatologisches Gepräge. Indem jedoch der Messiaskönig innerhalb
der Geschichte, und zwar zunächst in dem von Moses geschaffenen Volke Gottes
und von hier aus in der gesamten Heidenwelt seine eigene Herrschaft aufrichtete,
setzte er zugleich Gott in die Königsherrschaft ein, deren Vollendung erst der
nachgeschichtliche Weltzustand bringt. Die Verheißungen Gottes zielen also zu-
nächst darauf, daß durch seinen irdischen Amtsträger, den Messiaskönig, dem
durch den sinaitischen Bund geschaffenen Volk das Heil verliehen wird. Das Heil
ist jedoch an eine Voraussetzung gebunden, an die Voraussetzung nämlich, daß
das Volk in seiner neuen Gestalt seinen Bundespflichten treu bleibt. Da öffnet sich
die Möglichkeit, daß die nach dem Exil neugestaltete Gemeinde als gottgefügte
Volksgemeinschaft durch alle Jahrhunderte und Jahrtausende der Geschichte fort-
lebt und zum Ausgangspunkt des Heiles für die Welt wird. Wenn jedoch diese
Möglichkeit durch neue Treulosigkeit verspielt wird, dann wird der messianische
König dem gegen Gott sich auflehnenden Volke kein irdisches Reich bringen können,
weil unter solchen Umständen das nicht für irdische Aufgaben, sondern nur für die
Sicherung und Förderung der Königsherrschaft Gottes bestimmte Volk als ge-
schlossene Volksgemeinschaft Keinen Daseinssinn mehr hat. Aber er wird dennoch
Seinen Auftrag erfüllen, indem er durch sein Leben und Sterben sich selbst der
Königsherrschaft Gottes unterwirft und die Menschen aller Völker und Zeiten zu
dem Reiche Gottes ruft (vgl. H. W. Wolff, a.a. O., 168—202. Siehe § 143).

U. Das Neue Testament

Das neutestamentliche Zeugnis von der Erlösung durch Gott


geht über das alttestamentliche wesentlich hinaus durch die Botschaft,
daß der von Gott verheißene Heilsbringer der geschichtliche Jesus ist.
Es stimmt aber mit dem alttestamentlichen darin überein, daß die Er-
lösung ein Werk Gottes, daß sie keine menschliche, sondern nur eine
göttliche Möglichkeit ist. Im Magnificat (Lk 1, 46—55) und im Bene-
dictus (Lk 1, 68—79) werden anläßlich der Menschwerdung des Soh-
nes die im AT bezeugten Fügungen Gottes gepriesen, die zu diesem
Ereignis hinführten.

A. Die synoptischen Evangelien und die Apostelgeschichte


Die synoptischen Berichte und die Apostelgeschichte verkünden
zwar den gekreuzigten und den auferstandenen Jesus als den Retter
der Welt. Aber nach ihrem Bericht legt Christus selbst davon Zeugnis
ab, daß nur der Vater das Rettungswerk vollbringen kann. Er voll-
bringt es durch seinen Gesalbten (Lk 23, 35; 2, 26; Mt 26, 63; Apg 2,
8 140 Die Lehre der Schrift 51

36; 3, 18. 20; 4, 26 f.; 5, 42). Kein Mensch vermag diese Aufgabe zu
erfüllen, auch nicht die, die man sonst die Mächtigen nennt, ja sie am
wenigsten. „Jesus blickte umher und sprach zu seinen Jüngern: Wie
schwer ist es für den Begüterten, in das Reich Gottes einzugehen! Die
Jünger erschraken über seine Worte. Er aber hub abermals an und
sprach zu ihnen: Kinder, wie schwer ist es für jene, die auf ihr Geld
vertrauen, in das Reich Gottes einzugehen! Leichter geht ein Kamel
durch ein Nadelöhr als ein Reicher in das Reich Gottes. Jetzt entsetzten
sie sich noch mehr und sagten zueinander: Wer kann dann gerettet
werden? Jesus blickte sie an und sprach: Bei Menschen ist es unmög-
lich, aber nicht bei Gott, denn bei Gott ist alles möglich“ (Mk 10, 23—
27; Mt 19, 23—26). Was vom Reichen, welcher der ungeheuer zwingen-
den Macht des Reichtums preisgegeben ist, in besonderem Maße gilt,
das trifft im Grunde jeden Menschen — die Jünger hören es zu ihrem
Schrecken aus Jesu Worten heraus. Der Weg zum Heil ist den Men-
schen verschlossen, sie mögen versuchen, was sie wollen, sie mögen
arım oder reich sein. Es bleibt nur die Hoffnung: Gott ist größer als
alle menschlichen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten. Alles ist seiner
verborgenen Möglichkeit anheimgegeben (vgl. den Kommentar von
E. Lohmeyer, Das Evangelium des Markus, Göttingen 1937, 212 £.).
Ohne Christus ist also die menschliche Situation ausweglos. Die
Menschheit gleicht dem Manne, der unter die Räuber gefallen ist und
halbtot liegen blieb. Sie kann sich nicht erheben, wenn nicht der
barmherzige Samaritan kommt, ihre Wunden verbindet und sie in die
Herberge der göttlichen Liebe führt (Lk 10, 30—37). Gott allein kann
also den neuen Anfang setzen, der notwendig ist, auf daß es nach der
Sünde nochmals Sinn und Hoffnung, Heiligkeit und Heil gibt. Aus sei-
nem Herzen steigt das Rettungswerk empor. „Als der Mensch von Gott
weggegangen war, hat Gott sich aufgemacht, ihn zu suchen. Was der
Herr im Gleichnis vom Guten Hirten erzählt, der dem Verlorenen nach-
geht (Lk 15, 4—7), hat nicht erst im sichtbaren Erlöser begonnen, son-
dern schon vorher in der Tiefe Gottes. In Jesus Christus ist es nur
sichtbar geworden“ (R. Guardini, Wille und Wahrheit, Würzburg
1933, 100).
Durch Christus handelt Gott. Christus ist der Knecht Gottes, dem
der Vater ein schweres Werk anvertraut hat (Apg 3, 13. 26; 4, 27. 30;
13, 23). Gott hat ihn hierfür mit heiligem Geist und mit Kraft ausge-
stattet (Apg 10, 38 f.). Die Machttaten, die er vollbringt, sind daher
Zeichen der göttlichen Allmacht (Apg 2, 22). Seine Friedensbotschaft
ist die Botschaft Gottes an sein Volk (Apg 10, 36). Sein ganzes Leben

4*
52 Gott der einzige Erlöser der Menschen § 140

verläuft nach dem von Gott ihm bestimmten Stundenschlag (Apg 2,


23; 3, 18; 4, 27 f.). Auch sein Tod ist kein Zufall, sondern ewige gött-
liche Fügung. Deshalb können ihn die Machthaber keine Stunde früher
hinrichten, als es dem göttlichen Willen entspricht (Lk 13, 31—35).
Auch seine Auferweckung von den Toten ist eine Tat Gottes (Apg 2,
24; 2, 32; 3, 15; 4, 10; 5, 30; 10, 40). Gott ist es auch, der Jesus erhöht
und mit einem Auferstehungsleib in den Himmel aufnimmt (Apg 2,
33—36; 1, 2. 9. 11. 22). In Gott sind die „Zeiten und Fristen“ verbor-
gen und beschlossen, in denen er seine Königsherrschaft offenbaren
wird (Apg 1, 7). Gott wird zu der von ihm bestimmten Zeit Christus
Jesus senden, um durch ihn das im Tode und in der Auferstehung
eingeleitete Werk der Erlösung zu vollenden (Apg 3, 20 f).
Daß Gott allein den neuen Anfang setzt und niemand anderer,
wird auch in der jungfräulichen Empfängnis des Messias sichtbar (LR
1, 26—38; vgl. Jo 1, 13). Hier hat männliche Aktivität keine Bedeu-
tung. Das Heil kann nur als Geschenk von Gott entgegengenommen
werden.

B. Der Apostel Paulus

Nach der paulinischen Theologie ist das Leben, das Sterben und
die Auferstehung Christi die zeitliche Verwirklichung eines ewigen
göttlichen Rettungsplanes. In Christus ist die ewige Liebe Gottes in
die Existenzweise der Zeit eingegangen (Eph 1, 1—12). Zum Heil und
zur Heiligkeit, zur Gnade und zum Frieden kommt nur der, den Gott
dazu beruft. Nur wer gerufen und berufen ist, kann dieser Güter teil-
haftig werden (Röm 1, 6). Rettung kommt bloß aus der Kraft Gottes,
aus keiner anderen (Röm 1, 16). Von Gott kommt die Rechtfertigung,
im Glauben wird sie ergriffen (Röm 1, 17). Die Rechtfertigung ist ein
Geschenk. Die Sünde kann durch keine menschliche Leistung über-
wunden werden (Röm 3, 20). Da sind alle in derselben Lage. Da sind
alle am Ende mit ihrem Können. Das Heil kommt nicht von der Philo-
sophie der Griechen, nicht von der Staatskunst der Römer und nicht
von der Frömmigkeit der Juden, sondern allein aus der Huld Gottes.
Er hat das Wunder der Rettung vollbracht, sonst niemand. Da kann sich
keiner rühmen (Bom 3, 21—31). Nur im Glauben an den, der unseren
Herrn Jesus Christus von den Toten erweckt hat, der um unserer Sün-
den willen dahingegeben ward und um unserer Rechtfertigung willen
auferweckt wurde, kann die Herrschaft des Todes und des Teufels ge-
brochen werden (Bom 4, 24 f.). Gott und er allein hat die Welt der
Finsternis entrissen. Er allein kann an der Finsternis das Licht ent-
8 140 Die Lehre der Schrift 53

zünden. Es ist reines Erbarmen, wenn er den menschlichen Haß über-


wunden und dort, wo man haßte und gehaßt wurde, die Liebe entfacht
hat. „Einst waren auch wir unverständig, unbotmäßig, im Irrtum be-
fangen, frönten allerlei Lüsten und Leidenschaften, lebten in Bosheit
und Neid dahin. Wir waren verhaßt und haßerfüllt gegeneinander.
Dann aber erschien die Güte und Menschenfreundlichkeit unseres gött-
lichen Heilandes und brachte uns das Heil, nicht etwa wegen gerechter
Werke, die wir getan, sondern nach seinem Erbarmen: durch das Bad
der Wiedergeburt und durch die Erneuerung im Heiligen Geiste“ (Tit 3,
3 ff.). Die Worte von der rettenden Liebe und Gnade strömen unauf-
hörlich aus der vom Heiligen Geist ergriffenen Seele des Apostels, wenn
er bedenkt, was einst war und was jetzt ist. „Ihr wart einst tot durch
eure Missetaten und Sünden, in denen ihr gewandelt seid nach Art
dieser Welt, unter dem Einfluß des Herrschers der Mächte in der Luft.
Es ist der Geist, der noch jetzt in den Kindern des Ungehorsams wirk-
sam ist. Unter diesen wandelten einst wir alle in unsern fleischlichen
Gelüsten, taten, was das Fleisch und die Sinne begehrten, und waren
von Natur Kinder des Zornes wie die andern auch. Aber dann hat Gott,
so reich an Erbarmung, seine große Liebe uns erwiesen und uns, die
wir tot waren durch unsere Sünden, mit Christus zum Leben geführt.
Durch seine Gnade seid ihr gerettet. In Christus Jesus hat er uns auf-
erweckt und uns in den Himmel versetzt. So wollte er in den kommen-
den Zeiten den überschwenglichen Reichtum seiner Gnade gemäß
seiner Güte gegen uns in Christus Jesus zeigen. Ja, aus Gnade seid ihr
erlöst kraft des Glaubens. Nicht euer Verdienst ist es, es ist Gottes
Geschenk. Nicht den Werken ist es zu verdanken, damit niemand sich
rühmen kann. Wir sind seine Gebilde, sind in Christus Jesus ge-
schaffen für gute Werke. Daß wir in diesen leben, dafür hat Gott uns
längst bestimmt“ (Eph 2, 1—10). In Christus Jesus, in seinem Todes-
leiden wurde der Gnadenwille Gottes sichtbar, in dem uns das Heil
geschenkt ist (Hebr 2, 9; 4, 16).

C. Johannes

Nach Johannes ist es der Vater, der Christus gesandt hat (5,
36; 7, 38; 12, 44—50). Deshalb spricht und handelt durch Christi Wort
und Tun Gott selbst am Menschen (5, 10—23; 5, 43; 3, 2; 3, 21). Gott
bestimmt den Gang dieses Lebens (2, 4). Auch sein Sterben geschieht
nach einem Ratschluß des Vaters (3, 16). Gott hat auch die Stunde des
Todes festgelegt, so daß die Feinde vor ihrem Eintritt nichts gegen
54 Gott der einzige Erlöser der Menschen S 140

ihn vermögen, auch wenn es scheint, als ob sie ihn nur zu ergreifen
brauchten (10, 39). Infolge der engen Verbundenheit mit dem Vater
ist Christi Verherrlichung die Verherrlichung des Vaters (5, 23; 17, 1).
Gott bestimmt auch, wer durch Christus gerettet wird (E. Schick, Das
Evangelium nach Johannes, Würzburg 1956).

Drittes Kapitel
Väterzeugnisse

In nicht endendem Dank preisen die Väter Gott ob seiner gna-


denvollen Rettungstat.
Athanasius: „Wenn eine neue Schöpfung entstanden ist, dann muß es
irgendeinen Ersten für diese Schöpfung geben. Ein bloßer Mensch nun und ein rein
irdisches Wesen, so wie wir es infolge der Übertretung geworden sind, konnte es
nicht sein. Denn auch bei der ersten Schöpfung sind die Menschen untreu geworden,
und die erste Schöpfung ging durch sie verloren. Es bedurfte eines anderen, der
auch die erste erneuerte und die neugeschaffene erhielt. Daher wird niemand anders
denn der Herr als Anfang der neuen Schöpfung, aus Liebe zu den Menschen als
Weg geschaffen, und er sagt mit Recht: Der Herr schuf mich als Anfang seiner
Wege für seine Werke (Spr 8, 22), damit der Mensch nicht mehr nach jener ersten-
Schöpfung sein Leben gestalte, wie vielmehr, da ein Anfang einer neuen Schöpfung
besteht, und wir in Christus einen Anfang ihrer Wege haben, fortan ihm nachfolgen,
der da spricht: Ich bin der Weg (Jo 14, 6). Denn dies lehrte auch der selige Apostel
in seinem Briefe an die Kolosser, wo er sagt: Er ist das Haupt des Leibes der Kirche,
er, der da ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, damit er in allem den
Vorrang habe (Kol 1, 18). Denn wenn er wegen der Auferstehung von den Toten
selbst Anfang genannt wird, die Auferstehung aber damals geschah, als er sich mit
unserem Fleische für uns dem Tode preisgegeben hat, so bezeichnen doch offenbar
auch seine Worte: Er schuf mich als Anfang seiner Wege, nicht sein Wesen, sondern
seine leibliche Erscheinung. Denn dem Leibe war der Tod eigen. ... Denn da der
Erlöser auf diese Weise dem Fleische nach geschaffen und der Anfang von dem,
was erneuert werden sollte, geworden war, und da er unsere Erstlingsfrucht immer
hatte in dem menschlichen Fleische, das er annahm, so wird folglich nach ihm
auch das kommende Volk geschaffen. Da ferner das Werk Gottes, das heißt der
Mensch, vollkommen geschaffen ist, aber mit der Übertretung bedürftig geworden
ist und an der Sünde gestorben ist, das Werk Gottes aber nicht unvollkommen
bleiben durfte, so legt eben darum der vollkommene Logos Gottes sich den unvoll-
kommenen Leib an, und es heißt von ihm, er werde für die Werke geschaffen,
damit er an unserer Stelle die Schuld zahle und, was dem Menschen fehlte, durch
sich ersetze und bewirke“ (Gegen die Arianer 2, 61; zitiert nach L. A. Winterswyl,
Athanasius. Die Menschwerdung, Leipzig 1938, 86... Leo der Große spricht
in der ersten Passionspredigt seine Zuhörer so an: „Nach jenem anfänglichen all-
gemeinen Verderben des Sündenfalls, da durch einen Menschen die Sünde in diese
Welt kam und durch die Sünde der Tod, so daß der Tod auf alle Menschen über-
§ 140 Theologische Überlegung 55

ging, weil alle in einem gesündigt hatten, hätte niemand mehr der Herrschaft des
Satans und den Fesseln seiner grausamen Gefangenschaft entgehen können, hätte es
für niemanden eine Aussöhnung und Verzeihung, eine Rückkehr zum Leben ge-
geben — wenn nicht der Sohn Gottes, dem Vater gleichewig und wesensgleich,
auch der Sohn des Menschen geworden wäre, um zu suchen und glückselig zu
machen, was verloren war, auf daß wie durch Adam der Tod, so durch unsern
Herrn Jesus Christus die Auferstehung komme. Wenn auch nach dem unerforsch-
lichen Ratschluß der göttlichen Weisheit erst in jüngstvergangenen Tagen das Wort
Fleisch geworden ist, so ist doch die Geburt der das Heil tragenden Jungfrau nicht
bloß den Geschlechtern der neueren Zeit zum Segen, sondern auch denen der ver-
gangenen Zeiten. Alle Verehrer des wahren Gottes im Altertum, alle Heiligen der
früheren Jahrhunderte lebten in diesem Glauben und waren durch ihn Gott wohl-
gefällig. Und keinem der Patriarchen, keinem Propheten, keinem der Heiligen ist
Heil widerfahren außer durch die Erlösung unseres Herrn Jesus Christus, und so
ist, was sie auf die Verheißung der Propheten und der Vorbilder hin erwarteten,
ihnen durch seine Gabe und sein Werk zuteilgeworden“ (M. Th. Breme, Leo der
Große, Leipzig 1938, 9 f.).
Bis in die deutsche Mystik hinein blieb es unverlierbarer Glaubensbesitz, daß
die Erlösung nur dankbar empfangen, nicht aber in stolzem Selbstbewußtsein
geleistet werden kann. Eckhart sagt: „Ein meister sprichet: daz hahste werk,
daz got ie geworhte an allen cr&atüren das ist barmherzicheit. Daz heimlicheste und
daz verborgenste, dennoch daz er an den engeln ie geworhte, daz wirt üfgetragen in
barmherzicheit, daz werk barmherzicheit, als es in im selber ist und als ez in gote
ist. Swaz got würket, der Erste üzbruch ist barmherzicheit, niht als er dem menschen
sine sünde vergibet und als sich ein mensche über den andern erbarmet; mêr er
wil sprechen: daz hahste werk, daz got würket, daz ist barmherzicheit. Ein mei-
ster sprichet: daz werk barmherzicheit ist gote sô gesippe, aleine wärheit und
richtuom und güete got nennent, doch nennet in einz mêr dan daz ander, Daz hahste
werk gotes ist barmherzicheit und meinet, daz got die sêle in das hahste und in
das lüterste, daz sie empfähen mac, in die wite, in daz mer in ein ungrüntlich mer:
dä würket got barmherzicheit“ (Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen
Werke: Die deutschen Werke. Erster Band: Meister Eckharts Predigten, hrsg. von
J. Quint, Stuttgart 1937, 121).

Viertes Kapitel
Theologische Überlegung
Für die theologische Überlegung und die menschliche Erfah-
rung ergibt sich die Unmöglichkeit der Selbsterlösung aus folgendem:

I. Die Sünde als Zerstörung der Gottesfreundschaft


Wäre die erste Sünde nichts weiter gewesen als Verletzung der
sittlichen Ordnung oder der Lebensgesetze, dann hätte eine einfache
Änderung der menschlichen Gesinnung und Handlungsweise wieder
alles ins Geleise bringen können. Nun aber war sie Abschüttelung der
56 Gott der einzige Erlöser der Menschen S 140

Königsherrschaft Gottes, Verletzung der Freundschaft mit Gott und


des übernatürlichen Lebens. Das Paradies bedeutete ja den Zustand
freundschaftlicher Liebe und Vertrautheit zwischen Gott und Mensch.
Gott hat sich dem Menschen geschenkt, er hat sich ihm anvertraut.
Aelred von Rieval sagt über die Freundschaft: „Freunde können
nur die heißen und sein, denen wir ohne jeden Vorbehalt unser ganzes
Herz mit allem, was darinnen ist, anvertrauen — selbstverständlich
unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit“ (R. Egenter, Die Gottes-
freundschaft, Augsburg 1929, 181). Gott gab dem Menschen Anteil
an seinem eigenen dreipersönlichen Leben. Er nahm ihn in sein
innerstes Geheimnis hinein. Er ließ ihn sein Leben mitleben. Es war
ein Wagnis, daß Gott sich dem Menschen anvertraute. „Alles Ver-
trauen und aller Glaube ist ein Wagnis. Es gehört immer ein Bruch-
teil sittlichen Mutes und seelischer Kraft dazu. Es geschieht immer
mit einem Einsatz der Person, und wo das Vertrauen weitgeht, der
Glaube felsenstark ist, da kann der Einsatz der Person unbegrenzt
steigen — und mit ihm der sittliche Wert des Vertrauens“ (N. Hart-
mann, Ethik, Berlin—Leipzig 1949°). Die sinngemäße Antwort auf
Gottes Vertrauen, ja auf Gottes wagenden Einsatz auf den Menschen
hin konnte nur Dank und Treue sein. Die Sünde war daher Untreue,
Bruch der Freundschaft und des Vertrauens, Verrat der Liebe, Täu-
schung und Enttäuschung. Sie war ferner Verleumdung Gottes, des
Freundes, Verletzung seiner Ehre. Die sündige Welt ist nämlich nicht
mehr eine Enthüllung Gottes, sondern ein Verschweigen, ja eine
Leugnung seiner Herrlichkeit. Angesichts der menschlichen Sünd-
haftigkeit, Gemeinheit, Unehrenhaftigkeit entsteht die Frage: Wie
muß der Gott sein, welcher Schöpfer eines solchen Geschlechtes ist?
Die Situation, die durch den Bruch des Vertrauens, den Verrat
der Liebe, die Verletzung der Ehre entstanden ist, kann von dem
Frevler selbst nicht geändert werden.Er konnte sie heraufbeschwören,
aber dann ist sie seiner Verfügungsgewalt entzogen. Er kann bereuen
und sühnen. Aber damit ist es nicht getan. Eine Maschine läßt sich
reparieren, indem man ein verbrauchtes Rädchen herausnimmt und
durch ein neues ersetzt. Dann läuft alles wieder gut weiter. Damit
eine zerstörte Freundschaft wieder geknüpft wird, eine verratene
Liebe von neuem aufglüht, muß der Verratene selbst kommen und
sagen: Es soll wieder gut sein. Dieses Wort läßt sich im Ernst nur
sprechen, wenn die Reue des einen und die durch die Enttäuschung
hindurchgeschrittene und über sie hinausgekommene und auf diesem
Weg gewachsene und gereifte Liebe des anderen sich die Hand rei-
S 140 Theologische Überlegung 57

chen. Dann wird die neue Liebe und Freundschaft inniger sein als
die alte. Ja, sie kann von neuem bloß erglühen, wenn sie stärker ist,
als sie vordem war. So mag die Enttäuschung zum glückhaften Anlaß
einer größeren Innigkeit und Vertrautheit werden (felix culpa).
Für die Freundschaft zwischen Gott und Mensch gilt dies alles in
einer besonderen Weise. Denn Gott ist der Schöpfer und Herr. Gott
und Mensch stehen einander nicht gleichberechtigt und ebenbürtig
gegenüber. Der Mensch ist im Sein und im Tun gänzlich von Gott ab-
hängig. Daß der Mensch Gottes Freund sein kann, ist von vorneherein
eine Tat der göttlichen Liebe. Gottes Liebe wirkt jede Menschenliebe.
Er wirkt auch die Liebe des Menschen zu ihm selbst. Nur wenn Gott
selbst in freier, sich verschenkender Huld das Freundschaftsband
zwischen sich und dem Menschen knüpft, kann es zur Gemeinschaft
des Menschen mit Gott kommen. Die Liebe und Freundschaft des Men-
schen zu Gott ist also nicht bloß Antwort auf Gottes Liebesanruf,
sondern auch dessen Wirkung (vgl. Bd. I § 91 und diesen Band § 112;
ferner die Gnadenlehre, Bd. III 2). Auf daß es nach der zerstörten
Freundschaft von neuem zu ihr kommen kann, muß Gott sich nicht
bloß wie ein menschlicher Freund zu dem in Reue ihn suchenden
Herzen neigen, sondern in einem schöpferischen Spruch Verzeihung
gewähren und die erstorbene Liebe im menschlichen Herzen neu ent-
fachen.
Diese Sachverhalte erscheinen in einer neuen Mächtigkeit, wenn
man bedenkt, daß die Freundschaft mit Gott die Teilnahme am drei-
persönlichen Lebensaustausch Gottes bedeutet. Sie stellt also jene Exi-
stenzweise dar, die wir übernatürlich nennen. Kein Einzelmensch und
keine menschliche Gemeinschaft vermag mit den Kräften der Erde ein
übernatürliches Dasein zu gewinnen. Dies ist kein Gipfel im Reich der
geschaffenen Natur, der, wenn auch in Mühe und Anstrengung, aus
den Tälern der Erde erstiegen werden kann. Es führt kein konti-
nuierlich dahinlaufender Weg aus der natürlichen in die übernatür-
liche Existenzweise hinein. Sie kann nur von Gott gnädig geschenkt
werden (vgl. § 115).
I. Die Sündenmacht
Solche Überlegungen werden durch die Erfahrung bestätigt.
Die Sündenmacht, in deren Knechtschaft der Mensch durch die erste
Sünde fiel, ist so groß, daß es ihm nicht gelingt, sich von ihr aus eige-
nem Vermögen zu befreien. Er hat daher nicht die Kraft, sich wieder-
um der Herrschaft Gottes völlig zu unterwerfen. Das wäre jedoch die
58 Gott der einzige Erlöser der Menschen S 140

Voraussetzung des Heils. Nur wenn Gott selbst in den menschlichen


Herzen, indem er sie verwandelt, seine Königsherrschaft aufrichtet,
kann die Sündenmacht gebrochen werden.

Fünftes Kapitel
Gottes Aktivität und die menschliche Aktivität in der Erlösung

Den seiner eigenen Kraft und seines Könnens bewußten, auf


Leistung bedachten Menschen könnte die Furcht ergreifen, daß seine
eigene Tätigkeit zu kurz kommt, wenn ihm die Erlösung als Geschenk
in den Schoß fällt. Sie ist indes unbegründet. Es kann zwar kein
Mensch nur von Geschenken leben. Niemand hält es aus, immer nur
Beschenkter zu sein. Aber die Geschenke Gottes sind von besonderer
Art. Sie fordern die menschliche Aktivität in stärkstem Maße heraus.
Gottes Impulse wecken die tiefsten Möglichkeiten des Menschen. Das
Geschenk, das uns Gott macht, ist er selbst, seine eigene Liebe und
Wahrheit, nicht irgendein Gegenstand, den man gleichgültig hinneh-
men und dann wegstellen kann. Das Geschenk der göttlichen Liebe
kann nur aufgenommen werden, indem sich ihm das menschliche
Herz, der menschliche Wille öffnen. Es kann nur bewahrt werden,
wenn wir mit allen Kräften in die Wirklichkeit einzudringen suchen,
eine immer unvollendete und unvollendbare Aufgabe (vgl. Bd. I $ 36).
Dazu kommt: Wer Gottes Liebe aufnimmt, schenkt sich seinerseits
Gott. Es ist ein Geben und Empfangen zugleich. Gott läßt sich dieses
Geschenk gefallen, ja er sehnt sich darnach. Er ist also nicht bloß der
Schenkende, sondern auch selbst der Beschenkte. Wenn ein Mensch
dem anderen seine Freundschaft oder seine Liebe schenkt, so empfin-
det dies niemand als Verletzung der menschlichen Würde, sondern als
beglückende Bereicherung und Erfüllung des Daseins. Niemand fragt
da, wer der Gebende und wer der Empfangende ist. Jeder ist gebend
und empfangend zugleich.
Glaube, Erfahrung und Überlegung bewahren also den Menschen
vor der Schwärmerei, als ob menschliches Bemühen eine von allem
Elend freie Zukunft herbeizwingen könnte. Der Gläubige, dem Gott
selbst die Augen über die Hintergründe des menschlichen Elendes ge-
öffnet hat, der also ein Sehender und Nüchterner, ein Realist ist, er-
wartet von den menschlichen Anstrengungen kein Paradies auf Erden.
Die Erfahrung lehrt ihn, was ihm die Offenbarung erhellt, daß näm-
lich die Wege, auf denen die Menschheit in revolutionärem Auf-
8 141 Die Freiheit des göttlichen Erlösungsratschlusses 59

schwung ihr Elend beseitigen will, mit Blut und Tränen gezeichnet
sind, daß die Versuche, ohne Gott eine von jedem Leid befreite Zukunft
zu schaffen, die jeweilige Gegenwart in Gewalt, Unrecht, Mord versin-
ken lassen, ohne wirklich eine Gewähr für eine glückliche Zukunft zu
bieten. Das heißt nicht, daß nicht jeder dafür verantwortlich ist, daß
das Leid in der Welt geringer wird. Vielmehr gehört es zu den Haupt-
aufgaben eines jeden Menschen, in Gehorsam gegen Gott hierzu einen
Beitrag zu leisten.

S 141
Die Freiheit des göttlichen Erlösungsratschlusses

Erstes Kapitel
Der Erlösungsratschluß als Ausdruck göttlicher Liebe

Gott kann durch keine außergöttliche Gewalt überwältigt wer-


den. Alle seine Werke steigen aus den Abgründen seiner schöpferi-
schen Liebe herauf. Wenn er sich erbarmt, so geschieht es in freier
Güte, weil er will, daß alle Menschen selig werden und zur Erkenntnis
der Wahrheit gelangen (1 Tim 2, 4). Er erbarmt sich, weil er sich und
wessen er sich erbarmen will (Röm 9, 15. Vgl. die im vorigen Ab-
schnitt angeführten Schriftzeugnisse). Die Ursache unserer Erneuerung
liegt einzig und allein in der Barmherzigkeit Gottes. „Würden wir
ihn doch nicht lieben, wenn er uns nicht zuvor geliebt und die Fin-
sternis unserer Unwissenheit durch das Licht seiner Wahrheit ver-
scheucht hätte“ (Leo der Große, 12. Predigt; BKV I, 42). Es be-
stand kein Anspruch auf seiten des Menschen, daß er von Gott wieder
in die verratene Liebeseinheit und Lebensgemeinschaft aufgenommen
wurde. Gott wurde auch nicht durch eine innergöttliche Notwendigkeit
bezwungen. Man könnte diese allenfalls im Schöpfungszweck, d.h. in
der Offenbarung der Herrlichkeit Gottes suchen. Wenn Gott die ganze
Menschheit im Zustande der Verlorenheit belassen hätte, wäre gleich-
wohl seine Herrlichkeit als Heiligkeit und Gerechtigkeit sichtbar ge-
worden. Das Geschöpf offenbart auch in seinem Nein zu Gott Gott als
den Herrn, als die Person-Heiligkeit, ja sogar als die Person-Liebe.
Gottes Werk wäre nicht mißlungen, auch wenn die ganze Schöpfung
in eine ewige Sünde hineingezogen worden wäre. In der Hinfälligkeit
und ewigen Unfertigkeit des Geschöpfes würde sich erweisen, daß Gott
60 Die Freiheit des göttlichen Erlösungsratschlusses § 141

allein genügt, daß nur seine Lebensfülle und Heiligkeit dem Menschen
Heil und Leben zu spenden vermag.
Diesen Tatsachen wird jene Ansicht nicht gerecht, deren bekannte-
ster Repräsentant Baius ist (gest. 1589). Während nach Pelagius der
Mensch die Kraft hat, sich selbst zu erlösen, hat er nach Baius das
Recht, die Erlösung von Gott zu fordern (vgl. H. de Lubac, Surna-
turel, Paris 1946. P. Smulders, Art. Baius, in: Lex. f. Theol. u. Kirche,
I, Freiburg 1957?, 1198 f. J. Kaiser wird demnächst eine weitere Un-
tersuchung bringen).

Zweites Kapitel
Angemessenheit der Erlösung

I. Die Ehre Gottes

Wenn indes die Erlösung für Gott auch keine unbedingte Not-
wendigkeit bedeutete, so können wir doch für den tatsächlichen Er-
lösungsratschluß Gottes Konvenienzgründe ausfindig machen.
Für die lebendige und beglückende Verwirklichung des Schöp-
fungszweckes, der die Offenbarung Gottes, der Liebe und Heiligkeit,
ist, ist es nicht gleichgültig, ob Gott die gefallene Menschheit wieder in
den Raum seiner Liebe zurückführt oder nicht. Denn daß Gott die
Liebe ist, erweist sich glaubhafter an dem Glühen eines menschlichen
Herzens als an der Starre und Unbewegtheit des ewigen Eises. Daß er
die Heiligkeit ist, wird deutlicher, wenn seine Heiligkeit im außergött-
lichen Raum an seinen Geschöpfen aufscheint, als wenn sie an ihnen
völlig unsichtbar geblieben wäre.
Die Wiederbegnadigung des Sünders steht dem Sinn und Zweck
der Schöpfungstat Gottes näher als die Belassung in der Sünde. Wenn
die Liebe der Urgrund der Welterschaffung ist, dann ist es sinnge-
mäßer, daß die Welt so ist, daß Gottes Liebe aus dem Abgrund des
Geschöpfes eine Liebesantwort erhält. Das bedeutet nicht, daß Gott
nicht auch die Freiheit hätte, das weniger Sinngemäße, das dem Schöp-
fungswerk Fernerliegende zu tun. Diese Überlegungen stehen in vollem
Einklang mit der Väterlehre.
Athanasius sagt: „Da der Tod immer mächtiger wurde und das Verderben
über der Menschheit lagerte, ging das Menschengeschlecht dem Untergang entgegen,
der logosähnliche und nach dem Bilde Gottes erschaffene Mensch mußte verschwin-
den und das von Gott geschaffene Werk verlorengehen. Denn der Tod gewann über
uns jetzt gesetzliche Gewalt, und es war unmöglich, diesem Gesetz zu entrinnen,
weil es von Gott wegen der Sünde erlassen worden war. In der Verwirklichung
§ 141 Angemessenheit der Erlösung 61

(dieser Sündenfolge) lag aber etwas zugleich Ungereimtes und Unwürdiges; unge-
reimt wäre es, Gottes Rede Lügen zu strafen, wenn nämlich der Mensch trotz der
göttlichen Verfügung, gemäß der er im Fall der Gebotsübertretung des Todes
sterben mußte, nach der Übertretung doch nicht starb, vielmehr Gottes Verfügung
aufgehoben wurde ... Andererseits war es unziemlich, wenn die einmal geschaffenen,
vernünftigen und seines Logos teilhaftig gewordenen Wesen zugrunde gingen und
auf dem Weg der Vernichtung wieder ins Nichts zurücksanken. Es reimte sich doch
nicht mit der Güte Gottes zusammen, wenn die von ihm geschaffenen Wesen wegen
des vom Teufel an den Menschen verübten Truges umkamen. Zudem war es ganz
und gar unziemlich, daß das Gebilde Gottes in den Menschen durch ihre eigene
Sorglosigkeit oder durch den Trug der Dämonen verlorenging. Da also die vernünf-
tigen Wesen dem Verderben und solch vorzügliche Werke dem Untergang geweiht
waren, was mußte da Gott in seiner Güte tun? Etwa zulassen, daß das Verderben
gegen sie weiter seine Macht entfalte und der Tod über sie herrsche? Wozu dann
auch ihre Erschaffung im Anfange? Sie wären dann besser nicht entstanden, als
nach ihrer Entstehung der Verwahrlosung und dem Untergang anheimgefallen ..
Erschuf Gott den Menschen, und rief er ihn ins Dasein, so war es höchst ungereimt,
wenn die Werke dem Untergang verfielen — und dies gar unter den Augen des
Schöpfers“ (Über die Menschwerdung des Logos, 6. Abschnitt; L. A. Winterswyl,
Athanasius, Leipzig 1938, 55f.; BKV I, 89f. Vgl. auch den Text aus Leo dem
Großen, § 256). Origenes (Ezechielhomilie 6, 6) schreibt: „Er stieg auf die
Erde herab aus Mit-leiden mit dem Menschengeschlecht, ja er litt unsere Leiden,
bevor er das Kreuz erduldete und bevor er unser Fleisch anzunehmen sich würdigte.
Denn hätte er nicht gelitten, so wäre er nicht in den Wandel des Menschenlebens
eingetreten. Erst litt er, dann stieg er herab und ward sichtbar. Was ist das für
ein Leiden, das er da um unsertwillen litt? Es ist die Leidenschaft der Liebe. Und
der Vater selbst, der Gott des Alls, langmütig und gar sehr mitleidend, leidet nicht
auch er gewissermaßen? Oder weißt du nicht, daß er, wenn er das Menschliche
lenkt, menschliche Leiden mitleidet? Es ertrug nämlich der Herr dein Gott deine
Sitten, so wie ein Mensch seinen Sohn erträgt. Wie also der Sohn Gottes unsere
Leiden erträgt, so erträgt Gott unsere Sitten. Auch der Vater ist nicht ohne Leiden-
schaft. Wenn er gebeten wird, so erbarmt er sich und leidet mit, er erleidet etwas
von der Liebe, und er versetzt sich in jene, in welchen er in der Anschauung der
Größe seiner Natur nicht sein kann“ (H. Urs von Balthasar, Origenes, Geist und
Feuer. Ein Aufbau aus seinen Schriften, Einsiedeln 1938, 187). Gregor von Nyssa
erklärt: „Gott wußte sehr wohl, was eintrat, und doch hinderte er mit vollem Be-
wußtsein den Lauf der Dinge nicht, die da kommen sollten. Denn der Abfall der
Menschen vom Guten konnte dem nicht verborgen sein, der durch seine Vorsehung
alles beherrscht und das Künftige ebensogut kennt wie das Vergangene. Allein wie er
jenen Abfall voraussah, so nahm er zugleich auch die Zurückrufung des Menschen zum
Guten in seinen Plan auf. Was war nun besser, in der Voraussicht, daß der Mensch
vom Guten abweiche, ihn überhaupt nicht ins Dasein zu rufen, oder aber ihn den-
noch zu erschaffen und nach dem Falle wieder durch Buße zur ursprünglichen
Gnade zurückzurufen? Um der körperlichen Schmerzen willen, welche den vergäng-
lichen Teil unserer Natur mit Notwendigkeit treffen, Gott als den Urheber des
Bösen zu bezeichnen oder gar ihn nicht einmal für den Schöpfer des Menschen zu
halten, um ihm nicht die Schuld an unserem Elende beizumessen, dies verrät die
62 Die Freiheit des göttlichen Erlösungsratschlusses S 141

äußerste Kurzsichtigkeit von Menschen, die das Gute und Böse nach der Wirkung
auf die Sinnesempfindung beurteilen und nicht wissen, daß seiner Natur nach sehr
wohl gut sein kann, was unseren sinnlichen Teil nicht berührt, und daß das Böse
nur die Entfernung vom Guten ist. Nach Schmerz und Lust das Gute und Nicht-
gute zu unterscheiden, ist ein Kennzeichen der unvernünftigen Natur, weil bei dieser
wegen Mangel an Vernunft und Verstand die Erkenntnis dessen, was wahrhaft gut
ist, nicht vorhanden sein kann. Allein, daß der Mensch von Gott geschaffen wurde,
daß er gut und zur Glückseligkeit bestimmt ist, ergibt sich nicht bloß aus dem Ge-
sagten, sondern aus unzähligen anderen Gründen, welche wir jedoch jetzt übergehen
müssen, um uns nicht in Weitläufigkeit zu verlieren“ (Große Katechese, 8. Kapitel,
BKV, 25£.).

Ja, man kann noch einen Schritt weitergehen und sagen, daß Gott
das Böse bloß zuließ, weil er voraussah, wie er die Menschheit aus
seinen Fesseln wieder befreien konnte, oder um es noch bestimmter
zu sagen, weil er von vornherein die Menschwerdung des Logos be-
schlossen hatte und in ihr die Möglichkeit einer überreichen Erlösung
sah. Cyrill von Alexandrien erklärte: „Gott, der das Zu-
künftige weiß, und zwar nicht erst, wenn es sich ereignet, wußte vor
Erschaffung der Welt, was selbst in den spätesten Zeiten eintreffen
würde. Und als er dann dementsprechend das Einzelne verwirklichte,
da hat er nicht erst über uns nachgedacht, als wir schon da waren,
sondern ehe noch die Erde und die Welten bestanden, hatte er schon
alles, was uns betraf, in sich vorbedacht. Und in dieser Vorsehung hat
er seinen Sohn als Grundstein gelegt, auf den wir auferbaut werden
und so noch einmal neu erstehen sollten — aber zur Unverweslichkeit,
die wir durch unseren Fehltritt der Verweslichkeit verfallen waren;
denn auch das hatte er schon gewußt, daß wir durch eigene Bosheit
uns sterblich machen würden“ (Thesaurus de Ss. trinitate, assert. 15,
PG 75, 292).

II. Der Zustand des sündigen Menschen

Wie es der Liebe Gottes näher lag, die Erlösung zu vollziehen,


als sie zu unterlassen, so weist in die gleiche Richtung die geistliche
Verfaßtheit des sündigen Menschen. Im Gegensatz zur Sünde der ge-
fallenen Engel war die Sünde der ersten Menschen nicht reine Bos-
heitssünde, sondern auch Schwachheitssünde. Das Böse stieg nicht rein
selbsttätig aus ihren Herzen empor, sondern wurde durch eine fremde
Macht an sie herangetragen. Als sie der Versuchung erlagen, da voll-
zogen sie das Nein zu Gott nicht mit der ganzen gesammelten Kraft
ihres Ich, ihres Erkennens und Wollens. Es füllte nicht alle Räume
ihres Selbst aus. Es geschah keine völlige, endgültige Überantwortung
8 141 Gottes Freiheit und Gerechtigkeit 63

ihres Ich an das Böse. Der tiefste Grund hierfür ist darin zu sehen, daß
der Mensch sich nie mit jener Kraft besitzt, mit der sich der Engel
durchdringt und behauptet. Er hat sich nie ganz in der Hand, so daß
er sich ganz an das Gute oder Böse hingeben könnte. Er kann es immer
nur mit einem bestimmten, im jeweiligen Augenblick gegenwärtigen
Maß seiner Kraft. Daher blieb in ihm mit dem trotzigen und klaren
Nein zu Gott, unter diesem und hinter ihm, ein, wenn auch noch so
leises und verdecktes, Ja zu Gottes Liebe und Heiligkeit. Gott ist von
der Art, daß er den glimmenden Docht nicht auslöscht (Mt 12, 20).
Nur die volle Verhärtung im Bösen bindet ihm die Hände. Nur wenn
der Mensch sich endgültig und unwiderruflich für das Böse ent-
schlossen hat, läßt er ihm seinen Willen und damit sein Unglück.
Da es bei dem ersten Menschen nicht soweit kam, entsprach es der
göttlichen Liebe, daß er den für Liebe empfänglich gebliebenen Men-
schen wieder in seine Liebe hineinholte, daß er in dem der Heilig-
keit nicht gänzlich erstorbenen Menschen wieder seine Heiligkeit er-
scheinen ließ.

Drittes Kapitel

Gottes Freiheit und Gerechtigkeit

Wenn wir uns durch den Heiligen Geist im Worte der Schrift
sagen lassen, daß der göttliche Erlösungsratschluß auf freiem Liebes-
erbarmen ruht, so dürfen wir darin nicht mithören, daß Gott mit dem
erbsündigen Menschengeschlechte in freier Willkür und Herrscher-
laune hätte schalten und walten können. Er blieb es seinem Werke,
also sich selbst schuldig, daß er es auch im gefallenen Zustande— auch
so war es noch sein Werk — als sein Werk achtete, den Menschen
also als freies, verantwortliches Geschöpf behandelte. Nach Thomas
von Aquin ist es mit der göttlichen Gerechtigkeit nicht vereinbar,
daß Gott den Menschen bloß der Erbsünde wegen der Hölle überant-
wortet, d.h. daß er den Erbsünder, der zur Erbsünde keine persön-
lichen Sünden hinzufügt, die Gottesferne in ihrer unverhüllten, nackten
Furchtbarkeit und Grausamkeit erleben läßt. Es hat wenig Sinn, dar-
über nachzudenken, was Gott hätte tun können oder gar tun müssen,
wenn er die Erlösung nicht beschlossen hätte. Tatsächlich hat er sie
beschlossen. Davor müssen alle Wenn und Aber verstummen. Wenn
wir uns der Freiheit des göttlichen Erlösungswillens bewußt werden,
dann geschieht es nicht, um zu erforschen, wie die menschliche Ge-
64 Gott-Sohn der Erlöser der Menschen S 142

schichte verlaufen wäre, wenn Gott sie nicht wieder zu sich heimgeholt
hätte — niemand kann diese Frage beantworten —, sondern um der
Größe der göttlichen Liebe inne zu werden, der wir uns in Dankbar-
keit und Reue überantworten.

S 142

Gott-Sohn der Erlöser der Menschen

Vorbemerkung
Gott konnte die Erlösung, d.h. die Befreiung des Menschen
von der Knechtschaft der Sünde, die Vernichtung der Gottesferne, die
Heimholung aus der Verlorenheit in die Gottinnigkeit, auf mannig-
fache Weise bewirken. Nur eins mußte immer geschehen: die Umwand-
lung des menschlichen Sinnes in Reue und Liebe, die Wegwendung
des menschlichen Herzens von der Sünde und seine Hinwendung zu
Gott. Sonst wäre die Erlösung ein mechanischer bzw. ein naturhafter
Vorgang, ähnlich der Ausbesserung einer Maschine oder dem organi-
schen Wachstum der Pflanze gewesen. Sie sollte sich jedoch so voll-
ziehen, daß die verantwortliche Entscheidung des in Freiheit existie-
renden Menschen unangetastet blieb. Letztlich ist allerdings auch jede
menschliche Entscheidung von Gott gewirkt. Der Mensch kann nur
dann in Reue und Liebe sich zu Gott hinkehren, wenn Gott ihn ergreift
und zu sich hinwendet. Aber der von Gott in Bewegung gesetzte Mensch
trägt zugleich die Verantwortung dafür, daß er sich zu Gott hinwendet.
Der Mensch kann Gott nur lieben, wenn Gott die menschliche Liebe
zu sich entzündet. Trotzdem ist es das menschliche Ich, das sich, von
Gott entflammt, Gott anheimgibt (vgl. die Gnadenlehre, Bd. III 2).
Ohne gottgewirkte Reue und Liebe konnte es also keine Befreiung
aus der Gefangenschaft der Gottesferne, aus der Einkerkerung in die
Ich-Einsamkeit und aus der Herrschaft der Sündenmacht (hamartia)
geben (siehe Bd. I 1 § 136).

Erstes Kapitel
Die Erlösung kein Automatismus

Gott hätte, sobald sich die menschlichen Herzen zu ihm hinwand-


ten, die Sünde vernichten können. Doch war es der Existenzweise des
Menschen, wie sie von Gott geschaffen war, angemessen, daß sich die
Reue des Herzens auswirken mußte in der Sichtbarkeit des Leibes, im
Raum der menschlichen Geschichte. Das menschliche Herz kann nicht
§ 142 Die Erlösung kein Automatismus 65

in sich verschließen, was es erfüllt. Am Leibe zeigt sich, wovon es be-


wegt wird. Wenn sich der Sünder in Reue zu Gott hinwendet, dann
wird sich die Reue darstellen in sichtbaren Handlungen, in Zeichen,
welche den inneren Vorgang erscheinen lassen und bestätigen, die ihn
glaubwürdig machen und aus Täuschung und Selbsttäuschung heraus-
halten, die ihm Macht und Wirkung verleihen für den Fortgang des
menschlichen Lebens.
In der Buße erweist sich der Ernst der Herzensumkehr, der Sinn
für die unantastbare Geltung des Guten, für die Majestät des Heiligen.
Die Reue wird sich naturgemäß in solchen Taten darstellen, welche
die Lösung des Menschen von der Verliebtheit in das eigene Ich,
von Eigenherrlichkeit und Selbstsucht, von der ungeordneten Hingabe
an die Welt kundtun. In ihnen liegt ein schmerzlicher Verzicht auf
widergöttliches Herrentum, das Opfer alles selbstischen, selbstherrli-
chen Eigenwillens, das Bekenntnis zu Gottes unabdingbarer Herr-
scherwürde und Heiligkeit, der Wille, die durch die Sünde in Ver-
wirrung geratene Schöpfung Gottes wieder zu ordnen. So wird Gott
darin genuggetan.
Gott konnte als Voraussetzung für die Erlösung verlangen, daß
alle Menschen Genugtuung leisten oder daß einer im Namen aller Ge-
nugtuung leistete. Wenn er tatsächlich Genugtuung forderte, so hat
dies nicht den Sinn, daß er bloß durch Opfer und Mühen umgestimmt
werden konnte — Gott unterliegt keinerlei Stimmungen (vgl. Bd. I
887). Gott wird nicht vom Menschen zur Vergebung bewogen, sondern
er hat die Welt so geliebt, „als sie ihm feindselig abgewandt war, daß
er zum Vollzug dieser Liebe alles tat, was er von der Verheißung des
Schlangentreters an bis zu dessen Menschwerdung und durch die Sen-
dungs seines Heiligen Geistes und dessen Gnadenwalten in der Kirche
für und für getan. Als die Menschen Kinder des Zornes waren, soweit
es auf ihren eigenen Zustand ankam, waren sie bereits von der vor-
aussetzungslos freien Erbarmung der Wiederbegnadigung umfangen,
welche sich durch die Hingabe des Eingeborenen als stellvertretenden
Mittlers betätigte“ (H. Schell, Katholische Dogmatik, Paderborn 1892,
II 1, S.14; ind.). Gott forderte Genugtuung und ließ die Wieder-
begnadigung des Menschen von ihr abhängig sein, damit der
Mensch der Größe der Sünde, des unversöhnlichen Gegensatzes zwi-
schen Heiligkeit und Unheiligkeit inne werde, damit er ferner mit
Ernst und Sorge an der Durchsetzung der göttlichen Heiligkeit, d.h.
der Herrschaft Gottes in der Welt und so an der Wiederherstellung
der durch die Sünde entstellten Schöpfung arbeite. Indem Gott selbst

5 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


66 Gott-Sohn der Erlöser der Menschen § 142

die Genugtuung des Menschen wirkte, offenbarte er das Mysterium


seiner Heiligkeit und das Mysterium der Sünde. So wurde die von
Gott gewirkte Buße des Menschen eine Selbstdarstellung Gottes des
Heiligen, der über die Sünde Gericht hält.

Zweites Kapitel
Die Erlösung durch den Gottessohn als Zeichen höchster Liebe in der
Schöpfung

Von allen Möglichkeiten wählte Gott die höchste: die Erlösung


durch den menschgewordenen Gottessohn. Diese Weise der Erlösung
ist ein unergründliches Geheimnis der göttlichen Liebe. Wir können
ihr Warum nicht ermessen. Wenn wir trotzdem darnach fragen, dür-
fen wir bloß zögernd im Bewußtsein unserer Unwissenheit eine Ant-
wort versuchen. Man kann wohl sagen, daß Gott durch die Mensch-
werdung des Gottessohnes uns seine Herrlichkeit, die durch die Sünde
verdunkelt war, in neuem Glanze aufscheinen lassen wollte, daß er
uns ebenso das Grauen der Sünde und die Tragweite unserer Ver-
antwortung zeigen wollte. Gottes Herrlichkeit wird durch die Mensch-
werdung in einer für den Gutwilligen unübersehbaren Weise geoffen-
bart als Liebe, Macht, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Weisheit. Gottes
Liebe wird in der Menschwerdung und im Tode des Gottessohnes an-
schaulich, greifbar, glaubhaft, geschichtsmächtig. In der Natur mit
ihren Grausamkeiten bleibt sie verborgen. Man kann auch sagen:
Gott wollte seine Königsherrschaft (basileia) in der von widergött-
lichen Kräften beherrschten Geschichte und Natur in einer seiner
eigenen Größe und zugleich der Würde und Unwürde des gefallenen
Menschen entsprechenden Weise wiederaufrichten. Darum ließ er sich
sein Vorhaben den höchsten Einsatz kosten: den Eintritt in die
menschliche Geschichte und die Übernahme des menschlichen Schick-
sals.
Angesichts der in den Fluch der Sünde hineingestoßenen Natur kann man
sagen: „Kann man aus der Natur die Vatergüte Gottes erkennen? Wenigstens dann,
wenn sie lächelt und sich schmückt? Aber sie ist zu gleicher Zeit auch immer grau-
sam. Und ihr Lächeln hat etwas von dem Lächeln eines Irrsinnigen, der nicht weiß,
warum er lacht. Ihre Schönheit nimmt keine Rücksicht auf uns, sie schmückt sich
nicht für uns, überhaupt für jemanden. Sie geht ihren eisernen Gang, ohne nach uns
zu fragen. Und warum sollte sie es tun? In ihren Tälern, die selbst nichts anderes
sind als winzige Rinnen, in denen das Schneewasser abläuft, spielen die Häuflein
der Menschen eine klägliche Rolle, sind wie ein schlecht gelungener Betörungsver-
such der naturhaften Eigenart dieser Täler. Nun, wenn die Natur schon nichts für
§ 142 Die Erlösung durch den Gottessohn als Zeichen höchster Liebe 67

uns Menschen zu fühlen scheint, ist überhaupt für irgendein Wesen eine Spur von
Wohlwollen in ihr? Sie will die Gattungen erhalten, ja, aber das einzelne Lebewesen
ist ihr völlig gleichgültig. Und sie erhält die Gattungen nur durch den grausamsten
Kampf, durch eine Unsumme von Leid und Qual. Gott hat das so gemacht! Aber
vielleicht haben wir nicht den rechten Begriff von Vatergüte. Wenn die Morgensonne
strahlt auf den blühenden Matten und die Lerchen tirillieren, sehen wir darin ein
Bild der Vatergüte Gottes. Aber zur gleichen Stunde werden zahllose dieser kleinen
Tiere, die ausgingen, der Morgensonne sich zu freuen, gefressen, und die Fresser
loben Gott, den Herrn, der ihren Tisch so reich gedeckt hat. Ist denn dieses Ge-
fressenwerden auch eine Äußerung der Vatergüte Gottes? Und wenn die Schnee-
stürme über die Höhen fegen und graue, kalte, böse Nebel an den Wänden hin-
fahren und unser Herz sich in Grauen und Einsamkeit zusammenzieht, dann sehen
wir darin kein Bild mehr von der Vatergüte Gottes. Und doch muß sie noch da
sein. Die Vorstellung von der Güte, die wir haben, läßt sich eben in der Natur
nicht durchführen.“ Von der leblosen Natur gilt das noch mehr. „Ist nicht doch
etwas Feindseliges in der unbelebten Natur? Das Lebendige ist warm und nah,
selbst dort, wo es mich bedroht wie ein Tiger. Aber in den Steinen und dem Wasser
und den Eisfeldern und selbst in den leuchtenden Sonnenstrahlen ist etwas Herz-
loses. Sind vielleicht alle diese Wesen aus unbelebten Stoffen doch nichts anderes
als die verworfenen Apostaten des Lebens, die letzten Bruchstücke und Abfalls-
erscheinungen des Lebens, das Geröll, das der Strom des Lebens hinter sich gelassen
oder aus sich hinausgeworfen hat? Und seitdem glüht ein stillversteckter Haß gegen
alles Lebendige in diesen Dingen, selbst in den Kristallen und in den kristallklaren
Wellen des Inn. Ich möchte sie lieben, diese Wellen, sie sind so entzückend, so
leuchtend, so durchsonnt, und lichte Kringel tanzen inmitten ihres Spieles, und doch
— sie lieben mich nicht wieder, diese Wellen, sie nehmen keinen Anteil an mir,
ich bin ihnen vollkommen gleichgültig oder sogar verhaßt. Und wenn sie mich in
ihre Gewalt brächten, sie würden mit all ihrer durchsichtigen Klarheit ungerührt
und ungetrübt hinweghüpfen über mein ausgelöschtes Leben“ (P. Lippert, Credo,
München 19522).

Die im gekreuzigten Gottessohn verwirklichte Liebe Gottes kann


der Gläubige nicht mehr übersehen. Im Opfertod des vielgeliebten
Sohnes, in seinem Gehorsam und in seiner Entsagung bis zum Kreuze,
in seinem sterbenden Verstummen, in seinem tragenden Schweigen,
in seinem vergossenen Blut verströmt sich Gottes Güte so offenkundig,
daß jeder, der guten Willens ist, sie erfährt (1 Jo 4, 6; 3, 16). Wer
freilich bösen Willens ist, dem bleibt sie auch hier verborgen. Dem
bleibt sie dann immer und überall verborgen. Denn glaubhafter und
deutlicher gibt sie sich nirgends mehr kund. Das Höchste und Größte
ist die geopferte Liebe. Darüber hinaus gibt es keine. Wer sie ver-
härteten Herzens da nicht erfährt, der bleibt für immer in die eisige
Einsamkeit seines Ich eingekerkert (Röm 12, 2; Jo 3, 16—19).
Indem Gott seine Liebe gerade im Kreuzestod Christi offenbart,
enthüllt er sie in der Weise der Gerechtigkeit. Die Liebe Gottes ist in


68 Gott-Sohn der Erlöser der Menschen § 142

innigem Bunde mit der Gerechtigkeit wirksam. Sie sieht nicht in gut-
mütigem Gewährenlassen über die Sünde hinweg. Das würde dem
Menschen nichts helfen. Sein Herz würde das Böse nicht ausstoßen und
das Gute nicht in sich hineinnehmen. Es würde keine Umwandlung
geschehen. Nein, Gott schenkt dem Menschen nichts von der Schwere
der Sühne und Genugtuung.
Aber darin erweist sich seine Güte, daß er
sie selbst in der menschlichen Natur vollzieht. Die Menschwerdung,
insbesondere der Kreuzestod Christi ist eine ebenbürtige Offenbarung
der unendlichen Majestät des Heiligen und der unendlichen Verpflich-
tung des Menschen zum Guten. An dem Grauen dieses Sterbens wird
daher der Mensch der furchtbaren Abgründe inne, welche die Sünde
aufreißt. Zugleich wird er von der Verzweiflung, in die ihn der Anblick
der Unheimlichkeit der Sünde stoßen könnte, zurückgerufen zu Ver-
trauen und Liebe, zu Mut und Tapferkeit, zu Gott, der selbst daran
geht, die Schrecken der Sünde zu überwinden. Wenn Gott selbst in die
menschliche Geschichte einging, um das Grauen der Sünde zu tragen,
durchzuleben, auszutragen und ein für allemal abzutun, dann kann
keine Macht des Bösen, mag sie sich in der Kirchen- oder Weltge-
schichte, im eigenen oder fremden Leben in den wüstesten Formen
austoben, das Vertrauen auf den Sieg des Guten töten.

Drittes Kapitel
Die Menschwerdung als höchster Schöpfungssinn

Durch die Menschwerdung wird der Sinn der geistbegabten


Schöpfung, daß sie nämlich Gottes Herrlichkeit erkennen und preisen
soll, auf die höchste Weise erfüllt. Aus dem Herzen des Gottmenschen
schlägt Gott eine Liebe empor, glüht ihm eine Anbetung entgegen,
steigt ein Gehorsam auf, neigt sich ihm eine Hingabe, deren Glanz alles
Dunkel der Sünde überstrahlt. Die Welt kann nie vergessen, daß Gott
ihr Herr ist, weil Christus als ihr Haupt es nie vergessen hat. Sie
bleibt daher für alle Ewigkeit in Liebe, Dank, Gehorsam, Anbetung,
Hingabe Gott anheimgegeben, da ihr Haupt in allen seinen Daseins-
formen, in der geschichtlichen, in der sakramentalen, in der verklärten
Daseinsweise, sich immerfort an den Vater hingibt. Die Welt, deren
Mitte der Gottmensch ist, bleibt unlöslich an Gott gebunden. „Gott steht
nicht mehr bloß als überweltlicher König über seinem Reiche, sondern
ist ihm als innerweltliches Haupt eingegliedert. Die Schöpfung ist
ihrem Herrn nicht mehr bloß als ein Reich von Untertanen untergeord-
S 142 Problematik des Ratschlusses der Menschwerdung 69

net, sondern er selbst gehört seinem Reiche und zu seinem Reiche. Die
Schöpfung nimmt infolgedessen teil an der königlichen Würde ihres
Herrn, der zu ihrer Gesamtheit gehört, und wird aus dem Stand der
geschöpflichen Knechtschaft in den Stand der Freiheit und Kindschaft
erhoben. Gott gehört zur Welt, insofern er zu Christus gehört, alles
zielt auf Christus, Christus aber ist Gottes, in Christus ist Gott unser
Besitz und Eigentum, uns angehörig und zugehörig. Die Schöpfung,
welche an sich nur befähigt ist, dienend und gehorsam das Grund-
gesetz jeder Schöpfung hinzunehmen und zu erfüllen, wird im Gott-
menschen ihr eigener Grund und Endzweck, ihre freie Selbsttätigkeit
erhebt sich von der bereitwilligen Hingabe an das höchste Gut durch
Benutzung der empfangenen Gnadenkräfte dazu, daß sie selbst die
übernatürliche Ordnung, ihr Gesetz und die Gnadenkraft dazu selbst-
tätig begründet, im Gottmenschen wird die Schöpfung selbst zum End-
zweck, sie gibt sich selbst ihr höchstes Grundgesetz und die Gnaden-
kraft zu dessen allgemeiner Erfüllung. Durch die Menschwerdung
wird selbst das, was Gottes Vorrecht ist, Gnadenspender, Gesetz und
Endzweck der Welt zu sein, in denkbar höchstem Sinne die Errungen-
schaft der geschöpflichen (gottmenschlichen) Selbstbetätigung. Das aber
ist das Grundgesetz, welches aus allen Zügen der tatsächlichen Welt-
gestaltung spricht: Was das Geschenk von Gottes freier Gnade ist, soll
so gut als möglich auch die Errungenschaft der geschöpflichen Selbst-
tätigkeit sein. Dieses Grundgesetzes höchste Erfüllung ist die Mensch-
werdung Gottes“ (H. Schell, a. a. O., S. 23).

Viertes Kapitel

Problematik des Ratschlusses der Menschwerdung

I. Notwendigkeit der Menschwerdung?


Drei Fragen knüpfen sich noch an die Menschwerdung des
Gottessohnes.
Die erste betrifft das Verhältnis von Sünde und Genugtuung.
In der mittelalterlichen Theologie wurde seit Anselm von Canterbury
das Problem erörtert, ob der Menschwerdung nicht eine gewisse Not-
wendigkeit innewohnt. Man sagt: Unter der Voraussetzung, daß Gott
eine ebenbürtige Genugtuung für die Sünde fordere, sei die Mensch-
werdung notwendig gewesen. Die Schwere der in der Sünde liegenden
Beleidigung bemesse sich nach der Würde des Beleidigten. Deshalb
schließe die Sünde eine unendliche Beleidigung in sich. Eine voll-
70 Gott-Sohn der Erlöser der Menschen § 142

wertige Genugtuung müsse daher unendlich sein. Eine solche könne


aber kein Geschöpf, sondern bloß ein Gottmensch leisten.
Johannes Duns Scotus erhob gegen diese Anschauung den kaum
widerlegbaren Einwand, daß die Sünde nicht ihrem innersten
Wesen nach, sondern nur ihrer Zielsetzung nach eine unendliche
Beleidigung sei; ihrem Wesen nach sei sie eine endliche Beleidigung.
Der endliche Mensch sei ja viel zu klein, als daß er Unendliches tun
könnte. Weil die Sünde ihrem Wesen nach eine endliche Beleidigung
sei, deshalb könne auch ein endliches Gut ihren Unwert ebenbürtig
aufwiegen. Gott hätte ein sündiges Geschöpf in eine übernatürliche
Daseinsweise erheben können. Dies wäre dann ausgerüstet gewesen,
um Werke solcher Gottesliebe zu vollziehen, die eine vollwertige, eben-
bürtige Wiedergutmachung der Sünde bedeutet hätten. Diese Werke
wären in sich ebenso endlich gewesen wie die Sünde, ihrem Ziel-
punkte nach aber ebenso unendlich wie die Sünde. Die Menschwer-
dung war nach dieser Erklärung nur nötig, wenn Gott seine Erlöser-
liebe in so überströmender Weise kundtun wollte, wie es tatsächlich
in Christus geschah.
Man kann gegen Anselms Lehre wohl noch ein anderes Bedenken
erheben. Ihr liegt die Anschauung zugrunde, daß die Sünde vor allem
eine Störung der Rechtsordnung ist. Soll hierfür eine vollwertige
Sühne geleistet und die Rechtsordnung wiederhergestellt werden, dann
mußte diese von einem Gottmenschen vollzogen werden. Die Väter
vertraten auch die Anschauung, daß die Sünde eine Störung der Seins-
ordnung bewirkt. Diese wird sichtbar im Tode. Erlösung bedeutet
daher nicht nur Versöhnung der durch die Sünde beleidigten gött-
lichen Majestät, sondern auch Befreiung von der Herrschaft des Todes.
Gott selbst hat in seiner unendlichen Liebe dieses Befreiungswerk
unternommen. Man wird sagen dürfen, daß die Sünde sowohl die
Seinsordnung als auch die Rechtsordnung stört, daß sie die von Gott
gesetzte, sein Sein spiegelnde und daher rechte und gerechte Seins-
ordnung verkehrt.

II. Zusammenhang von Menschwerdung und Erlösung

Die zweite Frage lautet: Hat Gott die Menschwerdung beschlossen


in Voraussicht der Sünde, oder hat er die Sünde zugelassen unter der
Voraussetzung der Menschwerdung? Man kann auch so fragen: Wäre
der Sohn Gottes auch ohne Sündenfall Mensch geworden? Ist die Er-
lösung von der Sünde der einzige Zweck und Sinn der Menschwerdung?
§ 142 Problematik des Ratschlusses der Menschwerdung 71

In den Symbolen der Kirche und in der Schrift wird einstimmig


gesagt, daß der Gottessohn um unseres Heiles willen die menschliche
Natur annahm (vgl. das Nicänische Glaubensbekenntnis). Er kam, um
die Sünder zur Umkehr zu rufen (Lk 5, 32), um zu suchen und zu
retten, was verloren war (Lk 19, 10), damit die Welt gerettet werde
(Jo 3, 17), um die Sünder zu retten (1 Tim 1, 15). Auch die Väter
scheinen so zu denken.
Auf Grund dieser und anderer Schrifttexte sind Thomas von
Aquin, Bonaventura und die Mehrzahl der späteren Theologen der
Meinung, daß der einzige Grund der Menschwerdung die Erlösung sei.
Was Gott ohne Sündenfall beschlossen hätte, wüßten wir nicht. Dem-
gegenüber lehrt Johannes Duns Scotus im Anschluß an den Mystiker
Rupert von Deutz, an Alexander von Hales bzw. die Summa Hale-
siana, Albert den Großen u. a., daß die Menschwerdung zum ursprüng-
lichen Schöpfungsplan Gottes gehörte. Sie wäre erfolgt auch ohne
Sündenfall. Später wurde diese Anschauung von den Skotisten, von
Franz von Sales, Fr. Suarez, J. M. Scheeben und H. Schell vertreten.
Diese können folgendes für sich anführen. Die von den Thomisten
angeführten Schrifttexte reden von der tatsächlichen, durch die Sünde
bedingten Heilsordnung. Da ist es wirklich eine Aufgabe des mensch-
gewordenen Gottessohnes, alles auf Erden und alles im Himmel zu
versöhnen, indem er durch sein Blut Frieden stiftet (Kol 1, 20).
In diesen Texten gibt uns indes der durch sie redende Heilige
Geist nicht Aufschluß über unsere Frage. Das tut er aber in anderen.
Man darf diese gleich anzuführenden Schriftworte nicht zugunsten
einer bestimmten Auslegung der vorher erwähnten übersehen. Nach
Hebr 2, 10 ist das All um Christi willen geschaffen; durch ihn ist es.
Nach Kol 1, 15 ff. ist alles durch Christus und für ihn erschaffen. Er
steht an der Spitze des Alls. In ihm hat es seinen Bestand. Christus
ist der Erstgeborene der Schöpfung. Diese Stelle sagt offenkundig,
daß Christus der erste Schöpfungsgedanke Gottes war. Alles andere
ist auf ihn hin geschaffen. Alle anderen Dinge hat Gott ausgedacht
und beschlossen um Christi willen. Nach Kol 1, 18ff. hat Gott (in
Voraussicht der Sünde) durch die von Anfang an bedingungslos be-
schlossene Menschwerdung Himmel und Erde wieder versöhnen wol-
len. Dies kam also als neue Aufgabe hinzu (siehe Eph 1, 1—12). Chri-
stus ist da zugleich Grund und Krone der ganzen Schöpfung. Läßt sich
denken, daß Gott der Schöpfung ihre Krone und ihren Grund erst in
Voraussicht der Sünde gab, daß also die Welt grundlos und ungekrönt
72 Gott-Sohn der Erlöser der Menschen S 142

geblieben wäre, wenn die Sünde nicht geschehen wäre? (Näheres


Bd. I § 103).
In der Richtung der Schriftlehre liegt die theologische Überlegung
der Skotisten: Die Menschwerdung ist das Endziel der Schöpfung,
insofern die Gesamtheit der Geschöpfe in möglichst großer Vollkom-
menheit an der gottmenschlichen Einigung teilnehmen soll. Diese
Bedeutung kommt der Menschwerdung auch unabhängig von ihrer
erlöserischen Aufgabe zu. Das deutet darauf hin, daß sie von Gott
nicht in Voraussicht der Sünde beschlossen wurde. Ferner ist die
Menschwerdung etwas zu Großes, als daß sie die einfache Folge der
Sünde sein könnte. Es wäre ein der göttlichen Weisheit widerspre-
chendes Mißverhältnis zwischen Mittel und Zweck, wenn Gott um der
Vernichtung der Sünde willen ein so großes Werk vollbrächte. Zudem
würde dann das größte Werk Gottes um der Sünde willen gewollt
sein. Gott tut aber nicht das Gute um des Bösen willen, sondern läßt
das Böse um des Guten willen zu. Die gegenteilige Vorstellung würde
dem Bösen einen zu hohen Rang beimessen. Das Erstgewollte kann
nicht das Böse, sondern nur das Gute sein. Nicht das Gute steht im
Dienste des Bösen, sondern das Böse dient dem Guten. Also ist zuerst
die Menschwerdung gewollt und die Zulassung der Sünde ist bedingt
durch den Ratschluß der Menschwerdung. Nur weil Gott voraussah,
daß eine Stunde kommt, in welcher ihm von der Erde eine Liebes-
flamme entgegenschlägt, in deren Glut jeder Trotz und jede Empö-
rung, jeder Haß und jede Untreue verbrennt, ließ er das Böse zu.
Wenn Augustinus von einer felix culpa, von einer glückhaften Schuld
spricht, so bedeutet das nicht, daß die Sünde der Anlaß des be-
glückenden Ereignisses der Menschwerdung war, sondern daß die
Sünde durch die unabhängig von ihr beschlossene Menschwerdung
eine überreiche, ja überfließende Heilung fand (vgl. Bd. II 1, § 109).

II. Die Angemessenheit der Menschwerdung für den Sohn

Die Menschwerdung wurde vom dreipersönlichen Gott beschlos-


sen (vgl. Bd. I § 49). Daß gerade der Sohn Gottes die menschliche
Natur annahm, lag nicht daran, daß er eine nähere oder innigere Be-
ziehung zur Schöpfung hatte als die beiden anderen Personen. Alle
drei Personen stehen der Schöpfung gleich nahe und gleich ferne.
Der Vater und der Heilige Geist hätten, absolut gesprochen, an sich
die menschliche Natur ebenso annehmen können wie der Sohn. Auch
S 143 Die Vorbereitung der Menschwerdung 73

sie hätten sich ebenso wie der Sohn zur Schöpfung herablassen und
die Schöpfung zu sich in die Existenzeinheit hinaufziehen können.
Daß jedoch der Sohn die menschliche Natur annahm, war aus
folgenden Gründen angemessen: Die Menschwerdung sollte eine
Offenbarung der göttlichen Herrlichkeit sein. Nun spricht der Vater
seine Herrlichkeit aus im Sohn, seinem personhaften Gedanken, Wort
und Bild. Ferner sollte die Menschwerdung darauf abzielen, die im
Menschen zerstörte Gotteskindschaft und Gottbildlichkeit wieder her-
zustellen. Das zweite Ich im dreipersönlichen göttlichen Leben aber
ist Sohn und Gleichbild des Vaters. Indem wir an seinem Leben
Teil gewinnen, werden wir daher selbst Gleichbilder und Kinder des
Vaters. Was also unter rein metaphysischen Aspekten möglich wäre,
würde die heilsgeschichtliche Dimension verdunkeln (siehe SS 49, 55).

8 143
Die Vorbereitung der Menschwerdung

Vorbemerkung

Ein zentrales Element der alttestamentlichen Heilserwartung ist


die Hoffnung, daß Gott selbst als Nothelfer, als Retterkönig kommen
werde. Gott ist es, der die Erlösung von Ewigkeit her beschlossen, am
Anfang der menschlichen Geschichte verheißen, in vielfältigen Ver-
anstaltungen vorbereitet und zur vorbestimmten Stunde vollzogen hat.
Paulus preist Gott ob dieses aus der Ewigkeit kommenden Geheim-
nisses so: „Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus!
Er hat uns in Christus mit allem geistlichen Segen im Himmel ge-
segnet. Schon vor Erschaffung der Welt hat er uns in ihm auserwählt,
daß wir heilig und untadelig vor ihm seien. Aus Liebe hat er uns nach
seinem freien Willensentschluß durch Jesus Christus zu seinen Kin-
dern vorherbestimmt — zum Preis der Herrlichkeit seiner Gnade, die
er uns so reichlich geschenkt hat in seinem geliebten Sohne. In ihm
besitzen wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden
dank dem Reichtum seiner Gnade, die er samt aller Weisheit und
Einsicht auf uns überströmen ließ. Er tat uns das Geheimnis seines
Willens kund. Dahin ging nämlich der Ratschluß, den er gefaßt hatte,
um ihn in der Fülle der Zeiten auszuführen: alles im Himmel und auf
Erden in Christus als dem Haupte zusammenzufassen. In ihm sind wir
zum Erbe berufen. Dazu wurden wir vorherbestimmt nach dem Plane
74 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluß seines Willens. Nun sollen
wir zum Lobe seiner Herrlichkeit dienen, die wir schon längst unsere
Hoffnung auf Christus gesetzt haben“ (Eph 1, 3—12). Die Ausführung
des ewigen göttlichen Haushaltsplanes geschah in Christus Jesus. Die
Tat, in der Gott sich in Christus Jesus innerhalb der menschlichen
Geschichte gegenwärtig setzte, wurde durch viele Jahrhunderte hin-
durch vorbereitet. Bei der Tragweite, die sie für die menschliche Ge-
schichte, näherhin für das Heil der Menschen hat, ist es begreiflich, daß
sie einer langen und gründlichen Vorbereitung bedurfte. Wir können
zwei Arten von Vorbereitung unterscheiden, eine innerhalb der Heils-
geschichte durch das übernatürliche Eingreifen Gottes und eine außer-
halb der Heilsgeschichte durch den natürlichen Gang der Weltge-
schichte (wenngleich auch sie, wie das Protoevangelium zeigt, im Lichte
einer übernatürlichen Uroffenbarung stand und daher nicht ohne
Gnade war).
Letztlich wird, wie mehrfach betont wurde, auch am Wesens-
kern der vorbiblischen und außerbiblischen Religionen deutlich, daß
die Menschen vom Anfang ihrer Geschichte an in Gottes Heilssorge
standen und nie aus ihr entlassen wurden (vgl. Bd. I § 1 sowie diesen
Band S. 105 ff.).

Erstes Kapitel
Die Vorbereitung der Erlösung im AT

I. Der vorläuferische Charakter des Alten Bundes

Was immer Gott vor Christus an Heilstaten vollbrachte: es war


Vorgeschichte Christi. Es hatte also vorläuferische Bedeutung.
Gott hat sich auch vor Christus irdischer Beauftragter für den
Vollzug seiner Heilspläne bedient. Denn sein Rettungswerk geschieht
in geschichtsmächtigem Handeln. Sein Heilswille zielt auf Verwirk-
lichung in den konkreten geschichtlichen Unheilssituationen der
Menschheit. Sein „Verwirklichungswille“ (M. Buber, Königtum Gottes,
Berlin 1932) äußert sich in mannigfachen Weisen.
Er entfaltet sich von der Urverheißung (Protoevangelium) über
die Bundesschließungen und die Schaffung eines Gottesvolkes, das die
Gottesherrschaft durch die Zeiten tragen und so selbst das Heil emp-
fangen und zugleich anderen vermitteln soll, und über die Propheten
hin zu Christus.
8 143 Die Vorbereitung der Erlösung im AT 75

A. Der noachitischeBund

Die wichtigsten Stufen der Vorbereitung Christi sind der noa-


chitische und der abrahamitische Bund; der letztere wurde neu be-
gründet, bestätigt und vollendet durch die Berufung des Moses. In den
Bundesschließungen traten Gott und Mensch nicht als gleichgeordnete
und gleichberechtigte Partner einander gegenüber. Vielmehr lag die
Initiative bei Gott. Er berief das Volk, mit dem er den Bund schließen
wollte, und setzte die Bundesordnung fest. Er ist der Bundesherr. Der
Bund ist eine Verfügung Gottes. Er ist unverdiente Gnade. Der Bund
schließt eine große Verheißung in sich: das Heil der Völker. Diese von
Gott ein für allemal gegebene Verheißung wird nie mehr zurückge-
nommen. Der Bund bleibt bestehen, weil er von Gott und nicht vom
Menschen gegeben ist. Der Mensch kann ihn durch die Auflehnung
gegen den himmlischen Bundesherrn nicht zerstören. Seine Empörung
hindert die Heilswirksamkeit des Bundes, hebt aber nicht seine
Rechtsgültigkeit auf. Daher kann sich der Empörer, indem er sich be-
kehrt, immer wieder zur Bundesordnung und damit zum Heile zu-
rückwenden. So ist im Bunde ein zweifaches Moment gegeben: ein-
mal der durch alle Wirren der Geschichte hindurch zum Ziele kom-
mende Heilswille Gottes, sodann das durch die menschliche Bundes-
brüchigkeit und Treulosigkeit heraufbeschworene Gericht. (Eine säku-
larisierte und einseitige Betonung des ersten Momentes dürfen wir in
dem marxistischen Fortschrittsglauben sehen, nach welchem sich die
Geschichte durch alle Rückschläge und Katastrophen hindurch mit
Sicherheit zum innerweltlichen Glück der Menschheit entfaltet; eine
säkularisierte und einseitige Betonung des zweiten Momentes begeg-
net uns im zeitgenössischen Pessimismus der Existenzialisten.)
Der noachitische Bund kann in einem gewissen Sinne als Aus-
druck der Naturreligion, eines zwar von Gott gewirkten, aber im Be-
reiche der Natur sich vollziehenden Verhältnisses zwischen Gott und
Mensch bezeichnet werden. Nach der Sintflut gibt Gott die Verheißung:
„Ich will die Erde nicht mehr um des Menschen willen verfluchen.
Wenn auch das Sinnen des Menschenherzens böse ist von Jugend auf,
so will ich doch nicht mehr alle Lebewesen vertilgen, wie ich es getan
habe. Fortan sollen, solange die Erde steht, Saat und Ernte, Frost und
Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht nicht mehr aufhören“ (Gn
8, 21 f.). Gott sichert mit diesen Worten dem Menschen einen gedeih-
lichen Naturverlauf zu. Der Mensch weiß hinfort, daß er es Gottes
Güte zu verdanken hat, wenn die Natur ihm gewährt, wessen er be-
76 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

darf. Zeichen dessen soll der Regenbogen sein. Das Neue Testament
greift diese Verheißung Gottes auf, wenn Paulus in Lystra verkündet:
„In den vergangenen Zeiten ließ Gott alle Völker ihre eigenen Wege
gehen. Gleichwohl hat er sich nicht unbezeugt gelassen. Er spendete
Wohltaten; vom Himmel gibt er Regen und fruchtbare Zeiten, er
schenkt euch Nahrung und erfüllt eure Herzen mit Frohsinn“ (Apg
14, 16 f.; vgl. Bom 1, 20).

B: DerAbrahams-Bund

Mit dem abrahamitischen Bunde beginnt die geschichtliche Reli-


gion im eigentlichen und strengen Sinne. Das geschichtliche Moment
fehlt zwar auch im noachitischen Bunde nicht völlig, da ja Gott in die
menschliche Geschichte eingreift. Aber es bekommt erst im Abrahams-
bund eine prägende Kraft. Denn dieser enthält die Verheißung eines
neuen Landes, einer großen Nachkommenschaft und des Heiles aller
Völker, die Verheißung also eines bestimmten, durch die Geschichte
hindurch zu erreichenden Zieles. Mit der Berufung Abrahams wird
die ganze Heilszeit, die von Abraham bis zur zweiten Ankunft Christi
dauert, eingeleitet. Mit ihr wird die Geschichte Israels, die Geschichte
Jesu Christi, die Geschichte der Kirche grundgelegt. Wir leben immer
noch in jener Hoffnung, die Gott Abraham erweckte, in der Hoffnung
auf das neue Land, den „Neuen Himmel“ und die „Neue Erde“ (Is
65, 17—25; Offb 21, 1ff.; siehe Bd. IV 2) und auf die Rettung der
Völker. Während jedoch Abrahams Hoffnung sich auf Gottes Wort
stützte, kann sich unsere Hoffnung auf die Wirklichkeit stützen, die
in Jesus Christus schon erschienen ist.
Die Berufung Abrahams bedeutete einen Bruch mit seinem bis-
herigen Leben, wohl auch mit seinem religiösen, sofern man anneh-
men darf, daß Abraham bis zu seiner Berufung an dem religiösen
Kult seines Landes teilgenommen hat, und den Beginn eines neuen
Daseins, auch im religiösen Bereich, insofern er nun dem wahren und
lebendigen Gott gehorsam wurde. (Das hat auch Mohammed gesehen,
als er den Monotheismus auf Abraham gründete: Koran, Sure 31.)
Durch die Heilige Schrift wird jedoch hinreichend bezeugt, daß
auch ein gewisser Zusammenhang zwischen der bisherigen Religion
Abrahams und seinem neuen Glauben an den lebendigen Gott bestand.
Diesen Zusammenhang aufzuweisen, ist wohl auch eine Aufgabe,
welche die Begegnung Abrahams mit dem geheimnisvollen Priester-
§ 143 Die Vorbereitung der Erlösung im AT 77

könig Melchisedech von Salem erfüllen soll. In Melchisedech wer-


den wir wohl einen Vertreter der alten, durch den Abrahamsbund
überholten noachitischen „Naturreligion“ sehen dürfen. Während frei-
lich sonst überall die alte reine Verbundenheit der Menschen mit Gott,
wie sie im noachitischen Bunde hergestellt wurde, in Naturvergöt-
zung entartete (Röm 1, 23), hat sie in Melchisedech noch einen lau-
teren Träger gehabt. Auffallend ist, daß Melchisedech im Hebräer-
brief über Abraham gestellt wird, insofern sein Priestertum ein uni-
verselles und daher jenem Christi ähnlicher ist als das Priestertum des
alttestamentlichen Gottesvolkes (Hebr 7, 7—20). Zwar sollte auch
Abrahams Berufung dem Heile aller Völker dienen. Aber zunächst
wurden er und die von ihm zu erzeugende Nachkommenschaft aus der
Gemeinschaft der übrigen Völker abgesondert, damit so die Heiligkeit
und Größe Gottes einerseits, die menschliche Sünde und Verlorenheit
andererseits betont wurde.
In Melchisedech also begegnet die noch nicht durch die mensch-
liche Selbstherrlichkeit entartete Naturreligion auf Antrieb des Heiligen
Geistes der geschichtlichen Religion, deren Träger Abraham war. Es ist
von grundsätzlicher Bedeutung, wie die erste der zweiten gegenüber-
tritt. Die „Naturreligion“ kann mit Berufung auf ihren eigenen Offen-
barungscharakter der geschichtlichen Religion die Anerkennung ver-
weigern. Das war im allgemeinen die Haltung der außerbiblischen
Religionen. Eine andere Möglichkeit der Begegnung besteht darin,
daß die Naturreligion sich als Vorläuferin des Abrahamglaubens be-
trachtet und daher aus der menschlichen Geschichte zurücktritt, wenn
dieser erscheint, oder vielmehr in ihn eingeht und in ihm aufgeht.
Melchisedech hat Abraham im Namen Gottes begrüßt, die alte Reli-
gion hat dem neuen Glauben Anerkennung zuteil werden lassen. Ja,
sie hat ihm im Opfer von Brot und Wein ihre Gaben zur Verfügung
gestellt. Der neue Glaube hat die alte Religion erfüllt, in sich aufge-
nommen und so überholt.

II. Der Zweck der Vorbereitung

Der Zweck, den Gott mit der Vorbereitung der Menschwerdung


erreichen wollte, war die Erziehung der Menschheit auf Christus hin.
Die Menschheit sollte sich an Gottes Gegenwart in ihrer Mitte, an sein
Denken und Wollen schrittweise gewöhnen, bis sie fähig war, Gott
selbst aufzunehmen. Als sie hierfür reif war, erschien der Sohn Gottes
in der menschlichen Geschichte. I r en äus (Gegen die Häresien 4, 14,
78 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

2; BKV II 40f) sagt hierzu: „So hat Gott auch im Anfange wegen
seiner Güte den Menschen erschaffen, die Patriarchen auserwählt, um
sie zu retten, dann das Volk erzogen und das ungelehrige gelehrt, Gott
zu folgen, alsdann auf Erden die Propheten vorgebildet, indem er den
Menschen daran gewöhnte, seinen Geist zu tragen und die Gemein-
schaft mit Gott zu erhalten. Er bedurfte ja niemandens, aber denen,
die seiner bedurften, schenkte er seine Gesellschaft, und denen, welche
ihm gefielen, zeigte er wie ein Baumeister den Plan der Erlösung. Ohne
daß sie es sahen, führte er sie in Ägypten, gab denen, die ruhelos in
der Wüste umherzogen, das passendste Gesetz und denen, die in das
gute Land einzogen, das schöne Erbe. Denen, die zum Vater zurück-
kehren, »schlachtet er das Mastkalb und schenkt ihnen das beste
Kleid«, und führt auf vielerlei Weise das menschliche Geschlecht zu
dem einen Heil. ... Wahrhaftig, viele Wege hat der Geist, und reich
und groß ist der Vater. Und alle diese legte das Wort zurück, nützte
neidlos allen, die sich ihm unterwarfen, und gab jeglicher Kreatur das
passende und geziemende Gesetz.“

II. Die Fülle der Zeiten

So ist Christus die Fülle der Zeiten, insofern er das Ziel der
Zeiten ist und insofern er die Zeit mit dem Heile, mit der Herrlichkeit
Gottes erfüllt (Eph 1, 10. 23; Gal 4, 4).

A. Christus das Ziel der Zeiten


Christus ist das Ziel der Zeiten. Alle vorausgehenden Offen-
barungen haben über sich hinausgewiesen auf die in Christus ge-
schehene Offenbarung. Alle haben ihn gemeint. Er faßt denn auch
alle vorausgehenden zusammen und offenbart ihren letzten Sinn, so
daß sie erst von ihm her ganz verstanden werden können. „Vielfach
und vielartig hat Gott vormals zu den Vätern durch die Propheten
geredet, jetzt, am Ende der Tage, hat er zu uns durch seinen Sohn
geredet“ (Hebr 1, 1f.).

Die für die Christologie wichtigen Genealogien je am Anfang des


Matthäus- und des Lukas-Evangeliums haben auch den Sinn, Christus
als das Ziel der durch die Jahrhunderte hin sich bewegenden Selbst-
erschließung Gottes, die Kontinuität zwischen dem Alten und dem
Neuen Bund zu zeigen. Die Gestalten, die darin genannt werden,
8 143 Die Vorbereitung der Erlösung im AT 79

schreiten wie die Propheten an den mittelalterlichen Kirchenportalen


in einer großen Prozession Christus entgegen. Irenäus sagt von
der Bedeutung der Stammbäume: „Lukas zeigt, daß die Geschlechter-
reihe, welche von der Generation des Herrn bis zu Adam zurückführt,
72 Generationen umfaßt. Er verbindet so das Ende mit dem Anfang
und bezeugt, daß der Herr es ist, der alle Völker, die von Adam an
sich über die Erde zerstreut haben, und alle Sprachen und die mensch-
lichen Geschlechter mitsamt Adam in sich selbst zusammenfaßt“ (Ad-
versus haereses II, 22, 3).
Christus ist der durch das ganze Alte Testament hindurch Er-
wartete. Im Alten Testament ist von ihm die Rede, wie man von einem
Kommenden spricht. Das Alte Testament ist auch die Vorgeschichte
Christi, in der sich die Züge seines Lebens schon irgendwie abzeichnen.
Seine Gestalt wirft ihren Schatten im Alten Testament voraus, in einer
seltsamen Umkehrung des griechischen Exemplarismus und des natür-
lichen Denkens, das nur den Schatten eines schon Seienden kennt.
Hier ist die Morgenröte der Widerschein des Tages. Das AT ist Vor-
ausstrahlen des Evangeliums (Hebr 10, 1; 8, 5; Röm 5, 14; Gal 3, 16;
1 Kor 10, 6; Kol 2, 17). Demgemäß ist das ganze Alte Testament ein
prophetisches Buch, dessen Worte und Zeichen ihre Erfüllung in
Christus finden.

B. Christus verheißen im Wort

Zunächst soll von den prophetischen Worten gehandelt werden.


Hiervon legt das Neue Testament nicht nur an einzelnen Stellen, son-
dern durchgängig Zeugnis ab. Im Matthäus-Evangelium, im Jakobus-
brief und im Hebräerbrief ist dieser Gedanke geradezu der Leitfaden
der Darstellung. Das Alte Testament hat Christus und sein Königtum
angekündigt.
1. Die synoptischen Evangelien
Dieser Sachverhalt beherrscht die synoptischen Schriften und
die Apostelgeschichte. Nach Markus mußte geschehen, was an Chri-
stus geschah, damit die Schrift erfüllt werde (Mk 14, 19; 15, 28). Bei
Lukas lesen wir ein Wort aus dem Munde Marias, nach welchem sich
in der Menschwerdung das Erbarmen Gottes auswirkt, das er an den
Vätern von Abraham an bekundet hat (Lk 1, 54). In Christus ist er-
schienen, was viele Propheten und Könige zu sehen begehrt haben,
ohne es zu sehen (Lk 10, 24). Den Emmaus-Jüngern eröffnet Christus
80 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

selbst die Schrift, indem er ihnen, anhebend bei Moses und allen Pro-
pheten, aufzeigte, daß die Schrift in allem, was sie sagte, von ihm
gesprochen hat, und ihnen nachwies, daß Christus nach den Worten
der Propheten solches leiden mußte, um in seine Herrlichkeit ein-
zugehen (Lk 24, 25—32). Der Weg, den Christus ging, ist von Anfang
an in der Schrift vorgezeichnet (Lk 22, 37). Der Menschensohn geht
dahin, wie geschrieben steht (Mt 14, 21). Wenn die Juden den Pro-
pheten glaubten, den Zeugen der Offenbarung Gottes, dann müßten
sie auch zum Glauben an ihn kommen (Lk 24, 25—32). Auch nach
der Apostelgeschichte sind es die Propheten, welche bezeugen, daß,
wer an Christus glaubt, Verzeihung der Sünden empfängt (Apg 10, 43).
Paulus kann sich dem König Agrippa gegenüber verteidigen mit der
Behauptung, daß er nichts anderes sagte, als das, wovon die Propheten
bezeugten, daß es geschehen werde (Apg 26, 2; vgl. 17, 2; 28, 23).
Petrus verkündete in seiner Pfingstpredigt, daß die Propheten sowohl
die irdischen Lebenstage des Herrn, als auch sein Wiederkommen ge-
weissagt hätten (Apg 3, 19—25). Die Kinder der Propheten und des
Bundes verraten also ihre eigene Sache, wenn sie Christus ablehnen.
Sie bekennen sich zu ihrer eigenen von Gott gestifteten Geschichte,
wenn sie sich zu Christus bekennen.

2. Das Johannesevangelium

Nicht anders steht es bei Johannes. Die Jünger erkennen in


Christus den Messias, von welchem Moses und die Propheten ge-
schrieben haben (Jo 1, 41. 45). Christus selbst beansprucht, daß er
derjenige ist, von dem die Schrift Zeugnis ablegt (Jo 5, 39). Deshalb
wird auch Moses die ungläubigen Juden vor Gott verklagen. Wenn sie
Moses glaubten, würden sie auch ihm glauben. Denn von ihm hat
jener geschrieben (Jo 5, 45 ff.). Von ihm hat Isaias gesprochen (Jo
12, 41). Weil von Abraham der Messias abstammen sollte, hat dieser
gejubelt, als er den Tag des Messias sah (Jo 7, 25).

3. Paulus

Paulus bezeugt den Römern, daß Gott seine in Christus uns


gewordene Frohbotschaft durch die Propheten vorher verkünden ließ
(Röm 1, 2). Das Gesetz und die Propheten haben das Heil bezeugt
(Röm 3, 21). Christus ist das Ziel des Gesetzes (Röm 10, 4). Das Gesetz
ist daher der Erzieher, ja der „Zuchtmeister“ auf Christus hin (Gal 3,
§ 143 Die Vorbereitung der Erlösung im AT 81

19. 24). Es leistet diese Aufgabe, indem es das Bewußtsein der Sünde
und der Ohnmacht und die Sehnsucht und Bereitschaft für den von
Gott verheißenen Messias wachhält. Es ist ein ständiges Mahnmal an
die Herrscherrechte Gottes und zugleich an seine erbarmende Güte,
weil es eben jene Forderungen kundtut, die erfüllt werden müssen,
damit das Leben nicht vom Tod verschlungen wird, damit der Tod
überwunden wird. Im Gesetz heischt Gott Gehorsam. Aber es ist ein
Gehorsam zum Heil. Wer diesen Gehorsam leistet, versinkt nicht in die
Abgründe der Unehre und Schande, der Gewissensqual und der Zer-
rissenheit. Das Gesetz ist zum Heile gegeben. Es ist daher die Freude
des Frommen (Ps 119, 14. 31; Ps 1, 2). Freilich es ist auch eine Last,
so wie alle Gnaden Gottes auch Lasten sind. Es erinnert den Menschen
an die Heiligkeit Gottes und an seine eigene Unheiligkeit. Es weckt in
ihm das Erlebnis der Herrscherwürde Gottes und seines eigenen Un-
gehorsams. Es ist zur Bewährung gegeben (Dt 13, 4; 8, 2). Aber ebenso
ist es auch eine ununterbrochene Gelegenheit zu versagen, der eigenen
Unzulänglichkeit bewußt zu werden. Es weckt immer wieder aus dem
Schlaf der Sünde auf. Es hält die Gewissen in Unruhe und treibt sie
immer wieder hin zu Gott, der Heiligung und Heil verheißen hat. So
ist das Gesetz eine Anstalt des Heiles, weil es Auge und Herz zwingt,
auf die eigene Sündhaftigkeit hinzublicken und von da weg wieder
auf Gott, wo Heil und Gerechtigkeit ihre Heimat haben. Christus ist
die Bestätigung der den Vätern gegebenen Verheißungen (Röm 15, 8).
„Alle Verheißungen Gottes finden durch Christus ihr Ja; darum schallt
auch durch ihn das Amen, Gott zum Preise“ (2 Kor 1, 20). Das Alte
Testament ist letztlich um unseretwillen, um der Kirche willen ge-
schrieben, für unsere Zeit, in der die Weltzeit ihr Ziel erreicht hat
(1 Kor 10, 11; vgl. 9, 9 £.; Bom 4, 23 f.). Das Alte Testament kann daher
nur von Christus her richtig verstanden werden. Nur für jene ist es
ein Buch des Lebens, welche es als Christus-Zeugnis begreifen (Jo 5,
39). Über dem Herzen des jüdischen Volkes liegt, wie Paulus sagt,
eine Decke. Darum kann es den Sinn seiner eigenen heiligen Schrift
nicht erfassen. Es versteht sich selbst nicht, indem es seine eigene gott-
gestiftete Geschichte nicht versteht. Wer das Alte Testament von
Christus loslöst, muß es falsch verstehen und zu einem Mythus unter
anderen Mythen verkehren (2 Kor 3, 13 ff.).

6 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


82 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

4. Petrus

Zusammengefaßt wird alles 1 Petr 1, 10ff.: „Die Propheten haben


nach der Seligkeit (welche das Ziel des Glaubens ist) gefragt und
geforscht. Sie haben von der Gnade, welche euch gewährt wurde,
geweissagt. Sie haben die Zeit und die Umstände, auf welche der in
ihnen wohnenden Geist hindeutete, erforscht, indem er ihnen im vor-
aus die Leiden Christi und die auf sie folgende Herrlichkeit bezeugte.
Sie empfingen aber die Offenbarung nicht für sich selbst, sondern
zur Mitteilung an euch, die Offenbarung, die euch jetzt durch jene
verkündet wird, welche euch in der Kraft des vom Himmel gesandten
Heiligen Geistes die Heilsbotschaft predigten.“ L a k ta n z kann daher
erklären: „Es gibt eigentlich nicht zwei Testamente; denn das Neue
ist ja nur die Erfüllung des Alten, und beide legen vom gleichen
Christus Zeugnis ab“ (Institutiones div. 4. Buch, 20. Abschn., Nr. 5).

C. Christus vorentworfen in Gestalten und Geschehnissen

1. Allgemeines
Wie das Alte Testament im Wort auf Christus hindeutet, so
tragen auch seine Gestalten und seine Geschehnisse Verheißungscha-
rakter. Augustinus sagt vom Alten Testament: „In der Wirklich-
keit selbst, in den Geschehnissen, nicht nur im Wort müssen wir das
Mysterium des Herrn suchen“ (In ps. 68, s. 2 n. 6). Ähnlich äußert sich
der deutsche Theologe Rupert von Deutz in der Frühscholastik „Die
Geschehnisse sind voll von prophetischen Geheimnissen“ (PL 167,
1245 D.).

2. Einzelheiten

An Einzelheiten sei folgendes hervorgehoben:

a) Adam, Abraham und Jonas

Der Stammvater Adam ist der Typus des kommenden, des zwei-
ten Stammvaters Christus (Röm 5, 14). Er weist über sich hinaus auf
den zweiten Adam. An einer Stelle der Geschichte hat sich der Gang
zum Unheil entschieden, an einer Stelle der Geschichte wird er sich
zum Heil entscheiden (Röm 5, 12—21; 1 Kor 10, 6. 11; 15, 21f. 45. 55:
Gal 4, 22—31). Mit besonderer Ausführlichkeit hat Paulus den Ver-
heißungscharakter der Abraham-Geschichte behandelt (Gal 3; Röm 4).
§ 143 Die Vorbereitung der Erlösung im AT 83

Wenn Adam im negativen Sinn ein Vorzeichen der kommenden Gottes-


tat ist, so ist es Abraham im positiven Sinn. Er weist über sich und
über die ganze Zeit des Gesetzes hinaus auf die Rechtfertigung im Zei-
chen des Kreuzes (Gal 4, 21—31; 3, 14; 2 Kor 5, 14 f.). Ebenso ist Jonas
ein Vorzeichen des Menschensohnes (Lk 11, 29ff.; Jo 3, 14; 6, 3 ff.).
Abraham hat die „gute Botschaft“ empfangen, daß in ihm alle
Völker gesegnet sein sollen (Gal 3, 8). Dieses „Evangelium“ ist durch
Christus Wirklichkeit geworden. Denn durch ihn „soll den Völkern
der Segen Abrahams zuteil werden, damit wir den verheißenen Geist
durch den Glauben empfangen“ (Gal 3, 14). Paulus ist der Herold
dieses einen, zum ersten Male Abraham geschenkten, durch Christus
verwirklichten Evangeliums, das bis zum Ende der Zeiten verkündet
werden wird. Bei dieser Bedeutung Abrahams wird verständlich, daß
der Hebräerbrief Abraham als den Anfang und das Urbild des wahren
Glaubens sieht, daß der jüdische Theologe Philo einen seiner Trak-
tate der Auswanderung Abrahams widmete (Migratio Abrahae), daß
die Kirchenväter, z.B. Gregor von Nyssa (Contra Eunomium,
22; PG 44, 940 BD) in ihm das Vorbild der aus dieser Welt zu Gott
auswandernden Seele erblicken, daß B. Pascal, als er das Feuer der
Gegenwart Gottes erfuhr, diesen als den Gott Abrahams, Isaaks und
Jakobs bezeichnete.

b) Das alttestamentliche Priestertum und Prophetentum

Das Priestertum, das Königtum und das Prophetentum des Alten


Testamentes sind jeweils ein Vorentwurf Christi, und sie transzen-
dieren sich auf ein künftiges Priestertum, Prophetentum und König-
tum hin.
Das alttestamentliche Priestertum verwirklichte sich in vielen
Gestalten. Von jeder vorausgehenden wurde die Aufgabe der folgenden
überreicht. Ein Priester nach dem anderen sank ins Grab. Es be-
durfte immer wieder neuer Männer, die das Amt übernahmen, damit
die Gebete und Opfer um Vergebung der Sünden nie verstummten.
So ununterbrochen indes die Kette war, nie war einer in der Reihe,
der die erbetene Sündenvergebung wirklich hätte vermitteln können.
In allen Gebeten und Opfern wurde aber die Hoffnung auf eine kom-
mende Zeit wachgehalten. Christus steht am Ende der Reihe, als der
Priester, den alle vorausgehenden vorgezeichnet haben, in dem alles,
was Priester heißt, verwirklicht ist. Er hat ein vollkommenes Priester-
tum (Hebr 7. Siehe $ 155).

6*
84 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

Ebenso sind alle Propheten Vorgänger und Vorboten Christi.


Sie sind die Verkündiger des Gotteswortes, das in Christus seine Zu-
sammenfassung und seinen Höhepunkt erreicht hat (Hebr 1, 1—4).
Ihr Schicksal zeichnet sein Schicksal voraus. Ihre Leidensgeschichte ist
die Einleitung zur Passionsgeschichte Christi. Die Kinder Israels haben
die Gottesboten verspottet und ihre Worte verachtet und ihren Mut-
willen getrieben mit den Propheten (2 Chr 36, 16; vgl. 3 Kg 19, 2—18;
Ex 17, 4; 32, 9; Nm 14, 10; 17, 14; Jer 6, 10; 9, 25; 11, 19; Is 40). Sie
haben alle Propheten von Abel bis Zacharias dem Marterschicksal
überantwortet (Lk 11, 49—52). In diesen allen hat sich das Kreuz vor-
gebildet. Alles, was die Propheten von Christus im voraus dargestellt
haben, wird in Johannes dem Täufer zusammengefaßt. Wie Moses das
Gelobte Land nur von ferne schaute, so schaute Johannes nur von ferne
das Reich (Lk 7, 28; Jo 3, 27—30). Der letzte und größte Vertreter des
Alten Bundes steht von ferne und grüßt den Verheißenen und stirbt.
Er ist Vorläufer durch sein Erscheinen, durch sein Wort und durch
seinen Tod: das blutige Vorzeichen des Kreuzes am Ausgang der alt-
testamentlichen Heilsgeschichte, am Eingang der neuen Zeit. So deutet
der Täufer des Isenheimer Altars mit überlangem Finger auf den
Gekreuzigten: Er muß wachsen, ich aber abnehmen. Weil Christus
mehr ist als alle Gottesboten, wird der Kampf gegen Gott, der sich
durch die ganze Heilsgeschichte hindurchzieht, seinen Höhepunkt und
seinen höchsten Triumph erreichen in der Tötung Christi. Dann ist
jedoch Gottes Geduld erschöpft (Mk 12, 1—11; Lk 11, 50; 13, 45;
Apg 7; Hebr 11 f.; vgl. E. Stauffer, Die Theologie des Neuen Testa-
ments, München 1948, 81).

c) Das alttestamentliche Königtum und Christus

aa) Der König als Heilsgestalt


Die wichtigste Gestalt, durch die der Messias vorgebildet wird,
ist diejenige des Königs. Die Religionsgeschichte hat gezeigt, in welch
hohem Maße nach der urtümlichen Vorstellung dem König oder Her-
zog religiöse Bedeutung zukommt. Er ist die Erscheinung Gottes auf
Erden. Zugleich ist er so sehr der Repräsentant des Volkes, daß zwi-
schen ihm und dem Volke nicht immer genau unterschieden werden
kann. Deshalb ist die Sache des Königs die Sache des Volkes, der Sieg
des Königs der Sieg des Volkes, die Niederlage des Königs das Un-
glück des Volkes, sein Triumph Stolz und Zierde des Volkes. Ist der
König fromm, dann ist Gott dem Volke gnädig gesinnt. Denn in ihm
§ 143 Die Vorbereitung der Erlösung im AT 85

sind alle fromm. Ist der König gottlos, dann zieht er das Strafgericht
Gottes auf das Volk herab. Denn seine Schuld überträgt sich auf das
ganze Volk (L. Dürr, Ursprung und Ausbau der israelitisch-jüdischen
Heilandserwartung, Berlin 1925, 60 ff.).
In solchen Vorstellungen bewegten sich die Israeliten, als sie
einen König begehrten, wie die umliegenden Stämme und Völker ihn
hatten (1 Sm 8). Als Gott ihnen einen solchen gewährte, wurde er als
der Vertreter Gottes angesehen, anders freilich als die heidnischen
Könige. Die Könige Israels waren von Gott in einem besonderen Vor-
gang dem Volke gewährt worden. Sie waren daher die Gesandten, die
Beauftragten, die Dienstleute und die Amtsträger Gottes in einer aus-
gezeichneten Weise, und zwar nicht irgendeiner mythischen göttlichen
Gestalt, sondern des lebendigen und wahren Gottes Jahwe. Sie hießen
daher die Gesalbten des Herrn (1 Sm 2, 10; 12, 3; Sir 46, 19; Ps 88
[89], 39; Ps 2, 2).
Durch sie vollbrachte Gott das Heilswerk, das Vorbereitungs-
dienst war für jenes Heilswirken, das er in seinem Gesalbten Jesus
vollzog. Daher wiesen alle alttestamentlichen Könige über sich hinaus
auf Christus hin. Er war der eigentliche König und Gesalbte, den sie
alle vorbedeuteten.

bb) Der Jakobssegen


Ein Herrscher, der in der Vollmacht Gottes das Heil wirkt, wird
in den ältesten alttestamentlichen Texten verheißen. Der Patriarch
Jakob weist in dem Segen, den er vor seinem Tode über seine Söhne
spricht, dem vierten, Juda, die Führung über die anderen Stämme zu.
„Juda, du bist es, den deine Brüder preisen! Deine Hand lastet auf
dem Nacken deiner Feinde, vor dir neigen sich deines Vaters Söhne.
Ein Löwenjunges ist Juda. Vom Raubzug, mein Sohn, steigst du hin-
auf. Nun kauert er, lagert wie ein Löwe, wie eine Löwin, — wer darf
ihn aufstören! Nicht wird weichen das Szepter von Juda, noch der
Herrscherstab zwischen seinen Füßen weg, bis der kommt, dem es
(das Szepter) gebührt und dem die Völker gehorchen, der an den
Weinstock sein Eselsfüllen bindet und an die Edelrebe das Junge seiner
Eselin, der im Weine wäscht sein Kleid und in Traubenblut sein Ge-
wand, dessen Augen von Wein funkeln und dessen Zähne weiß sind
von Milch“ (Gn 49, 8—12). Die dem Stamm Juda zugesprochene Füh-
rung fiel ihm praktisch zu, als David König wurde. Der Führung des
Stammes Juda wird immerwährende Dauer zugesprochen, bis sie
durch den, dem das Szepter gebührt, eine endgültige Festigung ge-
86 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

winnen wird. Dieser Satz (Vers 10) stellt die älteste klare Stelle der
Heiligen Schrift dar, die von einem persönlichen Messias redet. Zu-
sammenhang und Texigeschichte zeigen, daß sie nicht, wie manche
Forscher nicht ohne Tendenz behaupten, spätere Interpolation, son-
dern ursprünglicher Bestand des Buches ist. Ja, sie erweckt den Ein-
druck, daß sie an noch‘ältere Hoffnungen und Vorstellungen anknüpft,
so daß die Leser sie trotz ihres dunklen Stiles verstanden haben. Für
die Endzeit also ist ein Herrscher verheißen, der das Reich Davids zu
seiner eigentlichen Sinnerfüllung führt. Seine Herrschaft wird nicht
mehr auf die Stämme Israels beschränkt sein, sondern die ganze Welt,
auch die Heidenvölker umfassen. Sie wird, wie mit den Darstellungs-
mitteln des alten Orients verheißen wird, Reichtum und Sicherheit
bringen. Der endzeitliche Retterkönig selbst wird auf dem Tiere reiten,
das der Zeit der Abfassung der Weissagung als das vornehmste galt
(Ri 5, 10; 12, 14; Zach 9, 9), das aber zugleich seine friedlichen Ab-
sichten bekundet, ihn also als Friedensfürsten kennzeichnet (Zach 9,
9; Gn 49, 11f.). Der Wein wächst in seinem Friedensreiche in einer
solchen Fülle, daß man ihn nicht wie sonst sorgsam behandelt und
vor jeder Schädigung hütet. Es wird Wein geben wie Wasser. Man
könnte ihn zum Waschen der Kleider benützen (vgl. Am 9, 13; Joel 4,
18; Is 25, 6; siehe P. Heinisch, Das Buch Genesis, Bonn 1930, 410 ff.
H. Junker, Genesis, Würzburg 1958?, 139—143 sowie L. Dürr, aa O.,
64—68).
cc) Der Bileamssegen
Einen ähnlichen Sinn hat der vierte Segen Bileams (vgl. diesen Bd.
S. 22). Schon dreimal hatte Bileam die Stämme Israels gesegnet. Der
Amalekiterkönig Balak, der ihn hatte rufen lassen, damit er die Stämme,
die drohend an seiner Grenze auftauchten, verfluche, war empört und
schickte den Unheilspropheten nach Hause. „Doch Bileam antwortete
Balak: Habe ich nicht bereits deinen Boten, die du zu mir gesandt
hast, erklärt: Gäbe mir Balak soviel Silber und Gold, als ein Haus zu
fassen vermag, so könnte ich doch nicht dem Befehl Jahwes zuwider-
handeln und von mir aus irgend etwas tun, sei es Gutes oder Böses.
Nur was Jahwe zu mir geredet, das darf ich verkünden. Da ich jetzt
aber zu meinem Volke gehe, wohlan, so will ich dir noch verkünden,
was dieses Volk deinem Volke am Ende der Tage antun wird. Und er
hob seinen Spruch an und sagte: So spricht der Mann mit verschlos-
senem Auge. So spricht der, der den Worten Gottes lauscht und des
Höchsten Gedanken kennt, der des Allmächtigen Gesichte schaut,
§ 143 Die Vorbereitung der Erlösung im AT 87

hingesunken und entschleierten Blickes: Ich sehe ihn, doch nicht


schon jetzt, ich schaue ihn, doch noch nicht nahe. Ein Stern geht auf
aus Jakob und ein Szepter erhebt sich aus Israel. Der zerschmettert
die Schläfe Moabs und richtet zugrunde alle Söhne des Kriegsgetüm-
mels. Edom wird unterworfenes Gebiet (und unterworfenes Gebiet
wird Seir), und Israel gewinnt an Macht. Einer aus Jakob herrscht
über seine Feinde und vernichtet den Überrest Seirs“ (Nm 24, 12—19;
Übers. P. Heinisch, Das Buch Numeri, Bonn 1936, 96 ff.,; siehe
H. Schneider, Numeri, Würzburg 1952, 64 ff.).
Der Prophet sieht eine Rettergestalt in der Zukunft. Sie wird als
Stern und als Szepter charakterisiert. Im alten Orient, in Babel, in
Ägypten und bei den Hetitern wurden die Herrscher vielfach mit
Gestirnen, besonders mit der Sonne verglichen. Nach Is 14, 12 ist der
Stern das Bild des Königs von Babel. Von der alten Kirche wurde
Christus als die Sonne gefeiert. Nach Offb 22, 16 ist Christus der
glänzende Morgenstern. Das Szepter ist Zeichen der königlichen Macht
(vgl. L. Dürr, a.a.O., 62£.).
Der Spruch stellt eine endzeitliche, messianische Weissagung dar.
Das zeigt der Ausdruck „am Ende der Tage“, sowie das geheimnis-
volle Kolorit. Die Moabiter und Edomiter, die von David vorüber-
gehend besiegt waren, sich aber dann wieder erhoben hatten, sind die
Repräsentanten der Feinde des Gottesvolkes in der messianischen Zeit
(vgl. Is 25, 9 ff.; 34, 5—15; 63, 1; Ez 35; Abd 18).

dd) Der Retterkönig David


Wenngleich indes sowohl der Jakobssegen als auch der Bileam-
spruch den Retterkönig für die Endzeit verheißen, so kann man doch
in dem Retterkönig David eine vorläufige Erfüllung der Verheißungen
sehen. So wurde in der Tat das davidische Königtum verstanden. Es
brachte ja Ordnung im Inneren, Friede mit den Feinden und einen
neuen religiösen Mittelpunkt in Jerusalem (siehe S. 27f.). In dem
König handelt Gott, der himmlische König selbst. David ist sein Ge-
salbter (vgl. $ 140). Die Taten des irdischen Königs sind die Taten
Gottes. Deshalb ist auch der Kampf gegen David ein Kampf gegen Gott.
So können von Gott die Feinde Davids angefahren werden: „Was
toben die Heiden und ersinnen die Völker nichtige Pläne? Die Könige
der Erde tun sich zusammen und die Machthaber ratschlagen gemein-
sam wider Jahwe und seinen Gesalbten: Wir wollen ihre Fesseln
sprengen, ihre Bande von uns werfen. Der im Himmel thront, lacht,
der Allherr spottet ihrer. Einst aber spricht er mit ihnen im Zorn und
88 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

setzt durch seinen Grimm sie in Schrecken: Ich selbst habe doch
meinen König bestellt auf Sion, meinem heiligen Berg. Kunde will ich
geben von Gottes Beschluß: Jahwe sprach zu mir: Mein Sohn bist du,
heute habe ich dich gezeugt. Verlangst du’s von mir, so gebe ich dir
Völker zum Erbteil, zum Besitz die Enden der Erde! Du magst sie
zerschmettern mit eiserner Keule, wie Töpfergeschirr sie zerschlagen.
Nun also, ihr Könige, habet Einsicht, lasset euch warnen, ihr Richter
der Erde! Dienet Jahwe in Furcht und küsset mit Zittern seine Füße!
Sonst zürnt er, dann führt euer Weg ins Verderben. Ja, nur wenig, so
entbrennt sein Zorn. Heil allen, die ihm vertraut!“ (Ps 2). Dieser
Psalm wird Apg 4, 25f. als Ausspruch Davids auf Christus bezogen
(vgl. Bibelkommissionsentscheidung vom 1. Mai 1910, die ihn als da-
vidisch erklärt; D. 2133). Wenn der Text zunächst und unmittelbar
auch von David, dem Gesalbten Gottes, selbst gilt, so weist er doch
deutlich über David hinaus, auf den Gesalbten Gottes schlechthin, in
dem sich endgültig erfüllt, was mit David eingeleitet wurde: die an
eine fürstliche Gestalt gebundene Heilsverheißung Gottes und die
Heilshoffnung des Volkes. Er erneuert und vollendet, was David be-
gonnen hat, aber unter seinen abtrünnigen Nachfolgern gescheitert
ist (Is 9, 6).
Der Glaube, daß in Christus sich das davidische Königtum er-
füllte, stützt sich auf mehrere, im AT bezeugte Gottesworte von der
ewigen Dauer des Königtums Davids. So spricht der Herr der Heer-
scharen zu seinem Knechte David: „Wenn einst deine Tage voll sind
und du dich bei deinen Vätern zur Ruhe gelegt hast, will ich deinen
leiblichen Sohn zu deinem Nachfolger bestimmen und ihm sein König-
tum bestätigen. Er soll meinem Namen ein Haus bauen, und ich will
seinen Königsthron festigen für alle Zeit! Ich werde ihm Vater sein,
er sei mir Sohn! Verfehlt er sich, so werde ich ihn mit Menschenruten
und mit Schlägen, wie sie Menschen treffen, züchtigen. Niemals aber
wird meine Huld sich von ihm wenden, wie ich sie von Saul habe
weichen lassen, den ich wegräumte vor dir. Dein Haus und dein König-
tum sollen auf ewig Bestand haben vor mir. Dein Thron soll feststehen
für immer“ (2 Sm 7, 12—16; 1 Chr 17, 11—14; 22, 9f.; vgl. 2 Sm 23,
1—7). Ähnlich heißt es in Psalm 88 (89), 20—38: „Ich setzte das Diadem
einem Helden auf, erhöhte meinen Erwählten aus dem Volk. Ich fand
meinen Knecht David, mit heiligem Öle salbte ich ihn. Meine Hand
hält ihn ständig fest, ja, ihn stärkt mein Arm. Kein Feind überlistet
ihn, kein Bösewicht bezwingt ihn. Ich zerschmettere vor ihm seine
Feinde; die ihn hassen, schlage ich nieder. Meine Treue und meine
§ 143 Die Vorbereitung der Erlösung im AT 89

Gnade gehören ihm, durch meinen Namen ist hoch sein Horn (Kraft).
Ich lege seine Hand aufs Meer, auf die Ströme seine Rechte. Er rufe
zu mir: Mein Vater bist du, mein Gott und der Fels meines Heils! Ja,
ich bestimme ihn zum Erstgeborenen, zum Höchsten unter den Kö-
nigen der Erde. Stets bewahre ich ihm meine Gnade, und mein Bund
mit ihm bleibt ständig. Ich mache seinen Stamm ewig und seinen
Thron wie die Tage des Himmels. Wenn seine Söhne mein Gesetz
verlassen und nach meinen Vorschriften nicht wandeln, wenn sie
meine Satzungen schänden und meine Gebote nicht halten, strafe ich
ihr Vergehen mit der Rute und mit Schlägen ihre Sünde. Doch meine
Gnade entziehe ich ihm nicht und laß es an Treue nicht fehlen. Mei-
nen Bund werde ich nicht entweihen, was von meinen Lippen kam,
nicht ändern. Eines schwur ich bei meiner Heiligkeit — ich werde
David nicht täuschen: Sein Stamm soll ewig dauern, sein Thron, so-
lange wie die Sonne vor mir, wie der Mond soll er ewig bestehen,
ständig, solang es Gewölk gibt“ (ebenso Ps 131 [132], 11—18).
So wurde David das Urbild und das Idealbild eines irdischen
Königs. Nach ihm hat sich das Volk Gottes in den Zeiten entarteten
Königtums zurückgesehnt. An seinem Bilde hat sich immer wieder
von neuem der Glaube und die Zuversicht entzündet, daß Gott in der
Zukunft einen Retterkönig erwecken werde, welcher Davids Geschlecht
entstammt und Davids Werk vollendet. David und die an ihn sich
anschließenden Hoffnungen stellen einen entscheidenden Schritt in
der Vorbereitung des Erlösers dar.
Die Propheten haben den Erlöser als einen Sprossen Davids ver-
heißen, als den Gesalbten Gottes, dessen Vorläufer alle anderen Ge-
salbten sind. Bei Oseas steht das Wort des Herrn (Os 5, 4 f.): „Denn
viele Tage sollen die Israeliten allein sitzen ohne König und ohne
Fürst, ohne Opfer und ohne Malstein, ohne Ephod und ohne Tera-
phim (priesterliches Gewand und Kultgegenstand). Darnach werden
die Israeliten umkehren und Jahwe, ihren Gott, suchen und David
(ihren König) und werden besorgt Jahwe und seinem Heile sich zu-
wenden am Ende der Tage“ (siehe Mich 4, 7; Dan 7, 14).

ee) Die Weissagung des Isaias


Am ausführlichsten ist auch hier wiederum der Prophet Isaias.
Während der assyrische König mit seinem Heere wie ein mächtiger
Wald ausgerottet wird, tritt ein neuer König auf in Israel. Er wird
mit einem Reis verglichen. Das Reis entsprießt dem Baumstumpf Isais
90 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

(Jesses). Wie einst David von Isai abstammte (1 Sm 16, 1—23), so wird
auch der neue David ein Nachkomme Isais sein. „Doch ein Reis wird
aus dem Wurzelstock Isais ausschlagen und ein Schößling aus seinen
Wurzeln hervorsprossen. Es ruht auf ihm der Geist Jahwes: der Geist
der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke,
der Geist der Erkenntnis und der Furcht Jahwes. [Und an der Furcht
Jahwes hat er sein Wohlgefallen.] Nicht nach dem Augenschein wird
er richten und nicht nach dem Hörensagen urteilen, sondern er richtet
in Gerechtigkeit die Geringen und urteilt in Geradheit über die Armen
des Landes. Er schlägt den Frechen mit dem Stabe seines Mundes und
tötet den Frevler mit dem Hauche seiner Lippen“ (Is 11, 1—4). Wie
einst Gottes Geist auf die führenden Männer Israels kam (auf Gideon:
Ri 6, 34, auf Saul: 1 Sm 11, 6) und ihnen Kräfte verlieh, die über die
menschliche Natur hinausgingen, so läßt sich der Geist auf den Messias
nieder, aber nicht vorübergehend, sondern als Dauerbesitz und in der
Fülle seiner Gaben. In der Kraft des Geistes richtet er ein Friedens-
reich auf, das alle Völker in seinen Bereich zieht (siehe Is 9, 6; 46, 3;
48, 1).
Der Messias ist Bürge und zugleich Vollstrecker des göttlichen
Heilsplanes. Der Gottesgläubige kann und soll sich daher in vorbehalt-
losem Vertrauen Gott anheimgeben.
Zum Vertrauen auf den Rettergott soll Isaias den König Achaz
in der schwierigen Situation, in die ihn der syrisch-ephraimitische
Krieg von 735/34 gebracht hat, ermutigen. „Es geschah in den Tagen
des Achaz, des Sohnes des Jotam, des Sohnes des Uzzia, des Königs
von Juda, da zogen Resin, der König von Aram, und Pegach, der
Sohn des Remalja, der König von Israel, gegen Jerusalem heran, um
es zu bekriegen, aber sie konnten es nicht kriegen.
Als man dem Hause
Davids meldete: »Aram hat sich in Ephraim gelagert«, da zitterte sein
Herz und das Herz seines Volkes, wie die Bäume des Waldes vor dem
Winde zittern. Jahwe aber sprach zu Isaias: Geh doch hinaus, Achaz
entgegen, du und dein Sohn Schearjaschub, an die Wasserleitung des
oberen Teiches, auf die Straße am Walkerfeld, und sage zu ihm: Nimm
dich zusammen und sei ruhig! Fürchte dich nicht! Dein Herz verzage
nicht vor diesen beiden rauchenden Brandscheitstummeln, vor der
Zornesglut Resins und Arams und des Sohnes des Remalja! Weil Aram
wider dich Böses sinnt [Ephraim und der Sohn des Remalja], indem
sie sagen: Wir wollen gegen Juda ziehen, es bedrängen, es an uns
reißen und den Sohn des Tabel zum König darin machen, (darum)
spricht so der Herr Jahwe: Nicht soll es bestehen und nicht soll es
§ 143 Die Vorbereitung der Erlösung im AT 91

geschehen! Denn das Haupt von Aram ist Damaskus und das Haupt
von Damaskus ist Resin. [Noch fünfundzechzig Jahre und Ephraim ist
verödet, so daß es kein Volk mehr ist.] Und das Haupt von Ephraim ist
Samaria und das Haupt von Samaria ist der Sohn des Remalja: Glaubet
ihr nicht, so bleibet ihr nicht“ (Is 7, 1—9). Achaz ist schwer zu über-
zeugen. Er vertraut mehr auf mächtige Bundesgenossen, auf diploma-
tische Geschicklichkeit und militärische Stärke, als auf Jahwe. Ja,
diesen setzt er in seine Berechnung gar nicht ein. Da wird ihm, um
ihn zur Sinnesänderung zu bewegen, von Gott ein Zeichen angeboten.
„Jahwe redete weiterhin zu Achaz also: Erbitte dir ein Zeichen von
Jahwe, deinem Gott, tief unten von der Unterwelt oder hoch oben aus
der Höhe! Achaz antwortete: »Ich will nicht bitten, um Jahwe nicht zu
versuchen.« Da sprach er: »Höret doch, ihr vom Hause Davids! Ist es
euch zu wenig, Menschen zu ermüden, daß ihr auch meinen Gott er-
müdet? Darum wird euch der Herr selbst ein Zeichen geben: Siehe,
die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und sie wird
seinen Namen Emmanuel nennen. Dickmilch und Honig wird er essen
bis zu der Zeit, da er das Böse zu verwerfen und das Gute zu erwäh-
len versteht. Denn bevor der Knabe das Böse zu verwerfen, und das
Gute zu erwählen versteht, wird das Land zur Öde werden, vor dessen
beiden Königen dir graut. Jahwe wird über dich, dein Volk und das
Haus deines Vaters Tage kommen lassen, wie sie nicht gekommen
sind, seitdem Ephraim von Juda abgefallen ist, [den König von As-
sur]«“ (Is 7, 10—17). Achaz lehnt das Angebot eines Zeichens ab, an-
scheinend aus Ehrfurcht vor Gott, in Wirklichkeit aus Unglauben.
Gottes Hilfe erscheint ihm so sehr als Illusion, daß es nicht der Mühe
lohnt, sich um sie zu bemühen. Er fordert damit den Zorn Gottes
heraus. Nun wird ihm gegen seinen Willen ein Zeichen verheißen, das
sowohl Heilszeichen als auch Unheilszeichen, d.h. Zeichen des Ge-
richtes für das ungläubige königliche Haus ist. Das Kind, welches dem
gläubigen Teil des Volkes Heil verbürgt, wird von einer Jungfrau, hebr.
alma („Maid“), d.h. von einem heiratsfähigen, aber nicht verheirate-
ten unberührten Mädchen, geboren. In seiner Jugend wird bitterste
Not herrschen. Es muß daher die Speise der Notzeit essen. Aber sein
Name „Emmanuel“, d.h. „Gott mit uns“, versinnbildet das mit ihm
kommende Heil. Alles Unheil kommt aus der Gottesferne. Das Heil ist
davon abhängig, daß Gott unter den Menschen wieder Wohnung
nimmt. Wenn das für die Zukunft verheißene Emmanuelkind kommt,
können die Menschen zuversichtlich das Haupt erheben. Wer um diese
Zukunft weiß, läßt sich durch kein Unheil erschüttern und holt Rat-
92 Die Vorbereitung der Menschwerdung S 143

schläge bei Gott und nicht bei Gespenstern. „Denn so hat Jahwe zu
mir gesprochen, als (seine) Hand (auf mir) lastete und er mich warnte,
den Weg dieses Volkes zu gehen: Ihr sollt nicht alles heilig nennen,
was dieses Volk heilig nennt, und was es fürchtet, das sollt ihr nicht
fürchten, und wovor es erschreckt, davor sollt ihr nicht erschrecken!
Ihn, Jahwe der Heerscharen, sollt ihr heiligen! Er sei eure Furcht und
er sei euer Schrecken! Er wird (euch) zum Heiligtum sein, aber zum
Stein des Anstoßes und zum Felsen des Strauchelns für beide Häuser
Israels, zur Schlinge und Falle für die Bewohner Jerusalems. Viele
von ihnen straucheln darüber und fallen; sie werden zerschmettert,
verstrickt und gefangen. Ich will das Zeugnis verwahren, die Lehre in
meinen Jüngern versiegeln. Ich will harren auf Jahwe, der (jetzt) sein
Antlitz vor dem Hause Jakob verhüllt, und auf ihn hoffen. Siehe, ich
und die Söhne, die mir Jahwe geschenkt hat, sind Sinnbilder und Zei-
chen in Israel von seiten Jahwes der Heerscharen, der auf dem Berge
Sion wohnt.
Wenn man zu euch sagt: Fraget die Totengeister und die Zauber-
kundigen, die da flüstern und murmeln! (Dann entgegnet:) Soll nicht
ein Volk seinen Gott fragen, (warum) für die Lebenden die Toten?
Hin zur Lehre und zum Zeugnis! Wenn einer nicht also spricht, für
den gibt es kein Morgenrot. Er wandert umher, bedrückt und hungrig.
Und es wird geschehen, wenn er hungert, dann ergrimmt er und ver-
flucht seinen König und seinen Gott. Er wendet sich nach oben und
blickt zur Erde: aber siehe, da gibt es nur Bedrängnis, Finsternis und
angstvolles Dunkel. Doch die Finsternis wird verscheucht; denn nicht
bleibt Dunkel, wo (jetzt) Drangsal ist. In der ersten Zeit hat er (Jahwe)
Schmach angetan dem Lande Zebulon und dem Lande Naphtali, aber
in der letzten (Zeit) bringt er (Jahwe) zu Ehren die Straße am Meer,
das Gelände jenseits des Jordan, den Bezirk der Heiden.
Das Volk, das in Finsternis wandelt, schaut ein großes Licht; über
denen, die im Lande des Todesschattens wohnen, erstrahlt ein Licht.
Du machst reich den Jubel, groß die Freude: man freut sich vor dir,
wie man sich freut in der Ernte, wie man jubelt beim Beuteverteilen.
Denn sein lastendes Joch, den Stecken auf seinen Schultern und den
Stock des Treibers hast du zerbrochen wie am Tage von Midian. Ja,
jeder Soldatenstiefel, der polternd einherstiefelt, und (jeder) Mantel,
der mit Blut befleckt ist, wird verbrannt, eine Speise des Feuers. Denn
ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns geschenkt.
Auf seinen Schultern
ruht die Herrschaft und man nennt seinen Namen: »Wunderrat, Gott-
held, Ewigvater, Friedensfürst.< Groß ist seine Herrschaft und des
§ 143 Die Vorbereitung der Erlösung im AT 93

Friedens kein Ende. Auf dem Throne Davids und über sein Reich
(wird er herrschen), indem er es festigt und stützt durch Recht und Ge-
rechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Der Eifer Jahwes der Heer-
scharen wird dies vollbringen“ (Is 8, 11—9, 6; siehe Is 2, 5f.; 8, 10).
Das 7, 14 angekündigte Kind wird Freude und Frieden bringen.
Das Licht ist ein Bild für Rettung und Heil (Is 42, 6; 49, 6; Mt 4, 16).
In vier Ehrennamen wird das Wesen des Kindes gekennzeichnet. Es ist
ein Wunder an Rat, weil es im Gegensatz zu den verkehrten Plänen
des Achaz das Rechte, das Gedeihliche kennt und tut, ein Held, weil es
die Kraft hat, die gottfeindlichen Gewalten zu besiegen, ein Ewigvater,
weil zwischen ihm und dem von ihm befreiten Volke ein immerdau-
erndes Vaterverhältnis bestehen wird, ein Friedensfürst, weil unter
seiner Herrschaft alle Zeichen und Werkzeuge des Krieges vernichtet
werden und es durch seine Gesinnung und Herrscherkraft den Frieden
sichert (siehe J. Ziegler, Das Buch Isaias, Würzburg 1958?, 38—208;
J. Fischer, Das Buch Isaias, Bonn 1937, 64—109).

ff) Die Prophezeiungen des Michäas, des


Jeremias, des Ezechiel

Michäas nennt sogar die Geburtsstätte des kommenden Gesalbten:


„Aber du, Bethlehem in Ephrat, klein unter den Tausendschaften
Judas, aus dir geht mir (wohl = Jahwe) hervor, der herrschen wird
in Israel. Sein Ursprung ist von ehedem, aus den Tagen der Urzeit.
Drum gibt er sie (Juda) preis bis zur Zeit, da die Gebärende gebiert
und der Rest seiner Brüder umkehrt zu den Söhnen Israels. Er steht
da und weidet in Jahwes Kraft im glanzvollen Namen seines Gottes
Jahwe. Man wohnt geborgen, denn nun ist er groß bis an die Enden
der Erde“ (Mich 5, 1 ff.). Bethlehem ist die Heimat Davids (1 Sm 17,
12; 20, 6). Der Messias ist daher auch hier als Davidide gekennzeich-
net (ebenso Am 9, 11; Os 3, 5).
Jeremias bezeugt folgenden Spruch Jahwes (23, 5—8): „Fürwahr,
Tage kommen — Spruch Jahwes — da laß ich David einen gerechten
Sproß erstehen; er herrscht als König und führt ein weises Regiment,
Recht und Gerechtigkeit übt er im Lande. In seinen Tagen erfährt
Juda Heil und Israel lebt in Sicherheit, und dies ist der Name, mit
dem man ihn benennt: Jahwe ist unsere Gerechtigkeit. Darum sieh,
es kommen Tage — Spruch Jahwes — da wird man nicht mehr sagen:
So wahr Jahwe lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat,
sondern: So wahr Jahwe lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel
94 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

aus dem Nordland und aus allen Ländern geführt und zurückgebracht
hat, wohin ich sie versprengt hatte, daß sie wieder auf ihrem (heimat-
lichen) Boden wohnen“ (ähnlich 30, 9; 33, 15). Der kommende Retter-
könig ist also der wiedererstandene David.
Ezechiel verheißt seinen Mitgefangenen in Babel (Ez 34, 23 £.):
„Und ich werde über sie einen einzigen Hirten bestellen, der sie wei-
den soll, meinen Knecht David, der soll sie weiden und ihr Hirte sein.
Und ich, Jahwe, werde ihr Gott sein, und mein Knecht David wird
Fürst in ihrer Mitte sein“ (ebenso Ez 37, 24f.; vgl. ferner Am 9, 11;
Os 3, 5; Sir 43, 22).
Von dem Sprossen Davids wird auch die Verheißung zu verstehen
sein, die der Engel Gottes dem Priester Josua (Zach 3, 8) gibt: „Höre
doch, Hoherpriester Josua! Du und deine Genossen, die vor dir sitzen,
Männer der Vorbedeutung sind sie; denn ich lasse meinen Knecht
kommen, den Sproß.“ Später wird der Sproß als König charakterisiert.
„Freue dich sehr, Tochter Sion! Siehe, dein König kommt zu dir; ge-
recht und siegreich ist er, demütig, auf dem Esel reitend, auf einem
Eselinfüllen! Er vernichtet die Wagen in Ephraim, die Rosse in Jeru-
salem. Die Kampfbogen werden vernichtet. Er gebietet den Völkern
Frieden. Seine Herrschaft erstreckt sich von Meer zu Meer, vom Sirom
zu den Enden der Erde“ (Zach 9, 9£.).
Auf diesem alttestamentlichen Hintergrunde werden jene neu-
testamentlichen Texte verständlich, in denen Jesus der Gesalbte (Chri-
stus, Messias) genannt wird, in denen er als König gepriesen wird
(siehe hierzu $ 162), in denen ihm der Thron seines Vaters David und
eine Herrschaft über das Haus Jakob ohne Ende zugeschrieben wer-
den (Lk 1, 32 f.; 2, 4; vgl. auch Mk 12, 35 ff.; Mt 22, 41—46; 21, 1—11;
Lk 20, 41—44).

d) Das neue Volk

Zu dem kommenden Friedensfürsten gehört ein neues Volk, ein


neues, das messianische Reich. Zunächst ist das von ihm beherrschte
und gerettete Volk das Haus Jakob mit bestimmten geographischen
Grenzen. Aber seine Herrschaft soll die ganze Menschheit umfassen.
Sie hat Weltweite. Sie erstreckt sich von Meer zu Meer, von Strom zu
Strom (Zach 9, 9; Dt 33, 17; Mich 5, 3; Pss 2, 8; 71 [72], 11; Gn 49,
10). Das Volk Israel ist die Ansatzstelle und der Ausgangspunkt für die
Universalherrschaft Christi. Dem Retterkönig wird also die Weltherr-
schaft zugeschrieben. Aber sie entfaltet sich stufenweise, von dem
Hause Jakob an hin über alle Heidenvölker. In der Weltherrschaft des
§ 143 Die Vorbereitung der Erlösung im AT 95

Messiaskönigs verwirklicht Gott seine Weltherrschaft. Das Messias-


reich ist also universell, aber es dient der Verwirklichung des Gottes-
reiches (H. W. Wolff, Herrschaft Jahwes und Messiasgestalt im Alten
Testament, in: Zeitschrift für alttestamentliche Wissenschaft, Neue
Folge 13, 1936, 17. W. Eichrodt, Theologie des Alten Testamentes I,
Leipzig 1957°, 290 ff. 316 ff. P. Heinisch, Theologie des Alten Testa-
mentes, Bonn 1940, 275—321).
Wenn das alttestamentliche Gottesvolk zunächst als der dem
Messiaskönig zugeordnete Herrschaftsbereich geschildert wird, so weist
es über sich selbst hinaus. Man kann von ihm sagen: Unmittelbar ist
mit dem alttestamentlichen Israel „die Gesamtheit der Nachkommen
der Söhne Jakobs gemeint, mit der als solcher der Bund am Sinai ge-
schlossen ist. Aber schon die Absonderung der zehn Nordstämme von
den zwei Südstämmen weist darauf hin, daß jene vordergründige An-
schauung vom Volk nicht tragfähig ist für das, was zu sehen ist, wenn
von Gottes Volk, dem erwählten Volk, im Alten Testament die Rede ist.
Ein Volk im Volk sozusagen, wird das mit dem Gottesbunde gemeinte,
seiner Erfüllung teilhaftige Volk sein. Aber wir befinden uns noch bei
der vordergründigen Anschauung, wenn wir jetzt Juda-Benjamin als
das Volk betrachten, neben dem Nordisrael mit der Zeit aus der Ge-
schichte verschwindet. Auch Juda-Benjamin ist nicht das Volk, sondern,
wie gerade seine Propheten sagen: ein bekehrter und im Gericht ver-
schonter heiliger Rest von Juda-Benjamin. Wer gehört zu diesem Rest?
Wer ist jetzt das Volk Gottes? Die Angehörigen einer prophetischen
Jüngergemeinde? Eine sich um den Tempel scharende Gemeinschaft
der Gläubigen? Die wenigen Gerechten, die nach Jahwes Gebot wandeln?
Ja und nein! Ja, weil im Vordergrund in der Tat ein derartiges Volk
schon zu sehen ist — nein, weil die prophetische Mahnung und Hoff-
nung doch nicht bei diesem Volk stehenbleibt, weil gerade spätere
Propheten wie Jeremias und Deuterojesaia doch wieder von einem
Volk, von Jerusalem, ja von Israel als Ganzem reden. Das Volk im
Volk, das echte Israel, ist offenbar weder mit der Totalität der Nach-
kommen Jakobs, noch mit irgendeinem Ausschnitt aus dieser Totalität
identisch. Sondern das echte von Jahwe erwählte, berufene und end-
lich gesegnete Israel, in beiden bloß vorgebildet, steht als Ziel jenseits
der Geschichte beider. Dieses Volk ist sich selbst in strengstem Sinne
zukünftig. Es muß sich wirklich erst zeigen, welches nun eigentlich
dieses Volk ist“ (K. Barth, Die kirchliche Dogmatik I, 2, Zürich 1938,
105 f.). Es ist das in Christus geschaffene neutestamentliche Israel.
96 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

e) Das neue Land

Zum Volke des Messiaskönigs gehört das Land. Auch hiervon


gilt: Wenn im Alten Testament von dem diesem Volk vorerst ver-
heissenen und dann geschenkten Lande die Rede ist, „so ist darunter
gewiß zunächst ganz schlicht das von Gott den Vätern gelobte Land
Kanaan zu verstehen. Aber wieder scheint diese geographische Größe,
welches auch damals ihre Eigenschaften gewesen sein mögen, als
solche auf der ganzen Linie durchaus nicht geeignet, den Bedeutungs-
gehalt, der mit dem Begriff des verheißenen Landes bezeichnet ist,
zu erschöpfen. In der Linie des Landes, da Milch und Honig fließt,
weiterblickend, den Verheißungen folgend, die sich (in Zeiten, in
denen es in diesem Lande wirklich nicht schön zuging) an die An-
schauung anknüpften, muß man hier sehen auf das verlorene und
wiedergekehrte Paradies, das die Wohnstätte dieses Volkes sein wird,
ja auf die wunderbar erneuerte Erde, auf der dieses Volk inmitten
der friedlich und glücklich vereinigten anderen Völker einst leben
wird. Also gewiß ist das Land Palästina, aber ebenso gewiß ist in
und mit diesem Land jenes ganz andere Land gemeint, das in der
Geschichte Israels darum nicht als wirklich sichtbar wird, weil es ihr
Ziel, weil es ihr also jenseitig ist. Dieses Land wartet eben auf jenes
Land“ (K. Barth, a.a. O., 106). Das erwartete Land ist die durch die
Auferstehung Christi eingeleitete „Neue Erde“.

f) Das Versöhnungsjahr

Durch Aufrichtung der Gottesherrschaft wirkt der Messiaskönig


die Versöhnung der Menschen mit Gott. Auch dieses sein Tun ist
im AT vorgebildet. Das Versöhnungsjahr stellt zunächst ein Ereignis
innerhalb der Geschichte des alttestamentlichen Gottesvolkes dar. Es
ist nach Lev 25, 8 f. nach je 7 mal 7 Jahren einzuschalten. Es beginnt
mit dem Versöhnungstag des letzten der 49 Jahre. Durch Posaunen-
blasen wird es im ganzen Lande angekündigt. Es darf während des
Jubeljahres weder gesät noch geerntet werden. In diesem Jahre sollte
jeder Mann durch billig zu bemessende Rückkäufe wieder zu dem Sei-
nigen kommen können, das ihm während der 49 Jahre etwa verloren
gegangen sein sollte. Schon Isaias sieht in dem Jubeljahr ein gnädiges
Jahr des Herrn, das der Gottgesalbte ausrufen soll: „Der Geist des all-
mächtigen Herrn ruht auf mir. Denn mich hat der Herr gesalbt, mich
gesandt, den Demütigen frohe Botschaft zu bringen. Er hat mich ge-
sandt, die gebrochenen Herzen zu heilen, den Gefangenen Freiheit zu
S 143 Die Vorbereitung der Erlösung im AT 97

künden, den Gebundenen Erlösung, auszurufen ein Gnadenjahr des


Herrn und einen Rachetag unseres Gottes, allen Trauernden Trost zu
spenden, den um Sion Trauernden als Gabe für sie zu verleihen Kopf-
schmuck statt Asche, Freudenöl statt des Trauergewandes, Loblied
statt Verzagtheit“ (Is 61, 1ff.). Dieses Gnadenjahr hat seinen letzten
Sinn empfangen in der durch Christus eingeleiteten Gnadenzeit. Der
große Versöhnungstag ist nach Röm 3, 25 ein Vorzeichen des allge-
schichtlichen Versöhnungstages, des Karfreitags, der eine neue Welt-
situation herbeigeführt hat (Hebr 9).

g) Der neue Bund

Die Versöhnung der Menschen mit Gott erhält die Gestalt eines
Bundes Gottes mit den Menschen. Der Messiaskönig stiftet einen Neuen
Bund (Mt 26, 28). Auf ihn sind die alttestamentlichen Bundesschließun-
gen ausgerichtet. Sie ereignen sich in verschiedenen aufeinanderfolgen-
den Stadien, von denen jedes über sich selbst hinausführt zur folgenden
Stufe. Der Bund mit Noe ist hingeordnet auf den Abrahamsbund, in
welchem die Erwählung Israels grundgelegt wird. Sie findet ihre vor-
läufige Erfüllung im Sinai-Bund mit seiner in der Freiheit, der Liebe
und in der Herrschaft Gottes begründeten Ordnung. Der Bund wird
aufgenommen von den Propheten, von Amos, Isaias, Jeremias, Ezechiel.
Gerade bei ihnen zeigt sich, daß der Bund noch nicht seine Endgestalt
gefunden hat. Sie steht noch aus. Sie ist erst von der Zukunft zu er-
warten. So ist alles, was vom Bund gesagt wird, perspektivisch zu
verstehen. Jede Bundesschließung begreift die Erwartung eines noch
vollkommeneren Bundes in sich. Keine, auch nicht die vom Sinai,
gibt sich als die letzte und endgültige. Der Bund schlechthin scheint
jenseits aller Bundesgestalten zu liegen, welche im Alten Testament
begegnen. So ist der Bund des Alten Testaments nur dann richtig
gesehen, wenn man seine Wirklichkeit als eine Erstreckung durch die
Jahrhunderte hindurch schaut, mit der Aufgipfelung in Christus.

h) Der „Gottesknecht“

Noch ein charakteristischer Zug des Messiaskönigs muß ge-


nannt werden. Durch ihn werden zugleich die nationalen Schranken
der alttestamentlichen Messiasverheißungen am klarsten gesprengt:
Er ist der „Gottesknecht“ (ebed Jahwe). Das Wort „Knecht Gottes“ be-
deutet die Abhängigkeit von Gott, aber auch die Beauftragung und Er-
mächtigung durch Gott, die Vertrautheit mit Gott. Sein Sinngehalt

7 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


98 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

nähert sich stärker demjenigen von Kind, Sohn als demjenigen von
Sklave. Knechte Gottes sind die Jahweverehrer, die Gott selbst in seine
Nähe gerufen hat, unter ihnen wiederum in einer ausgezeichneten
Weise jene Männer, denen Gott eine wichtige Aufgabe übertragen hat:
Abraham, Isaak, Jakob, Moses, Josue, David, Elias, Job, die Prophe-
ten. Auch das Volk selbst als Ganzes heißt gelegentlich Knecht Gottes
(z. B. Is 41, 3 f.; 43, 10; 44, 17. 21. 26).
Bei Isaias finden sich vier Lieder (soviele wird man am besten
zählen), in denen der Messiaskönig als Gottesknecht geschildert wird.
Er ist der Erwählte, der Berufene Gottes, auf den Gott seine Hand
gelegt hat, dem er ein schweres Werk übertragen hat, dem er aber
auch sein Wohlgefallen zuwendet.
„Sieh da, mein Knecht, den ich liebe, mein Erwählter, an dem ich Gefallen
gefunden. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt. Das Recht wird er den Völkern
künden. Er wird nicht schreien und nicht lärmen noch seine Stimme hören lassen
auf den Gassen. Das geknickte Rohr wird er nicht brechen, den glimmenden Docht
nicht auslöschen. In Treuen wird er das Recht verkünden. Er ermattet nicht und
bricht nicht zusammen, bis er auf der Erde das Recht begründet. Seiner Lehre
harren die Völker. So spricht Gott, der Herr, der den Himmel geschaffen und aus-
gespannt, der die Erde hingebreitet samt ihren Gewächsen, der Odem gab dem
Volke auf ihr, Geist denen, die auf ihr wandeln: Ich, der Herr, rief dich in Güte.
Ich faßte dich bei der Hand und behütete dich. Ich machte dich zum Bund des
Volkes, zum Lichte der Heiden, blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker
zu führen, aus dem Gefängnis, die im Dunkel sitzen“ (Is 42, 1—7).

Im zweiten und dritten Lied spricht der Gottesknecht selbst sein


Berufungsbewußtsein aus. Dessen Stärke und Verantwortlichkeit zeigt
sich darin, daß er die ganze Erde aufruft, ihm zuzuhören. So hoch
ihn das Vertrauen Gottes über alle anderen hinaushebt, so schwer
lastet die Hand Gottes auf ihm. Er muß einen bitteren Weg gehen: den
Weg der Drangsal und des Leidens. Aber der Herr, der ihn den Weg
der Tränen und des Blutes gehen heißt, wird ihn auch zum Siege ge-
leiten.
„Hört mich, ihr Lande am Meer! Merkt auf, ihr Völker der Ferne: Der Herr be-
rief mich vom Mutterleib an. Vom Mutterschoß an benannte er mich. Dem scharfen
Schwert gleich machte er meinen Mund. Er hielt mich im Schutz seiner Hand. Dem
glatten Pfeil gleich machte er mich, verbarg mich in seinem Köcher. Er sprach zu
mir: Du, Israel, bist mein Knecht, an dem ich mich herrlich erweise. Ich aber dachte:
Da hab ich also umsonst mich gemüht, meine Kraft vergeblich, für nichts ver-
braucht. Jedoch beim Herrn steht mein Recht, bei meinem Gotte mein Lohn. Nun
aber spricht der Herr, der vom Mutterleib an mich gebildet zu seinem Knecht,
Jakob zurückzuführen zu ihm, Israel zu sammeln für ihn. Ich ward geehrt in den
Augen des Herrn, und mein Gott war meine Stärke. Er spricht also: Zu gering ist’s,
daß du mir Knecht seiest, Jakobs Stämme aufzurichten, Israels Erlöste zurückzu-
8 143 Die Vorbereitung der Erlösung im AT 99

führen. So mach ich dich denn zum Lichte der Heiden, daß du mein Heilsmittler
seiest bis ans Ende der Erde. So spricht der Herr, Israels Erlöser, sein Heiliger,
zum Tiefverachteten, zum Abscheu der Leute, zum Knechte der Tyrannen: Könige
werden es sehen und sich erheben. Fürsten werden sich niederwerfen um des Herrn
willen, der treu ist, um des Heiligen Israels willen, der dich erwählte. So spricht
der Herr: Zur Zeit der Huld erhöre ich dich. Ich helfe dir am Tage des Heiles.
Ich schirme und mache dich zum Bunde des Volkes, aufzurichten das Land, zu
verteilen verödetes Erbland, den Gefangenen zuzurufen: Geht heraus; denen, die
wohnen im Dunkel: Kommt ans Licht“ (Is 49, 1—9). „Eine Jüngerzunge hat der
allmächtige Herr mir verliehen, daß ich verstünde, die Müden zu stärken durch
Zuspruch. Er weckt alle Morgen, weckt mir das Ohr, daß ich höre nach Jünger-
weise. Der allmächtige Herr tat mir auf das Ohr. Ich aber sträubte mich nicht, ich
wich nicht nach rückwärts: Meinen Rücken bot ich den Schlägern dar, meine Wangen
den Raufern, verbarg nicht mein Antlitz vor Schmähung und Speichel. Doch der
Herr, der Allmächtige, stand mir bei; drum wurde ich nicht zuschanden. Drum
machte ich hart wie Kiesel mein Antlitz. Ich wußte ja: Ich werde nicht beschämt.
Der mir Recht schafft, ist nah. Wer will mit mir streiten? Wir treten zusammen
vor. Wer ist mein Gegner im Rechtsstreit? Er trete zu mir heran! Siehe, der Herr,
der Allmächtige, hilft mir! Wer will mich für schuldig erklären? Siehe, sie alle
zerfallen wie Kleider. Motten werden sie fressen“ (Is 50, 4-9).
Im vierten Lied wird der Knecht Gottes als der Sieger gepriesen,
der durch den Abgrund des Leidens und Sterbens hindurch gehen
muß, um die Sünden seines Volkes zu sühnen. Er ist der König, der
die Schande und Schmach seines Volkes auf sich nimmt, an dem sich
jedoch auch die Herrlichkeit des entsühnten und geläuterten Volkes
offenbart.
„Siehe, Erfolg wird haben mein Knecht, wird emporsteigen, wird erhöht, er-
haben sein gar sehr. Wie viele sich über ihn entsetzten, weil unmenschlich ent-
stellt war sein Aussehen, unähnlich den Menschen seine Gestalt, so wird er viele
Völker in Staunen versetzen. Könige werden den Mund vor ihm schließen, wenn
sie sehn, was ihnen nie noch erzählt ward, wenn sie vernehmen, was sie nie noch
gehört. Wer hat Glauben geschenkt der Kunde, die uns geworden? Wem hat der
Arm des Herrn sich enthüllt? Er wuchs vor ihm auf wie ein Schößling, wie eine
Wurzel aus lechzendem Land. Nicht Gestalt war an ihm, nicht Schönheit, daß wir
ihn ansehen möchten, und kein Aussehen, daß wir Gefallen hätten an ihm. Ver-
achtet war er, der letzte der Menschen, ein Mann der Schmerzen, mit Krankheit
vertraut. Wie einer, vor dem man sein Antlitz verhüllt, so war er verachtet. Wir
schätzten ihn nicht. Er aber hat unsere Leiden getragen, unsere Schmerzen auf
sich geladen. Wir aber hielten ihn für einen Gezeichneten, den Gott geschlagen und
geplagt. Doch ob unserer Sünden ward er durchbohrt, ob unserer Frevel zer-
schlagen. Zu unserem Heile lag Strafe auf ihm. Durch seine Striemen wurde uns
Heilung. Wie Schafe irrten wir alle umher. Jeder ging seinen eigenen Weg. Der
Herr aber legte auf ihn die Sündenschuld von uns allen. Er wurde mißhandelt,
doch gab er sich willig darein, tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur
Schlachtung geführt wird. Wie ein Schaf, das vor seinen Scherern verstummt, tat
er den Mund nicht auf. Aus Haft und Gericht ward er hinweggerafft. Wer kümmert

7*
Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143
100

sich um sein Geschick? Denn er war abgeschieden aus dem Lande der Lebenden.
Ob meines Volkes Frevel ward er zu Tode getroffen. Man gab ihm bei Frevlern sein
Grab und bei Übeltätern seinen Hügel, wiewohl er kein Unrecht getan, kein Trug
in seinem Munde sich fand. Doch der Herr fand Gefallen an seinem Zerschlagenen,
heilte den, der sein Leben zum Schuldopfer dahingab. Er wird Nachkommen sehn,
lange leben, und das Vorhaben des Herrn wird durch ihn gelingen. Nach seiner
Seele Not wird er (Licht) Sättigung schauen, sich sättigen. Durch seine Erkenntnis
wird als Gerechter mein Knecht Gerechtigkeit bringen den Vielen. Ihre Frevel lädt
er sich auf. Drum will ich die Vielen als Anteil ihm geben, die Zahlreichen wird
er zu eigen empfangen dafür, daß er zum Tode sein Leben dahingab, unter die
Frevler gerechnet ward, obwohl er die Sünden der Vielen trug und an der Misse-
täter Stelle trat“ (Is 52, 13—53, 12).
In den neutestamentlichen Schriften werden die Leiden des Got-
tesknechtes bei Isaias auf Jesus bezogen. Sie sind eine Weissagung der
Leiden Jesu. Er ist der wahre Gottesknecht (Mk 10, 45; Mt 20, 28; Mk
14, 24; Mt 26, 28; Lk 4, 18 f.; 22, 37; Apg 3, 13; 4, 24. 30; 8, 5—40, bes.
8, 32 f.; 10, 36. 38), an dem sich alles erfüllt, was dem Gottesknecht
bei Isaias zugeschrieben wird.
Auch in der nachapostolischen Zeit wird Christus als der wahre
Knecht Gottes gekennzeichnet, so z. B. im Ersten Klemensbrief (1 Klem
59, 2ff.), in der Zwölfapostellehre (9, 2. 3; 10, 2. 3), in dem Martyrium
des heiligen Polykarp (14, 1; 3; 20, 2), im Barnabasbrief (6, 1; 9, 2).
Als Christus den blutigen Todesweg ging, hat sich erfüllt, was die
alten Lieder verkündet hatten. Mit dem Blick auf die alten Weissagun-
gen konnte er den Seinen den Sinn seines Leidens erschließen: „Mußte
nicht der Messias solches leiden, um so in seine Herrlichkeit ein-
zugehen?“ (Lk 24, 26. Vgl. Übers. und Kommentar von J. Ziegler,
Das Buch Isaias, Würzburg 1958°, 138—175. J. Fischer, Das Buch
Isaias, Bonn 1939, 50—143. Fr. Feldmann, Die Weissagungen über
den Gottesknecht im Buche Isaias, Münster 1913. J. Fischer, Wer ist
der Ebed Jahwe?, Münster 1922. S. van der Ploeg, Les Chants
du Serviteur de Jahve, Paris 1936. F. Ceuppens, De prophetiis
messianicis in Antiquo Testamento, Rom 1935. L. Dürr, Ursprung
und Ausbau der israelitisch-jüdischen Heilandserwartung, Berlin 1925.
Derselbe, Die Stellung des Propheten Ezechiel in der israelitisch-
jüdischen Apokalyptik, Münster 1923. J. Gewieß, Die urapostolische
Heilsverkündigung nach der Apostelgeschichte, Breslau 1939. K. H.
Schelkle, Die Passion Jesu in der Verkündigung des Neuen Testa-
ments, Heidelberg 1949. M. Meinertz, Theologie des Neuen Testamen-
tes, Bonn 1950, Index. H. Groß-F. Mussner, Ebed Jahwe, in: Lex. f.
Theol. u. Kirche III, Freiburg i. Br. 1959?, 622—625.)
8 143 Die Vorbereitung der Erlösung im AT 101

i) Der Menschensohn

Eine besondere Bezeichnung für den von Gott bestellten Herrscher des zu-
künftigen Reiches findet sich im Buche Daniel. Hier heißt er „Menschensohn“. Gott,
der allen Heidengöttern überlegen ist und alle heidnischen Könige und Völker wegen
ihrer Hybris zur Rechenschaft zieht, läßt die großen Weltreiche stürzen. Das ewige
Gottesreich wird über sie triumphieren. Sein Herr wird der Menschensohn sein
(siehe Genaueres hierüber $ 152).

k) Anmerkung

E. Stauffer weist darauf hin, daß diese theologische Geschichtsbetrachtung einen


einzigartigen Widerhall in der altchristlichen Kunst gefunden hat (Die Theologie des
NT, München 1948, 79): „In der hellenistischen Mythologie und Bildkunst herrscht
das Prinzip der Tautologie. Der Verstorbene »ist« Osiris, die Tote, die in die Hades-
regionen hinabgerissen wird, »ist« Persephone, der vergötterte Herrscher »ist«
Zeus, Helios, Herakles oder Aeneas ... Hier kommt allenthalben eine Grundvoraus-
setzung antiken Denkens zur Geltung, die Idee der mythischen Gleichzeitigkeit oder
vielmehr mythischen Zeitlosigkeit. Die Männer des NT, die Maler und Plastiker der
Alten Kirche denken grundsätzlich zeithaft, geschichtstheologisch. So tritt hier an die
Stelle der zeitlosen Tautologie die heilsgeschichtliche Typologie. Josephs Leiden
ist das Vorzeichen der Christuspassion. Der Opfergang Isaaks ist ein Vorzeichen für
den Passionsgang Jesu; darum trägt Isaak statt des Reisigbündels ein Kreuz. Das
Heilswerk Christi macht die Unheilstat Adams wieder gut; darum erscheint unter dem
Kruzifixus der Schädel des Protoplasten, der nach geheimnisvollem Gottesplan auf
Golgatha beigesetzt ist und nun durch das herabfließende Christusblut entsühnt
wird. Das sind Einzelmotive. Sie schließen sich schon früh zu typologischen Zyklen
zusammen, »Konkordanzen« des AT und NT genannt. Wir nennen ein Beispiel aus
konstantinischer Zeit: Adams Vertreibung aus dem Paradies und des Schächers Auf-
nahme ins Paradies; Sintflut und Christustaufe; Isaaks Opfergang und Jesu Kreuz-
tragung; Verschacherung Josephs und Verschacherung Christi; Durchzug durchs
Schilfmeer und Christi Höllenfahrt; Jonas’ Rückkehr ans Licht und Christi Himmel-
fahrt. So weisen die Geschehnisse der Verheißungszeit Zug um Zug über sich hinaus
auf die Zeit der Erfüllung. Aber auch die Wortprophetie des AT wissen die Maler
und Plastiker der Frühkirche kühn zur Darstellung zu bringen: In der Priszilla-
katakombe erscheint der Prophet Jesaia, wie er mit erhobener Hand auf die
Jungfrau Maria mit Christuskind und Messiasstern hindeutet. Auf einem späteren
Sarkophag finden wir Moses mit dem Gesetzbuch — das Gesetzbuch aber trägt als
Wahrzeichen seiner geheimen Theologie das Christusmonogramm.“

D. Das Alte Testament als Vorgeschichte Christi


So ist das Alte Testament, wo immer man es aufschlägt, eine
Vorgeschichte Christi, in Wort und Werk ausgerichtet auf das Kreuz.
Die Kirche trägt darum kein Bedenken, die Prophetien des AT nicht
nur zu den wichtigsten Zeugnissen für die Gottheit Christi zu rechnen,
102 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

sie schöpft auch in ihrer Liturgie in reichstem Maße aus den Pro-
pheten, um das Bild Jesu lebendig und anschaulich zu gestalten. Ja,
sie nimmt in ihre Mysterienfeier, in welcher das Heilswerk Christi
vergegenwärtigt wird (vgl. hierüber die Sakramentenlehre), alttesta-
mentliche Bilder und Erzählungen auf, um den Reichtum und die
Kraft des Werkes Christi darzustellen (vgl. die Osternachtsliturgie).
LeoderGroße redet seine Zuhörer so an: „Geliebteste, von allem,
was Gottes Erbarmen von Anbeginn für das Heil der Sterblichen ge-
tan hat, ist nichts wunderbarer und nichts erhabener, als daß Christus
für die Welt gekreuzigt worden ist. Diesem großen Geheimnis dienten
alle Mysterien der voraufgehenden Jahrhunderte, und was immer in
den verschiedenen Opfern, in den prophetischen Vorbildern und den
gesetzlichen Vorschriften nach heiliger Anordnung zeichenhaft sich
darstellte, das verkündete diesen Ratschluß und versprach dessen Er-
füllung, damit jetzt, da die Zeichen und Bilder aufgehört haben, unser
Glaube an das Erfüllte bestärkt werde durch die Erwartung der
früheren Geschlechter“ (Th. Breme, Leo der Große. Die Passion,
Leipzig 1936, 18: Predigt 54, Abschnitt 1; J. Daniélou, Bible et liturgie,
Paris 1951; O. Cullmann, Urchristentum und Gottesdienst, Zürich 1950;
Y.-M. J. Congar, Das Mysterium des Tempels. Die Geschichte der
Gegenwart Gottes von der Genesis bis zur Apokalypse, übers. von
A. H. Geldern, Salzburg 1960. C. Vagaggini, Theologie der Liturgie,
übers. von A. Berz, Einsiedeln— Zürich— Köln 1959).
Wie die Christusbezogenheit des AT näherhin verstanden werden muß, bildet
den Gegenstand einer lebhaften Diskussion. Nach der einen Deutung ist das AT ein
Transparent, durch welches Christus überall hindurchscheint. Die alttestamentlichen
Texte haben darnach unter und über ihrem historischen Sinn noch einen unmittel-
bar christologischen. Sie reden direkt von Christus und der Kirche. So ist z.B. der
Opfergang Abrahams bis in die Einzelheiten hinein eine Vorausdarstellung der Pas-
sion Jesu Christi. Das Alte Testament redet von Christus als dem Kommenden, das
NT redet von ihm als dem Erschienenen. Aber beide Testamente bezeugen den
gleichen Christus. Nach der zweiten Meinung sagt das AT nicht bloß in anderer
Weise dasselbe wie das Neue, sondern etwas anderes. Es ist gleichsam das Vorwort
zu Christus und führt so Israel und die Menschheit Christus entgegen. Die alt-
testamentlichen Texte sind darnach in ihrem geschichtlichen Sinn auszulegen, wie er
durch die von ihnen bezeugte historische Situation gefordert wird. Die in geschicht-
licher Dichte ruhenden Ereignisse, die das AT bezeugt, weisen über sich hinaus in die
Zukunft, sind aber in sich selbst nicht deren Spiegelung. Nur so kann nach dieser
Meinung die Gefahr, daß die echte Geschichte, die sich in den alttestamentlichen
Texten abzeichnet und in der sie ihre Stelle haben, zum Schatten und Schein wird,
wirksam gebannt werden. Das Alte Testament ist nicht mehr als Vorbereitung auf
Christus. Dieser liegt im Fluchtpunkt der im Alten Testament bezeugten Offenbarung
Gottes. Das AT behielt daher, da es mehr als ein Transparent der Zukunft ist, seine
8 143 Die Vorbereitung der Erlösung im AT 103

Bedeutung, auch als die Erfüllung eintrat. So muß die Auslegung des AT zwar
christusbezogen sein, aber sie darf nicht christologisch sein.
Zu diesem Streite wird man sagen müssen, daß beide Meinungen vertreten
werden können. Für die zweite spricht, daß sie der geschichtlichen Mächtigkeit des
AT leichter gerecht werden zu können scheint als die erste. Diese kann von der
Gefahr bedroht werden, daß sich ihr die im AT bezeugten Ereignisse zu bloßen
Symbolen verflüchtigen. Dennoch muß man von nicht wenigen Texten des AT sagen,
daß sie sich unmittelbar auf Christus beziehen. So sind z.B. manche Psalmen und
Prophetenworte unmittelbar in bezug auf Jesus Christus zu verstehen.
Was die Art der Erfüllung angeht, so liegen Christus und sein Werk nicht ein-
deutig in der Linie alles dessen, was das AT vorbereitend von ihm sagte. Vielfach
gab Christus selbst die authentische Interpretation, so daß man erst durch ihn
erfuhr, was dieser oder jener Text letztlich meinte. So wurde z.B. die national-
politische Schilderung, welche das AT vielfach von dem kommenden Messias gibt,
von Christus beiseite geschoben. Sie erfuhr so eine Umdeutung ihres unmittelbaren
Wortsinnes. Aber gerade so tritt zu Tage, was Gott, der Hauptverfasser der Schrift
des AT, eigentlich und letztlich meinte. Weil Christus selbst in authentischer Weise
auf Grund göttlicher Ermächtigung den Sinn der alttestamentlichen Verheißungen
bestimmte und so auch die Art der Erfüllung festlegte, konnten die mit dem AT
vertrauten Zeitgenossen mit Berufung auf den Buchstaben des AT und so mit einem
Schein von Recht ihm vielfach Widerspruch leisten, als ob er und sein Werk nicht
die Erfüllung dessen seien, was verheißen war.

E. Christus der letzte Inhalt der Zeiten


Christus bringt noch in einem zweiten Sinn die Fülle der Zeit.
Er füllt die mit ihm beginnende Zeit aus mit dem Heil, das im Alten
Testament verheißen ist. In Christus ist das durch die Jahrhunderte
verheißene Heil erschienen. Er ist der Vollstrecker des göttlichen Heils-
planes. Im Hinblick auf ihn hat Gott den Becher seines Zornes zurück-
gehalten, auf daß Christus ihn trinke zur Rettung der verlorenen Welt
(Pom 3, 15 £.). Vor Christus waren die Zeiten in der Sünde verschlos-
sen. Durch ihn ist die große Wende gekommen. Im Römerbrief wird
die vorchristliche Epoche mit schwarzen Farben geschildert. Dann
bricht aus dem Apostel der Jubel: Jetzt aber ist alles anders (3, 21).
Die Epoche, die mit diesem „Jetzt“ beginnt, ist wie ein Gefäß von der
Liebe Gottes erfüllt. Von diesem „Jetzt“ aus schauen Paulus, Petrus
und Johannes zurück auf das Einst. Einst war Finsternis, jetzt aber
ist Licht (Eph 5, 8). Jetzt ist Versöhnung, jetzt ist das Heil heraufge-
kommen (Röm 5, 9. 11. 14f.; 13, 11; Eph 2, 13; 3, 5; Kol 1, 26; 2 Kor 5,
14 f; 6, 2). Einst sind die Menschen Gott ferne gestanden, jetzt hat er
sie in seine Nähe gezogen (1 Petr 2, 10). Einst standen sie unter der
Herrschaft der widergöttlichen Mächte, jetzt ist deren Herrschaft ge-
brochen (Jo 4, 23; 11, 50, 52; 12, 31; 18, 14). Einst regierte der Tod,
104 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

jetzt ist der Tod entmachtet (1 Kor 15, 20). Die Auferstehung des Herrn
hat eine neue Zeit eingeleitet. Nun gehört das letzte Wort nicht mehr
dem Untergang und der Vergänglichkeit, sondern dem Leben, das dem
Zugriff des Todes entzogen ist. Das Sterben muß nun dem Leben
dienen.
F. Die Erscheinung Christi — eine Überraschung
Trotz dieser Voraussagen kam der Erlöser unerwartet. Die Juden
zur Zeit Jesu haben die alttestamentlichen Verheißungen falsch ver-
standen. Anstatt im Gesetze eine ständige Mahnung an Gottes Hei-
ligkeit und die eigene Unheiligkeit zu sehen, sahen sie in der genauen
Erfüllung des Gesetzes und der aus ihm abgeleiteten Satzungen ein
Mittel, um sich gegen Gottes Gerichte zu sichern, um sich von ihm
freizukaufen. Die pharisäische Frömmigkeit lief auf die Sicherung des
eigenen Ich gegen die Ansprüche Gottes hinaus. Die prophetische Vor-
aussage des einbrechenden Gottesreiches wurde auf ein irdisch politi-
sches Reich gedeutet. Was von Christus selbst maßgeblich als Bild und
Gleichnis für das Unanschauliche und Unaussagbare, das da kommen
sollte, ausgelegt wurde, wurde im buchstäblichen Sinne genommen und
von irdischer Pracht und Herrlichkeit verstanden. So mußte es zwi-
schen Christus, in dem alle alttestamentlichen Verheißungen ihre Er-
füllung fanden, und den Trägern der alttestamentlichen Verheißungen,
zwischen Gott und dem Vollstrecker des göttlichen Heilswillens einer-
seits und den auf ihn Angewiesenen andererseits zu einem tiefgreifen-
den, ja unversöhnlichen Gegensatz kommen.
An seinem Ende steht das
Kreuz. Die Bedeutung und die Verwerfung der alttestamentlichen Of-
fenbarungsträger drückt Paulus so aus: „Ich rede die Wahrheit in
Christus und lüge nicht. Mein Gewissen bezeugt es mir im Heiligen
Geiste: Groß ist mein Schmerz, unaufhörlich der Kummer meines Her-
zens. Gern wollte ich selber mit dem Fluche beladen fern von Christus
sein für meine Brüder, die mir dem Fleische nach stammverwandt sind.
Sie sind ja Israeliten, die die Gotteskindschaft, die Herrlichkeit, die
Bündnisse, die Gesetzgebung, den Gottesdienst und die Verheißungen
besitzen. Ihnen gehören die Väter an, und von ihnen stammt dem
Fleische nach Christus, der da ist über alles, hochgelobt in Ewigkeit.
Amen“ (Röm 9, 1—5. Vgl. die Lehre von der Kirche Bd. III 1 und
von den Sakramenten Bd. IV 1).
An diesem Vorgang enthüllt sich die Zweigesichtigkeit des Alten
Testamentes und seines Verhältnisses zu Christus. Es hat vorläuferi-
schen Charakter. Daher besteht zwischen ihm und der in Christus ge-
§ 143 Vorbereitung der Erlösung in außerbiblischem Bereich 105

schehenen Offenbarung Unterschied und Zusammenhang, Diskontinui-


tät und Kontinuität zugleich. Der Gnostiker Marcion (gest. um 160)
betonte nur den Unterschied, ja er behauptete einen radikalen Gegensatz
zwischen dem Alten und dem Neuen Testament, zwischen dem Gott des
Gesetzes und dem Gott der Gnade. Ihm gegenüber lehrte und erklärte
vor allem Irenäus den Zusammenhang zwischen dem Alten und
dem Neuen Testament. Zugleich aber stellt die christliche Offenbarung
etwas Neues dar. Sie wurde denn auch als etwas Neues empfunden.
Irenäus betont auch diese Seite. Um seinen Zeitgenossen die Neuheit
des Christentums nahezubringen, nimmt er die ihnen besonders ver-
traute Vorstellung vom Besuche (der Parusie) eines Monarchen zu
Hilfe. Wenngleich der himmlische König seine Ankunft durch Herolde
ausgiebig vorbereiten ließ, so wird dadurch das Neue, das seine wirk-
liche Ankunft bedeutete, nicht gemindert. Mit der Ankunft seiner eige-
nen Person kommen erst seine Güter und damit die Freude und die
Freiheit (Gegen die Häresien 3, 10, 5; 4, 34, 1f. Vgl. K. Prümm, Zur
Terminologie und zum Wesen der christlichen Neuheit bei Irenäus,
in: Piscieuli. Studien zur Religion und Kultur des Altertums Franz
Jos. Dölger dargeboten, Münster 1939, 192—219. Derselbe, Christen-
tum als Neuheitserlebnis. Durchblick durch die christlich-antike Be-
gegnung, Freiburg i. Br. 1939).
Mit der Ankunft des Neuen Bundes ist der Alte Bund veraltet.
Die christliche Offenbarung hingegen ist ewig jung. Diejenigen aber,
welche sie vorbereiten, haben mit ihrem Kommen den eigentlichen
Sinn ihres Daseins verloren. Ihre Tragik, ja ihre Schuld besteht darin,
daß sie sich nicht als Vorläufer verstehen und daher beim Erscheinen
des Neuen nicht im Neuen aufzugehen bereit sind. Es ist in einem
gewissen Sinne paradox, daß das alttestamentliche Gottesvolk trotz
dieser Überalterung gleichzeitig mit dem neutestamentlichen noch
weiter besteht. Diese Paradoxie wird jedoch verständlich, wenn man
bedenkt, daß es für die zweite Ankunft Christi noch eine wichtige Auf-
gabe zu erfüllen hat (vgl. hierfür die Lehre von den Letzten Dingen).

Zweites Kapitel
Die Vorbereitung der Erlösung in außerbiblischem Bereich
Die außerhalb des alttestamentlichen Offenbarungsbereiches
stehenden Völker bereitete Gott auf die Ankunft des Erlösers vor, in-
dem er sie (scheinbar) ihre eigenen Wege gehen ließ und sie dadurch
immer stärker zum Bewußtsein, zur erfahrungsmäßigen Erkenntnis
106 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

von der Unzulänglichkeit alles reinmenschlichen, von Gott losgelösten


Kulturstrebens kommen ließ, indem er aber zugleich durch die Werke
seiner Vorsehung und in der Stimme des Gewissens unaufhörlich zu
ihnen sprach (Apg 14, 15 f.; 17, 27 f; Röm 1, 24; vgl. Bd. I § 30). Tat-
sächlich kommt die Erlösungssehnsucht der außerbiblischen Völker
sowohl in ihren Philosophien als auch in ihren Religionen zum Aus-
druck.
Auch für sie gilt, wenngleich in einem wesentlich abgeschwächten
Sinne, daß sie vorläuferische Bedeutung haben. Daher besteht auch
zwischen ihnen und der christlichen Offenbarung ein gewisser Zusam-
menhang und ein Unterschied, ja Gegensatz. Von den Kirchenvätern
wird bald das eine, bald das andere Moment stärker oder sogar ein-
seitig betont. Den Zusammenhang sehen sie vielfach darin, daß den vor-
christlichen heidnischen Philosophen christliche Glaubenslehren ganz
oder teilweise geoffenbart wurden. So meint z.B. Augustinus,
daß den Neuplatonikern die Existenz des göttlichen Logos, ja sogar
die Trinität bekannt gewesen sei (Confess. VII, 9; Tract. 2 in Joann.,
Nr. 4; De civitate dei, X, 23). Der Unterschied ist indes hier viel tief-
greifender als der zwischen dem Alten und dem Neuen Bunde be-
stehende, und der Zusammenhang ist schwächer. Der erste wird von
den Kirchenvätern in der Regel weniger in der Lehre als vielmehr
im Kult gesehen. In der vorläuferischen Bedeutung liegt die Größe
und zugleich die Gefahr der außerbiblischen Religionen. Diese besteht
darin, daß die vorbiblischen Religionen sich weigern, die Offenbarung
in Jesus Christus anzuerkennen und in ihr aufzugehen, sich vielmehr
gegen sie behaupten und so die Gegner dessen werden, dessen An-
kunft vorzubereiten ihre Aufgabe und der Sinn ihres Daseins war.
So hat Buddha die Funktion, Indien auf Christus vorzubereiten, ist
aber zugleich dessen wirkungsvollster Widersacher.
Von den Christus nicht anerkennenden heidnischen Religionen
gilt in verstärkter Weise, daß sie durch die Ankunft Christi der Über-
alterung verfielen. Sie sind in ihrem Kerne nicht eigentlich falsch,
wenngleich sie in ein wahres Gestrüpp von Irrtümern verwickelt sind,
sondern veraltet. Dies gilt grundsätzlich von allen außerbiblischen
Religionen.
Eine Sonderstellung nimmt hierbei der Islam ein. Er bedeutet
gegenüber dem Christentum einen Rückschritt auf eine vorausliegende
Stufe. Es ist, wie wenn seinen Anhängern die christliche Offenbarung
noch nicht faßbar gewesen wäre und sie daher wieder in ein religiöses
Stadium zurücksanken, das schon überholt war. So fällt auch er unter
S 143 Die lange Dauer der Vorbereitung 107

die veralteten Religionen (vgl. für diese Darstellung J. Daniélou, Le


mystere de l’Avent, Paris 1948. Derselbe, La typologie d’Isaac dans
le christianisme primitif, in: Biblica 1947, 363 ff. Derselbe, Dialogues,
Paris 1948. Derselbe, Le mystere du salut des Nations. Derselbe,
Origene, Paris 1948. Derselbe, Le signe du temple. Derselbe, Der Gott
der Heiden, der Juden und der Christen, übers. von H. Broemser,
Mainz 1956. Y.-M. J. Congar, Außer der Kirche kein Heil, übers. von
Chr. u. R. Tannhof, Essen 1961. Derselbe, Das Mysterium des Tempels,
übers. von A. H. Geldern, Salzburg 1960).

Drittes Kapitel
Die lange Dauer der Vorbereitung

Die naheliegende Frage, warum die Erlösung erst so lange nach


der Sünde kam, wird angesichts der furchtbaren Macht und weiten
Verbreitung der Sünde immer ein drückendes Geheimnis sein. Die
Väter und die mittelalterlichen Theologen geben für das Zögern und
Warten Gottes folgende Gründe an: Die Gerechtigkeit Gottes wurde
in ihrer Strenge und in ihrem Ernst gerade durch das Zaudern mit
der Erlösung deutlich. Die Würde des Erlösers, dessen Ankunft das
bedeutungsvollste Ereignis der menschlichen Geschichte ist, verlangte
eine lange und eingehende Vorbereitung. Endlich wurde die mensch-
liche Sehnsucht nach gottgewirkter Erlösung und die Bereitschaft für
sie um so lebendiger, je mehr sich alle menschlichen Versuche, dem
Unheil und der Verlorenheit zu entrinnen, als aussichtslos erwiesen.
Im Anblick der Jahrtausende, die zwischen der ersten Sünde und
dem Erscheinen des Erlösers lagen, darf man nicht vergessen, daß
auch vor der Menschwerdung des Gottessohnes jedem Menschen das
Heil insoweit gewährt wurde, daß niemand ohne seine Schuld ver-
loren zu gehen brauchte. Die Erlösung in Christus warf ihren Glanz
voraus. Auch die Zeit vor Christus war schon umleuchtet vom Strahl
des Kommenden. Die vorchristliche Zeit nahm in der Weise der Vor-
bereitung am Erlösungswerke teil. Bonaventura sieht den Unterschied
zwischen dem AT und dem NT darin, daß das Heil im Alten Bund
sufficienter, im Neuen aber abundanter gegeben wurde (Sentent. IV
dist. 1, pars 2, art. 19. 2; art. 29. 3). Sehr ausführlich wird diese Frage
von Hugo von St. Cher (gest. 1263) behandelt. Man darf ferner nicht
übersehen, daß uns mit dem Kommen Christi ein größeres Heil zu-
teil wurde, daß wir aber auch in einer schwereren Verantwortung
108 Die Vorbereitung der Menschwerdung § 143

stehen (Hebr 2, 3), daß die Verantwortung in der vorchristlichen Zeit


geringer war. Die Offenbarung droht in der vorchristlichen Zeit am
wenigsten mit der Hölle; erst als deren Macht gebrochen war, warnt
die Schrift nachdrücklichst vor ihr. „Und doch sollte man erwarten, nie
sei die Androhung der Höllenstrafe notwendiger und zweckmäßiger
gewesen als in jenen Zeiten, wo die Sünde am gewaltigsten, die Her-
zenshärte am größten, die Gefahr der ewigen Verdammnis am dro-
hendsten war. Es ist ganz unverständlich, warum die Offenbarung
gerade in dem Zeitalter der ungebeugten Herzenshärte und titanen-
haften Widerspenstigkeit von der jenseitigen Verdammnis schweigt,
während die heidnischen Religionen sie androhen, — wenn nicht auf
das angegebene Gesetz der fortschreitenden Entwicklung des Gerich-
tes Rücksicht genommen wird. Die weltgeschichtlichen Veranstaltun-
gen Gottes haben nicht den Zweck, der Hölle möglichst viel Beute zu-
zuführen, sondern dem Riesen möglichst viel von seinem Raube zu
entreißen. Auch die Strafgerichte, welche über ganze Völker ergehen,
sind Heilmittel der Buße und Sühne für die Einzelnen, geheiligt und
gesegnet durch das Blut des Erlösers, der alle Übel aus Werkzeugen
des Fluches in Werkzeuge der Erlösung umgewandelt hat, soweit sein
Erlöserwille reicht, d. h. für alle Gebiete und für alle Zeiten“
(H. Schell, Katholische Dogmatik, Paderborn 1892, III 1, S. 3; ind.;
vgl. J. Gewieß, Die Begriffe n/no®v und ninowua im Kolosser- und
Epheserbrief, in: Vom Wort des Lebens. Festschrift M. Meinertz,
Münster 1951. Derselbe, Die Neuheit des Christentums nach dem
Zeugnis des Neuen Testaments, in: Zeitschr. für Missions- und Reli-
gionswissenschaft 1956).
S 144 Jesus Christus der menschgewordene Gottessohn 109

ZWEITE ABTEILUNG
Jesus Christus der menschgewordene Gottessohn

S 144
Überblick
I. Die zentrale Stellung Christi

Wenn man nach dem innersten Wesen des Christentums fragt,


gibt es nur eine richtige Antwort: Es ist Jesus Christus. In ihm ist
Gott selbst in die menschliche Geschichte eingetreten, er hat das
menschliche Schicksal auf sich genommen, verantwortet und so über-
wunden. In ihm hat sich Gott zur Menschheit herabgeneigt, um sie zu
sich emporzuziehen. Was man sonst noch als wesentlichen Bestand-
teil des Christentums bezeichnen muß, seine Lehre, seine sittlichen
Forderungen, seinen Gottesdienst, die Sakramente, ist christlich, weil
es und sofern es Auswirkung, Anspruch, Vergegenwärtigung der Per-
son Christi ist. Es gibt keine christliche Lehre oder Sittlichkeit oder
Gottesverehrung, die nicht auf ihn bezogen wäre. Die Lehre ist Ver-
gegenwärtigung und Ausdeutung seiner selbst, die Sittlichkeit Chri-
stus-Nachfolge, der Kult Teilnahme an der Verherrlichung, die er dem
Vater darbringt. Er ist alles, er ist die lebendige Mitte, aus der alles
fließt, in die alles mündet. Was immer in der Kirche geglaubt, gelehrt,
gefordert, getan, gebetet, gelitten wird, trägt sein Zeichen. Demge-
mäß bedeutet Christ-sein soviel wie mit Christus in Gemeinschaft
stehen, ihn als den Herrn anerkennen, an seinem Leben teilnehmen.
Das Ja zu seinen Worten, der Gehorsam zu seinen Forderungen hat
christliches Gepräge, sofern sich darin das Ja zu ihm selbst ausspricht.
Mit dem Christsein ist es also anders als mit der Anhängerschaft
an Sokrates oder Plato oder an irgendeinen Religionsstifter. Buddhist
ist, wer den Weg Buddhas nachgeht, Sokratesgläubiger, wer die
Lehren des Sokrates aufnimmt. Christ aber ist nur, wer sich Christus
überantwortet. Das Christsein ist gegründet auf Christus. Das Leben
Christi ist zwar einmalig und unwiederholbar. Es schwebt nicht wie
ein Mythus über dem geschichtlichen Ablauf des Christentums. Es
vollzog sich in einer genau umschriebenen geschichtlichen Zeit. Und
doch ist jeweils nur der ein Christ, der in seinem Hier und Jetzt am
Leben und am Sterben Christi Anteil bekommt. Das ist das Geheimnis
Jesus Christus der menschgewordene Gottessohn S 144
110

des Christen, daß er eins ist mit Christus und dadurch sein Selbst
nicht verliert, sondern gewinnt.
Paulus bezeichnet diese Daseinsweise als ein Sein in und mit
Christus. Es wird begründet in der Taufe. Da wächst der Mensch ge-
wissermaßen zusammen mit dem durch Leiden und Tod zur Ver-
klärung gelangten Christus. Er wird in den Machtbereich seines Todes
und seiner Auferstehung hineingezogen. Das Ich des Getauften wird
durchherrscht und durchformt vom Ich Christi. (In der Gnadenlehre
Bd. III 2 soll näher gezeigt werden, was diese Existenzweise bedeutet.)
Wenn das christliche Dasein das „Insein“ in Christus und Christi „In-
sein“ in uns bedeutet, dann wird der Mensch in der Taufe unlöslich
an Christus gebunden. Die Bindung an Christus ist unzerstörbar. Mag
einer sich noch so sehr anstrengen, von Christus loszukommen, er
bleibt für immer, selbst wenn er die Seinsweise der Hölle wählt,
durch die Christuszugehörigkeit gezeichnet. Er kann aus der Christus-
gemeinschaft nie mehr völlig ausscheiden.
Auch die Theologie, die Rede von Gott, ist christologisch ge-
prägt. Ja, sie ist in einem gewissen Sinne nichts anderes als ent-
faltete Christologie (vgl. H. Küng, Christozentrik, in: Lex. f. Theol.
u. Kirche, II, Freiburg i. Br. 1958?, 1169—1174).

II. Die Nähe Christi zum Menschen

Es erhebt sich die Frage, ob ein Mensch die immerwährende


intime Nähe eines anderen ertragen kann, ob er es aushalten kann,
daß kein Raum mehr in ihm bleibt, der ihm allein vorbehalten ist,
ob sich nicht der menschliche Stolz, ja schon das natürliche mensch-
liche Selbstbewußtsein gegen eine solche restlose Durchherrschung von
einem anderen Ich auflehnen muß. Wie und wer muß jener sein, mit
dem eine so unlösliche, tiefgreifende, vorbehaltlose Einigung möglich
ist, ohne daß unser personales Selbst und das darin gegebene Selbst-
bewußtsein verletzt wird? Es wird sich herausstellen, daß Christus
nicht wie ein Fremder uns beherrscht und überwältigt, sondern daß
er unser Innerstes, die uns selbst verborgenen Tiefen unseres Selbst
zur Erfüllung führt, daß er uns zu uns selbst bringt, indem er uns
zu Gott bringt. Wenn wir also fragen, wer er ist, dann geschieht das
nicht bloß mit jener Anteilnahme, mit der wir nach anderen Gestalten
der Geschichte fragen, auch nicht bloß mit jenem Ernst, mit dem wir
nach den unser eigenes Schicksal formenden Kräften und Mächten
Ausschau halten, sondern mit der Dringlichkeit, mit der wir unser
§ 144 Person und Werk 111

eigenes Dasein zu durchdringen und zu verstehen suchen. Christus


steht nicht nur wie eine Heilsgestalt in ferner geschichtlicher Ver-
gangenheit, sondern als der uns gestaltende Lebensgrund in unserer
Gegenwart, so daß unser Selbst von seiner Wirkkraft (dynamis) ge-
troffen wird.

III. Person und Werk

Aus dieser Bedeutung der Person Christi für unser Heil wird
auch die innige Verbundenheit zwischen seinem Selbst und seinem
Werk deutlich. Irgendwie ist das Werk immer Ausdruck des Menschen.
Aber keiner geht ganz ein in sein Werk und jedes Werk kann be-
stehen, auch wenn sein Schöpfer längst in Staub und Asche zerfallen
ist oder wenn er selbst aufhört, sich zu ihm zu bekennen. Christus
hingegen ist sein Werk. In ihm ist das Leben erschienen. Er ist die
in der menschlichen Geschichte aufgebrochene Liebe Gottes. Wer ihn
ergreift, ergreift daher das göttliche Leben und die göttliche Liebe,
die Heiligung, das Heil. Nichts von alledem läßt sich gewinnen ohne
Hinbewegung auf ihn.
In Christus sind Himmel und Erde vereint. In ihm ist die Welt
wieder heimgeholt zu Gott. Durch die Menschwerdung des Gottes-
sohnes ist die Erlösung eingeleitet. Sie ist freilich durch die Mensch-
werdung noch nicht vollendet. Das Leben Gottes in Christus existiert
in den Daseinsweisen der menschlichen Natur. Es ist nicht hinein-
gespannt in den Vollzug eines Augenblicks, sondern breitet sich aus
im Ablauf eines menschlichen Lebens, d.h. in der Not, Enge, Schwäche,
Mühsal des menschlichen Daseins. Dazu gehören Hunger, Durst,
Ermüdung, Tod. In diesen Urweisen des menschlichen Lebens voll-
zieht der Sohn Gottes, das unter uns erschienene Gottesleben, sein
Dasein. Er nimmt darin die menschliche Hinfälligkeit bis zum Tode
auf sich und überwindet sie. Durch seinen Tod tötet er den Tod. Das
tritt deutlich hervor in seiner Auferstehung und Himmelfahrt. Da
zeigt sich, daß sich sein Leben nicht im äußeren Verlauf erschöpft,
sondern daß darin ein Geheimnis, eben das Geheimnis unseres Heiles
geschieht, weil in jedem Vorgang dieses Lebens das unter uns er-
schienene Gottesleben wirksam ist. Während seines Lebens merkt
man davon nicht viel. Nur ab und zu zuckt es wie ein Blitz auf, so
bei den Krankenheilungen, bei der Sündenvergebung, bei den Toten-
erweckungen. Da erleben die Beteiligten erschreckt und beglückt,
daß einer unter ihnen steht, der Macht hat über die menschliche Ver-
112 Der Glaube als Zugang zu Christus S 145

lorenheit und Hinfälligkeit. Das Selbst Christi wirkt sich so aus in


seinem Tun, in den Werken, die er vollbringt. Der das menschliche
Leben bis zum Kreuzestod durchtragende Gottessohn ist das Heil, das
wir ergreifen, der Weg, den wir beschreiten müssen. Man kann daher
Werk und Person Christi nicht trennen. Diese geschichtliche Erschei-
nung ist dadurch gekennzeichnet, daß sie durch ihr Leben und Ster-
ben die Sterblichkeit und die Vergänglichkeit vernichtete.
Umgekehrt hat dieses Leben und Sterben die Macht, unvergäng-
liches Leben zu bringen, weil es das Sterben dieses Menschen ist. Wer
Christus im Glauben ergreift, der ergreift den durch Leiden und Tod
zur Auferstehung und Himmelfahrt hindurchgeschrittenen. Wenn in-
des Person und Werk Christi auch innig zusammengehören, so muß
eine geordnete und übersichtliche Darstellung, in welcher nicht alles
zugleich, sondern bloß eines nach dem anderen gesagt werden kann,
doch trennen, was in der Wirklichkeit verbunden ist. Es muß das
eine Mal die Rede sein von dem, der durch Tod und Auferstehung
uns das Leben brachte, das andere Mal von dem Mysterium des Le-
bens, das dieser Eine geführt hat. Man darf nur das erste Mal das
Werk, das zweite Mal die Person nicht vergessen.

8 145
Der Glaube als Zugang zu Christus

Erstes Kapitel

Christus als Erscheinung Gottes

Schon für die Erkenntnis eines jeden anderen gilt, daß nur der
von der Liebe geformte Glaube den Zugang zu dem Geheimnis der
Person findet. In besonderer Weise trifft dies bei der Erkenntnis
Christi zu. Zwar führen viele Wege zu Christus. Aber nur die Wege
des Glaubens führen in sein inneres Geheimnis hinein. Christus ist die
Erscheinung (Epiphanie) Gottes in der Welt, aber eine Erscheinung
in Verhüllungen. Wer nicht an ihn glaubt, der wird sehen und doch
nicht sehen, hören und doch nicht hören (Mk 4, 12; Mt 13, 13). „Der
Mensch, oder vielmehr die menschliche Natur (Jesu) war zwar an ihm
sichtbar für das natürliche Auge der Menschen; aber die göttliche
Würde und Persönlichkeit dieses Menschensohnes, die hypostatische
Vereinigung seiner menschlichen Natur mit der Person des Sohnes
§ 145 Tragweite der geschichtlichen Erforschung der neutest. Schriften 113

Gottes, die in ihm wohnende Fülle des göttlichen Wesens und der ihr
entströmende Reichtum göttlicher Herrlichkeit und Heiligkeit, war
für jedes irdische Auge, für jede kreatürliche Vernunft verborgen.
Die in ihrer natürlichen Konstitution sichtbare Menschheit Christi...
war aufgenommen in das unzugängliche Licht der Gottheit, in dessen
Schoß sie ruhte, von dessen Herrlichkeit sie erfüllt war. Wir sagen
daher auch nicht, daß die Menschheit Christi an sich ein Mysterium
gewesen; sie war sichtbar, sie trug das Mysterium in sich und bedeckte
es gerade durch ihre natürliche Sichtbarkeit; denn indem Christus
äußerlich befunden wurde wie andere Menschen, konnte man am
allerwenigsten erraten, daß er innerlich mehr war, unendlich mehr
war als bloßer Mensch“ (J. M. Scheeben, Die Mysterien des Christen-
tums, hrsg. von J. Höfer, Freiburg i. Br. 1941, 278).
Man kann daher nicht sagen, daß den Zeitgenossen der Glaube
an seine Herrlichkeit wesentlich leichter gefallen sei als den Späteren.
Er scheint für sie im Gegenteil schwerer gewesen zu sein, weil sie
noch nicht um den erhöhten Herrn wußten und weil ihnen die mensch-
liche Schwäche aufdringlicher vor Augen stand. Ihre Augen waren
gehalten, solange ihnen nicht das unsichtbare Licht Gottes leuchtete,
in dessen Schein sie Christus im Glauben ergriffen (Lk 24, 16).
Die Verborgenheit der Gottesherrlichkeit in Christus darf jedoch
auch nicht übertrieben werden. Diese war nicht so verhüllt, daß das
Auge gar keinen Schimmer von ihr wahrnehmen konnte. Hin und
wieder wetterleuchtete die Macht und die Heiligkeit Gottes auf dem
Antlitz des Herrn, in seinen Worten und Gebärden, und zwar auch
in jenen Stunden, in denen er die tiefste Erniedrigung auf sich nahm.
Von seiner Gottesherrlichkeit war soviel zu sehen, daß die Gutwilligen
zum Glauben an ihn kommen konnten, und soviel verborgen, daß die
Böswilligen sie übersehen konnten.

Zweites Kapitel
Die Möglichkeit und die Tragweite der geschichtlichen Erforschung
der neutestamentlichen Schriften

Da die neutestamentlichen Schriften Glaubenszeugnisse sind,


fragt es sich, ob eine rein historische Betrachtung und Erforschung
überhaupt sinnvoll und legitim ist. Ihr volles Verständnis kann ent-
sprechend ihrem Grundcharakter als Kerygma in der Tat nur der
Glaubende gewinnen. Dies schließt jedoch nicht die Möglichkeit aus,

8 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


114 Der Glaube als Zugang zu Christus S 145

sie auch wie andere historische Überreste aus der Vergangenheit zu


befragen. Dies wäre nur dann unmöglich, wenn der in den neutesta-
mentlichen Schriften sich ausdrückende Glaube nicht ein Ja zu einer
geschichtlichen Gestalt, zu ihren Worten und zu ihrem Werke wäre.
Die bloß historische Forschung kann allerdings nicht in jene Dimen-
sion vordringen, zu der nur der Glaube Zugang hat.
Die Wege der natürlichen, geschichtlichen Betrachtung gehen bis
an den Beginn der Gottesherrlichkeit in Christus heran und brechen
dann ab. Es ist freilich schon ein großer Gewinn, so weit zu kommen.
Wenn ein Mensch Christus auf diesem Wege einmal in den Blick be-
kommen hat, dann ist er vor die Entscheidung gestellt, ob er in den
Innenraum des Mysteriums eintreten will oder nicht. Erst dem Ein-
tretenden erschließen sich die Herrlichkeiten dieses Lebens. Wie aber
der noch nicht im Glauben an Christus Hingegebene den Weg der
geschichtlichen Prüfung und philosophischen Überlegung gehen kann,
so kann der schon im Glauben mit Christus Geeinte auf diesen Weg
zurückblicken und sich darüber freuen, daß er ihn glücklich zurück-
gelegt hat. Mit anderen Worten: Man kann den Versuch machen, mit
geschichtlich-philosophischen Mitteln zu klären, wer Christus war.
Die neutestamentlichen Schriften werden dabei als geschichtliche
Quellen verwendet, wie sonst geschichtliche Quellen durchforscht wer-
den. Sie werden nach den gleichen Grundsätzen geprüft und ausge-
schöpft. Die so betriebene Forschung kann zeigen, daß Christus gelebt,
daß er sich als Sohn Gottes bezeichnet und erwiesen hat und daß seine
Persönlichkeit Vertrauen verdient. Diese Erkenntnis nimmt jedoch teil
an den Bedingtheiten und Begrenztheiten alles geschichtlichen Wis-
sens. Sie kann vor allem nicht das Geheimnis Christi in seiner inneren
Sinnhaftigkeit ergreifen. Sie kann niemanden nötigen, das ganze Ver-
trauen auf Christus zu setzen und die Existenz auf ihn zu gründen.
Dies kann bloß der Glaube. Aber die angegebene Erkenntnis ist eine
Vorläuferin des Glaubens dort, wo er noch nicht besteht, und eine
Rechtfertigung des Glaubens, wenn er schon vollzogen ist (vgl. 88 24
und 25).
§ 145 Die Heilige Schrift als theologisches Christuszeugnis 115

Drittes Kapitel

Vorurteilslosigkeit?

Auch schon die geschichtliche Erforschung der neutestamentlichen


Schriften muß in einer bestimmten Haltung geschehen. Man kann
hierbei nicht davon absehen, daß mindestens die Möglichkeit besteht,
daß uns in Christus Gott sein Antlitz zuwendet. Auch wo die bloße
Möglichkeit besteht, daß Gott den Menschen anspricht, ist ehrfürch-
tiges Hinhören und bereitwilliges Standhalten die allein sachgemäße
Haltung. Denn Gott ist nicht irgendein Gegenstand unseres Nach-
denkens, sondern der Herr, der Seligmacher. Man kann bei keiner
philosophischen oder theologischen Bemühung um Gott so tun, als
ob er keine andere Bedeutung hätte als jene, die ein philosophisches
System oder ein naturwissenschaftliches Gesetz oder ein geschicht-
liches Ereignis als solches haben. Da sich jede wissenschaftliche
Forschung nach ihrem Gegenstand richtet (anders ist das Vorgehen
des Mathematikers, anders jenes des Philosophen, anders jenes des
Naturforschers), wäre ein völlig „vorurteilsloses* Vorgehen Gott
gegenüber geradezu unwissenschaftlich. Denn es würde hierbei ein
wesentlicher Teil der Wirklichkeit ausgelassen, die Tatsache näm-
lich, daß Gott der Schöpfer und Herr ist, der Verfügungsgewalt über
uns hat und dem wir verantwortlich sind. Wo daher auch nur die
Möglichkeit auftaucht, daß Gott in Sicht kommt, da geziemt nicht
mehr bloß die Arbeit des unterscheidenden, beurteilenden, bejahen-
den oder ablehnenden Verstandes. Da sind zwangsläufig auch das
Gefühl, der Wille, das Herz dabei, sei es hemmend, sei es fördernd.
Da ist das aus der Scheu vor dem höchsten Sein und der Liebe zum
höchsten Wert, aus der Ehrfurcht vor der Majestät des Heiligen zu-
sammenwachsende religiöse Gefühl beteiligt, das dem Verstande An-
trieb gibt für die Erforschung des göttlichen Geheimnisses und am
Ende des Verstandesweges dessen Herrlichkeit ahnt (K. Adam, Das
Wesen des Katholizismus, Düsseldorf 19491).

Viertes Kapitel
Die Heilige Schrift als theologisches Christuszeugnis

Nur dem, der in dieser Haltung die neutestamentlichen Schriften


befragt, werden sie ein Weg zu Christus sein. Das Vorgehen wird
hierbei durch folgende Probleme und Tatsachen bestimmt. Es ist die

CM
116 Der Glaube als Zugang zu Christus S 145

Differenz zwischen dem verkündigenden Jesus und dem verkündig-


ten Christus, bzw. zwischen dem Jesus der Geschichte und dem Chri-
stus des Glaubens zu erörtern. Das Problem lautet, ob der Jesus der
Geschichte mit dem Christus des Glaubens, dem Messias, identisch ist.
Eine unbefangene Auslegung der Schrift kann an dieser Identität
nicht zweifeln, wenngleich die Schrift ein auslegendes, durch den
Glauben genährtes Zeugnis von dem Jesus der Geschichte ist. Die
biblischen Christusaussagen haben ihren Ursprung in dem Selbst-
zeugnis des geschichtlichen Jesus, nicht in dem hellenistischen Kyrios-
glauben (W. Bousset), noch in dem gnostischen Erlösermythos (R.
Bultmann), auch nicht in dem Osterglauben der Jünger. Die österliche
Erfahrung und die Sendung des Heiligen Geistes haben zwar den
Jüngern zu einem vertieften Verständnis Jesu Christi verholfen, wel-
cher ihnen bis zu seiner Himmelfahrt ein verschlossenes Geheimnis
geblieben war (Apg 1, 6). Aber es wurde nur das geklärt, was die
Jünger von Jesus selbst während seines irdischen Lebens gehört und
gesehen haben. Die Christusaussagen des Neuen Testaments haben in
dem geschichtlichen Jesus selbst, in seiner Selbstaussage, in seinem
Wort und in seinem Tun ihren Grund und ihre Legitimation. Das
Christuszeugnis der neutestamentlichen Hagiographen ist bis zu einem
gewissen Grade ein theologisches, d. h. ein interpretierendes Zeugnis,
der Kern und die Substanz der biblischen Christusaussagen gehen
jedoch auf den historischen Jesus selbst zurück. Sie sind nicht erst
entstanden aus dem Osterglauben der Jünger. Die Zeugen, die in den
Schrifttexten sprechen, sind Augen- und OÖhrenzeugen. Sie sagen das,
was sie gesehen und gehört haben. Sie legen das Gesehene und Ge-
hörte zugleich aus, am wenigsten die Synoptiker, aber auch sie, am
meisten Johannes. Daß bei dieser Auslegung keine menschliche Fehl-
deutung unterläuft, ist in der Inspiration begründet (vgl. Bd. I § 15).
Der Heilige Geist selbst ist es, welcher durch die Hagiographen die
Interpretation des Wortes und des Werkes Jesu Christi vornimmt
und so jene Funktion erfüllt, welche ihm Christus zuschreibt, wenn
er den Jüngern die Verheißung gibt, daß der Geist sie in alle Wahr-
heit, d.h. in die von Christus erschlossene Wirklichkeit einführen
werde (Jo 16, 13). Die vom Heiligen Geist durch die Hagiographen
vorgenommene Auslegung bewegt sich noch im Rahmen der Offen-
barung. Sie hat selbst noch Offenbarungsfunktion.
Die ältesten und unmittelbarsten Erinnerungen an Jesus Chri-
stus begegnen uns in den Evangelien. Sie enthalten das umfang-
reichste Material. Die Apostelgeschichte hingegen bietet uns den älte-
§ 145 Die Heilige Schrift als theologisches Christuszeugnis 117

sten Glauben der Christen. In ihr stoßen wir auf das religiöse Leben
in den Urgemeinden. Die Briefe des Apostel Paulus jedoch sind das
älteste literarische Zeugnis für Christus (Röm; Gal; 1 Kor; 2 Kor; 1
Thess). Da sich Paulus mit aller Kraft gegen Christus wehrte, dann
aber in seinem vor Damaskus gewonnenen Christusglauben ein Feuer-
brand für Christus wurde und seine Freundschaft mit Christus mit
dem Tode besiegelte, da er ferner in all seinem Enthusiasmus auf
historische Genauigkeit bedacht war (Gal 3, 1. 10; 4, 4; 6, 17; Röm 1,3;
1 Kor 15, 3 ff.) und, wie er mit Entschiedenheit betonte, sein Wissen
über Christus der Überlieferung, in erster Linie wohl dem heiligen
Petrus, verdankte (1 Kor 15, 3; Gal 1, 15 f.), so besitzen seine Berichte
große Zuverlässigkeit. Für das Verständnis des paulinischen Christus-
zeugnisses ist es von entscheidender Bedeutung, daß Paulus Christus
als Lichtmacht, als Herrn, als Heilsbringer erfahren und in einer
tiefen, geheimnisvollen Freundschaft mit ihm gelebt hat. Hinsichtlich
des theologischen Charakters seiner Christusaussage bewegt er sich
zwischen den Synoptikern und dem Johannesevangelium.
Was die Evangelien betrifft, so ist zu unterscheiden zwischen den
synoptischen Evangelien mit der Apostelgeschichte und dem Johan-
nesevangelium. Die synoptischen Berichte sind nach Inhalt und Form
die Zusammenfassung (Sammlung) vorher schon vorhandener münd-
licher, teilweise auch schon schriftlich festgelegter („Redequellen“),
die Predigt der Augenzeugen wiedergebender Überlieferungen. Die
Evangelisten berichten, wenn auch nicht in allem form- und buch-
stabengetreu, so doch sachgetreu die Werke und Worte Jesu. Infolge
der Verschiedenheit der Christuszeugen hatten sich verschiedene Er-
zählungstypen herausgebildet, welche dann von den Evangelisten ge-
ordnet, schlicht und sachlich zusammengestellt wurden. Mancherlei
Unebenheiten können so erklärt werden und verlieren dadurch ihre
Bedeutung. „Sei dem wie immer, unumstößlich bleibt die Tatsache,
daß gerade das, was dem Laien bei einer vergleichenden Zusammen-
schau der einzelnen Evangelien zum Anstoß werden kann — ihre
zahlreichen Gemeinsamkeiten, Parallelen und Abhängigkeiten, ande-
rerseits ihr auffälliges Auseinandergehen in gewissen Einzelheiten, ihre
Dubletten, weiterhin ihr rein äußerlicher Aufbau, das Schematische
ihrer Darstellungsweise —, daß uns gerade dies die unbedingte Ge-
währ bietet, urapostolisches, urchristliches Überlieferungsgut vor uns
zu haben. In dieser seltsamen Art der Erzählung verrät sich nicht eine
Ungelenkheit der Schriftsteller. Es bekundet sich vielmehr darin wie
nirgends geradezu demonstrativ in einer rührenden Anschaulichkeit
118 Der Glaube als Zugang zu Christus S 145

ihre bis auf den kleinsten Wortlaut sich erstreckende Treue zur Über-
lieferung. Es offenbart sich darin das ängstliche Bemühen der Evan-
gelisten, das in der Gemeinde umlaufende Traditionsgut, soweit es
apostolische Erinnerungen barg, mit seinem gesamten Drum und
Dran wiederzugeben, völlig unbekümmert darum, ob sich etwa Un-
ebenheiten oder Widersprüche oder Dubletten darin fänden“ (K.
Adam, Jesus Christus, Augsburg 19498, 69 f.). Grundlegend ist für
das Verständnis der syn. Evangelien, daß sie das wiedergeben, was
die Apostel an Christus erfahren, was sie gehört und gesehen haben
(vgl. § 12). Die göttliche Präexistenz wird auch von ihnen bezeugt.
Sie tritt aber nicht so klar zutage wie bei Johannes und Paulus. Für
die Echtheit der Evangelien spricht die Tatsache, daß sie den äuße-
ren Rahmen der Geschichte Jesu (politische, wirtschaftliche, soziale
Verhältnisse) und die geistig-religiöse Haltung des damaligen Juden-
tums, welche beide kurz darauf grundlegende Änderungen erfuhren,
genau spiegeln.
Die Evangelien sind zwar innerhalb der kirchlichen Urgemein-
den entstanden. In ihnen drückt sich der kirchliche Glaube und das
kirchliche Leben aus. Es wäre jedoch eine schwere Verkennung der
Wirklichkeit, wenn man in den Evangelien nur oder primär Ge-
meindetheologie sähe und die Gemeinden für die Verfasserinnen der
Evangelien hielte. Die Evangelien sind vielmehr von einzelnen inspi-
rierten Autoren innerhalb der Gemeinden geschrieben. In ihnen spie-
geln sich sachgetreu die Gestalt, das Wort und das Werk Jesu Christi,
wenngleich die Wiedergabe dessen, was die ersten Jünger von Christi
vernommen haben, nicht auf Buchstabentreue beruht. Auch in den syn.
Evangelien wird über das Gesehene und das Gehörte reflektiert. Auch
sie sind also theologische Aussagen. In der Reflektion über das Ge-
sehene und Gehörte, über den geschichtlichen Jesus und sein Wort
unterscheiden sich die drei Synoptiker trotz ihrer grundsätzlichen
Einheit untereinander auf mannigfache Weise. Es sei auf folgendes
aufmerksam gemacht. Die drei synoptischen Evangelien bezeugen den
für den Messias, den Sohn Gottes, von Gott selbst bestimmten Heils-
weg als einen Weg durch Erniedrigung zur Erhöhung. Sie bezeugen
das Leiden und die Auferstehung Jesu Christi als die Erfüllung alt-
testamentlicher Prophezeihung. Markus ist dabei von der Theologie
des Menschensohnes beherrscht. Matthäus bezeugt Christus vor allem
in der Auseinandersetzung mit dem ungläubigen Judentum. Jesus ist
der verheißene davidische Heiland, welcher alle Gerechtigkeit erfüllt,
unschuldig leidet, der als der letzte Gottesgesandte in höchster Autori-
§ 145 Die Heilige Schrift als theologisches Christuszeugnis 119

tät auftritt, die neue Gottesgemeinde gründet, als Sohn Gottes ver-
standen wird und nach der Auferstehung in der Kraft seiner eigenen
Sendung die Jünger zu allen Völkern und durch alle Zeiten sendet,
auf daß sie lehren und taufen. Das Christuszeugnis des Evangelisten
Lukas läßt Christus als den erbarmungsreichen Helfer und Arzt, als
den Heiland der Sünder, als den Anwalt der Armen erscheinen, als
den Retter also, welcher gütig ist, geduldig im Leiden, die Mächtigen
der Erde nicht fürchtet, die Frauen ehrt und aller Welt das Heil ver-
kündet (R. Schnackenburg, Neutestamentliche Christologie, Lex. f.
Theol. u. Kirche, V, Freiburg 1960?, 934).
Wegen des geringeren Maßes von Theologie in den synoptischen
Evangelien bieten diese dem Verständnis größere Schwierigkeiten als
die paulinische und die johanneische Christusaussage. Denn die bei-
den letzteren lassen es dem Leser infolge der weitgehenden, von ihnen
gebotenen Erklärung verständlicher erscheinen, warum Christus so
handelt und spricht, wie er es tatsächlich tut, da sie seine Göttlichkeit
deutlicher ins Licht stellen als die synoptischen Evangelien, wenn-
gleich auch von diesen die metaphysische Gottessohnschaft Jesu
Christi bekundet wird.
Die sogenannte formgeschichtliche Methode macht den Versuch, in die Zeit
der vorliterarischen Überlieferung vorzudringen, um so zu erkennen, wie es zu den
in den neutestamentlichen Schriften vorliegenden Berichtsweisen gekommen ist.
Sie will gewissermaßen das „Evangelium vor den Evangelien“ und so auch das
„Evangelium in den Evangelien“ erfassen. Sie glaubt für die Entwicklung der vor-
literarischen Berichte bestimmte Gesetze entdecken zu können. Diese lassen sich
nach ihrer Meinung aus den Abwandlungen gewinnen, welche die Überlieferung
innerhalb der schriftlichen Fixierung von Markus über Matthäus und Lukas zu
Johannes erfahren hat, und die gewissen, nachweisbaren Gesetzen folgten. Mit Hilfe
dieser Gesetze versucht die formgeschichtliche Methode, die Geschichte und die Ent-
wicklung der Überlieferung vor der schriftlichen Fixierung festzustellen. Sie kommt
dabei zu der Überzeugung, daß die Evangelien nur zum geringeren Teil ihre „For-
mung der schriftstellerischen Individualität des Evangelisten verdanken“, daß sie
vielmehr in höherem Maße vor ihrer Niederschrift „lange Jahre in der gläubigen
Gemeinde weitererzählt, allmählich ihre durch knappe Formulierung und gläubige
Schau bestimmte Gestalt erhielten und dann von den Evangelisten, welche die
Griffel der Kirche waren, nach der Tradition niedergeschrieben wurden“. Diese
Erklärung führt weiter zu der Behauptung, daß die Berichte von Jesus ursprüng-
lich als Einzelgeschichten weitergegeben und dann von den Evangelisten im Rahmen
eines Evangeliums zusammengefügt wurden. Maßvoll angewandt, führt die form-
geschichtliche Methode zu glücklichen Ergebnissen. Trotz der starken Beteiligung
der kirchlichen Gemeinschaft an der Formung der Evangelien trägt jedes ein eigenes
Antlitz. Jedes ist durch die Eigenart seines Verfassers gefärbt. (Vgl. K. H. Schelkle,
Die Passion Jesu in der Verkündigung des Neuen Testaments, Heidelberg 1949, mit
120 Der Glaube als Zugang zu Christus S 145

reicher Literatur. E. Schick, Formgeschichte und Synoptikerexegese, Münster 1940.


E. Florit, II metodo della „Storia delle forme“ e sua applicazione al racconto della
Passione, Rom 1935. R. Schnackenburg, Formgeschichtliche Methode, in: Lex. f.
Theol. u. Kirche, IV, Freiburg i. Br. 1960?, 211 ff.)

Am stärksten ist das Evangelium des heiligen Johannes durch die


Denkweise und die Vorstellungsart seines Verfassers geprägt. Es ent-
hält am meisten Theologie. Johannes hat in mannigfacher Weise die
Worte Jesu in seine, des ‘Johannes, Sprache und Vorstellungsweise
übersetzt und die Taten Jesu in seinem Lichte geschildert. Das be-
einträchtigt jedoch nicht die objektive Wahrheit des von ihm Bezeug-
ten. Denn seine persönliche Eigenart bestimmte nur die Darstellungs-
weise, nicht aber den Inhalt des Dargestellten.
Beim vierten Evangelisten handelt es sich also nicht nur um
Sammelgut, sondern um ein persönliches, mit lebendigster Anteil-
nahme geschriebenes Werk. Aber auch er versichert wiederholt, daß
er nur Selbsterlebtes berichtet, daß er keinen Mythus, sondern Ge-
schichte bietet (vgl. 1 Jo 1, 1—4). Mehrfach verrät er, daß er mit dem
Liebesjünger identisch ist. Er hat sich zum Ziel gesetzt nachzuweisen,
daß nicht eine von der griechischen Philosophie erdachte Idee, sondern
der geschichtliche Jesus von Nazareth der wahre Logos ist, und zwar
deshalb, weil er der eingeborene Sohn Gottes ist, der in die Welt kam,
auf daß die Welt gerettet werde.Er bezeugt, daß in Christus die Herr-
lichkeit Gottes erschienen ist. Dieses Zeugnis legt er von Christus ab,
indem er dessen Selbstzeugnis, das Zeugnis Johannes des Täufers,
jenes der Apostel, der Jünger und der gläubig gewordenen Zuhörer
und Zuschauer anführt. Johannes ist es noch weniger als den übrigen
Evangelisten darum zu tun, einen fortlaufenden Bericht vom Leben
Jesu zu geben, er will vielmehr die in Christus erschienene Gottes-
herrlichkeit aufleuchten lassen. Er sagt in mannigfachen Weisen
immer wieder das Gleiche: Jesus von Nazareth ist der in die Ge-
schichte eingetretene Sohn Gottes. Johannes bezeugt dies in ständiger
Auseinandersetzung mit dem Gnostizismus und dessen Heilswissen.
Er nimmt hierbei gnostische Begriffe und Bilder (z. B. Licht, Finster-
nis, Welt, Leben, oben, unten) in seine Darstellung auf, läutert sie
und verwendet sie für die Beschreibung Jesu Christi.
Die so in ihrer Echtheit und Ursprünglichkeit gesicherten Quellen
verdienen Vertrauen, da ihre einzelnen Verfasser Augenzeugen waren
und mit großem, bis zur Hingabe des Lebens standhaltenden Ernst
ihr Zeugnis für Christus ablegten, da ihr Zeugnis in einer auf treueste
Bewahrung der apostolischen Überlieferung sorgsam bedachten Ge-
$ 145 Das Ärgernis 121

meinschaft stattfand, in welcher stets die Möglichkeit einer gegen-


seitigen Kontrolle und damit die unbedingte Sicherung gegen Verfäl-
schungen und das Einströmen fremder Gedanken gegeben war. Letzt-
lich freilich wird die bloß geschichtliche Betrachtungsweise gerade in
einer entscheidenden Weise der Heiligen Schrift nicht gerecht, da
diese nicht bloß menschlicher Bericht, sondern das Zeugnis des Hei-
ligen Geistes ist. (Siehe J. Michl, Die Evangelien, Geschichte oder
Legende? München 1940.)

Fünftes Kapitel

Das Ärgernis

Letztlich enthüllt sich das von den neutestamentlichen Schriften


berichtete und bezeugte Geheimnis Christi nur dem, welcher es sich im
Glauben aneignet. Denn die neutestamentlichen Schriften sind aus
dem Glauben geboren und für den Glauben bestimmt. Sie sind Glau-
benszeugnisse und haben missionarische Absicht. Der Glaube ist da-
bei zu verstehen als die Übereignung des eigenen Selbst an Jesus
Christus. Die biblischen Aussagen stammen also aus der Gemeinschaft
mit Christus. Sie sind Aussagen von Männern, welche „in“ Christus
leben. Die Gemeinschaft mit Christus hat ihnen ein Auge gegeben, mit
welchem sie sehen, was andere nicht sehen. Dieser Charakter der
neutestamentlichen Christusaussagen bringt es mit sich, daß sich ihr
voller Sinn auch nur jenem erschließt, welcher im Glauben Anteil be-
kommt an Christus. Der Glaubende tritt in Lebensgemeinschaft mit
Christus. Er wird gewissermaßen in das Leben, Sterben und Aufer-
stehen Christi hineingenommen. Ihm ist daher das Christusgeheimnis
aufgetan. Dem Glaubenden ist von Gott selbst die Sehkraft geschenkt,
deren er bedarf, um die Gottesherrlichkeit in Christus zu sehen. Der
Heilige Geist, welcher in den neutestamentlichen Schriften durch die
Hagiographen die Herrlichkeit Christi bezeugt, schließt Christus und
die Christusgläubigen zu einer Einheit zusammen, so daß der Chri-
stusgläubige in der Sphäre Christi lebt und daher imstande ist, das
Geheimnis zu erfassen (vgl. die Lehre vom Glauben in der Gnaden-
lehre, Bd. III 2; siehe auch Bd. I $ 24).
Bei solchen Überlegungen ist vorausgesetzt, daß es sich bei dem
Verständnis der biblischen Christusaussagen nicht nur um das Ver-
ständnis von Sätzen, sondern um das Verständnis jener Wirklichkeit
122 Der Glaube als Zugang zu Christus S 145

handelt, welche in den Sätzen beschrieben wird, daß es sich also nicht
um ein nominalistisches, sondern um ein realistisches Vorgehen han-
delt. Die durch die Aussagen selbst zu erreichende Wirklichkeit ist
jedoch personhaft, nicht sachhaft, eben Jesus Christus. Eine Person
aber kann hinsichtlich ihrer personhaften Dimension nicht „Gegen-
stand“ sein nach der Art des apersonalen Seins. Das Verhältnis von
Person zu Person ist nicht identisch mit dem Verhältnis des Subjekts
zum Objekt, es stellt vielmehr eine Begegnung dar. Nur wenn sich die
Person einer anderen in Liebe erschließt, wird sie erkennbar. Nur
wenn sich eine Person einer anderen liebend zuwendet, kann sie diese
erkennen. Der Glaube stellt eine Begegnung zwischen Christus und
den christusgläubigen Menschen dar.
Gott hat uns das gläubige Ja zu seiner in Christus erschienenen
Liebe zugleich schwer und leicht gemacht. Christus ist arm und macht-
los, führt lebenslang einen aussichtslosen Kampf gegen Haß und Un-
verstand, und schließlich unterliegt er in einem schimpflichen Tod,
der den Zusammenbruch seines Lebens zu besiegeln scheint. Wer im
Glauben zu ihm kommen und ihn festhalten will, muß darauf ver-
zichten, das Menschliche, sei es das menschliche Denken, sei es das
menschliche Wollen, sei es auch das menschliche Erleben zum Maß-
stab seines Wertens und Urteilens zu machen. Die Juden sind gerade
deshalb in ihrer Sünde geblieben, weil sie sich von ihren bloß inner-
weltlichen und innermenschlichen Wertungen nicht frei machen konn-
ten (Jo 5, 44). In Christus ruft also Gott den Menschen an, die Selbst-
herrlichkeit des Menschlichen zu verlassen und sich auf ihn hin auf
den Weg zu machen. Christus stellt daher die Menschen vor die Ent-
scheidung. Wer nicht an ihn glaubt, wer nicht anspruchsvoll genug ist,
die menschliche Selbstgenügsamkeit zu sprengen, wer nicht lebendig
genug ist, sich nach dem ewigen Leben auszustrecken, der bleibt in
der menschlichen Enge, im Tode, in der Sünde. Über den ist das Ge-
richt schon gesprochen. Wer hingegen Christus im Glauben ergreift,
der hat das Leben. An Christus entscheidet sich also Leben und Tod
(Lk 2, 34). Er ist ein in die Welt gestelltes Gotteszeichen, dem zuge-
stimmt und widersprochen wird. Es gibt kein Zeichen, an dem sich
eine so tiefe, endgültige, bis in die letzten Möglichkeiten hinein-
reichende Scheidung vollzieht. „Durch die Anrufung des Namens Jesu
Christi, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde, tritt eine Schei-
dung unter den Menschen ein“ (Irenäus von Lyon, Epideixis
[Erweis der apostolischen Verkündigung] II 3 Nr. 97; BKV II 64).
Gerade weil in ihm Gott auf den Menschen zugeht, wehrt sich das in
8 145 Das Ärgernis 123

die Sünde verstrickte Herz gegen ihn (Jo 8, 43 f.). Es nimmt an ihm
Ärgernis.
„Das Ärgernis bedeutet den Ausbruch der Gereiztheit des Menschen gegen Gott.
Wider Gottes Eigenstes: wider seine Heiligkeit. Ärgernis ist das gereizte Aufbegehren
wider das lebendige Wesen Gottes. Im Tiefsten des Menschenherzens, neben der
Sehnsucht nach dem ewigen Ursprung, aus welchem das Geschöpf kommt und in
dem allein alle Fülle ist, schlummert auch der Widerstand gegen denselben Gott,
die Urgestalt der Sünde, und wartet auf die Gelegenheit. Doch tritt das Ärgernis
selten nackt, als unverhülltes Angehen gegen Gottes Heiligkeit hervor. Meist verbirgt
es sich, indem es sich gegen einen Menschen richtet, der sie trägt: gegen den Pro-
pheten, gegen den Apostel, gegen den Heiligen, gegen den überzeugt Frommen. Ein
solcher Mensch reizt tatsächlich. Etwas in uns erträgt die dem Heiligen verpflichtete
Existenz nicht. Es empört sich dagegen und rechtfertigt sich mit den immer vor-
handenen Unzulänglichkeiten des Menschen. Etwa seinen Sünden: Ein solcher kann
doch nichts Heiliges tragen! Oder seinen Schwächen, die dann in der Blickschiefe
der Ablehnung böse anwachsen. Oder seinen Sonderbarkeiten — nichts aufreizender
als die Sonderbarkeiten der Heiligen! Kurzum die Tatsache, daß er ein Mensch ist
und in der Endlichkeit steht. Am unerträglichsten aber wird die entgegentretende
Heiligkeit, am schärfsten werden die Einwände und am unduldsamsten die Ab-
lehnung »in der Vaterstadt des Propheten«. Wie kann man zugestehen, daß einer,
dessen Eliern man kennt, der nebenan wohnt, der doch »auch nur ist, wie alle
anderen sonst«, etwas Heiliges sei. Dieser da, von dem »man doch weiß, wie die
Dinge liegen«, ein Auserwählter? Das Ärgernis ist der große Gegner Jesu. Es macht,
daß sie die Ohren für die frohe Botschaft nicht öffnen: dem Evangelium nicht
glauben: sich dem Reiche Gottes verschließen: gegen es angehen“ (R. Guardini, Der
Herr, Würzburg 195911, 49 f.).

Das Ärgernis reckte sich auf, als Jesus in Nazareth verkündete,


daß in ihm das Isaiaswort, das auf das kommende Reich Gottes ver-
weist (Is 61, 1), in Erfüllung gegangen sei. Da bricht in das Staunen
über seine Worte, die den von Gott Ermächtigten verraten, in die Be-
reitschaft für sie auf einmal die Frage ein: „Ist das nicht der Sohn
Josephs? Heißt seine Mutter nicht Maria, und seine Brüder Jakob
und Joseph und Simon und Judas? Und sind nicht seine Schwestern
bei uns? Woher hat er also das alles?“ (Mk 6, 1—6; Lk 4, 16—30; Mt
13, 53—58). Es gibt wirklich viele Gründe, die das Ärgernis gegen
Christus ausfindig machen kann. Und es gibt keinen Grund für ihn,
gegen den es nicht etwas einwenden könnte. Gott läßt den Menschen
in der Freiheit der Entscheidung und in der Gefahr des Absturzes in
den Abgrund des Nein zu Christus. Von dieser Gefahr ist der Blick
auf Christus immer bedroht. Es ist eine Tat, sich ihrer zu erwehren,
so bedeutsam, daß sie eine Seligpreisung Christi erfährt. Das Erstaun-
liche ist, daß Christus mit der Möglichkeit des Ärgernisses gerade im
Anblick seiner Wunder und Machttaten rechnet (Lk 7, 18—23). Um
124 Der Glaube als Zugang zu Christus S 145

so mehr wird die Armut und Erniedrigung dieses Lebens Anlaß zum
Ärgernis gewesen sein.
Die Juden mußten sich an Christus stoßen, da er sie in ihrem
innerweltlichen Denken und Handeln beunruhigte. Wenn sie sein Ge-
heimnis auch nicht erfaßten, so merkten und spürten sie doch an
seinem Leben, an seinen Worten und Taten, daß er anders war als
sie alle, daß in ihm eine Wirklichkeit am Werke war, welche ihre
innerweltlichen Kreise störte. Das Unbehagen, das sie ihm gegenüber
empfanden, wuchs an zum Haß gegen ihn. Sie beschlossen, sich dieses
Beunruhigers, der sie aus ihrem innermenschlichen Denken auf-
scheuchte, zu entledigen, und töteten ihn.
Paulus gibt uns zwei Gruppen von Menschen an, welche an
Christus, an seinem Leben und vor allem an seinem Sterben Ärgernis
nehmen, die Juden und die Heiden. Schon im Römerbrief spürt man,
daß er sich gegen solche wehrt, die über seine Frohbotschaft von der
Erlösung in Christus lachen. Er versichert, daß er sich seines Evan-
geliums nicht schämt. Auch für die, welche sich darüber lustig machen,
ist es ja eine Gotteskraft zur Rettung (Röm 1, 16). Im ersten Korinther-
brief werden die Verächter des Kreuzes noch deutlicher genannt.
Die Juden können sich nicht vorstellen, daß Gott eingeht in die
Nichtigkeit des Kreuzes, die Heiden können nicht verstehen, daß Gott,
der über alles Stoffliche so unendlich erhabene Geist, in Menschen-
gestalt erscheint. „Die Juden fordern Wunderzeichen, die Griechen
suchen Weisheit. Wir aber predigen Christus den Gekreuzigten. Den
Juden ein Ärgernis, den Heiden eine Torheit: denen aber, die berufen
sind, ob Juden oder Heiden, Christus als Gotteskraft und Gottes-
weisheit. Denn Gottes ‚Torheit‘ ist weiser als die Menschen, und Got-
tes ‚Schwachheit‘ ist stärker als die Menschen“ (1 Kor 1, 22—25). Pau-
lus hat wohl die Versuchung zu diesen beiden Formen des Ärgernisses
selbst gespürt. Jeder Mensch wird sie vor Christus erfahren. Spürte
er sie nicht, dann wäre das geradezu ein verräterisches Zeichen, daß er
den Satz, daß der Logos Fleisch geworden ist, nicht in seiner alle
menschlichen Erwartungen und Möglichkeiten hinter sich lassenden
Tiefe versteht, sondern daß ihm dieser zu einer starren Formel ge-
worden ist. Die Kraft des Glaubens erweist sich gerade darin, daß man
die Versuchung ertragen kann. Letztlich kann indes zum Glauben an
Christus nur kommen, wer vom Vater gezogen wird (Jo 6, 44).
§ 145a Christologische Irrlehren 125

S 145a
Christologische Irrlehren

Aus solchen Versuchungen des menschlichen Intellekts und des


menschlichen Herzens sind alle Häresien der alten und der neuen
Zeit erwachsen. Die Weisen, in denen ihnen die ersten Jahrhunderte
des Christentums verfielen, erschöpfen so sehr alle Möglichkeiten des
Mißverständnisses und der Fehldeutung, daß die Irrtümer der Neu-
zeit bloß als Wiederholungen und Abwandlungen des schon längst
Gesagten erscheinen. Weil es sich bei den altchristlichen Häresien um
den Ausdruck bleibender Versuchungen handelt, hat die Erinnerung
an sie nicht bloß dogmengeschichtlichen Wert, sondern zeigt uns die
Gefahr, in der der Christusgläubige immer steht. Die wichtigsten und
bezeichnendsten Irrtümer sollen hier angeführt werden. Ihr Bedeu-
tung für das gesamte Glaubensgefüge und den Glaubensvollzug wird
an anderer Stelle dargelegt werden.
Wenn ein Mensch dem Gotteswerk „das Wort ist Fleisch ge-
worden“ ein „Unmöglich“ entgegenstellt, dann sind folgende Haupt-
formen des Irrtums denkbar: Man kann in Christus das Göttliche
leugnen oder das Menschliche verkürzen oder die Einheit von Gött-
lichem und Menschlichem zerreißen. Man kann auch sagen: Die chri-
stologischen Irrtümer entspringen falschen Identifizierungen oder
falschen Trennungen. Die Identifizierungstheologie führt zum Mono-
physitismus, zur Einnaturenlehre, die Trennungstheologie führt zum
Nestorianismus, zur Zweipersonenlehre.

Erstes Kapitel
Die altchristlichen christologischen Haeresien

I. Die Trennungstheologie
Die Trennungstheologie wird zum erstenmal greifbar in der
judenchristlichen Gnosis des Kerinth (Ende des 1. Jahrhunderts), bei
den aus judenchristlichen Gemeinden herausgewachsenen, mit Kerinth
verwandten Ebioniten, in denen sich die pharisäische Denkweise mit
ihrem Rationalismus fortsetzt. Diese in Einzelanschauungen vonein-
ander abweichenden christlichen Gnostiker erkennen Christus zwar
als den Messias an. Aber er ist ihnen nicht mehr als ein Mensch. In
der Jordantaufe wurde er zum Messias gesalbt. Justinus teilt in
seinem Dialog mit dem Juden Tryphon den Beweggrund für diese
126 Christologische Irrlehren § 145a

Meinung mit: „Deine Behauptung (so sagt der Jude), der genannte
Christus sei als Gott von Ewigkeit her, habe aber dann sich herbei-
gelassen, Mensch zu werden, geboren zu werden, und er sei nicht
Mensch von Menschen, scheint mir nicht nur unfaßbar, sondern ge-
radezu töricht zu sein“ (Dialog, Kap. 48; BKV, 72 f.). Daß Gott ge-
boren werden und Mensch sein wollte, ist etwas fast Unmögliches
und Unglaubliches (Kap 68;.BKV, 110 f.).
Dieses „Unmöglich“ und „Unglaublich“ mußte einen noch schär-
feren Ton annehmen, als die Offenbarung vom menschgewordenen
Gottessohn auf die hellenistische Vorstellung von der unsagbaren Er-
habenheit Gottes über den Stoff stieß. Aus griechischen und jüdischen
Voraussetzungen ist die Christologie des Theodot von Byzanz (3. Jahr-
hundert) zu verstehen. Theodot vertritt eine dynamistische Trinitäts-
lehre (siehe Bd. I § 47). Seine falsche Trinitätsauffassung führte zu
einer falschen Christologie. Er ließ sich mehr von Aristoteles als von
den Evangelien belehren. Er sieht in Jesus einen Menschen, der wie
die übrigen gelebt hat und überaus gottesfürchtig gewesen ist. Be-
zeichnend ist, daß er, um diese liberale Christologie durchführen zu
können, den Text der Evangelien kritisch „verbessert“ hat. Die Ge-
burt aus der Jungfrau gab er zu. Doch scheint seine Irrlehre keinen
großen Einfluß erlangt zu haben. Gefährlicher wurde sie, als sie der
Bischof Paul von Antiochien, nach seinem Geburtsort gewöhnlich Paul
von Samosata genannt, in einer weitergebildeten Form vortrug (um
260). Auch er nahm an, daß Christus ein bloßer Mensch war. Aber er
fügte hinzu, daß der Logos, den er als unpersönliches Attribut Gottes
betrachtete, in dem von Maria geborenen Jesus wie in einem Tempel
Wohnung nahm. Jesus wurde mit dem Heiligen Geist gesalbt und
erhielt so den Namen Christus (268 verurteilt; siehe Bd. I § 47).
Insbesondere aber treffen wir die in den Schulen von Edessa und
Antiochien lebendige, durch das Aristotelesstudium geförderte ratio-
nalistische Neigung, das Geheimnis Gottes vor den Richterstuhl des
menschlichen Verstandes zu ziehen, bei Lukian von Antiochien und in
der zugespitztesten Weise bei dessen Schüler Arius (siehe Bd. I § 47).
Jesus ist danach ein bloßer Mensch, der durch seine sittliche Bewäh-
rung die Vereinigung mit Gott verdient hat. Vom syrischen Aristote-
lismus kommen auch Diodor von Tarsus (von 378 an), Theodor von
Mopsvestia (gest. 428) und vor allem Nestorius. Diese Theologen stell-
ten zum erstenmal förmlich die Frage nach dem Verhältnis des auf dem
Konzil von Nizäa (325) als dem Vater wesensgleich bekannten Logos
zum Menschen Jesus, während es in den früheren Glaubensstreitig-
§ 145a Die altchristlichen christologischen Haeresien 127

keiten um das Verhältnis des Logos zum Vater ging. Auch nach ihnen
ist Christus ein bloßer Mensch; er hat sich durch Heiligkeit und Ge-
rechtigkeit die Teilnahme an der Ehre und Macht des Gottes-Logos,
göttliche Würde und Anbetung verdient. Der Logos vereinigte sich
mit dem Menschen Jesus in einer rein moralischen Weise, ohne daß
dessen menschliche Personalität angetastet worden wäre. Der Logos
wohnt im Menschen Christus wie in einem Tempel. Er zieht die
menschliche Natur an wie ein Kleid. Er verbindet sich mit dem
Menschen wie der Mann mit der Frau.
Nestorius brachte diese Lehre auf die Kanzel und damit in die
große Öffentlichkeit. Während sie bis dahin in der Verborgenheit der
Schule lebte, wurde sie nun Gegenstand heftigsten Kampfes. Nestorius
war der Überzeugung, rechtgläubig zu sein. Aber er vertrat die antio-
chenische Schulrichtung in ihrer extremsten, häretischen Form. Chri-
stus wird nach ihm deshalb Sohn Gottes genannt, weil er sich durch
sein Leben und Sterben würdig erwies, an der göttlichen Ehre des
Logos teilzunehmen. Damit sprach er der menschlichen Natur Christi
volle Selbständigkeit und Personalität zu. Es wurde ihm mit Recht
vorgeworfen, daß er die Einheit Christi zerreiße und Christus in zwei
Personen, in eine menschliche und göttliche teile. Nestorius verfiel
bei dem Versuch, die Seinsart des Gottmenschen zu erklären, einem
das natürliche Denken befriedigenden Rationalismus. Er ließ sich
dabei auch von der Absicht leiten, jüdische und heidnische Einwände
gegen die Gottheit Christi auf das einleuchtendste auszuräumen. Das
Konzil von Ephesus (431) hat seine Lehre (den Nestorianismus: Zwei-
personenlehre) verworfen.
Wenn man freilich den Theologen mit ihrer Lehre vom Nur-
menschlichen in Christus mit Recht Rationalismus vorwirft, so darf
man doch auch nicht übersehen, daß ihre Anschauung zum Teil eine
berechtigte, nur ihrerseits wieder ins Extrem ausschlagende Abwehr
jener Vorstellungen war, welche das Menschliche in Christus ver-
flüchtigten. Sie ließen nicht zu, daß an der echten und vollen Mensch-
lichkeit Christi Abstriche gemacht würden. Was die Schrift von dem
menschlichen Leben dessen erzählte, der unter Pontius Pilatus ge-
kreuzigt wurde, das mußte in seiner geschichtlichen Dichte und Ein-
maligkeit stehen bleiben. Es durfte nicht durch allerlei Exegeten-
künste in Symbol und Mythos aufgelöst werden. Darin hatten sie
recht; sie vertraten also ein ernstes Anliegen. Aber ihr Unrecht be-
gann dort, wo sie das Echtmenschliche zum Nurmenschlichen über-
spitzten.
128 Christologische Irrlehren § 145a

II. Die Identitätstheologie


Damit kommen wir zum zweiten Irrtum, dem der aufkläre-
rische Mensch unterliegt. Er läßt das Menschliche an Christus ver-
schlungen werden vom Göttlichen, so daß es in ihm nur eine Natur
gibt, die göttliche (Monophysitismus). Nur scheinbar drückt sich in
dieser Irrlehre eine größere Frömmigkeit aus. In Wirklichkeit wirft
sich auch in ihr der Mensch zum Richter über Gott auf, darüber, was
Gott gemäß, was ihm widersprechend ist, was möglich, was unmög-
lich ist.
Dieser Irrtum ist ein Kind der hellenistischen Leibverachtung
und übersteigerten Geistigkeit. Er findet seine Heimstätte in den
gnostischen Kreisen und den gegen den Leib als den Feind alles
Guten und den Vater alles Bösen kämpfenden Mönchsgemeinden der
ägyptischen Wüste. Zusammengeflossen sind diese Neigungen in
Alexandrien.
„Die Ehrfurcht vor der Monarchie Gottes und seiner unsagbaren Transzen-
denz, die vor jeglicher Berührung mit dem Materiellen zurückschreckt, äußert sich
hier nicht wie in der rationalen Richtung in einer Trennung des Reinmenschlichen
in Jesus vom Göttlichen, sondern in der Leugnung oder doch Verflüchtigung dieses
Menschlichen. Jenseitigkeit des »Unbekannten Gottes« und Verachtung der aus dem
Bösen stammenden oder doch heillos dem Bösen verfallenen Materie: dieses Erbe
der hellenistischen Geistigkeit, aus Platon und aus den östlichen Mysterien stam-
mend und von der Modephilosophie des Neupythagoräismus und des beginnenden
Neuplatonismus gepflegt, heimlichster Sehnsucht des in der überreifen Kultur von
Alexandria und Rom verkommenen Menschen entgegenkommend — mußte in einen
tiefen Gegensatz geraten mit der Botschaft, daß Gott »unter Pontius Pilatus«, also
erst neulich, drüben bei den Juden, Fleisch angenommen habe. So wurde eben der
hellenistische Monotheismus, den man so gerne als praeparatio evangelica be-
zeichnet, zur feinsten und damit größten Gefahr der Frohbotschaft. Die blutleben-
dige Wirklichkeit und Menschwerdung und damit die Wirklichkeit unserer Erlösung,
bis hinauf zur Auferstehung dieses unseres menschlichen Fleisches, drohte sich
aufzulösen in eine mystisch angehauchte »vornehme« Geistigkeit, die (nach einem
geheimnisvollen Gesetz) doch letztlich umschlägt zu einem Materialismus des Reli-
giösen, der immer dann entsteht, wenn Gottes Geistigkeit nicht gesucht wird in
seiner leibhaftigen Erscheinungform, in Jesus dem Gekreuzigten. So endet auch
diese Linie eben dort, wo die Linie des Rationalen, Nurmenschlichen endet: in
einer öden Entleerung, im Libertinismus der Gnostiker und bei der Bundeslade der
monophysitischen Abessinier“ (H. Rahner, Jesus der Christus, in: Theologie der
Zeit 4, Innsbruck 1936, 170).

Nach Irenäus, dem erfolgreichen Bekämpfer des Gnostizis-


mus, einer der gefährlichsten Häresien, welche die Kirche je be-
drohte, lehrte der Gnostiker Saturnil, um aus den seltsamen Speku-
lationen der Gnostiker bloß die eine oder andere Stimme aufzu-
§ 145a Die altchristlichen christologischen Haeresien 129

fangen: „Der Heiland ist ungeboren, unkörperlich, nur fälschlich


glaubt man, er sei als Mensch erschienen.“ „Nicht den Gekreuzigten
darf man bekennen“, sagt Basilides. „Wer noch den Gekreuzigten
bekennt, ist ein Sklave und unter der Macht jener, welche die Körper-
welt gemacht haben“ (berichtet von Irenäus, Gegen die Häresien,
I, 24, 2ff.; BKV 72f.).
Gegen die Überbetonung der menschlichen Natur Christi durch
die antiochenischen Theologen trat der von der platonischen Philo-
sophie gebildete Bischof Apollinaris von Laodizea auf (seit 361),
ein eifriger Anhänger des Nizänums. Er verfiel hierbei einer Unter-
schätzung des Menschlichen. Er ging zwar nicht so weit, die mensch-
liche Natur Christi zu einem Scheingebilde zu verflüchtigen. Aber er
schnitt ihr die Seele aus. Im Menschen Christus nimmt der Gott-Logos
die Stelle der Seele ein. Wäre Christus ein voller Mensch, dann wäre
die Einheit in Christus gestört, da aus zwei vollkommenen Dingen
nicht ein einziges werden könne; ferner wäre er der Sünde fähig.
Denn Mensch und Sünde gehören zusammen. Die Lösung des Apolli-
naris war bestechend. Sie befriedigte das oberflächliche Denken. Ja,
sie schien sogar ein wichtiges religiöses Interesse zu vertreten, inso-
fern sie die Sündelosigkeit Christi auf das wirksamste begründete. Sie
widersprach jedoch der Offenbarung von der wahren und vollen
menschlichen Natur Christi. Sie wurde denn auch von der Kirche
mehrfach verworfen (auf einer Synode in Alexandrien 362, auf einer
Synode in Rom 369, auf der Kirchenversammlung in Konstantinopel
381).
Der Monophysitismus (die Lehre von der einen Natur Christi) war
die volkstümlichste christologische Irrlehre im Altertum. Während im
Nestorianismus die menschliche Natur Christi überbetont und die Ein-
heit Christi zerrissen wurde, wurde im Monophysitismus die Einheit
Christi überspitzt, durch die Annahme nämlich, daß die menschliche
Natur in der göttlichen aufgehe, ähnlich wie der Wassertropfen im
Meer. Der Monophysitismus, ein Kind der alexandrinischen Theologie,
entfaltete sich im Kampfe gegen den Nestorianismus. Dessen Haupt-
gegner, Cyrill von Alexandrien, war selbst kein Monophysit. Er ver-
wendete zwar gegenüber dem Nestorianismus gelegentlich die Formel
„eine Fleisch gewordene Natur des Gottes-Logos“, verstand aber das
Wort „Natur“ im Sinne von Hypostase. Die alexandrinische Theologie
mit ihrer überstarken Betonung des Göttlichen in Christus bot indes
für die Entwicklung dieser Irrlehre günstige Voraussetzungen. Ihr
erster namentlich bekannter Vertreter ist Eutyches, der Vorsteher

9 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


130 Christologische Irrlehren S 145a

(Archimandrit) eines großen Klosters bei Konstantinopel. Nach ihm


ist Christus zwar aus zwei Naturen entstanden. Aber nach deren
Vereinigung existiert in Christus nur noch eine Natur, nämlich die
göttliche. Die menschliche Natur ist in die göttliche verwandelt
worden. Dieser Irrlehre wohnte eine große religiöse Kraft inne. Sie
schien mit der Gottheit Christi letzien Ernst zu machen. So schien sie
auch die denkbar größte Gewähr für die Vergottung jedes einzelnen
Menschen zu bieten.
Ihr philosophischer Wurzelboden ist der Platonismus. Während
der Nestorianismus von der aristotelischen Lehre von der mensch-
lichen Person beeinflußt war, war der Monophysitismus von der
platonischen Ansicht gespeist, daß alle Einzelmenschen an der all-
gemeinen Idee der Menschheit teilnehmen, daß die göttlichen Ideen
das eigentliche Sein seien, während den Einzeldingen nur ein Schatten-
dasein zukomme. Der Monophysitismus hat indes im Unterschied zum
Nestorianismus nicht so sehr aus Vorliebe für eine philosophische
Lehre, sondern mehr aus religiösem Überschwang die Offenbarung
verlassen.
Der monophysitischen Lehre von der Verwandlung der mensch-
lichen Natur in die göttliche und von der Vermischung der Naturen
stellte Papst Leo I. in einem dogmatischen Brief an den Patriarchen
Flavian von Konstantinopel, sowie das Konzil von Chalzedon (451)
die unverkürzte, nichts auslassende und nichts überbetonende Lehre
von dem einen, dem Vater wesensgleichen, in zwei Naturen existieren-
den Logos entgegen. (Vgl. H. Rahner, Die Christologie der alten Kirche
im Licht heutiger Fragen, in: Theologie der Zeit, Heft 4, Innsbruck
1936, 165—176, und insbesondere A. Erhard, Die katholische Kirche
im Wandel der Zeiten und Völker, I, Bonn 1935, 238—244; II, Bonn
1937, 56—84. A. Grillmeier - H. Bacht, Das Konzil von Chalzedon.
Geschichte und Gegenwart, I, Würzburg 1951.)
Wenngleich die christologischen Hauptirrtümer des Altertums, der
Nestorianismus und der Monophysitismus, lehrmäßig überwunden
sind, so bedarf es doch einer steten Wachsamkeit, damit sich nicht
in den Vollzug des Glaubenslebens einschiebt, was lehramtlich aus-
geschieden ist. Der Monophysitismus scheint dabei die größere Gefahr
zu sein, da er im Gegensatz zu dem nüchternen Nestorianismus sich
leicht als gesteigerte Frömmigkeit maskieren kann.
Der Monophysitismus hat eine Neuauflage und zugleich eine
Variation im Monotheletismus erfahren (siehe diesen Bd. § 151).
§ 145a Die neuzeitlichen christologischen Irrtümer 131

Zweites Kapitel

Die neuzeitlichen christologischen Irrtümer

Im 16. Jahrhundert wurde der rationalistische Irrtum der alten


Zeit durch die Sozinianer erneuert. Christus ist darnach bloß ein durch
jungfräuliche Geburt, vollendete Heiligkeit und Wunderkraft ausge-
zeichneter Mensch,
In der Aufklärungszeit waren dieselben geistigen Kräfte wirksam
wie bei den altchristlichen Häresien. Immer dort, wo das rein Mensch-
liche letzter Maßstab und letzte Norm ist, muß es zu einer Entleerung
des biblischen Christusbildes kommen. Am radikalsten wurde sie ge-
leistet von den Leugnern der Existenz Christi (Br. Bauer) und von
Vertretern der Lehre, daß Christus ein Betrüger gewesen sei (H. S.
Reimarus, G. Paulus).
In der Zeit der Aufklärung sah der philosophische Idealismus in
Christus das vom Gesamtbewußtsein der Gemeinde geschaffene Symbol
der Menschheit, zu welcher sich das Absolute entäußerte, bzw. die
höchste bisher erreichte und uns bekannte Form des Sicheinsfühlens
mit dem Göttlichen (G. Fichte, G. W. F. Hegel, F. Marheineke). Der
philosophische Idealismus sah das Entscheidende nicht in dem histo-
risch Einmaligen, sondern in dem Allgemeinen, in der Idee, nach dem
Prinzip: Die Metaphysik, nicht die Geschichte macht selig. D. F. Strauß
übte an dieser Konzeption scharfe Kritik. Eine Idee realisiere sich nie
in einem einzelnen Individuum. Die Idee gottmenschlicher Einheit
komme nur in der Entwicklung der ganzen Menschheit zur Entfal-
tung. Sie werde in Jesus nur mythisch anschaubar und angeschaut.
L. Feuerbach war in Umkehrung der Hegelschen Erklärung des Gott-
menschentums der Überzeugung, daß der Mensch sich von der Idee
„Gott“ freimachen müsse, damit er zu sich selbst komme. Gott ist nach
ihm nur eine Spiegelung menschlicher Sehnsüchte und Wünsche. Der
Mensch legt nach Feuerbach in die von ihm hervorgebrachte Idee
„Gott“ sein Bestes hinein und schwächt sich so selbst; er verliert sich
an Gott. Damit er wieder zu sich selbst komme, müsse die von ihm aus
sich heraus und über sich hinaus projizierte Idee „Gott“ wieder in ihn
zurückgenommen werden. Nur dadurch werde der Mensch ganz Mensch
in der Fülle des Menschlichen. Nach K. Marx ist es der Staat, in wel-
chen die Gesellschaft ihre eigene Kraft hineingab und sich so ihrem
eigenen Wesen entfremdete. Das Privateigentum und die Religion sind
wesentliche Elemente des die Gesellschaft ihres eigenen Wesens be-
raubenden Staates. Damit die Gesellschaft zu sich selbst gelange, müs-

EM
132 Christologische Irrlehren § 145a

sen daher nach ihm der Staat und die ihn bedingenden Elemente
überwunden werden.
Von ähnlichen Gedanken und Überlegungen wie der philosophi-
sche Idealismus wird die „liberale“ Theologie des 19. und des begin-
nenden 20. Jahrhunderts gespeist. Ja, es besteht eine gewisse gegen-
seitige Beeinflussung zwischen dem philosophischen Idealismus und
der sogenannten liberalen, Theologie. Diese letztere hat sich Ver-
dienste erworben, insofern sie die der gründlichen Erforschung der
Heiligen Schrift dienende historische Methode ausarbeitete. In der An-
wendung der historisch-kritischen Methode wirkte sie jedoch in hohem
Maße zerstörerisch und verderblich. Heute freilich ist diese Methode,
geläutert und geheilt, ein unentbehrliches Instrument jeder Theologie.
Die liberale Theologie gelangte auf zwei methodisch verschiede-
nen Wegen zu dem gleichen Ergebnis, auf dem religionsgeschichtlichen
und auf dem historisch-kritischen.
Die religionsgeschichtliche Methode erkennt die Aussagen der
Schrift über Gott und Gottes Sohnschaft in ihrem eigentlichen Sinne
an, erklärt sie aber als Entlehnung aus dem Mythos der heidnischen
Umwelt ohne Wahrheitsgehalt. Es bedarf daher einer Entmythologi-
sierung, um zu dem geschichtlichen Jesus zu gelangen.
Auch nach den Vertretern der historisch-kritischen Methode muß
man zwischen dem geschichtlichen Jesus und dem Christus des Glau-
bens unterscheiden, welcher durch die Begeisterung seiner Verehrer
geschaffen wurde. Die biblischen Bücher schildern danach nicht den
geschichtlichen Jesus, sondern einen von der schöpferischen Anhänger-
schaft der ersten Christen hervorgebrachten Christus. Was der ge-
schichtliche Jesus in Wirklichkeit war, wird in mannigfachster und
widersprechendster Weise erklärt: Nach den einen der vollkommenste
Mensch mit einer einzigartigen Gotteserkenntnis und einem einzig-
artigen Gotteserlebnis (F. Schleiermacher
- A. v. Ritschl
- A. v. Har-
nack), nach den anderen ein religiöser, an krankhafter Selbstüber-
hebung leidender Schwärmer (Ed. v. Hartmann, Fr. Nietzsche), ein
Psychoanalytiker, nach anderen wieder ein religiöser Fanatiker, der
immer die Posaunen des Gerichtes dröhnen hört (A. Schweitzer), nach
anderen ein sozialistischer Umstürzler (K. Kautsky), nach anderen
ein völkischer Held.
Zu ihnen gehört H. St. Chamberlain, der u.a. von ihm sagt: „Äußerlich nimmt
Christus mit jeder vorhandenen Form vorlieb, was aber die Willensrichtung an-
belangt, ob sie auf das Ewige oder auf das Zeitliche gerichtet ist, da ist bei ihm
von Duldsamkeit keine Rede und kann auch keine sein. Gerade in dieser Beziehung
8 145a Die neuzeitlichen christologischen Irrtümer 133

ist seit dem 18. Jahrhundert viel geschehen, um das hohe Antlitz des Menschen-
sohnes aller kraftvollen Züge zu berauben. Man hat, ich weiß nicht welches Trug-
bild einer unbeschränkten Duldsamkeit, einer allgemein wohlwollenden Passivität
uns als Christentum hingemalt, eine Milch- und Wasserreligion.“ „In Kunst und
Philosophie wird sich der Mensch als intellektuelles Wesen, in der Ehe und im
Recht als gesellschaftliches Wesen, in Christus als sittliches Wesen seiner selbst
im Gegensatz zur Natur bewußt. Er nimmt einen Kampf auf. Und da genügt nicht
die Demut: wer Christus nachfolgen will, braucht vor allem Mut, Mut in seiner
geläutertsten Form, jenen täglich von neuem geglühten und gehärteten inneren Mut,
der nicht allein im sinnenberauschenden Schlachtengetöse sich bewährt, sondern
im Dulden und Tragen und in dem wortlosen, lautlosen Kampf jeder Stunde gegen
die Sklaveninstinkte in der eigenen Brust. Das Beispiel ist gegeben. Denn in der
Erscheinung Christi finden wir das hehrste Beispiel des Heldentums. Die moralische
Heldenhaftigkeit ist hier so erhaben, daß wir fast achtlos an dem sonst bei Helden
so viel gepriesenen physischen Mute vorübergehen; gewißlich können nur Helden-
gemüter Christen im wahren Sinne des Wortes sein, nur »Herren«. Und sagt Chri-
stus: »Ich bin sanftmütig«, so verstehen wir wohl, das ist die Sanftmut des sieges-
sicheren Helden; und sagt er: »Ich bin von Herzen demütig«, so wissen wir, daß
das nicht die Demut des Sklaven ist, sondern die Demut des Herrn, der aus der
Fülle seiner Kraft sich herabbeugt zum Schwachen“ ... „In Christus erwacht der
Mensch zum Bewußtsein seines moralischen Berufs, dadurch aber sogleich zur Not-
wendigkeit eines nach Jahrtausenden zählenden inneren Kriegs“ (Die Grundlagen
des neunzehnten Jahrhunderts, München 1935 2, 204 f., 208 f.).

Die Entstehung des Christus des Glaubens aus dem Jesus der Ge-
schichte dachte sich die von Kant-Schleiermacher beeinflußte prote-
stantische Theologie etwa folgendermaßen: In Jesus, in seiner sitt-
lichen Hoheit und Würde, offenbare sich der Liebeswille des Vaters.
In Jesus, dem gottinnigen Menschen, begegne daher der Glaube dem
versöhnenden Gott. Man dürfe dabei nicht an Menschwerdung Gottes,
an Auferstehung oder Jungfrauengeburt denken. Jesus sei Offenba-
rung Gottes, insofern und weil Gott in ihm wirkt. An dem Gotteser-
leben und der Gottinnigkeit Jesu, an seinem Sohnesbewußtsein, habe
sich das religiöse Erleben anderer entzündet. So wirke er gemeinde-
bildend. Die Bestimmung als Gottessohn komme ihm in besonderer
Weise vor allen übrigen Menschen zu, weil er Gott als Vater erlebt
habe wie keiner und weil er daher für unser religiöses Leben den
Wert eines Gottessohnes habe (keine ontologische sondern nur Be-
wußtseinschristologie). Christus sei sonach nicht der Inhalt der Reli-
gion, sondern ihr vollkommenster Vollzieher und Erwecker. Da er
der Meister der Religion sei, sei seine Religion die Religion. Von
seinem, von ihm selbst nicht erwarteten, seine Lebenshoffnungen
zerstörenden, mit Mut und Standhaftigkeit ertragenen Tod gehe
immer noch eine befreiende und erlösende Macht aus. Durch
134 Christologische Irrlehren § 145a

A. von Ritschls metaphysikfeindliche Grundeinstellung wurde die


Schleiermachersche Konzeption noch zugespitzt.
Nach den liberalen Vertretern der Religionsgeschichte wurden
auf den Menschen Jesus, als seine Verehrung über die Grenzen Pa-
lästinas hinausgriff, die in den heidnischen Religionen, besonders in
den Mysterienkulten häufigen Bezeichnungen Gott, Sohn Gottes, Herr,
Heiland übertragen. Das konnte um so leichter geschehen, als man
es gewohnt war, diesen Titel hervorragenden Personen, besonders
den römischen Kaisern beizulegen. So sei nicht die Gottheit Christi
der Grund des Glaubens gewesen, sondern der Glaube sei der Schöpfer
seiner Gottheit gewesen. Der Glaube sei ein Kind des Christuskultes.
Dabei bleibe die Entstehung des Christuskultes rätselhaft.
Die radikale Durchführung dieser Methode führt zu der von der
Hegelschen Philosophie genährten, schon in der Aufklärungszeit ver-
tretenen Anschauung, daß Jesus nie gelebt habe, daß vielmehr seine
Gestalt das Ergebnis bestimmter schöpferischer Ideen sei, ebenso wie
es die mythischen Heilandgestalten des Orients seien.
Für eine ausführliche Widerlegung dieser mehr aus philosophischen Über-
zeugungen, insbesondere aus einer atheistischen Weltbetrachtung als aus sachlich-
wissenschaftlichen Überlegungen entsprungenen Ansichten siehe die Fundamental-
theologie (vgl. z.B. J. Michl, Die Evangelien, Geschichte oder Legende? Regens-
burg 1940).
Wenngleich durch die historisch-kritische Methode manche richtigen und
wertvollen Einzelergebnisse gezeitigt und die katholischen Theologen zu größter
Sorgsamkeit genötigt wurden, so hat sie doch dort versagt, wo sie die Quellen
im Lichte eines weltanschaulichen Apriori auslegte, nämlich in rationalistischer Ab-
lehnung des Übernatürlichen und sie so in ihrem geschichtlichen Werte nicht ernst
nahm. Was insbesondere die Meinung betrifft, der Glaube an die Gottheit Christi
sei nur ein Sonderfall der im Altertum verbreiteten Herrscher- und Heldenapotheose,
so sei kurz auf folgendes hingewiesen: Die antike Herrscher- (Königs- und Kaiser-)
vergottung hat ihren Ursprung in den religiösen Kulten des mesopotamisch-syrisch-
ägyptischen Raumes. Im Zeitalter des Hellenismus wurden die alten Überliefe-
rungen des Ostens weitergesponnen. In der römischen Kaiserzeit suchten sie auch
in das Römerreich vorzudringen. Die Kaiservergottung wurde hier getragen vom
Servilismus der östlichen Provinzen und von der Schmeichlerkunst einflußreicher
Rhetoren. Ein Teil der Kaiser (z.B. Tiberius, Vespasian, Nerva, Marc Aurel) lehnte
sie ebenso entschieden ab wie eine Reihe von Philosophen und Geschichtsschreibern
der Kaiserzeit. Andere ließen sie zu oder forderten sie aus politischen Erwägungen
oder aus eitler Selbstgefälligkeit. Man darf sagen: Die Apotheose der ersten römi-
schen Kaiser ist nichts anderes als eine vom Osten übertragene Auszeichnung für den
lebenden oder toten Herrscher. Auch als die Kaiservergottung unter Caligula, Nero
und Domitian ihre Blüte erreichte, war ihr erster Zweck ein politischer: Sie sollte
die Ehrfurcht und den Gehorsam des Untertanen vor der gottgewollten staatlichen
Autorität stützen. Das ergibt sich klar aus folgendem: Je größer die politischen
8 145a Die neuzeitlichen christologischen Irrtümer 135

Sorgen waren, welche die Ostprovinzen bereiteten, um so mehr Nachdruck wurde


auf die Göttlichkeit des Kaisers gelegt. Nach der Beruhigung des Ostens wiesen
Claudius und noch entschiedener Vespasian die Versuche einer Kaiservergottung
zurück. Diese Zusammenhänge zeigen, daß man nicht, wenigstens nicht in den ge-
bildeten Schichten, an die Göttlichkeit des Kaisers glaubte. Für die gebildete Gesell-
schaft war der Kaiserkult nichts anderes als eine höfische Form. Die Tempel des
Kaisers waren staatliche Weihestätten, keine Kirchen. Der Kaiserkult war nicht von
religiösem Glauben getragen. Er hatte auch keine religiöse Kraft. Er flößte weder
Furcht noch Andacht ein. Zu den vergöttlichten Kaisern wurde nicht gebetet.
Wenn wir uns nun auf biblischen Boden begeben, so stand das AT jeder Form
von Herrscher- oder Heldenapotheose in entschiedener Ablehnung gegenüber. Sie
galten ihm als Götzendienst. Im Alten Testament konnten daher die christlichen Ge-
meinden keine Antriebe empfangen, Jesus von Nazareth zu vergotten. Aber auch aus
dem hellenistischen Heidentum ist der Glaube an die Gottheit Christi nicht geboren.
Im Gegenteil: Als das junge Christentum mit der Herrscher- und Heldenapotheose in
Berührung kam, trat es ihr in schroffer Ablehnung gegenüber. Wir sehen dies an
zwei Vorgängen in Cäsarea und an einem anderen in Lystra. Apg 12, 20—23 wird
erzählt, daß zwischen König Agrippa I. einerseits und den Tyriern und Sidoniern
andererseits eine große Spannung bestand. Die Tyrier und Sidonier suchten aus
wirtschaftlichen Gründen den König zu versöhnen. Sie schickten daher eine Gesandt-
schaft nach Cäsarea. Es wurde ein feierlicher Empfang veranstaltet. „Am festge-
setzten Tage nahm Herodes, angetan mit königlichem Prachtgewand, auf der Redner-
bühne des Festsaales Platz und hielt aus diesem festlichen Anlaß eine Rede an die
Versammlung. Die Menge aber jubelte ihm zu: Eines Gottes Stimme und nicht die
eines Menschen. Sogleich schlug ihn ein Engel des Herrn zur Vergeltung dafür, daß
er der Majestät des wahren Gottes die Ehre zu rauben sich erkühnt hatte; von der
Wurmkrankheit nämlich befallen, sank er dahin.“
Dieses im Frühjahr 44 vorgefallene, im Jahre 60/62 von Lukas berichtete Er-
eignis zeigt, daß sowohl diejenigen, welche es miterlebt haben, als auch der Bericht-
erstatter Lukas die Vergottung eines Menschen als einen Frevel betrachteten. Daraus
folgt, daß weder Lukas noch die Christengemeinde in Cäsarea den Titel Gott oder
Gottessohn aus dem zeitgenössischen Herrscherkult auf Jesus von Nazareth über-
tragen haben.
Schon vorher hatte sich Petrus in Cäsarea gegen die Apotheose seiner eigenen
Person gewehrt (Apg 10). Als er — die Jahre 37—41 kommen hierfür in Frage —
den römischen Hauptmann Kornelius besuchte, kam ihm dieser entgegen und warf
sich ihm zu Füßen. Mit dieser Proskynesis ist offensichtlich mehr als eine bloße
Begrüßung gemeint. Sie ist sowohl bei den Persern als auch bei den Griechen eine
Verehrung, die nur der Gottheit zuteil wird. Kornelius begrüßte den Apostel als
einen mit überirdischer Kraft Ausgestatteten durch ein äußeres Zeichen besonderer
Verehrung. Petrus lehnte ab: „Stehe auf, auch ich bin ein Mensch“ (Apg 10, 26).
Dem Apostel gilt die Vergottung als etwas ganz Unmögliches, ja als etwas Unchrist-
liches. Hier tut sich ein unüberbrückbarer Gegensatz zwischen dem Christentum und
der Antike des Ostens auf.
An einem dritten Ereignis sehen wir, daß die ersten Christen jeder Helden-
apotheose ablehnend gegenüberstanden. Als Paulus und Barnabas in Lystra (in den
Jahren 45/47) einen Lahmen heilten, glaubten die Massen, die Götter seien zu ihnen
Christologische Irrlehren S 145a
136

gekommen. „Sie nannten den Barnabas Zeus, den Paulus aber Hermes, weil er der

Wortführer war. Und der Priester des Zeus vor der Stadt brachte Stiere und Kränze
zur Vorhalle und schickte sich samt den Massen an, zu opfern. Da es aber die
Apostel Barnabas und Paulus hörten, zerrissen sie ihre Kleider, sprangen unter das
Volk und riefen: Männer, was macht ihr da? Auch wir sind Menschen, schwach
wie ihr, und bringen euch die frohe Botschaft, euch zu bekehren von diesen nich-
tigen Gëtzen zu dem lebendigen Gott ...“ (Apg 14, 11—15). Dieses Vorkommnis ist
ein Beispiel für die Kraft des uralten Volksglaubens an die Erscheinung von Göttern,
zugleich aber auch ein Beispiel dafür, wie die ersten Zeugen Christi aus ihrer
Glaubensüberzeugung heraus sowohl den uralten Volksglauben von der Epiphanie
der Götter als auch die Vergottung eines Sterblichen mit Entsetzen zurückwiesen.
Der Apostel Paulus hat in seinen Briefen den Herrscherkult indirekt verworfen,
wenn er lehrt, daß nur dem unvergänglichen Gott, nicht den vergänglichen Ge-
schöpfen Anbetung gebührt (z.B. Bom 1, 3f. 18—25; 14, 10f.; Phil 2, 6—11).
Aus diesen Tatsachen sieht man, daß der Kaiserkult nicht erst vom Verfasser
der Johannesapokalypse, sondern schon von den frühesten Zeugen der ältesten
Kirche verworfen wird. Trotzdem verkündet die erste und zweite Generation der
Christen Jesus von Nazareth als den Gott an Wesen gleichen Gottessohn (siehe
S 152). Dies läßt sich nur so erklären, daß der Glaube an die Gottheit Christi sich
an ihm selbst entzündete, daß er die Antwort auf die Selbstoffenbarung Jesu über
sein Wesen war. (Siehe den eingehenden Nachweis mit Verarbeitung der wichtigsten
Literatur bei St. Lösch, Deitas Jesu und antike Apotheose, Freiburg i.Br. 1933.
E. L. Koep, Consecratio II, in: Reallexikon f. Antike u. Christentum, III, Stuttgart
1957, 284—294.)
Weite Verbreitung hat die von R. Bultmann ausgearbeitete Ent-
mythologisierungsthese gefunden. Bultmann will mit seiner Forde-
rung nach Entmythologisierung das Christentum nicht zerstören, son-
dern retten. Er will es nämlich dem modernen Menschen wieder zu-
gänglich machen. Er meint, das Christentum im traditionellen Ver-
ständnis sei mit dem Gottesbilde und dem Menschenbilde des heuti-
gen Menschen unvereinbar. Die Welt sei von der Naturwissenschaft
als eine in sich geschlossene Größe erwiesen worden, welche von dem
Gesetz der Kausalität durchwaltet werde. Dem heutigen Menschen sei
die biblische Vorstellung, daß die Welt jenseitigen Mächten geöffnet
sei und von ihnen Einwirkungen erfahre, nicht mehr möglich. Die
Anwendung dieser Grundsätze auf die Interpretation der biblischen
Christusaussagen führt zu der Behauptung, Christus habe mit seiner
Rede vom Reiche Gottes nur verkündigen wollen, daß der Mensch hier
und jetzt zur Entscheidung gerufen sei, daß er sich aus der uneigent-
lichen, sündenverfallenen Existenz zur eigentlichen Existenz erheben
solle. Eine ontologische Aussage über Christus sei in der Schrift nicht
zu suchen. Präexistenz, Inkarnation, Auferstehung, Himmelfahrt,
Geistsendung, Wiederkunft seien Mythen, durch welche die Urge-
meinde die Bedeutung Jesu Christi für den Menschen darzustellen
§ 145a Die neuzeitlichen christologischen Irrtümer 137

versucht habe. Wirklichkeit sei nur das Leben und der Tod, und zwar
der Kreuzestod Jesu Christi gewesen. Im Kreuzestode habe Gott ein
befreiendes Gericht über Jesus gehalten. Im Blicke auf den Tod Jesu
Christi wisse sich der Mensch aus seiner sündigen Existenz herausge-
rufen. Damit man dieses richtige Verständnis der biblischen Christus-
aussagen gewinne, bedürfe es ihrer Interpretation auf den Menschen
hin. Man müsse also entmythologisieren. Zu dem gleichen Ergebnis
führt nach Bultmann das rechte Selbstverständnis des Menschen. Die-
ses begreife in sich, daß der Mensch nicht dazu bestimmt sei, objektive
Wahrheiten zur Kenntnis zu nehmen, daß es vielmehr seinem Wesen
entspreche, existenziell angesprochen zu werden. Er ist zur Entschei-
dung aufgerufen. Vielleicht darf man in der Entmythologisierungs-
theologie die letzte Ausläuferin jener reformatorischen Vorstellung
sehen, nach welcher es nicht auf die fides quae, sondern auf die fides
qua, nicht auf den Inhalt, sondern nur auf den Akt des Glaubens an-
komme. Inhaltlich unterscheidet sich die Entmythologisierungsthese
nur in geringem Maße von der Existenzphilosophie K. Jaspers’.
Zur Kritik ist folgendes zu sagen. Die Meinung, die Welt sei eine
in sich geschlossene Wirklichkeit, welche keine Einwirkungen von
Gott empfangen könne, widerspricht dem Geschöpfcharakter der
Welt. Dieser schließt in sich, daß die Welt immerfort von Gott ab-
hängig bleibt, daß dies geradezu ein Element ihrer Existenz ist. Von
seiten Gottes begreift der Kreaturcharakter der Welt in sich, daß Gott
die Welt in einem ununterbrochenen Schöpfungsvorgang erhält, bzw.
hervorbringt. Gott existiert nur als der der Welt zugewandte, sie
schaffende und erhaltende Gott. In seiner Einwirkung auf die von ihm
abhängige Welt setzt Gott die von ihm stammenden Naturgesetze nicht
außer Kraft; er aktualisiert sie vielmehr und bedient sich ihrer. Außer-
dem gilt: Die Hagiographen legen größtes Gewicht darauf, daß sie
keine Mythen erzählen, sondern Wirklichkeit bezeugen. Sie lehnen es
geradezu ab, daß das von ihnen bezeugte in der Dimension des Mythos
liegt (1 Tim 1, 4; 4, 7; 2 Tim 4, 4; 2 Petr 1, 16). Sowohl Johannes als
auch Paulus, aber auch die Synoptiker legen größten Nachdruck da-
rauf, daß sie beschreiben und berichten, was sie gehört und gesehen
haben, bzw. was ihnen überliefert worden ist. Mit größter Deutlich-
keit tritt dies im 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes in Erscheinung.
Hierüber soll bei der Behandlung der Auferstehung Christi Näheres
gesagt werden. Das entmythologisierte Christusbild widerspricht dem
biblischen Christusbild. Man kann nicht etwa sagen, daß die Hagio-
graphen so sehr im mythischen Denken befangen gewesen seien, daß
138 Christologische Irrlehren § 145a

sie ihr Anliegen nur in Mythen darzustellen vermochten. Ihre Beto-


nung des geschichtlichen Charakters Jesu Christi und ihre Verwerfung
des Mythos bekunden, daß sie wohl zwischen Mythos und Geschichte
zu unterscheiden verstanden. Ihre Absicht, Geschichte zu bezeugen,
hinderte sie nicht, mythische Bilder zu gebrauchen, in denen sie anti-
mythische Geschichte bezeugten. Auch die Verbindung des antiken
Weltbildes mit ihrem Christuszeugnis nötigt nicht, dieses als einen
Mythos zu beurteilen. Das antike Weltbild hat vielmehr den Hagio-
graphen die Darstellung und Redeweise für den Inhalt, den sie be-
zeugen wollten, gegeben. Der von ihnen bezeugte Inhalt, der geschicht-
liche Christus, ist jedoch von dem antiken Weltbild ablösbar. Zudem
entspricht das antike Weltbild weithin dem anschaulichen Charakter
unserer Welterkenntnis, so daß wir viele Elemente aus dem antiken
Weltbild auch heute noch verwenden, z. B. die Bilder von oben und
unten, vom Aufgang und vom Untergang der Sonne. Richtig ist an
der Entmythologisierungsthese, daß die Schrift nicht Aussagen macht,
die der bloßen Information dienen sollen, daß vielmehr alle ihre
Christusaussagen Heilsanrufe an den Menschen sind. Diese Fest-
stellung ist jedoch weit davon entfernt, den Inhalt der biblischen
Christusaussage zu bagatellisieren. Es ist vielmehr umgekehrt: Gerade
weil Christus derjenige ist, als welcher er in der Schrift bezeugt wird,
ist er für uns bedeutsam. Die Christusontologie ist die Wurzel für
die Christusfunktion. Diese hinge im leeren Raum, wenn sie nicht
aus dem Boden der Christusontologie hervorwüchse.
Es liegt in der Konsequenz der Entmythologisierungsthese, hat
aber trotzdem keinen geschichtlichen Zusammenhang mit ihr, wenn
der Baseler evangelische Theologe F. Buri erklärt, daß auch die Ge-
schichtlichkeit Christi und seines Todes gleichgültig seien; es komme
nur auf diese Bilder, auf die anthropologische Interpretation der
Schrift, d.h. auf das Leben Christi im Worte, nicht in der Wirklich-
keit, auf die durch Verkündigung erfolgende Weckung des Verant-
wortungsbewußtseins an (siehe F. Buri, Dogmatik als Selbstverständ-
nis des christlichen Glaubens, I, Bern 1956; vgl. H. Fries, Mythos und
Offenbarung, in: J. Feiner, J. Trütsch, F. Böckle, Fragen der Theo-
logie heute, Einsiedeln 1957, 11—43).
Im Hintergrunde der das Christentum im biblischen und tradi-
tionellen Sinne zerstörender Entmythologisierungsthese steht die
Meinung, daß sich Gott infolge seiner absoluten Transzendenz mit
der Welt nicht einlassen könne. Diese Transzendenz wird vor allem
von K. Jaspers vertreten. Die These erinnert an den hellenistischen
Spiritualismus.
8 146 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) 139

8 146
Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union)

Erstes Kapitel
Das Dogma

Das Wesen Christi umspannt in einem großen Bogen Göttliches


und Menschliches. Das Göttliche wurde nicht in das Menschliche, das
Menschliche nicht in das Göttliche verwandelt, sondern der Gottes-
sohn, die zweite Person in Gott, ist so in die menschliche Natur herab-
gestiegen, so in sie eingegangen, daß er in ihr existiert und daß sie in
der Kraft des Sohnes Gottes existiert. Es existiert zwar die ganze
Schöpfung bloß in der Kraft Gottes. Aber sie hat doch ihre eigene,
von Gott getragene Subsistenzkraft. In der Menschwerdung aber wurde
die Subsistenzkraft des Logos die Subsistenzkraft der menschlichen
Natur. Diese hat keine eigene Subsistenz. Der Logos eignete sich die
menschliche Natur mit einer solchen Mächtigkeit an, daß, wie man
sagen darf, sein eigenes Selbst das Selbst, das Ich der menschlichen
Natur wird, daß sein Ich das Leben der menschlichen Natur vollzieht,
daß er ihre Geschichte und ihr Schicksal auf sich nimmt und verant-
wortet. In Christus geschieht daher nicht bloß ein einzigartiges Gottes-
erlebnis, sondern eine in die Tiefe der Wirklichkeit hineingreifende
seinshafte Einigung einer bestimmten menschlichen Natur mit dem
personalen Worte Gottes.
Es ist Glaubenssatz: In Christus ist eine göttliche Person, nämlich
die Person des göttlichen Wortes, und in ihm sind zwei Naturen, eine
göttliche und eine menschliche. Diese bestehen ohne Verwandlung und
ohne Vermischung fort (siehe Kapitel 4).
Man darf die Inkarnation nicht bloß als ein punktuelles Gesche-
hen verstehen, sondern als einen immerfort sich vollziehenden Akt.
Da Gott actus purus, reine Tat ist, vollzieht sich die Aneignung der
menschlichen Natur von seiten des Logos vom ersten Augenblick ihrer
Verwirklichung an in einem nie unterbrochenen Tun ohne jedes Ende.
Dies aber schließt in sich, daß der himmlische Logos die menschliche
Natur Jesu in der Ganzheit ihres Lebens übernommen hat. Die In-
karnation besagt also, daß sich der Logos die menschliche Natur
Jesu mit allen ihren Schicksalen bis zum Leide und zum Tode an-
geeignet hat.
140 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) & 146

Zweites Kapitel

Sinn des Dogmas

Die Wirklichkeit von den zwei Naturen und einer Person, von
der personalen Verbundenheit (hypostatischen Union) zweier Naturen,
ist ein undurchdringliches Geheimnis. Wir können aber versuchen, es
unserem Verständnis näher zu bringen.

I. Die Begriffe

Zunächst muß man unterscheiden zwischen Natur und Person.


(Vgl. hierzu Bd. I §§ 39 und 58.)
Natur (bzw. wesensbeständliches Sein, Substanz) ist das, was
einem bestimmten Ding seine innerste Bestimmtheit, seine Wesenheit,
sein Sosein gibt, was den Menschen zum Menschen, das Tier
zum Tier, zum Tier einer bestimmten Art macht, was daher Grund
und Quelle bestimmter Tätigkeiten ist. Die Natur ist nämlich die
Wurzel der leiblich-seelischen Kräfte, mit denen wir die Tätigkeiten
vollziehen, mit denen wir hören, sehen, sprechen, denken, wollen.
Jeder Kraft ist ein bestimmtes Tun zugeordnet. Wir hören mit den
Ohren, sehen mit den Augen, sprechen mit dem Munde. Man kann
die Kräfte nicht willkürlich vertauschen. Aber das Entscheidende,
worauf Augustinus unzählige Male hinwies, ist dies, daß nicht das
Auge sieht, nicht die Hand schreibt, sondern daß ich mit dem Auge
sehe, mit der Hand schreibe. Das Personsein ist das Entscheidende.
Man kann das Personsein durch den Begriff des „Ich“ veranschau-
lichen. Dabei darf man das „Ich“ nicht bloß psychologisch, man muß
es vielmehr metaphysisch verstehen (vgl. Bd. I§ 39). Man muß es also
wie die Person als ein mit einer geistigen Natur ausgestattetes Einzel-
wesen in seiner nicht-mitteilbaren Sonderheit deuten. Das Ich ist es,
welches durch die Kräfte der Natur tätig ist, welches ihnen bestim-
mend, befehlend gegenübertritt. Das Ich ist verantwortlich für das,
was geschieht. Natur und Ich, Natur und Person stehen sich also
gegenüber. Dieses Gegenüber kann sich so auswirken, daß das perso-
nale Selbst die Kräfte der Natur mißbrauchen kann, daß es ihnen
einen naturwidrigen Befehl geben, ein naturwidriges Handeln auf-
zwingen kann. Die Natur steht in der Verfügungsgewalt, in der Bot-
mäßigkeit der Person. Sie ist das Eigentum, der Besitzstand des Ich.
Das Ich ist Inhaber der Natur. Die Natur hat große Bedeutung. Sie
8 146 Sinn des Dogmas 141

macht den Reichtum oder auch die Armut des Ich aus. Aber das Ich
entscheidet über die Verwendung des Reichtums und der Armut. Die
Person kann man demnach bestimmen als das die Natur durchdrin-
gende, gestaltende, besitzende Sein, als das Sein in Selbstand, als das
in geistiger Selbstbehauptung und freier Selbstbestimmung sich be-
sitzende Sein. „Was ein solches Ich zu bedeuten hat, erfahren wir aus
dem Leben der Völker. Wenn zu Christi Zeiten der Kaiser in Rom
sprach: Ich will — dann zitterte der Erdkreis. Vor einigen Jahren
brauchte Gandhi nur zu sprechen: Ich will nicht — und ganz Indien
hielt den Atem an. Und wäre ein Wille, der die ganze Erde be-
herrschte, so würde das Ansehen und die Macht des Ich, dem dieser
Wille zugehörte, zusammenfallen mit den Grenzen der Erde ... So
verstehen wir den Satz des heiligen Thomas: Person ist das Gewich-
tigste, das Vornehmste, das Höchste, das Adeligste, das Gewaltigste,
das es im Bereich nicht nur der Schöpfung, sondern der Wirklichkeit
überhaupt gibt“ (H. M. Christmann, Lebendige Einheit, Salzburg
1938, 87).
II. Die Anwendung der Begriffe auf Christus
Wenn man unter Person das in Selbstand, in geistiger Selbst-
behauptung und freier Selbstbestimmung sich besitzende Sein ver-
steht, dann darf man nicht übersehen, daß es kein völlig in sich ab-
geschlossenes Sein gibt. Die göttlichen Personen, die vollkommensten
Weisen des personalen Seins, besitzen sich nur in der gegenseitigen
Hinordnung aufeinander. In ähnlicher Weise besitzt sich die mensch-
liche Person nur in ständiger Selbsttranszendierung, in der Hinord-
nung und Hinneigung zur Welt, zum Du, zu Gott. Sie ist Selbst nur im
ständigen Überschreiten ihrer selbst hinüber zum Du. (Die von der
heutigen Tiefenpsychologie eingeführte Unterscheidung von Ich und
Selbst, wonach das Selbst auch das Unbewußte umfaßt [C. G. Jung],
bleibt hier unberücksichtigt.) Zunächst ist das eine Seinsbestimmtheit
(vgl. Bd. I §§ 58, 105). Diese drängt aber ins Bewußtsein und wirkt sich
dann aus als Liebe und Freundschaft. Wenn es nicht zum bewußten
Vollzug dieser Seinsbestimmtheit kommt, also zum Vollzug der Liebe
und Freundschaft, dann wird zwar das personale Selbst als solches
nicht zerstört, so daß es nicht mehr wäre, aber es bleibt infolge des
seinswidrigen Verhaltens unerfüllt.
Die Menschwerdung nun bedeutet, daß eine bestimmte mensch-
liche Natur so mit dem Logos geeint und zur Seinsgemeinschaft ver-
bunden wurde, daß sie nicht mehr einen menschlichen Selbstand in
142 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) 8 146

sich hat, nicht mehr Besitz und Eigentum einer menschlichen Per-
son ist, sondern daß sie nur noch Selbstand hat im Selbstand der
göttlichen Person, daß sie nicht mehr Besitz und Werkzeug einer
menschlichen Person, sondern des „Ich“ des göttlichen Logos ist.
Nicht mehr eine menschliche Person redet, handelt, denkt, will mit
den Kräften der menschlichen Natur, sondern das „Ich“ des Gottes-
sohnes. Die Menschheit Christi ist ihrerseits nicht wie jede sonstige
konkrete menschliche Natur menschliche Person, weil sie dem Sohne
Gottes als seine Menschennatur angehört. In Christus gibt es daher
nur eine Person, und zwar die göttliche des Logos, aber zwei Naturen.
Sie werden von der göttlichen Person getragen.

III. Hilfen für das Verständnis

Vier Gedanken sind vielleicht imstande, die Tatsache der per-


sonalen Einheit in Christus bei Naturverschiedenheit aufzuhellen:
1. Der Mensch ist infolge seiner Herkunft von Gott mit Gott ver-
wandt. Er ist Bild Gottes. Er ist daher offen für Gott. Es ist ihm die
potentia oboedientialis eigen (vgl. Bd. II 1 §§ 105, 115). Er realisiert
sich daher selbst nur, indem er seine Gottesebenbildlichkeit, sein Ge-
öffnetsein für Gott verwirklicht, d.h. indem er sich an Gott hingibt.
Er wird um so mehr Mensch, je mehr er sich hingibt. Die früher er-
wähnte gegensätzliche These von L. Feuerbach widerspricht dem
Kreaturcharakter des Menschen (vgl. S. 137 £.).
Unter diesem Aspekt bedeutet die Menschwerdung für Christus
zugleich die höchste Verwirklichung des Menschlichen. Man kann die
Menschwerdung als eine Bewegung von oben und als eine Bewegung
von unten verstehen. Zuerst ist sie eine Bewegung von oben. Gott
entäußert sich in das Menschliche hinein. Aber dieser Bewegung von
oben nach unten entspricht eine solche von unten nach oben. Ja, in
Wahrheit fallen die beiden Bewegungen zu einer einzigen zusammen.
Indem nämlich Gott die menschliche Natur Jesu ergreift, um sie sich
anzueignen, übereignet sich die menschliche Natur Jesu völlig an
Gott. Sie ist in Jesus ganz bei Gott und eben dadurch ganz bei sich.
Die völlige Übereignung an Gott verwirklicht die höchsten Möglich-
keiten der menschlichen Natur. In der Inkarnation wird daher die
höchste Form menschlichen Seins realisiert. Es wäre eine primitive
Theologie, wenn man annähme, daß das Menschliche um so weniger
zu seinem Recht komme, je mehr Gott herrscht. Eine solche Auf-
teilung und Aufrechnung verkennt das wahre Verhältnis zwischen
8 146 Sinn des Dogmas 143

Gott und dem Menschen. Je mehr Gott im Menschen herrscht, um so


mehr wird das Menschliche aktualisiert.
2. Man kann den Vorgang der Inkarnation auch mit dem Verhält-
nis von Mensch zu Mensch vergleichen. Wie schon betont wurde, exi-
stiert das menschliche Ich nur in Hinordnung auf das Du. Wenn es
diese Gerichtetheit des Seins gesinnungsmäßig in der Freundschaft und
Liebe vollzieht, dann bedeutet dies, daß es aus sich heraustritt, sich
selbst läßt und verläßt und in das ihm begegnende Du eingeht, daß
es umgekehrt dieses in sich aufnimmt. Es wird gestaltet und geformt
vom Du. Sein Tun, sein Denken und Wollen, sein Werten und Ur-
teilen empfängt von dort her Richtung und Weise. Die Dinge sind
in das Licht und in die Farbe des Du getaucht. Das Ich lebt also aus
dem Du. Was von Freundschaft und Liebe gilt, geschieht in einer
noch tiefgreifenderen Weise bei dem Einswerden des Menschen mit
Christus. Da wird Christus die das menschliche Ich durchherrschende
personale Macht. Nicht mehr mein Ich lebt in mir, sagt Paulus,
sondern das Ich Christi (Gal 2, 20). Von Christus her ist das mensch-
liche Ich geformt, so sehr, daß Paulus von dem Tode des alten, von
der Welt her geformten Ich und von der Auferstehung eines neuen
Ich spricht (vgl. die Gnadenlehre). Das alles sind indes bloß Ver-
gleiche für jenen Vorgang, der bei der Menschwerdung geschieht. Da
hat die Hinneigung zum Du eine solche Macht angenommen, daß die
Natur aus ihrer eigenen Mitte gewissermaßen herausgestürzt ist.
Freilich, auch sie lebt nicht ohne Mitte, ohne Ich. Aber die Mitte,
aus der sie lebt, das Ich, dem sie zugehört, ist nicht mehr ihre eigene
Mitte, nicht mehr ihr Ich, sondern das Ich des Sohnes Gottes. Die
Mitte, aus welcher ihr Tun aufsteigt, ist Gott. Sie wird vom Ich des
Sohnes Gottes so mächtig und kraftvoll gestaltet und geformt, daß
sein Ich in der menschlichen Natur denkt, will, liebt, redet, handelt,
stirbt, gehorcht.
3. Eine andere Weise, sich das in der Menschwerdung geschehene
Geheimnis nahe zu bringen, ist diese: Das Wort des Menschen ist eine
Großmacht, welche Herz und Geist eines anderen bewegen, bilden,
gestalten kann. Nicht jedes Wort hat die Kraft einzudringen in das
Innere. Manches gleitet am Du ab, entweder weil es selbst zu müde
ist, um weiter zu kommen, oder weil ihm der Weiterweg versperrt ist
durch eine Wand, die es nicht durchstoßen kann, durch die Ver-
härtung des Herzens oder durch die Verfinsterung des Geistes. Wenn
es aber imstande ist, in das Innere eines anderen zu gelangen, dann
vermag es ihn zu bereichern, zu erschüttern, zu verwandeln, umzu-
144 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) S 146

schaffen. Kein Wort ist machtvoller als das Wort Gottes. Es ist leben-
dig, wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert. Es
dringt durch, bis es Seele und Geist, Mark und Bein voneinander
scheidet; es ist ein Richter über die Gedanken und Gesinnungen des
Herzens (Hebr 4, 12). Gott hat viele Worte gesprochen. Mächtig redet
er zu den Trägern der Offenbarung. In ihr Bewußtsein ist er mit
solcher Gewalt eingedrungen, daß ihnen die Gewißheit wurde: Hier
spricht nicht eine weltliche oder menschliche Größe, sondern einer,
der anders ist als alles andere. In die menschliche Natur Christi
sprach der Vater sein personales Wort, das er durch alle Ewigkeiten
spricht, in dem er sein ganzes Wissen formt und darstellt. Er sandte
seinen Sohn in die menschliche Natur Christi (vgl. Bd. I $ 50). Die
menschliche Natur ist von diesem machtvollen, umfassenden Wort zu-
innerst getroffen und erschüttert. Die Umwandlung, die Umschaffung
durch Gottes personales Wort ist tiefgreifend wie bei keinem anderen
Wort. Die von ihm erfüllte menschliche Natur in Christus wird so voll-
kommen vom Worte Gottes gestaltet, daß sie keine eigene Subsistenz-
kraft und Subsistenzmacht mehr besitzt, sondern nur noch subsistiert
in der Kraft des Logos. Er ist das Ich der menschlichen Natur als
eines lebendigen Ganzen und aller sie aufbauenden Teile.
4. Eine vierte Hilfsvorstellung mag den Zugang zu dem uner-
gründlichen Geheimnis erleichtern. Der Mensch ist von außen nach
innen geschichtet. Wir reden von einem äußeren und von einem in-
neren Organ, von einer äußeren und von einer inneren Verletzung,
von einem äußeren und inneren Schmerz. Ein Erlebnis kann mehr
am Rande unseres Bewußtseins aufsteigen, es kann auch aus unserer
innersten Mitte kommen. Den innersten Bezirk des Menschen heißen
die deutschen Mystiker im Anschluß an Augustinus das Seelenfünk-
lein, die Spitze, die Innigkeit der Seele. Darin nimmt Gott Wohnung,
wenn er einen Menschen begnadigt. Indem Gott in den Menschen ein-
kehrt, ist eine neue Innerlichkeit aufgebrochen, die nicht mehr zum
menschlichen Wesensbestand gehört, die aber doch zu dem Menschen
gehört, dem Gott sie geschenkt hat. Gott selbst ist die Mitte, die In-
nerlichkeit des Menschen geworden. Und es gibt fortan nur mehr eine
wahre Innerlichkeit: daß sich der so zur Wohnung Gewordene in Gott
sammelt (vgl. darüber die Gnadenlehre). Bei der Menschwerdung ist
nun Gott, der Sohn Gottes, die Innigkeit der menschlichen Natur in
einer über alle Begnadigung und göttliche Berührung der anderen
Menschen hinausgehenden Mächtigkeit geworden. Wenn man dabei
von außen nach innen geht, kommt man gleichsam schon früher zu
§ 146 Idiomenkommunikation 145

dem Punkt, wo die Innigkeit Gottes aufbricht. Er liegt nicht erst jen-
seits des Seelenfünkleins oder der Spitze der Seele. Er ist schon dort,
wo bei jedem anderen Menschen noch die menschliche Innerlichkeit
herrscht. Die Mitte, in der alles Denken und Wollen, alles Sehnen
und Lieben entsteht, aus der letztlich die leisen Bewegungen des
menschlichen Herzens strömen, in die auch alles wieder zurück-
kehrt, ist nicht bloß vom Sohne Gottes erfüllt, sondern ist der Sohn
Gottes (unter Verwendung der von R. Guardini, Welt und Person,
Würzburg 1955, ausgesprochenen Gedanken vom Oben und Unten,
Innen und Außen). Man darf jedoch bei diesem Vergleich nicht über-
sehen, daß die menschliche Natur ihr Sosein nicht aufgibt, daß der
Logos nicht ein Wesensbestandteil der menschlichen Natur wird. Er
will nur veranschaulichen, daß der Logos das handelnde Ich der
menschlichen Natur ist.

Drittes Kapitel
Idiomenkommunikation

Bei dieser Sachlage darf und muß man die Handlungen der
menschlichen Natur von der Person des göttlichen Logos aussagen. Er
ist der in der menschlichen und in der göttlichen Natur Tätige. Er ver-
antwortet also auch die Tätigkeiten der menschlichen Natur. So un-
glaublich es dem menschlichen Ohr klingt, so muß man doch sagen:
Der Sohn Gottes, insofern er nämlich das metaphysische Ich der
menschlichen Natur ist, ist geboren worden, so daß seine irdische Mut-
ter als Mutter Gottes bezeichnet werden kann (Konzil von Ephesus,
D. 111a), er ißt und trinkt, wird müde und schläft, weint und tröstet,
zürnt und verzeiht, fürchtet und überwindet, ist an diesem und an
jenem Ort, er hat sein Blut vergossen, er schenkt uns seinen Leib.
Man nennt die Redeweise, in welcher Eigenschaften und Tätig-
keiten der menschlichen Natur von dem göttlichen Ich des Logos und
Eigenschaften und Tätigkeiten der göttlichen Natur von dem gleichen
Ich, sofern es die personale Subsistenzkraft der menschlichen Natur
ist, ausgesagt werden, Idiomenkommunikation (Eigentümlichkeiten-
gemeinschaft).
Die Idiomenkommunikation darf geradezu als der Prüfstein für
das echte Verständnis der Inkarnation bezeichnet werden. Dies zeigt,
wie wir gesehen haben, die christologische Entfaltung im Altertum.
In der Reformationszeit wollte Zwingli die Idiomenkommunikation

10 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


146 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) S 146

nur als Redeweise gelten lassen. Von Calvin wurde sie auf das Ver-
hältnis der Naturen zur Person des Mittlers und zu seinem Amte be-
schränkt. K. Barth verwirft sie als bloße Abstraktion. Dies dürfte mit
seiner zugespitzten These von der Verborgenheit und Jenseitigkeit
Gottes auch im inkarnierten Christus zusammenhängen. P. Althaus
lehnt die Idiiomenkommunikation als Verletzung des christologischen
Paradoxes ab, wenngleich: er die Zweinaturenlehre bejaht. (W. Pan-
nenberg, Die prot. Christologie, Lex. f. Theol. u. Kirche, V, Freiburg
19607, 962 f. H. Volk, Die Christologie bei Karl Barth und Emil Brun-
ner, in: A. Grillmeier — H. Bacht, Das Konzil von Chalzedon, III,
Würzburg 1954, 613—673).
Als Regel für diese Sprechweise gilt: Man kann sie nur anwenden
bei konkreten, nicht bei abstrakten Ausdrücken: Gott ist gestorben,
dieser Mensch ist allmächtig, nicht: Die Gottheit hat gelitten, die
menschliche Natur ist allmächtig, ebenso nur in bejahenden Sätzen,
also nicht: Das Wort Gottes hat nicht gelitten, der Sohn Marias ist
nicht allmächtig.

Viertes Kapitel

Das kirchliche Lehramt

Die kirchlichen Lehrentscheidungen entsprechen in ihrer Häu-


figkeit und in ihrem Gewichte der Gewichtigkeit des Gegenstandes.
Wenn Christus in der Mitte der Glaubenswirklichkeit steht und dem-
gemäß auch die Mitte des Glaubensbewußtseins einnehmen muß,
dann ist es verständlich, daß immer wieder von neuem und mit wach-
sender Eindringlichkeit die Fragen und Antworten um ihn kreisen.
Jede Zeit hat von dem Menschenbilde her, das sie gestaltete und von
dem sie gestaltet wurde, auf Christus hingeblickt und ihn zu verstehen
gesucht. Gegenüber allen Fehldeutungen hat die Kirche in eindeutigen,
strengen Wort- und Satzprägungen, soweit das göttliche Geheimnis
in die Klarheit menschlichen Sprechens eingehen kann, ausgesprTo-
chen, was und wer Christus ist (siehe die Zusammenstellung der
kirchlichen Lehräußerungen bei NR. 213—319). Vor allem kommen in
Betracht das Apostolische, das Athanasianische und das Nizäno-Kon-
stantinopolitanische Glaubensbekenntnis (D. 2, 39 f., 86), das Konzil
von Ephesus (D. 111 a), die Epistola dogmatica Leos I. (D. 143 f.), das
Konzil von Chalzedon (D. 148), das zweite Konzil von Konstantinopel
(D. 224), das Konzil von Rom vom Jahre 680 (D. 288), das Glaubens-
bekenntnis Leos IX. (D. 344), das Glaubensbekenntnis für die Walden-
S 146 Das kirchliche Lehramt 147

ser (D. 422), das Konzil von Trient (D. 994), das Dekret Lamentabili
(D. 2027 ff.), die Enz. „Pascendi“ (D. 2088; 2096), das Rundschrei-
ben Pius’ XI. „Miserentissimus Redemptor“ (1928) sowie jenes Pius’
XII. „Mystici Corporis Christi“ (1943), ferner die Enz. „Sempiternus
Rex“ zur Fünfzehnhundertjahrfeier des Konzils von Chalzedon (1951).
In den Symbola, namentlich im Apostolischen Glaubensbekennt-
nis, wird das christologische Kerygma in heilsgeschichtlicher Schau
zusammengefaßt. Immer stärker wird im Laufe der ersten Jahrhun-
derte in den kirchlichen Lehräußerungen die funktionale Christologie
auf die ontologische zurückgeführt. Am Ende der ganzen Glaubens-
entfaltung steht die Zweinaturenlehre des Konzils von Chalzedon. Die-
ses stellt den Höhepunkt der Explikation des Schriftzeugnisses dar.
Was später folgt, ist die nähere Ausführung dessen, was im Konzil
von Chalzedon vorgelegt wurde.
Aus dem Komplex der kirchlichen Lehrentscheidungen seien fol-
gende Texte genannt.
Im Athanasianischen Glaubensbekenntnis heißt es: „Zum
ewigen Heile ist es aber auch notwendig, daß man auch an die Menschwerdung
unseres Herrn Jesus Christus treu glaubt. So ist es also rechter Glaube, daß wir
glauben und bekennen, daß unser Herr Jesus Christus, der Gottessohn, Gott und
Mensch ist. Gott ist er als gezeugt vor aller Zeit aus dem Wesen des Vaters, und
Mensch ist er in der Zeit aus dem Wesen der Mutter geboren: vollkommener Gott,
vollkommener Mensch, bestehend aus Geistseele und Menschenleib, gleich dem Vater
der Gottheit nach, geringer als der Vater der Menschheit nach. Sowohl Gott als
Mensch — sind es doch nicht zwei, sondern der eine Christus, einer nicht durch
Umwandlung der Gottheit in den Menschen, sondern durch Aufnahme der Mensch-
heit in Gott. So ist er nicht einer durch Vermischung des Wesens, sondern durch
Einheit der Person. Denn wie Geistseele und Leib der eine Mensch sind, so sind
Gott und Mensch der eine Christus.“ (D. 216 f.)
Cyrill von Alexandrien, der schärfste Gegner des Nestorianismus,
legte dem Konzil von Ephesus (431) mehrere Briefe vor, in denen er die orthodoxe
Lehre darstellte. Der 2. Brief wurde von der Kirchenversammlung feierlich gut-
geheißen. In ihm heißt es: „... Wir behaupten nämlich nicht, daß die Natur des
Wortes in das Fleisch umgewandelt, auch nicht, daß sie zu einem ganzen, aus
Seele und Leib bestehenden Menschen verwandelt worden sei. Wir behaupten viel-
mehr, daß das Wort das durch eine vernünftige Seele beseelte Fleisch in unaus-
sprechlicher und unbegreiflicher Weise mit sich selbst der Person nach geeint hat
und so Mensch geworden ist und Menschensohn genannt worden ist, nicht bloß
dem Willen oder dem Wohlgefallen nach, auch nicht bloß durch Annahme einer
(andern) Person. Obgleich die Naturen, die zu einer wirklichen Einheit ver-
bunden wurden, verschiedene sind, so ist aus ihnen doch ein Christus und Sohn
geworden. Nicht wie wenn die Verschiedenheit der Naturen um der Einigung wil-
len aufgehoben worden wäre, sondern so, daß Gottheit und Menschheit zusammen
uns den einen Herrn und Christus und Sohn gebildet haben, vermöge einer un-

10*
148 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) S 146

aussprechlichen und geheimnisvollen Verbindung zu einer Einheit. [...] Denn es


ist nicht zuerst ein gewöhnlicher Mensch aus der heiligen Jungfrau geboren wor-
den und auf diesen dann das Wort herabgestiegen, sondern aus dem Mutterschoße
selbst ist er geeint hervorgegangen; und deshalb heißt es, daß er sich der fleisch-
lichen Geburt unterzogen hat, weil er die Geburt seines Fleisches zu seiner eigenen
Geburt machte...“ (NR. 246; D. 111a).
‚Ein anderer Brief enthielt 12, in der Polemik zum Teil etwas überspitzte Sätze
(Anathematismen) gegen Nestorius. Sie wurden als der rechte Ausdruck des Glaubens
anerkannt, sind aber keine Entscheidung des Konzils und daher auch nicht unfehl-
bar, wohl aber mit hoher Autorität ausgestattet. Sie lauten:
„1. Wer nicht bekennt, daß der Emmanuel in Wahrheit Gott und die heilige
Jungfrau deshalb Gottesgebärerin ist, weil sie das fleischgewordene, aus Gott ent-
stammte Wort dem Fleische nach geboren hat, der sei ausgeschlossen.
2. Wer nicht bekennt, daß das aus Gott dem Vater entstammte Wort der Person
nach dem Fleische geeint worden und daß Christus mitsamt seinem ihm eigenen
Fleische Einer ist, nämlich derselbe Gott und Mensch zumal, der sei ausgeschlossen.
3. Wer bei dem einen Christus nach erfolgter Einigung die Substanzen zer-
reißt, indem er sie nur durch eine äußere Verbindung der Würde oder der Hoheit
oder der Macht nach eins sein läßt und nicht vielmehr durch eine Verknüpfung, die
durch die seinshafte Einigung erfolgt, der sei ausgeschlossen.
4. Wer die Worte, die in den evangelischen und apostolischen Schriften ent-
halten sind, oder das, was von den Heiligen über Christus oder von ihm selbst
über sich ausgesagt wird, auf zwei Personen oder Hypostasen verteilt, indem er
die einen einem, neben dem Gott-entstammten Wort für sich gedachten Menschen,
die andern als gotteswürdig dem aus Gott dem Vater entstammten Worte allein
zuschreibt, der sei ausgeschlossen.
5. Wer zu behaupten wagt, Christus sei ein Mensch, der Gott in sich trage,
und nicht vielmehr bekennt, daß er in Wahrheit als einziger und natürlicher Sohn
Gott ist, da das Wort Fleisch geworden ist und in gleicher Weise wie wir an
Fleisch und Blut teilgenommen hat, der sei ausgeschlossen.
6. Wer zu behaupten wagt, das aus Gott dem Vater entstammte Wort sei Gott
oder Herr über Christus, und nicht vielmehr bekennt, daß derselbe Christus Gott
und Mensch zugleich ist, weil das Wort Fleisch geworden ist nach den Schriften,
der sei ausgeschlossen.
7. Wer sagt, der Mensch Jesus habe von Gott dem Worte die Kraft zum Wir-
ken erhalten, und die Würde und Ehre des Einziggeborenen hafte eigentlich einem
andern als ihm an, der sei ausgeschlossen.
8. Wer zu behaupten wagt, der angenommene Mensch müsse mit Gott dem
Worte zusammen angebetet und zusammen verherrlicht und zusammen Gott ge-
heißen werden, wie ein anderer mit einem andern — denn das stets hinzugefügte
Wort »zusammen« zwingt so zu denken —, und nicht vielmehr mit einer An-
betung den Emmanuel ehrt und mit einer Lobpreisung ihn verherrlicht, da das
Wort Fleisch geworden ist, der sei ausgeschlossen.
9. Wer sagt, der eine Herr Jesus Christus sei vom Heiligen Geiste verherrlicht
worden als einer, der sich einer fremden vom Geist gegebenen Kraft bedient hätte,
und er habe von dem Geiste Gewalt gegen die unreinen Geister erhalten und die
S 146 Das kirchliche Lehramt 149

Fähigkeit, Gotteszeichen unter den Menschen zu vollbringen, und wer nicht vielmehr
bekennt, daß es sein eigener Geist war, kraft dessen er auch die Gotteszeichen ge-
wirkt hat, der sei ausgeschlossen.
10. Christus ist »Hoherpriester und Apostel unseres Bekenntnisses« geworden,
sagt die göttliche Schrift, und er hat sich selbst für uns dargebracht zum Wohl-
geruch für Gott, den Vater. Wer also sagt, nicht das aus Gott entstammte Wort sei
unser Hoherpriester und Apostel geworden, als es Fleisch und Mensch wie wir ward,
sondern ein anderer, neben ihm für sich bestehender, aus dem Weibe geborener
Mensch; oder wer behauptet, er habe sein Opfer auch für sich selbst dargebracht
und nicht vielmehr allein für uns, da er doch keines Opfers bedurfte, weil er keine
Sünde kannte, der sei ausgeschlossen.
11. Wer nicht bekennt, daß das Fleisch des Herrn lebenspendend ist und das
eigene Fleisch des aus Gott dem Vater entstammten Wortes, sondern sagt, es sei
das Fleisch eines andern neben ihm, der der Würde nach mit ihm verbunden oder
nur im Besitz der Einwohnung Gottes gewesen sei, und nicht vielmehr daß es
lebenspendend ist (wie wir sagten), weil es das eigene Fleisch des Wortes ge-
worden ist, welches alles lebendig zu machen vermag, der sei ausgeschlossen.
12. Wer nicht bekennt, daß das Wort Gottes im Fleische gelitten hat und im
Fleische gekreuzigt worden ist und im Fleische den Tod gekostet hat und der Erst-
geborene aus den Toten geworden ist, da es als Gott Leben und Lebenspender ist,
der sei ausgeschlossen“ (NR. 324—245; D. 113—124).

Auf dem Konzil von Chalzedon wurde im Jahre 451 folgen-


des festgestellt: „Folgend also den heiligen Vätern, lehren wir alle
einstimmig, daß der Sohn, unser Herr Jesus Christus, ein und der-
selbe sei. Er ist vollkommen der Gottheit und vollkommen der Mensch-
heit nach, wahrer Gott und wahrer Mensch, bestehend aus einer ver-
nünftigen Seele und dem Leibe. Der eine und selbe ist wesensgleich
dem Vater der Gottheit nach, und wesensgleich auch uns seiner
Menschheit nach, »er ist uns in allem ähnlich geworden, die Sünde
ausgenommen« (Hebr 4, 15). Vor aller Zeit wurde er aus dem Vater
gezeugt seiner Gottheit nach, in den letzten Tagen aber wurde der-
selbe für uns und um unseres Heiles willen aus Maria, der Jungfrau,
der Gottesgebärerin, der Menschheit nach geboren: Wir bekennen
einen und denselben Christus, den Sohn, den Herrn, den Einzigge-
borenen, der in zwei Naturen unvermischt, unverwandelt, ungetrennt
und ungesondert besteht. Niemals wird der Unterschied der Naturen
wegen der Einigung aufgehoben, es wird vielmehr die Eigentümlich-
keit einer jeden Natur bewahrt, indem beide in eine Person und Hypo-
stase zusammenkommen. Wir bekennen nicht einen in zwei Personen
getrennten und zerrissenen, sondern einen und denselben einzigge-
borenen Sohn, das göttliche Wort, den Herrn Jesus Christus, wie
schon die Propheten es vor ihm verkündet und der Herr Jesus Chri-
150 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) S 146

stus selbst es uns gelehrt und das Glaubensbekenntnis der Väter es


uns überliefert hat. Da wir nun diese Entscheidung mit großer, allsei-
tiger Umsicht und Genauigkeit verfaßt haben, so beschloß die heilige
und allgemeine Kirchenversammlung, daß niemand einen anderen
Glauben vortragen oder niederschreiben, verfassen, hegen oder andere
lehren dürfe“ (D. 148, NR. 252).
Das Konzil von Chalzedon versteht sich selbst als die Auslegung
der alten Symbole von Nizäa (325) und von Konstantinopel (381),
zweier Briefe des Cyrill von Alexandrien (2. Brief an Nestorius und
Unionsbrief vom Jahre 433 mit Unionssymbol) und des Briefes Leos I.
an Flavian von Konstantinopel (tomus Leonis).
Die Aussagen des Konzils über Christus sind als Heilsaussagen
gemeint. Dies ergibt sich daraus, daß sich die Synode gegen jene
wandte, welche das Mysterium des göttlichen Heilsplanes, der Oiko-
nomia, verdarben, indem sie die Gestalt Jesu Christi auflösten. Es
folgt auch aus den der Entscheidung vorausgehenden Kontroversen.
Das Konzil verfolgte mit seiner heilsgeschichtlichen Sinngebung die
gleiche Absicht wie sämtliche vorausgehenden Synoden.
Es schuf mit seiner Formulierung Klarheit in der verwirrenden
Mannigfaltigkeit der Ausdrücke. Voraus gingen vor allem drei For-
meln. Die eine lautete: Eine Natur (pdoıs = Önöotaoıs = die konkrete
Natur) des Fleisch gewordenen Gott-Logos, oder: die eine Fleisch
gewordene Natur des Gott-Logos (Cyrill von Alexandrien). Die zweite
war: Zwei Substanzen (Naturen) — eine Person, vertreten von den
Lateinern seit Tertullian, oder: zwei Naturen — ein Prosopon bzw.
eine Hypostase, vertreten von Antiochenern, besonders Andreas von
Samosata, aber auch von Alexandrinern, wie etwa Isidor von Pelu-
sium, Proklos von Konstantinopel. Die dritte Formel hieß: Aus zwei
Naturen eine Hypostase (Flavian von Konstantinopel). Da die erste
und die dritte Formel monophysitisch mißbraucht wurden, entschied
sich das Konzil, populär-philosophische Begriffe verwendend, für die
zweite Formel.
Es lehrte gegenüber dem Arianismus und dem Nestorianismus
die Wesensgleichheit mit dem Vater, gegenüber dem Arianismus,
dem Apollinarismus, dem Doketismus und jeglicher Beeinträchtigung
der menschlichen Natur die Wesensgleichheit mit uns.
Das Konzil lehrte gegen die nestorianische Trennungstheologie
die Einheit der Person, gegen die monophysitische Identitätstheologie
die Zweiheit der Naturen.
§ 146 Das kirchliche Lehramt 151

Nach dem Konzil entbrannte ein Streit um den Sinn seiner For-
mulierung. Das Ergebnis war eine Vermittlungstheologie, welche an
der sachlichen Entscheidung des Konzils festhalten, aber zugleich die
Formeln Cyrills von Alexandrien berücksichtigen wollte (vgl. das
Konzil von Konstantinopel 553 und jenes vom Lateran 649 sowie etwa
Ephräm von Antiochien). Man unterscheidet demgemäß einen strengen
Chalzedonianismus und einen Neuchalzedonianismus. Beide unter-
scheiden sich jedoch in der Sache selbst nicht (siehe A. Grillmeier,
Chalkedon, Das Konzil, Dogmatisch-dogmengeschichtlich, in: Lex. f.
Theölogie u. Kirche II, Freiburg i. Br. 19588, 1008 f.).
Leo der Große schrieb in seinem „Dogmatischen Brief“ an den Patriarchen
Flavian von Konstantinopel am 13. Juni 449 folgendes: „Die Gesamtheit der Gläu-
bigen bekennt den Glauben an Gott, den allmächtigen Vater, und an Jesus Christus,
seinen einzigen Sohn, unsern Herrn, der geboren ist vom Heiligen Geiste aus Maria,
der Jungfrau. Durch diese drei Sätze wird die List fast aller Irrlehren zunichte.
Denn wenn man an Gott den Allmächtigen und den Vater glaubt, dann bekundet
man damit, daß der Sohn gleichzeitig mit ihm ist, in nichts sich vom Vater unter-
scheidend, weil er Gott von Gott ist, der Allmächtige vom Allmächtigen, der Gleich-
ewige vom Ewigen geboren; er ist nicht später der Zeit nach, nicht geringer an
Macht, nicht ungleich an Herrlichkeit, nicht getrennt in der Wesenheit. Dieser selbe
aber, des ewigen Vaters einziggeborener ewiger Sohn, ist geboren vom Heiligen
Geiste aus Maria, der Jungfrau. Diese Geburt in der Zeit hat jener göttlichen und
ewigen Geburt nichts benommen, nichts zugebracht; sie galt vielmehr ganz der
Wiederherstellung des Menschen, der verführt war. Sie sollte den Tod besiegen und
den Teufel, den Herrn des Todes, überwinden. Wir könnten nämlich den Urheber
der Sünde und des Todes nicht bezwingen, wenn nicht jener unsere Natur ange-
nommen und zu der seinen gemacht hätte, den weder eine Sünde beflecken noch
der Tod in Gewahrsam halten konnte. Er ist ja empfangen worden vom Heiligen
Geiste im Schoße der Jungfrau-Mutter, die ihn ebenso mit unversehrter Jungfräu-
lichkeit geboren hat, wie sie ihn auch mit unversehrter Jungfräulichkeit empfangen.
Der Heilige Geist nämlich schenkte der Jungfrau Fruchtbarkeit, ein wirklicher Leib
aber ward von ihrem Leibe genommen, und »indem sich die Weisheit ein Haus er-
baute« (Spr 9, 1) »ist das Wort Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt« (Jo
1, 14), d. h. in jenem Fleische, das es aus einem Menschen annahm und mit einer
geistigen Vernunft-Seele belebte. Indem also die Eigentümlichkeit beider Naturen
und Wesenheiten unbeeinträchtigt blieb und in eine Person zusammenging, ward
von der Majestät die Niedrigkeit, von der Kraft die Schwäche, von der Ewigkeit die
Sterblichkeit aufgenommen, und um die Schuld zu lösen, der wir verfallen waren,
wurde die unverletzliche Natur der leidensfähigen geeint. So konnte, wie es unsere
Heilung erforderte, der eine und selbige Mittler zwischen Gott und den Menschen,
der Mensch Jesus Christus (vgl. 1 Tim 2, 5), in einer Hinsicht sterben, in anderer
nicht sterben. In der ganzen und vollkommenen Natur eines wahren Menschen ist
der wahre Gott geboren, ganz in dem Seinen, ganz in dem Unsrigen... Er hatte
aber dadurch, daß er in Gemeinschaft mit unseren Schwächen trat, nicht auch An-
teil an unseren Sünden. Er nahm Knechtsgestalt an ohne Befleckung der Sünde: er
152 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) S 146

erhöhte das Menschliche, ohne das Göttliche zu mindern. Denn jene Entäußerung,
da der Unsichtbare sich sichtbar darbot, und der Schöpfer und Herr aller Dinge
einer der Sterblichen sein wollte, war Herablassung der Erbarmung, nicht Versagen
der Macht. Der also in der Gottesgestalt den Menschen gemacht, der hat sich in der
Knechtsgestalt zu einem Menschen gemacht. Bewahrt doch jede Natur unvermindert
ihre Eigentümlichkeit, und wie die Gottesgestalt nicht die Knechtsgestalt hinweg-
nimmt, so mindert die Knechtsgestalt nicht die Gottesgestalt ... Es tritt also ein in
die Tiefe dieser Welt der Sohn Gottes; er steigt herab von seinem himmlischen
Throne und kommt, ohne des Vaters Herrlichkeit zu verlassen, in einer neuen Ord-
nung und in einer neuen Geburt zur Welt. In einer neuen Ordnung, denn er, der
in dem Seinigen unsichtbar ist, ward in dem Unsrigen sichtbar, der Unbegreifliche
wollte begriffen werden, der vor aller Zeit war, begann in der Zeit zu sein; der
Herr des Alls umschattete seine unbegrenzte Majestät ohne Maß und nahm Knechts-
gestalt an; Gott, der nicht leiden kann, hat es nicht verschmäht, ein Mensch zu sein,
der leiden kann, und der Unsterbliche unterwarf sich den Gesetzen des Todes. In
einer neuen Geburt aber kam er zur Welt, weil die unversehrte Jungfräulichkeit,
ohne die Begierde zu kennen, den Leib bereitete. Von der Mutter des Herrn wurde
die Natur, nicht die Schuld angenommen; noch auch ist im Herrn Jesus Christus
deshalb, weil seine Geburt wunderbar ist, seine Natur der unsrigen unähnlich. Denn
derselbe, der wahrer Gott ist, ist wahrer Mensch; und es gibt in dieser Einheit
keinen Trug, da die Hoheit Gottes und die Niedrigkeit des Menschen beisammen
sind. Wie nämlich Gott durch sein Erbarmen nicht verändert wird, so wird auch
der Mensch durch die göttliche Würde nicht verzehrt. Jede der beiden Naturen tut
in Gemeinschaft mit der anderen das, was ihr eigen ist: Das Wort wirkt, was des
Wortes ist, und das Fleisch vollführt, was des Fleisches ist. Das eine strahlt herr-
lich in Wundern, das andere unterliegt der Gewalttat. Und wie das Wort nicht die
Gleichheit der Glorie des Vaters preisgibt, so läßt das Fleisch nicht von der Natur
unseres Geschlechtes. Denn ein und derselbe ist, was man oft wiederholen muß,
wahrhaft Gottessohn und wahrhaft Menschensohn. Gott: denn »im Anfang war das
Wort, und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort« (Joh 1, 1), Mensch: denn
»das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt« (Joh 1, 14) ... Wie
es also, um vieles zu übergehen, nicht von ein und derselben Natur kommt, mit
tiefem Mitgefühl über den toten Freund zu weinen und dann von ihm, der vier
Tage begraben lag, die Grabesdecke fortzureißen und ihn durch den bloßen Befehl
wieder ins Leben zu rufen (Joh 11, 39. 43), oder am Kreuze zu hangen und den
Tag in Nacht zu verwandeln und alle Elemente erzittern zu machen... (Mt 27,
45. 51), so kommt es auch nicht von derselben Natur, zu sagen: »Ich und der Vater
sind eins« (Joh 10, 30) und zu sagen: »Der Vater ist größer als ich« (Jo 14, 28).
Wenn nämlich auch im Herrn Jesus Christus Gott und Mensch nur eine Person
ist, so kommt doch aus einer Quelle die beiden gemeinsame Erniedrigung, aus
einer anderen aber die gemeinsame Glorie. Denn aus dem Unsern kommt ihm die
Menschheit, die geringer ist als der Vater, vom Vater hat er die Gottheit, die dem
Vater gleich ist. Wegen dieser Einheit der Person also, die bei den zwei Naturen
angenommen werden muß, liest man einmal, der Menschensohn sei vom Himmel
herabgestiegen, da doch der Sohn Gottes aus der Jungfrau, aus der er geboren
wurde, Fleisch angenommen hat, dann wieder heißt es, der Sohn Gottes sei ge-
kreuzigt und begraben worden, da er dies doch nicht in der Gottheit, in der er, der
§ 146 Das kirchliche Lehramt 153

Einziggeborene, dem Vater gleichewig und wesensgleich ist, sondern in der Schwach-
heit der menschlichen Natur erlitten hat. So bekennen wir ja auch alle im Glaubens-
bekenntnis, der Sohn Gottes sei gekreuzigt und begraben worden... Eins ohne das
andere kann zum Heile nichts nützen und es ist in ganz gleicher Weise gefährlich,
den Herrn Jesus Christus nur für Gott und nicht für einen Menschen oder nur für
einen Menschen und nicht für Gott zu halten... So lebt und wächst die katholische
Kirche in diesem Glauben; in Christus Jesus ist weder die Menschheit ohne wahre
Gottheit, noch auch die Gottheit ohne die wahre Menschheit“ (Übers. nach L. von
Rudloff, Das Zeugnis der Väter, Regensburg 1937, 151—155; vgl. L. Winterswyl,
Die Lehrschreiben des hl. Papstes Leo des Großen über die Menschwerdung Christi,
Leipzig 1938; siehe auch D. 143f.; NR. 247—251).
Um die auch nach dem Konzil von Chalzedon (451) im Widerstand ver-
harrenden Monophysiten versöhnungsgeneigt zu machen, betrieb der Kaiserliche Hof
von Konstantinopel die Verurteilung einiger ehemaliger Hauptgegner des Mono-
physitismus, des Theodoret von Cyrus und des Ibas von Edessa bzw.
eines Hauptvertreters der den Nestorianismus begünstigenden Theologenschüler von
Antiochien, des Theodor von Mopsuestia. Sie erfolgte auf der fünften
Allgemeinen Kirchenversammlung, auf der zweiten in Konstantinopel (553). Dies
Konzil verwendet den Ausdruck „hypostatische Union“. Papst Vigilius gab ihren Be-
schlüssen seine Zustimmung (D. 216 f.).
„1. Wer nicht bekennt, daß Vater, Sohn und Heiliger Geist eine Natur
oder Wesenheit, eine Kraft und Gewalt haben; wer nicht bekennt die
wesensgleiche Dreifaltigkeit, eine Gottheit, die in drei Hypostasen oder Personen
angebetet wird, der sei ausgeschlossen. Denn es ist nur ein Gott und Vater, aus
welchem alles, und ein Herr Jesus Christus, durch den alles, und ein Heiliger
Geist, in dem alles ist.

2. Wer nicht zwei Geburten des Wortes Gottes bekennt, die eine von
Ewigkeit aus dem Vater, zeitlos und körperlos, die andere in den letzten Tagen, da
er herabkam aus dem Himmel und Fleisch geworden ist aus der heiligen glor-
reichen Gottesgebärerin und immerwährenden Jungfrau Maria und aus ihr geboren
wurde, der sei ausgeschlossen.
3. Wer sagt, ein anderer sei das Wort Gottes, das Wunder wirkte, und ein
anderer sei Christus, der gelitten hat; oder wer sagt, das göttliche Wort sei mit dem
aus dem Weibe geborenen Christus nur zusammengewesen oder in ihm gewesen wie
einer in einem anderen ist, und es sei nicht einer und derselbe, unser
Herr Jesus Christus, das Wort Gottes, welches Fleisch und Mensch ge-
worden ist, und die Wunder und Leiden, die er freiwillig im Fleische erduldete,
gehörten nicht demselben an, der sei ausgeschlossen.
4. Wer sagt, die Einigung des Wortes Gottes mit dem Menschen bestände
nur der Gnade nach oder nur im Wirken oder durch die Gleichheit der Ehre und
der Machtvollkommenheit oder durch Beziehung und Verhältnis oder der Macht
nach, kurz: aus Wohlwollen, indem gleichsam dem Worte Gottes dieser Mensch
gefiel (wie Theodorus in seinem Wahn sagt), oder: (jene Einigung bestände) nur in
einer Gleichnamigkeit, insofern die Nestorianer das Wort Gottes auch Jesus und
Christus, und getrennt davon den Menschen auch Christus und Sohn nennen und so
deutlich von zwei Personen sprechen, nur der Bezeichnung und der Ehre, Würde und
154 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) 8 146

Anbetung nach von einer Person und einem Christus heuchlerisch reden; und
wer nicht bekennt, daß die Einigung des Wortes Gottes mit dem durch eine ver-
nünftige und denkende Seele belebten Fleische geschehen sei der Zusammenfügung
oder Hypostase nach, wie die heiligen Väter lehrten, und daß deshalb nur eine
Hypostase desselben vorhanden sei, nämlich der Herr Jesus Christus, einer aus der
heiligen Dreifaltigkeit: der sei ausgeschlossen. Da nämlich das Wort »Einigung« in
verschiedenem Sinne genommen wird, so verteidigen die Anhänger der Gottlosigkeit
des Apollinaris und Eutyches ein Verschwinden der zusammengekommenen Naturen
und lehren eine Einigung durch Zusammenfließen; die Anhänger des Theodorus und
Nestorius aber bestehen auf Trennung und führen eine Einigung der Beziehung ein:
die heilige Kirche Gottes dagegen verwirft die Gottlosigkeit beider Irrlehren und
bekennt die Einigung des Wortes Gottes mit dem Fleische der Zusammenfügung,
d.i. der Hypostase nach. Denn die Einigung der Zusammenfügung nach bewahrt im
Geheimnisse Christi nicht nur gesondert, was zusammengekommen ist, sondern
duldet auch keine Trennung.
5. Wer den Ausdruck: »eine Hypostase« unseres Herrn Jesus Christus so
versteht, daß damit eine Zusammenfassung mehrerer Hypostasen gemeint ist, und
wer so in das Geheimnis Christi zweiHypostasen oder zweiPersonen
einführen will, und, nachdem er zwei Personen eingeführt hat, doch nur von einer
spricht, (nämlich) der Würde, Ehre und Anbetung nach, wie Theodorus und Nesto-
rius in ihrem Wahn geschrieben haben, und wer die heilige Kirchenversammlung
von Chalzedon fälschlich beschuldigt, als habe sie den Ausdruck seine Hypostase«
in diesem gottlosen Sinne genommen; wer hingegen nicht vielmehr bekennt, daß
das Wort Gottes sich mit dem Fleische der Hypostase (Person) nach vereinigt hat,
und daß es deshalb nur eine Hypostase oder eine Person desselben gibt, und daß
auch die heilige Kirchenversammlung von Chalzedon die eine Hypostase (Person)
unseres Herrn Jesus Christus in diesem Sinne bekannt hat, der sei ausgeschlossen.
Denn die heilige Dreifaltigkeit hat nicht dadurch, daß einer aus der heiligen Drei-
faltigkeit, nämlich das Wort Gottes, Mensch wurde, die Hinzufügung einer weiteren
Person oder Hypostase erfahren.
6. Wer die heilige, glorreiche, immerwährende Jungfrau Maria nur im uneigent-
lichen und nicht im wahren Sinne Gottesgebärerin nennt, oder nur der Be-
ziehung nach, als ob nur ein Mensch aus ihr geboren und nicht das Wort Gottes aus
ihr Fleisch angenommen habe, wobei nach jenen die menschliche Geburt insofern auf
Gott das Wort zu beziehen wäre, als es mit dem geborenen Menschen zusammen
war; und wer die heilige Kirchenversammlung von Chalzedon fälschlich anklagt,
daß sie die Jungfrau gemäß dieser gottlosen Ansicht des Theodorus Gottesgebärerin
genannt habe; oder wer sie Menschengebärerin nennt oder Christusgebärerin, als ob
Christus nicht Gott wäre, und sie nicht vielmehr im eigentlichen und wahren Sinne
Gottesgebärerin nennt, weil das von Ewigkeit aus dem Vater geborene Wort Gottes
in den letzten Tagen aus ihr Fleisch angenommen hat, und (wer nicht zugesteht),
daß die heilige Kirchenversammlung von Chalzedon sie in diesem frommen Sinne
als Gottesgebärerin bezeichnet habe, der sei ausgeschlossen.
7. Wer den Ausdruck sin zwei Naturen« nicht in dem Sinne gebraucht, daß er
damit in Gottheit und Menschheit den einen Herrn Jesus Christus bekennt, so
daß er durch diesen Ausdruck den Unterschied der Naturen bezeichnen will, aus
denen die unaussprechliche Einigung ohne Vermischung geschehen ist, ohne daß das
§ 146 Das kirchliche Lehramt 155

Wort in die Natur des Fleisches verwandelt wurde noch das Fleisch in die Natur
des Wortes überging — es bleibt jedes, was es der Natur nach ist, wenn die hypo-
statische (personhafte) Vereinigung eingetreten ist —, wer vielmehr diesen Ausdruck
in Beziehung auf das Geheimnis Christi im Sinne einer Trennung der Teile nimmt,
oder die Zweizahl der Naturen in dem einen Herrn Jesus Christus, dem fleisch-
gewordenen Wort Gottes wohl bekennt, den Unterschied der Naturen aber, aus denen
er zusammengesetzt ist und welcher Unterschied durch die Einigung nicht aufge-
hoben ist — denn einer istaus beiden und beide sind in einem —,
nicht bloß theoretisch versteht, sondern der Zweizahl sich bedient, um die Naturen
zu trennen und zu eigenen Hypostasen (Personen) zu machen, der sei ausgeschlossen.

"8. Wer die Ausdrücke: »aus zwei Naturen, der Gottheit und Menschheit, sei die
Einigung geschehen« oder: »die eine fleischgewordene Natur des Wortes« nicht so
nimmt, wie die heiligen Väter gelehrt, daß (nämlich) aus der göttlichen und der
menschlichen Natur durch hypostatische Einigung ein Christus entstand, wer viel-
mehr durch diese Ausdrücke nur eine Natur oder Wesenheit der Gott-
heit und Menschheit Christi einführen will, der sei ausgeschlossen. Denn
wenn wir sagen, das einziggeborene Wort habe sich hypostatisch (personhaft) (mit
der Menschennatur) vereinigt, so behaupten wir nicht, daß eine Vermengung der
Naturen untereinander geschehen sei. Wir meinen vielmehr, das Wort habe sich mit
dem Fleische vereinigt, während die Natur blieb, was sie ist. Deswegen ist ein
Christus, Gott und Mensch, derselbe wesensgleich dem Vater der Gottheit nach und
auch wesensgleich uns der Menschheit nach. Denn auf gleiche Weise verwirft und
schließt die Kirche Gottes die aus, welche das göttliche Heilsgeheimnis Christi in
Teile trennen und schneiden wie auch die, welche es vermischen.

9. Wer den Ausdruck: »Christus werde in zwei Naturen angebetet«, so nimmt,


daß dadurch zwei Anbetungen eingeführt werden, eine besondere für das
göttliche Wort und eine besondere für den Menschen; oder wer, um das Fleisch
(der Menschheit Christi) aufzuheben, oder um die Gottheit und die Menschheit mit-
einander zu vermischen, von einer Natur oder Wesenheit der zusammengekomme-
nen Naturen lügnerisch spricht und in diesem Sinne Christus anbetet, und nicht
in einer Anbetung das fleischgewordene Wort Gottes samt seinem Fleische ver-
ehrt, wie die Kirche Gottes es von jeher überliefert empfing, der sei ausgeschlossen.

10. Wer nicht bekennt, daß unser im Fleische gekreuzigter Herr Jesus Christus
wahrer Gott und Herr der Herrlichkeit ist undeinerausderheiligenDrei-
faltigkeit, der sei ausgeschlossen.

12. Wer den gottlosen Theodor von Mopsuestia verteidigt, welcher


sagt:
(1) ein anderer sei das göttliche Wort und ein anderer der von Leiden der
Seele und von Begierden des Fleisches geplagte Christus, der sich nach und nach
über die Unvollkommeneren erhoben habe und durch Fortschritt in den Werken
besser und durch seinen Wandel untadelig geworden sei; ferner: derselbe sei wie
ein gewöhnlicher Mensch auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des
Heiligen Geistes getauft worden, habe durch die Taufe die Gnade des Heiligen
Geistes erhalten, sei der Sohnschaft gewürdigt worden und werde mit Rücksicht auf
die Person des göttlichen Wortes, ähnlich wie das Bild eines Kaisers, angebetet und
156 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) § 146

sei erst nach der Auferstehung unwandelbar geworden in seinen Gedanken und
völlig unsündlich;
(2) und der weiter sagt: die Einigung des göttlichen Wortes mit Christus sei
eine solche, wie sie der Apostel zwischen Mann und Frau angebe: »die zwei werden
in einem Fleische sein, (Eph 5, 31);
(3) und der neben anderen zahllosen Gotteslästerungen zu sagen wagte: als
der Herr nach der Auferstehung die Jünger anhauchte und sprach: »Empfanget den
Heiligen Geist« (Joh 20, 22), habe er ihnen nicht den Heiligen Geist eingegeben,
sondern sie (nur) gleichnisweise angehaucht;
(4) und der weiter sagt: das Bekenntnis des Thomas bei der Betastung der
Hände und der Seite des Herrn nach der Auferstehung: »Mein Herr und mein Gott:
(Joh. 20, 28), sei von Thomas nicht gesprochen in bezug auf Christus, sondern,
über das Wunder der Auferstehung erstaunt, habe Thomas damit Gott gepriesen,
der Christus auferweckt habe;
(5) und was noch ärger ist, in seiner Erklärung der Apostelgeschichte vergleicht
Theodor Christus mit Plato, Manichäus, Epikur und Marcion und sagt, wie jeder
von diesen seine eigene Lehre erfunden und so seinen Schülern den Namen Pla-
toniker, Manichäer, Epikuräer und Marcionisten übermittelt habe, auf dieselbe Weise
würden, da ja auch Christus eine Lehre erfunden habe, nach ihm die Christen ge-
nannt.
Wer nun den besagten ganz gottlosen Theodorus und seine gottlosen
Schriften, worin er diese und noch andere zahllose Gotteslästerungen gegen den
großen Gott, unseren Heiland Jesus Christus, ausgoß, verteidigt und ihn nicht
vielmehr verwirft samt seinen gottlosen Schriften, mit allen, die sich seiner an-
nehmen und ihn verteidigen oder sagen, er betreibe eine rechtgläubige Schrift-
auslegung, oder die für ihn und seine gottlosen Bücher schrieben und das Gleiche
denken oder je dachten, und bis ans Ende in dieser Irrlehre verharren, der sei aus-
geschlossen.

13. Wer die gottlosen Schriften des Theodoret verteidigt, die gegen den
wahren Glauben und gegen die erste und heilige Kirchenversammlung zu Ephesus
und gegen den heiligen Cyrill und seine zwölf Sätze gerichtet sind, und wer alles
verteidigt, was er schrieb für Theodor und Nestorius, diese Gottlosen, und für andere,
die das Gleiche mit den genannten Theodorus und Nestorius denken und sie und
ihre Gottlosigkeit aufnehmen, und wer um derentwillen die Lehrer der Kirche gott-
los nennt, welche die Vereinigung des Wortes hypostatisch (personhaft) auffassen;
wer nicht die genannten gottlosen Schriften verwirft, und auch die, welche Gleiches
dachten und denken und alle, welche gegen den rechten Glauben und gegen den
heiligen Cyrill und seine zwölf Kapitel schrieben und in dieser Gottlosigkeit ver-
harrten, der sei ausgeschlossen.

14. Wer den Brief verteidigt, welchen Ibas an den Perser Mari geschrieben
haben soll und worin geleugnet ist, daß das göttliche Wort aus der heiligen Gottes-
gebärerin und immerwährenden Jungfrau Maria Fleisch angenommen habe und
Mensch geworden sei; worin dagegen behauptet wird, ein bloßer Mensch, den er
„Tempel“ nennt, sei aus ihr geboren worden; so daß ein anderer das göttliche Wort,
ein anderer der Mensch wäre; und worin ferner der heilige Cyrill, der den wahren
Glauben der Christen verkündigt hat, als ein Irrlehrer verschrien wird, als ob er
etwas Ähnliches wie der gottlose Apollinaris geschrieben habe, und worin ge-
§ 146 Die Schrift 157
schmäht wird die erste heilige Kirchenversammlung von Ephesus, als ob sie ohne
Untersuchung den Nestorius verurteilt habe, und welcher selbe gottlose Brief die
zwölf Kapitel des heiligen Cyrill gottlos und wider den rechten Glauben nennt und
den Theodorus und Nestorius und ihre gottlosen Lehren und Schriften verteidigt;
wer also für den besagten Brief eintritt und ihn nicht verwirft samt denen, die
ihn verteidigen und sagen, er selbst oder wenigstens ein Teil von ihm sei recht-
gläubig, und samt denen, welche zu seinen Gunsten und der in ihm enthaltenen
Gottlosigkeit schrieben oder schreiben und es wagen, ihn oder die darin ent-
haltenen Gottlosigkeiten im Namen der heiligen Väter oder der heiligen Kirchen-
versammlung von Chalzedon zu verteidigen und bis ans Ende dabei verharren, der
sei ausgeschlossen“ (D. 213—227; NR. 254—266).

Fünftes Kapitel

Die Schrift

Die Kirche ist in ihren lehramtlichen Feststellungen an Schrift


und Überlieferung gebunden. Andererseits sind ihre Lehräußerungen
die gültige Ausdeutung und Explikation sowie die der jeweiligen
Zeit angemessene sprachliche Fassung der in Schrift und Überliefe-
rung liegenden Offenbarung. Die kirchlichen Lehrentscheidungen
haben daher, wie sie selbst an Schrift und Überlieferung gebunden
sind, für den Gläubigen bindende Kraft. Ihr Geltungswert wird durch
die Beobachtung, daß sie mit der Schrift übereinstimmen, nicht ge-
steigert. Wohl aber gewinnt dadurch die durch die kirchlichen
Lehräußerungen begründete Überzeugung an Freudigkeit und Leben-
digkeit. Der Grund liegt darin, daß die Heilige Schrift das Bild Christi
ursprünglicher, frischer, farbiger, lebensvoller zeichnet, als das in den
kirchlichen Lehrentscheidungen mit ihrer von der Wirklichkeit abge-
zogenen, scharf geprägten, der Philosophie entlehnten Sprache ge-
schieht. Dies ist leicht zu begreifen, da die Schrift Geschichte erzählt,
vom Leben, von den Reden und vom Werk Christi berichtet, während
die kirchlichen Entscheidungen auf Grund der biblischen Geschichte
dem Irrtum gegenüber bestimmte Lehren (Wahrheiten) vortragen. In
den kirchlichen Lehräußerungen und Lehrentscheidungen wird in
metaphysischer Begrifflichkeit der Seinsgrund aufgedeckt, auf den die
heilsgeschichtlichen Ereignisse verweisen, den sie voraussetzen und
dem sie entspringen. So besteht trotz der Verschiedenheit zwischen
kirchlichen Lehrentscheidungen und biblischen Christusaussagen ein
enger Zusammenhang und eine unübersehbare Kontinuität. Da der
Gläubige das Bild Christi an sich herausgestalten soll, ist es von gro-
ßer Tragweite, daß er sich in das von der Schrift gezeichnete Bild
158 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) S 146

Christi versenkt. In dieser Hinsicht schenkt die Schrift eine große Be-
reicherung über die kirchlichen Lehrentscheidungen hinaus.
Die in den angeführten kirchlichen Lehräußerungen ausgespro-
chene personale Einheit bei Naturenzweiheit wird in der Schrift
vielfach, vor allem aber durch zwei Stellen verbürgt, durch Jo 1, 14
und durch Phil 2, 7. „Der Logos ist Fleisch geworden.“ Der Logos,
das personhafte Wort des Vaters, das in ewiger Hinneigung zum Vater
existiert, ist eingetreten in den Bereich des Fleisches, d.h. des Men-
schen mit seiner Vergänglichkeit, Hilflosigkeit, Nichtigkeit. Er, der
Unwandelbare, konnte nicht in ein Geschöpf verwandelt werden. Er
konnte nicht aufhören zu sein, was er immer war, und anfangen zu
sein, was er noch nicht war. Er blieb, was er war. Aber er eignete
sich an, was er noch nicht hatte, das Fleisch, die menschliche Natur
mit ihrer Schwäche. Er stieg vom Himmel herab, nicht als ob er einen
Ort verlassen hätte und, einen unermeßlichen Raum durcheilend, an
einen anderen gegangen wäre. Er, der Unermeßliche, Allgegenwärtige,
ist keinem Raum näher, keinem ferner. Denn er erfüllt, ja er trägt
und wirkt alle Räume. Er hat eine Grenze überschritten, aber keine
sichtbare, sondern eine unsichtbare, die Grenze, die zwischen der
Seinsart des Geschöpfes und jener des Schöpfers verläuft. Er ging
hinüber über die Grenze, die zwischen Gott und Geschöpf aufgerich-
tet ist, und nahm die Natur des Fleisches, die vergängliche mensch-
liche Natur an, so daß sie seine Natur, die Natur des personhaften
Gotteswortes war. Er ergriff sie und verband sich mit ihr. Er setzte
sie in eine so innige und tiefgehende Beziehung zu sich selbst, daß er
ihr „Ich,“ ihre Person, wurde.
Die Menschwerdung des Logos ist keine Einschränkung seiner
Gegenwart auf den Raum der von ihm angeeigneten menschlichen
Natur, so daß er jenseits ihrer nicht gegenwärtig wäre, sondern eine
besondere einmalige, sonst nirgends vorkommende Beziehung zu einer
konkreten, aus Maria stammenden menschlichen Natur, derart, daß
der Logos nur noch in dieser engen Beziehung zur menschlichen Natur
subsistiert. Wie wir noch sehen werden, kann man sagen: Die Person
des Logos wurde die Formalursache für die Subsistenz der mensch-
lichen Natur Jesu Christi.
Ihren Ausgang nahm diese Beziehung in einem ewigen Ratschluß
des Vaters. Gott „hat seinen eigenen Sohn in der Gestalt des sündigen
Fleisches und um der Sünden willen gesandt“ (Röm 8, 3). Und der
Sohn, der ein göttliches Dasein hatte, glaubte nicht, der Sendung
gehorchend, seine gottgleiche Würde selbstsüchtig festhalten zu sol-
S 146 Die Schrift 159

len — damit kommen wir zur zweiten der vorhin hervorgehobenen


Stellen —, sondern er begab sich (entäußerte sich) ihrer, um ein
Knechtsdasein einzutauschen, um menschengleich zu werden an Ge-
stalt und Gebärde; er erniedrigte sich im Gehorsam bis zum Tode, ja
bis zum Tode am Kreuze (Phil 2, 6ff.; nach O. Dibelius, Der Brief
an die Philipper. Handbuch zum Neuen Testament 11, Tübingen
1937°). Die Person des göttlichen Logos bleibt unwandelbar die
gleiche. Aber er hat zu seiner göttlichen Seinsweise noch eine mensch-
liche angenommen und die erste in der letzteren verhüllt. Daß er
dies tat, war seine Liebestat: „Er, der Reiche, ist um euretwillen arm
geworden, damit ihr durch seine Armut reich würdet“ (2 Kor 8, 9).
Durch andere Texte wird unsere These gestützt. Die personale
Einheit, in welcher die zwei Naturen unlöslich miteinander verbunden
sind, wird auch bezeugt durch alle jene Stellen, in denen von einem
und demselben Christus Göttliches und Menschliches ausgesagt wird.
Sie bleiben mit unerklärlichen Widersprüchen belastet, wenn man
nicht eine Zweiheit von Seins- und Tätigkeitsformen in dem einen Ich
Christi annimmt. Jo 2, 19 wird sein Wort überliefert: „Reißt diesen
Tempel nieder, und ich will ihn in drei Tagen wieder aufbauen.“ Er
redete dabei vom Tempel seines Leibes, wie Johannes versichert.
Einer und derselbe stirbt und erhebt sich in freier, überlegener Leich-
tigkeit wieder vom Tode. Er ist noch nicht fünfzig Jahre alt (Jo 8, 57).
Das kann jeder nachprüfen, und doch ist er, ehe Abraham ward. Bei-
des trifft zu, unlösliches Rätsel für den bloß an der Erfahrung messen-
den Zuschauer und Zuhörer. Den Schlüssel zu seiner Auflösung gibt
der Glaube an die Menschwerdung. Christus bittet den Vater um Ver-
herrlichung, und im selben Atemzug fügt er hinzu, es solle mit jener
Herrlichkeit geschehen, die er beim Vater hatte, ehe die Welt war
(50117515).
Petrus sagt in seiner Ansprache, die er nach Heilung des Lahm-
geborenen hielt: „Was wundert ihr euch darüber, und warum staunt
ihr uns an, als ob wir durch eigene Kraft oder Frömmigkeit diesen
zum Gehen gebracht hätten? Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs,
der Gott unserer Väter, hat seinen Knecht Jesus verherrlicht. Ihr
habt ihn freilich ausgeliefert und vor Pilatus verleugnet, als dieser
entschlossen war, ihn freizulassen. Ihr habt den Heiligen und Ge-
rechten verleugnet und euch einen Mörder losgebeten. Ihr habt den
Urheber des Lebens getötet. Aber Gott hat ihn von den Toten auf-
erweckt. Dafür sind wir Zeugen. Auf Grund des Glaubens, den sein
Name wirkt, hat dieser Name dem Manne hier, den ihr seht und
160 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) S 146

kennt, Kraft verliehen. Ja, der Glaube, der durch ihn kommt, hat ihm
vor euer aller Augen die volle Gesundheit geschenkt“ (Apg 3, 12—16).
Mit diesen Worten formulierte Petrus in heilsgeschichtlicher Sprache,
in der Redeweise der Verkündigung, was das Konzil von Chalzedon
in philosophischer Begrifflichkeit darstellte.
‚Christus ist der Herr, Gott, der sich mit seinem Blute seine Ge-
meinde, seine Kirche, erworben hat, über die der Heilige Geist Men-
schen zu Vorstehern bestellt (Apg 20, 28). Christus ist Gott, hochgelobt
und stammt doch dem Fleische nach von den Vätern (Röm 9, 5). In
Christus ist eine Herrlichkeit, die kein Weiser und kein Fürst dieser
Welt kennt, die nur der Geist Gottes selbst durchschaut, und von
der nur jener weiß, dem es Gottes Geist offenbart. Und doch wurde
er, der Herr der Herrlichkeit, ans Kreuz geschlagen (1 Kor 2, 6—12).
Erstaunlich ist an diesen Aussagen nicht bloß ihre Paradoxie, sondern
auch die Sicherheit und Selbstverständlichkeit, mit der das scheinbar
Widersprüchliche und Gegensätzliche gesagt wird. Derjenige, von dem
solche Aussagen gemacht werden, um nicht zu sagen gewagt werden,
lebt in der Entrücktheit Gottes und in der Hinfälligkeit des Leibes,
in der Unsterblichkeit des göttlichen Lebens und in der Vergänglich-
keit der menschlichen Ohnmacht.

Sechstes Kapitel
Die Väter

In der nachapostolischen Zeit werden die biblischen Christusaus-


sagen übernommen und entfaltet. Dies gilt besonders von Gal 4, 4;
1 Kor 2, 8; Phil 2, 5—11; Kol 2, 9; Hebr 1, 3; Röm 1, 3 und auch
von Jo 1, 14. Ignatius von Antiochien versucht, das heilsgeschichtliche
Werk Jesu Christi (die funktionale Christologie) auf das innergött-
liche Sein (auf die christologische Ontologie) zurückzuführen. In der
Anakephalaiosis-Lehre des Irenäus und des Hippolyt werden Welt
und Geschichte christozentrisch verstanden. Von den Vätern war auf
Grund der biblischen Christusaussagen eine zweifache Aufgabe zu
lösen: Es mußte das Verhältnis Christi zum Vater und das Verhältnis
vom Göttlichen zum Menschlichen in Christus selbst geklärt werden.
Die erste Aufgabe wurde in trinitarischen Zusammenhängen vorange-
bracht und auf dem Konzil von Nizäa (325; vgl. Bd. I 8$ 43, 47) gelöst.
Sie bestand darin, daß der in der Schrift bezeugte Monotheismus mit
dem Schriftzeugnis vom göttlichen Charakter Jesu Christi ausge-
glichen wurde. Die Theologen waren bei diesem Unternehmen von
$ 146 Die Väter 161

Anfang an nicht immer glücklich. Sie haben vielfach subordinatiani-


sche Vorstellungen vertreten. Diese sind zu verstehen als der nicht
im ersten Anlauf gelungene Versuch, gegensätzliche Wahrheiten in
eins zu sehen. Erst dort, wo Christus in der Reflexion mit vollem
Bedacht als ein Gott minderen Grades oder als ein bloßer Mensch
ausgelegt wird, entartet der Subordinatianismus zur Häresie. Dies
ist der Fall im Arianismus. Irenäus, Justinus, Hippolyt suchten auf
Grund der heilsgeschichtlichen Tätigkeit, welche der Vater durch Jesus
Christus vollzog, die innergöttlichen Verhältnisse zu bestimmen. Sie
bedienten sich dabei des johanneischen Logosbegriffes. Die Theologie
gelangte jedoch erst in einer langen Anstrengung dazu, die Funktion
des Logos für die Erschaffung und die Erlösung der Welt von dem
innergöttlichen Leben des Logos scharf zu unterscheiden (siehe hier-
zu Bd. I § 46 f.).
Was das Verhältnis des Göttlichen zum Menschlichen in Jesus
Christus selbst betrifft, so sagt das Konzil von Nizäa, daß Christus
wahrer Sohn Gottes und dem Vater wesensgleich ist, daß er aber zu-
gleich wahrhaft im Fleische geboren ist. In dieser Konzilserklärung
sahen die Väter der Folgezeit die Personeinheit dessen gewähr-
leistet, der sowohl wahrer Gott als auch wahrer Mensch ist. Für die
nähere Bestimmung dienen die aus der Trinitätsproblematik auf die
Christologie übertragenen Begriffe Natur und Person. Das Moment
der Einheit lernte man immer klarer in der Person, jenes der Zwei-
heit in der Natur sehen. Es entwickelte sich die Formel von den zwei
Naturen in Christus.
In der abendländischen Theologie begegnet uns der Gedanke in
ausgereifter Gestalt bei Tertullian. Er sagt: „Wir sehen in Christus
einen doppelten Seinsstand (status), unvermischt, aber verbunden, in
einer Person, den Gott und den Menschen Jesus. So sehr wird die
Eigenschaft einer jeden Substanz bewahrt, daß sowohl der Geist (die
Gottheit) seine Dinge in ihm vollführt hat, nämlich Machterweise und
Werke und Zeichen, als auch das Fleisch sein Leiden getragen hat,
hungernd vor dem Teufel, in Angst bis zum Tode und endlich selber
tot“ (Gegen Praxeas, Nr. 27; vgl. De carne Christi, Nr. 13). Papst
Damasus betonte die volle menschliche Natur. Ambrosius erklärte,
Christus sei als einer beides, er sei aber nicht einer und ein anderer.
Augustinus verschaffte der Christologie Tertullians in der abendlän-
dischen Theologie volle Anerkennung. Er veranschaulichte die Einheit
von Gott und Mensch in Jesus Christus mit dem Verhältnis des Leibes
zur Seele. Er gebrauchte hierfür auch die in der ganzen altkirchlichen

11 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


162 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) S 146

Theologie sehr verbreitete Formel vom homo assumptus. Während


jedoch diese Formel in den nestorianischen Kreisen ein Ausdruck der
Trennungstheologie war, wurde sie von Augustinus im Sinne der
wahren menschlichen Natur Christi verstanden, ohne daß dadurch
die Personeinheit gefährdet wurde.
In der ostkirchlichen Theologie haben Clemens von Alexandrien
und Origenes die Christologie wesentlich gefördert. Origenes verband
die heilsgeschichtliche Schau mit der metaphysischen. Er unterstrich
die Unversehrtheit und Ganzheit der menschlichen Natur. Sein Motiv
ist soteriologisch. Er arbeitete nämlich das zu hohem Ansehen und
weiter Verbreitung gelangte Prinzip aus „Quod non est assumptum,
non est redemptum“: Was nicht angenommen wurde, wurde nicht
erlöst. Seine Christologie ist also von der Soteriologie geleitet. Die
Schwäche seiner Christologie lag in seiner subordinatianischen Ten-
denz und in seiner Lehre von der Präexistenz der Seele Christi. Eine
wirkliche Krisis brach jedoch in der christologischen Diskussion inner-
halb der griechischen Theologie im letzten Drittel des 4. Jahrhunderts
aus, als sich das hellenistische Denken der Offenbarung zuwandte.
Im Arianismus entwickelte sich eine schon von Origenes eingeleitete
Logos-Sarx-Christologie. Es wurde also die Lehre vertreten, daß an
die Stelle der menschlichen Seele Jesu der Logos trat. Dieser habe
sich mit dem Leibe des Menschen Jesus verbunden und die Rolle der
Seele übernommen. Apollinaris und seine Schule haben diese Theo-
logie der verkürzten Menschheit Jesu und der damit verbundenen
Weltimmanenz des Logos weitergepflegt. Athanasius hat sie zwar
nicht gelehrt, aber doch der Realität der menschlichen Seele auch
nicht jenes Gewicht zuerkannt, das ihr gebührt. Die menschliche Natur
ist indes in der griechischen Theologie sehr bald völlig gesichert. Es
fragt sich nur, wie die menschliche und die göttliche Natur mit-
einander verbunden sind. Jenseits der Begrifflichkeit sucht man mit
Bildern die Einheit anschaulich zu machen. Die menschliche Natur
wird von der Gottheit vergöttlicht, wie das Eisen vom Feuer durch-
glüht wird. Auch die Analogie von Leib und Seele wird herangezogen.
Einen sprechenden Ausdruck für die Einheit sah man in der Idiomen-
kommunikation. Von den Vertretern der Trennungstheologie in An-
tiochien (den Nestorianern) wurde die Idiomenkommunikation ab-
gelehnt. Das Konzil von Ephesus (431) hat die Subjektseinheit betont
und auf Grund der Einheitlichkeit des Subjekts die Idiomenkommu-
nikation gelehrt (Gottesgebärerin). Die von Nestorius und den Nesto-
rianern gefährdete bzw. geleugnete Personeinheit wurde in einem
8 146 Die Väter 163

metaphysisch-statischen Sinn am entschiedensten von Cyrill von


Alexandrien verteidigt. Gerade bei ihm tritt die Unsicherheit der
Terminologie deutlich in Erscheinung. Er unterschied nicht hin-
reichend zwischen gedoe und Önootaoıs. Um die Verbindung der beiden
Naturen als ganz eng zu kennzeichnen, sprach er von einer Einheit
nach der Physis bzw. nach der Hypostasis. Er betonte die Einheit
noch stärker, wenn er von der einen Natur des fleischgewordenen
Logos sprach (Brief 46, 21. Ench. Patrist. 2061). Er sprach auch von
den zwei poste vor der Vereinigung und von der einen @öoıs nach
der Vereinigung (Brief 40). Trotz dieser mißverständlichen Ausdrücke
darf Cyrill nicht als Monophysit angesehen werden. Denn er betonte
auf der anderen Seite die Unversehrtheit der menschlichen Natur
und die Unvermischtheit der beiden Naturen. Diese Äußerungen
zeigen, daß Cyrill im Kampf gegen die Trennungschristologie mit
unzureichenden Ausdrucksmitteln jene Christologie vertrat, welche
auf dem Konzil von Chalzedon (451) ihren Ausdruck fand; er tat es
in scharf polemischer und zugespitzter Form. Man darf jedoch fol-
gendes nicht übersehen: In dem notwendigen Kampf gegen die Ver-
kürzung der menschlichen Natur bildete sich die antiochenische Schule.
Hier wurde die Integrität der menschlichen Natur so scharf unter-
strichen, daß ihre Personhaftigkeit gelehrt wurde und so die These
von der Zweipersonalität zustande kam (Eustathius, Diodor von Tar-
sus, Eusebius von Emesa, Theodoret von Cyrus). Ohne Verwendung
philosophischer Termini hat Gregor von Nazianz die kirchliche Lehre
dargestellt, indem er, trinitätstheologische Begriffe auf die Christo-
logie anwendend, erklärte, Christus sei ão und ä4A4o, nicht aber
hos und dAlos.
Die Einheit in Christus ist nach Cyrill keine bloß moralisch-
akzidentelle, sondern eine substantielle Es ist Cyrill indes nicht ge-
lungen, die Dimension dieser Einheit klar auszudrücken. Er ver-
wendet die Formel des Apollinaris: uia @öors, freilich in einem anderen
Sinn als dieser, nämlich in der Bedeutung von individueller existie-
render Substanz. In einer ähnlichen Bedeutung gebraucht er jedoch
auch das Wort öröoraoı. Theodoret von Cyrus meint wohl trotz
seiner verschiedenen Sprechweise das gleiche wie Cyrill, wenn er von
der Einheit des nodowrov und der Zweiheit der Naturen spricht. Die
letzte terminologische Vorbereitung des Konzils von Chalzedon leiste-
ten zwei Patriarchen von Konstantinopel, Proklos und Flavian.
Das Konzil von Chalzedon hat, wie schon betont wurde (S. 150),
auf begriffstechnischem Gebiet dadurch Klarheit gebracht, daß es die

11*
164 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) 8 146

Termini pÖoıs und öndoraoıs endgültig für die Dimension der „Natur“
und der „Person“ anwandte und daher von zwei púozıs und von einem
riodownov und einer Ööndoraoıs sprach. Damit ist die in dem Trinitäts-
bereich schon seit langem gebrauchte Terminologie definitiv auf die
Christologie transponiert worden (A. Grillmeier, Dogmengeschichte
der kirchl. Christologie, Lex. f. Theol. u. Kirche, V, Freiburg 1960 Em
941—945. M. Schmaus, Hypostatische Union, ebda., V, 579—584).
Einige Texte mögen die Lebendigkeit der Diskussion veranschau-
lichen.
Ignatius von Antiochien dankt den Ephesern für die
Bruderliebe, die sie an ihm geübt hatten. Sie sind darin Nachahmer
Gottes. Dies konnten sie nur sein, weil sie im Glauben und in der
Liebe in Christus Jesus Gerechtigkeit erworben haben und im Blute
Gottes zu neuem Leben gelangt sind (Eph 1, 1; BKV, 117). Die Römer
bittet er inständig, doch nichts für seine Freilassung zu tun. Er will
gemahlen werden als Weizen Christi. Denn ihn treibt die Sehnsucht,
ein Nachahmer der Leiden Gottes zu sein. Man soll ihm dies doch
gönnen. Wer so wie er Christus in sich trägt, der wird seine Sehn-
sucht verstehen (Röm 6, 3). Die Gedanken des Ignatius sind auf den
geschichtlichen Christus gerichtet. Aber sie sind ganz durchherrscht
von dem lebendigen Wissen um die Dieselbigkeit mit dem Logos
Gottes. Es zeigt sich kein Bedürfnis, die menschliche Natur zugunsten
der Gottessohnschaft zu schmälern oder zurückzudrängen. Wohl emp-
findet er die Paradoxie. Aber sie beseligt ihn. Gerade das im Fleisch-
Sein Christi ist es, woran er sich klammert und wessen er sich ge-
tröstet. Darin liegt ja das Heil, daß unser Gott, Jesus der Christus,
von Maria empfangen wurde (Eph 18, 2), darob sind die Christen von
Smyrna zu preisen, daß sie vollendet sind in unerschütterlichem Glau-
ben, wie angenagelt mit Leib und Seele an das Kreuz des Herrn Jesus
Christus, gefestigt in der Liebe im Blute Christi, vollkommen im
Glauben an unseren Herrn, den wahrhaften Sprossen aus dem Ge-
schlechte Davids dem Fleische nach, den Sohn Gottes nach dem Willen
und der Macht Gottes, wahrhaft geboren aus der Jungfrau und von
Johannes getauft, auf daß jegliche Gerechtigkeit von ihm erfüllt
würde (Smyrn. 1, 1; BKV, 147).
Leo der Große, dessen dogmatischer Brief schon mitgeteilt
wurde, sei nochmal angerufen. In einer Predigt über das Leiden
Christi sagt er (Pred. 52, Abschn. 1; Pred. 69, Abschn. 3):
„In allem, Geliebteste, was zum Leiden unseres Herrn Jesus Christus gehört,
lehrt und fordert der katholische Glaube, daß wir in unserem Erlöser zwei Naturen
8 146 Die Väter 165

anerkennen; sie sind, obwohl jede ihre Eigentümlichkeit behält, zu einer so voll-
kommenen Einheit beider Wesenheiten verbunden, daß wir von jenem Zeitpunkte
an, in dem um des Menschengeschlechts willen im Schoße der seligsten Jungfrau
das Wort Fleisch geworden ist, die Gottheit nicht denken dürfen ohne das, was
Mensch ist, noch auch den Menschen ohne das, was Gott ist. Es drückt sich in den
verschiedenen Handlungen die Wirklichkeit einer jeden der zwei Naturen aus, aber
keine von ihnen trennt sich je von der Verbindung mit der andern. In nichts ist
die eine ohne die andere: ganz ist in der Majestät die Niedrigkeit, ganz in der
Niedrigkeit die Majestät. Jedoch bewirkt die Einheit keine Vermischung, noch hebt
die Eigenart die Einheit auf. Die eine Natur ist leidensfähig, die andere unverletz-
lich und dennoch gehört dem die Schmach, dessen die Herrlichkeit ist. Derselbe ist
in der Schwachheit, der auch in der Kraft ist; er, der dem Tode verfallen ist, ist
auch der Sieger über den Tod. So hat Gott das ganze Menschsein angenommen; er
hat sich aus Barmherzigkeit in seiner Macht die Menschheit so verbunden und sich
der Menschheit, daß jede der zwei Naturen der andern inne ist, und keine an die
andere etwas von ihrer Eigenart verliert.“ „In Christus müssen wir die wahre Gott-
heit und die wahre Menschheit anerkennen. Es ist das Fleisch und das Wort; und
wie er eines Wesens ist mit dem Vater, so ist er auch einer Natur mit der Mutter.
Die Person wird nicht verdoppelt, die Wesenheiten werden nicht vermischt; gemäß
seiner Kraft ist er leidensunfähig; gemäß seiner Niedrigkeit sterblich, aber beider
bedient er sich so, daß die Kraft die Schwäche verherrlicht, die Schwäche jedoch
die Kraft nicht verdunkeln kann. Er, der die ganze Welt umgreift, läßt sich von
seinen Feinden greifen; er wird gefesselt von den Händen jener, deren Herz ihn
nicht fassen kann. Die Gerechtigkeit widersteht nicht den Ungerechten und die
Wahrheit weicht den falschen Zeugnissen; verbleibend in der Gestalt der Gottheit,
wollte er die Knechtsgestalt »erfüllen«, und die Wirklichkeit der leiblichen Geburt
sollte bewiesen werden durch die Grausamkeit seines körperlichen Leidens“
(Th. Breme, Leo der Große. Die Passion, Leipzig 1936, 18f., 110).

Über das Verhältnis von Natur und Person in dem einen Christus
wurde erst im 6. Jahrhundert eingehender und tiefer reflektiert,
namentlich von Ephräm von Antiochien, von Leontius von Byzanz,
von Boäthius, von Rusticus Diaconus, von Maximus Confessor.
Das Mittelalter führte diese Spekulationen weiter. In der Früh-
scholastik wurde auf Grund des Vergleichs der zwei Naturen in Chri-
stus mit dem Verhältnis von Leib und Seele im Symbolum Ps.-Atha-
nasianum (Quicumque) die kirchliche Lehre zu erklären versucht
(D. 40). Dies führte in der Abaelard-Schule zur Vorstellung von einer
zusammengesetzten Hypostase. Auf der anderen Seite wurde jedoch
die These von einer Zusammensetzung abgelehnt, und zwar mit Hilfe
einer anthropologischen Reduzierung. Es wurde nämlich von Hugo
von St. Victor erklärt, daß die Seele im Menschen das personale Ele-
ment darstelle und der Leib in die Personhaftigkeit der Seele auf-
genommen werde. Ähnlich stelle der Logos das personhafte Element
in Jesus Christus dar. Die menschliche Natur werde in seine Person-
166 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) S 146

haftigkeit aufgenommen. Dabei wird das Fehlen der Personhaftigkeit


wiederum entweder historisch oder systematisch begründet. Histo-
risch wurde es etwa von Hugo von St. Victor damit erklärt, daß die
menschliche Natur nicht personhaft ist, weil Leib und Seele vor ihrer
Verknüpfung zur einen menschlichen Natur mit der Person des Logos
vereinigt werden und sich daher nicht zur menschlichen Person ent-
falten können. Die systematische Deutung wurde wieder in einer
zweifachen Weise geboten, in einer philosophischen und in einer juri-
dischen. Die erste findet sich etwa in der Ysagoge Odonis. Hier heißt
es, daß nicht jede vernünftige Substanz Person ist, weil nicht jede
individuell ist. So ist die menschliche Seele Christi in ihrer Verbin-
dung mit dem Leib zwar vernünftig, aber nicht individuell. Nach der
juridischen Erklärung wird die jeweils niedrigere Person von der
höheren aufgezehrt, nicht aber eine niedrigere Substanz von einer
höheren. In Christus tritt daher die göttliche Person an die Stelle der
menschlichen. —In der Frühscholastik treffen wir auch die dem nesto-
rianischen Denken entsprechende Habitustheorie, d.h. die These, der
Logos habe die menschliche Natur wie ein Gewand angezogen. Sie
wird von Abaelard und Petrus Lombardus begünstigt. Thomas von
Aquin verurteilt sie als Häresie. — Vom 13. Jh. an treten die für den
weiteren Gang der Christologie maßgebend gewordenen Erklärungen
hervor (siehe hierfür das achte Kapitel; vgl. A. Landgraf, Dogmen-
geschichte der Frühscholastik, II 1, Regensburg 1953).

Siebentes Kapitel

Die Heilsbedeutung

Diese Zeugnisse der Schrift und der Kirchenväter verdeut-


lichen, daß die Lehre von der personalen Einheit in Christus bei
Naturverschiedenheit nicht ein bloßer philosophischer Versuch anläß-
lich der Offenbarung ist. Sie darf als solcher weder verstanden noch
gepflegt werden, wenngleich die Offenbarung eine starke spekulative
Begabung leicht dazu verführen könnte, sie vor allem als Feld für lo-
gische und metaphysische Forschungen und Entdeckungen zu betrach-
ten. Sie treibt zwar die gläubige Vernunft zu den tiefsten metaphysi-
schen Erkenntnissen an. Ähnlich wie die Offenbarung vom trinitari-
schen Leben Gottes eröffnet die Offenbarung von der Menschwerdung
des Logos der Vernunft den Zugang zu Einsichten in das Wesen des
personhaften und des naturhaften Seins und der gegenseitigen Be-
ziehungen von Natur und Person, welche sie ohne diese Offenbarung
§ 146 Die Heilsbedeutung 167

nicht gewinnen könnte. Aber die Inkarnationslehre ist nicht erstlich


eine Vorstellung, die unsere Vernunft zur Kenntnis nimmt, zum Aus-
gang neuer Erkenntnisse macht, um diese wie ein wertvolles, aber un-
fruchtbares Wissensstück zu besitzen. Sie ist vielmehr eine Bürgin
unseres Heiles. „Zuerst wollte das Wort selbst vom Menschen ge-
boren werden, damit du sicher aus Gott geboren würdest und dir
sagtest: Nicht ohne Grund wollte Gott vom Menschen geboren werden,
und zwar aus keinem andern, als weil er mich einigermaßen für
wert hielt, mich unsterblich zu machen und für mich sterblich ge-
boren zu werden. Darum hat er, gleichsam damit wir uns nicht
wunderten und entsetzten ob einer so großen Gnade, so daß es uns
unglaublich erschiene, daß Menschen aus Gott geboren sind, den
Worten: »sie sind aus Gott geboren«, gewissermaßen dich sicher ma-
chend, noch beigefügt: »Und das Wort ist Fleisch geworden und hat
unter uns gewohnt.« Was wunderst du dich also, daß Menschen aus
Gott geboren werden?“ (Augustinus, 2. Vortrag zum Johannes-
Evangelium, 15. Abschn.; BKV IV, 30).
Wie schon betont wurde, war auch das Interesse der Konzilien
von Nizäa (325), von Konstantinopel (381), von Ephesus (431) und
von Chalzedon (451) heilsgeschichtlich. Nie ging es um die Wahrheit
an sich; immer handelte es sich um die Wahrheit für uns.
Dadurch und nur dadurch, daß der Logos sich auf so innige
Weise, wie sie zu Anfang dieses Abschnittes beschrieben wurde, mit
einer bestimmten menschlichen Natur verband, empfängt die Schöp-
fung, in deren Mitte der Tod steht, das vom Vater in ewiger Tat ge-
zeugte volle Leben, vor dem alles irdische Leben eher Tod als Leben
ist. Auf Grund dieser wesenhaften Einigung der menschlichen Natur
mit dem Worte Gottes tritt die Zeugungstat des Vaters aus dem Kreis
des innergöttlichen Lebens heraus und stößt in den Bereich des Ge-
schöpflichen vor. Licht, Liebe, Seligkeit, Leben erfüllten die mensch-
liche Natur, die der Sohn angenommen hat. Umgekehrt, vom Men-
schen her gesehen, ist die vom Logos aufgenommene menschliche
Natur in den Zeugungsvorgang hineingezogen. Hier ist also der Ab-
grund zwischen Gott und Mensch überbrückt, die Grenze ist über-
schritten, ohne aufgehoben zu werden. Indem die menschliche Natur
in Jesus Christus sich in höchster Intensität auf Gott hin überschreitet,
kommt sie ganz zu sich selbst. Die hypostatische Vereinigung mit
dem Logos drückt nicht etwa die menschliche Natur in Christus auf
ein Minimum ihrer selbst herab. Da die menschliche Natur infolge
ihres Geschöpfcharakters ganz allgemein Gott gegenüber geöffnet ist
168 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) S 146

und nur durch Gott Erfüllung findet, bedeutet die hypostatische Union
die höchste Erfüllung der menschlichen Natur. Christus ist nicht
weniger, sondern mehr Mensch als jeder andere, gerade weil sein
Subsistenzgrund der Logos ist. Dieses Höchstmaß von Erfüllung durch
Gott ist nur ein einziges Mal geschehen.
Da Christus in seiner menschlichen Natur das Haupt der Schöp-
fung ist (Kol 1, 16f.; vgl. Bd. II 1, ferner $ 103), so ist in ihm die ganze
Schöpfung mit Licht und Leben erfüllt. Da kann nun das vernunft-
begabte Geschöpf, indem es den geschichtlichen Christus im Glauben
ergreift, durch ihn in das innergöttliche Leben eintreten. Wäre die
Einheit zwischen Gott und Mensch in Christus bloß eine äußere, wie
der Nestorianismus lehrt, so würden Gott und Mensch in ihm gleich-
sam nebeneinander hergehen. Es käme nicht zu einer Überschreitung
der Grenze, nicht zu einer Überbrückung des Abgrundes, nicht zu
einer Schließung der Kluft. Der Mensch bliebe daher innerhalb der
Todeslinie. Er käme nicht über sie hinaus. Die Heftigkeit, mit welcher
der Kampf gegen den Nestorianismus geführt wurde, ist vor allem
aus der Sorge für die Erlösung aus Sünde und Tod zu erklären,
nicht bloß aus dem Willen, recht zu behalten und Macht zu gewin-
nen. In dieser Sicht gewinnen Welt und Geschichte christologisches
Gepräge. Die ontologische und die funktionelle Dimension der Wirk-
lichkeit sind christologisch durchformt.

Achtes Kapitel
Die spekulative Erklärung

I. Die traditionellen Erklärungen


Die personale Einheit in Christus bei Naturenzweiheit ist ein undurchdring-
liches Geheimnis, das der Mensch im Glauben ergreifen, aber nie begreifen kann.
Der die Wirklichkeit durchdringende Geist sieht sich vor allem vor die Frage ge-
stellt, welches der Grund dafür ist, daß die menschliche Natur keine menschliche
Personalität hat und in personaler Einheit mit dem Logos lebt. Die Theologie hat
im Laufe der Zeit darauf verschiedene Antworten versucht. Drei seien herausgehoben.
Dem Thomismus, der in unserer Frage mancherlei Schattierungen aufweist,
liegt in seiner konsequentesten und radikalsten Form (L. Billot, P. Parente, B. Xi-
berta) die Lehre vom realen Unterschied zwischen Wesen und Dasein zugrunde. Die
geistbegabte Natur wird durch Hinzufügung der von ihr verschiedenen selbst-
bestehenden Seinsweise (durch den modus substantialis = Subsistenz) unmittelbar,
d.h. Person. Infolge des wirklichkeitserfüllten Unterschiedes von Natur und wesens-
beständlicher Seinsweise kann die göttliche Allmacht diese letztere von der Natur
8 146 Die spekulative Erklärung 169

ferne halten. Gott hat das ein einziges Mal getan, nämlich bei der menschlichen
Natur Christi. Da nun dort, wo keine eigene wesensbeständliche Seinsweise, d.h.
kein Fürsichbestehen, kein Selbstbestehen ist, auch kein eigenes Dasein, so hat die
menschliche Natur Christi auch keine Eigenexistenz. An die Stelle des der mensch-
lichen Natur fehlenden Daseins und Selbstbestehens (Existenz und Subsistenz) tritt
das Dasein und Selbstbestehen des Logos. Die Menschwerdung besteht sonach darin,
daß das Dasein und Selbstbestehen des Logos ausgedehnt wird auf die menschliche
Natur, so daß es auch diese umspannt. In streng scholastischer Ausdrucksweise
könnte man so sagen: „Der Gottmensch Jesus Christus ist der schlechthin Eine
Seiende, der in göttlicher Person und göttlicher Existenz real-aktuell ist kraft der
sachlichen Identität der göttlichen Person und Gottheit (göttlichen Natur), und der
durch die menschliche Natur und Wesenheit (durch die individuelle Menschheit) als
durch sein sekundäres Soseinsprinzip, das einzig durch die göttliche Person und
Existenz aktuell-real ist, in der real-existenzialen Einheit der zwei real-substanzial
verschiedenen Naturen west und ist“ (D. Feuling, Katholische Glaubenslehre, Salzburg
1937, 370 f.). Diese thomistische Vorstellung macht am meisten ernst mit der geoffen-
barten Lehre von der Aneignung der menschlichen Natur durch den göttlichen Logos
und vermag daher am weitesten aus dem dem Glauben und dem Glaubensleben ge-
fährlichen Bereich des Nestorianismus wegzuführen. Sie muß diesen Gewinn freilich
mit einer großen Schwierigkeit bezahlen: Sie weiß nämlich keine rechte Antwort
auf die Frage, wieso die menschliche Natur eigene Wirklichkeit besitzen könne, ohne
ein eigenes Dasein zu haben. Aber sie rechnet diese Schwierigkeit zu dem Geheimnis,
das keine Denkanstrengung aus der Wirklichkeit des menschgewordenen Gottes-
sohnes zu tilgen vermag, und beruft sich auf die schöpferische Allmacht Gottes, die
tiefer in das Gefüge des Seins umwandelnd einzudringen vermag als unser Denken.
Jedenfalls dürfte diese Schwierigkeit kein zwingender Grund sein, die angeführte
These aufzugeben. Auf den heiligen Thomas scheint sie sich jedoch nicht berufen
zu können.
H. Diepen gibt von der Lehre des heiligen Thomas von Aquin eine andere
Interpretation. Darnach lehrt Thomas nicht, daß die personale Einheit des Gott-
menschen formal durch die Einheit des Existenzaktes konstituiert wird. Was der
menschlichen Natur Jesu fehlt, liegt nach dieser Thomas-Deutung in der Linie
der Subsistenz. Diepen gibt zwar zu, daß die vom Neuthomismus, namentlich von
L. Billot, vorgenommene Identifizierung von Personalität und aktueller Existenz
und die davon gespeiste Meinung, bei Jesus sei das Sein der Menschheit durch das-
jenige der göttlichen Person ersetzt, über Cajetan bis in das 13. Jahrhundert zurück-
reicht, behauptet aber, daß diese These der Metaphysik des Thomas von Aquin wider-
spreche. Nach dieser sei nämlich das Sein die innere Realität des jeweils Seienden.
Deshalb könne es durch nichts anderes ersetzt werden, auch nicht durch den gött-
lichen ungeschaffenen Daseinsakt. Nach Thomas habe jedes Seiende sein eigenes Sein
entsprechend seiner Natur. Nicht die Person, sondern die Natur oder die Form sei
nach ihm das unmittelbare Aufnahme-Subjekt des Daseinsaktes. Die Einheit ist in
Christus nach H. Diepen damit gegeben, daß Christus auf Grund der einen Sub-
sistenz oder Personalität ohne weiteres und re subsistens ist. Christus ist also formal
auf Grund der einen Subsistenz eins. Der von dem göttlichen Seinsakt natur-ver-
schiedene menschliche Seinsakt wird mit dem göttlichen Sein zu einem Sein inte-
griert, insofern Christus zugleich Gott und Mensch ist, und seine menschliche Natur
170 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) S 146

nicht für sich subsistiert. Christus stellt demgemäß ein integrales Ganzes dar, das
in singulärer Weise aus zwei vollkommenen Substanzen zusammengesetzt ist. Diepen
kommt durch solche Überlegungen zu dem überraschenden Ergebnis, daß es nun
doch in Christus nur eine einzige Existenz gibt, nicht als ob in ihm jede geschaffene
Existenz eliminiert sei, sondern weil diese in das komplette und personale Sein des
Sohnes Gottes integriert ist (vgl. die Beiträge H. Diepens in: Revue Thomiste 49, 1949,
428—492; 50, 1950, 82—118; 515—562; 53, 1953, 41—80; 913—329; 54, 1954, 257—266;
siehe R. Haubst, Probleme der jüngsten Christologie, in: Theol. Revue 52, 1956, 145—
162, bes. 156 f.). Die Ansicht H. Diepens erfuhr von neuthomistischer Seite mancherlei
Kritik. Insbesondere verteidigte J. Ternus gegen H. Diepen die von de la Taille aus-
gearbeitete Ansicht, daß die konkret existierende menschliche Natur Jesu von dem
göttlichen Seinsakt des Logos aktuiert wird und zwar derart, daß der göttliche
Logos bzw. sein Seinsakt quasiformale Bedeutung für die Aktuation hat, insofern
die Aktuierung einen personalen Akt der Selbstkonstitution des Logos als Mensch
bedeutet.
Johannes Duns Scotus und seine Jünger nehmen zwischen Natur und Person
einen bloß formalen Unterschied an. Natur und Person werden nach ihrem Wesens-
charakter, der durch die Seinsform geprägt ist, jeweils durch eine andere Wesens-
bestimmung ausgedrückt, fallen aber doch in der Wirklichkeit zusammen. Der Unter-
schied ihres Wesenscharakters liegt darin, daß das personale Sein Unmitteilbarkeit
einschließt, die Natur nicht. Das Personsein besagt nicht eine zur (geistbegabten) Natur
hinzukommende Vollkommenheit, sondern die Unabhängigkeit von einem anderen als
ihrem selbstbestehenden Träger. Die menschliche Natur in Christus ist deshalb keine
Person, weil sie mit dem Logos vereinigt ist. Dadurch hat sie die Unabhängigkeit,
die zum Personsein gehört, eingebüßt. Da sie hierdurch keine Wirklichkeit verloren
hat, wäre sie durch die Aufgabe ihrer Vereinigung mit dem Logos ohne Hinzutritt
einer wirklichen Vollkommenheit sogleich Person. Diese Erklärung unterschätzt
den Wert des personalen Seins. Ferner lockert sie zu sehr die Einheit in Christus.
Es ist schwer vorzustellen, daß eine wirkliche Einheit zwischen Logos und mensch-
licher Natur möglich ist, ohne daß auf seiten der menschlichen Natur irgendeine
wirkliche, in das Seinsgefüge eingreifende Änderung stattfindet.
Nach Fr. Suarez und seinen Anhängern gibt es keinen wirklichkeitserfüllten
Unterschied zwischen Natur und Dasein, wohl aber besteht ein solcher zwischen
Natur und Person. Die geistbegabte Natur wird durch Hinzutritt einer wesensbe-
ständlichen Seinsweise (modus substantialis) personal. Diese Seinsweise fehlt der
menschlichen Natur Christi. Sie wird durch die göttliche Allmacht ferne gehalten.
An die Stelle der fehlenden wesensbeständlichen Seinsweise tritt die Seinsweise der
Einigung (modus unionis). Da Dasein und daseiende Natur dieselbig sind, fehlt der
menschlichen Natur Christi nicht das Dasein. Diese Erklärung weicht der Schwierig-
keit einer bestimmten Form des Thomismus aus. Aber sie muß diesen Gewinn mit
einem größeren Verlust allzu teuer bezahlen. Zunächst läßt sich nicht einsehen oder
erklären, wieso eine daseiende Natur nicht sogleich notwendig auch ein wesens-
beständliches Sein haben muß, also, wenn sie geistbegabt ist, personal sein muß.
Es gibt wohl bloß die Wahl, der geistigen Natur in Christus Dasein und wesens-
beständlichen Seinsmodus abzusprechen oder ihr beides zuzusprechen. Ferner macht
der modus unionis den Eindruck, als ob er ein deus ex machina wäre, der in die
Lücke springt, ohne sie wirklich ausfüllen zu können. Er scheint ein bloßes Wort
S 146 Die spekulative Erklärung 171

zu sein, das nichts erklärt. Daß die Einheit in Christus durch die Seinsweise der
Einigung begründet wird, ist einleuchtend. Aber die Frage beginnt hier erst: Welches
ist denn diese Seinsweise der Einigung?

II. Neue Versuche


In der heutigen Theologie wird die Erklärung der hypostatischen Union auf
der Grundlage der kirchlichen Lehre unter neuen Aspekten versucht. Die Versuche
stehen in Zusammenhang mit der altkirchlichen Theorie vom „assumptus homo.“
Diese ist heute von dem Franziskanertheologen Déodat de Basly wieder aufgenom-
men worden.
Mit diesem Begriff soll dem Menschen Jesus alles zuerkannt werden, was einen
Menschen konstituiert, z.B. Subsistenz, Existenz, psychologische Autonomie, psycho-
logisches Ich-Bewußtsein. Ohne daß die Einheit der Person geleugnet werden soll,
wird Jesus ein „jemand“ genannt, der sich von dem Sohne Gottes unterscheidet. Der
Sohn Gottes und der Mensch Jesus sind nach dieser Christologie je ein anderer und
ein anderer. Soweit die Assumptus-homo-Theorie in ihrer gemäßigten Form nur mit
Nachdruck die wahre Menschheit Jesu lehrt und vom Menschen Jesus spricht, steht
sie mit der kirchlichen Lehre nicht in Widerspruch. Soweit sie aber in ihrer extremen
Form von einem je „anderen“ und „anderen“ in Christus spricht, ist sie mit dem
Konzil von Chalzedon nicht vereinbar. Wie schon betont wurde, war die Formel vom
„assumptus homo“ in der Väterzeit weit verbreitet. Sie wurde sowohl in einem ortho-
doxen als auch in einem nestorianischen Sinne verstanden. In der Neuzeit wurde sie
von einigen Franziskaner- und Jesuitentheologen wieder aufgenommen. In extremer
Form wurde sie von der patristischen Schule von J. Hardouin und von Js. J. Berruyer
im 18. Jhrh. gelehrt. Sie verfiel der Indizierung. Ihre Gefahr ist der Nestorianismus.
Es handelt sich in der neuen Christologie um folgende Fragen: Hat Christus als
Mensch ein vom Logos verschiedenes ontisches individuelles Ich oder wenigstens ein
eigenes psychologisches Ich, auf das er seine Bewußtseinsakte zurückführt? Wie wird
sich Christus der hypostatischen Union bewußt?
An der Diskussion beteiligten sich vor allem folgende Theologen: D. de Basly,
L. Seiller, P. Galtier, P. Parente, B. Xiberta, J. Ternus, H. Diepen, L. Ciappi, A. Pe-
rego. Die Hauptgegensätze knüpfen sich an die Namen P. Galtier und P. Parente.
D. de Basly nimmt eine Autonomie des menschlichen Ich in Jesus Christus an.
Auf dessen Erkennen und Wollen übt der Logos nach ihm keinerlei Einfluß aus. Gott
und Mensch sind in Jesus je ein anderer. Die Lehre von der extremen Verselbständi-
gung des Menschlichen in Jesus wurde vorbehaltlos aufgenommen von dem Dogmen-
historiker J. Rivière und vor allem von dem Schüler D. de Baslys, L. Seiller. Seillers
einschlägige Schrift La psychologie humaine du Christ et lunicité de personne wurde
am 27. Juni 1951 auf den Index gesetzt. Entschieden abgelehnt wurden die Ansichten
Baslys und L. Seillers von H. Diepen. P. Galtier lehnte zwar die extreme assumptus-
homo-Theologie ab, stimmt aber hinsichtlich der These von der Autonomie des
menschlichen Ich in Jesus Christus mit de Basly überein. Er versteht dabei das
menschliche Ich Jesu Christi mehr und mehr rein psychologisch und eröffnet so das
Problem der Christus-Psychologie. Er geht der Frage nach: Erlebte Christus als
Mensch in sich ein von dem göttlichen verschiedenes menschlich-psychologisches Ich?
Voraussetzung für die Legitimität dieser Frage ist die Unterscheidung zwischen dem
172 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) 8 146

realen Sein und dem Bewußtsein, zwischen dem Person-Ich und dem Bewußtseins-
Ich. Vorübergehend nahm Galtier neben dem psychologischen Ich auch ein substan-
zielles menschliches Ich in Jesus an. Unter dem letzteren verstand er die individuelle
menschliche Natur als das ontische Prinzip geistiger Akte. Unter dem psychologischen
Ich versteht er das innerpsychologische Prinzip und Zentrum, auf das unser Bewußt-
sein alle bewußten Akte zurückbezieht. Für die Annahme eines solchen psychologi-
schen .Ich beruft er sich auf die Schrift. Galtier meint weiter: Das göttliche Ich als
solches bleibt der menschlichen Bewußtseinssphäre Jesu erfahrungsgemäß streng
transzendent. Die Funktionsweise des menschlichen Bewußtseins Jesu ist eigenge-
setzlich bestimmt, d.h. ausschließlich durch die menschliche Natur. Ohne Bewußt-
seins-Ich wäre die menschliche Natur Jesu verstümmelt. Die Indizierung Seillers
richtete sich nicht gegen solche Thesen. Durch sie sollte nur die Annahme eines vom
Logos verschiedenen Subjekts getroffen werden, das bei seiner Wirksamkeit volle
Autonomie besitzt. Die Unterscheidung von psychologischem und metaphysischem
Ich sollte jedoch nicht verwehrt werden. Die Frage ist nur, in welchem Sinne diese
Unterscheidung vorgenommen wird. Psychologisch kann man auch nach der In-
dizierung von einem menschlichen Ich Jesu sprechen, falls man dies auf das göttliche
Wort bezieht, insofern dieses in der hypostatisch angenommenen menschlichen
Natur subsistiert und wirkt. Galtier versteht die „Autonomie“ dahin, daß die natür-
liche Funktionsweise des Seelenlebens Jesu durch die hypostatische Einung in keiner
Weise modifiziert sei. Er leugnet jedoch nicht, daß die menschliche Natur Jesu Organ
und Werkzeug des Logos ist.

Andere haben auch das psychologische Ich in Jesus Christus abgelehnt. Am


konsequentesten ging hierbei P. Parente vor. Von der Realunterscheidung zwischen
Essenz und Existenz ausgehend, führt er aus: Die göttliche Person des Logos selbst
übt infolge der Mitteilung des göttlichen Seins (Existenz) an die menschliche Natur
Jesu auf deren Wirken und auf ihr menschliches Bewußtsein einen direkten aktu-
ierenden Einfluß aus. Dadurch wird das menschliche Bewußtsein Jesu zur göttlichen
Sphäre emporgehoben. So macht sich die göttliche Person, die ontisch das einzige
Subjekt in Jesus ist, auch psychologisch zum Ich und damit zum Brennpunkt des
gesamten menschlich- göttlichen Lebens, auf den sich auch die bewußten Akte des
menschlichen Bewußtseins Jesu direkt zurückbeziehen. Die Person des Logos ist als
principium quod das einzige Wirksubjekt, die Natur ist als principium quo dessen
Instrument. Wenngleich diese Konzeption der konsequenteste Thomismus zu sein
scheint, so haben sich doch auch strenge Thomisten ihr nicht völlig angeschlossen.
Die weitere Auseinandersetzung vollzog sich vor allem zwischen Galtier und Parente,
wenngleich noch viele andere beteiligt waren. Nach Galtier erreicht das menschliche
Bewußtsein Jesu das göttliche Ich nicht direkt als den hypostatischen Träger seiner
bewußten Akte. Es ist vielmehr nach Galtier die visio beatifica, welche Jesus die
vollständige Erkenntnis dessen gibt, was er ist. Hätte sich die menschliche Natur
Jesu nur auf dem Bewußtseinswege erkannt, so hätte sie sich nach Galtier selbst
als Person vorkommen können und müssen. Nach Parente hingegen erfährt das
menschliche Bewußtsein Jesu in der Reflexion auf sich selbst unmittelbar die hypo-
statische Verbundenheit mit dem Logos. Man kann die beiden Theorien als Visions-
theorie und als Bewußtseinstheorie unterscheiden. Die meisten Theologen vertreten
die Ansicht, daß Jesus ohne die visio beatifica kein eigentliches Bewußtein der gött-
lichen Personalität gehabt hätte. H. Diepen meint, Jesus erfahre in seinem mensch-
S 146 Die spekulative Erklärung 173

lichen Bewußtsein seine menschliche Akte nicht als autonom, sondern als abhängig,
nämlich als Akte, die „jemand“ setzt, der nicht einfachhin mit der für sich subsistie-
renden Natur identisch ist. Die intuitive Schau enthülle dieses geheimnisvolle Ich, in
dessen Namen die menschliche Natur Jesu handelt und spricht, als den ewigen Sohn
Gottes. J. Ternus versucht eine Synthese der beiden heutigen Typen der Christus-
Psychologie. Der Logos läßt nach ihm das menschliche Bewußtsein Jesu im Lichte
des Schau-Wissens sein psychologisches Ich so erfahren, daß es transparent das Ich
des Verbum incarnatum zur Erscheinung bringt. A. Perego meint in kritischer Stellung-
nahme, man müsse das lumen gloriae zu Hilfe rufen. Auf Grund des lumen gloriae
erfahre das menschliche Bewußtsein Jesu die Person des Wortes, in welchem die
menschliche Natur subsistiert, in übernatürlicher Weise als Subjekt.
E. Gutwenger (Bewußtsein und Wissen Christi, Innsbruck 1960) sucht über
diese Positionen folgendermaßen hinauszukommen. Das Personsein läßt sich aus
dem Ichbewußtsein nicht herausnehmen. Es gibt daher in Christus kein Ichbewußt-
sein ohne das Bewußtsein, mit dem Logos hypostatisch verbunden zu sein. Der
Mensch Jesus kann nur bei sich selbst sein, indem er sich seiner geheimnisvollen
Union mit dem Logos bewußt ist. Damit wird nicht geleugnet, daß es ein mensch-
liches Aktzentrum gibt. Dessen Ich ist jedoch das Ich des Logos. Der Logos übt
gegenüber dem menschlichen Aktzentrum nicht die Funktion der Wirkursache (causa
efficiens), sondern jene der Formalursache aus. Als Wirkursache kommt nur der
dreipersönliche Gott in Frage, da alles Wirken Gottes auf die Schöpfung das un-
getrennte Tun der drei göttlichen Personen ist. Hinsichtlich der Formalursache gilt
dieses Prinzip nicht. Bei dieser Sachlage kann E. Gutwenger sagen, daß die mensch-
liche Natur Jesu Christi in die formale Beziehung des Logos zum Vater als der
ersten göttlichen Person aufgenommen ist.
Diese Zusammenhänge sind unter dem heilshaften Aspekt von großer Trag-
weite. Diese Sicht verdeutlicht nämlich, daß die Offenbarung der Trinität nicht nur
eine Information, sondern eine Teilgabe ist. Wenn der Mensch Jesus von seiner
Logosverbundenheit nur eine gegenständliche Kenntnis hat, fragt es sich, worin sich
sein Wissen um den Logos von der Kenntnis der beiden anderen Personen unter-
scheidet. Denn die Gottesschau umfängt die ganze Trinität. Da droht die Gefahr,
daß das Wort „Vater“ in den Vateraussagen Jesu von der ganzen Trinität und die
Sohnschaft Jesu als Adoptivsohnschaft des Menschen Jesus gegenüber der ganzen
Trinität verstanden wird — im klaren Widerspruch zu den in Frage kommenden
Schrifttexten. Durch Gutwengers These vom Ichbewußtsein Jesu und von der Formal-
ursächlichkeit des Logos gegenüber dem Menschen Jesus wird dieser selbst in das
trinitarische Leben Gottes einbezogen. Dies hat zur Folge, daß auch die mit Christus
Verbundenen in das dreipersönliche Leben Gottes aufgenommen werden und dies
nicht nur von außen glauben bzw. anschauen. So kann man die Formel per Filium
in Spiritu Sancto ad Patrem im Ernste vollziehen (vgl. J. Ratzinger, in: Münchener
Theol. Zeitschr. 12, 1961, 78—81).
Diese Einbeziehung der menschlichen Natur Jesu Christi und aller mit ihm
in Glauben und Liebe Verbundenen, d.h. aller „in Christus“ Lebenden wird zwar
auch von den Vertretern der thomistischen Erklärung vorgenommen. Bei Gutwenger
ist sie jedoch nicht mit dem Problem der Existenzeinheit und der dadurch beschwore-
nen Gefahr der Reduzierung der menschlichen Natur Jesu belastet. Gutwengers These
erkauft freilich ihrerseits diesen Gewinn mit einer schweren metaphysischen Hypo-
174 Die Menschwerdung des Gottessohnes (hypostatische Union) § 146

thek, insofern sie nicht befriedigend verständlich machen kann, wieso die mit eigener
Spontaneität ausgestattete, ein eigenes Aktzentrum bildende menschliche Natur Jesu
nicht eben dadurch auch personhaft ist (weitere Ausführungen zu der Gesamtfrage
siehe $ 150).
Nach all diesen hin- und hergehenden Überlegungen wird man als Ergebnis
buchen dürfen, daß es nicht unmöglich, wenn auch nicht unbedenklich ist, ein
menschlich-psychologisches Ich in Jesus anzunehmen, falls man unter diesem Be-
wußtseins-Ich kein Unabhängigkeitsbewußtsein, sondern ein sich als abhängig er-
fahrendes menschlich-psychologisches Aktzentrum versteht. Jesus erfährt sich von
der Menschwerdung an sowohl als Gottes Sohn wie auch als Mensch. Dabei erlebt er
sein menschliches psychologisches Ich als personal ontisch an den Logos gebunden
und mit ihm hypostatisch geeint und daher von ihm abhängig (nach R. Haubst,
Probleme der jüngsten Christologie, in: Theologische Revue 52, 1956, 145—162).
Der Geheimnischarakter wird durch diese Erklärung nicht beseitigt, sondern
neu ins Licht gerückt.
Da das Ich der menschlichen Natur jenes des Gottessohnes ist, ist Christus
auch als dieser bestimmte Mensch der seinshafte, nicht der angenommene Sohn
Gottes (filius naturalis, nicht filius adoptionis), wie Elipandus von Toledo und Felix
von Urgel im 8. Jahrhundert glaubten (D. 299. 314; siehe S. 173).

Neuntes Kapitel
Die Dauer der hypostatischen Union

Es müssen noch einige Zusätze angefügt werden. Wann begann


die Vereinigung des Gottessohnes mit der menschlichen Natur? Er-
litt sie jemals eine Unterbrechung oder hört sie jemals auf? Hier-
auf ist zu sagen: Die hypostatische Vereinigung begann mit dem
Augenblick der Empfängnis, so daß es keinen Zeitpunkt im Leben
Jesu gab, in dem seine menschliche Natur nicht vom Ich des Logos
durchherrscht gewesen wäre (Glaubenssatz; vgl. die Symbola; Gal 4,
4; Röm 1,3). Augustinus sagt im Werke über die Dreieinigkeit
(Buch 13, Kap. 17, 22): „Von dem Augenblick an, da er begann
Mensch zu sein, ist er auch Gott.“ Weder hat die menschliche Seele
vor der Empfängnis Christi existiert, noch ist der Logos erst bei der
Taufe auf den Menschen Jesus herabgekommen. Es ist sichere theo-
logische Lehre, daß die Einheit von Logos und Menschennatur nie
eine Unterbrechung erlitt, und Glaubenssatz, daß sie nie ein Ende
nehmen wird (vgl. das Nicaeno-Konstant. Glaubensbekenntnis D. 86;
Lk 1, 32£.,; Hebr 7, 24; 13, 8). Auch während der Grabesruhe blieb
der Logos mit dem Leibe und mit der Seele Christi verbunden.
Um eine rechte Vorstellung von der immerwährenden Dauer der
personalen Einheit in Christus zu gewinnen, darf man nicht ver-
§ 146 Die Dauer der hypostatischen Union 175

gessen, daß Gott Tatwirklichkeit ist, stehendes Tun, tuendes Sein (vgl.
Bd. I § 63f.). Die ununterbrochene Dauer der hypostatischen Union
besagt daher nicht ein ruhendes Verhältnis, sondern die Tat der
ständigen Aneignung der menschlichen Natur durch den Logos. Vom
Menschen her gesehen ist es ein ständiges Ergriffenwerden (nicht im
bloß innerseelischen Sinn), vom Sohne Gottes, von Gott aus ein stän-
diges Ergreifen der menschlichen Natur durch den Sohn Gottes. Ohne
Ende wird sich dieses Geschehen vollziehen, seit es begonnen. Gott
widerruft sein Tun nicht. Nie mehr wird die menschliche Natur Jesu
Christi aus ihrer innigen Verbundenheit mit dem Ich des Sohnes
Gottes entlassen.
Für eine eingehendere Antwort auf die Frage, wer Christus
ist, müssen nun, nach der Schilderung seiner Wesensart, die Aufbau-
teile seines Wesensgefüges auseinandergefaltet werden: sein Mensch-
sein und sein Gottsein. Auch hier gilt, was vom Werk und von der
Person Jesu gesagt worden ist: Man muß Gottheit und Menschheit
unterscheiden, aber man kann sie nicht trennen. Bei der Schilderung
dieses Menschen kann man nie vergessen, daß er Gott ist, bei der
Schilderung des Gottessohnes kann man nie vergessen, daß er in einer
menschlichen Natur in der Geschichte steht und wirkt. Keinen Men-
schen kann man erschöpfend darstellen, wenn man bloß darstellt,
was innerhalb der Erfahrung festgestellt werden kann. Denn der
Mensch lebt in ständiger Selbstüberschreitung (siehe SS 105 u. 190).
Er geht immer über sich hinaus auf eine andere Wirklichkeit zu. Das
gilt von der menschlichen Natur Jesu Christi in einer besonderen, ein-
maligen Weise. Sie überschreitet sich selbst in Gott hinein, wie sonst
niemand sich auf Gott hin überschreiten kann. Was immer an ihr ist,
was immer sie tut, existiert aus dem Sohne Gottes und geht ein in
sein Ich. Die Schilderung seines Menschseins und seines Gottseins
muß also so geschehen, daß das eine Mal der in der menschlichen
Natur existierende Gottessohn, das andere Mal die im göttlichen Ich
des Logos bestehende Menschennatur gezeigt wird. Das Entscheidende
ist hierbei, daß Gott in der Menschennatur existiert, daß sich der
Sohn Gottes entäußert hat. Darauf wird also ein besonderer Ton
liegen. Dies soll darin zum Ausdruck kommen, daß zuerst vom Men-
schen Christus die Rede ist. Die Gottheit wird dann als die verborgene
Herrlichkeit erscheinen, welche in diesem Menschenleben wirksam ist.
176 Die geschichtliche Erscheinung des Gottessohnes in einer Menschennatur § 147

8 147
Die geschichtliche Erscheinung des Gottessohnes
in einer wahren Menschennatur

Erstes Kapitel
Keine Biographie Jesu

Es ist Glaubenssatz: Der Gottessohn ist in einer wahren mensch-


lichen Natur erschienen (siehe die S. 146—157 angegebenen kirch-
lichen Lehräußerungen; ferner das zweite Konzil von Lyon D. 462,
das Konzil von Vienne D. 480).
Mit der Leibhaftigkeit ist die Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit
des menschgewordenen Logos gegeben. Nach Augustinus be-
deutet der Satz: Gott ist Mensch geworden, soviel wie: Gott ist zeit-
haft und geschichtlich geworden (in 1 Jo tr. 2 n. 10).
Die Schriften des Neuen Testaments bieten keine fortlaufende
Geschichte des Lebens Jesu von der Geburt bis zum Tode, keine Bio-
graphie — ja auch keine genaue Chronologie, dies spricht allerdings
für die Absichtslosigkeit und die Tendenzlosigkeit der Überlieferung —,
sondern Zeugnisse über das Erlösungsgeheimnis, das im Vollzug dieses
Lebens gegenwärtig wird, einen Bericht über die Proklamation und
Sicherung des messianischen Reiches und der mit ihm heraufge-
zogenen Gottesherrschaft. Daher bleibt vieles in ewiges Schweigen
eingehüllt, was die menschliche Neugierde interessieren würde. Gott
selbst, der „Hauptverfasser“ der Schrift, hat es ungesagt gelassen und
in immerwährendes Vergessen versenkt.
„Ist das nicht eine erschütternde, seltsam aufwühlende Tatsache: Gott ließ es
zu, daß das meiste von seinen irdischen Lebensdaten, von den Gebrauchsdingen seines
Alltags angefangen, bis zu den Daten seiner Geburt und seines Todes, vergessen
wurde, umstritten ist, gleichsam unwichtig und nichtig erscheint im strahlenden
Licht der einen Tatsache: daß er gekommen ist, um uns zu erlösen, um den Kampf
mit dem Satan zu vollenden, um in Neuheit des Lebens aufzuerstehen? Es gilt
doch nun für alle Zeiten das Wort des Apostels: »Und wenn wir auch früher Chri-
stus dem Fleische nach beurteilt haben, jetzt beurteilen wir ihn nicht mehr so«
(2 Kor 5, 16). Auf die bloßen Dinge des Fleisches kommt es bei Christus und seinem
irdischen Leben nicht mehr an
— Gott selbst, der Inspirator seiner eigenen Schrift, hat
sie gleichsam vergessen. Mit Christus ist es nicht wie mit Augustus und den anderen
Größen »im Fleische« von denen wir genaue Daten der Geburt und des Todes, von
denen wir porträtgleiche Statuen, von denen wir auf Marmor den getreuen Bericht
ihrer Taten besitzen. Von Jesu irdischer Gestalt wissen wir nichts, nichts von Schrif-
ten, die er selbst verfaßt hätte, nichts von Statuen und Reliquien. Denn schon sein
8 147 Das Schriftzeugnis im allgemeinen 177

irdisches Leben, obwohl noch unverklärt und umhüllt von der Schwachheit des Flei-
sches, ist bereits ein Mysterium, ist schon ganz im Bereich des Pneuma“ (H. Rahner,
Die Theologie des Lebens Jesu, in: Theologie der Zeit, Innsbruck 1938, Folge 2, 80;
später neugedr. in H. Rahner, Eine Theologie der Verkündigung, Innsbruck 19392,
98 f.).
Wenn die wild wuchernden apokryphen Schilderungen des Le-
bens Jesu die verschwiegene Zurückhaltung der biblischen Berichte
ergänzen wollen, so bedeutet dies den Versuch, Gottes Wort selbst zu
verbessern und zu vermehren. (Was die Privatoffenbarungen betrifft,
so ist das Bd. I §§ 7, 23 Gesagte zu vergleichen; siehe auch Bd. V?,
433—438).
Auch in ihrer vom Heiligen Geiste gewirkten Schweigsamkeit
sprechen die neutestamentlichen Zeugen Christi so deutlich, daß seine
Gestalt in leibhafter Wirklichkeit und klaren Umrissen vor uns er-
steht. Vor allem sind alle darin einig, daß Gott eine bestimmte Stunde
der Geschichte ergriffen und sich selbst in ihr gegenwärtiggesetzt hat.
Man kann daher die Menschwerdung an Daten der irdischen Ge-
schichte messen. Die Menschwerdung bedeutet die Aufgipfelung aller
vorausgehenden Offenbarungen Gottes. Als das Vollmaß der Zeit er-
reicht war, sandte Gott seinen Sohn (Gal 4, 4; Mk 12, 1—7). In ihm
ist die Weltzeit zum Ziele gekommen (Mk 1, 15).

Zweites Kapitel
Das Schriftzeugnis im allgemeinen
Das neutestamentliche Zeugnis soll zuerst im allgemeinen cha-
rakterisiert und dann im einzelnen erläutert werden.
Der allgemeine Charakter des neutestamentlichen Zeugnisses
von der Leiblichkeit und der Geschichtlichkeit Christi läßt sich am
besten in der Apostelgeschichte, zumal in den dort berichteten Mis-
sionsreden, erkennen. Hier treffen wir die älteste urkirchliche Lite-
ratur. Hierüber hat Geiselmann eingehende Untersuchungen ange-
stellt. Sie liegen der nachfolgenden Darstellung zugrunde.
Die Eigenart des Lukas geht daraus hervor, daß er für die Abfassung
seines Evangeliums allen erreichbaren Nachrichten über Jesus Christus
sorgfältig nachgegangen ist. Er betrachtet sich (ähnlich wie alle anderen
neutestamentlichen Schriftsteller) nicht als Schöpfer und Erfinder des
von ihm Berichteten, sondern als Zeugen und Überlieferer des wirklich
Geschehenen. Nach seinem Berichte erhoben die Zwölfe in ihrer Ver-
kündigung den Anspruch, Zeugen dessen zu sein, was sie erfahren
haben. Der Begriff Zeuge spielt eine entscheidende Rolle (Apg 1, 8.

12 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


178 Die geschichtliche Erscheinung des Gottessohnes in einer Menschennatur 8147

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7, 44; 15, 5; 10, 43; 13, 22; 14, 3; 15, 8; 16, 2; 23, 11; 26, 5). Er enthalt
drei Momente in sich: Nur derjenige ist „Zeuge“, der selbst gesehen
und gehört hat, was er berichtet. Nur wer Augen- und Ohrenzeuge
war, kann das, was er sagt, wirklich bezeugen. Apg 1, 21 f. werden die
Bedingungen genannt, die erfüllt sein müssen, damit von einem Zeu-
gen gesprochen werden kann. „Während der ganzen Zeit, da der Herr
Jesus bei uns aus und ein ging — von der Taufe des Johannes an-
gefangen bis zu dem Tage, da er vor uns in den Himmel aufge-
nommen wurde —, sind Männer mit uns zusammen gewesen. Von
diesen muß einer zusammen mit uns Zeuge seiner Auferstehung
werden.“ Ferner ist erforderlich, daß der Zeuge nicht nur das ge-
schichtliche Faktum in seiner Tatsächlichkeit erlebt hat, sondern
daß er um seinen Sinn weiß. Christus hat den Sinn seiner Wunder,
seines Leidens, seines Sterbens und seiner Auferstehung erschlossen.
Er hat gezeigt, daß in diesen Ereignissen Gott tätig ist, daß sie nicht
eine Geschichte im gewöhnlichen Sinne bilden, sondern Heils-
geschichte. Sie schließen sich zu einer Geschichte zusammen, in der
Gott das Heil der Menschen wirkt. Die Ereignisse in ihrer bloßen
Tatsächlichkeit konnten mit den leiblichen Augen gesehen, ihr Heils-
sinn kann nur mit dem Glauben erkannt werden (Apg 10, 37—41).
Dieses Zeugnisses ist nur fähig, wer von Gott im voraus hierfür
bestimmt ist (Apg 10, 40). Nur im Heiligen Geiste läßt sich von
Christus Zeugnis ablegen (Apg 1, 4ff.; 5, 32). Dies ist das dritte Merk-
mal des Zeugen (siehe N. Brox, Zeuge und Märtyrer, München 1961).
Die so charakterisierten Zeugen bezeugen die Geschichtlichkeit
Christi, indem sie ihn als den Erfüller der alttestamentlichen Prophe-
zeiungen schildern. Sie bezeugen nicht nur seine Existenz innerhalb
der Geschichte, sondern geben auch den geschichtlichen Ort an, an
dem er lebt. Jesus ist der im Alten Bunde verheißene Retter. Dies
ist der Kern der in der Apostelgeschichte überlieferten Missionsreden,
daß Jesus der Messias, der Gesalbte ist, den Gott durch die Propheten
verheißen hat. Das Alte Testament gehört wesentlich zu Christus.
Er erfüllt und verwirklicht, was im Alten Testament prophetisch
geschaut und gesagt ist. Wie dem Alten Testament sein letzter Sinn
fehlt, wenn es nicht im Lichte Christi gedeutet wird, so fehlt der
Theologie von Christus das Fundament, wenn er nicht als der vom
Alten Testament prophezeite Retter verstanden wird. Altes und
Neues Testament fügen sich zur Einheit der einen von Gott gewirkten
Heilsgeschichte, in der an der entscheidenden Stelle Christus steht.
S 147 Das Schriftzeugnis im allgemeinen 179

Als Beispiel sei die Rede herausgegriffen, welche der Apostel Pau-
lus in der Synagoge von Antiochien in Pisidien gehalten hat (Apg 13,
26—37): „Brüder, an uns erging die Heilsbotschaft. Die Bewohner von
Jerusalem und ihre Führer haben Jesus nicht anerkannt und die
Worte der Propheten, die jeden Sabbat vorgelesen werden, durch ihr
Urteil in Erfüllung gebracht. Obgleich sie keine Todesschuld an ihm
fanden, forderten sie doch von Pilatus seinen Tod. Nachdem alles er-
füllt war, was von ihm geschrieben steht, nahmen sie ihn vom Holze
ab und legten ihn ins Grab. Gott aber erweckte ihn von den Toten.
Er erschien eine Reihe von Tagen denen, die mit ihm von Galiläa nach
Jerusalem hinaufgezogen waren. Jetzt sind sie seine Zeugen beim
Volke. Und wir verkünden euch die frohe Botschaft, daß Gott die Ver-
heißung, die er den Vätern gab, an uns, ihren Kindern, erfüllt hat, in-
dem er Jesus erweckte. So heißt es auch im zweiten Psalm: Mein Sohn
bist du, ich habe dich heute gezeugt (Ps 2, 7). Daß er ihn aber von den
Toten erweckt hat als einen, der nicht mehr der Verwesung anheim-
fallen soll, hat er also ausgesprochen: Ich will euch die heiligen un-
verbrüchlichen Güter Davids verheißen (Is 55, 3). Deshalb sagt er auch
an einer anderen Stelle: Du wirst deinem Heiligen nicht zu schauen
geben die Verwesung. David aber ist gestorben, nachdem er in seinem
Zeitalter dem Willen Gottes gedient hatte. Er wurde zu seinen Vätern
versammelt und hat die Verwesung geschaut. Der aber, den Gott er-
weckt hat, hat die Verwesung nicht geschaut.“ Im wesentlichen be-
gegnet uns der gleiche Aufbau (alttestamentliche Verheißung — neu-
testamentliche Erfüllung in Christus) in den Reden, welche Petrus
im Hause des Kornelius (Apg 10, 34—43) und am Pfingsttage (Apg 2,
21—36) gehalten hat (siehe zu diesen Ausführungen J. R. Geisel-
mann, Jesus der Christus, Stuttgart 1951). Man kann nach diesen
Texten sagen: Das im heilsgeschichtlichen Denken gebotene Zeugnis
der Apg legt Gewicht darauf, daß der Weg Jesu in eine Periode irdisch-
fleischlicher und in eine solche himmlisch-geistiger Existenz zerfällt.
Der für das jüdische Empfinden unverständliche Schmachtod Jesu
wird als eine notwendige Vorstufe seiner heilsbringenden Herrschaft
ausgelegt. Da wird Jesus in seine himmlische Macht eingesetzt. Er
wird zum Herrn und Messias gemacht und zwar im vollen Sinne
jüdischer Erwartung, zum endzeitlichen Heilskönig (Apg 2, 33—36).
Da ist auch dem verblendeten Israel noch einmal eine Möglichkeit
und Gelegenheit zur Umkehr und zur Sündenvergebung geboten. Die
Parusie Jesu erweist sich so als jenes Ereignis, welches zu dem Gan-
zen von Tod und Auferstehung als Vollendung hinzugehört, ja ge-

12*
180 Die geschichtliche Erscheinung des Gottessohnes in einer Menschennatur 8147

wissermaßen die Konsequenz aus seiner Machteinsetzung in der Auf-


erstehung ist (nach R. Schnackenburg, in: Lex. f. Theol. u. Kirche V,
Freiburg 1960?, 932 £.).

Drittes Kapitel
Die Einzelzeugnisse
Im einzelnen sei aus dem neutestamentlichen Zeugnis von Christi
Leiblichkeit und Geschichtlichkeit folgendes angeführt.

I. Die Synoptiker
Die Synoptiker berichten am eingehendsten vom irdischen Le-
ben Jesu, von der Geburt, vom Leben und vom Sterben Jesu. Er war
ein Kind wie jedes, wurde in Windeln gehüllt und in die Krippe ge-
legt, weil in der Herberge kein Platz war (Lk 2, 7). Die Jahre seiner
Jugend verliefen mit wenigen Ausnahmen ohne auffallende Begleit-
erscheinungen wie bei einem anderen Kind, ganz im Gegensatz zu
den mythischen und legendären Heilandsgestalten der Antike. Chri-
stus war ein Mensch, den hungerte und dürstete, der ermüdete und
schlief, der zürnte und staunte, litt und trauerte, der kämpfte und
liebte, dessen Dasein sich also in den Urweisen jedes menschlichen
Daseins vollzog. Es ist, wie insbesondere die Genealogien zeigen,
hineingespannt in den Ablauf der menschlichen Geschichte. Christus
steht am Ende jener großen Reihe, die von den Urgestalten der
menschlichen Geschichte, von Adam, Henoch, Lamech, Noe zu Maria
und Joseph führt (Mt 1, 1—17; Lk 3, 23—38). Die Geschichtlichkeit
Christi wird noch besonders betont durch die Anführung von Namen,
die nicht in die Heilsgeschichte hineingehören, die am Rande des neu-
testamentlichen Christuszeugnisses stehen, die Nennung des römi-
schen Kaisers Augustus, der eine Volkszählung anordnete — sie ver-
anlaßte Bethlehem als Geburtsort —, des römischen Statthalters von
Syrien, P. Sulpicius Quirinius (Lk 2, 1f.), des römischen Landpflegers
Pontius Pilatus, des Königs Herodes (Lk 2, 4; 3, 1ff.). Sie dienen als
Zeitangaben (siehe J. Schmid, Das Evangelium nach Lukas, Regens-
burg 1954°, die Exkurse: Die Schätzung des Quirinius, 54—56, und:
Das fünfzehnte Jahr des Kaisers Tiberius und die Chronologie des
Lebens Jesu, 75—78). In Jesus tritt die lange vor ihm angekündigte
Königsherrschaft Gottes ein in die Geschichte. Mit ihm ist der Augen-
blick (Kairos) gekommen, auf den die Zeiten vor ihm gewartet haben
(Mk 1, 15). Er war von Gott vielfach vorbereitet.
§ 147 Die Einzelzeugnisse 181

Nach den übereinstimmenden Angaben bei Mt 2, 1 und Lk 1, 53


und nach der an den Namen Herodes I. geknüpften Erzählung bei
Mt 2 wurde Jesus unter Herodes geboren, d. h. im Jahre 4 „vor
Christi Geburt“. Die eigentliche Heimat Jesu ist Nazareth in Galiläa.
Ob bei Mk 6, 3 ursprünglich Joseph oder Jesus selbst als Zimmer-
mann bezeichnet wurde, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Im Zu-
sammenhang mit der einzigen direkten Jahresangabe der Evangelien
(Lk 3, 1ff.) über das Auftreten des Täufers (wohl zwischen Okt. 27
und’ Sept. 29 n.Chr.) ist die Annahme einer etwas mehr als zwei-
jährigen Dauer des öffentlichen Wirkens Jesu am besten zu be-
gründen. Über die äußere und innere Entwicklung und über die Stel-
lung des heranwachsenden Jesus zu seiner Umwelt berichtet nur Lk
2, 40—52. Jesus ist weder von dem hellenistischen Denken noch von
den Ideen der zeitgenössischen Frömmigkeit abhängig oder beein-
flußt (Apokalyptik, Qumrän, Essener, Taufbewegung). Doch läßt sich
auf dem Hintergrunde der Frömmigkeitsrichtungen seiner Zeit seine
eigene Lehre sowohl in ihrem Sinne als auch in ihrer Tragweite
besser verstehen.
„Die Reisewege Jesu lassen sich, obwohl einige Orte und Gebiete
genannt sind, leider nicht mehr wirklich rekonstruieren. Das be-
wegungsreichere Itinerar des Jo hat sicher darin recht, daß Jesus
länger, mehr als einmal (Mk), öffentlich in Jerusalem und Umgebung
wirkte. Der freilich schematisierende und verkürzende Aufriß des Mk
hält in Galiläa, namentlich dem Gebiet am See Genesareth mit Ka-
pharnaum als Standquartier, den historischen Hauptschauplatz der
Wirksamkeit Jesu fest. Aus Galiläa stammen auch Jesu erste Jünger
(Mk 1, 16ff.) und wohl alle Zwölf (außer Judas Iskarioth). Aus zu-
nehmender Feindschaft der führenden Kreise erwuchs schließlich die
Verhaftung Jesu in Jerusalem durch das Synedrium, seine Ausliefe-
rung an den römischen Prokurator Pontius Pilatus und die Verur-
teilung als Messiasprätendent zu der an einem Freitag, dem 14. (Jo)
oder 15. (Synopt) Nisan erfolgten Kreuzigung. Mit seinem sicheren
Tod und ordnungsgemäßen Begräbnis ist Jesu Geschichte nicht zu
Ende. Sie hebt auf anderer Ebene neu damit an, daß die seine Sache
verloren gebenden Jünger den tot Gewußten in mehreren Erschei-
nungen ... als lebend erfuhren und ihre Erfahrung als auf eine von
Gott gewirkte objektiv-leibhaftige Wirklichkeit bezogen wußten und
bezeugten“ (A. Vögtle, Jesus Christus, in: Lex. f. Theol. u. Kirche, V,
Freiburg 1960?, 925).
182 Die geschichtliche Erscheinung des Gottessohnes in einer Menschennatur $ 147

Der Verlauf dieses Lebens hatte seinen genauen Stundenschlag.


Er war ihm vom Vater vorgegeben. Über allen Phasen dieses Lebens
waltet das Müssen eines göttlichen Befehls (Mk 8, 31; Jo 10, 16). Es
ist in Gottes ewigem Weltplane beschlossen, daß Jesus im Hause des
Zachäus einkehren muß, so sehr er damit Anstoß erregt. Denn es soll
diesem Hause an jenem Tage Heil widerfahren (Lk 19, 5. 9f.). Er
muß Kapharnaum wieder verlassen, denn er ist gesandt, die Freuden-
botschaft in allen Städten Israels zu verkünden (Lk 4, 42f.). Jeder
Tag und jede Stunde hat daher ihren Auftrag (Mt 26, 18; Jo 9, 4). In
einem Streitgespräch mit den Pharisäern, welche ihn veranlassen
wollten, aus dem Herrschaftsbereich des Herodes wegzuziehen, be-
tont Christus den geschichtshaften Charakter seines Wirkens. Er
sagt zu ihnen: „Geht und sagt diesem Fuchse: Siehe, ich treibe Dä-
monen aus und ich vollbringe Heilungen heute noch und morgen; am
dritten Tage erst bin ich fertig. Doch heute noch, morgen und am
nächsten Tage muß ich wandern; es geht ja doch nicht an, daß ein
Prophet außerhalb Jerusalems umkomme“ (Lk 13, 31 ff.). Wenn die
von Gott bestimmte Stunde schlägt, kommt das Leiden, nicht vorher
und nicht nachher (Mk 14, 41; Jo 11, 8f.; Lk 18, 31). In Gethsemane
macht er sich bereit für die entscheidenden Geschehnisse seines Le-
bens (Mk 14, 33—42; Jo 12, 27). Bevor die Stunde der Finsternis kam,
konnte ihm trotz des glühenden Hasses, der ihm entgegenschlug, und
des stets vorhandenen Willens, ihn zu töten, keiner etwas anhaben
(Lk 22, 53).
Was von Christus erzählt wird, sind also nicht Legenden,
sondern gottgewirkte Geschehnisse, die sich in einer bestimmten und
bestimmt angebbaren Zeit zugetragen haben (siehe J. Michl, Die Evan-
gelien, Geschichte oder Legende?, München 1940). Ja, er steht so klar
und bedeutungsvoll in der Zeit, welche die unsrige ist, daß die Zeiten
vor ihm auf ihn hin geprägt sind und die Zeiten nach seiner Geburt
auf ihn zurückblicken und immer zur Entscheidung für oder gegen
ihn aufgerufen sind. In ihm hat die Geschichte einen festen Mittel-
punkt, von dem aus Vergangenheit und Zukunft mit eindeutigem Sinn
versehen werden können. Es ist aufschlußreich, daß die Feindschaft
gegen Christus mit der Feindschaft gegen die Geschichte Hand in
Hand geht. Der Zerfall des christlichen Bewußtseins schließt den
Zerfall des Geschichtsbewußtseins in sich. Wo der Mensch sich gegen
Christus auflehnt, lehnt er sich auch gegen die Geschichte auf und
verfälscht ihre Tatsachen nach den Bedürfnissen seiner naturalisti-
§ 147 Die Einzelzeugnisse 183

schen und rationalistischen Weltanschauung (vgl. M. Schmaus, Von


den Letzten Dingen, Münster i. W. 1948, 21—80).
Auch hier muß man wieder hinzufügen, daß das Leben Christi,
wie es die Synoptiker Matthäus, Markus und Lukas schildern, im Ge-
schichtlichen nicht aufgeht. So normal dieses Jugendleben zu ver-
laufen scheint, es ist doch vom Geheimnis und vom Unsagbaren er-
füllt. Manchmal bricht dies in seltsamem Glanze in den Alltag herein.
Der protestantische Religions-Historiker N. Söderblom (Der lebendige Gott,
hrsgg. von Fr. Heiler, München 1942, 335) hat die Eigenart der in Christus er-
folgten Offenbarung so geschildert: Die Botschaft vom Kreuze „ist die Heils-
botschaft im Gegensatz zu den Zeichen der Juden und der Weisheit der Hellenen.
Die Botschaft handelt somit nicht von irgendeinem Gedanken oder einer Idee,
irgendeiner inneren Erfahrung oder Lehre, nicht von Gottes und des Menschen
Wesen, von nichts von alldem, was in allen Zeiten die höchsten und tiefsten Geister
der Religion beschäftigt hat. Diese Verkündigung handelt von etwas, das sich in
einem Winkel der Welt an einem bestimmten Punkt der Geschichte ereignet hat.
Christus wurde als ein schändlicher Verbrecher bestraft. Kein Wunder, daß dies den
Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit ist. Paulus beschäftigt sich hier
nicht mit einer Spekulation, sondern weist auf eine Erfahrungstatsache hin. Dies,
was sich in der Geschichte ereignet hat, in der äußeren Welt und vor den Blicken
aller Menschen, und was als Skandal und als Torheit verworfen wurde, dies ist für
die Juden und Heiden, die dem Ruf lauschen, »göttliche Kraft und göttliche Weis-
heit« geworden. Dieser gekreuzigte Heiland schien schwach und dem Untergang ver-
fallen zu sein, aber er erzeigt sich als die Kraft Gottes. Dieser gekreuzigte, gemarterte
Mann mußte der Weisheit und dem Verstand der Griechen töricht erscheinen. Zwar
hatten die Griechen bei Aeschylus und Plato schimmerhaft etwas davon geahnt,
wie das Leben, Tun und Leiden des gerechten, gottesfürchtigen und nach Gottes
Geboten handelnden Menschen für die Welt Anstoß und Ärgernis ist. Aber im
Grunde war und ist die Kreuzigung das Gegenteil von allem, was Weisheit, Ver-
stehen und Denken sich von dem Göttlichen vorgestellt haben mochte. Aber diese
Torheit, dieser gekreuzigte Christus ist als die »Weisheit Gottes« erwiesen. Hier hat
Gott sein Wesen zu erkennen gegeben, nicht nur wie gewöhnlich, in dem Nach-
denken des Menschen, in seinem Gottesumgang und in seinem Geist, sondern hier
ist Gott, wenn wir so sagen dürfen, aus seiner Anonymität herausgetreten, aus dem
Verborgenen, und hat sich der Welt offenbart.“

II. Paulus

Paulus, der Christus nicht mehr dem Fleische nach kennen will,
hat ihn vor Damaskus als geistliche Wirklichkeit, als den erhöhten
Herrn, d.h. als die vom Heiligen Geist durchwirkte himmlische Licht-
gestalt und als Person-Macht erlebt. Er verkündet jedoch zugleich die
Dichte des leibhaftigen, geschichtlichen Daseins Christi. Er ist ihm
nicht ein mythisches himmlisches Lichtwesen. Der jetzt im Zustande
der Erhöhung existiert, ist derselbe wie jener, den eine irdische Mut-
184 Die geschichtliche Erscheinung des Gottessohnes in einer Menschennatur $ 147

ter geboren hat (Gal 4, 4; siehe $ 148). Die geschichtliche Wirklich-


keit dieses Lebens erfährt ihre Krönung im Leiden, Sterben und
Auferstehen (1 Kor 15, 3—11). Hierauf legt der Apostel Paulus das
größte Gewicht. Auch in den antiken Mythen ist von Tod und Auf-
erstehung der mythischen Heilande die Rede. Aber dieses Sterben
und Wiedererstehen ist nur die Symbolisierung von Naturvorgängen
und kann sich daher in ewiger Wiederkehr wiederholen. Christi Tod
und Auferstehung hingegen sind kein Gleichnis, sondern ein einmali-
ges, unwiederholbares Ereignis der Geschichte (Hebr 9, 21). Da ist vom
Grabe die Rede und von den Zeugen des Todes und der Auferstehung.
Es soll die Realität des Todes betont werden. Wie im Apostolischen
Glaubensbekenntnis die Nennung des Begräbnisses auch die Aufgabe
hat, nochmals an die wahre Menschheit zu erinnern, so führt die Er-
wähnung des Grabes 1 Kor 15, 4 das menschliche Leben Jesu aus
allem Legendären und Mythologischen heraus in den Raum der ge-
schichtlichen Wirklichkeit (vgl. auch Röm 6, 4; Kol 2, 12). Das Grab
sichert dem Leben und Sterben Jesu seine Konkretheit, seine Ein-
maligkeit und seine Einzigartigkeit.
„Die Auferstehung ist demnach ein Geschehen, das sich in einer ganz bestimmten
Weise, zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt, an einem ganz bestimmten Menschen,
unter ganz bestimmten äußeren Erscheinungen vollzog. Sie ist ein Konkretum, das
darum einen persönlichen, geschichtlichen, raumzeitlichen Charakter trägt. Es han-
delt sich um einen Vorgang, der sich am Morgen des dritten Tages, also in
der Zeit, der sich vor den Toren Jerusalems, also im Raum, der sich vor mensch-
lichen Individualitäten, also inmitten der Menschheitsgeschichte ereignet. Als Kon-
kretheit ist die Auferstehung aber zugleich auch ein Perfektum. Damit ist sie als
ein Geschehen der Vergangenheit, als ein vollzogener Akt der Geschichte gekenn-
zeichnet. Das Perfektum schließt Zeitlosigkeit, Übergeschichtlichkeit aus, es ist ein
vollzogenes Geschehen und nicht mehr zu vollenden und zu ergänzen. Die Aufer-
stehung ist als historisches Faktum aber auch ein singuläres Ereignis. Die Aussage
will die Auferstehung abgrenzen als einen einmaligen Akt gegenüber allen gleich-
schwebenden ewigen Ideen. In der Einmaligkeit des Geschehens drückt sich die Ho-
heit der Geschichte aus, Singularität bedeutet Unwiederholbarkeit“ (W. Künneth,
Theologie der Auferstehung, München 1933, 9).
Die Zeugen leben teilweise noch (1 Kor 15, 6). Man kann also
hingehen und sie fragen. Sie können berichten von den Ereignissen,
die sich unter Pontius Pilatus draußen vor den Toren abgespielt
haben (Hebr 13, 12). Die Mächtigkeit des Auferstandenen bekundete
sich am stärksten darin, daß er, wie der Apostel von sich mit Nach-
druck bezeugt, Paulus selbst zuinnerst erschüttert und verwandelt
hat, daß er durch ihn, den glühenden Verfolger der Christengemein-
den, mehr gewirkt hat, als durch jene, die von Anfang an zu seiner
§ 147 Die Einzelzeugnisse 185

Gefolgschaft gehörten. Ein geschichtliches Ereignis also, das Leben,


Sterben und Auferstehen Jesu, erhebt den Anspruch, die Mitte der
Geschichte zu sein und alles Leben, Denken und Wollen in Pflicht
zu nehmen. Das gerade ist der Stein des Anstoßes.
„Nein, nicht der Gedanke der Auferstehung war den Griechen unerträglich,
sondern eine Botschaft von der Auferstehung, die kein Mythos war. Daß hier von
einer Auferstehung die Rede war, die sich einmal ereignet hat, die ein übergeschicht-
liches, aber in die Geschichte eingegangenes Ereignis war, das war der Anstoß... Daß
ein Mensch, der zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort gelebt hatte,
dessen Tod ein feststellbares historisches Faktum war, die Offenbarung sein sollte,
das war das Unerträgliche für die Griechen ebenso wie für die modernen Menschen“
(H. Sasse, Mysterium Christi, 128, zitiert bei Tr. Hahn, Mitsterben und Mitauf-
erstehen mit Christus bei Paulus, München 1937, 64).
Es kann nicht eindringlich genug gesagt werden: Die Dichte des
Geschichtlichen zieht die schärfste Trennungslinie zwischen dem
Christentum und allen übrigen religiösen Erscheinungen, die, ge-
messen am Christlichen, alle als Natur-Religionen bezeichnet werden
müssen, weil in ihnen die Natur vergöttlicht wird. Das Geschichtliche
erhält in der christlichen Offenbarung eine derartige Kraft, daß es
den ewigen Kreislauf der Natur, der für die nichtbiblische Religiosi-
tät in Geltung ist, zu durchstoßen vermag. In der Auferstehung hat
Christus, der Offenbarer Gottes, ja die Offenbarung Gottes selbst, die
immerwährende Wiederholung von Geburt, Leben und Tod aufge-
hoben. Es geht nicht endlos in dem ewigen Kreislauf von Leben,
Sterben, neuem Leben und neuem Sterben, Sommer, Herbst, Winter
und Frühling weiter. In der Auferstehung Christi ist ein Weg er-
öffnet worden, der aus der Natur herausführt, in ein ihrem Gesetz,
dem Gesetz der Vergänglichkeit, nicht mehr unterworfenes Leben
hinein.
Hier entscheidet sich Gehorsam und Ungehorsam, Fall und Auf-
erstehung des Menschen.
So sehr indes für Paulus das Christusleben ganz Geschichte ist,
so ist es doch nicht nur Geschichte. Es sprengt den Rahmen des Ge-
schichtlichen und des Menschlichen. Denn in diesem Menschenleben
vollzieht sich das Heilsmysterium.
Im Geiste der übrigen paulinischen Briefe wird Christus im
Hebräerbrief geschildert. Am Ende der Tage geschah es, daß der alle
vorausgehenden Offenbarungen Gottes zusammenfassende und ab-
schließende Offenbarer kam. Er, der Sohn Gottes, schämt sich nicht,
die Menschen seine Brüder zu nennen. Ja, er nimmt Blut und Fleisch
an wie die anderen, um so der Herzog des Heiles zu werden (Hebr 2,
186 Die geschichtliche Erscheinung des Gottessohnes in einer Menschennatur 8147

10—18). Er ist ein Hoherpriester, der mit unseren Schwachheiten mit-


empfinden kann. Denn er ist allenthalben versucht worden gleich uns,
doch ohne Sünde (Hebr 4, 15).

III. Johannes

Am auffallendsten ist die Kraft, mit welcher die Leiblichkeit


und die darin begründete Geschichtlichkeit Christi von Johannes be-
zeugt wird, von jenem Evangelisten, der vor allen anderen das vor-
weltliche und überweltliche Dasein Christi schildert. Freilich, gerade
das vierte Evangelium legt auf Vollständigkeit kein Gewicht. Es will
und kann nur soviel von dem sichtbaren Lebensverlauf Christi er-
zählen, daß sich daran der Glaube an seine göttliche Herrlichkeit auf-
zurichten vermag (Jo 20, 30f.; 21, 25). Was Johannes von diesem
Leben sagt, ist dafür ein um so eindringlicheres Zeugnis gegen alle
mythologischen Verflüchtigungen. Er kann sich nicht genug tun mit
der Versicherung, daß er das Gottesleben, das auf Erden erschienen
ist, selbst gesehen, gehört, ja berührt hat. Mit allen Sinnen hat er die
Gestalt Christi aufgenommen und noch nach zwei Menschenaltern
hat er den Tonfall seiner Stimme im Ohr, spürt er den Händedruck
des Herrn (1 Jo 1, 1ff.). Er war Augenzeuge der Gotteswerke, die in
Jerusalem, Kapharnaum, Nazareth geschehen sind. Mit geradezu an-
stößiger und aufdringlicher Entschiedenheit sagt er in seinem Evan-
gelium (1, 14): Das Wort ist Fleisch geworden. Jede Deutung auf
einen Scheinleib oder einen himmlischen Leib scheitert an der Härte
dieses Ausdrucks. Man merkt, daß er auf einen Gegner hin gesagt ist,
gegen den dualistischen, leibfeindlichen Gnostizismus. Es klingt ein
kämpferischer Ton mit. Es soll möglichst scharf und unüberhörbar
erklärt werden, daß der Logos wirklich eine menschliche Natur in
Schwäche und Hilflosigkeit angenommen hat.
Der Gnostiker, der Verächter des Leibes, wird das nicht verstehen
und nichts zugeben. Der Leib ist für ihn der Sitz oder der Quell des
Bösen, er will nicht zulassen, daß der Logos durch die Annahme
eines irdischen Leibes in das Böse verstrickt wurde. Auch Johannes
weiß um die Finsternis der Welt. Er hat eine düstere Vorstellung
von der Welt. Die Menschen sind so, daß sie die Finsternis mehr
lieben als das Licht. Aber nirgends erscheint die Welt als solche als
das Gottfremde. So denkt Marcion, der Hauptvertreter der heiden-
christlichen Gnosis im zweiten Jahrhundert. Nach ihm kommt der
Rettergott plötzlich in Scheingestalt in die ihm fremde Welt, um die
§ 147 Die Einzelzeugnisse 187

dem bösen Schöpfergott des Alten Testaments gehörigen Geschöpfe


zu rauben und zu retten. Die Finsternis, die sich nach Johannes gegen
das Licht zur Wehr setzt, ist das ans Böse verhaftete menschliche
Herz. Der Leib ist Gottes Geschöpf, und gerade in ihm erscheint die
Herrlichkeit des Eingeborenen Gottes (Jo 1, 14). Anderes zu sagen,
ist eine Irrlehre. Es sind freilich viele Irrlehrer in die Welt ausge-
zogen, die leugnen, daß Jesus Christus im Fleische erschienen ist. Das
sind die Verführer. So einer ist der Antichrist (2 Jo 7). Nach Johannes
gibt.es nur einen ethisch-religiösen, keinen metaphysischen Dualismus.
Nein, Christus ist keine überzeitliche Idee. Im Jetzt einer be-
stimmten Stunde ist der Gottessohn gekommen, der von Gott gesandte
Offenbarer. Jetzt entscheidet sich schon alles an ihm. „Jetzt“ ist das
Licht gekommen, das Gericht und Rettung bringt. Die Offenbarung
Gottes geschieht nicht im zeitlosen „Immer“, sondern zu der von Ewig-
keit her festgesetzten Stunde, nicht vorher und nicht nachher. Wer
sie versäumt, verpaßt die Heimsuchung Gottes. Über seinem Dasein
steht das „zu spät“ der Verzweiflung (Jo 8, 21). Die Stunde der Gnade
und der Rettung, des Lebens und des Lichtes war durch die Jahr-
hunderte vorbereitet und wurde angesagt durch Johannes, den von
Gott auserwählten Propheten des herankommenden Königtums Gottes
(Jo 1, 15—27). Er weist auf einen hin, der mitten unter den anderen
steht, die sich zur Taufe drängen. Jeder kann ihn sehen. Dieser ist
das „Lamm Gottes“. Jetzt ist die Zeit der Sündenvergebung. Jetzt ist
der Augenblick gekommen, wo der Täufer abnimmt und der Messias
wächst.
Indes, das Leben Christi erschöpft sich nicht mit seinem geschicht-
lichen Verlauf. Es kommt aus einem Hintergrund, der angefüllt ist
mit Gottes Herrlichkeit. Wenn man Christus recht verstehen will,
muß man beides zusammensehen, die Gottesherrlichkeit und die
Menschenschwäche. Aus Gottes Fülle ist er gekommen, in sie ist er
wieder eingegangen. Sie war auch im Fleischgewordenen gegenwärtig,
aber verborgen. In der Auferstehung ist hervorgekommen, was bis
dahin verhüllt war. So ist der von Johannes bezeugte Christus eine
Wirklichkeit voll ungeheurer Spannungen; so geräumig ist dieses
menschliche Leben, daß darin die Hinfälligkeit der menschlichen Na-
tur und die Lebensfülle und Lichthaftigkeit Gottes sich ineinander-
schlingen (vgl. E. Gaugler, Das Christuszeugnis des Johannesevan-
geliums, in: Jesus Christus im Zeugnis der Heiligen Schrift und der
Kirche, München 1936, 34—67. J. Schmid, Christusmythe, in: Lex. f.
Theologie u. Kirche, II, Freiburg i. Br. 1958?, 1182 f.).
188 Die geschichtliche Erscheinung des Gottessohnes in einer Menschennatur § 147

Viertes Kapitel
Außerchristliche Zeugen

Auch heidnische (Tacitus, Sueton, Plinius) und jüdische (Flavius


Josephus) Schriftsteller bezeugen die geschichtliche Existenz Jesu.
Tacitus berichtet um, 116 n. Ch. in den „Annalen“, wie der
Kaiser Nero die Stadt Rom angezündet und das Verbrechen den ver-
haßten Christianern in die Schuhe geschoben hat. Von diesen sagte
er: „Der Begründer dieses Namens, nämlich Christus, war unter der
Regierung des Tiberius durch den Prokurator Pontius Pilatus hin-
gerichtet worden. Aber der für den Augenblick unterdrückte, ver-
derbliche Aberglaube brach wieder hervor, nicht nur im Bereich von
Judäa, wo das Unheil entstanden war, sondern auch in der Stadt
Rom, wohin ja aus der ganzen Welt alle rohen und schändlichen
Dinge zusammenfließen und Beifall finden.“
Sueton erzählt um das Jahr 120, daß in Rom zur Zeit des Kaisers
Claudius wegen eines gewissen Chrestus ein Aufruhr ausbrach (vgl.
Ap 18, 2).
Plinius der Jüngere berichtet im Jahre 112/3 an Kaiser Trajan,
daß sich in Vorderasien der Glaube an Christus schnell verbreitet
habe. Die Christen würden in ihren Frühgottesdiensten einem ge-
wissen Christus als einem Gotte (quasi deo) Loblieder singen.
Der jüdische Schriftsteller Flavius Josephus berichtet im 20. Buch
seiner in den Jahren 93 oder 94 verfaßten „Jüdischen Altertümer“
von dem Schicksal des Jakobus, den er als Bruder Jesu bezeichnet,
„der Christus genannt wird“. Im 18. Buch äußert er sich über
Christus selbst folgendermaßen: „Zu dieser Zeit trat Jesus auf, ein
weiser Mensch, wenn man ihn anders einen Menschen nennen soll.
Denn er war ein Vollbringer auffallender Werke, ein Lehrer der
Menschen, welche die Wahrheit freudig annehmen. Er hat viele Juden,
aber auch viele aus dem Heidentum an sich gezogen. Der Messias war
dieser.“ Auch wenn die Partien „Er war ein Lehrer der Menschen,
welche die Wahrheit freudig annehmen“ sowie „Der Messias war
dieser“ ein späterer christlicher Einschub sind, wie die kritische
Untersuchung zeigte, so bleibt doch ein klares Zeugnis.
§ 147 Die äußere Erscheinung Christi 189

Fünftes Kapitel
Die äußere Erscheinung Christi

Die Geschichtlichkeit Christi wird durch die Schwierigkeiten der


Zeitangaben für sein Leben im einzelnen und durch die Zurückhal-
tung der neutestamentlichen Zeugen nicht aus den Angeln gehoben.
Sie sagen uns nichts vom Äußeren Christi. K. Adam hat versucht,
aus den Werken und Worten Christi, aus der Wirkung auf seine
Zuhörer rückschließend ein Bild seines leiblichen Aussehens zu zeich-
nen. Darnach könnte man sagen, daß Christus allem Anscheine nach
ein gewinnendes Äußeres gehabt hat. Das verrät der Eindruck, den
er auf die Volksscharen machte. Vielleicht wird es auch nahegelegt
durch die innige Verbindung der menschlichen Natur in Christus mit
Gott, dem Quell des Schönen. Origenes schreibt indes Christus
wegen der Schilderung, die Isaias vom leidenden Gottesknecht gibt,
einen zerfallenen, unansehnlichen, zerbrechlichen Leib zu. Darin
würde sich ein gesteigertes Maß von göttlicher Selbstentäußerung
darstellen. Aus den zahlreichen Wanderungen Christi, aus seinen
häufigen Übernachtungen im Freien, aus seinem oftmaligen Verzicht
auf Speise und Trank folgert K. Adam, daß Christus körperliche
Kraft, Gesundheit, Abhärtung, Leistungsfähigkeit zu eigen war. Be-
sonders eindrucksvoll scheint sein Auge gewesen zu sein (Mk 3, 5. 34;
5, 32; 8, 33 usw. K. Adam, Jesus Christus, Augsburg 19498, 55 ff. Vgl.
H. Paulus, Christusbilder, in: Lex. f. Theologie u. Kirche, II, Frei-
burg i. Br. 1958?, 1175 ff.).
Die neutestamentlichen Schriften bieten jedoch keine unmittel-
bare Beschreibung seiner leiblichen Gestalt. Sie unterscheiden sich
hierin grundlegend von den Erzählungen, die wir von hellenistischen
„Gottesmännern“ besitzen. Da wird in weitausgesponnenen, legenden-
haften, wie Märchen aus grauer Vorzeit fesselnden Sagen von der selt-
samen Geburt und Jugend, vom schönen Gesicht und schönen Gewand
des „Gottesmannes“ erzählt. Schon der Ort der Geburt wird in den
leuchtendsten Farben ausgemalt. Bei der Geburt des Apollonius von
Tyana umstehen singende Schwäne die Mutter, die einem Traum-
bilde gemäß auf eine Wiese gegangen war, um Blumen zu pflücken,
der Zephyr weht, ein Blitz fährt vom Himmel zur Erde und wieder
zurück. Allein von allen Menschen hat Zoroaster am Tage seiner
Geburt der Mutter zugelächelt. Die griechischen Götterkinder sind
ausgezeichnet durch rasche körperliche und geistige Entwicklung. Der
190 Die geschichtliche Erscheinung des Gottessohnes in einer Menschennatur $ 147

göttliche Poros soll der schönste aller Inder gewesen sein und von
einer Größe wie kein Mensch seit den homerischen Helden. Dem
Peregrinus Proteus spendet Lukian das Lob, er sei als das herr-
lichste Bild von der Natur geformt worden. Eingehend beschreibt
Lukian das Äußere des Alexandros Abonuteichos. Proklos war so
schön, daß die trefflichsten Bilder doch keine Vorstellung von ihm
geben können. Dazu besaß er eine gute Gesundheit und ein hervor-
ragendes Gedächtnis. Isodorus soll von großem Wuchs und schlankem
Körper gewesen sein und ein treffliches Antlitz gehabt haben. Es war
hell, wie das des Merkur, besonders bemerkenswert waren seine
Augen, gleichsam Bildnisse des göttlichen Ausflusses seiner Seele.

Demgegenüber erzählen die neutestamentlichen Berichte nichts


Auffallendes von Christi äußerer Erscheinung. Mag es vorhanden ge-
wesen sein: das ist es nicht, worauf es ankommt. Darauf kam es auch
dem die neutestamentlichen Schriftsteller anregenden Heiligen Geist
nicht an. Die hellenistische Biographie und das neutestamentliche
Christuszeugnis haben nichts miteinander gemeinsam (R. Hanslik,
Christus und die hellenistischen „Gottesmänner“ bis zu ihrer Lehr-
und Wundertätigkeit, in: Theologie der Zeit, Innsbruck 1935, 203
bis 214). Die neutestamentlichen Schriftsteller schildern in knappen
Strichen die Wirklichkeit, die sie erlebt haben und bei der das Ent-
scheidende das im Fleische erschienene Gottesleben ist. In den helle-
nistischen Biographien dichtet die schöpferische menschliche Phan-
tasie an den Traumgestalten, in denen sich die Sehnsüchte des mensch-
lichen Herzens verleiblichen.

Sechstes Kapitel

Die Väter

Verwundert mag der Leser zunächst aufhorchen, wenn er die


Heftigkeit des Einspruchs vernimmt, den die nachapostolischen Gläu-
bigen und auch die späteren Väter gegen die Vorstellung erhoben, als
ob der Gottessohn bloß im Adel eines menschlichen Geistes erschienen
sei, als ob er sich bloß in den schimmernden Schein eines mensch-
lichen Leibes gekleidet hätte. In diesem Als -ob sehen sie einen Ab-
grund, der das ganze Christentum zu verschlingen droht. Daraus ist
die Gewalt ihrer Abwehr zu verstehen.
§ 147 Die Väter 191

Ignatius von Antiochien richtet auf der bitteren und doch so in-
brünstig gewünschten Todesfahrt die beschwörende Bitte an die Christengemeinde
von Tralles in Kleinasien: „Verstopfet eure Ohren, sobald euch einer Lehren bringt
ohne Jesus Christus, der aus dem Geschlechte Davids, der aus Maria stammt, der
wahrhaft geboren wurde, aß und trank, wahrhaft verfolgt wurde unter Pontius Pi-
latus, wahrhaft gekreuzigt wurde und starb vor den Augen derer, die im Himmel,
auf der Erde und unter der Erde sind, der auch wahrhaft auferweckt wurde von
den Toten, da ihn sein Vater auferweckte; denn nach diesem Vorbild wird uns, die
wir ihm glauben, sein Vater auch so auferwecken in Christus Jesus, ohne den wir
das wahre Leben nicht haben. Wenn aber einige Gottlose, das heißt Ungläubige,
behaupten, es sei nur Schein, daß er gelitten hat, da sie doch selbst nur Schein sind:
warum bin ich dann gefesselt, warum sehne ich mich dann nach dem Kampf mit
den wilden Tieren? Umsonst also sterbe ich. Also rede ich die Unwahrheit über den
Herrn. Fliehet also die bösen Auswüchse, die tödliche Frucht hervorbringen; wer
davon genießt, wird sogleich sterben. Denn diese sind nicht die Pflanzung des Va-
ters“ (Kap. 9ff.; BKV 134f.). Ähnlich an die Gemeinde von Smyrna: „Dies alles
hat er (Christus) nämlich gelitten unseretwegen, damit wir gerettet werden, und
zwar hat er wahrhaft gelitten, wie er sich auch wahrhaft auferweckt hat, nicht wie
einige Ungläubige behaupten, er habe nur scheinbar gelitten, da sie selbst nur schein-
bar leben; und gemäß ihren Anschauungen wird es ihnen ergehen, wenn sie körper-
los und gespensterhaft sind (bei der Auferstehung). Ich nämlich weiß und vertraue
darauf, daß er auch nach der Auferstehung derselbe war im Fleische. Und als er
zu Petrus und seinen Genossen kam, sprach er zu ihnen: Fasset (mich) an, betastet
mich und sehet, daß ich nicht ein körperloser Geist bin. Und sogleich betasteten sie
ihn und glaubten, da sie in Fühlung gekommen waren mit seinem Körper und
seinem Geiste. Deshalb verachteten sie auch den Tod und zeigten sich stärker als
der Tod. Nach der Auferstehung aß und trank er mit ihnen wie ein leibhaftiger
Mensch, obwohl er dem Geiste nach vereinigt war mit dem Vater. Ich gebe euch
hierüber Mahnungen, Geliebte, obwohl ich weiß, daß auch ihr so denket (wie ich
es dargelegt habe). Ich warne euch aber vor den Tieren in Menschengestalt, diese
dürft ihr nicht nur nicht aufnehmen, sondern womöglich sollt ihr ihnen nicht ein-
mal begegnen, nur beten sollt ihr für sie, ob sie sich vielleicht bekehren, was frei-
lich schwierig ist. Darüber hat die Macht Jesus Christus, unser wahres Leben. Wenn
nämlich dies nur zum Scheine von unserem Herrn vollbracht wurde, dann bin auch
ich nur zum Scheine gefesselt. Wozu habe ich auch mich gänzlich dem Tode über-
liefert, fürs Feuer, fürs Schwert, für wilde Tiere? Aber nahe dem Schwerte ist
nahe bei Gott, inmitten der wilden Tiere ist inmitten Gottes; einzig im Namen Jesu
Christi. Um mit ihm zu leiden, ertrage ich alles, wenn er mir Kraft gibt, der voll-
kommener Mensch geworden ist. Ihn verleugnen einige aus Unkenntnis oder besser
sie wurden von ihm verleugnet, da sie eher Anwälte des Todes als der Wahrheit
sind; diese konnten die Prophezeiungen nicht überzeugen, noch das Gesetz Mosis’,
ja nicht einmal bis zum heutigen Tage das Evangelium und die Leiden der einzelnen
aus uns. Denn auch von uns denken sie ebenso. Was nützt denn ein Mensch mir,
wenn er mich zwar lobt, aber meinen Herrn schmäht, indem er nicht zugibt, daß
er im Fleische erschienen ist? Wer dies nicht bejaht, hat ihn völlig verleugnet und
trägt seine eigene Leiche. Ihre Namen aber, die ungläubigen, glaube ich nicht auf-
zeichnen zu sollen. Ja, ferne sei es von mir, ihrer zu gedenken, bis sie sich bekehrt
192 Die geschichtliche Erscheinung des Gottessohnes in einer Menschennatur 8147

haben zu dem Leiden, das unsere Auferstehung ist. Niemand lasse sich täuschen;
sogar die himmlischen Mächte und die Herrlichkeit der Engel und die sichtbaren
und unsichtbaren Herrscher, auch sie müssen des Gerichtes gewärtig sein, wenn
sie nicht an das Blut Jesu Christi glauben. Wer es fassen kann, der fasse es. Keinen
blähe seine Stellung auf; das Ganze nämlich ist Glaube und Liebe; diese übertrifft
nichts. Lernet sie kennen, die Sonderlehren aufstellen über die Gnade Jesu Christi,
die zu uns gekommen ist, wie sehr sie dem Willen Gottes entgegen sind! Um die
Liebe kümmern sie sich nicht, nicht um die Witwe, nicht um die Waise, nicht um
den Bedrängten, nicht um den Gefangenen oder Freigegebenen, nicht um den Hun-
gernden und Dürstenden. Von der Eucharistie und dem Gebete halten sie sich ferne,
weil sie nicht bekennen, daß die Eucharistie das Fleisch unseres Erlösers Jesus
Christus ist, das für unsere Sünden gelitten hat und das der Vater in seiner Güte
auferweckt hat“ (Kap. 2—7; BKV, 147—150). Das ganze Werk Christi ist nach
Irenäus Täuschung und Betrug, wenn Christus nur in den lichten Höhen des
Geistigen existierte. „Wenn nicht der Mensch den Feind des Menschen besiegt hätte,
so wäre nicht gerechterweise der Feind besiegt worden. Und wiederum hätte nicht
Gott den Menschen das Heil verliehen, so würden wir dessen nicht gewiß sein.
Und wäre der Mensch nicht mit Gott verbunden worden, so hätte er keinen Anteil
an der Unvergänglichkeit erlangen können. Es mußte nämlich der Mittler zwischen
Gott und den Menschen kraft seines Verhältnisses zu beiden in Freundschaft und
Eintracht beide zusammenführen und die Menschen Gott nahe bringen und die
Menschen mit Gott bekannt machen. Aus welchem Grunde könnten wir denn teil-
haftig sein der Annahme an Kindesstatt, wenn wir nicht durch den Sohn diese
verwandtschaftliche Beziehung zu ihm empfangen hätten: wenn nicht sein Wort,
Fleisch geworden, sie uns mitgeteilt hätte? Deshalb machte er auch jede Altersstufe
durch, um für alle die Gemeinschaft mit Gott wiederherzustellen. Die also sagen, daß
er nur scheinbar sich geoffenbart habe, nicht im Fleische geboren und nicht in Wahr-
heit Mensch geworden sei, die sind noch in der alten Verdammnis und stehen noch
unter dem Fluch der Sünde, da nach ihnen der Tod nicht besiegt ist ... Wer also
die Sünde vernichten und den Menschen von seiner Todesschuld erlösen wollte, der
mußte das werden, was jener war, nämlich Mensch. Denn der Mensch war von der
Sünde in die Knechtschaft geschleppt und wurde von dem Tode festgehalten. Daher
mußte die Sünde von einem Menschen überwunden werden, damit der Mensch des
Todes ledig würde. Wie nämlich durch den Ungehorsam des einen Menschen, der
zuerst von der jungen Erde gebildet war, die vielen Sünder wurden und das Leben
verloren, so mußten auch durch den Gehorsam eines Menschen, der zuerst von einer
Jungfrau geboren wurde, viele gerechtfertigt werden und ihr Heil erlangen. So
wurde also das Wort Gottes Mensch, wie auch Moses sagt: Gott, wahrhaft sind
seine Werke. Wäre er aber nicht Fleisch geworden, sondern nur als solches er-
schienen, so wäre sein Werk nicht wahr gewesen. Was er schien, das war er also
auch: Gott faßte in sich das alte Menschengebilde zusammen, um die Sünde zu
vernichten, den Tod niederzuwerfen und den Menschen lebendig zu machen“ (Gegen
die Häresien, 3. Buch 18. Kap. 7. Abschn.; BKV I, 291—293).
§ 147 Wahre Menschheit Christi und christliche Frömmigkeit 193

Siebentes Kapitel
Wahre Menschheit Christi und christliche Frömmigkeit

Man kann den Zorn über die Leugner der Menschheit Christi
verstehen, wenn man die Verschiebungen und Verzerrungen bedenkt,
welchen der Glaube und das Glaubensleben ausgesetzt sind, sobald die
menschliche Natur Christi nicht mehr ernst genommen oder im gläu-
bigen-Bewußtsein zugunsten der Gottheit Christi zurückgedrängt wird.
Die menschliche Natur Christi ist die Voraussetzung für sein Mittler-
tum (vgl. S 154). In ihr ist er der Hohepriester, der für uns opfert,
der Weg, auf dem wir zum Vater gelangen. Durch ihn, den Mensch-
gewordenen, haben wir Frieden und Versöhnung mit Gott dem Vater
(Röm 5, 1). Durch ihn beten wir, danken wir, loben wir. In ihm, dem
in Menschengestalt erschienenen Gottesleben (1 Jo 1, 2), ergreift der
Gläubige das Leben, das den Tod vernichtet. Wir können es ergreifen,
weil es in der menschlichen Natur gegenwärtig ist. Von ihr her strömt
es in uns hinein, so daß wir, selbst des göttlichen Lebens teilhaftig
geworden, Kinder Gottes, Wiedergeborene sind. Der Ort, wo wir es
ergreifen, ist die Welt der Sakramente, in denen das Heilsmysterium
des menschgewordenen Gottessohnes gegenwärtig ist. In der Zuver-
sicht, die den Christusgläubigen ob des ihm geschenkten göttlichen
Lebens erfüllt, ist die Lebensangst abgetan. Er lebt nicht in Furcht
vor der Hölle, sondern im Glauben und in der Liebe zu Christus. Die
desselben Lebens teilhaftig geworden sind, bilden untereinander eine
Einheit, ein Wir. Christus ist das Haupt, die sie formende und ge-
staltende personale Macht. In ihm sind sie einer (Gal 3, 28). Man
sieht: „Der Ort des christlichen Interesses ist in dieser Weltzeit, genau
gesehen, nicht die Sphäre der Gottheit, nicht der vorzeitliche Logos für
sich allein, sondern dieser Mensch Jesus, der durch seine Wesens-
verbundenheit mit der Gottheit und in der Kraft dieser Wesensver-
bundenheit durch sein Sterben und Auferstehen unser Mittler, unser
Erlöser, unser Heiland geworden ist“ (K. Adam, Jesus Christus, Düs-
seldorf 19498, 14f.). „Darin liegt das Unfaßbare, Überwältigende der
Christusgestalt: nicht daß die Menschheit in die Person des Wortes
aufgenommen wurde, sondern genau gesprochen: daß Gott ganzer,
voller Mensch wurde. Nicht der Aufstieg des Menschen zu Gott, son-
dern das Herabsteigen Gottes zum Menschen ist das Geheimnis. Nicht
in der Gottwerdung eines Menschen, sondern in der Menschwerdung
Gottes liegt das Wunder, das Ungeheuerliche.... das Wesentliche, das

13 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


194 Die geschichtliche Erscheinung des Gottessohnes in einer Menschennatur 8147

Entscheidende“ (K. Adam, Christus unser Bruder, Regensburg 1960 Es


66 f.).
Demgegenüber führt die Verflüchtigung, ja schon die Unterbeto-
nung der menschlichen Natur in Christus zu Verschiebungen und
Umlagerungen in der christlichen Frömmigkeit.
Das zeigt sich im Gnostizismus und in allen auf ihn sich zu be-
wegenden Neigungen und im Monophysitismus (siehe $ 145). Nach
dem ersteren ist die Leiblichkeit Christi bloßer Schein, da Gott nicht
wirklich sich mit dem Stoff, dem Sitz und Quell des Bösen, vereinigen
konnte. Christus erlöst daher nicht durch sein menschliches Leben,
Leiden und Sterben, sondern durch „das in seiner Gottheit aufstrah-
lende Licht der Wahrheit, das er in die Herzen sendet“. Christus ist
so erstlich, ja ausschließlich der göttliche Lehrer, nicht das im Glau-
ben zu ergreifende Leben. Die von ihm Erlösten sind die von ihm
Belehrten, die von ihm zu einem neuen Denken und Erkennen Ge-
führten, nicht die eines neuen Lebens teilhaftig Gewordenen. Sie
bilden daher auch keine Gemeinschaft von Wiedergeborenen, sondern
eine Gemeinde von Schülern. Die gnostische Kirche ist eine Schule,
deren Mitglieder durch das gleiche Denken und Erkennen, nicht durch
den gleichen übernatürlichen Lebensgrund verbunden sind. Sie sind
darauf verwiesen, von Christus belehrt, den Weg zu Gott allein, ein-
sam und in eigener Kraft zu gehen. Daher kommen die maßlosen
Anstrengungen und Übersteigerungen, die Verkrampfungen in ihrem
religiösen Erkennen und in ihrem sittlichen Wollen. Das letztere ist
gekennzeichnet vor allem durch einen rücksichtslosen Kampf gegen
das Stoffliche. Der Gnostiker muß sich freimachen von aller Ge-
bundenheit an das Leibliche, um sich so der Bedürfnislosigkeit Gottes
anzunähern. Er hofft, daß er sich durch Abgewöhnung der körper-
lichen Bedürfnisse die Göttlichkeit gradweise erwerben könne. Wie
Christus nichts Stoffliches annahm, so muß der von ihm Belehrte dem
Stofflichen entfliehen. Diese Maßlosigkeiten in der Askese, der Aske-
tismus, schlugen in manchen gnostischen Kreisen — verständliche
Rache der von Gott geschaffenen und nun vergewaltigten Natur —
um in die Ungebundenheit der Herrenmoral.
Nicht zu einer Zerstörung, wohl aber zu einem Gestaltwandel
und gelegentlich auch zu einer Entstellung der christlichen Frömmig-
keit kam es in den vom Arianismus ausgelösten Bewegungen. Die
arianische Bestreitung der wahren Gottheit Christi führte zu weit-
tragenden Änderungen in der Liturgie, im Morgenlande schon im
8 147 Wahre Menschheit Christi und christliche Frömmigkeit 195

4. Jahrhundert, im Abendland im 6. Jahrhundert. Man hatte bisher


zum Vater gebetet „durch den Sohn“, „durch den Sohn im Heiligen
Geist“. Diese Formeln wurden von den Arianern mißdeutet, als sei der
Sohn geringer als der Vater. Um die Möglichkeit einer solchen miß-
bräuchlichen Deutung zu beseitigen, ersetzte man die alte Gebetsweise
durch eine neue: „Ehre sei dem Vater mit dem Sohne samt dem
Heiligen Geiste“ oder: „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem
Heiligen Geiste.“
So wurde aus der Gegnerschaft gegen den Arianismus in Christus
mehr die Wesensgleichheit mit dem Vater als die Wesensgleichheit
mit uns betont, ja in der monophysitischen Übersteigerung wurde
die letztere geleugnet. In der Frömmigkeit wirkt sich das so aus, daß
nicht mehr vor allem durch den menschgewordenen Sohn zum Vater
gebetet wird, sondern daß (was auch möglich ist) vor allem er selbst
angebetet wird. „Christus als Pantokrator auf dem hohen Thron, von
Engelscharen umgeben, ist fortan mit Vorliebe das Bild, das von der
Wölbung der Apsis auf die Gläubigen niederschaut“ (J. A. Jungmann,
Die Frohbotschaft und unsere Verkündigung, Regensburg 1936, 70).
Er gilt „nicht mehr zugleich auch als Repräsentant, als Anwalt der Menschen,
als Erstgeborener unter den Brüdern, der dem dreifaltigen Gott das Menschheits-
opfer entgegenbringt. Im unnahbaren Lichte der Gottheit erstrahlend, ist er vielmehr
um Unendlichkeiten von den Menschen entfernt, und als solch unendlich erhabener
Gott vollbringt er das Opfer des Altares... Darum einerseits seit Justinus II. die
überschwängliche, glänzende Ausgestaltung der Liturgie, andererseits die völlige
Umwandlung der religiösen Haltung. Es ist bezeichnend, daß sie gerade mit jenem
Theologen einsetzt, der zum ersten Male grundsätzlich und regelmäßig das »durch
ihn« durch das »mit (bm: verbessern zu sollen glaubte: mit Chrysostomus, dem
heiligen Bischof von Konstantinopel. Charakteristisch für diese Haltung ist das Ge-
fühl, von dem Gott, der durch die Hand des Priesters die heilige Wandlung voll-
zieht, um Unendlichkeiten getrennt zu sein, das Gefühl grenzenloser Ehrfurcht, ja
das der Furcht und des Entsetzens. Nun ist zum ersten Male in der Geschichte des
Abendmahls »vom schauervollen Opfer«, vom »schauervollen Brot« die Rede und
von der »Furcht und dem Zittern«, mit dem man den Leib des Herrn empfangen soll.
Bis zum vierten Jahrhundert waren solche Wendungen unbekannt. Die Ausdrücke
schauderhaft, schrecklich, furchtbar, entsetzlich, unheimlich tauchen zum ersten
Male in den Predigten über das heiligste Altarssakrament auf. Die Religion wird
aus einer Religion der Liebe zu einer Religion der Furcht. Um die innere Distanz
von dem konsekrierenden Gott auch äußerlich durchzuführen, wurde nunmehr der
Altar von dem Volke abgesperrt, anfänglich durch die Vorhänge, später durch eine
mit Bildern geschmückte Bretterwand (Ikonostase). Das Opfer des Altars erschien
im wesentlichen als Geheimnis des Schauers (tremendum mysterium). Das Moment
des »lieblich« Anziehenden im Geheimnis (fascinosum) war zwar da, aber nur wenig
spürbar. Das gläubige Bewußtsein sah sich einem unendlich Schauerlichen gegen-
über, der grauenvollen Tatsache, daß Gott sich selbst für den Menschen schlachtet.

13*
196 Die geschichtliche Erscheinung des Gottessohnes in einer Menschennatur § 147

Zum ersten Male trat nunmehr auch die Vorstellung von der »Schlachtung« des auf
dem Altar gegenwärtigen Gottessohnes — an welcher die katholische Theologie nach
dem Konzil von Trient anknüpft — auf. Diesem Schrecklichen gegenüber fand der
Gläubige keinen Rückhalt in der eigenen, greifbaren, anschaulichen Welt, im Be-
reich des Menschlichen, in einer heiligen Menschheit, die — von der Sünde unbe-
rührt — als Anwalt der Brüder vor Gott treten und die Welt mit ihm versöhnen
könnte. Der Glaube an den »Menschen Christus«, den Erstgeborenen unter den Brü-
dern, an den neuen Adam war Ja nicht mehr lebendig. So wurde der Christ vom
Gefühl grenzenloser Schuld beherrscht, ohne daß dieses Schuldgefühl durch die
Zuversicht zum »Menschen Jesus«, durch die Gewißheit, schon jetzt auf dieser Welt
durch den Anschluß an ihn, durch die Verbindung mit ihm in der Einheit des
mystischen Leibes geborgen zu sein, hinreichende Beruhigung hätte finden können.
Dieses Schuldgefühl hielt den Gläubigen vom Altar zurück. Es ist lehrreich, daß
gerade Chrysostomus wiederum der erste Bischof ist, der klagen muß: »Vergeblich
umstehen wir die Altäre. Niemand ist da, der teilnimmt« (Hom 17 in Hebr Nr. 4).
Aus diesem Schuldgefühl erwuchsen ferner jene »Apologien«, d.h. jene gehäuften
Selbstanklagen des Priesters und der Gläubigen bei der heiligen Messe, die wir
namentlich in den gallischen Gottesdienstordnungen finden ... Während nach dem
heiligen Paulus die Selbstanklage vor der eucharistischen Feier geschehen soll (es
prüfe der Mensch sich selbst und dann esse er von diesem Brote), wurde sie nun
in die Liturgie selbst hineingezogen und unterbrach (namentlich vom 9. bis 11. Jahr-
hundert) immer wieder die Gebete. Erst mit dem 11. Jahrhundert wurden diese alle
liturgischen Gebete überwuchernden »Apologien« langsam ausgeschieden. Unser
Schuldbekenntnis (Confiteor) zu Beginn der heiligen Messe ist nur ein spärlicher
Rest davon“ (K. Adam, Christus unser Bruder, Regensburg 1960°, 56f.; auch sonst
schließt sich dieser Abschnitt vielfach an Adams Buch an. Vgl. jedoch J. Tyciak,
Vom Geiste morgenländischer Kirche und Liturgie, in: Liturgisches Leben 1, 1934,
91—104).
Die einseitige und erst recht die ausschließliche Betonung des
Göttlichen in Christus vor dem Menschlichen führt auch zu einer Um-
wandlung des Verständnisses der Kirche und der Sakramente. Wenn
das Menschliche an Christus in der gläubigen Vorstellung zurücktritt,
dann tritt damit im Bewußtsein auch die Tatsache, daß Christus das
Haupt und die Gläubigen sein Leib und untereinander Glieder sind,
zurück. Die Kirche erscheint dann mehr als die von Christus in ferner
Vergangenheit gestiftete, vom Papst und den Bischöfen geleitete An-
stalt, in welcher der Mensch Hilfen für sein sittliches Leben und
damit für die Besorgung seines Heiles empfängt, weniger als die
Lebensgemeinschaft und Liebeseinheit, deren personales Gestaltgesetz,
deren Herz der Heilige Geist, deren Haupt der immer in ihr wirkende
Christus ist. Die Sakramente erscheinen dann vor allem oder aus-
schließlich als die Art und Weise, in welcher Gnadenhilfen zugeteilt
werden, weniger als die Weise, in welcher der Gläubige immer neu des
Lebens, des Leidens und des Sterbens des in der Kirche wirksamen
S 147 Wahre Menschheit Christi und christliche Frömmigkeit 197

Christus teilhaftig wird, auf daß sein Ich immer stärker vom Ich
Christi (Gal 2, 20) durchherrscht werde.
Am deutlichsten zeigt sich der Wandel in der eucharistischen
Frömmigkeit. Die Eucharistie wird in dieser Sicht weniger als Opfer-
feier verstanden, sondern mehr als Gegenwart Christi. Die Kommunion
wird weniger als Opfermahl gefeiert denn als die vollkommenste und
wirklichste Vereinigung mit Gott. Demgemäß ist die Kirche aus Stein
weniger die Stätte, an welcher der Altar steht, auf dem Christus, der
Hohepriester, als Haupt der Kirche sein einmaliges Opfer immer wie-
der gegenwärtig setzt und so den Seinen ein Mahl bereitet, das Herren-
mahl, sondern der Raum, in welchem Gott gegenwärtig ist. Der Opfer-
tisch wird überschattet vom Tabernakel, in welchem Christus, der Gott
der Liebe, gegenwärtig ist und angebetet wird. Der Tabernakel ist das
Schatten gewährende heilige Zelt (P. Claudel). Er ist der Himmel auf
Erden. (R. Grosche, Der Wandel der Christusfrömmigkeit, in: Akad.
Bonifatius-Korrespondenz 51, Paderborn 1936, 1, 77—86). Ausdrück-
lich sei hervorgehoben, daß in diesen Vorstellungen und Haltungen
kein Wesensbestandteil Christi geleugnet wird, soweit es sich nicht
um die monophysitische Übersteigerung handelt. Es werden nur die
Betonungen anders gelegt als in der urchristlichen Zeit. Wäre der
Glaube bloß eine Summe von Wahrheiten, die beliebig zusammen-
gezählt werden können, um die Gesamtheit der Glaubenswahrheiten
zu ergeben, so hätte eine solche Tonverschiebung keine weitere Be-
deutung. Diese ergibt sich daraus, daß der Glaube „ein Lebensgebilde
des Heiligen Geistes ist, das sich nach dem Gesetz des Lebendigen
ausgestaltet. Jede Wahrheit hat ihren bestimmten Ort und Sinn
innerhalb dieses Lebensgebildes“ (K. Adam, Christus unser Bruder,
Regensburg 19603, 47).
Wie der Wandel der Christusvorstellung zu Einseitigkeiten führen kann,
erläutert K. Adam an einem Beispiel (Christus unser Bruder, 60 f.): „Nur kurz sei
darauf hingewiesen, wie mit dem Zurücktreten des Glaubens an die heiligste Mensch-
heit Jesu gerade in diesen schismatischen Kirchen die Heiligenverehrung zunahm,
oder genauer: Wie sich der Heilige vom Mittlertum Christi sozusagen loslöste und
verselbständigte. Für die altchristliche Betrachtungsweise, wie sie in der römischen
Kirche stets herrschend geblieben ist, sind auch die Heiligen Glieder des Leibes
Christi, gewiß seine vornehmsten, wertvollsten Glieder, deren Fürsprache besonders
machtvoll ist, aber immerhin seine Glieder. Sie wirken nur durch ihn und bilden
zusammen mit den übrigen Gläubigen einen einzigen Kreis von Erlösten, eine ein-
zige, in Christus lebende Gemeinschaft. In ihrer Fürbittmacht unterschieden sie
sich darum nicht der Art nach von der übrigen fürbittenden Kirche, sie gehörten zu
ihr, wenn sie auch als ihre vornehmsten, heiligsten Glieder wirksamer bitten konnten
denn die übrigen Frommen... Mit der Schwächung des lebendigen Glaubens an die
198 Die geschichtliche Erscheinung des Gottessohnes in einer Menschennatur § 147

heiligste Menschheit Jesu und — damit zusammenhängend — mit der Erhebung des
Hohepriestertums Christi aus der Ebene des Menschlichen in die unendliche Er-
habenheit Gottes war für diese Betrachtung kein Raum mehr. Nun mußten sozu-
sagen die Heiligen den leer gewordenen Raum zwischen dem dreifaltigen Gott und
den Menschen ausfüllen. So traten sie an die Stelle Christi als Fürbitter der betenden
Gemeinde. Darum gehört gerade in der jüngeren Gestalt der byzantinischen Liturgie
die Anrufung der Heiligen, die Berufung auf ihre Fürsprache »in einer Weise zum
Schluß des feierlichen Gebetes wie in Rom die Wendung: Durch Christus, unsern
Herrn: (vgl. J. A. Jungmann, Die Stellung Christi im liturgischen Gebet, Regensburg
1935, 237). Darum der Überschwang der Heiligenverehrung in den morgenländischen
Kirchen.“

Die römische Liturgie ist von diesen Entstellungen und Verschie-


bungen frei geblieben.

Achtes Kapitel
Die Geschichtlichkeit Christi und die Glaubensbegegnung mit ihm

Die Geschichtlichkeit Christi beschwört noch eine Frage: Wenn


Christus in einem streng umschlossenen Raum und in einer genau
umgrenzten Zeit lebte, also in das Dort und Damals eingefangen ist,
wie ist dann für die Jahrhunderte und Jahrtausende nach ihm Ge-
borenen, hier und jetzt Lebenden, jene personale Begegnung möglich,
die der lebendige Glaube bedeutet, jene Lebensgemeinschaft, ohne
welche der Glaube zu einem bloßen, wenn auch vom Willen ge-
botenen Erkenntnisvorgang wird (vgl. Jo 6, 35)? Paulus verkündet die
Botschaft vom „Insein in Christus“, vom „Sein Christi in uns“. Der
geschichtliche Jesus lebt als erhöhter Herr in himmlischer Daseins-
form weiter. Er ist im Worte der Verkündigung und im sakramen-
talen Zeichen wirksam. Darin ist die Möglichkeit einer ständigen Be-
gegnung mit ihm gegeben. Man kann Wort und Sakrament als die von
Christus selbst gestifteten Vorgänge bezeichnen, in welchen Tod und
Auferstehung Christi wirksam, ja in einem gewissen Sinne „gegen-
wärtig“ werden. So wird durch Wort und Sakrament die Enge des
Geschichtlichen gesprengt. Ihr Hörer und Empfänger gerät unter die
Wirkmacht des Todes und der Auferstehung des Herrn. Das Leben des
Gläubigen ist daher Mitsein und Mitleben mit dem verklärten, durch
Kreuz und Tod zur Auferstehung und Himmelfahrt hindurchgeschrit-
tenen Christus. (Näheres siehe in der Gnadenlehre und in der Sakra-
mentenlehre sowie in der Lehre von der Kirche.)
Die außerchristlichen Erlösergestalten sind gerade dadurch we-
sentlich und unaufhebbar von Christus unterschieden, daß nach der
$ 148 Die irdische Herkunft Christi: Maria die jungfräul. Gottesgebärerin 199

Vorstellung ihrer Verehrer das Menschliche vom Göttlichen verschlun-


gen wird. Sie sind nicht der Weg zu Gott, sondern selbst Gott. So
werden in den Mythen Naturvorgänge und Naturdinge als Götter ver-
ehrt. So wurde Antinoos, der Liebling des Kaisers Hadrian, nach
seinem Tode sogleich als Osiris angebetet. In Wirklichkeit allerdings
sind die außerchristlichen Erlösergestalten nichts anderes als ver-
göttlichte Naturgestalten und Menschen. (Siehe für die ganze Frage
R. Grosche, Natur und Geschichte, in: Pilgernde Kirche, Paderborn
1938, 1—22; vgl. $ 143.)

8 148
Die irdische Herkunft Christi: Maria die jungfräuliche Gottesgebärerin

Erstes Kapitel

Der Glaube der Kirche

Der Sohn Gottes konnte sich auf mannigfache Weise mit einer
menschlichen Natur verbinden. Er tat es, indem er als Glied in der
Kette der menschlichen Geschlechter in die menschliche Geschichte
eintrat. Er nahm die menschliche Natur aus einer irdischen Frau an.
Es ist Glaubenssatz: Maria ist im wahren und eigentlichen Sinne
Christi Mutter. Sie ist daher im wahren und eigentlichen Sinne Gottes-
gebärerin. (Siehe Konzil von Ephesus vom Jahre 431 D. 113, von Chal-
zedon 451 D. 148, das zweite und dritte Konzil von Konstantinopel 553
und 680/1 D. 218 und 290; vgl. die Zusammenstellung der kirchlichen
Lehräußerungen bei NR. 326—334.)

Zweites Kapitel

Das Schriftzeugnis

I. Der urkirchliche Glaube

In der Schrift wird die Empfängnis und die Geburt Jesu, des
Gottessohnes, in knappen Sätzen geschildert: „Im sechsten Monate war
der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa mit Namen
Nazareth zu einer Jungfrau, die verlobt war mit einem Manne namens
Joseph, aus dem Hause Davids. Der Name der Jungfrau war Maria.
Der Engel trat bei ihr ein und sprach: ‚Sei gegrüßt, Begnadete! Der
Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen.‘ Bei diesen
200 Die irdische Herkunft Christi: Maria die jungfräul. Gottesgebärerin § 148

Worten erschrak sie und dachte nach, was dieser Gruß bedeute. Der
Engel sprach zu ihr: ‚Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei
Gott Gnade gefunden. Du wirst empfangen und einen Sohn gebären.
Dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und der
Sohn des Höchsten genannt werden. Gott der Herr wird ihm den
Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakobs
herrschen in Ewigkeit und seines Reiches wird kein Ende sein.‘ Maria
sprach zum Engel: ‚Wie wird das geschehen, da ich keinen Mann
erkenne?‘ Der Engel antwortete ihr: ‚Heiliger Geist wird über dich
kommen und Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten. Darum
wird auch das Heilige, das aus dir geboren wird, Sohn Gottes genannt
werden. Auch Elisabeth, deine Verwandte, hat in ihrem Alter noch
einen Sohn empfangen, und sie, die für unfruchtbar galt, zählt schon
den sechsten Monat. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.‘ Da
sprach Maria: ‚Siehe ich bin die Magd des Herrn: mir geschehe nach
deinem Worte.‘ Und der Engel schied von ihr“ (Lk 1, 26—38). So
ergab sich denn, „daß sie empfangen hatte vom Heiligen Geiste, noch
ehe sie zusammengekommen waren. Joseph aber, ihr Mann, der ein
rechtschaffener Mann war und der sie doch nicht an den Pranger
stellen wollte, gedachte, sie in der Stille aufzugeben. Während er sich
mit diesem Gedanken trug, erschien ihm im Traum ein Engel und
sprach: ‚Joseph, Sohn Davids, scheue dich nicht, Maria, deine Gattin,
zu dir zu nehmen: denn was in ihr erzeugt worden ist, stammt vom
Heiligen Geiste. Sie wird einen Sohn gebären: dem sollst du den
Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk erlösen von seinen Sün-
den" (Mt 1, 18—21). Als nun Joseph anläßlich der vom Kaiser ange-
ordneten Volkszählung mit Maria, seiner Angetrauten, nach Bethlehem
zog, erfüllten sich ihre Tage. „Sie gebar ihren erstgeborenen Sohn,
wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der
Herberge kein Platz für sie war“ (Lk 2, 1—7. Siehe S. 205).
So ist Maria die Mutter des Herrn der Menschen (Lk 1, 43). Es
war allen Zeitgenossen bekannt, daß Maria die Mutter Christi war
(Mk 6, 3). So lag es im ewigen Plane Gottes: sein Sohn sollte in der
Fülle der Zeit von einer irdischen Frau geboren werden (Gal 4, 4),
welcher dem Fleische nach aus Davids Geschlecht stammen sollte
(Röm 1, 1ff.).
S 148 Das Schriftzeugnis 201

II. Jesus und Maria

Von Jesus selbst wird freilich nirgends berichtet, daß er Maria


den Namen Mutter gab. Als sie ihn auf der Hochzeit zu Kana auf die
Verlegenheit der Hochzeitsleute aufmerksam machte, denen der Wein
ausgegangen war, sagte er zu ihr die herben und kühlen Worte:
„Frau, was habe ich mit dir zu tun? Meine Stunde ist noch nicht
gekommen“ (Jo 2, 4). Der Ausdruck „Frau“ trägt zwar nichts Ver-
ächtliches an sich. Aber es ist durch keine Deutung darüber hin-
wegzukommen, daß Christus den naheliegenden, von jedem Leser
erwarteten Mutternamen nicht ausspricht und daß seine Antwort der
entschiedene Ausdruck einer Ablehnung ist. Jesus wollte sagen, daß
für seine messianische Wirksamkeit nicht der Wille der Mutter, son-
dern ausschließlich der Wille des himmlischen Vaters bestimmend ist.
Wann seine Stunde kommt, kann seine Mutter nicht bestimmen. Sie
ist von Ewigkeit her vom Vater bestimmt. Die Bitte der Mutter konnte
sie nicht beschleunigen. Wenn Christus das Wunder doch wirkte, dann
tat er es nicht im Gehorsam gegenüber der mütterlichen Bitte, sondern
gegenüber der Verfügung des himmlischen Vaters (vgl. den folgenden
Paragraphen).
Eine andere Begegnung Christi mit seiner Mutter wird von den
Synoptikern erzählt (Mk 3, 31—35; Mt 12, 46—50; Lk 8, 19ff.).
Jesus befindet sich in einem Haus mit einem Hof. „Da kamen seine
Mutter und seine Brüder. Sie blieben draußen stehen und ließen ihn
rufen. Eine Menge Menschen saß um ihn herum. Da meldete man
ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und fragen
nach dir. Er erwiderte ihnen: Wer ist meine Mutter, und wer sind
meine Brüder? Dann blickte er auf jene, die im Kreise um ihn saßen
und sprach: Seht da meine Mutter und meine Brüder! Denn wer den
Willen Gottes tut, der ist mir Bruder, Schwester und Mutter.“ Auch
hier hören wir in Jesu Worten gegenüber seiner Mutter einen be-
fremdlichen Klang. Wie kann er fragen, wer Mutter und Brüder sind?
Nur wenn die Bindungen, in denen er steht, andere sind als die, in
denen man naturhaft steht. Mutter heißt ihm nicht die, die ihn gebar,
Brüder nicht die Kinder gleicher Eltern, sondern die um ihn sitzen,
die durch andere als die Bande des Blutes mit ihm verbunden sind,
die mit ihm geeint sind in der Erfüllung des göttlichen Willens. Es
wächst eine neue Gemeinschaft heran, die sich um seine Person bildet.
Sie ist durch die um ihn Sitzenden vorgebildet. Wer zu ihr gehört, ist
ihm Bruder und Schwester. Christus will hier seinen an das Fleisch-
202 Die irdische Herkunft Christi: Maria die jungfräul. Gottesgebärerin § 148

liche verhafteten Zuhörern, die immer geneigt sind, auf ihre Ab-
stammung von Abraham zu pochen und die deshalb nicht zum
Glauben kommen werden, den Sinn für eine höhere, von Gott her
begründete, im Heiligen Geiste bestehende Gemeinschaft erschließen.
Wenn Jesus in seiner Todesstunde, in der er seine Mutter dem
Lieblingsjünger anvertraute, wiederum das vertraute Wort Mutter
vermeidet, um das kühlere „Frau“ zu gebrauchen, so geschieht es
noch einmal, um zu bekunden, daß der, der hier stirbt, der Menschen-
sohn, der vom Vater in diese Stunde der Qual und des Todes gesandte
Welterlöser ist (Jo 19, 27).
Wie tief Christus trotz solcher Worte, bei denen es jedesmal ist,
wie wenn sich eine Kluft auftäte zwischen ihm und seiner Mutter,
mit ihr verbunden bleibt und wie sehr er in ihrer mütterlichen Nähe
verweilt, zeigt ein von Lukas (11, 27f.) berichtetes Wort. Christus
steht unter der Menge. Plötzlich rief eine Frau: „Selig der Leib, der
dich getragen, und die Brust, die dich genährt hat.“ Da bestätigte er
diesen Preis auf seine Mutter und gab zugleich den tiefsten Grund für
die Herrlichkeit und Größe seiner Mutter an: „Jawohl, selig sind, die
das Wort Gottes hören und es beobachten“ (R. Guardini, Der Herr,
Würzburg 1959'!, 12).
Wenn in der Schrift auch nirgends der Ausdruck „Mutter Gottes“
gebraucht ist, so ist doch seine Wahrheit durch die Schrift grund-
gelegt und der mit dem Terminus gemeinte Inhalt bezeugt. Das Ich
jener menschlichen Natur, welche von Maria als ihrem mütterlichen
Grunde stammt, ist der göttliche Logos, der Sohn Gottes (vgl. die
Lehre von der Idiomenkommunikation $ 146). Der Ausdruck stammt
aus der Theologenschule in Alexandrien, vielleicht von Origenes.
Auf jeden Fall hat dieser Maria Gottgebärerin genannt. Ganz geläufig
ist die Bezeichnung dem heiligen Athanasius.

Drittes Kapitel

Marias Jungfräulichkeit

I. Der Glaube der Kirche

Durch seine Abstammung von einer irdischen Mutter steht Chri-


stus in der Kette der menschlichen Geschlechterfolge. Er ist jedoch
nicht völlig in sie hineingespannt, sondern ist zugleich über sie er-
haben, da er keinen irdischen Vater hat. Die Empfängnis und Geburt
S 148 Marias Jungfräulichkeit 203

Christi war jungfräulich. Maria blieb vor und in der Geburt Jungfrau.
Sie blieb es auch nach der Geburt. Jede dieser Thesen ist kirchliches
Dogma. Bei dem Werden der menschlichen Natur Christi war kein
männliches Tun beteiligt. Was sonst durch dieses geleistet wird,
wirkte die schöpferische Allmacht Gottes. In der Kraft des Heiligen
Geistes trug Maria zum Werden ihres Kindes bei, was jede Mutter
zum Werden ihres Kindes beiträgt. Der „Heilige Geist“, von dem die
Schrift beim Berichte von der Jungfrauengeburt spricht, ist wohl als
die Kraft Gottes, des Allerhöchsten, zu verstehen. Die Schrift bezeugt
nicht ausdrücklich, daß die dritte göttliche Person die Empfängnis
bewirkt. Dennoch schreiben wir die Menschwerdung, ein Liebeswerk
des dreipersönlichen Gottes, der dritten göttlichen Person zu (Appro-
priation: siehe § 51), weil sie die Offenbarung und Betätigung der
innergöttlichen Liebe von Vater und Sohn ist. Die göttliche Liebe
gestaltet die menschliche Natur Christi.
Die Jungfräulichkeit Marias ist ein tiefes Geheimnis. Sie umfaßt
die Unversehrtheit des Leibes, deren Wesen zu ergründen uns nicht
zusteht, die Freiheit von Sünden gegen die Keuschheit und von
Regungen der ungeordneten, d.h. der der Vernunft vorangehenden
und sie überwältigenden Begierlichkeit. Der Glaubenssatz von der
immerwährenden Jungfräulichkeit Marias zielt zunächst auf die leib-
liche Unversehrtheit, die Grundlage und Ausdruck der seelischen ist.
Maria hat ohne männliches Prinzip durch die Kraft des Heiligen
Geistes empfangen, ohne Verletzung der leiblichen Unversehrtheit
geboren; sie blieb auch nach der Geburt Christi jeder geschlechtlichen
Verbindung mit einem Manne ferne und hat daher keine weiteren
Kinder gehabt (vgl. Bd. V: Mariologie).
Im Apostolischen Glaubensbekenntnis bekennt der Gläubige von
Christus: empfangen vom Heiligen Geist, geboren aus Maria der Jung-
frau (siehe auch das Laterankonzil vom Jahre 649 D. 255f., sowie die
elfte Synode von Toledo vom Jahre 675 D. 282, die Zurückweisung
der Irrtümer der Sozinianer durch Paul IV. im Jahre 1555. D. 993,
sowie durch Clemens VIII. im Jahre 1603 und die allgemeine kirch-
liche Lehrverkündigung).

II. Die Schrift

In der Schrift werden die jungfräuliche Empfängnis und Geburt


Christi Lk 1, 26—38 und Mt 1, 18—25 bezeugt. Die Lk-Stelle wurde
S. 200 mitgeteilt. Die Mt-Stelle lautet: „Mit der Geburt Jesu Christi
204 Die irdische Herkunft Christi: Maria die jungfräul. Gottesgebärerin $ 148

aber verhält es sich so: Da seine Mutter Maria Joseph verlobt war,
fand es sich, daß sie, ehe sie zusammenkamen, schwanger war vom
Heiligen Geist. Joseph aber, ihr Gatte, der ein rechtschaffener Mann
war, und der sie doch nicht an den Pranger stellen wollte, gedachte
sie in der Stille aufzugeben. Wie er aber damit umging, siehe, da er-
schien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: » Joseph, Sohn
Davids, scheue dich nicht, Maria, dein Weib, zu dir zu nehmen; denn
was in ihr erzeugt worden ist, stammt vom Heiligen Geiste. Sie wird
aber einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben;
denn er wird sein Volk erretten von seinen Sünden. Dies alles aber ist
geschehen, damit in Erfüllung gehe, was der Herr durch das Wort des
Propheten gesprochen hat (Is 7, 14): Siehe, die Jungfrau wird schwan-
ger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen
Emmanuel geben, was in der Übersetzung heißt: Gott mit uns: Als
aber Joseph vom Schlafe erwachte, tat er, wie ihn der Engel des
Herrn angewiesen hatte, und nahm seine Frau zu sich und erkannte
sie nicht, bis sie einen Sohn geboren hatte, und gab demselben den
Namen Jesus.“
Beide Stellen bezeugen, daß Joseph nicht der wirkliche Vater
Jesu war, und daß Jesus von Maria in der Kraft des Heiligen Geistes
empfangen wurde. Mt verweist auf die Verheißung der Jungfrauen-
geburt bei Is 7, 14. An dieser Stelle wird die Mutter des Emmanuel
mit dem hebräischen Wort alma charakterisiert. Dieses Wort bedeutet
das heiratsfähige, aber noch unberührte, unverheiratete Mädchen
(„Maid“); niemals bezeichnet es eine verheiratete Frau. Nur wenn
alma Jungfrau bedeutet, ist verständlich, daß die vorherverkündete
Geburt ein Zeichen sein soll. Ein solches aber will Gott nach dem
Propheten geben (vgl. die Kommentare von J. Fischer, Bonn 1939,
F. Feldmann, Münster 1925 und J. Ziegler, Würzburg 1958?).
Die Stellen von der jungfräulichen Empfängnis sind ursprünglicher Bestand-
teil der beiden Evangelien. Sowohl textkritische Erwägungen als auch der Zusammen-
hang verbieten, sie als nachträgliche Zusätze zu erklären. Sie sind nämlich aufs
beste bezeugt, und der Hinweis des Engels auf die wunderbare Empfängnis Elisa-
beths, die für Maria ein Zeichen sein soll, ist nur sinnvoll, wenn auch ihre Emp-
fängnis wunderbarer Art ist. Wenn auch die Empfängnis Marias ganz anders sein
soll als jene Elisabeths, so soll doch beiden etwas Ungewöhnliches gemeinsam sein.
Die Botschaft von dem ungewöhnlichen Charakter der Empfängnis Marias, die eben
jJungfräulicher Art ist, gehört daher in den Zusammenhang. Aus der Tatsache, daß
die jungfräuliche Empfängnis Jesu nur von Mt und Lk, nicht aber von den anderen
Evangelisten und auch nicht von Paulus berichtet wird, kann man nicht schließen,
daß sie einen Fremdkörper im neutestamentlichen Schrifttum bildet. Da die wich-
tigsten Inhalte des neutestamentlichen Christuszeugnisses — Gottessohnschaft, Mes-
S 148 Marias Jungfräulichkeit 205

siaswürde, Heilstod — nicht unlöslich an die Jungfrauengeburt gebunden und erst


recht nicht von ihr abhängig sind, darf es nicht wundernehmen, wenn nicht alle
neutestamentlichen Christuszeugen von ihr sprechen.
Die jungfräuliche Empfängnis des Messias war zwar durch die wunderbare
Geburt Isaaks, Josephs, Simsons, Samuels, Johannes’ des Täufers und anderer vor-
bereitet und steht so im großen heilsgeschichtlichen Zusammenhang, ist aber den-
noch einzigartig und einmalig. Mt und Lk berichten sie jedoch nicht um ihrer selbst
willen. Sie wollen an ihr vielmehr zeigen, daß das von Gott verheißene messianische
Zeichen (Is 7, 14) jetzt eingetreten ist.
Auch die Tatsache, daß Jesus bei den Leuten, namentlich bei den Bewohnern
von Nazareth, als der leibliche Sohn Josephs galt (Mt 13, 55; Lk 3, 23; 4, 22; Jo 1,
45; 6, 42), steht zur Jungfrauengeburt nicht in Widerspruch. Gerade Mt und Lk
überliefern diese Volksmeinung und verraten damit, daß sie in ihr keinen Einwand
gegen die von ihnen berichtete Jungfrauengeburt sehen. Sie ist eben ein (selbstver-
ständlicher) Irrtum. Auch die Stammbäume Jesu (Mt 1, 1—17; Lk 3, 23—38), die
beide Stammbäume Josephs sind und nach der liberalen Schrifterklärung nur dann
einen Sinn haben, wenn in Jesus von Joseph her das Blut der in ihnen aufgezählten
Ahnen floß, verlangen nicht, daß Joseph der wirkliche Vater Jesu war. Sowohl Lk
als auch Mt, also gerade die Berichterstatter der Stammbäume, erklären bei der
Anführung des Stammbaumes, daß Joseph nur der vermeintliche Vater Jesu ist.
Daraus folgt, daß für sie, die Berichterstatter, der Stammbaum auch dann seine
Bedeutung behielt, wenn Joseph nur der gesetzliche Vater Jesu war. Diese lag
darin, daß nach jüdischem Rechte die Ahnen Josephs auch die Ahnen Jesu sind,
wenn Joseph sein gesetzlicher Vater ist. Darauf aber kam es an. Denn nach den
alten Verheißungen sollte der Messias ein Sproß aus dem Geschlechte Davids und
der Erbe seines Vaters David sein (vgl. Lk 1, 32). Durch Joseph und durch ihn allein
(nicht durch seine Mutter, sondern durch deren Ehe mit Joseph) empfing Jesus die-
sen Erbanspruch, so daß die alttestamentlichen Messiashoffnungen, die sich auf
einen Davidssprossen richteten, sich ihm zuwenden konnten (siehe J. Schmid, Kom-
mentar zum Matthäusevangelium, Regensburg 19594, 53 ff., sowie: derselbe, Kom-
mentar zum Lukasevangelium, Regensburg 19604, 44 ff.; 66ff., 84 ff., 94ff.).
Diese Überlegungen zeigen, daß die Ablehnung der Jungfrauengeburt durch
die liberale Exegese nicht in bibelwissenschaftlichen Erwägungen, sondern in philo-
sophischen bzw. weltanschaulichen Überzeugungen begründet ist, die ein wunder-
bares Eingreifen Gottes nicht zulassen. In der Regel gehen die Leugnung der Gottes-
sohnschaft Christi und jene der Jungfrauengeburt Hand in Hand.
Wie die Ablehnung der Jungfrauengeburt nicht durch exegetische Gründe ver-
anlaßt ist, so sind umgekehrt die Versuche der liberalen Bibelwissenschaft, den
Glauben an die Jungfrauengeburt aus außerbiblischen Quellen herzuleiten, mißlungen.
Nach einer Ansicht ist der Glaube auf palästinensischem Boden im Kreise der
Judenchristen unter dem Einfluß von Is 7, 14 entstanden. Diese Erklärung scheitert
an folgendem: Is 7, 14 wurde in der vorchristlichen Zeit nie von einer Jungfrauen-
geburt verstanden. Ja, ein solcher Gedanke lag dem Judentum völlig ferne. In der
Tat beweist denn auch Mt nicht aus Is 7, 14 die Jungfrauengeburt, sondern aus der
Tatsache der Jungfrauengeburt zeigt er die Erfüllung von Is 7, 14. Erst aus der
Tatsache der jungfräulichen Empfängnis Jesu wurde der wahre Sinn von Is 7, 14
erkannt. Wie neu und unerhört für die Juden ein solches Verständnis der Isaiasstelle
206 Die irdische Herkunft Christi: Maria die jungfräul. Gottesgebärerin $ 148

war, wie wenig daher der Gedanke der Jungfrauengeburt aus dem Judentum her-
vorwachsen konnte, zeigt sich darin, daß der christliche Glaube von der Jungfrauen-
geburt von den Juden jahrhundertelang aufs heftigste und erbittertste bekämpft
wurde (vgl. St. Lösch, Deitas Jesu und antike Apotheose, Paderborn 1933, 81 ff.,
siehe auch B. Bartmann, Judentum und Christentum, Paderborn 1939).
Andere Vertreter der liberalen Kritik versuchen die neutestamentliche Lehre
von der Jungfrauengeburt aus heidnischen Vorstellungen, aus der babylonischen,
ägyptischen, persischen oder griechischen Mythologie (vgl. besonders das Götter-
kind der 4. Ekloge Vergils) abzuleiten („religionsgeschichtliche“ Erklärung). Die
Religionsgeschichte hat in der Tat eine große Zahl von Sagen festgestellt, in denen
von einer „heiligen Hochzeit“, von der Verbindung eines Gottes mit einer mensch-
lichen Frau die Rede ist. So gibt es z.B. von Zeus viele derartige Erzählungen. Viel-
fach werden bedeutende Männer, z.B. Plato, Alexander, Augustus, als Söhne einer
irdischen Mutter und eines himmlischen Vaters bezeichnet („Gottessöhne“, „gött-
liche Männer“).
Die liberale Bibelwissenschaft meint nun, die hellenistisch gebildeten,
aus dem Heidentum kommenden Christen hätten in ähnlicher Weise für Christus
eine göttliche Abkunft angenommen.
Diese Ansicht ist indes unhaltbar. Die Unterschiede zwischen dem heidnischen
Mythus und dem christlichen Glauben sind grundlegend. Der erste Gegensatz besteht
darin, daß niemand im Ernste an die heidnischen Mythen glaubte, während die jung-
fräuliche Geburt Christi den Christen als geschichtliches Ereignis feststand. Die
heidnischen Mythen von der göttlichen Abstammung der Kaiser waren der Ausdruck
des Servilismus der östlichen Provinzen und der Schmeichelei der höfischen Rhetoren.
Hätten die Christen die Jungfrauengeburt Christi aus dem Heidentum entlehnt,
dann wäre es völlig unverständlich, wie sie dazu kamen, bei Christus für Ge-
schichte zu halten, was sie bei den heidnischen Göttersöhnen mitsamt den Heiden
selbst für Sage hielten.
Der zweite unüberbrückbare Gegensatz betrifft die Gottesvorstellung. Im heid-
nischen Mythus ist die Verbindung des Gottes mit einer irdischen Frau immer eine
geschlechtliche, gleichgültig, ob sich die Gottheit dem Weibe als Mensch oder als
Goldregen, als Wind oder in anderer Gestalt nähert. Dieser Zug fehlt bei der
biblischen Bezeugung der Empfängnis und Geburt Christi völlig. Nach der Lehre
der Schrift ist Gott über jede Geschlechtlichkeit gänzlich erhaben. Er ist reiner Geist
(vgl. Bd. I §§ 65 und 68). Das Schriftwort, daß der Heilige Geist Maria „überschat-
tet“ hat, kann nicht als Umschreibung der geschlechtlichen Vereinigung verstanden
werden. Es bedeutet vielmehr, daß sich die Kraft des jenseits alles Geschlechtlichen
stehenden Gottes auf Maria niedergelassen hat, daß also die schöpferische Kraft
Gottes die Empfängnis gewirkt hat.
Auch die mythologischen Göttermütter unterscheiden sich von der neutestament-
lichen Gottesmutter wesentlich. Die ersteren leben in schwüler Sinnlichkeit. Sie wer-
den denn auch nicht als Jungfrauen bezeichnet. Wenn Ischtar oder Aphrodite ge-
legentlich so genannt werden, dann geschieht es deshalb, weil sie nicht die Gemah-
linnen eines Gottes sind, sondern allen Göttern zu „heiliger Hochzeit“ zur
Verfügung stehen. Maria hingegen steht in unberührter, leuchtender Reinheit da.
Der biblische Bericht kann also nicht von den heidnischen Mythen abgeleitet werden.
Man darf jedoch in den heidnischen Sagen eine Ahnung, einen Traum von der
Wirklichkeit sehen. Auch die Wirklichkeit der jungfräulichen Empfängnis wird nur
§ 148 Marias Jungfräulichkeit 207

der zu glauben imstande sein, der ein Eingreifen des personhaften Gottes in die Ge-
schichte für möglich hält. Das Ja oder das Nein zur Jungfrauengeburt steht und
fällt mit dem Ja oder Nein zum personhaften, geschichtsmächtigen Gott (siehe für
diese Darstellung J. Schmid, Das Evangelium nach Lukas, Regensburg 19553, Exkurs:
Die jungfräuliche Geburt Jesu, 37—42. K. Prümm, Der christliche Glaube und die alt-
heidnische Welt, Freiburg i.B. 1935. B. Bartmann, Dogma und Religionsgeschichte,
Paderborn 1922. J. Schmid, Art. Braut, in: Reallex. f. Antike und Christentum, Stutt-
gart 1954, II, 528—564. A. Anwander, Wörterbuch der Religion, Würzburg 1962?,
274 ff.).

II. Die Väter

In der Väterzeit wird die jungfräuliche Mutterschaft Mariens im


Zusammenhang mit dem Glauben an Christus oft bezeugt.
Justin sagt in seinem „Gespräch mit Tryphon“: „Christus ist der Sohn Got-
tes..., der aus der Jungfrau Mensch geworden ist, auf daß auf demselben Wege der
Ungehorsam ein Ende nehme, auf dem er von der Schlange her seinen Anfang ge-
nommen. Denn Eva nahm als unversehrte Jungfrau das Wort von der Schlange
auf und gebar Ungehorsam und Tod. Glauben und Gnade empfing Maria, die Jung-
frau; denn als ihr der Engel die Frohbotschaft brachte, der Geist des Herrn werde
über sie kommen und die Kraft des Höchsten werde sie überschatten, weswegen
auch das Heilige, das aus ihr geboren wurde, Sohn Gottes ist, da antwortete sie
ihm: Mir geschehe nach deinem Worte... So ward von ihr der geboren, durch den
Gott die Schlange und die Engel und Menschen, die ihr ähnlich sind, vernichtet,
denen aber, die sich vom Bösen bekehren und an ihn glauben, Rettung vom Tod ge-
währt“ (100. Abschnitt: L. v. Rudloff, Das Zeugnis der Väter, Regensburg 1937, 165 f.;
BKV 163f.). Irenäus führt aus: „Wie durch den Ungehorsam einer Jungfrau der
Mensch zu Fall gebracht wurde, stürzte und starb, so empfing der Mensch durch eine
Jungfrau, die Gottes Worten gehorchte, wieder ... das Leben. Denn der Herr ist ge-
kommen, das verlorene Schaf wieder zu suchen, und verloren war der Mensch. Des-
halb wurde der Herr auch nicht ein ganz neues Geschöpf; er bewahrte vielmehr den
geschöpflichen Zusammenhalt mit eben jener, die von Adams Geschlecht war. Denn
es war notwendig und billig, daß, da Adam in Christus wieder erstehen sollte, das
Sterbliche vom Unsterblichen verschlungen und in ihm aufgenommen werde und
ebenso Eva in Maria, so daß die Jungfrau die Fürsprecherin der Jungfrau werde
und den jungfräulichen Ungehorsam durch den jungfräulichen Gehorsam entgifte und
aufhebt“ (Erweis der apostolischen Verkündigung. Erster Hauptteil, dritter Abschnitt,
Nr. 33: L. v. Rudloff, a.a. O., 166 f.; BKV II 606). Cyrill von Alexandrien
(Brief 1 an die Mönche) schreibt: „Ich habe mich gewundert, daß einige zweifeln,
ob die heilige Jungfrau Gottesgebärerin genannt werden soll oder nicht. Denn wenn
unser Herr Jesus Christus Gott ist, wie sollte dann die heilige Jungfrau, die ihn
geboren hat, nicht Gottesgebärerin sein? ... Vielleicht sagst du aber dies: Ist denn
die Jungfrau Mutter der Gottheit geworden? Darauf antworten wir: Ohne allen
Zweifel ist das lebendige und persönliche Wort aus der Wesenheit Gottes, des
Vaters, selbst gezeugt. Es hat Dasein ohne zeitlichen Anfang. Es ist immer zugleich
mit dem Erzeuger. Es ist in ihm und mit ihm als sein Gedanke. In den letzten
Zeiten aber, da es Fleisch geworden ist, d.h. sich einem von einer vernünftigen
208 Die irdische Herkunft Christi: Maria die jungfräul. Gottesgebärerin § 148

Seele belebten Leibe geeint hat, ist es auch vom Weibe dem Fleische nach ge-
boren worden.“ Hieronymus (Gegen Helvidius, 19) sagt: „Wir glauben, daß Gott
aus der Jungfrau geboren wurde, denn so haben wir gelesen; daß Maria nach der
Geburt geheiratet hat, glauben wir nicht, denn so haben wir nicht gelesen. Dies
sagen wir aber nicht, um die Ehe herabzusetzen; ist doch die Jungfräulichkeit
selbst der Ehe Frucht“ (L. v. Rudloff, a.a. O., 162f.). Augustinus (Predigt 186,
1. Abschn.) erklärt: „Freuen wir uns, Brüder! Jubeln und frohlocken sollen die Völker.
Diesen (Weihnachts-)Tag hat uns nicht diese sichtbare Sonne geheiligt, sondern ihr
unsichtbarer Schöpfer: denn ihn, der für uns sichtbar geworden ist, hat die Jungfrau-
Mutter, die durch ihn, den Unsichtbaren, erschaffen wurde, in unversehrt reiner
Fruchtbarkeit geboren. Als Jungfrau hat sie empfangen, als Jungfrau hat sie ge-
boren, als Jungfrau den Sohn im Schoße getragen... Jungfrau für alle Zeit. Was
wunderst du dich darüber, o Mensch? Gott mußte so geboren werden, als er Mensch
zu werden sich gewürdigt hat. So ist sie geworden durch ihn, der aus ihr Mensch
geworden ist... Er bildete sich die Mutter, da er beim Vater war, und als er aus der
Mutter gebildet wurde, blieb er im Vater. Wie hätte der aufgehört, Gott zu sein, als
er Mensch wurde, der seiner Mutter verliehen hat, nicht aufzuhören, Jungfrau zu sein,
da sie gebar?“ (L. v. Rudloff, a. a. O., 163). In dem Werk „Über die Jungfräulichkeit“
(4.—6. Kap.) sagt er: „Die Jungfräulichkeit (Marias) war deswegen um so liebens-
werter, und wohlgefälliger, weil Christus sie nicht etwa bei seiner Empfängnis dem
Manne entriß, der ihr die Jungfräulichkeit nehmen sollte: er hat vielmehr die er-
wählt, aus ihr geboren zu werden, die schon Gott geweiht war, bevor sie ihn
empfing. Das beweisen die Worte, die Maria dem Engel bei der Verkündigung ent-
gegnet. »Wie kann dies geschehen«, spricht sie, »da ich keinen Mann erkenne?« Das
würde sie bestimmt nicht sagen, wenn sie sich nicht vorher Gott als Jungfrau geweiht
hätte. Aber weil das noch ganz gegen die Sitte der Israeliten war, wurde sie einem
gerechten Manne verlobt..., der das behüten sollte, was sie schon gelobt hatte...
Den heiligen Jungfrauen zum Vorbild ... gelobte sie Gott die Jungfräulichkeit, als
sie noch nicht wußte, wen sie empfangen sollte. So sollte das Nachbild himmlischen
Lebens im irdischen und sterblichen Leibe durch freie Hingabe verwirklicht werden,
nicht auf einen Befehl hin... Christus wollte also, daß auch in jener Frau, aus der
er die Knechtsgestalt annahm, die Jungfrauschaft freiwillig wäre. Die Geburt der
einen Jungfrau sollte der Stolz aller Jungfrauen sein. Auch sie sind mit Maria
Mütter Christi, wenn sie den Willen seines Vaters tun, ... gemäß dem Satze: ‚Wer
den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, der ist mir Bruder, Schwester und
Mutter‘ (Mt 12, 50). Jene einzige Frau ist nicht nur dem Geiste nach, sondern auch
dem Leibe nach Mutter und Jungfrau. Dem Geiste nach ist sie nicht Mutter unseres
Hauptes, d. h. des Erlösers; vielmehr ist sie von ihm dem Geiste nach geboren;
denn alle, die an ihn glauben — und dazu gehört auch sie — werden mit Recht
Kinder des Bräutigams genannt (Mt 9, 15). Aber wohl ist sie (dem Geiste nach)
Mutter seiner Glieder, d.h. unsere Mutter; denn sie hat mit ihrer Liebe mitgewirkt,
daß die Gläubigen in der Kirche geboren würden, die jenes Hauptes Glieder sind.
Dem Leibe nach ist sie die Mutter des Hauptes selbst. Es mußte nämlich unser
Haupt dem Fleische nach aus einer Jungfrau geboren werden, um so darauf hin-
zudeuten, daß seine Glieder dem Geiste nach von der Jungfrau, der Kirche, geboren
würden, Maria also allein ist dem Geiste und dem Leibe nach Mutter und Jungfrau,
Mutter Christi und Jungfrau Christi; die Kirche aber ist in den Heiligen, die das
§ 148 Marias Jungfräulichkeit 209

Reich Christi besitzen werden, dem Geiste nach ganz Mutter Christi, ganz Jungfrau
Christi, dem Leibe nach aber...nur in einigen Jungfrau Christi“ (L. v. Rudloff,
a.a. O., 164 f.).

IV. Das Wesen der leiblichen Unversehrtheit

Das Wesen der leiblichen Unversehrtheit zu kennen, welche von


der Offenbarung gemeint ist, ist uns, wie schon betont wurde, nicht
gegeben. Weil sie eine Gegebenheit der Offenbarung ist, nimmt sie
teil am Geheimnis, das die ganze Offenbarung darstellt. In diesem
Geheimnis leuchtet Gottes Macht in neuem Glanze auf. Die Väter ver-
gleichen die jungfräuliche Geburt Christi mit dem Durchgang des
Sonnenstrahls durch das Glas, mit dem Hervorgang Christi aus dem
versiegelten Grabe, mit seinem Eintritt durch verschlossene Türen,
mit der Entstehung eines Gedankens im Geiste. Diese Vergleiche
können indes bloß die Richtung angeben, in welche wir blicken müs-
sen, um auf das Geheimnis der jungfräulichen Geburt hinzusehen.
Würde man in ihnen mehr als ferne Andeutungen sehen, dann würden
sie zu einer Gefährdung der Wirklichkeit des Leibes und der Geburt
Christi führen. Es ist jedoch zu betonen, daß die Jungfräulichkeit in
der Geburt etwas Neues gegenüber der Jungfräulichkeit in der Emp-
fängnis bedeutet und nicht mit dieser einfach identisch ist.

V. Der Grund der Jungfräulichkeit


Vom Geheimnis umwoben ist auch der Grund, warum der Sohn
Gottes auf. jungfräuliche Weise die menschliche Natur annahm. Gott
hat ihn uns nicht mitgeteilt. Wir können daher nur sachte versuchen,
ihn zu erahnen. Auf keinen Fall war die jungfräuliche Empfängnis
und Geburt deshalb notwendig, weil die auf dem gewöhnlichen
menschlich-geschlechtlichen Wege erfolgende der Würde des Gottes-
sohnes oder weil ein menschlicher Vater der Ehre des himmlischen
Vaters Eintrag getan hätte. Solche Vorstellungen konnten nur auf
gnostischem Boden wachsen, dort, wo die Ehe als Übel und Be-
fleckung erklärt wird. In Wirklichkeit ist die Ehe jedoch Gottes
Einrichtung. Ja, sie wird von Christus sogar in den Vollzug des
Heilsmysteriums hineingenommen. In dem Ehesakrament wird das
Heilsmysterium gegenwärtig gesetzt. Die Ehe ist Offenbarung der
Herrlichkeit Gottes. Die Meinung insbesondere, daß ein irdischer Vater
eine Beeinträchtigung des himmlischen Vaters wäre, gewinnt über-
zeugende Kraft nur im Felde der heidnischen Mythologien und Götter-

14 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


210 Die irdische Herkunft Christi: Maria die jungfräul. Gottesgebärerin $ 148

lehren, die von Vater- und Muttergottheiten erzählen. Da wohnt der


Gott einer irdischen Frau bei wie sonst ein Mann. Der Leib Christi
hingegen wird von Gott in freier herrscherlicher Allmacht gewirkt.
Der himmlische Vater steht jenseits aller geschlechtlichen Vorstellun-
gen. Wenn wir ihn Vater nennen, so geschieht es deshalb, weil sich
uns in der Erfahrung kein anderes Wort anbietet, um seine schöpfe-
rische Liebe zu benennen. Wir könnten ihn wegen der hegenden und
hütenden Sorge, die er um seine Geschöpfe trägt, auch Mutter nennen.
Wie wenig ihm irdische Vaterschaft abträglich ist, drückt sich darin
aus, daß alle irdische Vaterschaft gewirkt und aufgehoben ist in der
seinigen, so wie alle irdische Mutterschaft gewirkt und getragen ist
von seiner Mütterlichkeit.
Es wäre also keine Beeinträchtigung Gottes, wenn der Logos,
insofern er in der Gottnatur existiert, Gott zum Vater hat, insofern er
in der menschlichen Natur existiert, einen irdischen Vater hätte. Tat-
sächlich hat Gott diesen Weg für die Menschwerdung nicht gewählt.
Wir können hierfür folgende Gründe vermuten:
a) Die jungfräuliche Empfängnis war ein Hinweis auf die aus-
schließliche Gnadenhaftigkeit der Erlösung. Der Mensch kann hier
nicht selbst die Initiative ergreifen. Er kann nichts tun als warten
auf Gottes Huld und Erbarmen. Die Erlösung ist nicht männlichem
Unternehmungsgeist und Tatwillen zu verdanken (Jo 1, 12f.). Was
sich vom Menschen her Gott entgegenhebt, ist ein bereites Herz, sind
geöffnete Arme, welche das göttliche Leben entgegennehmen.
b) Die jungfräuliche Empfängnis war ferner Zeichen der Einzig-
artigkeit des so Empfangenen und Geborenen, insofern er ganz Gott
angehört und der verheißene Messias ist. Er geht nicht auf in der
menschlichen Geschichte, sondern ist die Erfüllung der von Gott mit
den Menschen gewirkten Geschichte. In ihm sind übermenschliche
Kräfte und Mächte, die nicht aus dem Strome der Geschlechter empor-
steigen, sondern vom Himmel kommen (siehe Lk 1, 32. 35; 4, 34; 7,16;
Mk 1, 24).
c) In der Jungfräulichkeit der Gottesmutter wird ferner der End-
zustand vorweggenommen, dem jeder Mensch entgegengeht, der mit
dem Worte verdeutlicht wird, daß sie da nicht mehr heiraten und
nicht mehr geheiratet werden, sondern sind wie die Engel des Him-
mels (Mk 12, 25). Dieser Endzustand wird eintreten, wenn die Ord-
nung der Pilgerschaft zu Ende ist und eine neue Seinsweise beginnt.
Mahnmale an diese in der Zukunft liegende Seinsweise sind die jung-
fräulich lebenden Menschen. Da mit Christus der Keim zu dieser
§ 148 Marias Jungfräulichkeit 211

neuen, am Ende der Tage mit dem Abbruch der jetzigen Welt auf-
scheinenden Daseinsform in die Welt eingesenkt ist, war es sinn-
gemäß, daß seine Mutter diese zukünftige Lebensform vor-bildet.
d) Man kann auch darauf hinweisen, daß sich in ihrem jung-
fräulichen Leben die ungeteilte und vorbehaltlose Hingabe des Men-
schen an Gott verleiblicht und darstellt. Nicht als ob es in der Ehe
eine vorbehaltlose Überantwortung an Gott nicht gäbe. Aber der jung-
fräuliche Mensch macht sich nur um Gott und sein Königtum Sorge
(1 Kor 7, 32 ff.) und ist eine deutlich sichtbare Mahnung zur vollen
Hingabe an Gott. Er ist durch sein Dasein ein Aufruf zu ihr und er-
innert die menschliche Vergeßlichkeit und Schwachheit an ihre ewige
Verantwortung. Es scheint passend zu sein, daß Maria als solches
Erinnerungszeichen am Anfang jener Weltzeit steht, in welcher die
Menschen in höherem Maße als früher berufen sind, sich Gott zu
überlassen, weil er selbst sich in höherem Maße als in früheren Jahr-
hunderten und Jahrtausenden ihnen anheimgibt (siehe Lk 1, 38; Mt
1, 25; vgl. Offb 14, 4).

VI. Die Jungfräulichkeit nach der Geburt

A. Die Schrift
Daß die allerseligste Jungfrau auch nach der Geburt jungfräulich
geblieben ist, wird in der Hl. Schrift angedeutet durch die Tatsache,
daß Christus am Kreuze seine Mutter dem Lieblingsjünger Johannes
anvertraute (Jo 19, 26f.). Wenn wiederholt von „Brüdern“ und
„Schwestern“ Jesu die Rede ist (Mk 3, 31—35; 6, 3 [= Mt 13, 55];
15, 40 [= Mt 27, 56]; Jo 2, 12; 7, 3ff.; Apg 1, 14; 1 Kor 9, 5; Gal 1, 19),
dann muß man das Wort im weiteren Sinne verstehen: es sind nahe
Verwandte. Dieser Gebrauch des Wortes „Bruder“ wird durch das
Alte Testament (Gn 13, 8; 14, 14; 1 Chr 23, 22) und den hellenistischen
Sprachgebrauch bestätigt und vollends durch die Tatsache verständ-
lich, daß das Hebräische und Aramäische kein eigenes Wort für Vetter
haben. So kann die Art der Verwandtschaft nicht aus dem Worte
selbst, sondern nur aus den näheren Umständen erkannt werden.
Diese aber verlangen in unserem Zusammenhang die Bedeutung „Vet-
ter“. Die Herrenbrüder Jakobus und Joseph erscheinen Mk 15, 40 als
Söhne einer anderen, von der Mutter Jesu verschiedenen Maria. Nach
Jo 19, 25 war sie die Frau des Klopas. Wenn Christus der erst-
geborene Sohn Marias genannt wird (Lk 2, 7; Mt 1, 25), so ist damit
nicht auf einen zweiten oder dritten Sohn hingewiesen. Es soll nur

14*
212 Die irdische Herkunft Christi: Maria die jungfräul. Gottesgebärerin § 148

gesagt werden, daß auf Christus die gesetzlichen Bestimmungen hin-


sichtlich der Erstgeborenen zutrafen. Diese galten auch, wenn der
Erstgeborene der Einziggeborene blieb. So kann auch aus Mt 1, 18
und 1, 25 kein Einwand gegen die immerwährende Jungfräulichkeit
abgeleitet werden. Diese Stellen sagen nach Hieronymus nur, was bis
zur Geburt Christi geschah, nicht was nachher geschah.

B. Die Väter
Die Kirchenväter bezeugen in großer Einstimmigkeit die im-
merwährende Jungfräulichkeit Marias (siehe die S. 174f. ange-
führten Texte).
Augustinus schließt aus der von Lk 1, 34 berichteten Frage
Marias, wie das geschehen werde, da sie keinen Mann erkenne, daß
Maria ein Gelübde der Jungfräulichkeit abgelegt habe. Vorher hat
schon Gregor von Nazianz die gleiche Ansicht vertreten. Andere sehen
darin einen bloßen Vorsatz hervortreten. Die Frage Marias scheint
darauf hinzuweisen, daß sie nicht nur augenblicklich keinen Mann
erkennt, sondern daß sie überhaupt nicht an einen geschlechtlichen
Verkehr mit einem Manne denkt. Ob man einen Vorsatz oder ein
Gelübde annimmt, man muß dann hinzufügen, daß Maria von Gott in
besonderer Weise zu diesem Vorsatz oder Gelübde erleuchtet und
angetrieben wurde. Der Entschluß Marias, Jungfrau zu bleiben, läßt
sich nicht psychologisch, sondern nur theologisch erklären. Aus der
alttestamentlichen Frömmigkeit, in der sie aufwuchs, konnte ihr
nichts Derartiges zufließen. Denn es war die Sehnsucht eines jeden
Mädchens, an der Geschlechterreihe mitzubauen, welche einmal den
Erlöser hervorbringen sollte. Kinderlosigkeit galt geradezu als Un-
glück, ja als Strafe Gottes. Außerdem muß die Annahme eines Gelübdes
oder Vorsatzes die Schwierigkeit mit in Kauf nehmen, daß Maria mit
Joseph verlobt, d. h. nach damaliger Vorstellung verheiratet (nur noch
nicht heimgeführt) war. Wenn man sagt, daß Maria und Joseph eben
als Bruder und Schwester leben wollten, so muß man erklären, daß
nicht bloß Maria, sondern auch Joseph von Gott über diese Lebens-
form besonders erleuchtet wurde.
Unter dem Eindruck dieser Schwierigkeiten suchte man nach
einer anderen Auslegung und glaubte, ohne mit dem Wortlaut bei
Lukas in Widerspruch geraten zu müssen, folgende Deutung geben
zu können: Die Situation ist so, daß Maria zwar mit Joseph verlobt
ist, aber von ihm noch nicht zur Haus- und Ehegemeinschaft heim-
geführt wurde. Da fragt nun Maria, wie denn die vom Engel ange-
8 148 Marias Jungfräulichkeit 213

kündigte Mutterschaft geschehen soll, da sie ja noch nicht in ehelicher


Gemeinschaft lebt. Nach dem Wortlaut der biblischen Erzählung sagt
Maria nicht, daß sie keinen Mann erkennen wird, sondern daß sie
keinen Mann erkennt, d.h. daß sie mit keinem Mann in Gemein-
schaft steht. Eine solche Erklärung würde in der Verlobung (Ver-
heiratung) Marias mit Joseph den Ausdruck eines ernsthaften Ehe-
willens im Sinne der alttestamentlichen Frömmigkeit sehen. Sie würde
die immerwährende Jungfräulichkeit nicht antasten und keinen Schat-
ten auf die sittliche oder religiöse Haltung Marias fallen lassen. Denn
entscheidend hierfür sei nichts als die Kraft der Liebe und des Ge-
horsams, mit der sich ein Mensch Gott hingibt und unterwirft. Und
da überrage Maria alle ihre Vorgänger und Nachfolger. Kaum sei sie
vom Engel darüber belehrt, daß diese Empfängnis gar nicht in der
von ihr gemeinten Weise geschehen solle, daß sie vielmehr einer be-
sonderen Tat Gottes zu verdanken sein soll, da beuge sie sich ohne
ein weiteres Wort der Frage in völliger Hingabe dem in so seltsamer
und beglückender Weise sie anrufenden Willen Gottes. In diesem
Augenblicke sei sie um Christi willen zur Jungfräulichkeit berufen
worden.
Gegenüber dieser Auslegung wird die zuerst angegebene getra-
gen von der theologischen Autorität Augustins, dessen theologische
Schlußfolgerungen aus Offenbarungswahrheiten zwar kein Zeugnis
für die Offenbarung sind, aber doch ein bedeutendes Gewicht be-
sitzen. Insbesondere aber wird gegen sie der Wortlaut bei Lukas
geltend gemacht. Die Worte des Engels scheinen, sagt man, nichts
über den Zeitpunkt zu enthalten, in dem Maria den Messias emp-
fangen soll. Man sagt: Ihre Antwort ist nur sinnvoll, wenn Maria
überhaupt vom geschlechtlichen Verkehr nichts wissen will. Dieser
Entschluß setzt ein besonderes Einwirken Gottes auf ihr Denken und
Wollen voraus. Daß sie sich trotzdem verlobt hat, läßt sich nur so
erklären, daß nach dem Willen Gottes der Erlöser auf andere Weise
als die übrigen Menschen in die Welt eintreten sollte und daß er doch,
damit Mutter und Kind vor Schande und Elend bewahrt blieben, im
Schoße einer Familie heranwachsen sollte. Völlig überzeugend dürften
diese Einwände nicht sein (siehe D. Haugg, Das erste biblische Marien-
wort, Freiburg i. Br. 1938; J. Schmid, Das Evangelium nach Lukas,
Regensburg 1960, z. St.; J. Gaechter, Maria im Erdenleben, Inns-
bruck 1953).
Auch von seiten Josephs legt sich die immerwährende Jungfräu-
lichkeit Mariens nahe. Nach den außergewöhnlichen Vorgängen mit
914 Herkunft Christi von einer geheiligten Mutter: die Begnadigung Marias 8149

seiner Verlobten wird er deren Jungfräulichkeit respektiert haben.


Es widerspräche wohl jeder religiösen Psychologie, wenn er anders
gehandelt hätte. Nachdem er sich einmal durch göttliche Eingebung
hatte bestimmen lassen, Maria trotz ihrer Schwangerschaft zu sich
zu nehmen (Mt 1, 18—25), mußte er sie als Eigentum Gottes aner-
kennen, das ihm nur zur Fürsorge anvertraut war (siehe K. Buchheim,
Das messianische Reich, München 1948, 136).

8 149
Die Herkunft Christi von einer geheiligten Mutter:
die Begnadigung Marias

Erstes Kapitel

Allgemeines

Maria steht in einem einzigartigen Verhältnis zu dem vom Vater


gesandten Worte. Der Sohn Gottes ist nach seiner menschlichen Natur
aus ihr hervorgegangen, wie die Frucht aus der Wurzel wächst. Dar-
aus folgt alle Ehre und alle Seligkeit. Niemand anderer ist ihr gleich.
Diese Würde war für sie eine unverdiente Gnade. In freier herrscher-
licher Entscheidung hat Gott Maria zur Muttergotteswürde berufen.
Ihre Erwählung ist voraussetzungslose gnädige Gottestat. Gottes Liebe
und Erbarmen feiern darin ihren Sieg über menschliche Nichtigkeit
und Hinfälligkeit. Er hat in Gnaden herabgesehen auf seine niedrige
Magd (Lk 1, 48). Jeder Preis Marias wird daher zu einem Preis Gottes.
Maria ist keine Muttergottheit, sondern Gottes Geschöpf.
Die Berufung zur Mutterschaft schließt in sich die Berufung,
gleichförmig zu werden dem Bilde des Sohnes Gottes, der zugleich ihr
Sohn war (Röm 8, 29). So wird Maria zur Verkörperung der durch
Christus erlösten Menschheit. Sie wird zur erlösten Tochter ihres
Sohnes. Sie ist wie kein anderes Menschenkind durchgnadet, weil sie
dem in der Welt erschienenen Gottesleben den irdischen Leib schenkte.
Am wirksamsten erweist sich ihre Durchgnadung in ihrer Freiheit
von der Erbsünde. Dieser Vorzug ist die Grundlage für alle übrigen
Elemente ihrer Heiligkeit. Da uns von dem Zustand der Freiheit von
der Erbsünde jede persönliche Erfahrung fehlt, können wir die Trag-
weite dieses Vorzuges nur schwer abschätzen. In Maria sind Möglich-
keiten, von den wir uns keine genügende Vorstellung bilden können.
§ 149 Marias Freiheit von der Erbsünde 215

Zweites Kapitel

Marias Freiheit von der Erbsünde

I. Die kirchliche Lehre

Es ist Glaubenssatz: Maria ist durch eine besondere Gnade des


allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi, des
Erlösers des menschlichen Geschlechtes, vor aller Makel der Erbsünde
bewahrt geblieben (D. 1641, NR. 325).
Der Sinn des Glaubenssatzes ist dieser: Maria ist wegen ihrer
einzigartigen Stellung als Muttergottes in einer einzigartigen Weise
erlöst worden. Sie ist nicht in die Gottesferne hinein empfangen wor-
den, in der alle anderen Menschen zu existieren beginnen. Es gab in
ihrem Dasein keinen Augenblick der Gnadenberaubtheit wie bei allen
übrigen. Der Zustand der Durchgnadung begann nicht erst bei der
Geburt, sondern fällt mit dem Aufglimmen ihres Lebens zusammen.
Der Glaubenssatz hat nichts zu tun mit der Frage, in welchem sitt-
lich-religiösen Zustand sich die Eltern bei der Empfängnis befunden
haben. Es handelt sich nicht um den Zustand oder das Verhalten der
Empfangenden und des Zeugenden, sondern der Gezeugten. Sie wurde
keinen Augenblick in die Verderbnis hineingezogen, welche die Offen-
barung von jedem anderen Menschen aussagt. Der Ausdruck „unbe-
fleckt Empfangene“ oder „unbefleckte Empfängnis“ gibt, wie es
scheint, mit unverwüstlicher Kraft zu dem Mißverständnis Anlaß, daß
der Zeugungsvorgang aus allen anderen herausgehoben, daß auf alle
übrigen Zeugungen ein Makel geworfen werden soll. Falsch ist auch
die Vorstellung, daß es sich um die Empfängnis des Sohnes Gottes
handelt, so daß der 8. Dezember der Empfängnistag und der 25. De-
zember der Geburtstag wäre. Mit solchen Fehldeutungen hat der
Glaubenssatz nichts gemein. Wie könnte Gott in seiner Offenbarung
jenen Vorgang befleckt heißen, zu dem er selbst den Menschen ge-
schaffen, auf daß dieser den Strom des Lebens ständig weiterleite,
ja den er hineingeholt hat in den geweihten Raum der Sakramente?
Vom Verhalten Joachims und Annas, der Eltern, ist in dem Glau-
benssatz überhaupt nicht die Rede. Aber die Frucht ihres Tuns lebte
vom ersten Augenblick an in jener innigen Gottverbundenheit, welche
die Stammeltern besaßen und verloren. Wenn Maria vor der Sünde
gerettet wurde, dann war das Gottes Gnadentat. Auch sie konnte
sich nicht selbst vor ihr retten. Auch sie war an sich der Sünde
unterworfen, weil sie eben aus dem Geschlechte Adams war. Sie war
216 Herkunft Christi von einer geheiligten Mutter: die Begnadigung Marias 8149

ein Glied des erlösungsbedürftigen Menschengeschlechts. Auch sie ist


nicht geworden, was sie geworden ist, durch freie Entfaltung ihres
schöpferischen Ich, sondern durch Gottes Geschenk. Den Traum der
Selbsterlösung hat sie nie geträumt. Der Glaubenssatz von der Frei-
heit Marias von der Erbsünde hebt die Erlösungsbedürftigkeit der
Menschen nicht auf, sondern hebt sie gerade hervor: er läßt in Maria
die herrlichste Frucht der Erlösung sichtbar werden; er zeigt uns
Maria als die Ersterlöste ihres göttlichen Sohnes, als die wiederher-
gestellte Schöpfung inmitten der verdorbenen, als die Lilie unter den
Dornen, als den brennenden Dornbusch, der in den Flammen unver-
sehrt geblieben ist, als den Spiegel der Heiligkeit und Gerechtigkeit
Gottes (R. Grosche, Zur theologischen Anthropologie, in: Pilgernde
Kirche, Paderborn 1938, 137 £.).
Die Tatsache von der Erbsündenfreiheit Marias gehört zu den in
der Offenbarung am meisten eingehüllten Wirklichkeiten. In der Bulle
„Ineffabilis Deus“ vom 8. Dezember 1854 hat das kirchliche Lehramt,
eine Jahrhunderte alte Frage endgültig entscheidend, festgestellt: „Zur
Ehre der Heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit, zur Zierde und Ver-
herrlichung der jungfräulichen Gottesgebärerin, zur Erhöhung des
katholischen Glaubens und zum Wachstum der christlichen Religion
erklären, verkünden und bestimmen wir in Vollmacht unseres Herrn
Jesus Christus, der seligen Apostel Petrus und Paulus und in unserer
eigenen: Die Lehre, daß die seligste Jungfrau Maria vom ersten Augen-
blick ihrer Empfängnis an durch einzigartiges Gnadengeschenk und
Vorrecht des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Verdienste
Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechtes, von jedem Fehl
der Erbsünde rein bewahrt blieb, ist von Gott geoffenbart und des-
halb von allen Gläubigen fest und standhaft zu glauben“ (NR. 325;
D. 1641).
U. Die Schrift

Die kirchliche Lehrentscheidung verweist für die Tatsache von


der „Unbefleckten Empfängnis“ auf das „Protoevangelium“ (Gn 3, 15).
Darnach setzt Gott Feindschaft zwischen dem Weib und dem Weibes-
samen. Dieser wird der Schlange den Kopf zertreten, während die
Schlange ihn selbst nur verletzen wird. (Nach der Vulgata wird die
Frau selbst der Schlange den Kopf zertreten.) Ein Teil der Väter ver-
steht unter dem Weibessamen die Guten und die Kirche, ein anderer
die Guten und Christus, wieder ein anderer Christus allein. Die spä-
tere katholische Auslegung ist diese: Die Nachkommen Evas sollen
S 149 Marias Freiheit von der Erbsünde 217

nach Gottes Willen der Schlange den Kopf zertreten, d. h. die Sünde
besiegen. Die Vernichtung der Sünde ist völlig erreicht worden erst
in Christus. Daher hat die Genesisstelle messianische Bedeutung. Sie
ist ein Hinweis auf Christus, eine Vorausverkündigung des Erlösers,
welcher der Weibessame schlechthin ist. Nun besteht zwischen Chri-
stus und seiner Mutter eine innige geistlich-heilsgeschichtliche Ver-
bundenheit. Daher steht auch sie in vollendeter und siegreicher Feind-
schaft gegen die Sünde, freilich nicht aus sich, sondern durch Gottes
Gnadengeschenk. Diese Feindschaft schließt in sich, daß sie keinen
Augenblick unter der Herrschaft des Teufels stand und nicht einen
Augenblick von Gott abgewendet war.
Das Lk 1, 28 stehende Wort „du bist voll der Gnade“ (griechisch:
kecharitomene) bezieht sich zunächst auf die Auserwählung der Jung-
frau zur Mutter Jesu. Aber es ist nicht zu gewagt, wenn man aus
ihrer Würde auf ihre Nähe zu Gott schließt: Das Wort erhält seinen
gefülltesten Sinn, wenn man ihre Durchgnadung so ernst nimmt, daß
für die Sünde kein Raum bleibt.

III. Die Väter


In der Väterzeit wurde der Glaube an die Freiheit Marias von
der Erbsünde nirgends förmlich ausgesprochen. Aber die Väter stellen
die Reinheit Marias häufig der unversehrten Heiligkeit Evas vor dem
Sündenfall zur Seite. Daraus konnten spätere Zeiten ihre Freiheit
auch von der Erbsünde erschließen.
Ephräm preist in den Nisibenischen Hymnen (27, 8) Maria so: „Du, o Herr,
und deine Mutter, ihr allein seid über alles schön: denn keine Makel ist an dir,
o Herr, und kein Fehl an deiner Mutter. Welcher von diesen beiden Schönheiten
lassen sich meine Kinder vergleichen?“ In den syrischen Werken (2, 327) heißt es:
„Ganz unschuldig, ganz einfältig waren beide, Maria und Eva, einander in allem
ähnlich. Aber dann wurde die eine Ursache des Heiles, die andere Ursache des Todes.“
Augustinus sagt in seinem Werk „Natur und Gnade“ (36, 42): „Die heilige
Jungfrau Maria ausgenommen, die ich überhaupt, wenn von Sünde die Rede ist,
dem Herrn zu Ehren ganz aus dem Spiele lassen möchte — woher nämlich wissen
wir, wieviel mehr an Gnade zur gänzlichen Überwindung der Sünde derjenigen ver-
liehen worden, die den zu empfangen und zu gebären würdig war, von dem es
feststeht, daß er keine Sünde hatte? — also diese Jungfrau ausgenommen: wenn
wir alle die heiligen Männer und Frauen, als sie hier auf Erden lebten, hätten ver-
sammeln und fragen können, ob sie ohne Sünde gewesen wären, was würden sie
wohl geantwortet haben? Das, was Pelagius sagt, oder was der Apostel Johannes
sagt? Ich bitte euch, hätten sie nicht, wie erhaben auch hier im Leibe ihre Heilig-
keit gewesen sein mag, wie mit einem Munde gerufen: »Wenn wir sagen würden,
wir hätten keine Sünde, würden wir uns selbst betrügen, und die Wahrheit ist
nicht in uns (1 Jo 1, 8)<“ (Text nach L. v. Rudloff, Zeugnis der Väter, Regensburg
§ 149
918 Herkunft Christi von einer geheiligten Mutter: die Begnadigung Marias

Marias ge-
1937, 169). Die Weiterentfaltung der Lehre von der Erbsündelosigkeit
Eadmer (gest. 1124) und Osbert
schah im 12. Jahrhundert in England. Die Mönche
es entspreche der Heiligkeit Christi, daß seine Mutter
(gest. nach 1130) erklärten,
ihrem
nie von einer Sünde befleckt, sondern kraft seiner Erlösungsgnade schon bei
Eintritt ins Dasein vollkommen rein und heilig war. Bernhard indes war
der Meinung, daß Maria nicht geheiligt werden konnte, bevor sie existierte; sie
wurde erst nach dem Beginn ihres Daseins geheiligt. Also trat sie ins Dasein, bevor
sie geheiligt wurde. Die Theologen des 12. und 13. Jahrhunderts kamen über diese
Bedenken nicht hinweg und lehnten daher die Lehre von der „Unbefleckten Emp-
fängnis“ ab, auch Albert der Große und Thomas von Aquin. Eine endgültige weitere
Klärung brachten zwei Franziskanertheologen, Wilhelm von Ware und Johannes
Duns Scotus, an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert. Maria war nach ihnen
erlösungsbedürftig und wurde auch tatsächlich von Christus erlöst. Aber sie
wurde in viel vollkomme nerer Weise erlöst als die übrigen Menschen. Während
die übrigen durch Christus von der Sünde befreit werden, wurde Maria vor der
Sünde bewahrt. Von jetzt ab verbreitete sich die Lehre rasch. Ihre Gegner blieben im
allgemeinen die Dominikaner. Dagegen wurde sie von den übrigen Orden, von der
Pariser und anderen Universitäten vertreten. Sie wurde in der Folgezeit mehrfach
Gegenstand kirchlicher Lehräußerungen. Nachdem sich das Konzil von Basel in
einer (schismatischen) Sitzung (1439) dafür entschieden hatte, daß die Lehre als
fromme Meinung gelten soll, verbot Sixtus IV. (1471—84), die Vertreter der Lehre
der Häresie oder der schweren Sünde zu beschuldigen, und nahm das Fest der Un-
befleckten Empfängnis in das Brevier und das Missale auf.
Das Tridentinum erklärte in der Bestimmung über die Erbsünde, daß die
allerseligste Jungfrau nicht in die Lehre von der Allgemeinheit der Erbsünde ein-
bezogen werden solle. Pius V. verurteilte den Satz des Baius, daß niemand außer
Christus ohne Erbsünde sei und daß die Trübsale der allerseligsten Jungfrau Strafen
für wirkliche Sünden oder für die Erbsünde seien. Alexander VII. faßte 1661 alle
bis dahin für die fromme Meinung von der Erbsündelosigkeit Marias erlassenen
kirchlichen Bestimmungen zusammen und verbot alle in der letzten Zeit erschienenen
Bücher, welche die gegenteilige Lehre vertreten. Die endgültige Klärung brachte
das Jahr 1854 mit der Definition in der Bulle „Ineffabilis Deus“.

IV. Theologische Überlegung


Die theologische Überlegung läßt es beinahe als selbstverständlich
erscheinen, daß Gott von Maria jegliche Verderbnis ferne hielt. Sie
kommt freilich über Angemessenheitsgründe nicht hinaus. Die Mutter
des „Heiligen“, sie, welche die Türe für den Eintritt der göttlichen
Weisheit in die menschliche Geschichte ist (Spr 8, 22—35; Epistel vom
Feste der Immaculata Conceptio), muß von der Wurzel her heilig
sein. Um der Würde und Ehre Christi willen durfte die Mutter nie der
Würdelosigkeit und Unehre eines gottfernen Zustandes (siehe § 135)
preisgegeben sein.
Diese Überlegung gewinnt an Kraft, wenn wir an die Folgen
denken, die sich aus der Erbsünde als dem Weggewandtsein von Gott
S 149 Marias Freiheit von jeder Sünde 219

wesensgemäß ergeben (vgl. $ 136). Die Mutter des Herrn mußte von
jeder Gottesferne und von jeder mit dieser wesensmäßig verbundenen
Entstellung der Natur bewahrt werden. Der menschgewordene Gottes-
sohn sollte ja hinsichtlich der menschlichen Natur nach ihrem Bilde
geformt werden, weil sie eben seine Mutter war, ihm von ihrem
eigenen Wesen gab und ihm die Züge ihres leiblichen und geistigen
Antlitzes schenkte. Die irdische Erscheinung des Gottessohnes ist
durchtränkt von ihrer Art. Deshalb durfte nichts Gottwidriges, Sün-
diges, Unreines, Krankes an ihr sein. In ihr „konnten“ keine schlim-
men Eigenschaften oder Anlagen sein, die sie als Keime ins Blut
ihres Sohnes mitbringt. Sie mußte aus der Reihe der Geschlechter,
die an ihr gebildet und gebaut haben, um so mehr herausgehoben
sein, je schlimmer die Erbschaft war, die sich im Strom der Ahnen-
reihen angehäuft hatte. So groß die Gottesboten in ihm aufragen, so
stehen doch in ihm auch Mörder und Lügner, Verräter und Abtrün-
nige, Götzendiener, Dirnen, Ehebrecher und Blutschänder. Gott mußte
diesen Strom vor der Mutter des Sohnes Gottes stauen, daß er sich
nicht in sie ergießen konnte. Denn sie mußte eine „würdige Wohn-
stätte“ ihres Sohnes werden.

Drittes Kapitel
Marias Freiheit von jeder Sünde

Die Freiheit von der Erbsünde wirkte sich in der Freiheit von
ungeordneten Regungen und von der bösen Begierlichkeit aus. Maria
blieb von den „Wunden“ der Erbsünde frei. Sie war daher ganz
unverwundet und heil (Postcommunio vom Feste der Unbefleckten
Empfängnis). Deshalb erhob sich aus den Tiefen ihres Ich nie die
Versuchung, ihr eigenes Selbst gegen Gottes Willen zu behaupten. Sie
blieb denn auch tatsächlich ihr ganzes Leben hindurch frei von
jeglicher Sünde. Sie befand sich hierin in einem ähnlichen Zustande
wie die Stammeltern vor dem Sündenfall. Das Tridentinum legt diese
Tatsache nahe, wenn es von ihr jenen Gnadenvorzug behauptet, den
der Mensch braucht, um sein ganzes Leben hindurch jede Sünde ver-
meiden zu können (D. 833; siehe die Gnadenlehre Bd. III 2). Der
Heilige Geist ließ sie denn auch in der Stunde, in welcher sie ihrer
Base Elisabeth begegnete, ihre eigene Begnadigung und Vorher-
bestimmung schauen. Ja, sie sieht ihre Erwählung eingehen in die
Zeitlosigkeit immerwährenden Preisens und Rühmens, in die wäh-
rende Gegenwart des göttlichen Heilsmysteriums (Lk 1, 47 f.).
390 Herkunft Christi von einer geheiligten Mutter: die Begnadigung Marias $ 149

Maria spürte also nie in ihrem Leben die Sünde oder die Ver-
suchung zu ihr aus ihrer eigenen Wesenstiefe heraufsteigen. Sie mußte
sich nicht aus den Verstrickungen der Sünde in die Freiheit der Kin-
der Gottes durchringen. Sie hatte keine Gelegenheit, das Böse in sich
niederzukämpfen. Trotzdem war ihr Leben durchbebt von Kämpfen
und Siegen. Sie liegen nicht im Felde, auf dem Sünde und Tugend,
Heiligkeit und Unheiligkeit aufeinander stoßen, sondern innerhalb
der Grenze des Gehorsams und der Liebe. Ihr Leben war immer Be-
reitschaft und Hingabe an Gott. Aber am Schicksal ihres Sohnes, das
ihr zum Schicksal wurde, wuchs ihre hinopfernde Liebe zu immer
größerer Kraft und Innigkeit heran. Ihr Leben war ein steter Anstieg.
Gott führte sie immer schwerere und steilere Pfade, bis sie imstande
war, auch die größte Prüfung, das Kreuz ihres Sohnes, mit bereitem
und willigem Herzen zu bestehen. Ihr Leben war eine Pilgerschaft zu
Gott wie bei jedem anderen Menschen, nur daß kein anderer in der
Größe und Reinheit der Liebe lebte wie sie. Auch ihr Leben harrte
noch der Vollendung. Auch sie streckte sich in Hoffnung dem Zu-
künftigen entgegen. Auch ihr Leben war beherrscht von dem Gesetz
des Noch-nicht. Trotz der innigen Nähe Gottes war sie noch nicht im
Himmel, war sie noch nicht aus der Hinfälligkeit und Preisgegeben-
heit des menschlichen Daseins herausgehoben.
Ihre Liebe, ihr Gehorsam, ihre Treue strömten zusammen in ihrem
Glauben. Weil ihr Leben das eines Pilgers, nicht das eines Angekom-
menen war, stand es in der Wolke, die uns Gottes Antlitz verdeckt.
Auch sie mußte ihr Leben im Dunkel des Glaubens vollziehen. In der
Schrift wird sie gerade ob ihres Glaubens selig gepriesen (Lk 1, 45).
An allen Wendepunkten ihres Lebens überantwortet sie sich in gläu-
bigem Gehorsam dem sie anrufenden Gott. Die Schrift, die so spärlich
von ihr spricht, hat es allem Anscheine nach darauf angelegt, uns ge-
rade jene Vorgänge in ihrem Leben zu berichten, in denen sich ihr
Glaube siegreich aus dem Dunkel emporhebt. Gerade darauf scheint
es der Schrift über die Tatsache der Muttergotteswürde hinaus anzu-
kommen, sie mit kurzen, knappen Strichen als die Glaubende zu
kennzeichnen. Hierfür genügt es, wenn sie Marias Gestalt in den ent-
scheidenden Situationen beleuchtet. So steht Maria in erhabener Größe
und Herrlichkeit vor uns.
Es wäre eine Abschwächung, wenn die Schrift viel Rankenwerk
in dieses Leben eingezeichnet hätte. Da würden uns zwar interessante
und liebliche Bilder erfreuen. Aber das Auge und Herz würde abge-
zogen von dem einen Bedeutsamen, daß dieses Leben eine in Schmerz
S 149 Marias Glaubensleben 221

und Liebe festgehaltene und bewährte Entscheidung für Gott war.


Deshalb liegt es nicht in der Verlängerung des Schriftzeugnisses über
Maria, wenn die apokryphen Evangelien die vom Neuen Testament
gelassenen Lücken durch phantasievolle Schilderung ihrer Jugend-
jahre, ihres Zusammenseins mit Christus in Nazareth, ihres Wunder-
wirkens zu ergänzen suchen. In Wirklichkeit sind diese „Ergän-
zungen“ Verderbnisse. Denn sie stören das Schweigen Gottes durch
menschliche Vielrederei. Die leise Sprache der göttlichen Stille wird
damit überschrien von den geschäftigen Stimmen der Menschen. Gott
hat das Leben Marias vor dem Zugriff der ungeweihten menschlichen
Neugierde eingehüllt in eine undurchdringliche Verborgenheit. Die
apokryphen Ergänzer des Heiligen Geistes, wie sie uns in zahlreichen
gnostischen Schriften begegnen, versuchen die Verborgenheit, die Gott
um Maria gelegt hat, zu zerreißen und ihr Leben in das helle Licht
einer menschlichen Biographie zu rücken. Dadurch wird das Große,
Herbe, ja Harte aus ihrem Antlitze weggeredet zugunsten eines
menschlichen Idylls. Davon geht keine aufrüttelnde und mitreißende
Kraft aus. Das Gleiche gilt auch von den zügellosen Spekulationen,
die von dem Prinzip beherrscht sind: Je mehr, desto besser. Vor
jedem noch so kurzen Worte der Offenbarung erscheinen sie als
schöne, aber phantastische Luftschlösser.

Viertes Kapitel

Marias Glaubensleben

Die Schrift also schildert uns Marias Leben als ein Leben des
Glaubens. Sie mußte zeitlebens um das Geheimnis Gottes, um das Ge-
heimnis des Heiligen, ringen. Als ihr der Engel die Botschaft brachte,
daß sie die Mutter des Sohnes Gottes werden sollte, erschrak sie über
den Boten und die Botschaft. Auch sie, die Hocherwählte, erlebt, wenn
Gott in spürbare Nähe kommt, die Andersartigkeit Gottes und bedarf
erst der Aufforderung, sich nicht zu fürchten. Noch mehr beunruhigte
sie die Botschaft. Der sie überbrachte, wies sich durch kein Wunder
aus. Der einzige Maßstab dafür, daß es Gottes Bote und nicht ein
Trugbild des Satans war, war ihr eigenes heiliges, Gott hingegebenes
Wesen. Sie spürte aus dem, der vor ihr stand, eine heilige Welle der
Verwandtschaft zu sich herüberschlagen. Das war der einzige Ausweis,
der für die Botschaft sprach. Nichts anderes trug sie in diesem Augen-
blick als ihre Liebe und Hingabe an Gott. Ihre Entscheidung fiel
299 Herkunft Christi von einer geheiligten Mutter: die Begnadigung Marias § 149

daher in der Freiheit der Liebe. Sie überantwortete sich mit ihrem
ganzen Wesen dem göttlichen Willen. Ihm stellte sie ihr Leben, ihre
Ehre, ihr Blut, ihre Kraft zur Verfügung. Ihr Glaube war stärker und
lebendiger als derjenige irgendeines anderen. Vom Menschlichen her
gesehen, muß man sagen, daß ihr der Glaube schwerer fiel als allen
Späteren. Sie sah noch nicht den Erweis für das göttliche Heilswerk in
den Wundern und Machttaten Gottes. Sie konnte noch nicht zurück-
blicken auf die Auferstehung und Himmelfahrt. Alles lag noch in den
unbestimmten Bereichen der Zukunft. Wenn sie auch begnadet und
von Gott ergriffen war wie keine andere, so darf man doch nicht
glauben, daß Gottes Gnade ihr die Last der Entscheidung abgenommen
hat. Je tiefer sich die Gnade in ihr Herz hinabsenkt, um so mehr
forderte sie die äußerste Anspannung ihrer innersten Kräfte. Die neue
Welt, die mit Christus beginnt, begann erst sich emporzuheben aus
den dunklen Tiefen der göttlichen Liebe. Und in Maria selbst sollte
sie beginnen. Sie sah sich auf einmal in die Mitte der Welt und der
Geschichte gestellt. In ihr sollte das Alte Testament zu Ende gehen
und das Neue seinen Anfang nehmen. Wir dürfen auch nicht glauben,
daß Maria das Große, das der Mächtige an ihr getan hat (Lk 1, 49),
sogleich in seinem ganzen Sinn und seiner Tragweite durchschaut
hat. Sonst wäre nicht verständlich, daß es später mehrmals heißt, sie
habe ihren Sohn nicht verstanden. Wie hätte sie auch die Geheimnisse
Gottes verstehen können? Aber sie hat dem Rufe Gottes vorbehaltlos
gehorcht, über alles Verstehen und Begreifen hinweg. Sie war ganz
Hingabe, Bereitschaft, Empfänglichkeit für Gott.
Ja, in ihr vollzog sich die Hingabe der Schöpfung an Gott. Sie
hat im Namen der ganzen erlösungsbedürftigen Schöpfung ihre Be-
reitschaft für das von Gott beschlossene Heil ausgesprochen.
Man würde zu gering vom Ernst des göttlichen Heilswillens den-
ken, wenn man meinte, daß Gefahr bestand, daß die konkrete Durch-
führung des göttlichen Heilsratschlusses an der Nichteinwilligung
Marias hätte scheitern können. Gottes Plan war nach dem Zeugnis des
Römer- und Epheserbriefes über alle Möglichkeiten menschlichen Ver-
sagens hinweg in einer unbedingten Weise von Gott gefaßt worden.
Er konnte daher nicht unausgeführt bleiben. Gott standen viele Wei-
sen hierzu zur Verfügung. Was er getan hätte, wenn Maria ihr Ja
verweigert hätte, ist eine Frage, die zu stellen uns nicht ansteht.
Tatsächlich war ihr Ja von Ewigkeit her von Gott vorausgesehen, ja
vorausbestimmt. Sie war von Ewigkeit her zur Muttergottes erwählt
und wurde so von Gott mit göttlicher Sicherheit zu der Stunde der
§ 149 Marias Glaubensleben 223

Menschwerdung hingeführt. Das hindert nicht, daß sie selbst für ihre
Entscheidung verantwortlich bleibt (vgl. die Gnadenlehre Bd. III 2).
Nach dem schweren Gesetz, nach dem ihr Leben begonnen hat,
geht es auch weiter. Sie schenkt ihrem Kinde das Leben unter be-
drückenden äußeren Umständen; sie muß es vor dem Haß des Herodes
durch die Flucht retten; sie muß seinetwegen in Ägypten unter einem
heidnischen Volke ohne die gemeinsamen Feste des Glaubens ver-
weilen. Ist denn Gott nicht mächtig genug, seinen eigenen Sohn anders
zu führen? Wo bleibt der Glanz seiner Herrlichkeit? Erlebt sie nicht
immerfort das Gegenteil von dem, was der Engel von ihrem Kinde
vorhersagte? Als bei der Darstellung Jesu (Lk 2, 22—35) der vom Hei-
ligen Geiste in den Tempel getriebene greise Simeon von Jesus sagte,
daß er das Heil der Völker sei, daß Marias Seele ein Schwert durch-
bohren werde, daß sich an ihm Heil und Unheil entscheiden wird, da
erfaßte Maria ebenso wie Joseph Staunen über solche Worte. Sie
sagten ihnen also Ungewohntes, Neues, Fremdartiges und Seltsames.
Gott hatte sie also noch nicht in sein Geheimnis eingeweiht, wie
Simeon eingeweiht war. Es ist, als ob sie, die Mutter, nicht in jene
traute Nähe Gottes gezogen wäre wie Simeon, der Fremde (Jo 15, 15).
Was er ihr vorhersagte, wies auf künftiges Leiden hin, Leiden, das sie
um ihres Kindes willen ertragen mußte. Wie läßt sich dies mit der
Engelsbotschaft vereinbaren, daß ihr Kind Herrscher sein wird in
Ewigkeit und daß seines Reiches kein Ende sein wird (Lk 1, 33)?
Marias Glaube wankte nicht unter dem Ansturm des Unverstan-
denen und Unbegreiflichen. Sie wurde an ihrem Sohne auch nicht
irre, da sie seine Hilflosigkeit und Schwäche in Bethlehem und
Nazareth sah, da sie ihm als Mutter alle die kleinen Dienste leistete,
die einem anderen Kinde geleistet werden müssen. Jeder Tag und
jede Stunde war für sie eine Glaubensprobe.
Kein Ereignis aus den Jugendjahren Jesu stieß sie indes so tief
in das Dunkel des Glaubens hinein wie das Erlebnis mit dem Zwölf-
jährigen. Nichts in ihrem bisherigen Leben war so peinigend wie der
wortlose Abschied des Kindes von Vater und Mutter. Wie fassungslos
Maria war, spüren wir an der Frage: „Kind, warum hast du uns das
getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht!“
(Lk 2, 41—50). Sie hat kein klares Bild von dem Sinn und Zweck
dieser Heimsuchung. Sie hört, daß der Vater im Himmel ihrem Kind
das Gesetz seines Lebens vorschreibt. Nicht die Gesetze des Familien-
lebens, nicht die Sicherheit und der Friede des häuslichen Zusammen-
lebens dürfen sein Tun bestimmen. Allein maßgebend ist der Auftrag
994 Herkunft Christi von einer geheiligten Mutter: die Begnadigung Marias § 149

des Vaters. Um seinetwillen muß er sich von den Eltern trennen,


vorerst nur ein paar Tage, aber sie werfen ihren Schatten voraus auf
die dauernde Trennung. Maria verstand nicht, was er ihnen mit all
dem sagen wollte. Er lebt aus einer Welt, deren vertrauter Mitwisser
er allein ist. Seiner Mutter ist sie noch verschlossen. Man kann nicht,
um die Schwere dieser Heimsuchung abzuschwächen, darauf hin-
weisen, daß sie um die Botschaft des Engels, um die jungfräuliche
Geburt und um die Weissagung Simeons wußte. Ließen nicht gerade
diese Ereignisse das Verhalten ihres Kindes noch seltsamer erscheinen?
Man kann auch nicht sagen, daß Maria, wie ihr Hochgesang bei der
Base Elisabeth zeigte, von ihrer Sendung so erfüllt war, daß keine
Heimsuchung ihr das Bewußtsein hiervon rauben konnte. Vielleicht
darf man ihr Leben vergleichen mit dem der Propheten, die einmal
über Menschenhöhe hinausgehoben sind und darin eine Kraft haben,
welche die Geschichte aus den Angeln hebt, ein anderes Mal aber
zerschlagen und in Ohnmacht und Finsternis den Unsicherheiten
und Stürmen des Daseins ausgesetzt sind (R. Guardini, Der Herr,
Würzburg 1959 !!, 28). Von dem Glanze der Verkündigungsstunde und
des Besuches bei Elisabeth fiel kein Licht in die Seele Marias, als sie
ihr Kind drei Tage suchte. Doch wenn ihr Geist sein Verhalten und
sein Wort auch nicht durchdringen konnte, so war doch ihr Herz dem
Rufe Gottes gewachsen. In ihm bewahrte sie alle die Dinge, die sie
mit ihrem Kind erlebte. Dort wuchs es wie auf einem Ackerfeld bis zu
der schwersten Stunde, die ihr Gott schickte, bis zum Tode ihres Sohnes.
Was war da von der Verheißung des Engels noch übriggeblieben? Konnte
Gott wirklich seinen Sohn in diese Qual und Schmach hineingehen
lassen? Marias Glaube blieb ungebeugt und ungebrochen. Was sich auf
Golgotha begab, mochte die Kraft ihres Verstehens noch mehr über-
steigen als alles Vorausgehende. Sie hatte bis dahin alle Schritte, die
Christus seinem Erlöserschicksal entgegenführten, mitgetan. So war
sie gerüstet für diese Stunde. Die Kraft ihrer Liebe und ihrer Hingabe
an dem Willen des Vaters, der immer neue Überraschungen für sie
bereit hatte, war zu einer solchen Stärke herangereift, daß sie auch
das Kreuz mit lebendigem Glauben umfangen konnte. Jetzt ist sie
imstande, vom sterbenden Sohn das Wort zu hören, mit dem er
sich nochmal von ihr zu entfernen scheint, und es zu ertragen, daß
er nicht mehr ihr Sohn ist, sondern daß dies hinfort ein anderer sein
soll, der neben ihr steht. Der bisher ihr Sohn war, steht als Erlöser
und Mittler der Welt allein auf dem schmalsten Grat der Schöpfung
vor der Gerechtigkeit Gottes (R. Guardini, a. a. O.). Aber gerade indem
$ 150 Geistig-geistl. Leben der menschl. Natur Christi: sein Erkenntnisleben 225

sie in fragloser, vorbehaltloser Bereitschaft ohne Zaudern und Zögern


im Glauben den Willen Gottes ergreift, steht sie ihm näher, als es
durch die innigste Verbundenheit im Leiblichen jemals erreicht wer-
den kann.
So gewann Maria ihre Vollendung, indem sie ihr Ich immer ent-
schiedener aufgab und immer lebendiger aus dem göttlichen Du heraus
lebte. Wie der Sünder in der Verweigerung des Gehorsams, in dem
Versuch, selbstherrlich sein Leben zu gestalten, den Tod fand, so fand
sie in dem Gehorsam das Leben. So ist sie Königin der Engel und
Heiligen, der Sitz der Weisheit, die Trösterin der Betrübten, die Hel-
ferin der Christen geworden (vgl. $ 161; siehe für diese Darstellung
J. Weiger, Maria die Mutter des Glaubens, Würzburg 1940).

8 150
Das geistig-geistliche Leben der menschlichen Natur Christi:
sein Erkenntnisleben

Vorbemerkung

Das geistig-geistliche Leben der menschlichen Natur Christi er-


hält seine Eigenart, seine Hoheit, seinen Reichtum und seine Tiefe
dadurch, daß sein ontologischer Träger das göttliche Ich der zweiten
Person Gottes, der Logos, ist. Dieses ist es, das sowohl in der gött-
lichen als auch in der menschlichen Natur die Akte des Denkens, des
Wissens, des Liebens, des Wollens trägt. Wenn sich schon das ge-
wöhnliche menschliche Geistesleben letztlich dem Zugriff unseres Er-
kennens in eine unerreichbare Ferne hinein entzieht, wenn schon
jeder Mensch für jeden anderen ein undurchdringliches Geheimnis ist,
so ist in einer besonders verdichteten Weise das menschliche Leben
Christi für uns ein undurchdringliches Geheimnis. Sein menschliches
Erkennen, Wollen und Lieben kommt aus einer unermeßlichen Tiefe
heraus und kehrt wieder in sie zurück: aus der göttlichen Person
des Logos. Es überschreitet sich ständig auf das Ich Gottes hin. Dabei
hört es nicht auf, ein vollmenschliches Leben zu sein.
Wir versuchen zunächst das Erkenntnisleben Jesu Christi zu be-
schreiben. Dabei müssen wir unterscheiden zwischen seinem Wissen
als Selbstbewußtsein und seinem Wissen als einem gegenständlichen
Kennen. In der heutigen Christologie werden Unterschied und Zu-
sammenhang zwischen diesen beiden Formen seines Erkenntnislebens

15 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


226 Geistig-geistl. Leben der menschl. Natur Christi: sein Erkenntnisleben $ 150

auf mannigfache Weise diskutiert. Hierauf wurde schon bei der Dar-
stellung der hypostatischen Union hingewiesen. Denn die Erklärung
der hypostatischen Union und das Problem des geistigen Lebens Jesu
sind auf das engste miteinander verbunden. So kann in der heutigen
Christologie geradezu der Versuch unternommen werden, aus den
kurzen Angaben der Heiligen Schrift über das geistige Leben Jesu,
also aus psychologischen Gegebenheiten, ein tieferes und umfassen-
deres Verständnis der Ontologie als der Seinsgrundlage seines geisti-
gen Lebens zu gewinnen. Zunächst soll das Selbstbewußtsein Jesu
erörtert werden. Es muß hierbei manches in Erinnerung gerufen
werden, was schon in der Darstellung der hypostatischen Union ge-
sagt wurde.

Erstes Kapitel
Das Selbstbewußtsein Christi

In der heutigen Diskussion über das Selbstbewußtsein Jesu


handelt es sich vor allem um die Frage, ob sich der Mensch Jesus der
hypostatischen Union bewußt, ob also die hypostatische Verbunden-
heit mit dem Logos ein Element seines menschlichen Selbstbewußt-
seins ist. Man kann auch fragen, ob wir in Christus ein zweifaches
Ich, nämlich ein menschliches psychologisches und ein ontologisches
göttliches anzunehmen haben. Letztlich steht die Einheit des Bewußt-
seins Jesu Christi trotz der Verschiedenheit der Naturen zur Frage.
Die von der heutigen Theologie gegebenen Antworten seien in Kürze
angeführt.
P. Galtier versucht, die Struktur des geistigen Lebens Jesu von der Trini-
tätslehre her zu interpretieren. Er behauptet, daß der Logos unter den göttlichen
Personen die einzige Person sei, die ein eigenes Bewußtsein besitzt, und zwar des-
halb und nur deshalb, weil er allein eine menschliche Natur angenommen habe.
Das göttliche Bewußtsein sei wegen der Einzigkeit des göttlichen Wesens niemals
einer Person allein eigen. Der Akt, durch den sich eine göttliche Person als solche
erkennt, gehöre ihr nicht in höherem Maße an als ihre Natur und ihr Erkenntnis-
vermögen. In dieser Überlegung wird wohl zu wenig betont, daß sich die göttlichen
Personen jeweils als Personen erkennen und voneinander unterschieden wissen. Die
menschliche Natur Jesu hat nach Galtier ein eigenes Aktzentrum ihres psychischen
Lebens. Die Akte, die der menschlichen Natur Jesu entspringen, seien nach der Lehre
der Schrift und der kirchlichen Überlieferung auf einen Mittelpunkt bezogen, welcher als
Ich bezeichnet werden könne. Dieses menschliche Ich besitze ein menschliches Selbst-
bewußtsein, sei sich jedoch in diesem Selbstbewußtsein der Verbundenheit mit dem
himmlischen Logos als seinem Subsistenzgrund nicht bewußt. Hiervon wisse der
menschliche Geist nur durch die gegenständliche unmittelbare Schau Gottes, nicht
S 150 Das Selbstbewußtsein Christi 227

aber durch das bewußtseinsmäßige Beisichselbstsein. Würde der menschliche Geist


Jesu Gott nicht schauen, dann wäre er sich seines ontologischen Ich nicht bewußt.
Als Grund für diese Erklärung führt Galtier an, daß der Menschheit Christi und
daher auch dem menschlichen Bewußtsein strenge Autonomie bzw. Spontaneität zu-
kommt. Eine „Logoshegemonie“ ist nicht anzunehmen. Trotz der hypostatischen
Union übe der Logos keinen Einfluß auf die Tätigkeit der menschlichen Natur
Christi aus, sodaß diese ein eigengesetzliches Aktzentrum bilde. Galtier beruft sich
auch auf ein Axiom des Thomas von Aquin: Esse et operari est personae a natura
(Summa theol. III q. 19 a.1 ad 4), d.h. was die Person an Sein, Wert, Würde und
Aktivität besitzt, verdankt sie der Natur. Für sich allein übe die Subsistenz, welche
die ratio formalis der Person ist, keine Aktivität aus. Das bedeute natürlich nicht, daß
die menschliche Natur Christi ohne Wissen und Einverständnis des Logos oder un-
abhängig von ihm handeln könne. Nur auf dem Wege über sein göttliches Wesen
könne der Logos die menschliche Natur Christi leiten. Daß der Logos nicht als
Person im Unterschied von den beiden anderen göttlichen Personen auf die gött-
liche Natur Jesu einwirken könne, sei durch die Wahrheit von der Untrennbarkeit
und Einzigkeit des göttlichen Wirkens nach außen gewährleistet. Die menschliche
Natur Jesu selbst werde trotz ihrer Eigengesetzlichkeit von dem menschlichen Be- `
wußtsein nicht als Person wahrgenommen. Denn die Person steht außerhalb des
Wahrnehmungsbereiches des menschlichen Bewußtseins. Insbesondere dürfe man
Bewußtsein und Personsein nicht gleichsetzen. Es gebe zwar kein Bewußtsein ohne
Ich-Erfahrung. Diese letztere müsse man jedoch im menschlichen Bewußtsein Christi
anders analysieren als bei jedem sonstigen Menschen. In seiner Ich-Erfahrung er-
fahre der Mensch Jesus Christus eine menschliche Natur, nicht aber eine mensch-
liche Person. Daher entgeht dem menschlichen Bewußtsein Jesu seine eigentliche
Konstitution. Von dieser erhalte er auf einem anderen Wege, nämlich durch die
unmittelbare Gottesschau Kenntnis. Die beseligende Gottesschau mache es unmög-
lich, daß der Mensch Jesus Christus in seinen menschlichen Aussagen, in denen er
auf menschliche Weise Göttliches von sich aussagt, z.B. in der Aussage „Ich bin
Gott“ das Wort „Ich“ im Sinne einer menschlichen Personalbezeichnung versteht. Die
Menschheit Jesu Christi wisse nicht, daß ihre bewußten Akte dem Logos angehören.
Sie sind ja Akte des Menschen Christus. Dieser stellt nach Galtier eine persona com-
posita dar. Im Lichte der Gottesschau werde das Ich als Ausdruck des ganzen
Christus erkannt, zu dem sowohl die Gottheit als auch die Menschheit gehörten
(P. Galtier, L’unit€ du Christ. Être. Personne. Conscience, Paris 1939?).

Von den Ansichten Galtiers unterscheiden sich die Erklärungen der Thomisten.
Als deren Vertreter seien P. Parente und H. Diepen genannt. (Auch B. M. Xiberta
gehört in diesen Kreis. Er verwendet zur Erklärung des Problems den platonischen
Gedanken von der Teilhabe.) Die Thomisten nehmen nur ein einziges Ich in Jesus
Christus an, nämlich das ontologische Ich des Logos. Im menschlichen Bewußtsein
Jesu stelle sich seine Ontologie dar. Deshalb sei sich der Mensch Jesus seiner Ver-
bundenheit mit dem Logos als dem Subsistenzträger in seinem menschlichen Be-
wußtsein bewußt. Selbst wenn Christus die unmittelbare Gottesschau nicht zu eigen
wäre, wäre er sich in seinem Beisichselbstsein der Zugehörigkeit zum Logos als
seinem Subsistenzgrund bewußt. Parente unterscheidet sich von Diepen vor allem
dadurch, daß er der menschlichen Natur Jesu nicht ein eigenes Sein zuspricht,
während Diepen ein solches von ihr aussagt. Nach Parente gibt es in Christus nur

152
Geistig-geistl. Leben der mensch), Natur Christi: sein Erkenntnisleben § 150
928

e
ein einziges Sein, nämlich das Sein des Logos. Durch dieses werde die menschlich
Natur aktuiert. Der Grund, warum Parente dem Menschen Jesus ein menschliches
Sein abspricht, liegt bei ihm darin, daß er Sein und Personsein auf das engste
miteinander verknüpft sieht. Wo menschliches Sein, sei auch menschliche Person.
Parente lehrt, wie man sieht, eine äußerst enge Einheit von Ontologie und Psycho-
logie in Jesus Christus. Das menschliche Bewußtsein stehe infolge der hypostatischen
Union immerfort unter dem Einfluß des Logos. Es besitze seinem göttlichen Träger
gegenüber eine besondere Offenheit, analog der im desiderium naturale begründeten
Offenheit, welche durch Gnade “und Glorie aktuiert wird. Das Bewußtsein Christi
befindet sich nach Parente in der Lage, deren sich der Mystiker erfreut, nur mit
dem Unterschied, daß die Logoserfahrung Christi weit über alles hinausgeht, was
die Mystiker jemals erleben. Der Logos spreche in Christus als wirkursächlich
handelndes Prinzip mittels des menschlichen Bewußtseins auf menschliche Weise
sein Ich aus. Die These Parentes ist von eindrucksvollster Geschlossenheit und Kon-
sequenz. Es fragt sich jedoch, ob sie die menschliche Natur Christi nicht gefährdet.
Diepens Ansicht läßt sich so zusammenfassen: Unser menschliches Bewußtsein kon-
statiert Akte, welche ihm eine personhafte Natur nahelegen. Das Bewußtsein Jesu
Christi hingegen nimmt Akte einer Natur wahr, die diese nicht selber setzt. Das
menschliche Bewußtsein Christi sieht nämlich Akte der menschlichen Natur als die
Akte eines Trägers, welcher von der Natur selber verschieden ist, ohne diesen nennen
zu können. Christus erfährt, insofern er Mensch ist, psychologisch die Abhängigkeit
seines Bewußtseins von einem souveränen Unbekannten. Durch die intuitive Gottes-
schau wird dieser Unbekannte als der göttliche Logos erkannt (siehe P. Parente,
L’Io di Christo, Brescia 19552).

Zu einer kurzen Würdigung der beiden hier angeführten Hauptthesen läßt


sich folgendes sagen: Wenngleich, wie Galtier betont, die Wirksamkeit der göttlichen
Personen nach außen ein untrennbares Handeln darstellt, so läßt sich doch auf keine
Weise leugnen, daß nur der Logos, das vom Vater seit Ewigkeit gesprochene Wort,
jene Verbindung mit der menschlichen Natur eingegangen ist, die wir die hypo-
statische Union nennen. Selbst wenn die menschliche Natur Jesu Christi von der
ganzen Trinität bewirkt wurde, so ist sie doch nur mit einer göttlichen Person hypo-
statisch geeint. Man kann sagen: Hinsichtlich der Wirkursächlichkeit sind die gött-
lichen Personen ein einziges, wenn auch gemäß der personalen Eigenart gestuftes
Prinzip. Hinsichtlich der Formalursächlichkeit oder der Quasiformalursächlichkeit
gilt jedoch dieser Grundsatz nicht. Man muß aber dem Logos in Hinsicht auf seine
menschliche Natur wohl Formalursächlichkeit zuschreiben. Denn er teilt sich ihr mit.
Die Formalursächlichkeit stellt indes keineswegs reine Passivität dar, auch ihr kommt
vielmehr eine gewisse Aktivität zu. In der These Galtiers werden auch die onto-
logische und die psychologische Dimension zu sehr auseinandergerissen. Parentes
Erklärung scheint dem Gesamtkomplex der hypostatischen Union wesentlich mehr
gerecht zu werden. Seine Schwierigkeit besteht freilich, wie schon gesagt wurde,
darin, daß er der menschlichen Natur das eigene Sein absprechen muß. Wie früher
gezeigt wurde, kann sich nach dem derzeitigen Stand der Forschung diese These
nicht mehr auf Thomas von Aquin berufen. Es fragt sich jedoch, ob diese Schwierig-
keit nicht ein unvermeidliches Element des Christusmysteriums ist und daher er-
tragen werden muß. Im übrigen vermag Parente die durch die hypostatische Union
begründete und verbürgte Einheit Jesu Christi gut verständlich zu machen.
§ 150 Das Selbstbewußtsein Christi 229

E. Gutwenger versucht in seinem Werke „Bewußtsein und Wissen Christi“


(Innsbruck 1960) das Problem weiterzuführen. Er geht davon aus, daß nach dem
Zeugnisse der Evangelien die Ich-Aussagen Jesu sich jeweils nicht auf die mensch-
liche Natur, sondern auf die Person beziehen. Sie bezeichnen die Person Jesu Christi.
Diese aber ist der Logos. Infolgedessen kann man in Christus kein psychologisches
menschliches Ich annehmen. Dennoch gibt es im Menschen Jesus ein menschliches
Aktzentrum. Im Interesse der wahren Menschheit Jesu Christi darf nämlich diè
Spontaneität der Menschheit Jesu nicht gefährdet werden. Zum menschlichen Bewußt-
sein gehören an sich drei Momente: In seinem Bewußtsein weiß sich der Mensch
von anderen verschieden, er weiß sich ferner als der Grund und die Ursache der
Bewüßtseinsakte, er weiß sich endlich frei. Im menschlichen Bewußtsein Jesu Christi
besteht hinsichtlich des ersten Momentes eine einmalige gewaltige Ausnahme. Denn
dem Logos gegenüber weiß sich das menschliche Bewußtsein Christi nach Gutwenger
in einmaliger und mysterienhafter Weise verbunden. Das Aktzentrum des mensch-
lichen Bewußtseins Christi weiß sich daher eingebettet in die Person des Logos nach
der Weise der hypostatischen Union. Durch die Erfahrung ihres Verknüpftseins mit
dem Logos weiß die menschliche Seele Christi um ihre hypostatische Abhängigkeit
von ihm. Eine Ich-Aussage Christi ist erst durch das Urerlebnis des In-sich-selbst-
Stehens bzw. des Sich-von-allen-Unterscheidens möglich. Die Seele Christi besitzt das
hypostatische Eingebettetsein in die Person des Logos als unmittelbaren Bewußt-
seinsinhalt. Die Bewußtseinswahrnehmung der menschlichen Natur als des Akt-
zentrums, das in derselben Wahrnehmung gegebene Erleben der hypostatischen
Einung mit dem Logos und des Sich-von-allem-Unterscheidens bilden also die Ele-
mente des Icherlebnisses, auf dem die Ichaussagen Christi aufgebaut sind. Diese Er-
lebnisse stellen eine abgerundete Einheit dar, von der Menschliches und Göttliches
ausgesagt werden kann. Menschliches auf Grund des menschlichen Aktzentrums,
Göttliches wegen des Logos, der die menschliche Natur Christi in die hypostatische
Union aufgenommen hat. Doch bedürfen diese Feststellungen noch einer weiteren
Durchleuchtung und genauen Abgrenzung. Wörtlich sagt Gutwenger: „Trotz der be-
wußtseinsmäßigen Erfahrung des Logos als des Trägers der menschlichen Natur,
die sich im Bewußtsein als Aktzentrum äußert, wird bewußtseinsmäßig miterfaßt,
daß der Logos nicht identisch ist mit der menschlichen Natur, die im Aktzentrum
des Bewußtseins zu sich selber kommt, jedoch so, daß sie sich zu gleicher Zeit be-
wußt ist, dem Logos zu eigen zu sein und ihn als ihre Subsistenz ansehen zu müssen.
Deshalb allein, weil der Logos in das Bewußtsein eintritt und Bewußtseinstatsache
wird, ist noch kein Grund da, ihn als ‚Ich‘ anzusprechen, ebensowenig wie man
Bewußtseinsakte als ‚Ich‘ anspricht. Denn sie werden als etwas erlebt, das vom
Aktzentrum durchaus verschieden ist, und dienen dazu, daß sich das Aktzentrum
als Aktzentrum erlebt. Die Gegenwart im Bewußtsein genügt also noch nicht, etwas
als ‚Ich‘ anzusehen oder als ein Konstitutiv des spezifischen Icherlebnisses gelten
zu lassen. Ein solches Konstitutiv ist aber immer das ins Bewußtsein gehobene Akt-
zentrum.

So bleibt demnach nichts anderes übrig, als in der Gesamtheit und Erlebnis-
einheit, bestehend aus Aktzentrum, Logos, dem hypostatischen Eingebettetsein des
Aktzentrums in die Person des Logos und dem von allem sonstigen in Selbständig-
keit Abgehobensein das Icherlebnis der Seele Christi zu erblicken. In der Bewußt-
seinserfahrung Christi ist also eine persona composita gegeben, und zwar dergestalt,
930 Geistig-geistl. Leben der mensch), Natur Christi: sein Erkenntnisleben $ 150

daß die Eigenschaften und Handlungen des jeweiligen Quasi-,Teils‘ vom Ganzen
prädiziert werden. Das bedeutet im einzelnen, daß von diesem Ganzen, nämlich vom
inkarnierten Logos, der auf die eben beschriebene Weise zum Icherlebnis seiner
geschaffenen Natur wird, sowohl Göttliches als auch Menschliches ausgesagt werden
kann, weil dieser inkarnierte Logos eine göttliche und eine menschliche Natur be-
sitzt. Doch wird es sich empfehlen, dieses Bewußtseinsfaktum der Seele Christi mit
Hilfe einer theologischen Phänomenologie noch genauer zu durchleuchten.“
Die menschliche Natur Jesu Christi sei berechtigt, den Logos als ihren Logos
anzusehen und ihn in das Aktzentrum ihres Bewußtseins derartig innig hereinzu-
nehmen, daß sie die lebensvolle Einheit von Aktzentrum und Logos als ihr „Ich“
anreden müsse. Bei der Perichorese, dem Einwohnen der menschlichen Natur in der
Hypostase des Logos und dem Einwohnen des Logos in der menschlichen Natur als
in seiner neuen Seinsweise, könne das menschliche Bewußtseinszentrum Christi den
Logos in einer viel sublimeren Weise als ihren An-„Teil“ ansehen als die Seele den
Körper oder umgekehrt.
Diese Überlegungen führen Gutwenger zu einem trinitarischen Aspekt. Er macht
darauf aufmerksam, daß die ganze unendliche, eine Substanz Gottes von den gött-
lichen Relationen durchtränkt und durchformt ist. Demgemäß wisse sich der Vater
als Vater, der Sohn als Sohn, der Geist als Geist. Die Liebe des Vaters zum Sohn
sei väterliche und nicht sohnhafte Liebe, die Liebe des Sohnes zum Vater sei sohn-
hafte, aber nicht väterliche Liebe. Wenn nun der Sohn sich seiner Menschheit in
hypostatischer Einung mitteille und zum Konstitutiv seines menschlichen Selbst-
bewußtseins werde, so teile sich, weil sich die hypostatische Einung nach dem Schema
der Quasi-Formalursächlichkeit betrachten lasse, der formale Bezug zum Vater hin
der Menschheit Christi mit. Wie die Menschheit Christi durch die hypostatische
Union eine Prägung erhalte, die sie zur menschlichen Natur des Sohnes mache, ebenso
werde sie durch die Sohnschaft des Sohnes besiegelt und sei damit in die Relation
zum Vater hin mit einbezogen, so daß in Wahrheit der Mensch Jesus Christus der
Sohn des ewigen Vaters sei. Auch das menschliche Bewußtsein göttlicher Sohnschaft
sei der hypostatisch geeinten Menschheit eingepflanzt. Denn die mit der Sohnschaft
des Sohnes besiegelte Menschennatur Christi werde sich dieser Relation bewußt,
durch die sie über ihre göttliche Subsistenz mit dem Vater verbunden sei. Indem
nämlich Christus auf menschliche Weise den Vater als Vater anspreche, sei er sich
auf menschliche Weise der Sohnesbeziehung bewußt. Man dürfe deshalb sagen, daß
das Bezogensein eine unmittelbare Bewußtseinsgegebenheit der Menschheit Christi
sei und weiterhin, daß diese Bezogenheit auf den Vater hinziele, insofern er in der
Gottesschau klar gesehen werde.
Die Interpretation Gutwengers dürfte das Problem des Selbstbewußtseins Jesu
gut erklären (vgl. auch A. Grillmeier, Vorbereitung der Formel von Chalkedon, in:
A. Grillmeier -H. Bacht, Das Konzil von Chalkedon, Würzburg 1951, I, 5—202; der-
selbe, Vorbereitung des Mittelalters, ebda., II, 791—839. H. Diepen, La psychologie du
Christ selon saint Thomas d’Aquin, in: Revue Thomiste 50, 1950, 515—562. P. Galtier,
La conscience du Christ à propos de quelques publications récentes, in: Gregorianum
32, 1951, 533 f. G. M. Xiberta, El Yo de Jesucristo, Barcelona 1954).
§ 150 Das gegenständliche Wissen Jesu 231

Zweites Kapitel
Das gegenständliche Wissen Jesu

Zunächst muß man feststellen, daß trotz der engen Verbindung


zwischen dem göttlichen Ich des Sohnes Gottes und dem menschlichen
Geiste die Allwissenheit Gottes nicht auf diesen überströmen konnte.
Denn kein Geschöpf kann Gottes Allwissenheit in sich aufnehmen,
da jedes Geschöpf endlich ist. Man wird jedoch den Umfang des
Wissens Christi wegen der innigen Vereinigung mit dem allwissenden
Gott sehr weit ziehen müssen. Man muß das Wissen Christi so er-
klären, daß es sowohl seiner ontologischen Struktur als auch seiner
heilshaften Funktion angemessen ist. Man kann zwei Bereiche des
Wissens Christi unterscheiden: Gott und das Geschöpf.

I. Die Gottesschau Christi


Es ist zwar kein Glaubenssatz, aber die allgemeine Lehre der
heutigen Theologen, daß Christus auch in seiner Pilgerzeit die un-
mittelbare Gottesschau besaß. Diskutiert wird dabei die Frage, ob die
unmittelbare Gottesschau für Christus ähnlich wie die Gottesschau
der vollendeten Geister jenseits des Todes den Charakter der Beseli-
gung hatte oder nicht.
Für die unmittelbare Gottesschau gibt es keine endgültige kirch-
liche Lehrentscheidung und auch kein formelles Schriftzeugnis. Es
wurde jedoch vom S. Officium am 5. Juni 1918 gegenüber einigen an
der Gottesschau zweifelnden Theologen erklärt, daß es für den Glauben
(für das gläubige Verständnis Christi) nicht gefahrlos sei (tuto doceri
non posse), das Gegenteil zu behaupten. Papst Pius XII. hat sich zwei-
mal zu der Frage geäußert, ohne jedoch eine Lehrentscheidung zu
geben. In der Enz. „Mystici Corporis“ wird die These aufgestellt, daß
Jesus Christus in jener seligen Schau, deren er sich erfreute, alle
Glieder des mystischen Leibes Christi immer gegenwärtig waren (D.
2289). Ferner hat der Papst in der Enz. „Haurietis aquas“ vom 15. Mai
1956 zu den Wissensarten Jesu Christi auch die Gottesschau gezählt.
In der Geschichte der Theologie ist die These von der unmittel-
baren Schau Gottes von seiten Jesu Christi von Augustinus (De diver-
sis quaestionibus, 65) einmal beiläufig ausgesprochen worden. Im
übrigen haben die Väter zwar Christus ein denkbar vollkommenes
Wissen zugeschrieben. Aber erst Hugo von St. Viktor hat im 12. Jahr-
hundert die Gottesschau Jesu Christi in klarer und entschiedener
932 Geistig-geistl. Leben der mensch), Natur Christi: sein Erkenntnisleben $ 150

Weise vertreten. Von da ab wurde sie von den Theologen immer


allgemeiner angenommen, und zwar mit Berufung sowohl auf die
Heilige Schrift als auch auf die ontologische Struktur Jesu Christi,
also auf positive und spekulative Argumente. In der Theologie des
18. und des 19. Jahrhunderts freilich wurde sie gelegentlich bezweifelt
oder abgelehnt, z.B. von B. Stattler (gest. 1797), von M. Dobmeyer
(gest. 1805), von G. Hermes (gest. 1831), von A. Günther (gest. 1863),
von H. Klee (gest. 1840), von F. X. Dieringer (gest. 1876), insbesondere
aber von H. Schell (gest. 1906). Diese Theologen beriefen sich darauf,
daß man die unmittelbare Gottesschau Jesu nicht oder nur schwer
mit dem Bilde in Einklang bringen könne, welches die Schrift von
Jesus als einem wahren Menschen zeichne.
In Wahrheit jedoch bietet die Schrift, wenn auch kein formelles
Zeugnis, so doch eine zuverlässige Grundlage für die angeführte Lehre.
Jesus beteuert nämlich in menschlichen Worten, als dieser Mensch,
daß er in seinen Mitteilungen über das Reich Gottes von dem rede,
was er wisse, daß er bezeuge, was er gesehen habe. Er spricht als
Augen- und Ohrenzeuge (Lk 2, 39; Jo 1, 18; 3, 11. 31f. 34 f.; 5, 19 f.
30; 7, 29; 8, 14. 38. 55; 10, 15; 15, 20; 17, 55; 16, 15). Von dem Gesichts-
punkt der Heilssendung Christi aus läßt sich sagen, daß er auch als
Mensch jene Sicherheit und Gewißheit besitzen mußte, welche für
seine Verkündigung notwendig war. Wenn Christus der Weg zur
Vollendung in Gott sein sollte, mußte er selbst wissen, wer Gott ist
und was die Vollendung in ihm bedeutet.

II. Christi Kenntnis der außergöttlichen Dinge


Christus hatte von den außergöttlichen Dingen jenes Wissen, das
seiner Würde als Haupt der Schöpfung, als Erstgeborener unter vielen
Brüdern zukommt. Da er alles im Himmel und auf Erden mit dem
Vater versöhnen sollte (Eph 1, 10), so schreiben ihm die meisten
Theologen ein irrtumsfreies Wissen der gesamten Wirklichkeit, der
Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft (relative Allwissen-
heit) zu. Man kann jedoch Christus nicht zuschreiben das Wissen
alles dessen, was möglich ist. Wenn in der Väterzeit und in der frühen
Scholastik gelegentlich derartige Übertreibungen vorgekommen sind,
so sind sie mehr dem Enthusiasmus als dem nüchternen theologischen
Denken entsprungen. Abaelard und seine Schule haben mit Berufung
auf die Geschöpflichkeit der menschlichen Natur Christi die Auffas-
sung zurückgewiesen, der Wissensumfang der Seele Christi sei so groß
wie der Wissensumfang Gottes.
8 150 Das gegenständliche Wissen Jesu 233

Daß hingegen die gesamte Wirklichkeit Gegenstand des Wissens


Christi ist, kann man daraus erschließen, daß Christus im anderen
Falle seine universale, die ganze Welt umgreifende Aufgabe als Erst-
geborener der Schöpfung und als Erlöser von der Sünde nur unvoll-
kommen gekannt hätte. In der gegen den Modernismus gefällten Ent-
scheidung „Lamentabili“ (D. 2032ff.) wird die Anschauung verworfen,
daß nach dem Ausweis der Evangelien das Wissen Christi begrenzt
und dem Irrtum unterworfen gewesen sei. Das S. Officium hat in der
schon genannten Äußerung vom 5. Juni 1918 ausgesprochen, daß es
für die gläubige Erkenntnis nicht gefahrlos (tuto) sei, wenn man dem
Wissen Christi Schranken setze.
Man wird wohl annehmen dürfen, daß Christus die Wirklichkeit
in dem Wesen Gottes, welches er unmittelbar schaute, miterkannte.
Denn die gesamte Wirklichkeit ist im Wesen Gottes wie in ihrem
Urbilde gegeben, und zwar nicht bloß als eine Möglichkeit, sondern
als die von Gott beschlossene und realisierte Welt, sowohl in ihrem
substanziellen Sein als auch in ihrem Verlauf. Dies bedeutet nicht,
daß jeder, der die göttliche Substanz schaut, auch schon alles Ge-
schaffene mitschaut. Es wird vielmehr in der göttlichen Substanz
nur so viel an außergöttlicher Wirklichkeit erkannt, als Gott in seiner
Selbstenthüllung schauen läßt. Daß Christus alles Wirkliche schaute,
daß also Gott dem Menschen Jesus in dem Blicke auf das göttliche
Wesen auch die gesamte Wirklichkeit zeigte, ist in der Aufgabe Jesu
Christi begründet.
Für das Verständnis dieses so bestimmten Umfanges des Wissens
Christi ist die Unterscheidung der Wissensarten von Wichtigkeit. Die
Theologen nehmen außer dem intuitiven Wissen der Gottesschau noch
zwei weitere Wissensmodi an: ein eingegossenes, von Gott der Seele
Christi geschenktes, und ein erworbenes, durch die Erfahrung ge-
wonnenes Wissen. Das erstere vollzieht sich durch Erkenntnisbilder,
die unmittelbar von Gott verliehen werden. Wenn Christus diese
Wissensform zugeschrieben wird, dann geschieht es, weil ihm keine
Vollkommenheit abgesprochen werden soll, welche einem Geschöpf
zukommt. Nun aber besitzen die Engel eingegossenes Wissen. Daher
wird man es auch dem Haupte der Engel zubilligen müssen. Das
eingegossene Wissen ist ein zuständliches (habituelles) Wissen.
Was die Gewißheit der Lehre von den verschiedenen Wissens-
arten betrifft, so wird durch die Heilige Schrift das erworbene Wissen
Jesu Christi unmittelbar und in aller Form bezeugt.
934 Geistig-geistl. Leben der menschl. Natur Christi: sein Erkenntnisleben § 150

Was hingegen das eingegossene Wissen betrifft, so schreiben die


heutigen Dogmatiker Christus dieses zu. Es wird gelegentlich auch
in kirchlichen Lehräußerungen genannt (z.B. in den im Zusammen-
hang mit der Gottesschau erwähnten Äußerungen Pius’ XII.).
Zum ersten Mal tritt indes die These von dem eingegossenen
Wissen Christi in der Glossa Alexanders von Hales auf (hierüber
wird ein demnächst erscheinendes großes Werk von E. Gößmann
näheren Aufschluß geben). Zur Begründung führt die Glossa an, daß
Christus als Wiederhersteller der durch Adam zerstörten Ordnung
auch die Adam vor der Sünde eigenen übernatürlichen Gaben gehabt
haben müsse. Dazu habe aber das eingegossene Wissen gehört. Außer-
dem war in der Lehre Alexanders das aus der Patristik ererbte Prin-
zip von der höchsten Vollkommenheit des Wissens Jesu Christi wirk-
sam. Dieses Prinzip verlange nicht nur, daß Christus alles wisse,
sondern daß er alles auf jede Wissensart wisse. Man wird der These
von dem eingegossenen Wissen eine gewisse Wahrscheinlichkeit nicht
absprechen dürfen. Es wird weder durch die Gottesschau, noch durch
das erworbene Wissen Jesu Christi völlig überflüssig.
E. Gutwenger versucht es folgendermaßen in das Ganze des Wissens Jesu
Christi einzuordnen (Bewußtsein und Wissen Christi, Innsbruck 1960, 142): „Es
wurde schon früher betont, daß die Schau der existenten Dinge in Gott unbegriff-
lich und darum zunächst unaussagbar ist. Die Transponierung aus der unkonzep-
tuellen Sphäre in die konzeptuelle muß aber irrtumslos verlaufen. Voraussetzung
für ein vollkommenes Gelingen (besonders wenn das Göttliche und Übernatürliche
ausgesagt werden soll) ist eine starke schöpferische Begabung, die imstande ist, aus
dem irdischen Raum die Bilder und Gleichnisse so zu wählen, daß das Ewige und
Unsichtbare aus ihnen hervorleuchten kann. Die Auswahl der Bilder und Worte
verlangt ein untrügliches Urteil, das der Lenkung und des Beistandes Gottes bedarf.
Könnte man nicht den ganzen Komplex der Erleuchtungen, der zum Zweck der
wirkungsvollen und irrtumslosen Transponierung des Unaussprechlichen auf die
Ebene des Aussagbaren gegeben wird, als scientia infusa ansehen? Wie in diesem
Fall die Erleuchtung eine echte und wichtige Funktion versieht, so würde die scientia
infusa eine wichtige Funktion versehen und sich harmonisch in das menschliche
Bewußtsein Christi einfügen.“

Diese Wissensart darf nicht dazu verleiten, das erworbene Wissen


Christi zu verkürzen. Denn das würde eine Verkürzung und Schmäle-
rung seiner wahren menschlichen Natur bedeuten und zum Mono-
physitismus führen. Da entsteht die Frage, ob denn das erworbene
menschliche Wissen noch ernst genommen werden kann, wenn Chri-
stus in der Gottesschau und durch eingeschaffene Erkenntnisbilder
doch die gesamte Wirklichkeit umgreift. Ist dann das erworbene
Wissen nicht überflüssig? Man muß zwischen dem zuständlichen
S 150 Das gegenständliche Wissen Jesu 235

(habituellen), vorbewußten und dem tatwirklichen (aktuellen), be-


wußten Wissen unterscheiden. In der ersten Weise wissen wir um
die Dinge, die wir nicht denken, die aber in den weiten Räumen
unseres Gedächtnisses gegenwärtig sind. Dieses vorbewußte, nicht
in Begriffe und Vorstellungen gefaßte Wissen, liegt jeder bewußten,
in der Klarheit des begrifflichen Unterscheidens und Verbindens
geübten Erkenntnis zugrunde.
„Manchmal wird das sozusagen handgreiflich beim Künstler und Gelehrten,
dem plötzlich gewaltige, ausgeformte Werke und Gestalten wie aus dem Nichts ent-
steigen; welcher Vorgang, gern als Intuition bezeichnet, unerklärlich ist, wenn nicht
diese Werke und Gestalten im Geiste bis ins einzelne, ja einzelnste schon vorgeformt
gewesen sind: in der Weise wirklicher, wenn auch nicht beachteter Erkenntnis.
Je höher die Stufe eines Menschengeistes ist, je reicher seine wirkliche Entfaltung
und Vertiefung, um so größer wird die Rolle dieser Vorformung in der Intuition
oder im habituellen Wissen“ (D. Feuling, Katholische Glaubenslehre, Salzburg-
Leipzig 19503, 380).
Das eingegossene Wissen Christi ist ähnlich jenem Glaubens-
wissen, das jeder mit der Taufe empfängt, zunächst unterhalb der
Schwelle des Bewußtseins, bis die Erfahrung es zum Vollbewußtsein
ruft. Auch von der Gottesschau darf man sagen, daß Christus sie nicht
immer auf jede menschliche Wissensart hatte. Gott konnte hindern,
daß sie über die Schwelle des vordergründigen Bewußtseins hinüber-
ging. Während, um einen Ausdruck der Mystiker zu gebrauchen, die
Spitze (acies mentis) seines menschlichen Geistes in die Herrlichkeit
des Gottessohnes eingetaucht war, konnten die Bezirke, in welchen
sich das bewußte, in Bildern und Begriffen verlaufende Leben des
Alltags vollzieht, erfüllt sein von den Dingen der Erde. Man kann
sich mit einem augustinischen Gedanken den Sachverhalt auch durch
die Annahme von Schichtungen in der menschlichen Natur vorstellen.
Die innerste Schicht (nach Augustinus die mens superior) blickt in
Gottes Schönheit hinein, in die mehr nach außen liegende Schicht,
der das Bewußtsein zugehört (mens inferior), wirkt dieses Schauen
nicht hinein. Das bedeutet nicht, daß Jesu menschliche Natur die
Gottesschau vergessen konnte. Es besagt bloß, daß die Gottesschau
in sich selber nicht begrifflich ist und daher nicht notwendigerweise
durch Begriff und Vorstellung im engeren Sinne vollzogen zu werden
braucht.
Der Unterschied zwischen vorbegrifflicher und begrifflicher Er-
kenntnis, zwischen bildhafter und bildloser Schau dürfte wohl die
Hauptdifferenz in dem Verhältnis von Erfahrungswissen und Gottes-
schau, bzw. eingegossenem Wissen Christi darstellen. Die Betonung
236 Geistig-geistl. Leben der mensch), Natur Christi: sein Erkenntnisleben § 150

dieses Unterschiedes gefährdet in keiner Weise die Einheit im Be-


wußtsein und im Wissen Jesu. Sie stellt keinerlei Bewußtseinsspal-
tung dar. Sie verdient auch nicht etwa den Vorwurf einer Stockwerks-
theorie. Sie ist vielmehr im Wesen des menschlichen Erkennens selbst
begründet, insofern die geistige Seele trotz ihrer metaphysischen Ein-
fachheit infolge ihrer Verbundenheit mit der Materie zum mensch-
lichen Leib Funktionen von verschiedener Qualität ausübt.
Im Mittelalter war es vor allem Bonaventura, welcher der hier angeführten
Erklärung gehuldigt hat (Sentent. III d. 14 a. 1). Dieser Theologe führt aus, daß
Christus nicht in actu erkennt, worauf er nicht ausdrücklich seine Aufmerksamkeit
richtet.
E. Gutwenger (a.a.O., 130—133) nimmt zu dem Problem folgendermaßen
Stellung: „Um nochmals auf die Unterscheidung zwischen habitueller und aktualer
Erkenntnis zu sprechen zu kommen, so ist zu sagen, daß sich diese Auffassung in
der Franziskanerschule durchgesetzt hat und von Duns Scotus mit viel Scharfsinn
verfochten worden ist. Allerdings ist auch nach ihm, wo es um die sekundären
Objekte der Gottesschau geht, kein Unterschied zu machen zwischen der Schau der
realen und der Schau der möglichen Dinge. Wichtig ist aber bei ihm der aus der
Erfahrung gewonnene und schon bei Bonaventura angedeutete Grundsatz, daß die
Erkenntnis des Einzelobjekts desto mehr an Vollkommenheit verliert, auf je mehr
Objekte sich die Aufmerksamkeit richtet. Dieser Grundsatz ist auch metaphysisch
einsichtig. Dem begrenzten Wesen des Menschen entspricht auch nur ein begrenztes
Ausmaß an Aufmerksamkeitsenergie. Wird diese Aufmerksamkeitsenergie zu gleicher
Zeit auf verschiedene Objekte verstreut, so wird die Erfassung des Einzelobjekts
proportionell reduziert. Nach Thomas besitzt Christus eine aktuale Erkenntnis aller
geschaffenen Dinge. Daß die Erkenntnisfähigkeit des Menschen übernatürlich derart
gestärkt werden kann, daß eine solche umfassende und ins einzelne gehende Schau
zur Wirklichkeit wird, läßt sich nicht als widerspruchsvoll nachweisen. Daraus folgt
aber noch nicht, daß es auch so sein muß. Die bei dergleichen Erwägungen zur Ver-
handlung kommenden Begriffe sind zu leer, um etwas Entscheidendes ausmachen
zu können. Der aus der Erfahrung gewonnene und mit der Begrenzung des mensch-
lichen Wesens zusammenhängende Grundsatz der Aufmerksamkeitsbegrenzung ist
ein viel solideres Fundament für die Erforschung der Seele Christi.
In der Lehre Bonaventuras und des Doctor subtilis sind uns zwei Vorteile
gegeben: 1. bleibt eine relative Allwissenheit Christi gewahrt, und 2. ist zur Wah-
rung der relativen Allwissenheit Christi die aktuale Erkenntnis aller in Gott emi-
nenter enthaltenen kreatürlichen Dinge nicht notwendig. Von hier aus wird es auch
möglich, einen echten Wissensfortschritt, bzw. ein gelegentliches Nichtwissen Christi
zuzugeben. Wenn wir das an einem Bilde erläutern wollen, so ließe sich vielleicht
am besten folgendes sagen: Wenn jemand auf eine weite Landschaft blickt und sie
auf sich wirken läßt, so sieht er zwar die einzelnen Bäume und sieht sie auch
wieder nicht. Er sieht sie, insofern er das Ganze sieht, das seine Teile in sich be-
greift. Er sieht sie aber nicht als einzelne Dinge. Um diesen oder jenen Baum in
sich zu betrachten, bedarf es der Lenkung und Einstellung der Aufmerksamkeit.
Dem Blick auf die ganze Landschaft entspricht nach dem heiligen Bonaventura die
habituelle Erkenntnis, der Anvisierung des Einzelobjekts die aktuale Erkenntnis.
§ 150 Das gegenständliche Wissen Jesu 237

Angewandt auf Mk 13, 32 bedeutet das also, daß Christus aus der Gottesschau
weiß, daß die Verkündigung der Stunde des Endgerichts an die Menschen nicht dem
Willen des Vaters entspricht. In Gehorsam wird der gottschauende Christus nicht
jene verhüllte Wahrheit sehen wollen; oder in unserer vorher gebrauchten Termino-
logie: er wird seine Aufmerksamkeit nicht auf jene Wahrheit richten und sie nicht
zur aktualen Erkenntnis werden lassen. Nur in diesem Sinn kann wahrheitsgemäß
und ohne eine restrictio mentalis gesagt werden, der Sohn kenne jenen Tag und
jene Stunde nicht.
Es läßt sich wohl im allgemeinen sagen, daß die Aufmerksamkeit des gott-
schauenden Christus von seiner Sendung her normiert wurde; das heißt aus den
sekundären Objekten der Gottesschau fielen tatsächlich nur jene unter seine aktuale
Erkenntnis, die mit seiner Sendung zu tun hatten ..
Man ist auf Grund unserer Ergebnisse auch nicht gezwungen, anzunehmen, daß
die gottschauende Seele Christi alle Sprachen, alle Künste und alle Wissenschaften
verstand. Und hier fügt sich auch der Wissensfortschritt ein, von dem Lk 2, 52
spricht, und jene anderen Texte, die den Herrn als fragend und sich wundernd ein-
führen. Obwohl Christus ein habituelles Wissen aller existierenden Dinge besaß,
ließ er, was die Frage nach dem aktualen Erkennen betrifft, willentlich weite Lücken
offen, in die sich die scientia acquisita einordnen konnte.
Das erworbene Wissen Christi besitzt aber noch eine zusätzliche Funktion.
Das Wissen der Gottesschau ist unkonzeptuell und daher unaussprechbar. Christus
aber sagt das aus, was er in der Gottesschau gesehen hat (Jo 3, 11: „Wir reden, was
wir wissen, und wir bezeugen, was wir gesehen haben“). Es muß also eine Um-
setzung des Unaussagbaren ins Sagbare vorgenommen werden. Zu diesem Zweck
muß das aus der Gottesschau Gewußte mit den Bildern und Wahrheiten des natür-
lichen und erworbenen Wissens in Vergleich gesetzt, auf die Ebene der analogen
Wahrheit gebracht und so aussprechbar gemacht werden. Das gilt insbesondere von
den göttlichen Mysterien.“
R. Haubst hat solche wohl zum ersten Mal von D. Feuling (Kath. Glaubens-
lehre, Salzburg 19503) ausgesprochenen Erwägungen folgendermaßen vertieft (Die
Gottanschauung und das natürliche Erkenntniswachstum Christi, in: Tübinger theol.
Quartalschrift 137, 1957, 406): „Andererseits scheint es aber für eine geschaffene,
begrenzte menschliche Seele, auch für diejenige Jesu, gänzlich unvollziehbar, daß
sie zugleich alles, was ihr im göttlichen Schöpfungsplan unmittelbar schaubar präsent
ist, bewußt bis in alle Einzelheiten erfasse. Angesichts des primitiven Weltbildes
früherer Zeiten konnte man derartiges vielleicht noch eher für möglich halten. Wer
heutzutage die Größe des astronomischen Weltalls und zugleich den mikrophysika-
lischen Kosmos des Inneratomaren und die Geheimniswelt dessen, was sich allein
in jeder einzelnen Lebenszelle abspielt, bedenkt, wird es hingegen sowohl für un-
möglich wie für unnötig halten, daß die menschliche Seele Jesu jeden einzelnen
solcher Vorgänge bis ins kleinste mitschaute.“ Später (S.408) heißt es: „Die Seele
Jesu blickt immerzu hin auf den ihr sichtbar oder hörbar gegenwärtigen Willen des
Vaters: der Menschensohn war bis zur Selbstaufopferung in seinem Leiden an diesen
ihm klar erkennbaren Willen hingegeben.“
938 Geistig-geistl. Leben der menschl. Natur Christi: sein Erkenntnisleben § 150

Drittes Kapitel
Gottesschau und Erfahrungswissen nach der Schrift

Mit diesen Überlegungen kann man einigen Tatsachen gerecht


werden, welche durch die Evangelien bezeugt sind und die sonst jeder
Erklärung zu spotten scheinen.
Einmal bezeugt das Evangelium (Lk 2, 40. 52), daß Jesus nicht
bloß körperlich wuchs und erstarkte, sondern auch geistig. Er nahm
zu an Weisheit, an Alter und Wohlgefallen vor Gott und den Men-
schen. Christus wollte alle Menschenwege der Kindheit, Jugend, Jung-
mannschaft und Mannesreife gehen. Er war weder in seiner Jugend
unkindlich altklug, noch in seinen Mannesjahren unmännlich kind-
lich. Dies mag seinen Sinn darin haben, „daß er die Fülle jenes
Reichtums vollmenschlich besitzen sollte, die dem Menschen gerade
durch die langsame Entfaltung im leiblich-sinnlich-geistigen Erwach-
sen zufällt: ihm zufällt als die Frucht personaler Selbstbewegung,
Selbstentwicklung durch eigene Tätigkeit. Es ist dabei auch dessen
zu gedenken, was der heilige Thomas in diesem Sinn- und Sachzu-
sammenhange sagt: daß Jesus in seiner menschlichen Verwirklichung
nicht jener Vollkommenheit des geschaffenen, personalen Wesens er-
mangeln sollte, die in der freien Selbsterwerbung und der freien
Selbstgestaltung immer liegt; denn es sei größer und von höherem
Werte und Sinne, wenn jemand etwas, das er ohne seine eigene Tätig-
keit von anderen und von Gott empfangen könnte, dennoch durch
seine Tat und Wahl selbst erwerbe“ (D. Feuling, Katholische Glau-
benslehre, Salzburg 19503, 378). Nun ist es ein Gesetz der mensch-
lichen Entwicklung, daß die Entfaltung des Geistes Schritt hält mit
der Entfaltung des Leiblichen, das dem Geiste als Werkzeug dient.
Das Gehirn des Kindes kann dem Geiste noch nicht für jene Tätig-
keiten als Werkzeug dienen, für welche er das entfaltete Gehirn eines
Erwachsenen braucht. Die Sinne vermögen um so mehr Weltstoff
aufzunehmen und dem Geiste zur Bearbeitung darzubieten, je ent-
falteter und gereifter sie sind. Die Sinnenreife hat daher hohe Be-
deutung für die geistige Tätigkeit (Feuling).
Auch Christus gewann mit dem leiblichen Wachstum mannig-
fachsten Zuwachs an sinnlicher Erfahrung und mit ihr auch an
geistiger, begrifflicher Erkenntnis. Was den Inhalt dieser Erkenntnis
angeht, so bedeutet sie keine Bereicherung des menschlichen Geistes
Christi über das hinaus, was er infolge der unmittelbaren Gottesschau
S 150 Gottesschau und Erfahrungswissen nach der Schrift 239

oder der eingeschaffenen (eingegossenen) Erkenntnisbilder ohnehin


schon wußte. Aber was bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht über
die Schwelle des in Begriffen und Bildern erkennenden Bewußtseins
trat, überschritt diese in dem von Gott hierfür bestimmten Lebens-
alter Christi, zu der den Umständen angepaßten Stunde. In diesem
Sinne gewann Christus durch die Erfahrung wirklich einen Zuwachs
an Wissen. In sein vordergründiges Bewußtsein trat, was vorher
nicht dort war. In diesem Sinne konnte Christus überrascht werden,
insofern er erfuhr, was er bisher nicht mit dem vordergründigen Be-
wußtsein umfaßte.
Er konnte fragen und hören (Mk 6, 38; 9, 20; 11, 13; Jo 11, 34).
Die Evangelien bezeugen, daß er staunte und sich wunderte (Mt 8,
10; Mk 6, 6). Wie dieses Wissen aus den Tiefen des vorbegrifflichen
Wissens in die Klarheit des begrifflich und vorstellungsmäßig scharf
umrissenen Bewußtseins herauf kam, so trat es auch heraus vor das
Auge und Ohr der Menschen. Den Zuschauern offenbarte sich immer
mehr, was es um Christus war.
Thomas von Aquin behandelt die Frage, ob sich Christus verwundern konnte.
Er antwortet: „Eigentlicher Gegenstand der Verwunderung ist das Neue und Un-
gewohnte. Für Christus gab es aber Neues und Ungewohntes weder seinem gött-
lichen noch seinem menschlichen Wissen nach, mit dem er die Dinge im Worte
schaute oder sie durch eingegossene Erkenntnisbilder erkannte. Für sein Erfahrungs-
wissen jedoch konnte ihm Neues und Ungewohntes begegnen, denn da brachte ihm
jeder Tag Neues. Wenn wir deshalb bei Christus von göttlichem Wissen oder von
seiner seligen Gottesschau oder auch von seinem eingegossenen Wissen sprechen,
dann war in ihm Verwunderung ausgeschlossen. Sprechen wir aber von seinem
Erfahrungswissen, dann war in ihm Verwunderung wohl möglich“ (Summa theo-
logica III, 15. Frage, Art. 8, Deutsche Thomas-Ausgabe, Bd. 25, Salzburg-Leipzig
1934, 361).
Wie umfassend das Erfahrungswissen Christi ist, ersieht man
aus seinen Gleichnissen. Warm und lebendig zeichnen sie in kurzen
Strichen „das Treiben des Bauern und Fischers und Winzers, des
Perlenhändlers, des Pächters und Kaufmanns, des Taglöhners, des
Baumeisters und des Gärtners, der Hausfrau und der einsamen Witwe
bis hinauf zum Richter, zum Kriegsherrn und König, und so bunt und
wechselreich, angefüllt mit tausend Schatten und Lichtern beschreiben
sie den Alltag, das lärmende, spielende Kind auf der Straße, den
breiten Gebetsriemen und die langen Quasten des Schriftgelehrten,
den Hochzeitszug in stiller Nacht, das heitere Mahl, die strenge Eti-
kette der festlichen Tafel, den armen, wunden Bettler auf der Straße,
die Arbeitslosen, die an den Ecken und Zäunen herumstehen, weil sie
240 Geistig-geistl. Leben der menschl. Natur Christi: sein Erkenntnisleben § 150

niemand gedungen hat, den verschüchterten Zöllner in der Ecke des


Tempels, das arme Weib in der Kammer, das ein Licht anzündet, um
nach dem verlorenen Heller zu suchen, die glückliche Wöchnerin, die
angesichts ihres Kindchens der ganzen überstandenen Angst vergißt,
den reichen Bauern, der sich behäbig vergnügt zum Schlafen nieder-
legt, weil seine Scheunen gefüllt sind“ (K. Adam, Jesus Christus,
Düsseldorf 19498, 113 f.). Er zeigte sich aufs beste vertraut mit den
sozialen, wirtschaftlichen und politischen Zuständen und Einrich-
tungen. Daß er sie nimmt, wie sie sind, verrät seinen Wirklichkeits-
sinn. In den Gleichnissen bekundet sich auch ein scharfes und lieben-
des Auge für die Natur. Was er sah und hörte, was ihm der Augen-
blick, die Umgebung, die Landschaft darboten, verwandte er als Gleich-
nis für das Gottesreich. Vor allem bringt er den Menschen ein offenes
Herz entgegen (vgl. R. Guardini, Die menschliche Wirklichkeit des
Herrn. Beiträge zu einer Psychologie Jesu, Würzburg 1958).

Viertes Kapitel
Gottesschau und Irrtumslosigkeit Christi

Die Schrift berichtet ferner, daß Christus sagte, die Stunde und
den Tag des Gerichtes wisse niemand, nicht einmal der Menschen-
sohn (Mk 13, 32). Auf der anderen Seite scheint es, als ob er den Tag
des Weltgerichtes irrigerweise für nahe bevorstehend gehalten habe
(Mt 16, 28). Wenn Christus sich die Kenntnis des Gerichtstages, des
Tages seiner eigenen Wiederkunft abspricht, so kann man sagen, daß
die vom Vater gewollte Gehaltenheit seiner Gottesschau wirksam ist.
„Wenn es der Absicht Gottes des Vaters — damit aber auch der Absicht des
Sohnes Gottes wie des Heiligen Geistes — nicht entsprach, daß Jesus für die Men-
schen, zur Offenbarung an die Apostel, wußte, wann er wiederkehren werde, so
folgte ohne weiteres, daß Jesu menschlicher Erkenntniswille die eingegossene Er-
kenntnis, die er davon besaß, nicht zum begrifflich-vorstellungsmäßigen Bewußtsein
aufrief; und dann konnte, ja mußte er im eigentlichen Wortsinne der gemeinen
Menschenrede sagen und bekennen, daß er, der Menschensohn, davon nicht Kenntnis
habe“ (D. Feuling, a.a. O., 409).

Konnte die „Verhaltenheit“ der Gottesschau einen solchen Grad


erreichen, daß sich in den Vordergrund seines Bewußtseins der Irr-
tum einschleichen konnte? Da es das göttliche Ich des Gottessohnes
ist, welches den Erkenntnisakt des menschlichen Geistes trägt (nicht
der Verstand erkennt, sondern die Person durch den Verstand),
müßte der Logos einen Irrtum Christi verantworten. Daraus ersieht
S 150 Gottesschau und Irrtumslosigkeit Christi 241

man, daß Christus innerlich und wesenhaft keines Irrtums fähig ist.
Daß Christus den Gerichtstag tatsächlich nicht für nahe bevorstehend
hielt, ergibt sich aus seinem Auftrag, das Evangelium in der ganzen
Welt zu verkünden, aus seinen Gleichnissen vom Sauerteig, vom Senf-
körnlein, vom Unkraut auf dem Acker, vom Winzer, vom zögernden
Bräutigam. Erst um Mitternacht erscheint der Bräutigam, den die
Jungfrauen erwarten (Mt 25, 6). Der in die Ferne gezogene Herr
kehrt erst nach langer Zeit zurück, um von seinen Knechten Rechen-
schaft zu fordern (Mt 25, 19). Nur weil der Herr zu kommen säumt,
vergeudet der gewissenlose Hausverwalter das ihm anvertraute Gut
(Mt 24, 48 ff.). Auf der anderen Seite freilich versichert Christus tat-
sächlich, daß „dieses Geschlecht nicht vergehen wird, bis das alles
geschieht“ (Mk 13, 32; Mt 24, 34). Man versucht, die Frage im Lichte
des prophetischen Sendungsbewußtseins Jesu Christi folgendermaßen
zu lösen:

„Jesus weiß sich hier und jetzt als den, der das Dereinst und das Jetzt, die
Endzeit und die jetzige Generation in seiner Person zugleich umgreift. Er weiß sich
schon jetzt im konkreten Augenblick als den, der dereinst, umgeben von allen seinen
Engeln, auf dem Throne der Herrlichkeit sitzen, der alle Völker vor sich versammeln
und sie voneinander scheiden wird ... Indem sich Jesus selbst als den dereinstigen
Weltrichter und als den König des neuen Reiches bezeugt, tritt für sein Bewußt-
sein dieses kommende Reich bereits irgendwie in seine Gegenwart herein. In
seinem Selbstbewußtsein begegnen sich Gegenwart und Zukunft, ja Zeit und Ewig-
keit. In einer uns gewöhnlichen Sterblichen unfaßbaren prophetischen Schau faßt
er den gegenwärtigen Richter und das kommende Gericht, den gegenwärtigen König
und sein kommendes Reich, das gegenwärtige Geschlecht und den heranbrechenden
neuen Äon zu einem einzigen Wirklichkeitserlebnis zusammen. Das große Kommende
ist für ihn. irgendwie schon da, in seiner Person, und es wird sich noch in dieser
Generation machtvoll offenbaren ... Wohl steht die äußere Herrlichkeit und der
volle Endsieg, der endgültige Durchbruch der Gottesherrschaft noch aus. Sein Reich
ist insofern wesenhaft ein Werdendes, ein immerzu Kommendes. Darum ist und
bleibt Jesus in einer steten inneren Spannung und Bewegung auf die Zukunft hin.
Er ist und bleibt eschatologisch gerichtet. Aber weil er sich als den weiß, in dem
dieses große Kommende schon in allernächster Zukunft in immer neuen Offen-
barungen und Machttaten aufquillt, als den, von dem jenes Letzte Gericht und jene
Gottesherrschaft schon in dieser Generation ihren Ausgang und Fortgang nimmt.
darum kann er in einem wahren, tiefen Sinn das Kommen des Reiches für die aller-
nächste Zeit verkünden. Sein Wort vom Reich und vom Kommen in Kraft ist eben
deshalb doppelsinnig. Es gilt gleichmäßig von der Endzeit wie von der Gegenwart
oder vielmehr: es gilt von der auf die Endzeit innerlich hinbezogenen, in sie auf-
genommenen Gegenwart. Seiner prophetisch-messianischen Absicht entsprach es, nicht
so sehr ihr chronologisches Nacheinander als vielmehr ihr wesenhaftes Ineinander
und Zueinander zu offenbaren“ (K. Adam, Jesus Christus, Düsseldorf 19498, 159—
161; vgl. derselbe, Der Christus des Glaubens, Düsseldorf 1956 ?).

16 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


249 Geistig-geistl. Leben der menschl. Natur Christi: sein Erkenntnisleben $ 150

Christi Blick in die Zukunft ist danach charakterisiert durch


die „prophetische Perspektive“ (L. Billot), in welcher ähnlich den
hintereinander emporsteigenden, weit voneinander entfernten Berg-
gipfeln die entscheidenden Ereignisse der Zukunft nahe aneinander-
rücken, ja sich ineinanderschieben und die dazwischenliegenden Zei-
ten. übergangen werden (vgl. die Lehre von den Letzten Dingen,
Bd. IV 2).
Von anderer Seite wird eine solche Erklärung für unhaltbar ge-
halten. Danach beziehen sich die Verse Mk 13, 14—27 auf den Unter-
gang Jerusalems, nicht auf das Weltende. Erst von Vers 24 ab ist vom
Weltuntergang die Rede. Die Zeitdauer zwischen der Vers 14—23 be-
schriebenen Drangsal und dem Ende der Welt bleibt völlig unbestimmt.
Mk 13, 28—37 bezieht sich nicht auf das Weltende, sondern auf die
Zerstörung Jerusalems. Damit entfällt der Grund für die Behauptung,
Jesus wolle in Vers 30 seine Wiederkunft noch für die Zeit vor dem
Aussterben der damals lebenden Generation ankündigen (siehe
J. Schmid, Das Evangelium nach Markus, Regensburg 1958*, z. St.).

Fünftes Kapitel

Gottesschau und Leiden Christi

Das Dritte, das die Schrift bezeugt und das mit der immer-
währenden Gottesschau schwer vereinbar zu sein scheint, sind das
Leid, die Trauer und die Angst, die Christus empfindet (Mt 26, 30.
36—46; Mk 14, 26. 32—42; Lk 22, 39—46; Jo 11, 35. 38).
Thomas von Aquin behandelt diese Schwierigkeit in mehreren Fragen: Konnte
die Seele Christi leiden? (Summa theologica III, 15. Frage, Art. 4): „Solange die
Seele mit dem Körper verbunden ist, kann sie zweierlei Leid erfahren: Einmal durch
körperlichen Schmerz, wie bei Verletzungen des Körpers. Da nämlich die Seele die
Form des Körpers. ist, so bilden beide nur ein Sein; ist daher der Leib durch
körperlichen Schmerz aus seiner natürlichen Verfassung gebracht, so muß auch die
Seele dabei in Mitleidenschaft gezogen werden. Allerdings nicht in ihrem inneren
Wesen, wohl aber, soweit sie dem Körper innewohnt. Weil also Christi Leib leidens-
fähig und sterblich war, so mußte auch seine Seele in dieser Form Leiden erfahren
können. Seelenleiden im eigentlichen Sinn erfährt aber die Seele bei jener Tätig-
keit, die ihr allein oder doch wenigstens mehr als dem Körper eignet. Zwar kann
man auch bei der Verstandes- und Sinnestätigkeit von einem ‚Erleiden‘ in diesem
Sinne sprechen, jedoch kommen hier vor allem die eigentlichen Regungen des
niede-
ren Strebevermögens in Betracht. Diese finden wir in Christus, wie alles
übrige,
was zur menschlichen Natur gehört ... Jedoch muß man wissen, daß derartige
Re-
gungen des Gemütes bei Christus sich von den unsrigen in drei Punkten
unter-
§ 150 Gottesschau und Leiden Christi 243

scheiden: Erstens im Gegenstand; bei uns nämlich richten sie sich nur zu oft auf
Unerlaubtes, bei Christus niemals. Zweitens in ihrem Entstehen; bei uns kommen
sie nur zu oft dem Urteil der Vernunft zuvor, in Christus dagegen stiegen alle Re-
gungen des niederen Strebevermögens nur nach der freien Anordnung der Vernunft
auf. Daher lesen wir bei Augustinus in seinem Buch über den Gottesstaat: »Wie
Christus aus freiem Willen Mensch werden wollte, so hat er auch kraft eines un-
erschütterlichen freien Willensentschlusses in seiner Seele solche Regungen zu-
gelassen.« Drittens unterscheiden sie sich in ihrer Wirkung: bei uns bleiben der-
artige Gemütserregungen bisweilen nicht auf das niedere Strebevermögen beschränkt,
sondern reißen die Vernunft mit fort; bei Christus aber war das ausgeschlossen.
Denn bei ihm waren die Regungen, die nun einmal mit dem menschlichen Fleische
gegeben sind, vollkommen beherrscht und gingen in ihrer Wirkung nie über das
niedere Strebevermögen hinaus. Folglich war auch die Vernunft von ihnen in keiner-
lei Weise am rechten Handeln gehindert.“ Zu der wichtigen Frage, ob die Seele
Christi Trauer empfinden konnte, sagt Thomas (Ebenda, Art. 6): „Durch ein Macht-
wunder Gottes war in Christus die volle Gottesschau auf den Geist beschränkt, so daß
sie nicht auf die niederen Seelenkräfte überströmte und dadurch jeden sinnlichen
Schmerz ausschloß. Bei Leid und Traurigkeit handelt es sich nun um Gefühle,
die beide im sinnlichen Strebevermögen wurzeln und sich nur durch einen ver-
schiedenen Gegenstand oder Beweggrund unterscheiden. Denn der Gegenstand und
der Beweggrund des Schmerzes sind eine Verletzung, die der Tastsinn wahrnimmt,
wie das z.B. bei einer Verwundung der Fall ist. Dagegen sind der Gegenstand und
der Beweggrund der Traurigkeit ein Schaden oder ein Übel, die man innerlich emp-
findet, d.h. mit der Vernunft oder mit der Einbildungskraft wahrnimmt, so z.B.,
wenn man über den Verlust einer Gunst oder des Vermögens trauert. Nun ver-
mochte die Seele Christi sehr wohl etwas als Übel zu empfinden: an sich selber
— das Leiden oder den Tod — oder bei anderen: die Sünden seiner Jünger oder
auch die der Juden, die ihn töteten. Wie es daher in Christus einen wirklichen
Schmerz geben konnte, so auch wahre Traurigkeit; freilich anders als bei uns, aus
den drei Gründen, die wir anführten, als wir vom Leiden Christi im allgemeinen
sprachen.“ Ob es in Christus Furcht gibt, beantwortet Thomas so (Ebenda, Art. 7):
„Traurigkeit entsteht, wenn wir ein gegenwärtiges Übel wahrnehmen; Furcht da-
gegen, wenn wir ein drohendes ahnen. Sieht man ein Übel schon mit Gewißheit
herannahen, dann ruft es keine Furcht hervor; daher sagt Aristoteles: »Furcht findet
sich nur, wo noch Hoffnung ist zu entrinnen; denn gibt es keine Hoffnung auf
Rettung, dann fassen wir das Übel als bereits gegenwärtig auf, und so entsteht
eher Traurigkeit als Furcht«. Man kann also bei der Furcht zweierlei berücksich-
tigen: Erstens das niedere Strebevermögen, das von Natur aus vor jeder körperlichen
Verletzung zurückweicht. Ist diese da, dann entsteht Traurigkeit; droht sie nur, dann
ruft sie Furcht hervor. In dieser Hinsicht finden wir in Christus beides: Furcht und
Traurigkeit. Zweitens die Ungewißheit eines zukünftigen Geschehens; z. B. er-
schrecken wir nachts bei einem Geräusch, da wir nicht wissen, was geschehen ist.
Eine solche Furcht gab es in Christus nicht“ (Übers. nach der Deutschen Thomas-
Ausgabe, Bd. 25, Salzburg-Leipzig 1934, 347 ff. 355. 358 f.).
Der Grundgedanke dieser Ausführungen ist dieser: Die mehr
nach außen liegenden Bereiche des menschlichen Geistes (die augusti-
nische mens inferior), in denen sich das bewußte, begrifflich um-

16*
244 Geistig-geistl. Leben der mensch), Natur Christi: sein Erkenntnisleben § 150

schriebene, in die Vorstellung eingegangene Leben des Geistes ab-


spielt, ist nicht überflutet von der Herrlichkeit Gottes — Gottes Macht
verhindert dies —, die das innere Auge des Geistes schaut. Sie können
daher eingetaucht sein in Schmerz und Trauer, Entsetzen und Furcht.
Weil die Gottesherrlichkeit gehalten war, so daß sie nicht vordrang
bis in die äußeren Bezirke des menschlichen Bewußtseins, hatte um-
gekehrt der menschliche Geist Gelegenheit, immer tiefer in die eigene
Gottesfülle einzugehen.
Man muß sagen, daß Christus eine größere Fähigkeit und mehr
Anlaß zu Angst und Trauer hatte als jeder andere Mensch. Er sah
mehr als jeder andere die Macht des Bösen, der menschlichen Ver-
blendung und Verstocktheit, die Ohnmacht und Gefährdung des Guten,
die Ungesichertheit des Daseins. Er war hellsichtiger und wacher
gegenüber dem Furchtbaren als alle anderen. Er hatte daher mehr
Fähigkeit und Grund, Angst zu haben als alle anderen Menschen, um
so mehr, als er alle Furchtbarkeiten der Welt zu tragen und zu über-
winden hatte. So ist Christus, der gekommen ist, um uns von der
Sünde zu erlösen, auch in das aus dem Geheimnis der Sünde gezeugte
Mysterium der Angst eingegangen.
E. Gutwenger führt im Interesse der Harmonisierung von Gottesschau und
Leidensfähigkeit bis zur Todesbetrübnis und dem Verlassensschrei am Kreuze einen
bisher von der Theologie nicht beachteten Gedanken ein. Er unterscheidet nämlich
zwischen der unmittelbaren Gottesschau und der beseligenden unmittelbaren Gottes-
schau. Wenn die Theologen und auch die in Frage kommenden kirchlichen Lehr-
-äußerungen die unmittelbare Gottesschau auch eine beseligende nennen, so glaubt
Gutwenger doch die These, daß die Gottesschau immer beseligend sei, ein Theo-
logumenon, das heißt eine theologische Theorie, nennen zu können, da in den
kirchlichen Lehräußerungen über das Verhältnis von Gottesschau und Beseligung
ebensowenig formell reflektiert werde wie in den theologischen Aussagen. Aufgrund
einer solchen Unterscheidung nimmt er an, daß sich Gott in dem Akte, in welchem
er sich dem Menschen unverhüllt zeigt, nicht nur als erfüllende Liebe, sondern auch
als strafende Gerechtigkeit, ja nur als solche zeigen kann. Er sagt hierüber folgendes
(a.a. O., 154f.):
„Soll der am Ölberg leidende Christus irgendwie verstanden werden, so muß
man ihn unter der Rücksicht eines Menschen sehen, der als das Haupt der mensch-
lichen Familie die Sündenlast der Welt auf sich genommen hat und als solcher vor
dem Antlitz des beleidigten und erzürnten Gottes steht. Gerade weil Christus weiß,
was die Sünde ist, fühlt er sich vom furchterregenden Anblick des gerechten Gottes
erdrückt. Das Zittern und Zagen am Ölberg muß vor allem unter diesem Gesichts-
winkel gedeutet werden, denn die Angst Christi lediglich als unqualifizierte Angst
vor dem biologischen Tod anzusehen, geht schon darum nicht an, weil der Tod
eines jeden Menschen und in ungleich höherem Maß der Tod Christi ein theolo-
gisches Geschehen darstellen.
S 150 Gottesschau und Leiden Christi 245

Nicht anders steht es mit dem Verlassenheitsschrei am Kreuz. In den Stunden


des blutigen Opfersterbens ist die Güte und Vaterliebe Gottes gleichsam in die Ver-
schleierung gerückt, und dominierend tritt der beleidigte und Genugtuung heischende
Gott in den Gesichtskreis der Gottesschau. Wiederum niedergeschmettert von den
Sünden, die er auf sich genommen, und körperlich dafür als Sühneopfer zu Tode
gepeinigt, ruft Christus die Worte aus: »Gott, mein Gott, warum hast du mich ver-
lassen!« Wie immer diese Worte exegetisch gedeutet werden mögen, so spiegelt. sich
dennoch in ihnen die psychische Situation Jesu wider, die allerdings nicht im Zeichen
der Beraubung der Gottesschau stand, aber gerade deshalb sinngemäß dahin aus-
gelegt werden muß, daß in der Gottesschau die beleidigte und zu versöhnende
Majestät des Unendlichen beherrschend in den Vordergrund trat. Ob die Gottesschau
zu einem bestimmten Zeitpunkt beglückend ist, hängt von der existentiellen und frei
gewollten Stellung ab, die ein Mensch zu Gott bezogen hat. Aus diesem Grunde
schließt die Gottesschau noch nicht das Leiden aus. Daß der sterbende Christus in
der Wahl des Opfertodes frei war und darum auch frei die Gottverlassenheit wählte,
um das Opfer bis in seine letzten Tiefen auszuleiden, entspricht der Kenosis, die
er für sein irdisches Leben anstrebte und die ihrerseits erklärlich wird durch seine
'ehrfürchtige Erkenntnis des von den Menschen zurückgewiesenen Gottes und den `
Ernst des Erlöserberufs.
Wenn wir beim Gespräch über das Leiden Christi den Gedanken der Kenosis
aufgeworfen haben, so darf dieser auch für das übrige Leben des Herrn richtung-
weisend sein. Dafür bürgt die allgemein gehaltene Aussage des heiligen Paulus im
Philipperbrief 2, 5—8. Wenn auch diese Stelle zunächst besagt, Christus habe ver-
zichtet, auf Erden ein von göttlicher Glorie verklärtes Leben zu führen, so ist in
unserem Zusammenhang der Akzent auf den positiv gehaltenen Wortlaut des
7. Verses zu legen, wo es heißt, Christus sei den Menschen gleich geworden. Wenn
dann in der Folge die Worte stehen, er sei in seiner sichtbaren Erscheinung als
Mensch befunden worden, so soll doch damit die Tatsache betont werden, daß die
Beschaffenheit seiner menschlichen Natur durchaus jener der anderen Menschen
entsprach. In der wahrnehmbaren Erscheinung des Herrn deutete aber nichts auf
eine übernatürliche, himmlische Beseligung seiner Seele hin. Da es zur Struktur des
Menschen gehört, daß sich seine Seele und ihre Zustände in seinem Körper, in seinen
Worten, Handlungen und Gesten ausdrücken, so müßte ein Dauerzustand, wie es
das himmlische Glück ist, sich nach außen hin manifestiert haben. Falls man etwa
die Verklärung Jesu auf dem Berge Tabor ausklammert, weiß die Schrift nichts
davon zu erzählen. Es dürfte darum dem schlichten Wortlaut der evangelischen
Berichte mehr entsprechen, wenn man annimmt, daß die Gottesschau des irdischen
Christus nicht einfachhin mit der visio beatifica gleichzusetzen sei.
Wenn aber auf die Frage geantwortet werden soll, worin die existentielle
Stellung Christi während seines irdischen Lebens gesehen werden muß, so gibt uns
Paulus in der eben zitierten Stelle seines Philipperbriefes Aufschluß: »... er ward
gehorsam bis zum Tode ...« Dieser restlosen Gehorsamshaltung entsprach das
immerwährende Schauen und Lauschen auf den Willen Gottes. Seine Gottesschau
konzentrierte sich deshalb auf diesen Aspekt Gottes. In seiner Gottesliebe schätzte
er den Willen des Vaters höher ein als die himmlische Beglückung seiner Seele.“
246 Geistig-geistl. Gepräge der menschl. Natur Christi: Begnadigung usw. $ 151

$ 151
Das geistig-geistliche Gepräge der menschlichen Natur Jesu Christi:
ihre Begnadigung und ihre Heiligkeit

Wir können eine seinshafte (objektive) und eine gesinnungs-


mäßige (subjektive) Heiligkeit Christi unterscheiden (vgl. Bd. I § 76).

Erster-Artikel

Die seinshafte Heiligkeit Christi

Die seinshafte Heiligkeit Christi ist eine ungeschaffene und eine


geschaffene.

Erstes Kapitel
Die ungeschaffene seinshafte Heiligkeit Christi

Die menschliche Natur Christi ist durch die Verbindung mit dem
Sohne Gottes geweiht und geheiligt, weil und insofern sie an der un-
erschaffenen Heiligkeit (vgl. $ 10) teilnimmt (gracia unionis, sub-
stanzielle Heiligkeit). Die Heiligkeit Gottes wird dabei nicht eine
akzidentielle Eigenschaft der menschlichen Natur Christi. Diese emp-
fängt vielmehr daraus, daß sie in der Kraft des göttlichen Ich existiert,
welches personhafte Heiligkeit, Würde und Erhabenheit ist, daraus
also, daß die personhafte Heiligkeit selbst ihr Ich ist, auch ihrerseits
Heiligkeit und Würde, Weihe und Erhabenheit. Weil der aus Maria
geborene Sohn Gottes ist, darum wird Heiliges aus ihr geboren (Lk
1, 35).
M. J. Scheeben erklärt diese Heiligkeitsgestalt mit der Perichorese zwischen der
göttlichen und der menschlichen Natur. Er sagt (Katholische Dogmatik V 1 Nr. 592
S. 269, in: Gesammelte Schriften, hrsg. von J. Höfer, Bd. VI 1, hrsg. von Carl Feckes,
Freiburg i. Br. 1954): „Die Perichorese zwischen der göttlichen und der menschlichen
Natur oder zwischen Gottheit und Menschheit, ist eine dritte und letzte Folge der
hypostatischen Union ... Sie besteht nämlich darin, daß die göttliche Natur, in und
mit der Hypostase des Logos, mit der sie sachlich identisch ist, substantiell mit
der Menschheit verbunden, nicht bloß zum innersten Eigentum der Hypostase des
Menschen Christus wird, sondern auch der Menschheit selbst als ihrem Substrate
in wunderbarer und einziger Weise ‚corporaliter‘, ähnlich wie die Natur des mensch-
lichen Geistes in der Natur des Leibes, innewohnt und in ihr als Prinzip göttlicher
Würde und Vollkommenheit sich geltend macht, also auch der Menschheit selbst
in ihrer Weise göttliche Herrlichkeit und Kraft mitteilt und in diesem Sinne dieselbe
§ 151 Die ungeschaffene Heiligkeit Christi 247

vergöttlicht, d.h. göttlich macht. In dieser Richtung wirkt die göttliche Natur des
Logos in seiner Menschheit zunächst schon, inwiefern sie als constitutive Wesenheit
der Person des Logos die von ihm informierte und ihm angeeignete Menschheit
ebenso wahrhaft innerlich adelt, d.h. sie ebenso wesenhaft an seiner Würde teil-
nehmen läßt, wie im natürlichen Menschen das Fleisch durch den Geist geadelt wird.
Insbesondere aber kommt hier die Inexistenz der Gottheit des Logos in seiner
Menschheit insofern in Betracht, als jene vermöge ihrer wesenhaften Einwohnung
die letztere mit ihrer Substanz und ihrer Kraft innerlich schmückt und bereichert,
indem sie dieselbe wie eine Salbe durchtränkt und wie ein Feuer durchglüht. Dieser
durchtränkenden Einwohnung der göttlichen Natur in der menschlichen entspricht
dann selbstverständlich wiederum ein Eingehen der letzteren in die erstere, inwie-
fern die Menschheit als ein Endliches von der Gottheit als einem Unendlichen nicht
bloß durchdrungen, sondern ebenso umflutet wie durchflutet wird und, in dieselbe
als in ein unendlich höheres und mächtigeres Prinzip gleichsam eingetaucht, ihrem
Einflusse gänzlich und vollständig hingegeben ist. — Diese Form der Perichorese
aber zeigt sich wieder in einer doppelten Gestalt: nämlich zuerst, oder in actu primo,
als ein rein ontologisches Verhältnis der Naturen nach ihrer Wesenheit, sodann als
ein auf diesem Verhältnis beruhendes und dasselbe einschließendes, betätigendes und
vollendendes dynamisches und energetisches oder lebendiges Verhältnis der Naturen.
Das letztere Verhältnis betätigt und vollendet sich namentlich in dreifacher Weise,
nämlich 1. in der durch die Kraft der Gottheit bewirkten höchsten Assimilation
der Beschaffenheit und des Lebens der Menschheit mit der Heiligkeit, Herrlichkeit
und Seligkeit der Gottheit, welche die Väter als ein Übergehen der Menschheit oder
des ‚Fleisches‘ in die Gestalt und Kraft der Gottheit bezeichnen; 2. in dem wechsel-
seitigen innigsten Umfassen einer Natur durch die Erkenntnis und Liebe der an-
deren; 3. in der vollkommensten Durchherrschung der Tätigkeit der Menschheit
durch die der Gottheit, sowie in der innigsten umfassendsten Mitwirkung der Macht
der Gottheit mit der Tätigkeit der Menschheit und der letzteren mit der ersteren.
Besonders in dem ersten Punkte enthält indes diese Gestalt der Perichorese ein
Moment, welches nicht notwendig und wesentlich sofort mit der hypostatischen
Union realisiert wurde, sondern tatsächlich erst später bei der Auferstehung Christi
eingetreten ist, nämlich die allseitige Verklärung der Menschheit Christi auch nach
ihrer leiblich-animalischen Seite.“

In der Urkirche wird die Wesensheiligung der menschlichen Na-


tur Jesu in dem Namen Christus gesehen. Christus heißt: der Gesalbte.
Christus ist gesalbt, durchdrungen, durchherrscht von der Gottheit
(vgl. Apg 2, 36; 4, 27; 10, 38; Hebr 1, 9). Das Wort kommt vom grie-
chischen Chriein und ist die schon in der Septuaginta gebrauchte
Wiedergabe des Hebräischen Meschiach oder Maschiach. Gesalbt wur-
den im Alten Testament die Könige (1 Sm 16, 23; 24, 7; 26, 9; Pss 2,
2, 18 [17], 51; 45 [44], 8; 89 [88], 21; 132 [131], 17 u. ö.), um zu ver-
sinnbilden, daß sie ihr Amt von Gott haben, gelegentlich auch die
Priester und die Propheten (z.B. Ex 28, 41; 29, 7; 40, 13; Lv 8, 12;
Nm 3, 8; 3 Kg 19, 16).
248 Geistig-geistl. Gepräge der menschl. Natur Christi: Begnadigung usw. § 151

In den Weissagungen Daniels wird der „Fürst der Zukunft“


zweimal als der „Gesalbte“ bezeichnet (Dan 9, 24—27). Die Salbung
ist so bedeutungsvoll, daß sie dem kommenden Retter den Namen
gibt. Is 61, 4 heißt es: „Der Geist des allmächtigen Herrn ruht auf
mir. Denn mich hat der Herr gesalbt, mich gesandt, den Demütigen
die Heilsbotschaft zu bringen.“ Diese Verwendung des Ausdrucks für
den verheißenen und erhofften Erlöserkönig wird auch durch die
außerkanonischen Psalmen Salomons, das Henochbuch, das 4. Buch
Esdras und die Baruchapokalypse fester Bestandteil der alttestament-
lichen Volksfrömmigkeit. In den Psalmen kehrt das Wort häufig
wieder. Es bezieht sich unmittelbar auf den theokratischen König,
der die Herrschaft Davids aufnimmt und weiterführt. Indes ist mit
dem Bilde des irdischen Königs der Erlöserkönig versinnbildet. Der
erste ist Typus des letzteren. Dieses Verständnis der Königs-Psalmen
wurde von den Rabbinern gepflegt, so daß es zur Zeit Christi ver-
breitet war. Christus hat diese Deutung aufgenommen und bestätigt.
Nach Lk 4, 21 erklärt er mit Bezug auf Is 61, 4: „Heute ist diese
Schriftstelle vor euren Ohren in Erfüllung gegangen.“ Er ist der ver-
heißene Messias. Er ist der Christus schlechthin. Mit dem Worte
Christus wird also sein Amt ausgedrückt. Jesus heißt Christus, weil
er der Amtsträger Gottes ist. Neben ihm gibt es keinen Christus,
keinen göttlichen Amtsträger mehr. Alle vorausgehenden Christi (Ge-
salbten) sind seine Vorläufer. In den Apostelbriefen geht die Amts-
bezeichnung Christi mehr und mehr in einen Personennamen über,
bis sich diese Verwendung in der altchristlichen und in der mittel-
alterlichen Redeweise durchsetzt. Zugleich sieht man in dem Worte
den Hinweis auf das Wesen Jesu. Er ist der mit der Gottheit Gesalbte.
Durch die Salbung mit dem Gottwesen ist er innerlich und wesenhaft,
substantiell geheiligt. Nach Tertullian ist Jesus von Gott dem Vater
mit dem Heiligen Geiste gesalbt worden (Über die Taufe, Kap. 7).
Auf Grund seines durch die Salbung mit der Gottheit geheiligten
menschlichen Wesens besitzt er nach dieser Erklärung die Fähig-
keit, das von Gott ihm übertragene Amt zu vollziehen.
Darin, daß die menschliche Natur durch die Einigung mit dem
Logos geweiht und gesalbt ist, sehen die Väter auch die heiligende und
lebenspendende Kraft des eucharistischen Brotes grundgelegt (vgl.
die Lehre von der Eucharistie Bd. IV 1). Die Salbung schließt die
Konsekration, die Erwählung und Bestimmung Christi für Gott und
die von Gott ihm übertragene Aufgabe, die innigste und lebendigste
Beziehung zu Gott und zu den Menschen und mit ihr eine einzigartige
S 151 Die geschaffene Gnade 249

Weihe, Würde und Stellung sowie seine besondere Teilnahme an


Gottes Herrlichkeit in sich. Die Vereinigung der menschlichen Natur
mit Gott in Christus ist die höchste Gnade und die Urform jeder
Gnade, so daß Christus das Urbild des begnadeten Menschen ist. Sie
ist gewirkt vom Heiligen Geiste (vgl. H. Volk, Das Wirken des Heili-
gen Geistes in den Gläubigen, in: Catholica 8, 1952, 13—35).

Zweites Kapitel
Die geschaffene Gnade

Die Wesensgnade der menschlichen Natur macht die geschaffe-


nen, eigenschaftlichen (akzidentellen) Gnaden nicht überflüssig, so
wenig wie die unmittelbare Gottesschau andere Erkenntnisweisen
überflüssig macht. Man darf vielmehr annehmen, daß die Wesensbe-
gnadigung die Fülle aller anderen Gnaden nach sich zieht. Die mensch-
liche Natur, welche durch die lebendige Nähe Gottes geweiht ist, wird
innerlich, von der Wurzel her, aus der Tiefe heraus durchleuchtet vom
Lichte Gottes und durchglüht von dem Feuer der Liebe Gottes. Das
heißt: sie besitzt die heiligmachende Gnade (vgl. Gnadenlehre, Bd.
III 2).
Aus der personalen Einung der menschlichen Natur mit dem Logos
folgt jene Durchhellung und Durchglühung durch das Erkennen und
Lieben Gottes, welches die Väter mit dem Erglühen des Eisens im
Feuer vergleichen. Erst diese Gnade, die heiligmachende Gnade, ver-
leiht der menschlichen Natur Christi eine übernatürliche Gottförmig-
keit, weil erst sie die der menschlichen Natur einhaftende Form, das
sie bestimmende, ihr eigenschaftlich (akzidentell) eignende, sie durch-
dringende Gestaltgesetz ist. Sie ist auch der Quellgrund übernatürlicher
Lebenstätigkeiten in Gotteserkenntnis und Gottesliebe. Was das Maß
der heiligmachenden Gnade angeht, so ist es das höchste im Raum der
Schöpfung mögliche. Auch die eingeschaffenen übernatürlichen Zu-
ständlichkeiten, welche in der Gnadenlehre als Begleitschaft der heilig-
machenden Gnade erörtert werden, sind der menschlichen Natur
Christi zuzuschreiben. Nach Jo 1, 14 war an dem Eingeborenen, der
unter den Menschen Wohnung genommen hat, die Herrlichkeit Gottes
zu sehen, die Fülle der Gnade und Wahrheit. Seine Fülle ist so groß,
daß man aus ihr Gnade um Gnade empfangen kann (Jo 1, 16). Er war
mit dem Heiligen Geiste und mit Wunderkraft gesalbt (Apg 10, 38).
Auf ihm ruht der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des
950 Geistig-geistl. Gepräge der mensch), Natur Christi: Begnadigung usw. § 151

Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des
Herrn (Is 11, 1—5).
Wenn die geschaffene Gnade Christi in sich auch endlich ist,
so besaß er sie doch von Anfang an in vollendeter Fülle. Damit scheint
schwer vereinbar zu sein, daß er nach Lk 2, 52 wie an Alter und Weis-
heit so auch an Gnade vor Gott und den Menschen zunahm. Man darf
weder das Schriftzeugnis vom Wachstum Christi in der Gnade noch
das Schriftzeugnis von der Gnadenfülle Christi abschwächen, um der
Schwierigkeit zu entrinnen. Man darf den Fortschritt auch nicht nur
darin sehen, daß sich die Gnade Christi mit fortschreitender Deutlich-
keit offenbarte. Denn der Fortschritt geschieht nicht bloß vor den
Menschen, sondern auch vor Gott. Man kann zur Lösung der Frage
folgendes sagen: Jesus besaß von Anfang an die letzte, nie mehr zu
vermehrende Fülle der heiligmachenden Gnade und ihrer übernatür-
lichen Begleitschaft. Diese zuständlichen Gnaden lagen unterhalb der
Schwelle seines menschlichen Bewußtseins. Aber sie drängten herauf
in den Willen und trieben zur Tat. Ihre Kraft und ihr Reichtum konn-
ten nicht gesteigert werden. Aber sie traten gewissermaßen aus der
Seinsweise der Verborgenheit heraus in die Seinsweise der Offenheit,
indem sie sich in religiös-sittlichen Handlungen auswirkten, in Taten,
welche durch die jeweilige Lebensstufe Christi, seine Lebenslage, seine
Erlöseraufgabe, letztlich durch den ewigen Willen des Vaters bestimmt
waren. Wenn sich also Weisheit und Gnade Christi immer mehr offen-
barten (Lk 2, 52), so wurde wahrnehmbar, was objektiv geschah.
Die zuständliche Gnadenausrüstung war die angemessene Grund-
lage für die religiöse und sittliche Betätigung Christi zu allen Zeiten
seines Erdenlebens. Auf dieser Grundlage wurden für die einzelnen
Handlungen Tatgnaden gegeben, wie sie die Aufgabe der Stunde ge-
rade erforderte. Diese Tatgnaden sind Christus im Laufe seines
Lebens zugewachsen. So gibt es einen zweifachen Zuwachs an Gnade:
eine Anreicherung an Tatgnaden und die zunehmende Auswirkung der
zuständigen Gnaden (D. Feuling, a. a. O., 398—402).
§ 151 Die Gnade des Hauptes 251

Drittes Kapitel
Die Gnade des Hauptes

Die durchgnadete menschliche Natur Christi ist das Werkzeug


Gottes für die Heiligung und Heilung der ganzen Menschheit (siehe
§ 154).
Christus besaß alle Gnaden nicht für sich allein, sondern für die
Welt, als Haupt der Menschheit, besonders der Kirche (vgl. Kol 1, 18).
Wie Christus durch den Vollzug seines Lebens sowohl seine eigene
Vollendung gewinnt als auch das Heil der Menschen wirkt, so ist jede
Gnade, die er besitzt, Weise und Werkzeug seiner eigenen Vollendung
und zugleich Heiligungsquell für die Menschheit. Christus ist gleichsam
die Herzmitte der Welt, vor allem aber der menschlichen Geschichte.
Aus dieser Mitte fließt unablässig geistiges Leben in alle Bereiche der
Schöpfung. In ihm besitzen Kosmos und Geschichte eine unzerstör-
bare, geistige Einheit (die nähere Erklärung und Begründung hierfür
siehe in der Lehre von der Kirche, Bd. III 1). Thomas von Aquin
deutet die Gnade, die Christus als Haupt der Menschheit zukommt,
folgendermaßen (Summa theologica III, 8. Frage, Art. 1):
„Wegen ihrer Ähnlichkeit mit dem natürlichen Leib des Menschen nennt man
die gesamte Kirche einen mystischen Leib. Denn in diesem wie in jenem haben die
verschiedenen Glieder verschiedene Aufgaben (Röm 12, 4. 5; 1 Kor 12, 12ff.). Ebenso
heißt auch Christus Haupt der Kirche wegen der Ähnlichkeit mit dem mensch-
lichen Haupte. Hierbei sind drei Dinge zu beachten: die Stellung des Hauptes,
seine Vollkommenheit und seine Kraft. Erstens seine Stellung: Das Haupt ist der
erste und oberste Teil des menschlichen Leibes, und deshalb pflegt man auch manch-
mal das Erste und Oberste Haupt zu nennen... Zweitens seine Vollkommenbheit:
Das Haupt ist der Sitz der inneren und äußeren Sinne, die übrigen Glieder aber
sind nur Sitze des Tastsinnes... Drittens seine Kraft: Vom Haupte gehen Kraft und
Bewegung der einzelnen Glieder aus; es ist auch Lenker ihrer Tätigkeit, wegen der
alles belebenden und bewegenden Kraft, die ihm innewohnt... All dies kommt
Christus im geistigen Sinne zu. Zunächst nämlich ist kraft seiner Gottverbunden-
heit seine Gnade die höchste und erste, wenn auch nicht zeitlich die erste; denn
alle anderen Menschen empfingen die Gnade im Hinblick auf seine Gnade: »Die er
vorhererkannt, hat er auch vorherbestimmt dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu
werden, daß er der Erstgeberene sei unter vielen Brüdern« (Röm 8, 29). Was ferner
die Vollkommenheit betrifft, so hatte Christus alle Gnaden zu eigen. »Wir haben
ihn gesehen, voll der Gnade und Wahrheit« (Jo 1,14). Endlich ist er auch die Kraft-
quelle, aus der sich alle Gnade in die Glieder der Kirche ergießt: »Von seiner Fülle
haben wir alle empfangen«“ (Jo 1, 16. Siehe Bd. III, 1 $ 169).
252 Geistig-geistl. Gepräge der menschl. Natur Christi: Begnadigung usw. § 151

Zweiter Artikel
Die subjektive Heiligkeit Christi

Erstes Kapitel
Christi Sorge um die Herrschaft Gottes

Hinsichtlich der Gesinnung wirkte sich die Durchgnadung Christi


aus in völliger Sündelosigkeit, ja in der Unfähigkeit zur Sünde und
in vorbehaltloser Liebe zu Gott und den Menschen.
Zunächst läßt sich allgemein sagen, daß das Reich Gottes, die
Herrschaft Gottes, des himmlischen Vaters, die einzige Sorge seines
Lebens war (Mt 6, 33). Er ist der vom Vater gesandte Vollmachts-
träger, der in allen vorangegangenen Amtsträgern Gottes vorgebildet
war. Er ist der König des messianischen Reiches und soll, indem er
sein eigenes Reich (das Reich Christi) stiftet, die Herrschaft Gottes, der
Liebe und Heiligkeit, der Wahrheit und Gerechtigkeit aufrichten und
für immer sichern und die Herrschaft der widergöttlichen Mächte
brechen. Ja, Gott selbst stellt durch ihn seine Herrschaft in der Ge-
schichte wieder her. Christus, sein Vollmachtsträger, ist das Werk-
zeug des himmlischen Vaters, der sich durch ihn wieder zum Herrn
der Menschen macht. Er stellt sich dieser Aufgabe in rückhaltlosem
Ernst zur Verfügung. Sein Reden und sein Handeln, sein Wort und
sein Tun dienen ihrer Erfüllung. Er hat nur die eine große Sorge,
daß Gottes Wille, der im Himmel ohne Einschränkung geschieht, auch
auf der Erde erfüllt werde (Mt 6, 10). Sein Leben hat nur den einen
Sinn: Gottes Willen zu vollstrecken. Ihm beugt er sich unter allen
Umständen. Von ihm läßt er sich jeden Schritt seines Lebens vor-
schreiben (Jo 10, 16). Ihn zu tun, ist für ihn soviel wie Speise und
Trank. Er lebt davon (Jo 4, 34). Ihm bleibt er auch in jener Stunde
treu, in der der Wille des Vaters ihm den Tod darreicht. Er muß
erfahren, daß derjenige, welcher in der von der menschlichen Selbst-
herrlichkeit beherrschten, nicht der gloria dei, sondern ihrer eigenen
Glorie dienenden Welt es auf nichts als die Ehre Gottes abgesehen
hat, nicht leben, sondern nur sterben kann, weil er von dieser Welt
als Fremdkörper und Ruhestörer empfunden wird. So ist sein Weg
der Weg des Leidens und des Todes (Lk 22, 37). Um der Herrschaft
des Vaters willen hat Christus sich dem bitteren Todesschicksal unter-
worfen (Mk 8, 31; 9, 31; Mt 16, 21; Lk 18, 1—33, Jo 11, gt
S 151 Christi Sorge um die Herrschaft Gottes 253

Gegenüber dem Willen des himmlischen Vaters unterscheidet sich


Jesus Christus von allen Großen innerhalb der menschlichen Ge-
schichte. Darauf hat R. Guardini nachdrücklich und deutlich hingewie-
sen (Die menschliche Wirklichkeit des Herrn, Würzburg 1958, 37—49).
So wird Sokrates durch sein unbezwingliches Verlangen nach der
Wahrheit von seinem innersten Wesen her getrieben. Vor seinem
Beruf vor die letzte Entscheidung gestellt, stirbt er einen Tod, der
sein Wesen und Werk zu letzter Klarheit bringt. Eine andere Gestalt
der griechischen Geschichte, nämlich Achilleus ist ebenfalls nach dem
Gesetz des eigenen Wesens und zwar nicht wie Sokrates nach dem
Gesetz des Wahrhaftigen, sondern nach jenem des verzehrenden Taten-
dranges zur Verwirklichung des Lebens gelangt. Beide, Sokrates und
Achilleus, empfanden ihre Aufgabe als ihrem innersten Wesen ver-
wandt und vertraut. Anders der Stoiker. Er empfindet das Schicksal
als fremd, ja als feindlich. Er schließt sich mit dem Kerne seines
Wesens zusammen und zieht sich gegenüber der Außenwelt darauf
zurück. So ist der Grundvorgang seines Lebens nicht Entfaltung, son-
dern Behauptung und Beharrung. Auch so entsteht wieder, gewisser-
maßen ungewollt, eine echte Gestalt, sie ist stark und einsam, schein-
bar kühl, aber von verborgener Leidenschaft brennend, verzweifelt
tapfer und männlich bis zur Widersinnigkeit. Zwischen den beiden
Endpunkten der reinen Wesensentfaltung im Raume der verwandten
Geschehnisse und der bloßen Selbstbehauptung in einer feindlichen
Welt steht die Haltung des von Vergil verherrlichten Aeneas. Aeneas
erfüllt nach dem Untergang seiner Vaterstadt einen göttlichen Auftrag,
der ihn zur Gründung einer neuen Stadt führt. Er ist leidensfähig,
gütig, tapfer und von unbeugsamer Kraft des Ausharrens und des
Vollbringens. Christus unterscheidet sich von solchen Grundgestalten
des menschlichen Lebens dadurch, daß er keine in die menschliche Ge-
schichte eingeschlossene Haltung vollzieht, daß er vielmehr Gott als
seinem himmlischen Vater gegenüber offen ist für das Ganze der
menschlichen Geschichte und der Welt.
Christi Sorge für die Herrschaft Gottes in der menschlichen Ge-
schichte entfaltet sich negativ und positiv; negativ, insofern er keinen
Teil hat an der Selbstherrlichkeit, in welcher die Menschen und durch
sie der Satan sich gegen Gottes Königtum auflehnen, ja diese in der
Welt radikal bekämpft, positiv, insofern er sich in Gehorsam und
Liebe Gott anheimgibt.
954 Geistig-geistl. Gepräge der menschl. Natur Christi: Begnadigung usw. $ 151

Zweites Kapitel
Christi Freiheit von der Sünde

Es ist Glaubenssatz: Christus war von jeder Sünde, sowohl von


der Erbsünde als auch von persönlichen Sünden frei (siehe das Dekret
für die Jakobiten D. 711; die Konzilien von Ephesus D. 122 und von
Chalzedon D. 148).
Die Schrift (vgl. etwa Is 53, 9 ff.; Lk 1, 35; Jo 1, 29; 8, 46; 14, 30;
2 Kor 5, 21; Hebr 4, 15; 7, 26; 1 Petr 2, 22; 1 Jo 3, 5) zeichnet fol-
gendes Bild: Jesus konnte im Gefühle vollster Sicherheit ohne Spur
von Angst und Beklommenheit vor seinen ihn aufs schärfste be-
obachtenden, mit den Augen des Hasses kontrollierenden Feinden die
Frage wagen: Wer von euch kann mich einer Sünde beschuldigen?
Ferner machte er auf die Jünger, die immer mit ihm umgingen und
daher einen tiefen Blick in seine Seele tun konnten und ihn im Alltag
sahen, den Eindruck des völlig Sündelosen. In dem ruhigen und steten
Bewußtsein seiner Sündelosigkeit predigte Jesus Buße und Reue, ver-
zieh er Sünden, war er besorgt um das Heil anderer, warnte er vor
den Gefahren der Welt. Nie hatte er Gewissensschwierigkeiten. Sogar
vor dem Tode kommt ihm nicht die geringste Angst über seine Ver-
antwortung vor Gott, über sein ewiges Schicksal; wohl aber betet er
um Verzeihung für seine Peiniger. Er tröstete, ohne selbst eines Tro-
stes zu bedürfen, angesichts des Todes die Jünger, von denen er
scheidet. Ihnen rief er zu: Habt keine Angst (Jo 14, 1). In der düsteren
Stunde, da die letzten Dinge sich über seinem Haupte zusammen-
zogen, eröffnete er ihnen sein Herz und erklärte ihnen, daß es seine
lange gehegte Sehnsucht gewesen sei, den Abschied mit ihnen zu
feiern (Lk 22, 15). Er beging also den Abschied für den Tod wie eine
Feierstunde. Die Frau, welche ihn zum Begräbnis salbte und damit
den Ärger der Umstehenden erregte, erfuhr von ihm eine Selig-
preisung (Mk 14, 3—9). Christus war auch in den ausweglosesten
Situationen über jede Verzweiflung erhaben, weil er sich vom Willen
des Vaters geleitet wußte.
Die Sündelosigkeit ist um so erstaunlicher, weil Jesus mit war-
mem Herzen und aufgeschlossenen Sinnen am bunt bewegten Leben
teilnahm (K. Adam), und vor allem, weil er eine unerhört schwere
Sendung zu erfüllen hatte. Sie begriff den Sturz der Teufelsherrschaft
in der menschlichen Geschichte in sich. Christus hatte den Kampf mit
dem mächtigen und raffinierten, von Gott selbst zugelassenen Gegen-
spieler Gottes zu bestehen, der seine Herrschaft mit allen Mitteln, die
§ 151 Christi Freiheit von der Sünde 255

ihm zur Verfügung standen, mit List und Tücke, mit Lüge und Ge-
walt, zu retten versuchte. Satan erkannte sogleich die Gefahr, die ihm
von Christus drohte. Er holte denn auch mit äußerster Anstrengung
zum Gegenschlag aus. Er sah seine Herrschaft bedroht und zitterte
(Mk 1, 24; 5, 7—13), bot aber alles auf, um sie zu erhalten. Der Auf-
wand, den er machte, wird offenkundig in den vielen Besessenheiten,
die zur Zeit Christi vorkamen. Sie sind keine Zufallserscheinungen.
Sie sind wesentlich darin begründet, daß der Satan die äußerste
Gefährdung seiner Herrschaft spürte und keine Anstrengung scheute,
um zu retten, was zu retten war. Er wurde durch Christus, den Mäch-
tigeren, gezwungen, den äußersten Einsatz zu wagen, um der Gefahr
zu begegnen. Noch stärker als in den Besessenheiten kam sein ent-
schlossener Abwehrwille in den Angriffen zum Ausdruck, die er gegen
Christus selbst richtete. In allen Anfeindungen, denen dieser aus-
gesetzt war, steckte er als der verborgene Anstifter im Hintergrund,
von der Verfolgung durch Herodes bis zum tödlichen Haß der Führer
des Volkes, bis zum Verrat durch einen Apostel, bis zum tobenden
Geschrei der seinen Tod fordernden Massen, die ihm anfänglich an-
hingen, aber durch eine geschickte nationalistische Propaganda gegen
ihn eingenommen wurden, bis zum Schuldspruch des von seiner
Unschuld überzeugten Richters.
Der Vorstoß Satans gegen Christus war noch zentraler. Er griff
den Willen Christi an. In drei Versuchungen suchte er ihn seiner Auf-
gabe, Gottes Königtum aufzurichten, untreu zu machen. Dreimal legt
er ihm nahe, statt der Herrlichkeit Gottes der Herrlichkeit dieser Welt
zu dienen, statt der Ehre Gottes die Ehre des Menschen zu suchen;
zu Beginn seiner öffentlichen Tätigkeit, auf dem Wege nach Jerusa-
lem, wo Satan sich des Mitleids und des Wortes eines Jüngers, des
Apostels Petrus bediente, und auf dem Ölberge, wo er die naturhafte
menschliche Angst vor der Qual und dem Tode ausnützte (Mk 1, 12 f.;
8, 31 ff.; Mt 4, 1—11; 16, 23; Lk 4, 1—13; 23, 31. 44. 46). Aber Chri-
stus erlag nicht. Er verfiel angesichts der unheimlichen Gegnerschaft
nicht der Resignation und der Müdigkeit. Er blieb ungebeugt. Die
Angriffe des Widersachers sind an seiner Liebe und an seinem Ge-
horsam zerschellt. Darin ist die Entscheidung über den Zukunftsweg
der Geschichte gefallen — im Willensleben Jesu, letztlich im Gebet von
Gethsemane (Stauffer). Er hat am Teufel, dem Repräsentanten aller
widergöttlichen Selbstherrlichkeit, keinen Anteil (Mt 7, 21ff; Jo
14, 30).
256 Geistig-geistl. Gepräge der mensch), Natur Christi: Begnadigung usw. & 151

Ihre höchste Sieghaftigkeit gewann die Überwindung Satans


darin, daß Christus nicht mit den Mitteln kämpfte, mit denen Satan
selbst kämpfte. Nicht durch den Einsatz irdischer oder dämonischer
Macht trieb er die Teufel aus, sondern mit dem Finger Gottes (Mt 11,
20 ff.; Mk 3, 23). Er erwidert Haß nicht mit Gegenhaß, Zerstörung
nicht mit Gegenzerstörung, Lüge nicht mit Gegenlüge. Das war ein
völlig neuer Weg geschichtlichen Handelns, so ungewohnt, daß er den
Zeitgenossen unglaublich vorkam (Lk 11, 20). Die dämonischen Mächte
wurden ausschließlich mit göttlichen Kräften, mit der Macht der
Heiligkeit, der Liebe, der Wahrheit besiegt, dadurch, daß Christus
Gott die Ehre gab. An der Art seines Kampfes offenbarte sich am
deutlichsten, daß er, im Gegensatz zu allen anderen, am Teufel keinen
Anteil hatte (Jo 14, 30; vgl. Bd. II 1 $ 124).
Wenn Christus (Mt 19, 17) Gott allein gut nennt, so will er damit
sich die Sündelosigkeit nicht absprechen. Er will nur auf Gott als
Quelle und Maß des Gutseins hinweisen. Wenn einige Handlungen
Christi, wie die Tempelreinigung, die Streitreden mit den Juden, die
Zurechtweisung des Petrus von der liberalen Theologie als Fehler
bezeichnet werden, so übersieht sie, daß Jesus vom Eifer für Gott ver-
zehrt wurde (siehe S. 652 f.).
Christus war auch frei von wirklichen bösen Neigungen (Glau-
benssatz, zweites Konzil von Konstantinopel D. 224), ja von bösen
Anlagen.
Thomas von Aquin sagt hierzu: „Christus besaß die Fülle der Gnade und alle
Tugenden. Nun machen die sittlichen Tugenden, die in dem unvernünftigen Teil der
Seele ihren Sitz haben, diese der Vernunft untertan, und zwar um so mehr, je voll-
endeter die Tugend ist. So macht die Mäßigkeit das Luststreben, die Starkmut und
Milde das sinnliche Hochstreben der Vernunft untertan. Der Zunder der Begierde
ist aber nichts anderes als ein Hinneigen des sinnlichen Begehrens zu dem, was der
Vernunft widerspricht. Daraus erhellt, daß der Zunder um so schwächer ist, je
vollendeter die Tugend. Weil aber Christus den höchsten Grad der Tugend besaß,
so fehlte in ihm der Zunder der bösen Begierde ganz; denn eine solche Schwäche
ist der Sühne nicht nur dienlich, sie stellt sich vielmehr der Sühne geradezu in den
Weg“ (Summa theologica, II, Frage 15, Artikel 2, Deutsche Thomas-Ausgabe, Bd. 25,
Salzburg—Leipzig, 1934, 341).

Die innere Unfähigkeit zur Sünde ergibt sich daraus, daß das
Ich der menschlichen Natur der Logos ist. Christus hat zwar einen
eigenen freien menschlichen Willen. Die Person indes, die durch ihn
tätig ist, ist Gott. Für die im menschlichen Willen geschehenen Taten
ist nicht ein menschliches, sondern das göttliche Selbst verantwort-
lich. Da dieses nicht mit sich selbst in Gezweiung und Widerspruch
S 151 Der Monotheletismus 257

treten kann, tut Christus nicht bloß tatsächlich keine Sünde, sondern
er ist des Sündigens auch wesenhaft unfähig. Christus kann daher
nicht durch eine von innen aufsteigende böse Neigung versucht wer-
den. Der Versucher kann zwar von außen her an ihn herankommen.
Aber er findet in den Empfindungen, Erlebnissen, Wünschen Christi
keine Bundesgenossen. In herrscherlicher Freiheit weist ihn daher
Christus zurück (Mk 1, 13; Mt 4, 1—11; Lk 4, 1—13).

Drittes Kapitel
Der Monotheletismus

I. Kirchliche Lehre

Eine schwierige Frage ergibt sich aus der Tatsache, daß Chri-
stus eine unverkümmerte menschliche Natur besaß und doch der
Sünde unfähig war. Gehört es nicht zum Wesen des freien Menschen,
daß er zu Gott Nein sagen, also sündigen kann? Wenn er nicht sün-
digen kann, ist das nicht eine Verneinung seines Willens oder wenig-
stens seiner Freiheit? Im christlichen Altertum wurde tatsächlich aus
Sorge, daß die Unsündlichkeit Christi gefährdet würde, die Echtheit
seines menschlichen Wollens bezweifelt, ja geleugnet.
Im siebenten Jahrhundert behaupteten die Monotheleten, daß es
in Christus zwar zwei Naturen, aber bloß eine Willenskraft und eine
Willenstätigkeit gebe. Diese Lehre hatte politische Hintergründe. Als
der Versuch, die Glaubensspaltung der Monophysiten auf dem II. Kon-
zil von Konstantinopel (553) zu beseitigen, gescheitert war, wollte der
Patriarch Sergius von Konstantinopel (610—638) im Einvernehmen
mit dem oströmischen Kaiser Heraklius zur Stärkung des von Slawen
und Persern gefährdeten oströmischen Reiches die im Glauben Ge-
trennten einen. Er hoffte die Monophysiten gewinnen zu können,
wenn er zwar die Zweiheit der Naturen festhielt, aber ihnen zuge-
stand, daß Christus nur einen Willen und nur ein Tun habe. Die
rechtgläubigen Gegner des Monophysitismus sahen jedoch in die-
ser Lehre mit Recht eine verschleierte Neuauflage des monophysiti-
schen Irrtums. Die Lehre vom einen Willen führt folgerichtig zur
Lehre von der einen Natur in Christus.
Der Monotheletismus wurde zunächst von den italienischen und
afrikanischen Bischöfen auf einer Kirchenversammlung im Lateran
im Jahre 649 unter dem Papst Martin I. und endgültig auf der

17 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


258 Geistig-geistl. Gepräge der menschl. Natur Christi: Begnadigung usw. § 151

III.Kirchenversammlung in Konstantinopel (680/1), dem 6. Allgemei-


nen Konzil, verworfen.
Darnach ist Glaubenssatz: In Christus sind entsprechend den zwei
Naturen zwei Willenskräfte und zwei Willenstätigkeiten.
In der Erklärung der Lateranensischen Versammlung vom Jahre 649 heißt es:
- „3. Wer nicht mit den heiligen Vätern im eigentlichen und wahren Sinne die
heilige und immer jungfräuliche und unbefleckte Maria als Gottesge bärerin
bekennt, da sie eigentlich und wahrhaft das göttliche Wort selbst, das vom Vater
vor aller Zeit gezeugte, in den letzten Zeiten, ohne Samen, vom Heiligen Geiste
empfangen und unversehrt geboren hat, indem unverletzt blieb ihre Jungfrauschaft
auch nach der Geburt: der sei verworfen. 4. Wer nicht mit den heiligen Vätern im
eigentlichen und wahren Sinne zwei Geburten unseres einen und desselben Herrn
und Gottes Jesus Christus bekennt, die eine vor den Zeiten aus Gott dem Vater,
körperlos und immerwährend, die andere aus der heiligen allzeit jungfräulichen
Gottesgebärerin Maria, dem Leibe nach in diesen letzten Zeiten, (wer nicht bekennt),
daß ein und derselbe, unser Herr und Gott Jesus Christus eines Wesens ist mit
Gott dem Vater der Gottheit nach, und gleichen Wesens ist mit dem Menschen und
der Mutter der Menschheit nach, daß er leidensfähig ist im Fleische, leidensunfähig
in seiner Gottheit, im Leibe körperlich faßbar, in der Gottheit unfaßbar, daß derselbe
ungeschaffen und geschaffen, irdisch und himmlisch, mit den Augen sichtbar und
(nur) mit dem Verstande erkennbar, greifbar und ungreifbar ist, so daß durch den-
selben als ganzen Menschen und Gott der ganze Mensch wiederhergestellt wurde, der
unter die Sünde gefallen war: der sei verworfen. 5. Wer mit den heiligen Vätern
nicht im eigentlichen und wahren Sinne die eine fleischgewordene Natur
des Wortes Gottes bekennt, wo mit dem Ausdruck „fleischgeworden“ gesagt
sein will, daß unsere Wesenheit vollkommen und unvermindert, natürlich mit Aus-
nahme der Sünde, in Christus als Gott bestanden habe, der sei verworfen. 6. Wer
nicht mit den heiligen Vätern im eigentlichen und wahren Sinne bekennt, daß der
eine und selbe Herr und Gott Jesus Christus aus zwei und
in zwei Naturen, die wesenhaft verbunden sind, unvermischt und ungetrennt
bestehe, der sei verworfen. 7. Wer nicht mit den heiligen Vätern im eigentlichen und
wahren Sinne bekennt, daß der wesenhafte Unterschied der Naturen unver-
mischt und ungetrennt in ihm bewahrt sei, der sei verworfen. 8. Wer
nicht mit den heiligen Vätern im eigentlichen und wahren Sinne bekennt, daß die
wesenhafte Einigung der Naturen ungetrennt und unvermischt in
ihm bestehe, der sei verworfen. 9. Wer nicht mit den heiligen Vätern im eigentlichen
und wahren Sinne bekennt, daß die natürlichen Eigentümlichkeiten
sowohl seiner Gottheit als auch seiner Menschheit unbeeinträchtigt und
unvermindert in ihm gewahrt seien, der sei verworfen. 10. Wer nicht mit den
heiligen Vätern im eigentlichen und wahren Sinne zwei Willen in einem und
demselben, unserem Gott Christus, bekennt, die einträchtig verbunden sind, den
göttlichen und den menschlichen, so daß er durch jede seiner beiden Naturen aus
freier Entscheidung der seinshaft eine Wirker unseres Heiles ist, der sei verworfen.
11. Wer nicht mit den heiligen Vätern im eigentlichen und wahren Sinne zwei
Wirkweisen eines und desselben Christus, unseres Gottes, bekennt, die einträchtig
verbunden sind, eine göttliche und eine menschliche, so daß er durch jede der beiden
§ 151 Der Monotheletismus 259

Naturen als seinshaft einer als Wirker unseres Heiles erscheint, der sei verworfen.
12. Wer mit den ruchlosen Irrlehrern nur einen Willen und eine Wirk-
weise Christi, unseres Gottes, bekennt zum Untergang des Bekenntnisses der heili-
gen Väter und in Leugnung der Heilsordnung dieses unseres Erlösers, der sei ver-
worfen. 13. Wer mit den ruchlosen Irrlehrern in Christus, (unserem) Gott, bei dem in
der Einheit zwei Willen und zwei Wirkweisen, die göttliche und die menschliche,
wesenhaft gewahrt und von unseren heiligen Vätern fromm verkündet wurden, gegen
die Lehre der Väter einen Willen und eine Wirkweise annimmt, der
sei verworfen. 14. Wer mit den ruchlosen Irrlehrern einen Willen und eine Wirk-
weise, die von den Irrlehrern glaubenswidrig bekannt wird, annimmt, und die beiden
Willen und die beiden Wirkweisen, d.h. die göttliche und die menschliche, die in
Christus (unserem) Gott, in der Einheit gewahrt werden und von den heiligen Vätern
im rechten Glauben in ihm verkündet werden, ablehnt und zurückweist, der sei ver-
worfen. 15. Wer mit den ruchlosen Irrlehrern die gottmenschliche Wirk-
weise, die die Griechen theandrike (d.h. gottmenschliche) nennen, auf törichte
Weise als eine Wirkweise auffaßt, nicht aber mit den heiligen Vätern eine dop-
pelte Wirkweise bekennt, d.h. eine göttliche und eine menschliche, oder wer an-
nimmt, daß die neueingeführte Bezeichnung »gottmenschlich« nur eine Wirkweise
bezeichne, nicht aber auf die wunderbare und ehrwürdige Einigung beider Wirk-
weisen hinweise, der sei verworfen. 16. Wer mit den ruchlosen Irrlehrern im Wider-
spruch mit den in Christus unserem Gott wesenhaft in der Einheit gewahrten und von
den heiligen Vätern fromm verkündeten zwei Willen und zwei Wirkweisen, d.h. der
göttlichen und der menschlichen, auf törichte Weise in das Geheimnis der Heilsord-
nung Unstimmigkeit und Widersprüche einführt und deswegen die
Aussprüche der Evangelien und Apostel über den Erlöser nicht ein und derselben Per-
son und nicht wesentlich demselben Herrn und Gott Jesus Christus zuschreibt nach
dem seligen Cyrill, so daß klar wird, daß derselbe seinshaft zugleich Gott und Mensch
ist, der sei verworfen.“ (D. 256—269; NR. 269—282.)

Die III. Kirchenversammlung von Konstantinopel erklärte: „Auch wir verkünden,


daß gemäß der Lehre der heiligen Väter zwei natürliche Willen oder Willenstätig-
keiten und zwei natürliche Wirkweisen ungetrennt, unverändert, ungeteilt und un-
vermischt in ihm (Christus) sind. Diese zwei natürlichen Willen sind einander nicht
entgegengesetzt, wie die ruchlosen Irrlehrer sagten. Sein menschlicher Wille folgt
vielmehr; er widerstrebt oder widerstrebt nicht. Er ist vielmehr seinem göttlichen
und allmächtigen Willen unterworfen. Denn der Wille des Fleisches mußte sich regen,
sich aber auch dem göttlichen Willen unterwerfen, wie der weise Athanasius
sagt. Wie nämlich sein Fleisch Fleisch des Wortes Gottes genannt wird und ist,
so wird auch der natürliche Wille seines Fleisches der eigene Wille des Wortes
Gottes genannt und ist es auch, wie er ja selbst sagt: »Ich bin vom Himmel herab-
gestiegen, nicht um meinen Willen zu tun, sondern den meines Vaters, der mich
gesandt hat« (Jo 6, 33). Er nennt hier den Willen seines Fleisches seinen eigenen.
Denn auch das Fleisch war sein eigenes. Gleichwie nämlich sein allheiliges und
unbeflecktes, beseeltes Fleisch durch die Vergöttlichung nicht aufgehoben wurde,
sondern in seinem eigenen Stande und in seiner Art verblieb: so ist auch sein
menschlicher Wille, obwohl er vergöttlicht ist, nicht aufgehoben. Er bleibt vielmehr
erhalten, wie Gregor der Gottesgelehrte sagt: »Sein Wollen, nämlich das des Heilan-
des, ist nicht Gott zuwider, sondern ganz vergöttlicht«.

ae
960 Geistig-geistl. Gepräge der menschl. Natur Christi: Begnadigung usw. S 151

Wir lehren ferner, daß zwei natürliche Wirkweisen ungetrennt und unver-
ändert, ungeteilt und unvermischt in unserem Herrn Jesus Christus, unserem wahren
Gotte sind, nämlich die göttliche Wirkweise und die menschliche, wie auch der
gotterleuchtete Leo aufs deutlichste bekennt: »Denn es wirkt jede der beiden Ge-
stalten in Gemeinschaft mit der anderen, was ihr eigen ist; das Wort wirkt, was des
Wortes ist; das Fleisch verrichtet, was des Fleisches ist«. Wir geben in keinem
Falle zu, daß Gott und sein Geschöpf ein und dieselbe Wirkweise haben, damit wir
nicht das Geschöpf in die göttliche Wesenheit einführen (erheben) und das Er-
habene der göttlichen Natur auf den der Schöpfung gebührenden Platz herabdrücken.
Sowohl die Wunder als die Leiden schreiben wir einem und demselben zu, (frei-
lich) je nach der Verschiedenheit seiner Naturen, aus denen und in denen er be-
steht". (D 291.1... NR.295£.):

I. Die Problematik

In der Schrift wird der menschliche Wille Christi unterschieden


von dem göttlichen Willen, in dem er eins ist mit dem Vater (Lk 22,
42; Mt 26, 39; Jo 5, 30; 6, 38). Christus muß als Mensch Gehorsam
lernen gegen den Willen des Vaters (Hebr 5, 8). Ps.-Dionysius
vom Areopag spricht wegen der Willenszweiheit in Christus von gott-
menschlichen Handlungen.
Wenn indes in Christus auch zwei Willenskräfte bestehen, so
kann es doch zwischen dem menschlichen und dem göttlichen Willen
in ihm keinen Gegensatz und Widerspruch geben. Denn immer ist es
das eine göttliche Ich, welches jeweils in dem menschlichen oder in
dem göttlichen Willen lebt (vgl. hierfür das $ 146 Gesagte). Wenn Mk
14, 36 (vgl. Lk 22, 42) erzählt wird, daß Jesus den Vater um Rettung
vor dem Todesleiden bat, daß also sein menschlicher Wille vor dem
Übermaß des Schmerzes zurückbebte, das ihm zugemutet wurde, so
heißt das nicht, daß sich sein menschlicher Wille gegen den Befehl des
Vaters aufbäumte. Er fügte ja der Bitte um Wegnahme des Leidens
sogleich hinzu: Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst. Gerade
weil Christus eine wahre menschliche Natur hatte, mußte sie auf das
Furchtbare, das auf ihn zuging, mit Angst und Entsetzen antworten.
Seine völlige Unterordnung unter den Willen des Vaters offenbarte
sich darin, daß er sich durch den naturhaften Schrecken vor dem Tode
und dem Schmerze hindurchrang zur freien Gehorsamstat. Hier hat
Christus die höchste und schwerste Leistung des Gehorsams voll-
bracht.
„Weil das göttliche Bewußtsein Jesu und weil die Gottschau des Menschen
Jesus und weil die eingegossenen Erkenntnisse und Willens- wie Gemütstugenden
zum Teil irgendwie verhalten sind — Jesus war in diesem Leben wohl nur ein ein-
ziges Mal verklärt —, weil also das göttliche und das höhere menschliche Bewußt-
S 151 Der Monotheletismus 261

sein, das Wissen und Lieben und Wollen Jesu in der Gottheit und im Gipfel seines
Menschengeistes kraft freien göttlichen und wohl auch menschlichen Wollens und
Wählens nicht bis zur Sinnlichkeit und Leiblichkeit, diese voll verklärend, durch-
gelassen waren: deshalb konnte die Sinnlichkeit und Leiblichkeit, ja selbst die un-
freie Anfangsregung des Gemütes und des Wollens in ihrer eigenen Naturgesetzlich-
keit ihre eigenen Wege gehen, auch wenn diese Wege dem freien geistigen Wollen
und Lieben der Menschheit Jesu irgend widersprechend oder doch gegensätzlich
waren. Nur ist zu bedenken, daß nichts, was Jesu Leiblichkeit und Sinnlichkeit je
widerfuhr an Widerwärtigkeit und Weh, gegen Gottes Willen oder Zulassung ge-
schah. Und selbst jener hier gegebene Gegensatz des Widerwärtigen gegen Wille und
Gemüt des Menschen war nur in einem Sinne Gegensatz: sofern jene welt- und
materiebedingten Naturgesetzlichkeiten dem natürlichen Streben der Menschheit Jesu
widerstrebten, während die begnadete und erleuchtete Gemüts- und Willenstätigkeit
des Herrn sie als von Gott gewollt oder als zugelassen im Erlösungsplan willig an-
nahm und ertrug“ (D. Feuling, a.a.O., 417).
Christus hatte also einen freien Willen, unterwarf sich aber vor-
behaltios dem Willen des Vaters. Ja, er war ihm so sehr unterworfen,
daß er einer Sünde unfähig war. Wie lassen sich die beiden Tatsachen
vereinbaren? Die Problematik wird dadurch zu ihrer letzten Schärfe
zugespitzt, daß Christus in der Gottesschau lebte und hierdurch so
sehr gefangen ist, daß er einer Wahl zwischen Gott als dem beseligen-
den Endziel und einem endlichen Gut (wenigstens nach der thomasi-
schen Ansicht, anders Johannes Duns Scotus) nicht mehr fähig zu
sein scheint. Die Schwierigkeit tritt vor allem bei der Übernahme des
Kreuzestodes hervor. Christus selbst sagte von der Hingabe seines
Lebens, daß sie einem Gebot des Vaters entsprach (Jo 10, 17f.; 14, 31;
vgl. 15, 10). Infolge seiner Unsündlichkeit scheint er einem Gebot des
Vaters gegenüber nicht frei gewesen zu sein.
Es gibt vor allem folgende Lösungsversuche:
1. Es habe sich nur um ein Gebot in weiterem Sinn gehandelt, um ein bene-
placitum des Vaters (vertreten vor allem von D. Petavius, J. Kleutgen, J. Franzelin,
M. J. Scheeben, L. Billot). — Durch diese Anschauung werden jedoch der Ausdruck
mandatum (entoleE) und der Gehorsam Christi, von dem die Heilige Schrift redet,
abgeschwächt (Jo 14, 31; 15, 10; Röm 5, 19; Phil 2, 8; Hebr 5, 8f.). Außerdem
scheint Christus auch ein beneplacitum des Vaters nicht unerfüllt lassen zu können,
ohne gegen die vollkommenste Heiligkeit zu verstoßen.
2. Das Gebot habe sich nur auf den Tod überhaupt bezogen, nicht auf die
näheren Umstände, so daß Christus hinsichtlich der näheren Umstände frei gewesen
wäre (Vasquez, Gregor von Valencia, Lessius). — Danach würde jedoch die Ver-
dienstlichkeit des Todes Christi nicht von dem Tode an sich, sondern nur von den
näheren Umständen abhängen.
3. Christus habe die wirksame Gnade besessen, die seinen Willen zur freien,
aber unfehlbar sicheren Annahme des göttlichen Auftrags bestimmt habe. Wie es
zur Erteilung der wirksamen Gnade kommt, erklären die Thomisten und die Moli-
262 Geistig-geistl. Gepräge der mensch), Natur Christi: Begnadigung usw. § 151

nisten im Rahmen ihrer Gnadenlehre wieder verschieden (siehe $ 211). — Diese


Anschauung scheint nur die tatsächliche Sündelosigkeit Christi, nicht seine innere
und wesenhafte Unfähigkeit zur Sünde zu erklären.
4. Gott habe sein Gebot nur in Voraussicht der Zustimmung Christi gegeben,
Christus habe zu jeder Zeit die Zurücknahme des Auftrages erlangen können. —
Diese Theorie scheint den Erlöserratschluß zu sehr dem menschlichen Willen Christi
zu überlassen.
5. Der Sitz der Seligkeit des Gott schauenden Christus sei die Seelenspitze, von
der aus sich die Seligkeit nicht über das ganze menschliche Bewußtsein Christi
verbreite.
6. H. Schell versucht eine Lösung durch die Analyse der Freiheit. Er sagt: Die
Freiheit ist die Fähigkeit, den Inhalt der Beweggründe zu würdigen unter Absehung
von der Stärke, mit der sich die Seele hiervon ergriffen fühlt. Nun war der Er-
kenntnis- und Gemütszustand Christi derart, daß ihm das göttliche Gebot als nicht
begehrenswert, sondern als peinlich für Leib und Seele erschien. So war seine Seele
in der Lage, gegenüber diesen Eindrücken mit freier Wahl und mit Unterdrückung
jener Gesichtspunkte, die dem freien Willen entgegenwirkten, den göttlichen Willen
zu erfüllen. Wenn es auch unmöglich war, daß Christus das göttliche Gebot nicht
vollkommen erfüllte, so war die Erfüllung doch eine Tat der Selbstverleugnung (Lk
12, 50; Jo 12, 27). Trotz der der menschlichen Seele Christi an sich eignenden Fähig-
keit, die von Gott auferlegten Gebote nicht zu vollziehen, darf nicht gesagt werden,
der menschliche Wille Christi habe sündigen können; denn das eigentliche Prinzip
des Wollens ist der göttliche Logos.
Letztlich ist die Frage unlöslich. Sie führt uns vor das undurch-
dringliche Geheimnis des Gottmenschen. Wir müssen uns mit der
Feststellung bescheiden: Das frei wollende und entscheidende Ich des
göttlichen Logos trägt den menschlichen Willen, gibt der mensch-
lichen Natur mit ihrer Existenz auch das freie menschliche Wollen,
wirkt das Wollen gerade als freies (Vgl. SS 112 und 127). Man darf
eben nicht übersehen, daß die Freiheit wesentlich darin besteht, selbst-
tätig in eigener Einsicht und Entscheidung zu verwirklichen, was dem
eigenen Wesen entspricht, nicht darin, auch das dem eigenen Wesen
Widersprechende zu tun.
„Das wahre Wesen der Freiheit besteht vielmehr darin, daß der Mensch die
Fähigkeit hat, ohne fremden Zwang, ja selbst ohne Zwang durch Gott, sich
selbst aus sich allein, für das zu entscheiden, was seinem Wesen entspricht und
daher sein Gut ist. In dem Sinne, daß wir auch das Gegenteil von dem tun ‚könnten‘,
was unser Sein und das Sein aller Wesen vor Gott ist, sind wir nicht frei. Wir
‚dürfen‘ nicht anders handeln als so, wie es das Sein vor Gott verlangt. Daß wir
irdischen Gütern gegenüber ‚frei‘ sind, insofern wir nicht immer und in jedem
Falle erstreben, was wir als gut erkennen, hat seinen Grund darin, daß wir zugleich
mit der Wahrnehmung eines irdischen Gutes auch dessen relativen Charakter er-
kennen. Wir sind uns dessen bewußt, wenn auch nicht in jedem Falle deutlich,
daß es noch höhere Güter gibt. Aber ohne daß es uns besser erscheint, ein er-
kanntes Gut nicht zu erstreben, werden wir in keinem einzigen Falle davon ab-
$ 151 Christi Liebe zu Gott 263

lassen, es zu erstreben. Daß der Mensch das wahrhaft merkwürdige ‚Können‘ hat, zu
sündigen, kommt nur daher, daß er irrtümlich das höchste Gut nach Art aller andern
irdischen Güter, also als relatives Gut auffaßt. Keine andere Freiheit kennen und
anerkennen wollen als nur jene, die auf der Unvollkommenheit der geistigen Kraft
des Menschen beruht und für das Wesen der Freiheit auch die Möglichkeit zur
Seinsverneinung in der Sünde fordern und dann dieses Wesen der Freiheit zum
Maßstab für die Freiheit des Gottmenschen machen ist ein Verfahren, dessen
Durchführung an der Vollkommenheit der heiligsten Menschheit Christi scheitert.
Man kann der Vollkommenheit der Menschheit Christi nur dadurch gerecht werden,
daß man anerkennt: Die Freiheit des Gottmenschen bestand darin, daß nichts an-
deres als das höchste Gut ihn dazu veranlaßte, allein aus sich selbst zu seinem
Sinn und Zweck ‚ja‘ zu sagen, und sich dieser Bejahung entsprechend zu verhalten.
Der Gottmensch hatte die Freiheit, die frei war von der sonst allgemeinen mensch-
lichen Unvollkommenheit, das höchste Gut, Gott als Urquell und Ziel des ge-
schaffenen Seins, irrtümlich relativ aufzufassen und zu verneinen. Die heiligste
Menschheit Christi war frei von der Freiheit, in der Sünde sich selbst verneinen zu
‚können‘. Somit zerstörte also die Vereinigung der heiligsten Menschheit Christi mit
der Person des Sohnes Gottes keineswegs die Möglichkeit, das vollkommene Opfer
als sittliche Tat der Gottesliebe, also mit innerer Freiheit zu vollbringen. Erst recht
aber hatte Christus die volle Freiheit dazu, sein Opfer gerade durch seinen Tod zu
vollziehen. Denn die heiligste Menschheit Christi hatte nichts in sich, dessen not-
wendige Folge und dessen Seinsausdruck der Tod gewesen wäre. Die Menschheit
des Herrn unterstand nicht dem Gesetze des Todes in dem Sinne, wie alle andern
Menschen ihm unterstanden. Und wenn der Herr sagte: »Mußte nicht Christus das
alles leiden«, dann kamen der Zwang und das Muß nur von ihm selbst, der gerade
den Weg durch den Tod als die Erfüllung zwar nicht seines Seins vor Gott, aber
des Seins der Menschheit in der Sünde vor Gott erkannt hatte“ (Fr. Meister, Die
Vollendung der Welt im Opfer des Gottmenschen, 1938, 71 f.).

Viertes Kapitel

Christi Liebe zu Gott

Die positive Seite seiner Sorge um die Herrschaft Gottes ist die
ihn verzehrende Liebe zum Vater (Lk 2, 49; 23, 46). Daraus quillt die
unbedingte und vorbehaltlose Bereitschaft und das glühende Ver-
langen, des Vaters Willen zu erfüllen, seinen Auftrag zu vollziehen,
seinem Gebote zur Herrschaft zu verhelfen (Jo 4, 34). Dem Vater ist
das Leben Christi geweiht (Mt 26, 39). Er ist jeden Augenblick bereit,
es für seine Sendung hinzugeben, über alle Angst und Furcht der
menschlichen Natur hinweg. Alle seine Werke vollbringt er in Einheit
mit dem Vater (Lk 3, 21 f.; 6, 12 f.; Jo 14, 10; Mt 11, 27). Er lebt in
ununterbrochener Verbundenheit mit ihm (Jo 8, 16. 29; 16, 32).
964 Geistig-geistl. Gepräge der menschl. Natur Christi: Begnadigung usw. $ 151

Diese wird bestätigt und zugleich bekundet in seinem reichen und


tiefen Gebetsleben, das ein vertrautes, inniges, lebendiges Zwiege-
spräch mit dem Vater allein oder ein Gespräch mit dem Menschen über
den Vater ist. Ja, da alle seine Worte Gespräche mit dem Vater oder
über den Vater sind, sind alle Worte, die von seinem Munde kommen,
Gebetsworte. Weil sein Herz von der Liebe zum Vater voll ist, entstei-
gen ihm nur Worte an den Vater oder über den Vater (Mt 11, 25f.; 14,
23; 26, 39; Jo 16, 15; 11, 41 f.). Infolge seiner ständigen Lebensgemein-
schaft mit dem Vater braucht er nie um Verzeihung zu bitten, ver-
richtet er nur selten ein formelles Bittgebet, sondern fast immer nur
Lob- und Dankgebete (Mt 11, 25; Jo 11, 41). Auch die Bittgebete sind
nicht ein banges Flehen, sondern ein zuversichtliches, der Erhörung
im voraus gewisses Wünschen (Jo 11, 41 f.; 17, 24; Mk 11, 22 ff.). Er
betet mehr für andere als für sich, mehr um Verherrlichung des Va-
ters als um Hilfe aus der Not (Lk 22, 32; Jo 14, 16; 17, 1. 24). Er be-
durfte des Bittgebetes nicht wie die übrigen. Denn sein Bittgebet war
die Bitte dessen, der in vollendeter Einheit mit dem Vater lebt, der
nichts aus sich ist und hat, sondern sein Sein und sein Tun als ihm
ständig zuströmendes Geschenk des Vaters besitzt und vollzieht. Er
sagte nur, was er vom Vater hörte, und tat nur, was er am Vater sah
(Jo 5, 19—47). Er stand daher auch ohne formelles Bittgebet vor dem
Vater ununterbrochen in der Haltung des Bittenden, insofern er
ständig in der Bereitschaft und in der Freude lebte, sich vom Vater
beschenken zu lassen, und insofern er frei war von jedem gottwidrigen
Autonomiewillen. Er trat nie aus der Haltung des Bittenden heraus,
insofern er immer ein Hörender und Empfangender war. Er mußte
sich daher nicht erst aus dem Zustand der Gebetslosigkeit zu einem
besonderen Akt des Bittens erheben. Wenn er einen solchen setzte,
dann vollzog er, was immer in ihm lebte. Er holte dabei in seinen be-
wußten Willen und in seine bewußte Sehnsucht herauf, was ihn in
der Tiefe immer bewegte: die Bereitschaft, sich vom Vater beschenken
zu lassen, die Gewißheit, vom Vater beschenkt zu werden. Da er sich
ständig als einen Beschenkten des Vaters wußte, schlug die Bitte, die
Bereitschaft und das Verlangen, beschenkt zu werden, wesenhaft so-
gleich um in den Dank. Er steht also nur als Bittender vor Gott, in-
dem er zugleich als Beschenkter vor ihm steht, und nur als Beschenk-
ter, indem er zugleich als Bittender vor ihm steht. In seinem Bitt-
gebet spricht er vor Gott die Bereitschaft und die Sehnsucht aus, Leben
und Handeln nur als Geschenk des Vaters haben zu wollen.
$ 151 Christi Liebe zu Gott 265

Diese Zusammenhänge wurden ganz klar bei der Bitte anläßlich


der Erweckung des Lazarus (Jo 1, 41 f.). Jesus richtete den Blick in
die Höhe, sprach aber keine vernehmbare Bitte aus, sondern dankte
dem Vater für die schon gewährte Erhörung und fügte hinzu, daß er
der Erhörung durch den Vater allezeit gewiß sei, aber sich ihm bittend
zugewandt habe, damit die ihn umstehende Menge Glauben fasse, daß
der Vater ihn gesandt habe.
In diesen Worten des Herrn kommt zum Ausdruck, daß die
Augenzeugen die Machttat der Totenerweckung, die sie sahen, nur
dann richtig deuten, wenn sie Christus nicht als einen Magier ver-
stehen, der aus eigener Kraft handelt und ein Zauberstück vollführt,
sondern als den von Gott Gesandten, der nichts von sich aus tut, son-
dern nur vollbringt, was der Vater ihm gegeben hat, als den Offen-
barer Gottes (vgl. auch Jo 11, 22). Durch diese Sinndeutung des Gebetes
wird die Bitte Christi nicht als bloßer Schein, als Anpassung an die
üblichen menschlichen Formen, als Täuschung der Zuschauer über den
Ernst seines Bittens entlarvt. Es behält vielmehr seinen Ernst und sein
Gewicht; ja sein Ernst wird in der stärksten Weise betont, insofern in
ihm die Bereitschaft des Herrn sich ausdrückt, alles ohne Einschrän-
kung als Geschenk vom Vater entgegenzunehmen und die Gewißheit,
daß der Vater nicht zaudert, seinem Beauftragten zu gewähren, was
ihm zukommt. Indem Christus sich so dem Vater zuwendet, offenbart
er zugleich, wer er ist. Er vollzieht seine innerste Wesenseigentüm-
lichkeit und demonstriert sie so den Zuschauern und Zuhörern. So
wird sein Bittgebet für die Zuhörer zu einem Anstoß, an ihn als den
vom Vater Gesandten zu glauben. In der Erhörung bestätigt der Va-
ter, was Christus von sich behauptet, daß er nämlich nicht seine
Werke vollbringt und nicht seine Ehre sucht, sondern daß er die
Werke dessen vollbringt und die Ehre dessen sucht, der ihn gesandt
hat (vgl. R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes, Göttingen 1953,
zu Jo 11, 4i f.).
Im Gebet, im Aufstieg zum Vater, kommt er über die Angst und
Verlassenheit der Todesstunde hinaus. Im Hohepriesterlichen Gebet
gehen alle Einzelgebete unter und auf in der ununterbrochenen Ge-
betshaltung.
Den Willen des Vaters sieht und erlebt er unmittelbar in allen
Dingen und Geschehnissen der Natur, der Geschichte und des täg-
lichen Lebens (Jo 5, 17; Mt 5, 45). Deshalb umfaßt er mit seiner Liebe
auch alles Außergöttliche. Er bejaht den Willen Gottes in seiner vollen
Freiheit, Unbedingtheit und Macht. Daraus fließt sein restloses Ver-
266 Christus der wahre Gottessohn S 152

trauen zum Vater und sein Widerwille gegen Kleinglauben und Un-
glauben, gegen Selbstsucht und Eigenwillen. Die Liebe zum Vater ist
die Wurzel, aus welcher sein Lebenskampf gegen die Pharisäer, die
sich aus einer ursprünglichen übersteigerten Treue gegen den Buch-
staben des Gesetzes zu Vertretern des Unechten, Unwahrhaftigen, Ver-
krampften, Veräußerlichten entwickelt haben, notwendig heraus-
wächst. Aus ihr glühen das Feuer und die Leidenschaft, mit der er sich
gegen alles Unaufrichtige, Widergöttliche, gegen alle Enge, Verknö-
cherung und Erstarrung, gegen Buchstaben- und Paragraphendienst
wendet.
Den Gehorsam gegen den Willen des Vaters erfüllt Jesus ununter-
brochen das ganze Leben hindurch ohne Entwicklung, Wandlung und
Erschütterung. Infolge der Hingabe an den Willen des Vaters ist Jesus
frei und unabhängig von allen irdischen Bindungen (Besitz, Ehre,
Familie, Freundschaft), wenn er auch aus der Liebe zum Vater le-
bendigste und wärmste Liebe zu allem Geschaffenen, insbesondere
zum Menschen, zu seiner Mutter, zu seinen Aposteln, zu den Freun-
den, zu den Volksgenossen, zu den Sündern empfindet. Die Liebe zum
Vater erfüllt ihn mit Freude und Seligkeit, mit Ruhe und Sorglosig-
keit, mit Lebensmut und Vertrauen. Er wundert sich über Angst und
Sorge (Mk 11, 22 ff.; 10, 27; Lk 12, 6—31). Ja, er verbietet sie den
Seinen (Mt 6, 33; Jo 14, 1). All sein Tun, von dem die Evangelien
berichten, ist Folge und Offenbarung der Liebe zum Vater. Sie gibt
seinem Leben Einheit und Einfachheit. sie ist die Mitte, in welcher er
ruht, von welcher er ausgeht, in die er heimkehrt. Sie gibt ihm Kraft,
Sicherheit, Zuversicht. Er braucht daher keinen Trost, keine Ermunte-
rung, keine Anregung von Menschen. (vgl. die Lehre von der Vor-
schung Bd. II 28 113).
$ 152
Christus der wahre Gottessohn

Vorbemerkung
Was die Zeitgenossen Christi an diesem Menschen erlebten und
was wir aus den neutestamentlichen Schriften von ihm fassen können,
geht über alles hinaus, was Geschichte und Erfahrung sonst von einem
Menschen erzählen, so sehr, daß man mit Recht gesagt hat, die Gestalt
Christi sei unerfindlich (J. C. Lavater). So redlich hier das menschliche
Leben bestanden und das menschliche Schicksal getragen wird, die
Gestalt Christi bleibt rätselhaft, solange wir nicht sehen, von welcher
8 152 Das Alte Testament 267

hintergründigen Wirklichkeit sie herauswächst. Alles, was dieser


Mensch ist und tut, hebt sich empor aus seiner Gottwirklichkeit. Darin
sind alle neutestamentlichen Schriftsteller einer Überzeugung und
eines Glaubens: Derjenige, den sie bei seinen Predigten begleiteten,
dessen Worte sie hörten, mit dem sie zu Tische saßen, geht über
Menschenmaß, über alle Maße dieser Welt hinaus.
Es ist Glaubenssatz: Er ist der eingeborene, dem himmlischen
Vater wesensgleiche Sohn Gottes (siehe die kirchlichen Lehrentschei-
dungen $ 146). Gemeint ist nicht die moralische, sondern die meta-
physische Sohnschaft Gottes, auf Grund deren Jesus Christus das eine
Gotteswesen besitzt, das dem himmlischen Vater eigen ist, durch das
dieser Gott ist.
Die Schrift- und Väterzeugnisse sind so umfangreich, daß nur
ein Überblick und eine charakteristische Auswahl geboten werden
können. Was zunächst das Schriftzeugnis betrifft, so tritt der Unter-
schied zwischen dem Alten und dem Neuen Testament hier natur-
gemäß besonders scharf zutage.

Erster Artikel

Das Alte Testament

Das Alte Testament bietet nirgends ein klares Zeugnis für die
Göttlichkeit des verheißenen Messias. Die Aussagen, welche von sei-
nem Gottesverhältnis reden (z.B. Is 9, 5f.; 7, 14; 8, 8; Dn 7, 13£.;
Ps 2, 7£.), sind nicht von einer im Sein (metaphysischen), sondern
von einer bloß in der Gesinnung begründeten (moralischen) Gottes-
sohnschaft bzw. von der gnädigen Annahme an Kindes Statt durch
Gott gemeint. In dieser Weise werden z. B. der König, der ja der „Ge-
salbte Gottes“ und dessen irdischer Amtsträger ist, ja das ganze Volk
Israel „Sohn Gottes“ genannt (Ex 4, 22f.). Das Alte Testament ist
jedoch nicht ohne Andeutungen, welche im Lichte des Neuen Testa-
mentes als Stufen zur vollen und deutlichen Offenbarung erscheinen.
So kann man die vom Messias sprechenden alttestamentlichen Texte
in einem gefüllteren Sinne verstehen. Im Lichte der Volloffenbarung
zeigt sich, daß der vom AT verheißene Messias der wahre Sohn Gottes
ist, daß also dieser immer gemeint war, wenngleich die alttestament-
lichen Texte selbst dies nicht unmittelbar sagen. Was vom ganzen
Alten Testament gilt, daß es erst durch das Neue ganz verständlich
wird, das gilt auch von den messianischen Stellen. Erst durch die volle
268 Christus der wahre Gottessohn § 152

Offenbarung des Neuen Testamentes wird offenbar, wie sie über den
Wortlaut hinaus letztlich zu verstehen sind.

Zweiter Artikel

Das Neue Testament

Erstes Kapitel
Allgemeine Charakterisierung des neutestamentlichen Christus-
zeugnisses

Zunächst sei betont, daß das Zeugnis von Christi Gottheit auf
das Engste mit dem trinitarischen Zeugnis des NT zusammenhängt.
Es muß also auf die in Band I gebotene Darstellung der Schriftlehre
vom dreipersönlichen Gott verwiesen werden.
Jeder von den neutestamentlichen Schriftstellern hat Christus in
der ihm eigenen Weise erlebt und schildert ihn daher auch in seiner
Weise, mit seinem ihm zur Verfügung stehenden Sprachschatz, in
der ihm gemäßen Art, die Wirklichkeit zu ergreifen, das Geheimnis
Gottes sich vorzustellen. Jeder legt von Christus Zeugnis ab, und was
sie alle bezeugen, stimmt im Kerne überein. Aber jeder legt Zeugnis ab
in seiner Sprech- und Vorstellungsweise. Dieses Zeugnis ist letztlich
ein Zeugnis des Heiligen Geistes, nicht des menschlichen Geistes. Er ist
es ja, der von Christus Zeugnis gibt (Jo 15, 26). Er ist der unsichtbare
Verfasser der Heiligen Schriften (siehe Bd. I § 12£.). Aber sein Zeug-
nis ist ein Zeugnis durch den Menschen, durch Matthäus, Markus,
Lukas, Paulus, Johannes usw. (Apg 1, 8). Denn der Heilige Geist hebt,
wenn er die freien Menschen als Werkzeug seines Tuns benützt, ihre
Eigenart nicht auf, sondern achtet sie und paßt sich ihr an. Zu der
menschlichen Eigenart gehören die menschlichen Einseitigkeiten und
Unvollkommenheiten. So werden uns auch diese in den von Gott
durch Menschen verfaßten Heiligen Schriften begegnen. Der Heilige
Geist verhütet zwar den Irrtum. Es wäre eine verhängnisvolle Ver-
kennung des Wahrheitscharakters des Christuszeugnisses, wenn man
die von den Evangelien Christus selbst zugeschriebenen Worte nicht
wenigstens ihrer Substanz, bzw. ihrem sachlichen Gehalt nach als
Aussprüche des Herrn selbst gelten ließe, sondern ihre Bildung ent-
weder den Evangelisten oder der Urgemeinde zuschreiben wollte. Man
darf jedoch sagen, daß sich in den Heiligen Schriften die Selbstent-
äußerung, welcher sich Gott in der Menschwerdung unterzog, in einem
S 152 Allgemeine Charakterisierung des neutestamentl. Christuszeugnisses 269

gewissen Sinne fortsetzt, wesentlich anders als in der Fleischwerdung


des Sohnes Gottes, aber doch in einer damit vergleichbaren Weise. In
jedem neutestamentlichen Christuszeugen spiegelt sich der ganze Chri-
stus, aber in jedem spiegelt er sich anders. Bei aller wesenhaften Ein-
heitlichkeit im Inhalt werden wir daher mancherlei Verschiedenheiten
in der Auswahl des Bezeugten und in der Form der Bezeugung er-
warten müssen. In jedes neutestamentliche Christuszeugnis ist auch
die Auslegung, die theologische Durchdringung eingegangen, jeweils
in verschiedener Intensität. Aus der Zusammenschau der verschiede-
nen Weisen des Christuszeugnisses gewinnen wir die Ganzheit seiner
Gestalt.
Die Synoptiker, und sie wieder in verschiedener Nuancierung und
Tongebung, schildern Christus als den geheimnisvollen Menschen, der
in ihr Leben eingetreten ist, welcher der in den Heiligen Schriften
des Alten Bundes verheißene Messias und der von Israel erwartete
Davids- und Abrahamssohn ist, welcher die Königsherrschaft Gottes
aufrichtet, der gekreuzigt worden und auferstanden ist, der die Sünde
verzeiht und Rettung verheißt. Das Geheimnis seiner Göttlichkeit ist
überall zu spüren, aber es schimmert im allgemeinen, von einigen
deutlicheren Stellen abgesehen, nur leise hindurch. Die Verborgenheit
der göttlichen Herrlichkeit ist in den synoptischen Evangelien größer
als in den anderen neutestamentlichen Schriften.
Paulus bezeugt Christus vor allem als die personhafte himmlische
Macht, als den machtvoll vom Himmel her in sein Leben hineinwir-
kenden und es durchherrschenden erhöhten Herrn.
Johannes, der Lieblingsjünger des Herrn, der den tiefsten Blick
in das Geheimnis Christi getan hat, legt den Ton auf die in der
menschlichen Natur sich enthüllende und in ihr zugleich verhüllte,
in der Hülle des Fleisches erschienene Gottesherrlichkeit, ohne die
menschliche Natur zu verkürzen. Nirgends ist die antignostische Ab-
sicht so kräftig wie bei ihm. Aber kein Evangelium ist so sehr nach
Pfingsten und Ostern geschrieben wie das seinige, d.h. bei keinem
wird so deutlich, daß sein Verfasser durch den von Christus gesandten
Heiligen Geist in das Verständnis des Christusgeheimnisses eingeführt
worden ist wie bei ihm. Er schildert Christus so, wie er ihn hätte
sehen müssen, wenn er schon vor der Herabkunft des Heiligen Geistes
so um ihn gewußt hätte wie nachher, d. h. er schildert Christus so,
wie er wirklich war, ohne daß seine Wirklichkeit von den Jüngern
verstanden worden war. Johannes führt uns daher am weitesten in
das Geheimnis Christi hinein. So unbegreiflich die in Christus gegen-
270 Christus der wahre Gottessohn 8 152

wärtige und wirkende Gottesherrlichkeit ist — Gott ist ja immerfort


unbegreiflich und unsagbar —, so macht uns doch kein Evangelist
so vertraut mit seinem Geheimnis wie er. Darum gibt uns keiner mit
so sicherer Hand den Schlüssel für das Verständnis Christi wie Jo-
hannes. Denn er legt wie keiner Zeugnis ab von dem dieses Leben
tragenden Grund. Bei den Synoptikern bleibt vieles ungesagt, was uns
das Seltsame am Leben Christi faßlicher machen könnte. Wenn man
angesichts dieses Lebens fragt, wie denn ein solches alle unsere Er-
fahrungen hinter sich lassendes Menschentum erklärlich sei, dann
geben die Synoptiker mit wenigen Ausnahmen bloß Andeutungen. So
werden bei ihnen zwar die Vordergründe dieses Lebens deutlich. Wenn
man jedoch nach den Kräften fragt, aus denen es gespeist wird, dann
sind die Synoptiker schweigsamer als Johannes. Letztlich ist daher
das Christuszeugnis des Johannesevangeliums verständlicher als das
der drei ersten Evangelisten. Bei ihm wird deutlich: Ein Menschen-
leben, das von derartigen göttlichen Kräften genährt und getrieben ist,
muß so verlaufen, wie es verlaufen ist. Paulus kennt Christus vor
allem als den Erhöhten, Verklärten. Es ist fraglich, ob er ihn in seinen
irdischen Tagen jemals gesehen hat. Man kann sagen: Bei den Synop-
tikern liegt der Ton auf dem Menschlichen, bei Paulus auf der Ver-
geistlichung Christi; Johannes sieht beides, das Göttliche und Mensch-
liche, zusammen, aber so, daß das Göttliche immer deutlich durch die
menschliche Hülle hindurchscheint. Sein Christuszeugnis ist die am
meisten von der Ostererfahrung geprägte und theologisch auslegende
Form des neutestamentlichen Christuszeugnisses. Genauer gesprochen:
Der Heilige Geist hat uns durch Johannes das deutlichste Zeugnis
über Christus geschenkt.
Zunächst ist für das Christuszeugnis der Evangelisten charakteristisch, daß
Christus nach ihrer Schilderung über alles hinausgeht, was mit psychologischen und
biologischen, mit biographischen oder historischen Mitteln erfaßt werden kann. Sie
haben ihn als eine fremde, in menschliche Kategorien sich nicht einfügende, sich
ihnen aufdrängende Wirklichkeit erfahren. Dies wird besonders deutlich an der
Tatsache, daß Christus ihnen zeitlebens trotz aller Nähe und Vertrautheit in seinem
letzten Geheimnis unverstanden blieb. Als sie nach der großen Abendeinladung, die
ihnen Christus bereitete, glaubten, ihm ganz nahe gekommen zu sein, mußten sie
erleben, daß er ihnen sogleich wieder entglitt (Mk 6, 31—45). Insbesondere wird dies
dort ersichtlich, wo die Jünger ihm zu essen geben wollen (Jo 4, 32 ff.). Auf ihre
Einladung: Meister iß, mußten sie hören: Ich habe eine Speise zu essen, die ihr
nicht kennt. Da sprachen die Jünger zueinander: Hat ihm denn jemand zu essen
gebracht? Jesus sagte ihnen: Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich
gesandt hat, um sein Werk zu vollbringen. In der gleichen Linie liegt es, wenn den
Jüngern, auch den nächststehenden, seine Botschaft vom Reiche Gottes noch vor
$ 152 Allgemeine Charakterisierung des neutestamentl. Christuszeugnisses 271

der Himmelfahrt unverständlich war (Apg 1, 6ff.). Erst jene Verwandlung, welche
der Heilige Geist an ihnen vornahm, hat ihnen den Zugang zu dem Geheimnis
Christi eröffnet.
An der Tatsache, daß ihnen Christus, solange er bei ihnen weilte, ein Undurch-
dringlicher, Geheimnisvoller war, ersieht man, daß seine Gestalt wesentlich anders
ausgefallen wäre, als sie ausgefallen ist, wenn sie von den Jüngern erfunden worden
wäre. Sie ist nicht von ihnen in einer schöpferischen Intuition hervorgebracht,
sondern in einer immer wieder mit neuem Staunen gehörten Lehre und erlebten Er-
fahrung von ihnen entgegengenommen worden. Was sie von ihm sagten, empfingen
sie aus seinem Wort und aus seinem Tun.
Für Paulus war es ein lebenslängliches Rätsel, daß Gott seine Herrlichkeit
offenbarte in der Schwäche des Fleisches, in der Torheit des Kreuzes. Dem Apostel
wäre auf Grund seiner ursprünglichen Gottesvorstellung ein wesentlich anderes
Bild vom Retter-Gott nahe gelegen: Das Bild eines Starken, Mächtigen, der seine
Feinde zerschmettert. Man spürt in den Briefen Pauli häufig, daß er sich gegen
diese Gottesvorstellung in seinem Innern zur Wehr setzen muß, um sich der von
außen ihm zugekommenen Gottesoffenbarung hingeben zu können. Wenn er im
Römerbrief (1, 16) erklärt, daß er sich des Kreuzes nicht schämt, so drückt sich
darin in einer verräterischen Weise aus, was aus der Tiefe seines Innern immer
wieder ans Licht zu kommen sucht. Ähnliches gilt von dem Satze, daß die Botschaft
des Kreuzes den Juden ein Anstoß und den Heiden ein Spott ist (1 Kor 1, 22—25).
Man lachte über eine derartige Offenbarung Gottes. Der Apostel spürte offensichtlich
in sich die Versuchung, in dieses Lachen einzustimmen. Wie sollte der Mensch sich
nicht an einem schwachen, von den Menschen zum Tode verurteilten und hinge-
richteten Gott stoßen. Er widerspricht allen Bildern, die der Mensch sich vom Gött-
lichen, vom Numinosen macht. Was Paulus von Gott sagt, wenn er ihn als den
Gekreuzigten verkündet, ist nicht geboren in der Tiefe seines Herzens, nicht in der
Tiefe irgendeines menschlichen Herzens. Es entstammt vielmehr einem Ereignis,
das von außen über ihn kommt und ihn zu Boden wirft, das das Gottesbild zer-
trümmert, das aus dem menschlichen Herzen erzeugt war. Vor den Toren von Da-
maskus hat Christus seine Hand auf ihn gelegt und ihn wider alles Erwarten so
verwandelt, daß er anbetete, was er vorher verfolgte, und pries und verkündete,
was er vorher verurteilte.
Nicht anders ist es mit dem Christuszeugnis des Apostels Johannes. Es wurde
darauf hingewiesen, daß Johannes von Natur aus eine gewaltige Liebeskraft be-
saß, aber ohne Güte war, daß er eine Liebe zu den Sachen, zur Sache, aber nicht
zu den Menschen hatte, daß Johannes ein gewalttätiges, unduldsames, fanatisches
Wesen hatte. Dieser ungütigen Liebe entspricht die Fähigkeit zu glühendem Haß.
Er äußert sich in der Schärfe, mit der Johannes gegen Judas auftritt.
In Bezug auf den Inhalt seiner angeborenen religiösen, ihm von Hause aus
liegenden Überzeugungen nähert sich Johannes dem Gnostizismus, jener Weltan-
schauung, welche die gesamte Wirklichkeit dualistisch sieht. Diese ist nach ihr aus
Göttlichkem und Dämonischem, aus Gutem und Bösem, aus Licht und Finsternis,
aus Materie und Geist, aus Liebe und Haß, aus Männlichem und Weiblichem auf-
gebaut. Diese zwei Reihen stellen die das Ganze der Wirklichkeit fügenden Grund-
formen dar. Sie sind metaphysische Realitäten. Am Johannes-Evangelium sieht man,
daß Johannes in den Erfahrungen, die er an Christus machte, seine ursprüngliche
272 Christus der wahre Gottessohn § 152

Wesensanlage und seine ursprünglichen religiösen Überzeugungen umgeformt hat.


Aber das Ursprüngliche tritt in seinem Evangelium gelegentlich blitzartig hervor.
Hätte Johannes das Bild Christi aus seinem eigenen Innern heraus schöpferisch
erzeugt, dann hätte er ein gnostisches Weltbild hervorgebracht, zu dem ein gnosti-
sches Gottesbild gehört hätte. Dann hätte er eine vom Haß gegen seine Feinde
glühende, fanatische Erlösergestalt geschaffen. Jene Christusgestalt hingegen, welche
uns in seinem Evangelium begegnet, trägt wesentlich andere Züge. Johannes hat
sie nicht geschaffen, sondern empfangen. Sein Christus ist kein Mythus, sondern
Geschichte, über die er berichtet. Er kleidet zwar sein Christuszeugnis vielfach in
das Gewand des Mythus; er verleiblicht es in einer Sprache, die weithin auch die
Sprache der Gnostiker ist. Aber der Inhalt seines Christuszeugnisses ist der Nieder-
schlag dessen, was er gesehen und gehört hat. Darauf legt Johannes das größte
Gewicht (1 Jo 1, 1ff.).
Wenn schon den vertrauten Jüngern Christi seine Gestalt geheimnisvoll und
fremdartig erschienen ist, so ist sie erst recht den ihm fernestehenden, den ihm
feindlich gesinnten Volksmassen unverständlich gewesen. Seine Botschaft von Gott und
vom Menschen, vom Reiche Gottes und von der Welt war derart, daß sie allem, was
die Massen sich von Gott und von dem verheißenen Reiche erwarteten, ins Gesicht
schlug. Deshalb waren die Volksmassen durch Christus und seine Botschaft gereizt.
Er zerschlug liebgewordene Bilder und Hoffnungen. Sie nahmen daher an ihm An-
stoß. Der Ärger, den er ihnen verursachte, spitzte sich zum Hasse zu, in welchem
sie sich Christus auf jede Weise vom Leibe schaffen wollten. Dieser Haß war nicht
etwa eine Zufallserscheinung. Er hätte nicht durch größere Vorsicht oder Geschick-
lichkeit Christi vermieden oder überwunden werden können. Er war vielmehr un-
vermeidlich. Denn in ihm äußerte sich der Widerstand, den der gegen Gott verschlos-
sene, in sich selbst verliebte Mensch dem auf ihn zugehenden Gott entgegensetzt.
Der selbstherrliche und eigenwillige, seiner selbst sichere Mensch erträgt es
nicht, daß er Gott in der Ohnmacht und Hilflosigkeit eines Menschen, noch dazu
eines zum Tode verurteilten und hingerichteten anbeten soll. Sein Widerstand und
Widerspruch, seine Gereiztheit und sein Haß entstammen, wie wir früher ($ 145)
unter einem anderen Gesichtspunkt schon sahen, nicht irgendeiner schädlichen Ein-
wirkung Christi auf das menschliche Leben. Selbst wenn es dem Menschen aufdäm-
mert, daß Christus der Bürge auch der irdischen Ordnung, des menschenwürdigen
Zusammenlebens ist, nimmt er an ihm Anstoß, aus keinem anderen Grunde als des-
halb, weil der in Christus ihm begegnende Gott anders ist als die Gottes- oder viel-
mehr die Götzenbilder, die er selbst geschaffen hat und von denen er nicht lassen
will. Daß Christus hingerichtet wurde, lag nicht in einem Mißverständnis oder in
einer taktischen Ungeschicklichkeit begründet. Es lag im Wesen jener Beziehung,
in die der eigenherrliche Mensch zu dem in der Schwäche des Menschen erschienenen
Gott treten muß. Der autonome Mensch erträgt einen solchen Gott nicht. Das in die
Sünde verstrickte Herz begehrt auf gegen den lebendigen Gott (Jo 8, 43 f.).
Christus war sich selbst seiner Fremdheit in der Welt der selbstherrlichen
Menschen bewußt. Er mußte dieses furchtbare Bewußtsein ertragen. Er wußte, daß
er nicht bloß diesem oder jenem Menschen, sondern jedem fremdartig erschien. Er
mußte daher trotz der Nähe zu den Seinen in einer unüberwindlichen Einsamkeit
leben. Wenn er, wie er sagte, nichts hatte, wohin er sein Haupt legen konnte, so
drückte sich darin seine wesenhafte Fremdheit in der Welt aus. Da erfüllte sich in
§ 152 Die synoptischen Evangelien 273

einer zusammengefaßten und gesteigerten Intensität, was R. M. Rilke von der Existenz
eines jeden Menschen sagt, daß ihm nämlich die Welt unvertraut ist. Christus mußte
es zeitlebens aushalten, daß er seinen Getreuen und seinen Hassern, seinen Freunden
und seinen Feinden als unzeitgemäß erschien. Er kommt dem sündigen Menschen
immer unzeitgemäß vor, weil er zur Selbstherrlichkeit dieser Welt nicht paßt (Mt
8, 20; Lk 9, 58).
Die Welt schließt sich gegen ihn im Hasse zusammen. Der Gegensatz, den sie
gegen ihn verspürt, liegt jenseits aller sonstigen Gegensätze. Diese werden von dem
Hauptgegensatz, den es in der Geschichte gibt, von dem Gegensatz des selbstherr-
lichen Menschen zu dem in Christus erschienenen Gott eingeebnet. So wird be-
greiflich, daß die unversöhnlichsten Feinde in der gemeinsamen Gegnerschaft zu
Christus sich zu Freunden zusammenfinden. Der Heide Pilatus und der Jude Herodes
vergessen angesichts Christi ihre lange und tiefe Feindschaft. Alle innerweltlichen
Verschiedenheiten verlieren vor dem Widerspruch zu Christus ihr Gewicht (Lk 23,
6—12).
Christus drückt diese Tatsache in einem Worte aus, in welchem sein innerstes
Bewußtsein von der Einsamkeit, die ihm in dieser Welt auferlegt ist, hervorbricht:
„Wenn die Welt euch haßt, so wisset, daß sie mich zuerst gehaßt hat. Wenn ihr
aus der Welt wäret, so würde die Welt das Ihrige lieben. Da ihr aber nicht aus
der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt ausgewählt habe, haßt euch die
Welt ... Es soll das Wort in Erfüllung gehen: Sie haben mich ohne Grund gehaßt“
(Jo315..187..25).

Die tiefste Ursache für die Fremdheit Christi in der Welt liegt
darin, daß er von oben ist, während alle übrigen von unten sind.
Christus ist nicht geboren aus Fleischeswillen oder aus Manneswillen.
Er ist vielmehr vom Vater in diese Welt hereingesandt. Er steht zwar
in der Reihe der menschlichen Generationen, überragt aber doch zu-
gleich alles Menschliche (Jo 1, 13; 8, 23).

Zweites Kapitel
Die synoptischen Evangelien

I. Jesus der Messias

Was zunächst das synoptische Christuszeugnis angeht, so weiß


sich Jesus als die Erfüllung der alttestamentlichen Verheißungen, ins-
besondere als den im Alten Testament vorherverkündeten Messias, als
den Retter, den Erlöserkönig, den Heilbringer (Lk 24, 25. 45; vgl. §
155). Vor allem wird bei Matthäus dem Schriftbeweis die größte Auf-
merksamkeit geschenkt. Er hat die umfassendste Gestalt, wenn die
Leidensansagen mit der Voraussage und der Bezeugung der Aufer-
stehung Jesu verbunden werden. In Christus haben die Jahrhunderte
und Jahrtausende ihr Ziel erreicht. Zugleich sollte er der Anfang für

18 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


274 Christus der wahre Gottessohn § 152

kommende Jahrhunderte und Jahrtausende sein. Alles erwartete den


Messias. Schon bei der Bußpredigt des Johannes „war das Volk in
Spannung. Alle dachten bei sich, ob vielleicht Johannes der Messias
sei“ (Lk 3, 15). Simeon, der Gerechte, harrte auf den von Gott ver-
heißenen Gesalbten des Herrn (Lk 2, 25 f.). Aus der gespannten Er-
wartung und Sehnsucht ist der Freudenruf des Andreas und Philip-
pus erklärlich, daß sie den gefunden hätten, von dem im Gesetz und
in den Propheten geschrieben stehe (Jo 1, 44 f.).
Jesus begann seine Predigt mit der Verkündigung, daß er der
verheißene Erlöser sei: Er kam aus der Wüste, von der Versuchung
durch Satan und vom siegreichen Kampfe gegen ihn, lehrte „in der
Kraft des Geistes“ und wurde von allen gepriesen. Dann ging er seiner
Gewohnheit gemäß am Sabbat in die Synagoge. „Man reichte ihm das
Buch des Propheten Isaias. Er rollte das Buch auf und stieß auf die
Stelle, wo es heißt: »Der Geist des Herrn ruht auf mir. Darum hat er
mich gesalbt: Den Armen soll ich frohe Botschaft bringen. Dazu hat
er mich gesandt. Den Gefangenen soll ich die Freiheit verkündigen.
Den Blinden soll ich das Augenlicht geben. Bedrückte soll ich in Frei-
heit setzen. Das Gnadenjahr des Herrn soll ich ausrufen und den Tag
der Vergeltung.« Dann rollte er das Buch zusammen, gab es dem Die-
ner zurück und setzte sich. Aller Augen in der Synagoge waren auf
ihn gerichtet. Er sagte zu ihnen: »Heute ist dieses Schriftwort, das ihr
soeben vernommen habt, in Erfüllung gegangen«“ (Lk 4, 14—21; Mt 13,
53—58; Lk 6, 1—6; vgl. Is 61, 1f.). Darum ist es an der Zeit, sich zu
freuen wie zur Zeit der Hochzeit (Mk 2, 18 f.). Von denen, die diese
Tage der Erfüllung erleben dürfen, gilt: „Heil den Augen, die sehen,
was ihr seht! Denn ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten
sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen. Sie wollten hören,
was ihr hört, und haben es nicht gehört!“ (Lk 10, 23 f.; vgl. Mt 13,
16 f.). Er ist der „Gerechte“, dessen Kommen geweissagt ist (Apg 7,
552; 22, 14). Am meisten hat das Lukas-Evangelium Jesus als den
erbarmungsvollen Helfer (Lk 7, 13), als den Heiland der Sünder und
den Anwalt der Armen (Lk 6, 20f; 7, 36—50; 14, 12£.; 15; 16; 18,
9—14; 19, 2—10; 23, 43), kurz als den Retter bezeugt (Lk 2, 11).
Indes das Erstaunliche geschieht: Die Stunde ist gekommen, auf
welche die Jahrtausende gewartet haben. Aber die Zuhörer Christi
verstehen ihn nicht. Sie haben eine andere Vorstellung vom Messias,
als sie an Jesus verwirklicht sehen. Infolge der jahrhundertelangen
Unterjochung durch fremde Staaten war die Messiaserwartung bei den
meisten in die politische Ebene geraten. Man erwartete vom Messias
§ 152 Die synoptischen Evangelien 275

Befreiung von der Römerherrschaft (Mk 12, 13—17). In dieser Hoff-


nung enttäuschte Christus seine Zeitgenossen. Er versprach und
brachte wohl Befreiung, aber nicht von äußerer Knechtung, sondern
von der Sünde, von einer tiefgreifenderen und stärker bindenden Skla-
verei (Mt 6, 13; Mk 1, 15; Jo 8, 33—37). Zu diesem Verständnis seines
Messiastums sind die Massen des Volkes nie gekommen. Die Pharisäer
vollends haben ein solches Messiastum entschieden abgelehnt, so daß
Christus mit ihnen nie in ein anderes als in ein Streitgespräch kom-
men konnte. Sie haben durch eine geschickte nationalistische Propa-
ganda auch die breiten Volksmassen zur Feindschaft gegen Christus
getrieben. Sie waren von ihrer in der Abstammung von Abraham lie-
genden Erwählung so sehr überzeugt, daß ihnen die Zumutung, sie
seien der Befreiung bedürftige Sklaven der Sünde, wie eine teuflische
Arglist vorkam (Jo 8, 48). Sie waren in naturhaften nationalen Vor-
stellungen befangen. Auch den Christus treu ergebenen Jüngern fiel
es schwer, den geistlichen, unanschaulichen, unpolitischen Charakter
seines Messiastums zu fassen. Sie bekannten sich zwar zu ihm, als
Jesus mit ihnen von Bethsaida weiterzog „in die Ortschaften bei Cä-
sarea Philippi“ und von ihnen erstmals ein offenes Bekenntnis zu
seiner Messianität verlangte. Unterwegs fragte er seine Jünger: „Für
wen halten mich die Leute?“ Sie antwortetem ihm: „Einige für Jo-
hannes den Täufer, andere für Elias, wieder andere für sonst einen
der Propheten.“ Er fragte weiter: „Für wen haltet ihr mich denn?“
Petrus gab ihm zur Antwort: „Du bist der Messias“ (Mk 8, 27—30;
vgl. Mt 16, 13—16). Aber bald darauf muß sie Jesus belehren, daß
ihre Messiashoffnungen falsch seien, weil sie an ein mächtiges Reich
von dieser Welt denken, in dem sie die ersten Plätze einnehmen
wollen (Mk 10, 35—45). Weil die Messiashoffnungen ganz ins Poli-
tische abgeglitten waren, konnte Jesus nicht deutlich von seiner
Messiasaufgabe sprechen, ohne ein unreligiöses „Mißverständnis sei-
ner Sendung und seiner Person zu veranlassen und die Gefahr einer
politischen Bewegung und das Eingreifen der Römer herbeizuführen“
(J. Schmid, Das Evangelium nach Markus, Regensburg 1958, 135—
159). Darum hat er denen, welche seine Messiaswürde erkannten,
Schweigen geboten (Mk 1, 24 f. 34. 44 f.; 3, 11 f.; 5, 43; 7, 35 f.; 8, 29 f.;
9, 9 und die Parallelstellen) und sich selbst nicht als Messias, sondern
als Menschensohn bezeichnet.

18*
276 Christus der wahre Gottessohn & 152

I. Der Menschensohn

Das Wort „Menschensohn“, mit dem Christus nie von anderen


benannt wurde, sondern nur von sich selbst, war zu seiner Zeit keine
geläufige Messiasbezeichnung. Für Christus lag das Wort im Alten
Testament bereit. Daniel schaute zuerst vier widergöttliche Weltreiche,
und zwar in den Sinnbildern von vier Tieren. Durch ihre Überheb-
lichkeit und Unmenschlichkeit ziehen sie sich das Gericht Gottes zu.
In einem großen Bilde sieht Daniel das Gericht, das Gott abhält. Die
Tiere werden verurteilt. Die Reiche, die sie repräsentieren, versinken.
Emporsteigt das messianische Reich, das kein Ende kennt. „Ich
schaute, bis daß Throne aufgestellt wurden, und ein Hochbetagter
Platz nahm; sein Kleid war weiß wie Schnee und sein Haupthaar wie
gereinigte Wolle, sein Thron waren Feuerflammen, dessen Räder
flackerndes Feuer. Ein Feuerstrom flutete und ging aus von ihm.
Tausend Tausende dienten ihm, und zehntausend Zehntausende stan-
den (dienend) vor ihm. Das Gericht setzte sich, und die Bücher wur-
den aufgeschlagen. Ich schaute dann vor dem Lärm der überheb-
lichen Worte, welche das Horn (das mit Macht ausgerüstete Tier)
sprach — ich schaute, wie schließlich das Tier getötet, sein Leib ver-
nichtet und es dem Brande übergeben wurde. Und die übrigen Tiere
— man nahm ihnen die Herrschaft weg, und Lebensdauer wurde
ihnen (nur) auf Frist und Zeit gegeben. Ich schaute in den Nacht-
gesichten, und siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer wie ein
Mensch und gelangte bis zum Hochbetagten, und man brachte ihn
vor denselben. Dem wurde nun Herrschaft und Ehre und Königtum
gegeben, auf daß alle Völker, Nationen und Zungen ihm dienten;
seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergeht, sein
Königtum ein ewiges Königtum, das nicht zerstört wird“ (Dn 7, 9—14).
Die Vernichtung der mit Schuld überladenen Weltreiche macht
die Bahn frei für das messianische Reich, in welchem sich die Herr-
schaft Gottes darstellt. Sein Repräsentant entsteigt nicht wie die Tiere,
die Repräsentanten der untergegangenen Weltreiche, dem Meere, der
Tiefe. Er kommt vielmehr von oben, aus der Höhe. Er steht daher
Gott nahe, der auf den Wolken thront und in der Höhe lebt. Er hat
menschliche Gestalt. Darin wird man einen Hinweis darauf sehen
dürfen, daß nur der von oben kommende Herrscher ein menschen-
würdiges Regiment führt. Die widergöttlichen Reiche sind die un-
menschlichen Reiche. Sie zerstören menschliche Freiheit und Würde
und drücken den Menschen auf die Stufe des Tieres herab. Dem Re-
8 152 Die synoptischen Evangelien 2377

präsentanten des neuen Reiches überträgt Gott selbst Macht und Herr-
schaft. Er ist der von Gott eingesetzte Herr der Welt, so daß in ihm
und durch ihn Gott selbst die Weltherrschaft ausübt. In Vers 27 des
Kapitels 7 wird der Menschensohn genauer umschrieben. „Königtum
und Herrschaft und Triumph über die Reiche und den ganzen
Himmel wird dem Volke der Heiligen des Höchsten verliehen. Sein
Königtum ist ein ewiges Königtum, alle Herrschaften dienen und ge-
horchen ihm.“ Das „Volk der Heiligen des Höchsten“ ist das Gott
angehörige Volk, das Volk Gottes, vor allem in seinen gesetzestreuen
Gliedern. Der Menschensohn ist also zunächst das Volk Gottes (vgl.
auch Vers 18, Vers 21 f., Vers 25). Der Ausdruck hat ähnlich wie die
in den Nachtvisionen Daniels vorausgehenden Tiergestalten kollektive
Bedeutung. Aber in Vers 13 spielt das Wort in die individuell-per-
sönliche Bedeutung hinüber. Wenn daher vom Verfasser des Buches
der Menschensohn auch zunächst und unmittelbar nicht als Einzel-
gestalt, sondern als das Volksganze gemeint war und daher auch
keine messianische Bedeutung hat, so lag es doch nahe, die unmittel-
bar zu Tage tretende kollektive Bedeutung zu einer individuell-per-
sönlichen umzugestalten. So wurde der Ausdruck Menschensohn in
der Tat von der ältesten, der rabbinischen Exegese gedeutet. Wäh-
rend demgemäß im Buche Daniel der Menschensohn wie überhaupt
im Alten Testament und im ganzen alten Orient nicht als messia-
nische Gestalt erscheint, sondern nur die ewige Weltherrschaft Gottes
als messianische Verheißung begegnet, wurde bei dem engen Zusam-
menhang zwischen Gottes Herrschaft und dem irdischen Herrschafts-
träger infolge der individuellen Deutung in der rabbinischen Über-
lieferung und der alttestamentlichen apokryphen Literatur (4 Esdr
13, 1ff.; Henoch Kap. 36—72; bes. Kap. 46) das Wort Menschensohn
zur Bezeichnung des Messias. Jesus hat an die Danielstelle vom
Menschensohn und die älteste Exegese dieser Stellen angeknüpft und
schrieb sich selbst zu, daß er der Menschensohn ist (vgl. J. Goetts-
berger,Das Buch Daniel, Bonn 1928°, 55 ff. und Fr. Nötscher, Das
Buch Daniel, in: Echter-Bibel, Würzburg 1958, 629—634). Er ver-
wendete also das Wort in einem persönlich-individuellen Sinn. Was
nach dem unmittelbaren Wortlaut der Danielstelle vom Volke Gottes
gesagt ist, nahm Christus für sich und für sich allein in Anspruch.
Dadurch wird über den unmittelbaren Wortlaut hinaus zugleich
authentisch erklärt, worauf die Danielstelle zielt, unmittelbar auf das
Volk Israel, aber durch dieses hindurch auf Jesus Christus. Wenn
Christus sich mit Vorliebe den Menschensohn und nicht den Messias
278 Christus der wahre Gottessohn 8 152

nannte, so dürfte dies darin seinen Grund haben, daß er die politi-
schen Mißdeutungen ferne halten wollte, welche sich an das Wort
Messias hefteten. Auf der anderen Seite zeigt die Verwendung dieses
Wortes, daß Jesus sich mit himmlischer Hoheit geschmückt weiß. „Die
einstmals moderne Leben-Jesu-Forschung hat den Namen Menschen-
sohn im Sinne von Ps 8, 5 verstanden und ihn darum besonders ge-
liebt als das Wahrzeichen der schlichten Anspruchslosigkeit des histo-
rischen Jesus, der nichts war und sein wollte als ein Mensch unter
Menschenkindern“ (E. Stauffer, Die Theologie des Neuen Testamentes,
Stuttgart-Berlin 1941, 88). In Wirklichkeit ist der Ausdruck eine
außergewöhnlich anspruchsvolle Selbstaussage Jesu. Der Menschen-
sohn ist mit überirdischer Glorie, mit der Herrschaft über die ganze
Welt ausgestattet. Er überragt seinen königlichen Ahnherrn David
wesentlich (Mk 12, 35 ff.). Er muß freilich den Leidensweg gehen. Er
ist Knecht Gottes (Mt 12, 13; Apg 3, 13. 26; 4, 27. 30; vgl. Is 32, 1).
Dereinst aber wird er in Herrlichkeit offenbar und über alle Men-
schen Gericht halten. Die Menschensohntheologie schließt die Er-
höhungstheologie in sich. Sie ist zugleich ein synoptisches Zeugnis
für die schon in der Urgemeinde vollzogene kultische Verehrung Jesu
als des Herrn, dessen Parusie (Wiederkunft) geglaubt und ersehnt
wird (vgl. Bd. IV, 2). So begreift die Bezeichnung Menschensohn drei
Momente in sich: himmlische Hoheit, Knechtsgestalt und Herrlich-
keitsoffenbarung.
Der Menschensohn ist eine Herrschergestalt. Aber er ist nicht ge-
kommen, sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen (Mk 10, 45).
Er sucht nicht die Großen und Maßgebenden dieser Welt, sondern die
Kleinen und Verlorenen (Lk 19, 10). Er ist der Herr der Schöpfung
und der Geschichte und hat doch weniger als die Tiere. Er weiß nicht,
wohin er sein Haupt legen soll (Lk 9, 28) und hat doch Verfügungs-
recht über den Sabbat, über die alttestamentlichen, von Gott selbst
aufgestellten Frömmigkeitsformen (Mk 2, 28). Er wird müde und hat
Angst, er kann hingerichtet werden und ist dennoch der Bevollmäch-
tigte und der Stellvertreter Gottes auf der Erde, der die Entscheidung
trifft über Leben und Tod, über Schuld und Gnade, über Seligkeit
und Verwerfung (Mk 2, 11f.; Lk 19, 10). Wehe darum dem Menschen,
der sich durch die Unscheinbarkeit des Menschensohnes verleiten läßt,
ihn abzuweisen, der ihn verrät und Ärgernis an ihm nimmt. Er ist
verloren (Lk 12, 9). Heil dem Menschen, der sich zum Menschensohn
bekennt; ihm ist er Heiland und Seligmacher (Lk 2, 34; 6, 22 f.; 19, 9;
Mt 21, 42; 10, 32).
& 152 Die synoptischen Evangelien 279

Am tiefsten hüllte sich der mit der Majestät Gottes Umkleidete


in die Knechtsgestalt ein, als er den Kreuzweg beschritt. Am ein-
dringendsten ist im Mk-Evangelium das den Menschensohn einhül-
lende Dunkel gezeichnet, freilich nicht ohne den Ausblick auf die
Auferstehung und Erhöhung zu geben. Der Menschensohn geht dahin,
wie geschrieben steht (Mk 14, 21). Es steht von ihm geschrieben, daß
er vieles leiden und Schmach ertragen muß. „Siehe, wir gehen hinauf
nach Jerusalem und es wird sich alles vollenden, was die Propheten
über den Menschensohn geschrieben haben. Denn er wird den Heiden-
völkern übergeben werden und wird Spott und Gewalt erleiden, er
wird angespien werden und sie werden ihn geißeln und töten, und
am dritten Tage wird er auferweckt werden“ (Lk 18, 31ff.). Je
näher das Kreuz kommt, um so mehr ist Christus bereit, ein öffent-
liches Bekenntnis seiner Messiaswürde entgegenzunehmen, während
er ihm bis dahin, offensichtlich um seine nationalpolitische Miß-
deutung zu verhüten, aus dem Wege gegangen ist (Mk 11, 1—10; Mt
21, 1—9; Lk 19, 28—38; vgl. Jo 12, 12—19). Als er vom Hohenpriester,
also vom amtlichen Vertreter des ganzen Volkes, in der Öffentlich-
keit der staatlich-religiösen Gemeinschaft, nach seinem Messiastum
gefragt wurde, da zog er den Vorhang von seinem Messiasgeheimnis
und von der Zukunft zurück. Auf die Frage: „Bist du der Messias,
der Sohn Gottes, des Hochgelobten?“ antwortet Jesus: „Ja, ich bin
es. Ihr werdet den Menschensohn zur Rechten des Allherrschers
sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen“ (Mk 14,
61 f.). Die irdischen Richter vermögen ihn zwar zu töten. Aber er ist
mächtiger als alle Lebenden; er hat Gewalt über den Tod. In sicherer
Überlegenheit über den Tod verkündet er angesichts des Todes, daß
er wiederkommen werde, um über alle Menschen, auch über seine
jetzigen Richter und Henker Gericht zu halten (Mk 13, 26; Lk 17, 24;
21, 34). Das wird sein Tag, der „Tag des Menschensohnes“ sein. Der
Menschensohn wird in jener Stunde der Zukunft das letzte Wort zur
menschlichen Geschichte sprechen, die Verderber und Verderbnisse
aus der Schöpfung seines himmlischen Vaters ausräumen und die
Herrschaft Gottes für immer aufrichten (Mt 13, 41 f.; 25, 31; Mk 8, 38).
Wenn sich so die Herrlichkeit des Menschensohnes, von allen Ver-
hüllungen befreit, in ihrem höchsten Glanze offenbart, wird die Sen-
dung, die ihm der Vater auftrug und die auch seine Aufgabe zu leiden
und zu sterben umfaßte (Mt 15, 24; Lk 13, 33; 17, 25; 22, 37; 24, 7.
25. 45), in vollkommener Weise erfüllt sein (vgl. E. Stauffer, a. a. O.,
280 Christus der wahre Gottessohn $ 152

88 ff.; J. Schmid, Das Evangelium nach Markus, Regensburg 1958,


Exkurs „Der Menschensohn“).
Vielleicht darf man in der Bezeichnung Menschensohn wohl noch
ein weiteres, ein viertes Moment angedeutet sehen. Wie es in der
Danielstelle einen tieferen Sinn haben wird, wenn die Symbole der
vier widergöttlichen Weltreiche Tiergestalten sind, während das mes-
sianische Reich durch eine Menschengestalt versinnbildet wird, inso-
fern nämlich die widergöttlichen Reiche zugleich unmenschliche Reiche
sind, das messianische Reich aber ein Reich der Menschenwürde ist,
so wird man in der neutestamentlichen Charakterisierung des Messias
als des Menschensohnes einen Hinweis darauf sehen dürfen, daß er
den Adamskindern die wahre Menschlichkeit wiederschenkt, daß sich
also die wahre Humanität auf Christus gründet und ihre Wurzeln
nicht in der heidnischen Antike oder im modernen Atheismus hat (vgl.
K. Buchheim, Das messianische Reich, München 1948, 176; Bd. I § 21).

III. Christus der Errichter des Gottesreiches

Die höchste Aufgabe des durch die Gestalt des Menschensohnes


charakterisierten Messias war die Aufrichtung des Gottesreiches.
Christus weiß sich als den Stifter und Träger, als den Vollstrecker
und die Erscheinung des Gottesreiches, der Gottesherrschaft, der Kö-
nigsherrschaft Gottes. (Näheres hierüber bei der Darstellung des Wer-
kes Christi und vor allem bei der Darstellung der Kirche; siehe auch
S. 278). Das Wort vom Reiche Gottes war den Zuhörern Christi nicht
neu. Daß die Herrschaft Gottes kommen werde, war ja die Haupt-
verheißung des Alten Bundes. Gott ist zwar Herr und König der Welt
auf Grund der Schöpfung. Aber die Menschen haben sich seiner Herr-
schaft entzogen und so das Unheil heraufbeschworen. Sie gerieten
durch den Abfall von Gott unter die Tyrannei Satans und seiner irdi-
schen Amtsträger, der Sünde, des Todes, des Leides, der Krankheit,
der Not. Es ist der „Tag Gottes“ angesagt, an welchem die gottfeind-
lichen Gewalten, die der Mensch gerufen hat, überwunden werden und
so das Heil zurückgeholt wird. Das ganze Alte Testament diente der
Vorbereitung auf diesen Tag der Rettung und der Freude. Die alt-
testamentlichen Schriften sind im wesentlichen Zeugnisse dafür, wie
Gott seine Herrschaft in der Welt wiederaufzurichten und voranzu-
bringen versucht. Er macht diese Versuche durch seine Erwählten,
durch die Offenbarungsträger, die Patriarchen, die Richter, die Könige,
die Propheten. Christus nun verkündet, daß die lange verheißene, vor-
§ 152 Die synoptischen Evangelien 281

bereitete und sehnsüchtig erwartete Gottesherrschaft gekommen ist.


Sie ist freilich anders, als die meisten denken. Die meisten verstanden
sie nämlich, wie schon betont wurde, als die Wiederherstellung des im
Lichte der Erinnerung verklärten alten Davidreiches. Sie mißdeuteten
also die Verheißung Gottes in das Politisch-Nationale. Christus hin-
gegen hat ein geistliches, kein politisches Königtum im Auge. Er pro-
klamierte es nicht in Judäa, wo Johannes der Täufer hingerichtet
wurde, sondern in dem von Judäa getrennten, dem Einfluß des Hohen-
rates und der pharisäischen Schriftgelehrten, der nationalen Partei,
weniger ausgesetzten Galiläa. „Als Johannes verhaftet war, begab sich
Jesus nach Galiläa und verkündete die Heilsbotschaft Gottes mit den
Worten: Die Zeit ist erfüllt. Genaht hat sich die Königsherrschaft
Gottes. Bekehret euch und glaubt an die Heilsbotschaft“ (Mk 1, 14 f.).
So wenig die Königsherrschaft Gottes mit einem national-poli-
tischen Reiche verwechselt werden darf, so hat sie doch (wie wir
später sehen werden) wirklichen Bestand innerhalb der Geschichte. Sie
wird zwar ihre letzte Entfaltung erst jenseits der Geschichte gewinnen
und ist daher eine eschatologische Größe. Aber sie wirkt in die Ge-
schichte herein und stellt sich in ihr in mannigfacher Weise dar. Ihr
Gegensatz ist die Macht des Bösen, der Sünde, Satans und jeglichen
Unheils. Sie selbst ist jenes herrscherliche Handeln Gottes am Men-
schen, durch welches Satan und Sünde, Tod und Leid, Not und Angst
überwunden und der Zustand der Freiheit und der Freude, der Le-
bensfülle und der Existenzsicherheit geschaffen wird. Was der Mensch
angesichts der hereinbrechenden Gottesherrschaft tun kann und tun
muß, ist: sich bereitzumachen und sich bereitzuhalten. Der Anbruch
der Gottesherrschaft ist die Stunde der Entscheidung. Da heißt es, sich
vom Bösen abkehren und zu Gott hinwenden. Der Glaube, der die
Sinnesumkehr in sich schließt, ist der Akt, in welchem der Mensch
sich dem herrscherlichen Handeln Gottes erschließt (Mk 1, 15).
Die Königsherrschaft Gottes ist in Christus angebrochen. Er ist
ihr Vollstrecker und ihr Offenbarer. Durch ihn vollzieht Gott sein
Königtum. Daß in Christus die Herrschaft Gottes erschienen ist, sieht
man daran, daß er die Herrschaft des bisherigen Machthabers, Satans
und der Sünde, des Fürsten dieser Welt, bricht (Lk 11, 20; Mt 12, 28;
Mk 3, 23—27). „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen“
(Lk 10, 18). In Jesus ist der Stärkere gekommen, der dem Starken,
dem Herrn dieser Welt, seine Rüstung abnimmt (Mk 3, 27; Lk 11, 22 f.).
„Von hier aus versteht man die große Rolle, die die Heilung der Be-
sessenen, deren merkwürdige Häufigkeit für manche Ausleger eine
282 Christus der wahre Gottessohn S 152

nicht geringe Verlegenheit bedeutet, im Evangelium spielt. Gerade


weil in Jesus Christus die Herrschaft Gottes sich offenbart, darum
sind die Dämonen entfesselt, denn sie sehen ihre eigene Herrschaft
bedroht“ (R. Grosche, Pilgernde Kirche, Freiburg i. Br. 1938, S. 48).
Es gibt also Zeichen der herbeigekommenen Gottesherrschaft.
Freilich nicht solche, nach denen die menschliche Neugierde und
Phantasie ausspäht. Denn „die Gottesherrschaft kommt nicht so, daß
man sie berechnen kann; und man kann auch nicht sagen: siehe hier
oder da! Denn siehe, die Gottesherrschaft ist (mit einem Schlage)
mitten unter euch!“ (Lk 17, 21). Für die wahren Zeichen ist das Volk
blind. Es vermag wohl die Zeichen des Himmels, Wolken und Wind
zu deuten und weiß, wann es regnen und wann es heiß werden wird —
warum vermag es die Zeichen des herbeigekommenen Gottesreiches
nicht zu begreifen? (Lk 12, 54 ff.). Das Zeichen der angebrochenen
Gottesherrschaft ist Jesus Christus, sein Wort und sein Tun. „Die
Blinden sehen, und die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein,
und Taube hören, die Toten stehen auf, und den Armen erklingt die
Botschaft vom Heile“ (Mt 11, 5).
Die in Christus erschienene Gottesherrschaft ist indes bloß in
Verhüllungen gegenwärtig. Darum ist sie nur den von Gott Berufenen
faßbar, jenen, denen die Geheimnisse Gottes anvertraut sind. Die
übrigen „sollen mit offenen Augen nicht sehen und mit hörenden
Ohren nicht verstehen“ (Mk 4, 10 ff.). Sie geht aber einem Zustand
der vollen Enthüllung entgegen. Da wird Gott alles in allem sein
(1 Kor 15, 28). Christus wurde der Bringer der in der Dämonenaus-
treibung sichtbar werdenden Gottesherrschaft vor allem, indem er
durch sein Blut die neue Heilsordnung stiftete (Mk 14, 24). Sein Opfer-
tod vernichtete die Sünde und begründete den Neuen Bund, in dem
Gott König ist. So verwirklichte er die Herrschaft Gottes in der Welt.
Reich Gottes und Reich Christi stehen in engem Zusammenhang.
Sie werden vielfach nicht voneinander unterschieden, fallen aber doch
nicht zusammen (Mt 13, 41; 16, 28; Lk 1, 33; 22, 29 f.; 23, 42). Das
Reich Christi, das messianische Reich, ist Erscheinung und Werkzeug
des Gottesreiches. Man darf das messianische Reich wohl mit der
Kirche identifizieren. Es dauert, solange die menschliche Geschichte
dauert. Mit dem Ende der menschlichen Geschichte findet es ebenfalls
sein Ende. Es wird in jener Stunde übergehen und aufgehen im
Reiche Gottes, in der Königsherrschaft des Vaters.
Christus selbst ist, weil er der Bevollmächtigte, der Amtsträger
Gottes in der Geschichte ist, König im Reiche Gottes. Die alttestament-
§ 152 Die synoptischen Evangelien 283

lichen Könige sind seine Vorläufer. Von dem kommenden Messias ist
im AT verheißen, daß er den Thron seines Vaters David besteigen wird.
Mochte diese Verheißung ihrem unmittelbaren Wortlaut nach auch
zunächst auf die Wiederherstellung des Davidischen Reiches hinweisen
und auch von den meisten Zeitgenossen Christi so verstanden worden
sein, so gibt Christus doch selbst eine authentische Erklärung seines
Königtums und vermittelt so das rechte Verständnis der alttestament-
lichen Verheißungen. Er vollbringt, was die alttestamentlichen Könige
tun sollten, aber fast nie getan haben: daß nämlich Gott in der Welt
herrscht. Christus vollbringt dies, indem er selbst Gott in seinem
Leben herrschen läßt und die Menschen auffordert, sich der in ihm
gegenwärtig gesetzten Herrschaft Gottes zu beugen und den Ungehor-
samen das Verderben und das Gericht androht. Zu dem rechten Ver-
halten Gott gegenüber wird der Mensch nur von Christus, durch
sein Wort und sein Tun befähigt, in dem er von der Verfangenheit in
das eigene Ich befreit wird. So wird Christus der Mittler zwischen
dem herrscherlich am Menschen handelnden Gott und dem Gott sich
beugenden Menschen. Durch Gehorsam gegen Christus und die Ge-
meinschaft mit ihm wird der Mensch der Gottesherrschaft teilhaftig.
Der Eintritt in das Reich Gottes, d. h. der Zustand des Heiles, die
Rettung, ist also an seine Person gebunden. Wer an ihn glaubt, und
nur er, wird des Reiches teilhaftig (Mk 1, 15). Darum lädt der, welcher
einen anderen am Glauben an Christus irre macht, eine so furchtbare
Schuld auf sich (Mk 9, 42). Deshalb ist es besser, jedes irdische Gut
zu verlieren als sich von ihm abdrängen zu lassen. Darum ist der
Unglaube gegen ihn die letzte, entscheidende Schuld. Darum spricht
er über diejenigen, welche den Glauben verweigern, ein so strenges
Verwerfungsurteil aus (Mt 8, 11 f.; 11, 20—24; 23, 1—39). Daher gibt
es nichts Wichtigeres als die Christusnachfolge. Um des Reiches Gottes
willen, was soviel ist wie um Christi willen, muß der Jünger bereit
sein, alles zu verlassen (Mk 10, 29; Mt 19, 29; Lk 18, 29), ja selbst sein
Leben hinzugeben (Mk 8, 35 f.).

IV. Christus der Sohn Gottes

Angesichts der Unbedingtheit, mit welcher Christus Hingabe an


seine Person fordert und davon Heil und Unheil abhängig macht,
drängt sich mit neuer Gewalt die Frage auf: Wer ist der, welcher mit
so herrscherlicher Gebärde über das ewige Schicksal der Menschen
entscheidet? Die Evangelien lassen uns noch einen letzten Blick auf
284 Christus der wahre Gottessohn § 152

das Geheimnis dieses Menschen tun: Er ist Gottes Sohn, dem Vater
wesensgleich. Namentlich ist es das Mt-Evangelium, welches in der
Auseinandersetzung mit den ungläubigen Juden Christus als den un-
schuldig leidenden (Mt 27, 4. 19. 24), alle Gerechtigkeit erfüllenden
Messias (Mt 3, 15), als den letzten Gottgesandten, als den Sohn bezeugt
(vgl. Mt 21, 33—39). Er tritt in höchster Autorität auf (Bergpredigt:
Mt 5ff.), gründet die neue Gottesgemeinde (Mt 16, 18 f.), gibt ihr
Weisungen (Mt 18) und sendet nach der Auferstehung in der ihm ver-
liehenen Herrschaftgewalt und Heilsmacht die Jünger zu allen Völkern
(Mt 28, 18 ff.). Nicht immer muß, wie schon betont wurde, das Wort
„Sohn Gottes“ im gefülltesten Sinn verstanden werden. So wird so-
wohl im biblischen als auch im außerbiblischen, altorientalischen Be-
reich der König „Sohn Gottes“ genannt. Auch der kommende Messias-
könig wird im AT in diesem adoptianischen Sinne als Sohn Gottes
verkündet (Ps 2, 7). Eine metaphysische Gottessohnschaft kennt das
AT nicht. Auch im NT müssen nicht alle Sohn-Gottes-Stellen unmittel-
bar metaphysisch verstanden werden. So bezeugen vielleicht Lk 1, 32
und Lk 1, 35 Jesus als den von Gott kommenden und ganz Gott ge-
weihten Messiaskönig, der die alttestamentliche Heilsgeschichte voll-
endet. Doch treten zu solchen Texten klare Zeugnisse der seinshaften
Gottessohnschaft. In ihrem Lichte sieht man, welches der tiefste In-
halt der zunächst weniger gefüllt erscheinenden Stellen ist. Wenn
auch nicht immer schon aus dem Wort, so wird doch aus der Art, wie
dieser Gottes-Sohn geschildert wird, deutlich, daß er mehr als ein
Erwählter, daß er der aller Geschichte präexistierende, dem Vater
wesensgleiche Sohn ist.
Christus weiß sich als Gottessohn in einer von der Gottessohn-
schaft aller übrigen Menschen innerlich und wesentlich verschiedenen
Kraft. Er tritt mit jenem herrscherlichen Anspruch auf, mit dem
nur Gott selbst auftreten kann. Er spricht von Gott als seinem
Vater wie sonst niemand (Mt 17, 24—27). Nach Mt 7, 21 sagt er: „Wer
in das Himmelreich eingehen will, der muß den Willen meines Vaters
tun“. Bei Mt 10, 32 f. heißt es: „Wer sich vor den Menschen zu mir be-
kennt, zu dem will auch ich mich vor meinem Vater im Himmel be-
kennen“ (siehe auch Mt 12, 50). Wohl sind auch die anderen Menschen
Kinder des Vaters im Himmel (Mt 5, 16. 45. 48 usw.), aber stets unter-
scheidet Christus seine Sohnschaft von jener der übrigen. Er ist
Gottes einziger geliebter Sohn (Mk 12, 6). Er ist der Sohn (Mk 13,
32). Ihm ist Gott, was einem anderen Vater und Mutter ist. Alles, was
er hat und tut, verdankt er dem Vater im Himmel. Der Vater seiner-
§ 152 Die synoptischen Evangelien 285

seits hat ihm alles gewährt, was ihm, dem Vater, selbst zu eigen ist.
Christus nimmt am Sein des Vaters in vollkommener Weise Anteil. Er
ist Gott vom Wesen her. Der Mensch Jesus Christus ist göttlichen We-
sens wie der Vater. Deswegen kann auch niemand den Vater so ver-
stehen, wie Christus ihn versteht. Deshalb kann auch niemand Chri-
stus so verstehen, wie der Vater ihn versteht. Ja, nur der Vater kann
ihn verstehen. Das führt uns zu dem vollkommensten Selbstzeugnis
Jesu bei den Synoptikern: zu dem „Jubelruf“. Als die von Christus
ausgesandten 72 Jünger zurückkehrten und berichteten, daß ihnen
im Namen Jesu die Dämonen gehorchten, sah Jesus den Untergang
der Teufelsherrschaft besiegelt, und er brach im Heiligen Geist, d. h.
im Lichte und in der Kraft Gottes in die Worte aus: „Ich preise dich,
Vater, Herr des Himmels und der Erde, daß du dies vor Weisen und
Klugen verborgen, Kleinen aber geoffenbart hast. Ja, Vater, so hat es
dir gefallen. Alles ist mir von meinem Vater übergeben. Niemand
weiß, wer der Sohn ist, als nur der Vater, und niemand, wer der
Vater ist, als nur der Sohn und wem der Sohn es offenbaren will“
(Lk 10, 21£.; vgl. Mt 11, 25ff.: „johanneische“ Stelle bei Mt). Der
Sohn allein ist imstande, den Vater zu erkennen, und es gibt keine
Kenntnis Gottes außer vom Sohne her. Zu diesem Zeugnis steht
Christus auch angesichts des drohenden Todes (Mt 26, 63 f.; Mk 14,
61 f.; Lk 22, 70). Seine Behauptung, der Sohn Gottes zu sein, ist die
Lästerung, um deretwillen er des Todes für schuldig erklärt wird.
Der Vater bestätigt den Sohnesanspruch Christi zweimal vom Himmel
her in feierlicher Weise (Mk 1, 10f.; 9, 7; Mt 3, 17; Lk 3, 22).

Wenn Christus sich selbst den Sohn nennt und von seinen Jün-
gern als Sohn verehrt und anerkannt wird, so ist der Begriff Sohn
in einem analogen Sinn zu verstehen. Er bedeutet nicht, daß es in
Gott irgendeine geschlechtliche Differenzierung gibt. Wie wir sehen
werden, ist das durch Christus verkündete Gottesbild unter anderem
dadurch bestimmt, daß Gott im Unterschied von den mythischen
Göttern jenseits aller geschlechtlichen Bestimmtheit steht. Durch das
Wort Sohn wird nicht ausgedrückt, daß Christus in seiner ewigen
Existenz männlichen und nicht weiblichen Charakters ist. Es wird
vielmehr in einer analogen Weise von ihm ausgesagt, daß er sein
Gottsein, das göttliche Leben, das göttliche Erkennen und Wollen,
das göttliche Lieben Gott verdankt. Da nur diese Beziehung des Ge-
bens und Empfangens dargestellt werden soll, könnte in einer ana-
logen Bedeutung auch das Wort Tochter von ihm gebraucht werden.
286 Christus der wahre Gottessohn § 152

Wenn er jedoch der Sohn genannt wird, so dürfte dies seinen Grund
darin haben, daß seine Rolle für die Öffentlichkeit der menschlichen
Geschichte in dem Wort Sohn zum Ausdruck kommt. Denn dem
Manne ist mehr die Öffentlichkeit des Lebens zugeordnet, während
der Frau mehr der Schleier der Verborgenheit zukommt.
Darin also, daß Christus der Sohn Gottes ist, ist es begründet,
daß er anders ist, als alle sonstigen Gottgesandten, anders als alle
sonstigen Menschen.
Weil Christus Gottes Sohn ist, ist er der Herr des alttestament-
lichen Gesetzes, der alttestamentlichen Gottesordnung. Er setzt es in
eigener Vollmacht außer Kraft und fordert an Stelle der vom Gesetz
eingeschärften Heiligkeit eine vollkommenere Gerechtigkeit (Mk. 7,
1—23; 10, 1—12). Im feierlichen Gleichmaß des sich wiederholenden
„den Alten wurde gesagt, ich aber sage euch“ (Mt 5, 21—48) leuchtet
das Bewußtsein auf, daß er nicht bloß der von Gott Bevollmächtigte
ist, sondern der Herr selbst, der Verfügungsgewalt hat über die von
ihm geschaffenen Dinge und Einrichtungen. Er ist mehr als Jonas,
mehr als Salomon (Mt 12, 41 f.), mehr als der Tempel (Mt 12, 6). Ja,
er ist der Herr seines Stammvaters David (Mk 12, 35 ff.). Nun wird
der tiefste Grund sichtbar, warum er Gewalt hat über den Sabbat,
den Gott eingesetzt hat (Mk 2, 28). Er beansprucht die Vollmacht,
das Sabbatgebot maßgebend auszulegen und zu bestimmen, was er-
laubt ist und was nicht. Er hat die Gewalt, die Sünde zu verzeihen,
die Gottesferne im Menschen zu vernichten (Mk 2, 5). In göttlicher
Vollmacht sendet er seine Jünger aus (Mt 10, 16; Lk 10, 1—16). Er
kann ihnen verheißen, daß er immer bei ihnen sein werde (Mt 28, 20).
Die Seinigen können sich auf diese Verheißung verlassen, weil seine
Worte ewig Geltung haben (Mk 13, 31). Weil Christus Sohn Gottes
ist, darum sind alle seine Verheißungen, Verfügungen, Drohungen
rechtmäßig. Er ist zuständig für alle Angelegenheiten des Heiles. Er
ist das Ich, an dem sich alle Wege und Zeiten, alle Geister und
Schicksale scheiden, um das sich alle Liebhaber Gottes sammeln,
gegen das bis zum Ende der Wege Gottes der Satan kämpft, um
dessentwillen Gutes getan wird und Gute verfolgt werden, für das
gelebt und gestorben wird (Lk 18, 22; 21, 12; Mk 9, 21; 13, 13;
Mt 18, 5; vgl. E. Stauffer, in: Kittel Theol. Wörterbuch zum NT II,
Stuttgart 1935, 346 £.).
Das Bewußtsein, der Sohn Gottes zu sein, besitzt Jesus von An-
fang an. Es macht keine Entwicklung durch. Der Zwölfjährige weiß
sich mit der gleichen selbstverständlichen Sicherheit als Gottessohn
§ 152 Die synoptischen Evangelien 287

wie der Dreißigjährige (Lk 2, 41—52). Das Gottessohnbewußtsein ist


nicht das Ergebnis eines starken Erlebnisses, sondern Ausdruck einer
Tatsache. Lk 1, 35 bedeutet nicht, daß Jesus durch die Geburt aus
einer Jungfrau zum Gottessohn geworden ist, wie nach der griechi-
schen Mythologie die „göttlichen Männer“ infolge ihrer Zeugung
durch einen Gott mit einer irdischen Frau Gottessöhne wurden. Nicht
weil Christi Geburt wunderbar ist, ist er der Sohn Gottes, sondern
weil er der Sohn Gottes ist, ist seine irdische Geburt wunderbar.

V. Die Machttaten Christi

Bestätigt werden Christi Worte durch seine Wunder und Macht-


taten (Apg 2, 22; 10, 36 ff.; 13, 24 f.). Sie sind das von Gott selbst ge-
sprochene Ja zu Christi Wort (Hebr 2, 3£.). Was die Tatsache der
Wunder betrifft, so sind sie so stark in das Leben Jesu verwoben, daß
sie sich davon nicht wegdenken lassen, ohne die Gestalt Christi selbst
zu zerstören. Sie umfassen Krankenheilungen, Dämonenaustreibun-
gen, Totenerweckungen und Naturwunder (Stillung des Seesturms,
Fischfang, Brotvermehrung, das Wandeln über den See).
Was den Sinn und Zweck der Wunder angeht, so wirkt sie
Christus erstlich nicht, um mitleidigen Herzens einer augenblick-
lichen Not abzuhelfen, erst recht nicht um Aufsehen zu erregen und
die Schaulust zu befriedigen. Daß das erste nicht seine vorwiegende
Absicht war, ersieht man daraus, daß er nicht darauf ausging, alle
Kranken zu heilen. Die Zahl der von ihm Geheilten war verhältnis-
mäßig klein, wenn man sie mit jenen vergleicht, die ungeheilt blieben.
Daß Christus keine Schauwunder wirkte (und sich darin von helle-
nistischen Wundertätern und Zauberern wesentlich und grundlegend
unterscheidet), ersieht man daraus, daß er dort, wo er keinen Glau-
ben fand, kein Wunder wirken konnte (Mk 6, 5). Die Wunder sollen
dem Glauben an ihn und seine Sendung den Weg bereiten. Deshalb
verweigert er dort, wo er auf verstockte Herzen und auf einen ver-
blendeten Geist stößt, das Wunder, nicht weil seine Macht versagt,
sondern weil der Sinn des Wunders verkehrt würde (Mk 2, 5; 5, 34;
6, 5; 10, 52; Mt 13, 53—58). Das Wunder steht also im Dienste seiner
Sendung. Im Wunder offenbart sich Christus ebenso wie im Wort.
Sein Wort und seine Machttaten gehören zusammen. Sie bilden ein
unzertrennliches Ganzes. Sie stützen und tragen sich gegenseitig. In
seinem Wort erklärt er seine Machttaten als das Siegel Gottes auf
sein Selbstzeugnis — zum wenigsten hat es auch diese sinnerhellende
288 Christus der wahre Gottessohn § 152

Bedeutung, wenngleich ihm darüber hinaus heilskräftiges Wirken


innewohnt. Die Wunder sind nicht bloß willkommene, unerwartete
himmlische Hilfen in irdischer Verlegenheit. Sie sind Offenbarungen
der gegenwärtigen Herrlichkeit und Macht Gottes und als solche
eben Gottes Zeugnis für das Wort Christi. In dem das Wort be-
kräftigenden Wunder und in dem das Wunder deutenden Wort offen-
bart sich Christus als der von Gott Gesandte, als der Sohn Gottes.
Die enge Zusammengehörigkeit von Wort und Machttat betont Chri-
stus, wenn er auf die Frage der Johannesjünger: „Bist du es, der da
kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ antwortet:
„Geht hin und kündet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen,
Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf,
Armen wird die Heilsbotschaft verkündet“ (Mt 11, 2—5).

Besonders deutlich wird die Tatsache, daß die Wunder Zei-


chen der in Christus erschienenen Gottesherrlichkeit und Gottes-
macht sind, bei der Heilung eines Gelähmten. Jesus kam wieder
nach Kapharnaum. „Auf die Kunde, daß er zu Hause sei, strömten
viele Leute zusammen, so daß nicht einmal der Platz vor der Türe
sie zu fassen vermochte. Während er ihnen das Wort verkündete,
brachte man einen Gelähmten zu ihm, der von vier Männern ge-
tragen wurde. Wegen der Volksmenge konnten sie ihn aber nicht zu
ihm hinbringen. Deshalb deckten sie über der Stelle, wo sich Jesus
befand, das Dach ab, machten eine Öffnung und ließen das Bett mit
dem Gelähmten hinab. Als Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem
Gelähmten: »Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.« Es saßen
aber einige Schriftgelehrte dabei. Sie dachten bei sich: »Wie kann
dieser so reden? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott
allein«? Jesus durchschaute in seinem Geiste sogleich ihre Gedanken
und sprach zu ihnen: »Was denkt ihr da in euren Herzen? Was ist
leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Deine Sünden sind dir ver-
geben? oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und wandle? Ihr
sollt aber wissen, daß der Menschensohn die Macht hat, auf Erden
Sünden zu vergeben.« Und nun sprach er zum Gelähmten: »Ich be-
fehle dir, steh auf, nimm dein Bett und geh nach Hause!« Er stand
sogleich auf, nahm sein Bett und ging vor aller Augen hinaus. Alle
waren außer sich vor Staunen, priesen Gott und sagten: »So etwas
haben wir noch nie gesehen«“ (Mk 2, 1—12). Jesus erweist die gött-
liche Macht, Sünden zu vergeben, deren Vollzug niemand nach-
prüfen kann, durch ein für alle nachprüfbares Zeichen.
§ 152 Die synoptischen Evangelien 289

Das von Markus berichtete Ereignis war aufsehenerregend, ja


erschütternd. Die Freunde des Kranken und dieser selbst ließen es
sich etwas kosten, um zu Christus zu gelangen, zu dem ihr Glaube
und ihr Vertrauen sie trieb. Sie nahmen die Anstrengung und den
Unwillen der anderen, vor allem des Hausbesitzers auf sich. Um so
größer mag ihre Enttäuschung gewesen sein, als der Herr ihnen zu-
sicherte, was sie nicht erwarteten und nicht erbaten, ihnen aber
nicht gewährte, was sie zunächst mit so großer Mühe erreichen
wollten: die leibliche Gesundheit. Der Kranke mag es geradezu als
peinliche Bloßstellung empfunden haben, daß Christus in aller Öf-
fentlichkeit von seiner Sündhaftigkeit sprach. Indes, die Enttäu-
schung war heilsam. Christus deckte die hintergründige Verloren-
heit des Mannes auf, die dieser selbst nicht kannte, von der er daher
auch nicht geheilt zu werden begehrte, deren Symptome jedoch alle
anderen Nöte waren: die Ferne von Gott. Durch diese Enthüllung
wurde die Situation aller Anwesenden aufgedeckt. Christus erklärte,
daß er diese Urnot heile. Er sicherte dem Kranken Befreiung von
einer Fessel zu, von der kein Mensch zu befreien vermag. Die Teil-
nehmer an dem Ereignis hörten denn aus den Worten Christi so-
gleich heraus, daß er gewähren zu können beansprucht, was keinem
Menschen zu gewähren gestattet ist. Sie haben zwei Möglichkeiten,
diesen Anspruch des Herrn aufzunehmen. Sie können ihn als den
Ausdruck von Irrsinn belachen oder bemitleiden oder sie müssen
ihn als Hybris verdammen, wenn sie nicht in Christus den zu solchem
Tun ermächtigten Sohn und Erben Gottes zu sehen vermögen. Die
erste Möglichkeit kommt ihnen nicht in den Sinn. Offensichtlich
macht Christus so sehr den Eindruck des Erhabenen, Ernstzuneh-
menden, den Eindruck von Würde und Größe, daß der Gedanke,
mit einem Anomalen zu tun zu haben, nicht aufkommt. So bleibt
für die ungläubige Zuhörerschaft nur die zweite Möglichkeit: Chri-
stus zu verwerfen, weil er sich Gott gleichstellt. Dies tut er in der
Tat. Darin haben die Zeitgenossen recht gesehen. Er behauptet, daß
er bevollmächtigt und berechtigt ist, die Beziehungen des Menschen
zu Gott zu ordnen, daß er also mit sicherer Hand in die innersten
und tiefsten Zusammenhänge der menschlichen Existenz hineinzu-
greifen vermag und daß Gott sein Tun anerkennt, ohne daß er sich
erst der göttlichen Zustimmung versichern muß. Wenn er einen sol-
chen Anspruch erhebt, so ist dies nicht eine leere Phrase. Er weist
sich als den aus, der Verfügungsgewalt hat über die Beziehung des
Menschen zu Gott. Diese Legitimation gibt er sich, indem er die

19 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


290 Christus der wahre Gottessohn § 152

Krankheit heilt, indem er also dem Kranken doch gibt, was dieser
von Anfang an begehrt, was er aber erst jetzt als ein Sehender in
seiner Tragweite und in seinem tieferen Zusammenhang zu erfassen
vermag. Da Christus die Krankheit des Leibes heilt, heilt er das
Symptom jener Unordnung, die in allen Gebrechen unserer Erfah-
rung durchscheint. Er stellt seinen Zuhörern die Frage, was schwerer
sei, ein solches Symptom oder die ihm zugrundeliegende innerste Not
zu überwinden. Er erhält keine Antwort. Er kann keine erhalten.
Keines ist leichter und keines ist schwerer. Keine von den beiden
Nöten kann der Mensch heilen. Christus allein hat Gewalt über sie.
Indem er sie heilt, befreit er den Menschen von den Hemmungen und
Verstrickungen des Leibes und der Seele und gibt ihm eine wahrhaft
menschenwürdige, eine humane Existenz zurück. Die Menschen kön-
nen zwar immer wieder Versuche machen, ein menschenwürdiges
Leben ohne Christus zu gestalten. Sie können darin auch viele Er-
folge haben. Sie können es da und dort zu einem großen, edlen
Menschentum bringen. Aber in Christus gewinnt die menschliche
Würde eine Bürgschaft, die jede bloß irdische Verbürgung über-
trifft, und vor allem eine Qualität, hinter der jede bloß irdische
Menschlichkeit in einer absoluten Weise zurückbleibt. Letztlich gibt
es nur dort eine begründete Hoffnung auf wahre Humanität, wo der
Mensch im Glauben und Vertrauen sich Christus zuwendet.
Das Wunder kann indes den Glauben an ihn und seine Sen-
dung so wenig erzwingen wie sein Wort. Die sich selbst überlassene
natürliche Vernunft kann den erfolgreichen Versuch machen, die
Wunder Jesu auch natürlich zu erklären. So kann z. B. die rein ge-
schichtliche Methode bei der Erklärung der Evangelien zeigen, daß
Jesus Menschen geheilt hat, von denen man glaubte, sie seien vom
Dämon besessen. Aber die Vernunft kann durch die evangelischen
Berichte nicht zu der Überzeugung gezwungen werden, daß Christus
wirklich Dämonen ausgetrieben habe.
Die Worte Christi sind nicht bloß Mitteilungen über einen Sach-
verhalt, sondern heilswirkende Ansprachen, Anreden, Anrufe, Auf-
forderungen an unter der Macht der Sünde Stehende, für Gott kurz-
sichtig Gewordene, sich Gottes Herrschaft, die in Jesus Christus her-
eingebrochen ist, zu unterwerfen. Der Zuhörer kann sich dem Aufruf
Gottes in Ungehorsam versagen. Ebenso sind die Wunder Anrufe
Gottes. Sie wecken im Zuschauer Aufsehen, so daß er die Frage
stellt: Wer ist dieser? Aus dem Staunen über die Machttaten Christi
kann der Glaube entstehen. Da aber die Zeichen der göttlichen Herr-
$ 152 Die Paulusbriefe 291

lichkeit und Macht dieses selbst nicht unmittelbar erscheinen lassen,


weil sie eben bloß deren Zeichen sind, kann sie der Böswillige auch
als Wirkungen des Dämons erklären. Ihm gereichen sie zum Ärgernis
und Fall (Mt 11, 36; Vgl. Bd. I § 29. J. Schmid, das Evangelium nach
Markus, Regensburg 1958, z. St. Über die Auferstehung, das Wun-
der aller Wunder, wird weiter unten gehandelt).

Drittes Kapitel
Die Paulusbriefe

Paulus hat Christus vor Damaskus als eine Lichterscheinung er-


lebt, die ihn in den Staub warf. Ihrer Gewalt konnte er nicht stand-
halten. Der ihm da als Lichtgestalt erschien, nannte sich Jesus, den
er verfolgte. Paulus, der leidenschaftliche Eiferer gegen Christus,
wurde von Jesus zum Werkzeug der frohen Botschaft erwählt. „Er
ist ein Feuerbrand, der von Christus glüht, er ist ein Sturm, in dem
Christus seine Macht offenbart; er ist ein Buch: aber dieses Buch
enthält nichts und will nichts enthalten als Jesum Christum den Ge-
kreuzigten. Jesus ist der ganze Lebensinhalt des Apostels Paulus. Da-
durch ist er zum Weltapostel geworden, daß Jesus sein Lebensinhalt
geworden ist und daß er diesen Lebensinhalt als so groß empfunden
hat, daß er, der Pharisäer, die nationalen Schranken des überlieferten
Heilsglaubens sprengen mußte. Solchen Lebensinhalt mußte er der
ganzen Welt bieten: er empfand ihn als die Fülle aller Werte und
Kräfte. Paulus ist ein reicher, gewaltiger, fruchtbarer Geist: aber sein
Reichtum, seine Liebe, seine Kraft heißt Christus“ (H. Schell, Christus,
Mainz 1906, 14).
Paulus spürte Christus als Macht, die in ihren Dienst nimmt, wen
und wie sie will, gegen die man sich wehren, der man aber nicht
entrinnen kann. So kann und muß denn Paulus hinfort Zeugnis ab-
legen von dem Herrn, dessen Herrlichkeit und Herrschermacht er
geschaut und gespürt hat. Er war der gleiche, wie jener, der aus dem
Weibe geboren (Gal 4, 4), dem Gesetz unterworfen, gekreuzigt worden
war, an dem Paulus eben wegen seines schmachvollen Endes am
Kreuze Ärgernis genommen hatte. Er ist durch das Kreuz zur Herr-
lichkeit gelangt. Er ist für den Apostel deshalb der Verherrlichte,
weil er der Gekreuzigte ist. Für die frohe Botschaft vom Sohne Got-
tes, die Gott durch seine Propheten in den Heiligen Schriften vorher-
verkündet hatte, von Jesus Christus dem Herrn, der dem Fleische

49%
292 Christus der wahre Gottessohn S 152

nach aus dem Geschlechte Davids stammte, dem Heiligen Geiste nach
durch seine Auferstehung von den Toten als Sohn Gottes voll Macht
erwiesen wurde, ist der Apostel von Gott berufen worden (Röm 1,
1—4). Deshalb ist seine Verkündigung nicht ein Preis seiner selbst,
sondern eine Predigt von Christus Jesus als dem Herrn (2 Kor 4, 5).
In dem Worte „Herr“ drückt sich die personhafte, rechtmäßige,
umfassende, Gehorsam heischende Obmacht Gottes aus (W. Förster,
in: Kittel, Theol. Wörterbuch zum NT III, Stuttgart 1938, 1087). Mit die-
sem Wort wird der alttestamentliche Gottesname, den die Septuaginta
mit Kyrios übersetzte auf Christus übertragen. Daß Christus der Herr
ist, kann man freilich nur sagen im Heiligen Geiste, in der Kraft und
im Lichte Gottes selbst (1 Kor 12, 3; 2 Kor 4, 4 f.). Wer nicht von Gott
erleuchtet ist, sieht Christus bloß dem Fleische, seiner irdischen Er-
scheinung nach. Wer im Heiligen Geiste Christus als den Herrn be-
kennt, der wird gerettet werden (Röm 10, 9). Ihn als den Herrn be-
kennen und das Knie vor ihm beugen, wie es vor Gott gebeugt wird,
ist ein und dasselbe (Phil 2, 8—11). Einmal wird der Tag kommen, wo
die ganze Welt, was im Himmel, was auf Erden und was in der Unter-
welt ist, sich beugt vor Christus dem Herrn (1 Kor 15, 24—28). Chri-
stus nimmt seit der Auferstehung seiner menschlichen Natur nach teil
an der Herrlichkeit des Vaters. Er sitzt zur Rechten des Vaters. Er ist
über allen, über den Herrschaften, Gewalten, Mächten und Kräften
und was es sonst noch gibt im Himmel und auf Erden. Alles ist
ihm unterstellt. Er übt also Gottes Herrschaft über die Welt aus,
um nach Überwindung aller Gegenmächte sie und mit ihnen sich
selbst dem Vater zu Füßen zu legen (Eph 1, 20 ff.; 1 Kor 15, 28). Das
ist die letzte Aufgipfelung auch in der Petruspredigt: „Gott hat eben
diesen Jesus, den ihr ans Kreuz geschlagen habt, zum Herrn und
Messias gemacht“ (Apg 2, 36).
An Christus den Herrn ist der Christ gebunden. Er ist in die
Atmosphäre und in den Wirkbereich seines Todes und seiner Aufer-
stehung hineingenommen (Röm 6, 3—11). Von Christus ist der Christ
durchherrscht (Gal 2, 20). Die Gemeinden sind Christi Werk. Er ist
das Haupt sogar des Alls. Der an ihn Glaubende ist berufen, an seiner
Herrlichkeit teilzunehmen (2 Thess 2, 14). Jetzt ist er schon Teilhaber
an ihr, aber noch unanschaulich. Bis der Tag der Offenbarung dieser
Herrlichkeit kommt (1 Thess 2, 19; 1 Tim 1, 12), muß er Christi
seines Herrn würdig wandeln (1 Kor 11, 27), er muß ihm dienen
(Röm 12, 11; 16, 18; 1 Kor 12, 5; Kol 2, 6; 3, 24). Sein Leben ist Glaube
an ihn und Liebe zu ihm (Eph 1, 15; 6, 13). Dem Herrn, mit dem er
§ 152 Die Paulusbriefe 293

ein Geist geworden ist, gehört sein Leib. Er darf daher diesen nicht
zur Sünde mißbrauchen (1 Kor 6, 12—20). Der Herr steht den Seinen
bei, daß sie die Mächte des Bösen überwinden (1 Kor 12, 7 ff.). Wenn
die Kolosser in Christus Jesus wandeln, den sie als ihren Herrn an-
genommen haben, dann ist der Herr der Boden, in dem ihr geistliches
Leben wurzelt, aus dem es fortwährend Nahrung zieht, der Grund,
auf dem der Bau ihres Heiles steht (Kol 2, 6 f.). Alles geschieht für
den Herrn. Im Herrn wird gegrüßt und gedankt, gebetet und gewirkt,
gelebt und gestorben (Röm 6, 11; 14, 4—14; 16, 3. 8. 10—16. 22;
2 Kör 1, 17; 2, 17; Eph 4, 1; Phil 2, 19. 29; 3, 1; 1 Kor 16, 19 usw.).
Ihm ist das ewige Schicksal anvertraut. Er wird als Richter kommen
und das letzte, Heil und Unheil entscheidende Wort über jeden Men-
schen sprechen (1 Kor 4, 4). Der Gläubige sieht diesem entscheidungs-
vollen Worte in Vertrauen und Zuversicht entgegen (1 Kor 1, 8). Es
ist ja „sein“ Herr, der im Gerichte kommt, der Herr, der ihn in
grundlosem Erbarmen berufen hat zu Heiligkeit und Gerechtigkeit.
Er wird die Seinen allen bösen Anschlägen entreißen und sicher ge-
leiten in sein himmlisches Reich (2 Tim 4, 18). So kann sich der Christ
seines Herrn rühmen. In anderem aber als im Herrn, der der Ge-
kreuzigte ist, sich zu rühmen, hat er keinen Anlaß (Gal 6, 14). Es gibt
wohl auch andere Götter und Herren im Himmel und auf Erden.
„Aber wir haben nur einen Gott: den Vater, von dem alles kommt
und für den wir sind, und nur einen Herrn, Jesus Christus, durch
den alles geschaffen ist und wir durch ihn“ (1 Kor 8, 6). Ihm allein
gebührt Preis in alle Ewigkeit (2 Tim 4, 18).
Wenn Paulus sagt, daß Christus durch die Auferstehung der
Herr geworden ist, so heißt das genau genommen, daß er seit der
Auferstehung seinem menschlichen Leibe nach an der Herrlichkeit
Gottes teilnimmt. Bis dahin ist die Herrlichkeit Gottes zwar in ihm
gewesen, ohne aber die leibliche Hülle zu durchbrechen. Nun ist dies
jedoch geschehen. Christus ist Geist geworden (2 Kor 3, 17. Näheres
hierüber in §§ 44, 158f.). In diesem Vorgang ist aber nur hervor-
gekommen, was schon in Christus war.
Daß in der Charakterisierung Christi als des Herrn keine Apotheose vor-
liegt, wurde früher schon gezeigt. Der Hintergrund der Apotheose ist der Mythus.
Christus steht jedoch nicht im Bereiche des Mythus, sondern in jenem der Ge-
schichte. In der Luft des Mythus wird der Herrscher als numinose Macht emp-
funden. Es begegnet uns hier in verzerrter Gestalt, was die Heilige Schrift vom
Herrscher sagt, daß er nämlich Gottes Vertreter auf Erden ist, daß seine Macht ein
Lehen Gottes und er ein Amtsträger Gottes ist. Im Mythus wird die Beziehung
des Herrschers zu Gott aufgelöst und seine Göttlichkeit isoliert, so daß er selbst
294 Christus der wahre Gottessohn S 152

als Gott erscheint. Die mythische Vorstellung vom Herrscher führt dazu, daß man
in ihm, in seinem Heil, in seiner Gesundheit, in seiner Sieghaftigkeit das Heil des
Volkes verkörpert sieht. Deshalb wird er von der mythisch denkenden Welt wie ein
Gott verehrt. Christus ist nicht eine mythische Gestalt, in der eine menschliche Ge-
meinschaft, etwa ein Volk oder eine Kulturgruppe ihre religiösen Erlebnisse und
Erfahrungen darstellt, sondern eine geschichtliche Realität. Wenn er als der Herr
bekannt und gepriesen wird, so ist dies der Ausdruck jener Erfahrungen, welche
seine Jünger an ihm gemacht haben. Sie erkannten ihn als den Herrn über allen
anderen Herren. Alle sonstigen Herren waren seine Vorläufer und standen in dem
Advent auf seine Ankunft. Was sie meinten, hat er verwirklicht. Ihm war eine
Herrschaft eigen, welche tiefer reichte als die Herrschaft eines jeden anderen. Er
hatte Gewalt über die Mächte des Schicksals, denen alle sonstigen Herren verfallen
waren. Er hatte Gewalt über den Tod und über das Leid, über die Sorge und über
die Angst, über die Kräfte der Natur und über die Schuld der Menschen. Er war
selbst dem Tode nicht verfallen, dem alle anderen verfallen sind.
Wenn Christus den Tod auf sich nimmt, so geschieht es in freier herrscher-
licher Entschlossenheit. In der Abschiedsstunde kann er in sicherer Erhabenheit
über das Verhängnis des Schicksals erklären: „Ich gehe dahin und komme wieder“
(Jo 14, 28). An ihm hat der Herr dieser Welt keinen Teil (Jo 14, 30). Auf ihn kann
dieser seine Hand, mit der er alles in den Staub wirft, nicht legen. Christus geht viel-
mehr dem Tode in Freiheit entgegen. Er nimmt ihn auf sich, um dem Willen des
Vaters gehorsam zu sein. Daran soll die Welt erkennen, daß er den Vater liebt und
die Aufträge des Vaters vollführt (Joh 14, 31). Er bedarf für einen solchen Entschluß
keiner Anstrengung. Er stirbt nicht als Held und nicht als Martyrer im eigentlichen
Sinne. Er weiß, wohin er geht und wo er durch den Tod hindurch ankommt.
Weil der Tod für ihn der Übergang in ein neues, über alle irdische Vergäng-
lichkeit erhabenes Leben ist, bedeutet sein Sterben die Zertrümmerung des ewigen
Kreislaufes der Natur. Er hat in seinem Sterben die ewige Wiederholung von Ge-
burt und Tod ein für allemal durchstoßen. Er hat daher den Weg frei gemacht,
welcher aus diesem Rhythmus herausführt. Das bedeutet genau das Gegenteil des
Mythus. Weil die mythischen Göttergestalten Personifikationen von Naturdingen
und Naturereignissen sind, führt der Glaube an sie nicht aus der Natur heraus,
sondern noch tiefer in sie hinein. Die mythische Frömmigkeit bedeutet, daß ihre
Gläubigen sich vollkommen in die Natur und in ihr Geschehen einfügen, daß sie
aufgehen im Alleben der Natur. Im Gegensatz hierzu hofft derjenige, welcher
Christus als seinen Herrn anerkennt, darauf, daß er aus der Verfallenheit an die
Natur herausgeführt wird in das unvergängliche Leben Gottes hinein. Niemand hat
die Macht hierzu, außer dem einen Herrn, nämlich Christus. Er kann daher aus
der letzten Not retten. Einen anderen Retter gibt es nicht.
Seine Erhabenheit über die Naturmächte bekundet Christus durch die in den
Evangelien bezeugten Machttaten. In der Brotvermehrung, in der Krankenheilung,
in der Bändigung des Sturmes und der Wogen offenbarte er seine überlegene Macht
über die Kräfte der Natur, welche den Menschen einengen und zermalmen. Christus
ergreift die Natur und verwandelt sie so, daß sie dem Menschen dienen muß. In-
dem er die Natur in den Dienst des Menschen stellt, legt er den Weg zu einem
wahrhaft menschenwürdigen Leben frei. Da die Nöte, welche er allein heilen kann,
tief in das menschliche Leben eingreifen und es fesseln und hemmen, gibt es ein
§ 152 Die Paulusbriefe 295

wahrhaft menschenwürdiges Dasein nur in seiner Kraft. Freilich vermag der Mensch
aus seinen eigenen Fähigkeiten eine Notordnung zu schaffen. Er kann auch ohne
Christus eine große Kultur hervorbringen, sogar eine herrliche und berückende.
Er kann ohne ihn Gewaltiges leisten in Wissenschaft und Kunst. Aber es bleibt auch
auf dem höchsten Gipfel eine Notordnung. In der vorchristlichen Zeit steht sie
in adventu Domini, in der Erwartung des wahren Retters. In der Zeit nach Christi
Geburt sind die von christusfeindlichen Menschen aufgebauten Werke Zeichen der
menschlichen Selbstherrlichkeit und tragen daher wie alles Widergöttliche den Keim
des Verderbens in sich. Wie wenig es dem Menschen gelingen will, mit den Mög-
lichkeiten dieser Erde ein wahrhaft menschenwürdiges Dasein aufzubauen, erfahren
wir an den Zusammenbrüchen und Zerstörungen, deren die menschliche Geschichte
voll ist.
In den Machttaten Christi, vor allem in seiner Auferstehung hat sich sein
Herrentum blitzartig dargestellt. Seine Vollendung wird es erst gewinnen in der
kommenden Welt. Da wird durch Christus der Tod und das Leid in einer voll-
kommenen Weise aus der menschlichen Geschichte entfernt werden. Da wird er als
der Sieger, als der Richter hervortreten. Über dem wildbewegten Meer der Unter-
gänge, des Hasses, der Lästerung, des Unglaubens wird er sich erheben als der,
der er war, der ist und sein wird. Bis dahin mag es aussehen, als ob das Herren-
tum Christi schwach und verächtlich wäre, als ob andere Herren den Gang der
Geschichte bestimmen würden. Trotz dieses vordergründigen Aspekts der mensch-
lichen Geschichte ist Christus immerfort ihr wahrer Herr. Er hat ihr Steuer in der
Hand. Alle ihre Fäden laufen bei ihm zusammen. Alle Geschöpfe sind seine Werk-
zeuge. Alle Ereignisse und Geschehnisse dienen seinem Willen. Was während des
Verlaufs der Geschichte verborgen ist, wird einmal in strahlender Klarheit hervor-
kommen: die Majestät des himmlischen Herrn. Die alte Kirche war von seinem
Herrentum mitten in allen Drangsalen und Verfolgungen so überzeugt, daß sie sein
Bild, das Bild des Allherrschers, in den Apsiden ihrer Kulträume anbrachte, daß
sie den Gekreuzigten mit der Königskrone schmückte. Sie vollzog darin ein Be-
kenntnis zur Herrschaft dessen, der im Verborgenen immer König ist, der aber in
der Zukunft jenseits der menschlichen Geschichte sein Herrschertum in der Öffent-
lichkeit der Welt ausüben wird.
Zum Glauben an das Herrentum Christi ist nicht jeder fähig. Der Selbstherr-
liche, der Weltgläubige sind nicht imstande, sich zum Herrentum Christi zu bekennen.
Denn sie glauben nur an innerweltliches Herrentum, an jene Herren, die sie sehen
und spüren können. Nur derjenige, der über die Welt und die Weltmächte hinaus zu
sehen vermag, der zu erfassen vermag, daß die Wirklichkeit jenseits der Welt mächti-
ger ist als alle Gewalten der Erde, daß der Vater im Himmel größer ist als die Mäch-
tigsten der Geschichte, ist fähig, sich zum Herrentum Christi zu bekennen. Dieser
wird sich seines Herren rühmen. Er verspürt keinen Anlaß, sich in einem anderen
Herren zu rühmen als in dem Gekreuzigten (Gal 6, 14). Er hält zuversichtlich stand
in allen Wechselfällen des Daseins; denn er weiß, daß sein Herr allem gewachsen
ist und ihn einmal davon befreien wird. Der Weltgläubige wird über diesen Herrn
lachen, weil er ihm armselig und hilflos vorkommt. Der Christusgläubige weiß sich
auf seinen Herrn verpflichtet. Alles tut er seinetwegen.
Wer ihn zu seinem Herrn erwählt hat, weiß sich im Dienste eines Mächtigen,
der diejenigen, die ihm dienen, nicht unterdrückt und versklavt. Ihm gegenüber hat
296 Christus der wahre Gottessohn § 152

man nicht zu gewärtigen, daß er die menschliche Freiheit auslöscht. Er verfällt


nicht der Versuchung, der alle sonstigen Herren ausgesetzt sind, nämlich die von
ihnen Beherrschten zu verknechten, sie wie eine Ware zu behandeln und ihrer
Menschenwürde zu berauben. Christus vollzieht sein Herrentum so, daß er seinen
Getreuen seine eigene Herrlichkeit eingestaltet. Sein Herrentum ist daher Dienst an
den von ihm Beherrschten. Er leistet ihnen einen Dienst, der an Tragweite und
Tiefgang alle sonstigen Dienstleistungen der Erde überbietet. Denn er läßt sie teil-
nehmen an seiner eigenen Lebensfülle und Existenzmacht. Seine Herrschaft ist
Dienst der Liebe, die sich selber verschenkt.

Christus ist der Sohn Gottes von Ewigkeit. Er ist der Sohn,
den der Vater, in der Gestalt des Fleisches gesandt hat (Röm 1, 3 f.; 3,
21—31; 4, 1—25; 8, 3; 2 Kor 1, 19; 8, 9; Gal 1, 4; 4, 4; Phil 2, 6—11).
Die frohe Botschaft vom Herrn ist daher nichts anderes als die frohe
Botschaft von dem vom Vater in die Welt gesandten Sohne (Röm 1,
3. 9; 8, 3; Gal 4, 4). Er ist die Erfüllung aller Verheißungen Gottes
(2 Kor 1, 19 f.). Ihn soll der Apostel, dem er sich geoffenbart hat, den
Heidenvölkern offenbaren (Gal 1, 16). Was er von ihm verkündigen
soll, ist dies, daß uns Gott durch seinen eigenen Sohn, durch dessen
Kreuzestod und Auferstehung, da wir noch Sünder und Feinde Gottes
waren, mit sich versöhnt hat (Röm 5, 6—11; Eph 1, 6), daß wir dem
Bilde seines Sohnes gleichförmig werden sollen (Röm 8, 29), daß wir
berufen sind zur Gemeinschaft mit dem Sohne Gottes (1 Kor 1, 9), un-
serem Herrn Jesus Christus, daß wir durch ihn Zutritt haben zum
Vater (Eph 2, 18), daß uns Gott in das Reich seines geliebten Sohnes
versetzt hat (Kol 1, 13). Dieser Gemeinschaft werden wir teilhaftig im
Glauben an den Sohn. Der Glaube an den Herrn Jesus Christus ist der
Glaube an den Sohn Gottes (Gal 2, 20), an den Sohn schlechthin, wel-
cher der Sohn ohnegleichen ist (1 Kor 15, 28). Der Richter, dem der
Christ zuversichtlich entgegenschaut, auf dessen Kommen er in der
Drangsal der Zeit wartet, ist der von den Toten erweckte Herr, welcher
der Sohn Gottes selbst ist (1 Thess 1, 3. 10; 2, 19; 1 Tim 6, 14). Der
Sohn kann uns Anteil am Leben Gottes bringen, weil in ihm die Fülle
Gottes wohnt (Kol 2, 9 f.). Es ist nur ein deutlicheres Wort, wenn Pau-
lus Christus auch Gott nennt. „Ihnen (den Israeliten) gehören die
Väter an, und von ihnen stammt dem Fleische nach Christus, der da
ist über alles, Gott, hochgelobt in Ewigkeit“ (Röm 9, 5). Hart ist hier
neben die unvergleichliche Majestät Gottes die Schwachheit des Flei-
sches gesetzt. Aber gerade so tritt das Göttliche um so strahlender
hervor. Die Gottheit des Vaters und die Gottheit Christi werden vom
Apostel gleichgesetzt, wenn er Phil 2, 10 die Gott geschuldete Ver-
ehrung (Eph 3, 14; Röm 14, 10f.) auch Christus dargebracht wissen
S 152 Die Paulusbriefe 297

will. Der Text dieses größtenteils wohl schon vorpaulinischen Hymnus


Phil 2, 6—11 lautet: „Hegt diese Gesinnung in euch, die auch in Chri-
stus Jesus war. Er, der in Gottes Gestalt war, hielt das Gott-gleichsein
nicht wie einen Raub fest, sondern entäußerte sich selbst, nahm
Knechtsgestalt an, da er in Menschengestalt erschienen ist. Und im
Äußeren als Mensch erfunden, erniedrigte er sich, gehorsam geworden
bis in den Tod, ja bis in den Tod am Kreuze. Darum erhöhte Gott ihn
auch und schenkte ihm den Namen über jeden Namen, auf daß im
Namen Jesu sich beuge jedes Knie der Himmlischen und Irdischen
und Unterirdischen und jede Zunge bekenne: Er ist Jesus Christus! zur
Ehre Gottes des Vaters.“ Die drei Strophen dieses Liedes beschreiben
die heilsgeschichtlichen „Ereignisfolgen“ (J. R. Geiselmann): die Prä-
existenz, die Erniedrigung und die durchaus erwachsene Übererhöhung
Christi. Die letzte Strophe spricht von der Unterwerfung der kosmi-
schen Mächte und der Kyriosakklamation im Anschluß an Is 45, 23,
während der Gedanke von der Knechtsgestalt wohl auf Is 53, 3. 8 ver-
weist. Die genaue Prüfung des Textes zeigt, daß er von Paulus nicht
geschaffen, sondern vorgefunden und vermehrt wurde. Dies aber be-
deutet zugleich, daß der Apostel weder den Glauben an die Präexi-
stenz Jesu noch den Kult Christi selbst hervorgebracht, daß er viel-
mehr beides in der Überlieferung vorgefunden und vertieft hat (siehe
W. Förster Kyrios in: Kittel, Theol. Wörterbuch zum NT III, Stutt-
gart 1938, 1038—1094).
Auch der Hebräerbrief, der nicht unmittelbar aus der Hand Pauli
stammt, aber doch von ihm kommt, weil er seines Geistes Kind ist,
preist ähnlich wie der Kolosserbrief Christi Bedeutung für die Schöp-
fung und die Erlösung. Er bezeugt Christus als den Hohenpriester,
der durch sein vollkommenes Priestertum jedes andere abgetan und
erfüllt hat. Er ist der unvergleichliche Hohepriester, weil er der Sohn
Gottes schlechthin ist, der durch die Himmel hindurchgeschritten ist,
als er sich mit den Schwachheiten des menschlichen Fleisches umklei-
det hatte (Hebr 4, 14 f.). Er ist der Abglanz der göttlichen Herrlichkeit,
der Abdruck des göttlichen Wesens. Er trägt das All mit seiner Macht
(Hebr 1, 3). Er ist erhaben über die Engel. Denn diese sind das Werk
Gottes, Boten seines Willens. Er aber sitzt zur Rechten Gottes (Hebr
1, 3; vgl. 3, 1—6). Er ist gesalbt mit Gottes Herrlichkeit. Er um-
spannt die Zeiten und bleibt selbst unberührt von der Vergänglichkeit
der Welt. Er stammt nicht von der Schöpfung, aber er trägt alle Ge-
schöpfe in seiner Hand. Er schafft und begründet ihr Heil. Er soll
viele Söhne in die Herrlichkeit führen (Hebr 2, 10). Er ist der König
298 Christus der wahre Gottessohn S 152

des Weltlaufs und des Weltendes (Hebr 1, 5—14). Gradheit, Recht-


schaffenheit und Gerechtigkeit sind die Merkmale seiner Herrschaft.
Der Glaube an ihn ist daher die letzte Forderung, der Unglaube die
letzte Gefahr. Er ist mit den „Brüdern“ verbunden (Hebr 2, 11 f. 17).
Er ist uns in allem gleichgeworden, die Sünde ausgenommen. Er hat
ein einmaliges für alle Zeiten wirksames Opfer vollbracht (vgl.
O. Michel, Der Brief an die Hebräer, Göttingen 1936, 21—29. O. Kuss,
Der Brief an die Hebräer, Regensburg 1953).

Viertes Kapitel

Die johanneischen Schriften

I. Das Evangelium
Johannes legt zunächst in seinem Evangelium im Namen von
vielen, mit denen er sich eins weiß im gleichen Glauben und in der-
selben Erkenntnis, Zeugnis ab von dem, was er gesehen und gehört
hat. Er schreibt ein Bekenntnisbuch (Jo 1, 14. 16; 21, 24). Es ist das
Zeugnis eines Mannes, der durch Christus vom Tode in das Leben,
von der Finsternis in das Licht geführt wurde und nun anderen von
der wunderbaren Rettung, vom Leben und vom Lichte erzählt, damit
auch sie dieser Herrlichkeit teilhaftig würden. Das ist die Absicht,
die ihn bei der Auswahl der Erfahrungen, die er mit Christus ge-
macht hat, leitet, „Jesus hat noch viele andere Wunder vor den Augen
seiner Jünger getan, die nicht in diesem Buche aufgezeichnet sind.
Diese aber sind aufgezeichnet, damit ihr glaubt, daß Jesus der Mes-
sias, der Sohn Gottes ist, und damit ihr im Glauben das Leben habt
in seinem Namen“ (Jo 20, 30 f.). Nur im Glauben also kann man das
Christusgeheimnis aufnehmen. Für das gläubige Auge ist Christus
umgeben von der Würde des Gottgesandten.
Allgemein läßt sich sagen: „In Abweichung von den Synoptikern tritt Jesus bei
Johannes schon zu Beginn seiner Wirksamkeit offen mit seinem Messiasanspruch
hervor. Allerdings gibt er sich nur der Samariterin (4, 25f.) und später auch dem
Blindgeborenen (9, 35ff.) mit klaren Worten als Messias zu erkennen. Dagegen
legt er vor dem Volke vor seinem Einzuge in Jerusalem (12, 12ff.) kein unzweideu-
tiges Zeugnis zu seiner Messiaswürde ab, so daß die Juden beim Tempelweihfest in
ihn dringen, er solle ihnen endlich deutlich sagen, ob er der Messias sei, worauf er
ihnen zur Antwort gibt, er habe es ihnen längst gesagt (10, 24 f.). Gewiß hat Jesus
in all seinen Reden in Jerusalem sein messianisches Bewußtsein geoffenbart, aber
richtig ist auch, daß er kein unzweideutiges Zeugnis abgelegt hat, da er keinen der
gebräuchlichen Messiastitel auf sich anwendete. Erst vor Pilatus bekennt er sich
S 152 Die johanneischen Schriften 299

offen als „König der Juden“, belehrt ihn aber, daß er diesen Titel nicht im politi-
schen Sinn eines Befreiers und Herrschers des jüdischen Volkes verstehe (18, 33 ff.).“
Trotzdem gilt, daß nach Johannes „Jesu Messianität seinen Jüngern und Gläubigen
von Anfang an offenbar ist (vgl. 10, 14 ...; 10, 27)“. Johannes stimmt mit den
Synoptikern darin überein, daß „Jesus auch nach ihm vor der Öffentlichkeit erst
mit seinem Messiasanspruch unzweideutig hervortritt, als er auf dem Eselsfüllen in
die heilige Stadt einzieht und sich als Sohn Davids, d.h. als messianischem König
huldigen läßt (12, 12 ff.)“ (A. Wikenhauser, Das Evangelium nach Johannes, Regens-
burg 1948, 93 f.).

A. Das Selbstzeugnis Christi


1..Die Präexistenz
Den breitesten Raum nimmt im Johannesevangelium, in der
Botschaft von der Herrlichkeit Gottes in Christus, das Selbstzeugnis
Jesu ein.
In immer neuen Abwandlungen bricht das Bewußtsein aus Chri-
stus hervor, daß er von Gott ausgegangen ist (13, 3), daß er nicht
von sich selbst gekommen ist (3, 31; 7, 28; 8, 42), daß er das Werk
des Vaters vollbringt (4, 34; 9, 4). Er redet, wie er versichert, die
Worte Gottes, die ihm aufgetragen sind. Er kann sie reden. Denn
Gott hat ihm den Geist in ungemessener Fülle verliehen (3, 34; 12, 49;
14, 24). Daher ist seine Lehre nicht seine Lehre, sondern die Lehre
dessen, der ihn gesandt hat (7, 16). An Christus glauben heißt daher
an den glauben, der ihn gesandt hat, das heißt: die Worte des Vaters
bewahren (5, 30. 38; 12, 44 f.). Die „Juden“ können deshalb nicht an
ihn glauben, weil sie gegen Gott ihr Herz verschlossen haben (5,
36 f.; 15, 21; 8, 42). Der Vater wirkt und schafft durch Christus das
Heil der Welt (6, 38 ff.). Weil Christus nicht in eigenem Auftrag und
in eigener Weisheit handelt, deshalb dient sein Reden und Wirken
nicht seinem Nutzen und seiner Ehre, sondern der Ehre des Vaters
(7, 18). Wie wenig Jesus sich sucht, zeigt sich darin, daß seine Art zu
wirken sogar bei den eigenen Verwandten Anstoß erregt (7, 3f.). Als
der vom Vater Gesandte wird Christus auch einmal Gericht halten
und sein Urteil ist wahr, weil es in Übereinstimmung mit dem Vater
gefällt wird (8, 16). Wie er vom Vater ausgegangen ist, so wird er
wieder zu ihm zurückkehren.
Christus ist der von Gott gesandte Menschensohn. Johannes
gebraucht diese Selbstbezeichnung Jesu im gleichen Sinne wie die
Synoptiker. Doch findet sie sich bei ihm nicht so häufig wie bei diesen.
Außerdem tritt bei ihm die vor die menschliche Geschichte, ja vor
die Erschaffung der Welt zurückreichende Präexistenz des Men-
300 Christus der wahre Gottessohn S 152

schensohnes klar hervor, während sie bei den Synoptikern verhüllt


bleibt. Nur der Menschensohn, der vom Himmel Stammende, kann
von den himmlischen Dingen Kunde geben (3, 13f.). Er ist der
himmelentstammte Menschensohn. Er steht in ununterbrochenem
Austausch mit dem Himmel. Engel sind dabei die Boten, die ihm
zu Diensten stehen, die seine Gebete und Befehle gleichsam zum
Himmel emportragen und deren Erhörung und Erfüllung vom Him-
mel herniedertragen (1, 51). Weil er der Menschensohn, der vom
Himmel zur Erde Niedergestiegene ist, hat ihm der Vater das Gericht
übertragen. Schon jetzt vollzieht sich in dem Ja und Nein zu ihm
die Scheidung der Menschen (5, 27). Bevor er indes in seiner Herr-
lichkeit zum Gerichte kommen wird (12, 23), muß er noch erhöht
werden zum Kreuzestod (12, 34). Gerade das können die jüdischen
Zuhörer nicht fassen. Sie können nicht verstehen, daß der Tod der
Beginn der Verherrlichung ist (13, 31). Indes, schon der Niederstieg
des Menschensohnes vom Himmel ist der Anfang des Weges, der bis
in die Tiefen des Todes hinabgeht, dann aber den Menschensohn
wieder emporführt zu seiner ursprünglichen Himmelsherrlichkeit
(3, 13 £.; 6, 61£.; Offb 1, 13. 17 f.). Von dort wird er wiederkommen,
um das Gericht zu halten (Jo 5, 27; Offb 14, 14) und seine Herrlich-
keit vor aller Welt zu offenbaren (Jo 8, 28). Dann werden ihm die
Engel dienen (Jo 1, 51; siehe E. Stauffer, a. a. O., 91).

2. Der Sohn

Ganz eindeutig wird die Erhabenheit Jesu durch das auch bei
den Synoptikern und besonders bei Paulus verwendete Wort Sohn
ausgesprochen. Johannes gebraucht es im gleichen Sinne wie die drei
ersten Evangelisten und wie der Apostel Paulus. Aber es hat bei ihm
ein solches Gewicht wie bei keinem anderen neutestamentlichen
Schriftsteller. Der Ausdruck „Sohn Gottes“ ist bei Johannes die vor-
herrschende Selbstbezeichnung Jesu. Er ist die Kennzeichnung Christi,
neben der alle anderen verblassen und versinken. Christus weiß sich
als den Sohn Gottes, als den einzigen Sohn Gottes (3, 18). Er ist der
Sohn, neben dem es keinen anderen gibt, der es im gleichen Sinne
wäre. Gerade darin erweist sich ja die Liebe Gottes, daß er seinen
Sohn, den er liebt (3, 35), in die Welt sendet, nicht damit er richte,
sondern damit er die Welt rette (3, 16 ff.). Wer an den Sohn glaubt,
kann nun ewiges Leben gewinnen; wer aber dem Sohne nicht glaubt,
der bleibt im Tode (3, 36). Am Sohne entscheidet sich daher das
Schicksal eines jeden Menschen. Aber es ist nicht in die Willkür des
$ 152 Die johanneischen Schriften 301

Menschen gegeben, ob er lebendig oder tot bleiben will. Vielmehr


entscheidet der Sohn selbst in freier herrscherlicher Erhabenheit, wen
er lebendig machen will. Er kann das Leben spenden, weil er es selbst
in Fülle hat, weil er durch und durch lebendig ist (5, 26). Dem Sohne
gebührt daher dieselbe Ehre wie dem Vater (5, 23). Umgekehrt wird
der Vater verunehrt, wenn der Sohn verunehrt wird (5, 23). Gott ist
der Vater Christi, wie er sonst niemandes Vater ist (2, 16; 5, 17. 43;
6, 32; 8, 19. 49. 54 usw.). Der Auferstandene stellt in harter Unter-
scheidung nebeneinander: Ich steige auf zu meinem Vater und zu
eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott (20, 17). Er ist
Sohn von Ewigkeit (17, 5). Er ist es nicht geworden. „Ehe Abraham
ward, bin ich“ (8, 58; vgl. 17, 5). Er ist das ewige Wort, das der Vater
spricht, mit dem er die Geheimnisse der eigenen Gottnatur und der
Welt bespricht (1, 1ff.). Er ist eins mit dem Vater im Sein und im
Tun (5, 17ff.; 10, 30). In den Abschiedsreden vor seinem Leiden
fordert er die Jünger auf, an ihn und an den Vater zu glauben. Er
faßt sich und den Vater in einem Wir, zu einer Gemeinschaft zu-
sammen. In diese Gemeinschaft will er die Seinigen hineinziehen. Sie
ist der Grund alles wirklichen Tuns. Ohne ihn gibt es kein wahr-
haftiges Handeln (15, 5). Das Urgeschehen, in welchem Vater und
Sohn, Sohn und Jünger zu einer Einheit zusammengeschlossen werden,
ist die Liebe.
„Euer Herz zage nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich. Im Hause meines
Vaters sind viele Wohnungen. Wäre es nicht so, dann hätte ich es euch gesagt. Ich
gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Wenn ich dann hingegangen bin und euch
eine Stätte bereitet habe, so komme ich wieder und nehme euch zu mir, damit
auch ihr seid, wo ich bin. Wohin ich gehe, dahin wißt ihr den Weg. Thomas ent-
gegnete ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst; wie sollen wir da den Weg
kennen? Jesus sprach zu ihm: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Nie-
mand kommt zum Vater als durch mich. Wenn ihr mich kenntet, würdet ihr auch
meinen Vater kennen. Von nun an kennt ihr ihn, ihr habt ihn ja gesehen. Da sprach
Philippus zu ihm: Herr, zeig uns den Vater. Das genügt uns. Jesus erwiderte ihm:
Solange schon bin ich bei euch und du kennst mich noch nicht, Philippus? Wer
mich gesehen hat, hat auch den Vater gesehen. Wie kannst du also sagen: Zeig
uns den Vater? Glaubst du nicht, daß ich im Vater bin und der Vater in mir ist?
Die Worte, die ich zu euch rede, sage ich nicht aus mir selbst, und die Werke voll-
bringt der Vater, der in mir bleibt. Glaubt mir, daß ich im Vater bin und der Vater
in mir ist. Wenn nicht, so glaubt doch der Werke wegen“ (14, 1—11). Vor der Ge-
fangennahme betet Jesus zum Vater: „Vater, die Stunde ist gekommen: verherrliche
deinen Sohn, damit dein Sohn dich verherrliche. Du hast ihm Macht verliehen über
alles Fleisch, damit er allem, was du ihm anvertraut hast, ewiges Leben verleihe.
Das ewige Leben besteht aber darin, daß sie dich, den allein wahren Gott, erkennen,
und den du gesandt hast, Jesus Christus. Ich habe dich auf Erden verherrlicht, ich
Christus der wahre Gottessohn § 152
302

habe das Werk vollbracht, das zu vollbringen du mir aufgetragen hast. Und nun
du mich, Vater, mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe
verherrliche
die Welt war. Ich habe deinen Namen den Menschen kundgetan, die du mir aus
der Welt gegeben hast. Dein waren sie, du hast sie mir gegeben, und sie haben
dein Wort bewahrt. Nun wissen sie, daß alles, was du mir gegeben hast, von dir
kommt. Denn die Worte, die du mir gegeben, habe ich ihnen gegeben. Sie haben
sie angenommen und so in Wahrheit erkannt daß ich von dir ausgegangen bin.
Auch haben sie den Glauben gewonnen, daß du mich gesandt hast. Für sie bitte ich.
Nicht für die Welt bitte ich, sondern für sie, die du mir gegeben hast; denn sie

sind dein. Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein, und ich bin
in ihnen verherrlicht. Ich bleibe nicht mehr in der Welt — sie bleiben in der
Welt —, denn ich komme zu dir. Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen,
den du mir gegeben hast, daß sie eins seien, gleichwie wir. Solange ich bei ihnen
war, habe ich sie bewahrt in deinem Namen, den du mir gegeben hast. Ich habe
sie behütet, und keiner von ihnen ist verlorengegangen als der Sohn des Verderbens,
damit sich die Schrift erfülle. Jetzt aber komme ich zu dir, und dies sage ich, da-
mit sie in der Welt meine Freude in vollem Maße in sich haben. Ich habe ihnen
dein Wort gegeben; aber die Welt hat sie gehaßt, weil sie nicht von der Welt sind,
wie auch ich nicht von der Welt bin. Ich bitte nicht: nimm sie aus der Welt, son-
dern: bewahre sie vor dem Bösen. Sie sind ja nicht von der Welt, wie ich nicht
von der Welt bin. Weihe sie für die Wahrheit. Dein Wort ist Wahrheit. Wie du
mich in die Welt gesandt hast, so habe ich sie in die Welt gesandt. Für sie
weihe ich mich, damit sie in Wahrheit geweiht seien. Doch nicht für diese allein
bitte ich, sondern auch für jene, die auf ihr Wort hin an mich glauben. Laß sie
alle eins sein. Wie du, Vater, in mir bist, und ich in dir bin, so laß sie in uns sein,
damit die Welt es glaube, daß du mich gesandt hast. Ich habe die Herrlichkeit, die
du mir gegeben hast, ihnen gegeben, damit sie eins seien, gleichwie wir eins sind:
ich in ihnen und du in mir. So laß auch sie vollkommen eins sein, damit die Welt
erkenne, daß du mich gesandt hast und sie geliebt hast, gleichwie du mich geliebt
hast. Vater, ich will, daß da, wo ich bin, auch die bei mir sind, die du mir gegeben
hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir verliehen hast. Denn du hast
mich geliebt, noch ehe die Welt ward. Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht
erkannt. Aber ich habe dich erkannt, und diese haben erkannt, daß du mich ge-
sandt hast. Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und will ihn weiter kundtun,
damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in ihnen“ (Jo 17).

3. Die Heilsfunktionen

Weil Christus der im Fleische erschienene Sohn Gottes ist, ist er


der Weg, das Licht, die Wahrheit, die Auferstehung, das Leben (11,
25; 14, 6; 6, 35ff.). „Er ist das alles im höchsten, letztgültigen Sinn, er
allein dies alles zugleich. Kurz: alle diese konkreten und abstrakten
Bezeichnungen sind Namen, die der Christus für sich in Anspruch
nimmt und jedem anderen Wesen oder Gegenstand streitig macht.
Johannes spricht nicht in begrifflichen Spekulationen von der Jesus-
tatsache. Alles, was groß und bedeutsam und heilbringend in der Welt
ist, wird zum Namen, um die einzigartige Stellung dieses Ego zu
§ 152 Die johanneischen Schriften 303

kennzeichnen. Alle Schöpfung weist über sich selbst hinaus auf ihn,
der sie im physischen, geistigen und sittlichen Sinn überbietet. Darum
reicht kein einzelner Name aus; und alle versagen und zerbrechen
zuletzt vor dieser Wirklichkeit“ (E. Stauffer, in: Kittel, Theol. Wör-
terbuch zum NT II, Stuttgart 1934, 348). Darum bleiben die in der
Finsternis und im Tode, welche ihn, das Leben und das Licht, nicht
ergreifen. Über sie braucht kein Gericht mehr zu kommen; sie sind
schon gerichtet, weil sie eben das im Sohne erschienene Leben und
Licht nicht ergriffen haben (3, 17—21).
Im einzelnen also ist Christus die Wahrheit. Mit dem Anspruch, daß er die
Wahrheit ist, behauptet er, daß er die Welt, den Menschen und Gott in einer zu-
verlässigen Weise interpretiert. Wer erfahren will, was der Mensch ist und was
Gott ist, was die Welt und die Geschichte sind, muß auf das Wort Christi hören.
Christus verkündet die letzte, nicht eine vorletzte Wahrheit. Er offenbart, was der
Mensch vor Gott ist, was Gott für den Menschen ist. Er gibt dem Menschen den
höchsten Maßstab. Der dänische Theologe S. Kierkegaard sagt in seinem Buch »Krank-
heit zum Tode« hierüber folgendes: „Welche unendliche Realität bekommt doch
das menschliche Selbst, wenn es sich dessen bewußt wird, daß es vor Gott da ist,
wenn es ein menschliches Selbst wird, dessen Maßstab Gott ist. Ein Hirte, der
(wenn es möglich wäre) Kühen gegenüber ein Selbst ist, ist ein sehr niedriges
Selbst; ein Herrscher, der Sklaven gegenüber ein Selbst ist, desgleichen. Und eigent-
lich sind diese beiden kein Selbst; es fehlt das Maß. Das Kind, das bisher nur die
Eltern zum Maß hatte, wird ein Selbst, indem es als Mann den Staat zum Maß be-
kommt; aber welcher unendliche Akzent fällt auf das Selbst, wenn es Gott zum Maß
bekommt.“ Christus verkündet die existentielle Wahrheit, die Wahrheit, an der
sich Heil und Unheil entscheiden. Das Ja zu ihm bedeutet Rettung, das Nein Unter-
gang. Die Wahrheit, die er verkündet, fordert vom Menschen unbedingte Anerken-
nung. Sie ist ein Appell. Sie verpflichtet zum Handeln. Der bloß interessierte Zu-
hörer wird ihr nicht gerecht. Bei einem solchen gleicht sie dem Samen, der auf
steinigen Grund fällt und nicht Wurzel fassen kann und daher verdorrt. Das religiöse
Interesse genügt nicht. Die Wahrheit Christi verlangt Hingabe und Gehorsam. An
ihr gemessen sind die Wahrheiten, die der Mensch ausfindig zu machen vermag,
vorläufig und zweitrangig. Auch sie haben ihre Bedeutung und sind unentbehrlich
für das Leben innerhalb der Welt. Ohne sie würde dem menschlichen Dasein das
Licht fehlen, dessen der Mensch bedarf, um sich in der Welt bewegen zu können,
um einen Sinn des Lebens zu erfassen. Es sind die Wahrheiten der Wissenschaft,
der Philosophie, der Kunst. Sie dienen der Kultur, der wirtschaftlichen, der poli-
tischen, der gesellschaftlichen Ordnung. Demjenigen, der nur die Welt zum Maßstab
hat, können diese Wahrheiten als die höchsten erscheinen. Demjenigen, der Gott als
Maßstab nimmt, erscheinen sie als vorletzte. So sehr ihre Entdeckung aller Mühe
wert ist, so vermögen sie doch die letzten Fragen, die den Menschen bewegen, nicht
zu beantworten, und auch innerhalb des Raumes, in dem sie zuständig sind, bieten
sie keine absolute Sicherheit. Weithin unterliegen sie daher dem Wandel und der
Verbesserung. Der Mensch fühlt sich denn auch durch seine Wahrheitsentdeckung
nicht in einer unbedingten Weise verpflichtet. Er merkt, daß sie allein nur zur
Hervorbringung einer Notordnung verhelfen kann. Demgegenüber verkündet Christus
304 Christus der wahre Gottessohn S 152

jene Wahrheit, welche die letzten Fragen beantwortet. Er verkündet sie mit einer
unbedingten Verbindlichkeit. Er selbst ist für die Wahrheit, die er verkündet hatte,
eingestanden, bis zum Tode. Er fordert von dem, der seine Verkündigung hört und
aufnimmt, den gleichen Einsatz.
Indes, Christus ist nicht nur der Verkündiger der Wahrheit, er ist vielmehr
deren Erscheinung. Die Wahrheit, von der er behauptet, daß er sie sei, ist nicht
bloß das Wort, in welchem die Wirklichkeit aufleuchtet; sie ist vielmehr die Wirk-
lichkeit selbst. In dieser Wahrheit soll der Mensch stehen. Aus ihr soll er leben.
Sie soll mächtig über ihn werden. Sie soll sich in ihm durchsetzen als strenge und
zugleich beglückende Herrin. Was mit der Wahrheit, in der der Mensch stehen, in
der er Gott anbeten soll, gemeint ist, wird am leichtesten verständlich, wenn wir
den griechischen Ausdruck zu Hilfe nehmen. A-letheia bedeutet die nicht-verborgene,
die offenbare Wirklichkeit, und zwar näherhin die Wirklichkeit Gottes. Christus hat
den Gott, der dem Menschen infolge der Sünde unzugänglich wurde und blieb, wie-
derum zugänglich gemacht. In ihm ist Gott für den Menschen wieder erreichbar
geworden. Denn er ist der Offenbarer des Vaters, ja Gottes der Welt zugewandtes
und erschienenes Antlitz. In Christus kann der Mensch Gott innerhalb der Geschichte
wieder begegnen. In Christus streckt Gott dem Menschen seine Hand entgegen. So
unglaublich und paradox es klingt, es entspricht der Wahrheit: Wer Christi Hand
ergreift, ergreift Gottes Hand. Gott ist durch Christus aus einem fernen ein naher
Gott geworden, Gott läßt sich in Christus vom Menschen ergreifen durch den Glauben
und durch die Liebe.
Im Glauben wendet sich der Mensch dem in Christus ihm zugewandten gött-
lichen Du zu. Weil in Christus Gott dem Menschen zugänglich wurde, weil er ihm
in Christus erschienen ist, schaut derjenige, welcher Christus anschaut, Gott an.
Wer mich sieht, sieht den Vater. Dieses Anschauen ist mehr als ein bloßes inter-
essiertes Zur-Kenntnis-Nehmen. Schauen hat hier eine intensivere, tiefergreifende
Bedeutung. Es hat den Sinn: sich verbinden, sich vermählen. Das Wort Christi be-
kommt daher die folgenschwere Bedeutung: Wer sich liebend mit mir verbindet,
verbindet sich dadurch mit dem Vater. Zu ihm kommt der Vater, um Wohnung bei
ihm zu nehmen. Er wird von Gott geformt. Er wird gottförmig. Christus eröffnet
also den Menschen eine Wirklichkeit, die verschieden ist von der Wirklichkeit dieser
Welt. Deshalb geht das Leben desjenigen, der Christus im Glauben ergreift, nicht
auf innerhalb der Grenzen dieser Welt. Für ihn ist daher das irdische Leben nichts
Letztes und Endgültiges. Deshalb sind für ihn auch die irdischen Verluste keine
letzten und endgültigen.
So kann Christus seinen Gläubigen den Befehl geben: Habt keine Angst in
eurem Herzen (Jo 14, 1). Mit diesem Worte fordert er in der Abschiedsstunde seine
Getreuen auf, vor dem Tode, der herankommt, keine Angst zu haben. Christus gibt
den Befehl, sich nicht zu ängstigen vor den Gefahren dieser Welt. Im gleichen Sinne
fordert er ein anderes Mal auf (Mt 10, 28): „Fürchtet euch nicht vor denen, die den
Leib zu töten vermögen, die Seele aber nicht töten können.“ Wenn Christus den
Befehl gibt, keine Furcht und keine Angst zu haben, sondern die naturhafte Angst
vor dem Sterben, vor der letzten Gefährdung des Daseins zu bestehen und zu über-
winden, so bedeutet dies keine Verkleinerung oder Verharmlosung der irdischen
Unsicherheiten und Bedrohungen. Im Gegenteil, Christus nimmt die Schleier von den
Abgründen hinweg, in die das menschliche Leben stürzen kann. Er eröffnet den
S 152 Die johanneischen Schriften 305

Seinigen, daß sie mit dem Tode, mit der Tötung rechnen müssen. Er befreit sie von
allen Illusionen. Er stellt ihnen kein gesichertes und geborgenes Leben innerhalb
dieser Welt in Aussicht. Sie müssen damit rechnen, daß sie an den Widerständen
der Welt scheitern. Ja, es ist sicher, daß sie an der Wand des Todes scheitern müssen.
Er zeigt ihnen jene Grenzsituationen, aus denen es keine Rettung gibt. Aber er
fordert sie zugleich auf, den Gefährdungen und Bedrohungen des Lebens nicht
willenlos zu verfallen, sondern aus allen Abgründen von Angst und Sorge sich zu
einem Leben in Zuversicht und Vertrauen zu erheben.
Wenn er den Seinigen keine Verheißungen für die Welt gibt, dann versagt er
ihnen, was die Welt verlangt. Sie verlangt Leben, Lebensfülle und Lebenssicherheit
innerhalb ihrer eigenen Grenzen. Ausdrücklich betont Christus, daß er solche inner-
weltlichen Gaben nicht vergeben will. Trotzdem stellt er seinen Gläubigen die Er-
füllung ihrer letzten Sehnsüchte und Ansprüche in Aussicht. Er mutet ihnen, indem
er ihnen innerweltliche Fülle und Geborgenheit versagt, nicht zu, ihre Sehnsucht
und ihre Ansprüche herunterzuschrauben oder zu verdrängen. Das würde zu einer
Verkrampfung und Verengung des Lebens führen. Er fordert sie vielmehr auf, ihre
Sehnsucht nach dem Höchsten zu spannen. Wenn sie auch innerhalb der Welt nicht
erfüllt werden kann, so stellt Christus dennoch ihre Erfüllung in Aussicht. Er hat
ja den Zugang eröffnet in jene Wirklichkeit hinein, die alles Irdische überbietet, vor
der alles Irdische, mag es auch edel und groß sein, kümmerlich und klein erscheint,
den Zugang in die Wirklichkeit Gottes, in die Herrlichkeit seiner Liebe.
Dort wartet auf den Menschen eine reiche Wohnmöglichkeit (Jo 14, 2£.).
Christus selbst bereitet den Seinen die Wohnungen im Hause des Vaters. Er ist
hierzu berechtigt und befähigt, denn er hat Verfügungsrecht im Hause Gottes wie
der Sohn und Erbe. Wenn er den Seinigen eine Wohnung in Aussicht stellt, so ver-
heißt er damit Lebensfülle und Lebenssicherheit. Die Wohnung ist mehr als eine
bloße Behausung. Diese gewährt Schutz vor den Unbilden der Witterung. Die Woh-
nung hingegen gewährt Erfüllung der Existenzsehnsucht. Sie ist der Ausdruck des
innersten Wesens ihres Bewohners. Die Wohnung, die Christus den Seinigen be-
reitet, ist derart, daß sie zu ihnen paßt, daß sie selbst sich in ihr zu Hause und
beheimatet fühlen.
Wenn Christus von vielen Wohnungen spricht, so verheißt er damit die Fülle
von Wohnmöglichkeit, die Intensität von Beheimatung. Wer in die von ihm bereitete
Wohnung einzieht, ist in einer letzten Weise beheimatet, so daß es ihn nicht mehr
in die Ferne zieht. Er ist dort zu Hause, wo sein Herz ihn heißt, zu Hause sein zu
wollen, nämlich in der Liebe des Vaters. Solange der Mensch dort nicht angekommen
ist, ist er von der Unruhe des Wanderns und Pilgerns getrieben. Wenn er dort an-
gekommen ist, treibt ihn nichts mehr weiter. Denn dort kommt er zur Erfüllung
alles dessen, was in ihm nach Erfüllung ruft. In Gott, zu dem Christus den Zugang
eröffnet, kommt der Mensch zu sich selbst. Solche Aussichten werden eröffnet, wenn
Christus von sich sagt, daß er die Wahrheit sei.
Die Tragweite der von Christus entschleierten Wahrheit und ihre erfüllende
Macht wird noch klarer, wenn wir bedenken, daß Gott die Liebe ist, daß daher die
in Christus erschienene göttliche Wirklichkeit die Wirklichkeit der Liebe, und zwar
der sich verschenkenden Liebe ist. In Christus ist die Liebe in dieser Welt gegen-
wärtig, zugänglich und greifbar geworden. Mag sie noch so verborgen und so ver-
hüllt sein, sie ist doch in der Geschichte, in der sich das Leben und das Sterben,

20 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


306 Christus der wahre Gottessohn S 152

das Leiden und Hoffen der Menschen abspielen, als die alles bewegende Macht gegen-
wärtig. Mag der Haß sich in wahnsinnigen Ausbrüchen überstürzen, die in Christus
erschienene Liebe hat das Steuer sicher in der Hand. Mitten im Toben und Brüllen,
im Rasen und Fluchen des Hasses kann sich der Mensch der ihm immer nahen
Liebe entgegenstrecken und die ihm hingehaltene Hand der leibhaftig erschienenen
Liebe ergreifen. In den Abgründen des Hasses kann er in den Raum der Liebe ein-
treten, der durch Christus eröffnet wurde. Wenn ihn der Haß zerschmettert, wie er
Christus zerschmettert hat, so fällt er nicht ins Leere und Bodenlose, sondern in
die Arme der in Christus in der Welt gegenwärtigen allmächtigen Liebe. Indem er
sie ergreift, kann er sich auch davor retten, daß er selbst dem Ansturm des Hasses
unterliegt und den Hassenden mit Gegenhaß, den Verleumdern mit Gegenverleum-
dung antwortet. Die in Christus erschienene Liebe bewahrt den Menschen, der nach
ihr greift, vor den Gefährdungen durch seine eigene Selbstsucht und Selbstherrlich-
keit. Wenn derjenige, der Christus im Glauben ergreift, sich mit ihm verbindet, so
verbindet er sich mit der Liebe in eigener Person. Wenn er von Gott durchherrscht
wird, wird er von der Liebe durchherrscht. Wenn er gottförmig wird, wird er von
der Liebe geformt. Darin erfüllt sich sein inneres Wesen und Leben. Wie wir später
sehen werden, ist der Mensch infolge seiner Herkunft von Gott, der Liebe, in seinem
innersten Personkern von der Liebe geprägt. Ein wesensgemäßes Leben ist daher
ein Leben in Liebe. Die Liebe ist der Sinn des Lebens. Wer sich nach der in
Christus erschienenen Liebe ausstreckt und sich mit ihr in der Hingabe an sie ver-
bindet, gewinnt daher den letzten Lebenssinn, in der Zeit der Pilgerschaft in einer
anfanghaften, in dem Zustande nach dem Tode in einer endgültigen Weise. Diese
Sinnerfüllung des Lebens kann durch nichts gefährdet werden, wenn der Mensch
sich der in Christus erschienenen Liebe hingibt. So kann Paulus in dem Gefühl einer
letzten Geborgenheit mitten in allen Bedrohungen des Daseins das Triumphlied
singen: „Wir wissen, daß denen, die Gott lieben, alles zum Guten zusammenwirkt,
denen, die berufen sind, wie er es vorausbestimmt hat ... Was sollen wir sagen?
Wenn Gott für uns ist, wer ist dann wider uns? Er, der seines eigenen Sohnes nicht
geschont, vielmehr ihn für uns alle hingegeben hat, wie sollte dieser uns nicht alles
auch mit ihm in Gnaden schenken? Wer wollte gegen Gottes Auserwählte klagen?
Etwa gar Gott, der sie gerecht macht? Und wer verurteilt dann? Etwa gar Jesus
Christus, der starb, oder noch besser ausgedrückt, der auferweckt wurde, der nun
zur Rechten Gottes ist und auch für uns bittet? Wer wird uns scheiden von der
Liebe Christi? Trübsal, Bedrängnis und Verfolgung, Hunger oder Blöße oder Todes-
gefahr oder das Schwert? (Dies alles steht uns bevor.) So steht es ja in der Schrift:
Stets sind wir deinetwegen in der Todesgefahr; den Opferschafen sind wir gleich-
geachtet. Doch über all dies kommen wir hinweg durch ihn, der uns geliebt hat.
Ich lebe der Überzeugung: Weder Tod noch Leben, nicht Engel und nicht Herr-
schaften, nicht Gegenwärtiges noch Kommendes, nicht Mächte und nicht Höhe oder
Tiefe, noch sonst ein anderes Geschöpf wird uns scheiden können von der Liebe
Gottes, die da ist in Christus Jesus, unserm Herrn“ (Röm 8, 28—39).

Als Christus in der Abschiedsstunde den Seinen den Befehl gab, keine Angst
zu haben, auch wenn das Leben an der Todeswand scheitern muß, stellte er ihnen
zugleich den Weg in die von ihm aufgedeckte Wirklichkeit Gottes, die eine Wirk-
lichkeit der Liebe ist, vor Augen. Dieser Weg ist er selbst (Jo 14, 4f.). Einen anderen
gibt es dahin nicht. Alles, was sonst Weg heißt, ist ein Gleichnis dieses Weges. Die
§ 152 Die johanneischen Schriften 307

Menschen wandern in der Welt viele Wege, um zur Erfüllung ihres Lebens zu
kommen. Auf vielen Straßen versuchen sie zu erreichen, wonach ihr Herz sie treibt.
Der Einzelne und die menschliche Gemeinschaft lassen es sich Mühe und Anstren-
gung kosten, um jene Wege ausfindig zu machen, auf denen das Ziel ihres Strebens
winkt. Aber alle Wege dieser Erde erweisen sich zuletzt als Sackgassen. Sie brechen
alle innerhalb dieser Welt ab. Sie vermögen zwar innerhalb der Welt weit zu führen.
Sie führen zu dem menschlichen Du, in dem das menschliche „Ich“ Erlösung von
seiner Einsamkeit zu finden glaubt; sie führen zur Gemeinschaft in Staat und Volk,
zu Ehre und Besitz, zu Macht und Ruhm, auf die Gipfel der Kultur, der Kunst und
Wissenschaft. Aber wer sie geht, fühlt sich immer weitergetrieben. Er muß die Ent-
deckung machen: Es gibt keine Straße, die dorthin führt, wohin die Sehnsucht den
Geist und das Herz zieht. Alle Wege dieser Erde laufen in sich selbst zurück. Sie
führen den Menschen im Kreise herum. Wenn es nur die Wege dieser Erde gibt,
dann ist die menschliche Wanderung und Pilgerfahrt ohne eine letzte Hoffnung.
Dann gibt es für den Menschen in Wahrheit nur vorletzte Hoffnungen und damit
keine Hoffnung. Er kann, wenn er merkt, daß eine Straße nicht zum Ziele führt,
seine Wanderung auf einer anderen fortsetzen, um bald wiederum dahinter zu
kommen, daß auch sie keine letzte Verheißung gewährt. So ist die Situation des
Menschen letztlich ausweglos. Er kann versuchen, in dieser Ausweglosigkeit ent-
schlossenen Mutes auszuharren. Er kann es auf sich nehmen, ein Leben ohne letzte
Hoffnung zu ertragen. Da eröffnet sich vor ihm der Blick in das Nichts. Der Nihi-
lismus ist der Horizont jenes Menschen, der nur die Wege dieser Erde kennt. Er
ist ein hoffnungsloser Mensch. In diese Situation hinein ruft Christus das Wort des
Trostes und der Verheißung: Ich bin der Weg. Er sagt damit: Ich bin der wahre
Weg, der eigentliche Weg. Er ist ein Weg, der anders ist als alle Straßen der mensch-
lichen Geschichte. Der Weg, den er meint, führt über die menschliche Geschichte,
ja über den Kosmos hinaus. Er führt in eine Wirklichkeit hinein, die jenseits der
Geschichte und des Kosmos liegt. Er ist nicht etwa eine Verlängerung der irdischen
Wege, sondern eine ganz andere Qualität von Weg. Die Wirklichkeit, die an seinem
Ende liegt, ist jeder Zeit und jedem Raume gegenwärtig, aber zugleich von jedem
Raum und jeder Zeit qualitativ verschieden. Es ist die Wirklichkeit des göttlichen
Ich. Der Weg, den Christus den Seinigen eröffnet, führt wirklich zum Ziele. Es ist
ein Ziel, über das hinaus nichts mehr existiert, ein Ziel, an welchem der Ankömm-
ling merkt, daß ihn nichts mehr weiter treibt.
Christus zeigt diesen Weg nicht nur, er ist nicht nur der Wegweiser, er selbst
ist vielmehr der Weg. Diesen Weg begeht der Mensch im Glauben. Wer Christus
im Glauben ergreift, macht sich auf den Weg, der zum Vater führt. Einen anderen
Weg dorthin gibt es nicht. Durch Christus kommt der Mensch zum Vater und da-
durch zu sich selbst. Wer den Weg beschreitet, der Christus heißt, welcher leistet,
was keine irdische Straße leistet, kann die Wege der Welt nicht übersehen. Er
wandert auf ihnen von einem Ort zum andern, von einem Ziel zum andern. Denn
er muß die Erde verwalten. Aber indem er die ihm zugewiesenen irdischen Straßen
pilgert, wandert er auf einem unsichtbaren Wege, auf jenem, der aus der Zeit in
die Ewigkeit führt.
Christus ist das Licht. Was bedeutet das Licht? Das Licht erhellt die Welt,
so daß sie angeschaut werden kann, so daß der Mensch sich orientieren kann. Es
erhellt die Wege des Lebens, so daß sie beschritten werden können. Es ist die Hellig-

20*
308 Christus der wahre Gottessohn S 152

keit, in der sich der Mensch zurechtfinden kann. Aber alles irdische Licht ist be-
droht vom Dunkel und wird immer wieder von der Finsternis verschlungen. Mag
die Sonne noch so strahlend über die Erde hinleuchten und alles in die Flut ihrer
Helligkeit tauchen, sie geht wieder unter, so daß die Welt in Schatten und Nacht
versinkt. Die irdische Sonne vermag das Dunkel immer nur für Stunden zu ver-
treiben. Sie vermag auch in den Stunden, da sie die Welt erhellt, das Dunkel nicht
völlig zu überwinden. Auch die größte Helligkeit ist immer ein Gemisch von Dunkel
und Licht. Insbesondere aber vermag keine Sonne das Dunkel des menschlichen
Geistes und Herzens zu vertreiben. Das Licht, nach welchem sich der Mensch in
seinem Innersten sehnt, geht auf dieser Welt nirgends in vollkommener Gestalt auf.
Der Mensch sehnt sich nach Erhellung des Daseins, nach Deutung des Lebens, nach
Lösung der Rätsel, nach Antwort auf die brennenden Fragen warum?, wozu?,
nach einer gelichteten Existenz. Die Helligkeit könnte in die Freiheit führen, in die
Freiheit vom Druck und von Angst, von der Angst, daß ihm der Daseinssinn ver-
lorengeht, ja, daß es keinen gibt. Nur ein solches Leben wäre ein wahres Leben,
ein Leben in Freude und Glück, in Friede und Heil. Wer ihm das Licht schenken
könnte, würde ihm das echte Leben schenken. Ohne das Licht, welches das Dasein
erhellt, bleibt das Leben in Unsicherheit und Angst, gebannt und gelähmt.

In die menschliche Finsternis hinein ruft Christus: Ich bin das Licht der Welt.
Er ist das eigentliche, das wahrhaftige Licht, dessen Gleichnis alles irdische Licht
ist. Was das irdische Licht meint, aber immer nur in einer unvollkommenen Weise
zu leisten vermag, das vollbringt Christus. Er ist das Licht, in dessen Schein die
Herrlichkeit Gottes und der Sinn der Welt aufleuchten. Er strahlt seit dem Beginn
der Schöpfung. Die Menschen hätten sich in diesem Scheine immerfort richtig, d.h.
als Geschöpfe verstehen können. Sie wären von dem Lichte Gottes immerfort er-
leuchtet gewesen und hätten daher die Möglichkeit zu einem echten Selbstverständnis
gehabt. Die Welt war für sie Offenbarung Gottes. Aber sie haben sich gegen diese
Offenbarung verschlossen und daher das rechte Welt- und Selbstverständnis ver-
loren. Sie gerieten in den Wahn der Autonomie, in die Finsternis, in der sie sich
selbst nicht mehr verstanden, weil sie sich nicht mehr als Geschöpfe Gottes ver-
standen und verstehen wollten, in der sie ihren Weg nicht mehr fanden und daher
in die Irre gingen. In dieser Verblendung beraubten sie sich des wahren, des freien,
frohen Lebens. Finsternis und Tod sind Nachbarn. Der Repräsentant und Herr der
in Finsternis geratenen Menschheit ist der Satan. Indem er den Menschen um das
wahre Wissen seiner selbst bringt, bringt er ihn um das echte Leben. Er ist daher
ein Mörder und Lügner. Seit der Menschwerdung leuchtet das Licht in leibhaftiger
Wirklichkeit in der Finsternis. Christus ist der Lichtträger in der Nacht der mensch-
lichen Geschichte. Gleichnis dessen ist es, wenn er den Blindgeborenen heilt. In
dieser Machttat dürfen wir nicht nur eine augenblickliche Hilfe sehen, die Christus
aus erbarmungsvollem Herzen einem Menschen zuwendet. Wenn sie nur diesen Sinn
hätte, wäre sie in der Welt, in der Tausende und Millionen Blinde leben, ohne einen
Heiler zu finden, eine bedeutungslose Episode. Aber sie hat eine größere Tragweite.
In ihr wird die Funktion Christi für die menschliche Geschichte und auch für den
Einzelmenschen deutlich. Christus erhellt das menschliche Leben, so daß wir er-
fahren, wer wir selber sind. In Christus gewinnt der Mensch einen wahren, nüchter-
nen Blick auf das eigene Selbst. Dabei erkennt er sich als Geschöpf Gottes, als einen
Verlorenen und zugleich als einen Geretteten. Da sieht er sich, wie er von Gott her
& 152 Die johanneischen Schriften 309

gesehen werden muß. Da gewinnt er für die Interpretation seines Lebens den rechten
Maßstab. Denn durch Christus lernt er sich an Gott selber messen und werten. So
führt ihn Christus zum wahren Selbstverständnis. Solange er sein Selbstverständnis
nicht durch Christus gewinnt, lebt er in Illusionen. Die durch Christus Erleuchteten
sind daher die wahrhaft Sehenden. Alle anderen sind Schwärmer und Phantasten.
Sie schwärmen vom Übermenschen, vom Menschengott, vom irdischen Paradies.
Christus gibt den Menschen das wahre Wissen vom eigenen Leben und von der
Welt. Wer die Welt in seinem Lichte sieht, macht sich vom Menschen und von den
Dingen keine Vorstellungen und Hoffnungen, die innerhalb der Geschichte nicht
erfüllt werden können. Er rechnet nicht mit einem ewigen Fortschritt, mit einer
ständig steigenden Kurve von Wohlstand und Harmonie. Nüchtern und illusionsfrei
faßter Welt und Mensch in den Blick. Dennoch wird er kein Skeptiker. Er verfällt
angesichts der menschlichen Sündhaftigkeit und der irdischen Schuttberge nicht in
Trostlosigkeit und Resignation, nicht in Verzweiflung, aus der er sich durch
Zerstreuung und Ablenkung retten müßte. Denn für ihn strahlt Christus mit seinem
Worte der Liebe eine Wirklichkeit aus, auf die der Mensch eine letzte und unbe-
dingte Hoffnung setzen kann. Diese Wirklichkeit, die Liebe Gottes, sieht der Mensch
im Lichte Christi in alles irdische Dunkel, in die irdische Bedrohung und Gefähr-
dung, in alle menschlichen Tücken und Gemeinheiten, in die Ruinen und Trümmer-
haufen der menschlichen Geschichte hereinragen. Er weiß daher, wo er sich hin-
wenden muß, um sich liebend den Menschen und Dingen der Welt zuzuwenden.
Die Erhellung durch Christus ist nicht ein naturhafter Vorgang wie die Er-
hellung der Erde durch die Sonne, sondern ein geistiger. Christus ist Licht und
Lichtiräger, weil er der Offenbarer ist. Der Mensch ist dafür verantwortlich, daß er
die Offenbarung vernimmt und aufnimmt. Er kann sich ihr in Eigenherrlichkeit
und Hochmut verschließen. Der Eigenherrliche zieht die Finsternis dem Lichte vor.
Er lehnt es ab, sich als Geschöpf zu verstehen, und verharrt in seiner Autonomie,
selbst um den Preis, daß die Rätsel des Lebens ungelöst und die Fragen warum?
und wozu? unbeantwortet bleiben, selbst um den Preis also eines unechten, eines
unfreien und unfrohen Lebens. Der Eigenherrliche liebt das Leben der Nacht und
der Verzweiflung mehr als das Licht und sein Glück, da er dieses nur in Unter-
werfung unter den Offenbarer erreichen könnte. So ist der Verzweifelte, mag er in
offener oder in verdeckter Verzweiflung leben, für seine Verzweiflung verantwort-
lich. Sie ist Schuld. (Siehe auch Eranos-Jahrbuch 10, 1943 mit dem Gesamtthema:
Alte Sonnenkulte und die Lichtsymbolik in der Gnosis und im frühen Christentum.)
Derjenige, der sich vom Offenbarer Christus erleuchten läßt, gewinnt darin
echtes Leben.
Christus ist das Leben. In ihm ist das Leben erschienen. Das Leben, das in
ihm in der Welt erschienen ist, ist anders als alles, was wir sonst Leben heißen.
Alles Leben, das wir in der Erfahrung kennen, ist ein todverfallenes Leben. Es ist
ein in die Länge gezogenes Sterben. In seiner Mitte sitzt der Tod. Es ist daher kein
wahres Leben. Gemessen am Leben Gottes ist es ein Scheinleben. Wer nur dieses
Lebens teilhaftig ist, kann daher in Wahrheit ein Toter genannt werden. Dieses
Leben bedarf des ständigen Schutzes gegen den Zugriff des Todes. Aber einmal wird
es der Tod in seinen Abgrund reißen. Es ist dem Gesetze der Vergänglichkeit unter-
worfen. Es muß an der Wand des Todes scheitern. Davor gibt es keine Rettung.
Das Leben, das in Christus in der Welt erschienen ist, ist im Gegensatz zu dem
310 Christus der wahre Gottessohn § 152

irdischen Leben, zu dem biologischen Dasein, wahres, unvergängliches Leben. Denn


es ist das Leben Gottes. Gott ist allein in Wahrheit ein Lebendiger. Ja, er ist das
Leben in eigener Person. Er ist ein Leben in unerschöpflicher und unverbrauch-
barer Fülle. In ihm ist das Leben nicht auseinandergelegt in einzelne aufeinander
folgende und auseinander hervorgehende Akte. In ihm ist es vielmehr in stärkster
Konzentration zu einer absoluten Fülle gesammelt. Über dieses Leben hinaus gibt
es keine Lebendigkeit mehr. Wenn in Christus das Leben Gottes erschienen ist, dann
ist durch ihn ein Leben in der Geschichte gegenwärtig geworden, das durch keinen
Zugriff des Todes gefährdet werden kann. An diesem Leben soll der Mensch, der
todverfallene, Teilnahme gewinnen. Die Todverfallenen können sich also nach einem
Leben ausstrecken, welches Unvergänglichkeit und Fülle in sich trägt. Christus stellt
demjenigen, der sich im Glauben ihm zuwendet, durch alle Vergänglichkeit hin-
durch ewiges Leben in Aussicht. Er hat zwar selbst trotz der in ihm herrschenden
innersten Lebendigkeit das Gesetz des Sterbens, welches das Gesetz der Mensch-
heit ist, übernommen. Aber gerade durch seinen Tod ist das Leben in ihm frei ge-
worden. In seiner Auferstehung ist es auch durch seine menschliche Gestalt hin-
durchgebrochen, so daß nun seine menschliche Natur für den Einstrom des Gottes-
lebens offen ist und immerfort an der Lebensfülle und Lebensmacht Gottes teil-
nehmen wird. Wer Christus im Glauben ergreift, gewinnt an dieser Lebensfülle und
Lebensmacht Anteil, so daß er den Zusammenbruch der irdischen Existenzform
übersteht. Ja, der Untergang der irdischen Existenzweise wird der Weg zum un-
vergänglichen ewigen Leben Gottes.
Die Anteilnahme an dieser Lebensfülle wird grundgelegt in der Taufe. Denn
die Taufe bedeutet einen Todesstoß für die vergängliche Existenzweise und die Ge-
burt der unvergänglichen Existenzweise, die eine Teilnahme an der Existenz Christi
in sich schließt. Was in der Taufe begonnen wird, wird in den übrigen Sakramenten
weitergeführt: Abbruch der welthaften Existenzform, Herausarbeitung der ewigen
Existenzweise Gottes. Es wird auch vorangetrieben in den Drangsalen des Daseins,
bis zum völligen Zusammenbruch des irdischen Lebens. Der Tod bedeutet daher
die Ausreifung dessen, was in der Taufe grundgelegt wurde. Er macht das in den
Menschen hineingesenkte Gottesleben frei. So leistet das Sterben dem Menschen
einen Dienst zum Leben. Im Tode erfüllt sich, was sich am Weizenkorn erfüllt,
wenn es in die Erde fällt und stirbt. Das Weizenkorn muß den Tod auf sich nehmen,
damit es viele Frucht trägt. Würde es sich weigern zu sterben, dann würde es allein
bleiben. Der Mensch muß den Tod auf sich nehmen, damit das ihm gewährte
Christusleben zu seiner Vollendung kommt.
Christus ist das Brot des Lebens. Er ist das wahre und das eigentliche Brot.
Was das irdische Brot meint und zu leisten versucht, aber immer nur in einer un-
vollkommenen Weise leistet, wird durch Christus erfüllt. Das Brot will das Leben
nähren. Es vermag jedoch nur vergängliches Leben zu nähren. Es vermag das ver-
gängliche Leben nur in vergänglicher Weise zu erhalten. Einmal wird auch das vom
besten Brot genährte irdische Leben vergehen. Das irdische Brot ist ein Gleichnis
Christi. Wer es in seinem wahren Sinn versteht, sieht in ihm einen Hinweis auf
Christus.
Christus ist das Brot, welches das wahre, unvergängliche Leben vermittelt.
Nach diesem Leben hungert und dürstet der Mensch. Die nach dem wahren Leben
Hungernden werden von Christus gerufen. Ihnen verheißt er Sättigung des Hungers
§ 152 Die johanneischen Schriften 311

und Stillung des Durstes. Wer diesen Hunger und Durst nicht spürt, der ist ein
Verhärteter. Er weiß nicht, wonach sein Herz in Wahrheit sich sehnt. Er spürt
jenen Hunger nicht, der anders ist als der Hunger des Magens, den Hunger des
Geistes und des Herzens. Dieser Hunger kann durch nichts Irdisches gestillt werden.
Innerhalb der Welt kann der Mensch nicht in Sättigung des Herzens, sondern nur
in Sehnsucht leben. Alle irdischen Erfüllungen des Hungers seines Geistes und
Herzens sind nur Vorerfüllungen. Sie können nur die Sehnsucht seines Herzens
wachhalten. Da ruft Christus denen, die von solchem Hunger geplagt sind, zu: Ich
bin das Brot des Lebens. Er ruft die Mühseligen und Beladenen, die Wissenden,
welche die letzten Nöte des Daseins kennen — die Mühsal der Mannesarbeit, die
Klage der Frauen, die Tränen der Kinder und über allem die Last der Schuld
(E. Stauffer) —, die Wissenden, die zu nüchtern sind, um von der Welt Heilung der
letzten Nöte zu erhoffen. Sie sollen sich um Christus sammeln, um von ihm Sät-
tigung zu erfahren.
Was Christus in dem Worte: Ich bin das Brot des Lebens, verkündigt, das
stellt er im Gleichnis dar, wenn er die Volksscharen zu einem großen Abendessen
einlädt. Das Mahl, in welchem er ihnen Sättigung ihres irdischen Hungers gewährt,
ist ein Sinnbild dafür, daß er den Hunger des Herzens und des Geistes stillt. Nie-
mand konnte in jener Abendstunde Hilfe bringen. Ratlos waren die Jünger der
Situation preisgegeben. Sie fanden keinen Ausweg. Ausweglos und ratlos, ohnmäch-
tig und hilflos stehen sie dem Hunger des eigenen Herzens und dem Hunger aller
anderen Herzen gegenüber. Dennoch gibt es eine Sättigung. Einer kann sie ge-
währen: Christus. Wenn in jener Abendeinladung viele Körbe übrig bleiben, so ist
das ein Hinweis auf die reiche Sättigung, die Christus und durch ihn Gott denen
zuteil werden läßt, welche in ihrem Hunger und in ihrem Durst zu ihm kommen.
Sie werden in Fülle, nicht in Kärglichkeit essen und trinken dürfen.
Was Christus in jener Abendeinladung gleichnishaft getan hat, das hat er zu
einer vorläufigen Erfüllung gebracht in einem anderen Abendmahl, im letzten
Abendmahl am Tage vor seinem Sterben. Da gab er den Seinigen Brot zu essen und
Wein zu trinken, anders als sonst ein Gastgeber seine Gäste zu bewirten imstande
ist. Er gab im Zeichen des Brotes und Weines sich selbst zum Essen und Trinken
hin. Dabei erfüllte sich sein Wort, daß er das Brot des Lebens sei, in einer leibhafti-
gen Weise. Aber auch diese Speisung hatte und hat in all ihrer Leibhaftigkeit zugleich
gleichnishaften Charakter. Sie weist hin auf eine Zukunft, in der Christus sich den
Seinigen nicht mehr im Zeichen, sondern in unverhüllter Wirklichkeit schenken
wird. Bis zu jener Stunde werden die Seinigen, seiner Aufforderung gehorsam, das
Zeichen setzen, in welchem er sich ihnen als Wegzehrung für die harte und schwere
Wanderung auf den Straßen der irdischen Geschichte darbietet, für die lange und
gefahrvolle Pilgerfahrt aus der Zeit in die Ewigkeit. Wenn jedoch die Pilgerfahrt
zu Ende ist, dann wird sich ihnen Christus in seiner unverhüllten Herrlichkeits-
gestalt schenken und so den Hunger des Herzens stillen, der durch keine irdische
Gabe gestillt werden kann. Das Essen seines Fleisches und Blutes ist die Bürgschaft
für diese letzte Sättigung der Zukunft. Es bietet die Garantie, daß die Menschen,
welche innerhalb der Geschichte nicht vom Hunger befreit werden können, einmal
in einer überfließenden Weise satt werden. Dies wird dann geschehen, wenn der
Mensch, dessen Sehnsucht auf das Du, letztlich auf das höchste Du, auf das Du
Gottes geht, in diesem ewige Erfüllung findet. Da wird sich Christus als jenes Brot
312 Christus der wahre Gottessohn 8 152

erweisen, welches unvergängliche Nahrung ist zu unvergänglichem Leben. In einem


ewigen Mahle werden es die Vollendeten im Hause des Vaters essen und darin
immer neue Sättigung erfahren.

B. Das Zeugnis der Zeitgenossen


Die Zeitgenossen Christi standen unter dem überwältigenden
Eindruck seiner übermenschlichen Größe.
Die Jünger haben denn auch Christus als den Sohn Gottes, als
den er sich wußte und bezeichnete, bekannt. Das umfassendste Zeugnis
legt Johannes selbst ab. Er bezeichnet Christus als den Logos, der im
Anfang war, der bei Gott war, ja, der selber Gott war (Jo 1, 1f.). In
dem Prolog wird also von dem Logos das Prädikat „Gott“ gebraucht.
Christus wird in den Lebensbereich des dreipersönlichen Gottes hin-
eingestellt. Man kann ihn nur von der Trinität her verstehen; denn
er ist einer im dreipersönlichen göttlichen Lebensaustausch. Es sei
auf die Ausführungen verwiesen, welche (Bd. I $ 44) über das Schrift-
zeugnis vom dreipersönlichen göttlichen Leben gemacht wurden. Wie
man das dreipersönliche göttliche Leben nur von Christus her inter-
pretieren kann, so kann man Christus nur vom dreipersönlichen
göttlichen Leben her interpretieren. Johannes schreibt Christus im
Prolog die entscheidende kosmologische und soteriologische Funk-
tion zu.
An Einzelzeugnissen seien aus dem Johannesevangelium folgende
genannt. Der erste dieser Zeugen ist Johannes der Täufer (Jo 1, 6 ff.;
15—37). Der wesentliche Inhalt seines Zeugnisses lautet: „Siehe, das
Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt. Dieser ist es,
von dem ich sagte: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir da ist,
weil er eher war als ich... Der mich gesandt hat zu taufen im Was-
ser, sprach zu mir: Über wen du den Geist herabkommen und weilen
siehst, der ist es, der im Heiligen Geiste tauft. Und ich habe es ge-
sehen und bin Zeuge dafür geworden, daß dieser der Sohn Gottes ist“
(Jo 1, 29 f. 33f.). Christus stammt nach diesem Zeugnis von oben,
während Johannes selbst von der Erde kommt (Jo 3, 31 f.). Selbst Niko-
demus nennt ihn den Lehrer, der von Gott gekommen ist (Jo 3, 2; vgl.
3, 17). Die ersten Jünger, Andreas und Philippus, bekennen sich zu
ihm als dem Messias und Gottessohn (Jo 1, 41. 45). Auf das erste Wun-
der in Kana hin, dem sich seine Herrlichkeit offenbarte, „gewannen
seine Jünger Glauben an ihn“ (Jo 2, 11). Die treu gebliebenen Jünger
legten nach der Rede vom Himmelsbrot das Bekenntnis ab: „Herr,
zu wem sollen wir gehen? Du hast die Worte des ewigen Lebens,
S 152 Die johanneischen Schriften 313

und wir haben geglaubt und erkannt, daß du der Heilige Gottes bist“
(Jo, 6, 98 f.). Die Speisung der Fünftausend führte die Leute, die das
Wunder sahen, zu dem Bekenntnis: „Das ist wahrhaft der Prophet,
der in die Welt kommen soll“ (Jo 6, 14). Der Blindgeborene wurde von
Christus nach seiner Heilung gefragt: „Glaubst du an den Sohn Got-
tes?“ Er gab die Antwort: „Ich glaube, Herr“, und warf sich vor ihm
nieder (Jo 9, 35—88). Martha, die Schwester des Lazarus, legte vor
der Auferweckung ihres Bruders das Zeugnis ab: „Ich glaube, daß du
bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, der in die Welt ge-
kommen ist“ (Jo 11,27). Auf die Auferweckung des Lazarus hin gaben
ihm viele Zeugnis (Jo 12,17). Auch außerhalb des eigentlichen Missions-
gebietes Christi regte sich der Glaube an ihn. Die Samaritaner sagten,
nachdem sich Jesus zwei Tage bei ihnen aufgehalten hatte, zu dem
Weibe, mit dem Jesus das Gespräch am Jakobsbrunnen geführt hatte:
„Nicht mehr deiner Worte wegen glauben wir; wir selbst haben ge-
hört und wissen, daß dieser wahrhaftig der Heiland der Welt ist“
(Jo 4, 42). Als letzter Christuszeuge tritt der Apostel Thomas auf. Vor
dem Auferstandenen bricht der überwundene Zweifler in das an-
betende „mein Herr und mein Gott“ aus (Jo 20, 28).
Aber auch die Gegner Jesu haben seinen Sohnesanspruch gehört
und richtig gedeutet. „Sie verfolgen ihn nicht nur, weil er den Sabbat
schändete, sondern noch mehr, weil er Gott seinen eigenen Vater
nannte und sich selbst zu Gott gemacht hat“ (Jo 5, 18; 10, 33). Das ist
die Lästerung. Darum muß er sterben (Jo 10, 39). Auch die Juden er-
warten einen Messias, der aus dem Geheimnis kommt (Jo 7, 27), aber
niemals einen, der die Schranke zwischen Schöpfer und Geschöpf
aufhebt (E. Gaugler, Das Christuszeugnis des Johannesevangeliums,
in: Jesus Christus im Zeugnis der Heiligen Schrift und der Kirche,
München 1936, 46 f.). Wider Willen sind auch die ungläubigen Juden
zu Zeugen Jesu geworden, indem sie den Anspruch Jesu, der Sohn
Gottes zu sein, bestätigten und als den Grund ihrer Anklage vor
Pilatus offen angaben: „Wir haben ein Gesetz, und nach diesem Ge-
setze muß er sterben, weil er sich zum Sohne Gottes gemacht hat“
(Jo 19, 7) (siehe A. Ehrhard, Urkirche und Frühkatholizismus, Bonn
1935, 110—115).
314 Christus der wahre Gottessohn § 152

C. Die Bestätigung durch Gott


Das Selbstzeugnis des Sohnes empfängt seine Bestätigung vom
Vater im Himmel. Die Werke, die der Vater zu vollbringen ihm ge-
geben hat, legen Zeugnis für ihn ab. In ihnen zeugt der Vater selbst
für seinen Sohn. Sieben Machttaten wählt Johannes aus, welche Zei-
chen der göttlichen Würde Christi sind und sein Wort besiegeln (Ver-
wandlung des Wassers in Kana: 2, 1—11; Heilung des Knechtes des
königlichen Beamten: 4, 46—54; Heilung des Mannes am Bethesda-
teich: 5, 1—15; Speisung der Fünftausend: 6, 1—15; das Meerwandeln:
6, 16—21; Heilung des Blindgeborenen: 9, 1—41; Auferweckung des
Lazarus: 11, 1—46). Von ihnen gilt das gleiche, was bei den von den
Synoptikern berichteten Wundern gesagt wurde (Jo 5, 10 ff.; 9, 3 ff.;
14, 10 ff.). Er wird darinnen in steigender Verdeutlichung offenbar
als schöpferischer Verwandler, als Licht und Leben der Welt, als Be-
sieger des Todes. „Jesus schafft tatsächlich Augenlicht, Brot, physi-
sches Leben ..., aber das sind Zeichen, die dem Sehenden seine über-
weltliche Herrlichkeit und Macht offenbaren. Der Sohn rettet die
Seinen aus der Welt des Uneigentlichen, der Finsternis, des Hungers
und Durstes, des Todes in die Welt des wesenhaften Seins, in seine
Gemeinschaft, in die Lebenseinheit mit Gott“ (E. Stauffer, in: Kittel,
Theol. Wörterbuch zum NT II, Stuttgart 1934, 348).

Zusammenfassend läßt sich sagen: Sowohl durch die Selbstaus-


sagen Jesu als auch durch die Glaubensantwort der Jünger wird Chri-
stus als der wahre Sohn Gottes bezeugt. Die Aussagen, die sich darauf
beziehen, haben metaphysischen Tiefgang. Sie sind Seinsprädikate.
In ihnen wird nicht nur eine heilsgeschichtliche Funktion beschrieben,
sondern bezeugt, was Jesus ist. Darauf bauen sich die Aussagen über
sein Tun auf. Er, der präexistente Logos und Sohn, ist in der Zeit,
in der er Fleisch wurde, der Offenbarer Gottes und das Lamm, welches
die Sünden der Welt hinwegnimmt. Da er der Offenbarer Gottes ist,
das zum Zwecke der göttlichen Selbsterschließung in die menschliche
Geschichte hineingesprochene ewige Wort Gottes, ist er Offenbarer
nicht durch sein Wort, sondern auch durch seine Erscheinung und
sein Tun. Man muß daher ihn selbst verstehen, wenn man seine
Funktion als Offenbarer verstehen will. Die Offenbarung Gottes ge-
schieht in seiner Selbstoffenbarung. Darauf weisen die vielen Ich-
Aussagen hin, in denen sich Jesus das Licht, das Leben, den Weg
usw., nennt. Die Selbstoffenbarung Jesu, in der sich Gott offenbart,
hat zum Ziele das Heil. Wer an ihn glaubt, besitzt das ewige Leben.
S 152 Die johanneischen Schriften 315

Wer nicht an ihn glaubt, bleibt unter dem Gerichte. Das ewige Leben
besteht darin, daß die Menschen ihn erkennen und denjenigen, der
ihn gesandt hat, den Vater. Um für die zum Heil Bestimmten der
Weg in die Herrlichkeit werden zu können, ist er selbst im Fleische
gekommen, ja Fleisch geworden. Er geht wieder ein in die Herrlich-
keit und öffnet denen, die an ihn glauben, den Weg dahin.

II. Die Johannes-Apokalypse


Johannes ist auch der Verfasser des letzten Buches der Bibel,
der Apokalypse. Diese ist ein Trostbuch, das Gott der Kirche in den
Drangsalen der Verfolgung unter Kaiser Domitian schenkte. In dem
Buch werden die Hintergründe der menschlichen Geschichte aufge-
hellt. Mag es auch scheinen, als ob es in ihr nur um die einander
feindselig begegnenden Macht- und Besitzansprüche der Menschen
ginge, in Wirklichkeit wird der Kampf zwischen Gut und Böse aus-
getragen. Mag Gott schweigen, mag es aussehen, als ob er schwach
wäre, ja als ob er nicht da wäre, er wird einmal als Sieger hervor-
treten. Das wird nicht so geschehen, daß er in der Stunde der höch-
sten Not wunderbar eingreift und alles zum Guten wendet. Die Mächte
des Bösen werden sich am Weltende austoben dürfen gegen die
Guten. Aber ihr Sieg wird nur ein vorläufiger sein. Er ist nur eine
Prüfung für die Guten. Dahinter aber kommt die Herrlichkeit. Sie
liegt jenseits des Todes. Der Trost der Johannes-Apokalypse liegt also
in der Verheißung, die über den Tod hinausführt.
„Über den Tod hinaus — dadurch unterscheidet sich der Gottestrost vom Mär-
chen. In diesem kommen geheimnisvolle Hilfen, und wunderbare Eingriffe ereignen
sich. Der Trost Gottes hingegen stellt zwischen das Jetzt und den Augenblick, da
das Dasein richtig gemacht wird, den Tod. Das ist sein Ernst: ein Ernst, dem nur
der Glaube genügt. Glaube bedeutet keine Umdichtung des Daseins. Die Geschichte
geht ihren Gang. Das große Anders- und Eigentlichwerden vollzieht sich erst, wenn
alles Irdische sich ausgewirkt hat und zu Ende geführt ist. Dann, wenn er ausge-
harrt hat, wird der Glaube Recht bekommen: ein göttlich strahlendes Recht. So
ausbrechend an Macht, daß die Apokalypse sich nicht scheut, neben das innige Wort
»Trost«, neben die Herrlichkeitsworte »Freude, Licht, Herrschaft, Schönheit« auch
das furchtbare Wort »Rache« zu stellen: Gerächt wird alles Unrecht werden, das
geschehen ist, und Gott wird die Rache vollziehen: genau und vollständig“ (R. Guar-
dini, Das Bild von Jesus dem Christus im Neuen Testament, Würzburg 1936, 94;
ferner: Derselbe, Das Bild von Jesus dem Menschen im Neuen Testament, Freiburg
1953).

Diesen Trost spricht der Heilige Geist durch den Jünger Johannes
in großen Visionen aus. Johannes schreibt in der Entrückung. Er ist
316 Christus der wahre Gottessohn § 152

hinausgehoben über die Schranken von Raum und Zeit, das Neben-
einander und Nacheinander der Dinge. Sie sind ineinander und mit-
einander. Die Geschehnisse umschlingen und durchdringen sich. Was
gesagt wird, ist im Kerne dies: Christus ist das Lamm, das geschlach-
tet ist und dennoch lebt und herrscht, der Herr, der Sieger, der Rich-
ter, der Vollender, der Sinn der Geschichte. Über dem wildbewegten
Meer des Hasses, der Lästerung, des Unglaubens wird er sich erheben
als der, der war, ist und sein wird. In vielen Titeln und Akklamationen
wird Christus dargestellt.
„Ich sah sieben goldene Leuchter und inmitten der Leuchter die Gestalt eines
Menschensohnes. Er trug einen wallenden Mantel und um die Brust einen goldenen
Gürtel. Sein Haupt und seine Haare waren weiß wie schneeweiße Wolken, seine
Augen wie Feuerflammen, seine Füße wie in der Esse geglühtes Erz, seine Stimme
wie das Rauschen gewaltiger Wasser. In seiner Rechten hielt er sieben Sterne. Aus
seinem Munde fuhr ein zweischneidiges Schwert. Sein Antlitz strahlte wie die Sonne
in ihrer vollen Kraft. Bei seinem Anblick fiel ich wie tot zu seinen Füßen nieder.
Doch er legte seine Rechte auf mich und sprach: Fürchte dich nicht. Ich bin der
Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot. Aber siehe, ich lebe in alle
Ewigkeit. Ich habe die Schlüssel zu Tod und Unterwelt“ (Offb, 13—19).

Christus ist der Herrliche, der machtvoll Herrschende. Er wirkt


die Geschichte, auch wenn sie selbst nichts davon weiß. Alle Geschöpfe
sind nach der Johannesapokalypse seine Werkzeuge. Alle Ereignisse
und Geschehnisse dienen seinem Willen.
„Ich sah in der Rechten dessen, der auf dem Throne saß, ein Buch, innen und
außen beschrieben und mit sieben Siegeln versiegelt. Und ich sah einen mächtigen
Engel, der rief mit lauter Stimme: Wer ist würdig, das Buch zu öffnen und seine
Siegel zu lösen? Doch niemand im Himmel und auf Erden und unter der Erde ver-
mochte das Buch zu öffnen und Einblick zu nehmen. Da weinte ich sehr, daß nie-
mand würdig befunden wurde, das Buch zu öffnen und Einblick zu nehmen. Einer
der Ältesten sprach zu mir: Weine nicht! Siehe, gesiegt hat der Löwe aus dem
Stamme Juda, der Sproß Davids. Er wird das Buch und seine sieben Siegel öffnen.
Da sah ich mitten vor dem Throne und den vier Wesen und mitten vor den Ältesten
ein Lamm dastehen wie geschlachtet. Es hatte sieben Hörner und sieben Augen:
das sind die sieben Geister Gottes, die über die Erde ausgesandt sind. Es trat heran
und nahm das Buch aus der Rechten dessen, der auf dem Throne saß. Sobald es
das Buch genommen hatte, warfen sich die vier Wesen und die vierundzwanzig
Ältesten vor dem Lamme nieder. Jeder hatte seine Harfe und goldene Schalen voll
Weihrauch: das sind die Gebete der Heiligen. Sie sangen ein neues Lied: Würdig
bist du, Herr, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen. Denn du bist ge-
schlachtet worden und hast uns durch dein Blut losgekauft für Gott aus allen
Stämmen und Sprachen, Völkern und Nationen. Du hast sie für unsern Gott zu
Königen und Priestern gemacht, und sie werden auf der Erde herrschen. Wie ich
hinsah, vernahm ich rings um den Thron, um die Wesen und die Ältesten die
Stimmen vieler Engel. Ihre Zahl ging in die Tausende und Abertausende. Sie
sangen
mit lauter Stimme: Das Lamm, das geschlachtet wurde, ist würdig, zu
empfangen
S 152 Die johanneischen Schriften 317

Macht, Reichtum, Weisheit, Kraft, Ehre, Preis und Lob. Und alle Geschöpfe im
Himmel, auf Erden, unter der Erde und auf dem Meere, alles, was darin ist, hörte
ich singen: Dem, der auf dem Throne sitzt, dem Lamme, gebührt Lob, Ehre, Ruhm
und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Die vier Wesen sprachen: Amen, und die
vierundzwanzig Ältesten fielen nieder und beteten an (den, der da lebt von Ewigkeit
zu Ewigkeit)“ (5, 1—14).
„Dieses Buch ist der Sinn des Daseins, der Sinn des Geschehens, das künftige
Schicksal, die letzten Dinge. Daß es nicht geöffnet werden kann: daß wir nicht
wissen, warum alles ist und wozu, was Gott damit meint und wie alles ausgehen
wird — das ist die Not der Versiegeltheit, Darin muß ausgehalten werden. Einmal
aber kommt das Lamm und öffnet das Buch. Christus ist der Herr über den Sinn,
denn er ist aus Liebe für uns in den Tod gegangen. In ihm liegt die Antwort, nicht
in einer Lehre. Wie er das Buch öffnet, fallen alle auf ihr Angesicht nieder und
sagen ihm Lob, denn es ist eine göttliche Tat. Vorhin war er der Waltende, hier der
Herr über den Sinn“ (R. Guardini, Das Bild von Jesus dem Christus im NT, Würz-
burg 1936, 92).
Die Hörner sind Sinnbild seiner Macht, die Augen Sinnbild seines Wissens. Er
ist es, der die Ernte der menschlichen Geschichte hält am Tage, den Gott bestimmt
hat. „Ich schaute, und siehe, eine weiße Wolke und auf der Wolke saß einer, der
glich einem Menschensohn. Auf seinem Haupte trug er eine goldene Krone und in
seiner Hand eine scharfe Sichel. Ein anderer Engel trat aus dem Tempel und rief
mit lauter Stimme dem zu, der auf der Wolke saß: Leg deine Sichel an und ernte!
Denn die Erntestunde ist da, die Frucht der Erde ist reif geworden. Und der auf
der Wolke saß, schwang seine Sichel über die Erde hin, und die Erde wurde abge-
erntet“ (14, 14ff.). Mit den Zeichen göttlicher Majestät und Macht zieht er in den
Kampf, in dem der Satan endgültig besiegt wird und Gottes Herrlichkeit in leuch-
tendem Glanze für immer emporsteigt. „Ich sah den Himmel offen, und siehe, da
war ein weißes Roß. Der auf ihm saß, heißt der Treue und Wahrhaftige. Er richtet
und kämpft in Gerechtigkeit. Seine Augen leuchten wie Feuerflammen. Auf seinem
Haupte trägt er viele Kronen und einen Namen darauf geschrieben, den niemand
kennt als er allein. Er ist bekleidet mit einem blutgetränkten Gewande. Sein Name
ist Wort Gottes. Die himmlischen Heerscharen folgen ihm in glänzend weißem
Linnen auf weißen Rossen. Aus seinem Munde geht ein scharfes Schwert hervor,
auf daß er damit die Völker schlage. Er wird sie regieren mit eisernem Zepter und
die Weinkelter des Glutweins des Zornes Gottes des Allmächtigen treten. Auf seinem
Gewande steht in Hüfthöhe der Name geschrieben: König der Könige, Herr der
Herrscher“ (19, 11—16).
In dem Siege und Gerichte über das Böse bringt Christus die Ge-
schichte zur Vollendung. Er führt den Neuen Himmel und die Neue
Erde herauf. Was Johannes in der Vision geschaut, wird von der
Gemeinde, über welche die Tage der Heimsuchung hereingebrochen
sind, sehnsüchtig erwartet. Sie betet: Komm, Herr Jesus. Bis er
kommt, soll die Gnade des Herrn Jesus (Christus), so schließt Jo-
hannes, mit allen Heiligen sein (22, 21; vgl. M. Schmaus, Von den
Letzten Dingen, Münster 1948. Derselbe, Katholische Dogmatik, Bd.
IV 2, München 1959).
318 Christus der wahre Gottessohn § 152

Fünftes Kapitel
Das Zeugnis der Auferstehung
Die Aussagen Christi über sich selbst und deren göttliche Be-
stätigungen durch Wunder und Machttaten werden überstrahlt von
einem Christuszeugnis, das alle anderen in sich zusammenfaßt und
überbietet, von dem Zeugnis seiner Auferweckung von den Toten. Wir
haben über sie verschiedene Berichte. Sie wird bezeugt durch Paulus
(1 Kor 15, 3ff.), durch die Apostelgeschichte (1, 22; 2, 22ff.; 10, 34 ff.;
13, 29ff.) und durch die vier Evangelisten. Der wichtigste und älteste
Bericht ist jener des heiligen Paulus. Er stammt aus dem Jahre 57
und ist ein Zeugnis dafür, daß Paulus auch schon zu Anfang der
fünfziger Jahre bei seiner Missionstätigkeit in Korinth die Auferste-
hung gepredigt hat. Nach Gal 2,1 darf man annehmen, daß Christus
dem Paulus in den Jahren 34—36 erschienen ist. Damals erfuhr
Paulus in dem Gespräch mit Petrus, was er im ersten Korintherbrief
berichtet, daß Christus vielen erschienen sei. Das Zeugnis des ersten
Korintherbriefs führt also in die Mitte der dreißiger Jahre zurück,
in eine Zeit, die nahe an den Tod Jesu heranreichte Da verdient
der Bericht der Apostelgeschichte (2, 14—36), daß die Urkirche schon
von ihrer Geburtsstunde, nämlich vom ersten Pfingstfest an, also nicht
ganz zwei Monate nach dem Tode Jesu, seine Auferstehung verkündet
habe, vollen Glauben. Die Evangelien erklären, wie der Glaube an
Christus, den Auferstandenen, entstanden ist. Er ist hervorgegangen
aus seltsamen Erfahrungen, die die Jünger wider alles Erwarten am
Sonntag nach dem Tode Jesu und dann öfter machten: Sie fanden
das Grab leer. Christus erschien ihnen, sprach und aß oft mit ihnen.
Sie berührten ihn. Paulus versichert, daß es sich um ein Hauptstück
der überlieferten Lehre handelt. Das Hauptgewicht liegt auf den Er-
scheinungen.
Alle Versuche, die Auferstehungsberichte zu entwerten (Betrugs-
hypothese, Scheintodhypothese, Mythenhypothese, Visionshypothese)
scheitern an dem Wortlaut der Berichte, an der Zuverlässigkeit und
dem Charakter der Zeugen. Die Kritiken gehen nicht hervor aus histo-
risch-exegetischen Überlegungen, sondern aus weltanschaulichen, sei es
naturalistischen, sei es rationalistischen Voreingenommenheiten. Die
Unstimmigkeiten zwischen den Berichten betreffen fast nur belang-
lose Nebensächlichkeiten. Sie sind zu erklären aus der literarischen
Art der Evangelien (vgl. $ 145) und aus dem verwirrenden Eindruck,
welchen die Erzählung von der Auferstehung auf die Apostel machte.
S 152 Das Zeugnis der Auferstehung 319

Für die Echtheit der Berichte spricht auch ihre Kürze und Knappheit.
Der Anschauung, daß die Apostel Opfer von Sinnestäuschungen wur-
den, widersprechen die Tatsachen, daß das Grab geöffnet und leer
war, daß gerade der Anblick des leeren Grabes die Apostel mehr ent-
mutigte als ermutigte, daß sie dem Berichte der Frauen über das leere
Grab nicht trauten, daß sie nicht mit der Auferstehung rechneten,
sondern mit dem Tode Christi alle ihre Hoffnungen erstorben waren,
daß sie selbst dann noch zweifelten, als ihnen der Auferstandene er-
schien. Insbesondere fehlt bei Paulus hierfür jede seelische Voraus-
setzung, da er Christus bis zum Augenblicke seiner Bekehrung eifrig
verfolgte. Für die Wirklichkeit der Auferstehung spricht auch die
völlige und dauernde Wandlung der Anschauungen und Gesinnungen,
welche die Erscheinung Christi bei den Aposteln herbeiführte (vgl.
§ 145 und 160; siehe ferner W. Tr. Hahn, Das Mitsterben und Mit-
auferstehen mit Christus bei Paulus, Gütersloh 1937. K. Adam, Jesus
Christus, Düsseldorf 19498, 202 ff.).

Beschluß

Zur Würdigung des Schriftzeugnisses für Christus ist auch noch


zu bedenken: Das Bild Christi ist trotz der ungeheuren Gegensätze
einheitlich. Die Gestalt Christi ist trotz größter Spannungen geschlos-
sen. In dieser Einheit bei unfaßlicher Fülle ist sie ohnegleichen. Ver-
wandte Einzelzüge mag man auch bei anderen „Heilandsgestalten“
des Altertums feststellen können. Nirgends finden wir jedoch eine
Christus vergleichbare Gesamitgestalt. Da auch die Einzelzüge ihr Ge-
präge vom Ganzen bekommen, wie eine Farbe oder eine Linie aus
dem ganzen Gemälde, so sind im Grunde genommen auch sie un-
vergleichlich.
Mag das Schriftzeugnis noch so klar und deutlich sein: Wer das
Eingehen Gottes in die Welt, die Einigung des Logos mit einer
menschlichen Natur aus bestimmten religiös-philosophischen Voraus-
setzungen von vorneherein für unmöglich hält, wird das neutestament-
liche Christuszeugnis als legendär ablehnen, weil es nach seiner Mei-
nung Unmögliches berichtet. Nur derjenige, welcher in der Überzeu-
gung von der Existenz eines persönlichen, in der Geschichte handeln-
den Gottes für jeden Anruf Gottes bereit ist, ist imstande, das neu-
testamentliche Christuszeugnis so ernst zu nehmen, wie es genommen
werden muß.
320 Christus der wahre Gottessohn § 152

Zweiter Artikel

Die Gottheit Christi bei den Vätern

Für den Glauben in der Väterzeit sei auf das in $ 146 Gesagte
verwiesen. Nur folgendes sei noch angefügt. In der nachapostolischen
Zeit ist die häufigste und tiefste Bezeichnung für Christus das Wort
„Herr“. Man kann das Wort nicht als eine Entlehnung aus dem Sprach-
schatz der heidnisch-religiösen Vereine oder des römischen Kaiser-
kultes erklären. Die Christen standen zu diesen Erscheinungen in so
starkem Widerspruch, daß sie ihnen nicht gerade ihre wichtigsten
Lehren entnahmen. Das Wort „Herr“ hat sich innerhalb der christ-
lichen Gemeinden ohne Anstoß von außen für Christus durchgesetzt.
Es war der Ausdruck des an Christus entzündeten Glaubens (siehe
ES 148).
„Es wird (dabei) nicht zu bestreiten sein, daß der Christ der nachapostolischen
Zeit, vom »Herrn«, von »seinem Herrn« sprechend, unmittelbar der allenthalben
ihm begegnenden heidnischen Verwendung des erhabenen Namens lebhaft eingedenk
ist und so bei deutlichstem Wissen um die Illegitimität und Sträflichkeit der außer-
halb der Gemeinde vorkommenden Verleihung dieses Würdetitels dem Gegner das
ihm nicht rechtmäßig Gehörende gleichsam entreißt, um nun seinerseits erst recht
emphatisch vom zs Herrn: vom »Heiland«, vom »Herrn und Gott« zu reden“
(A. Gilg, Weg und Bedeutung der altkirchlichen Christologie, in: Jesus Christus
im Zeugnis der Heiligen Schrift und der Kirche, München 1936, 95).

Derjenige, welcher im Fleische gekommen ist, gelitten hat, ge-


storben ist, ist der Herr, der „ganz auf die Seite Gottes Gehörende,
ganz in die göttliche Sphäre Gerückte“. Man soll über Jesus Christus
denken wie über Gott, wie vom Richter über Lebende und Tote (Zwei-
ter Brief des Klemens an die Korinther, Kap. 1,1; BKV 295). „Die
aus dem Bericht des jüngeren Plinius bekannten Christen Bithyniens
tun nichts Absonderliches, wenn sie, in der Morgenfrühe zur gottes-
dienstlichen Feier vereinigt, »Christus wie einen Gott verehren«. So
geziemt es sich; so ist es die Regel. Wer von ihm gering denkt, sündigt.
Er ermißt die Größe der von Jesus verliehenen Gabe nicht; er bedenkt
nicht, wieviel heiligen Dank er ihm schuldet. In Wahrheit ist Christus
der Spender des Lichtes, er schenkt die Erkenntnis Gottes. Er hat,
die als Gläubige nun in die Kirche eingegliedert sind, wie ein Vater
als Kinder angesprochen, er hat sie gerettet, er hat sie aus dem Nicht-
sein zum Sein berufen“ (A. Gilg, a.a. O., 96, in Auslegung des sog.
zweiten Klemensbriefes, Kap. 1 und 2). Was Pseudo-Klemens hier
von Christus sagt, sagt er in Kapitel 9 und 10 von Gott dem Vater.
S 152 Die Gottheit Christi bei den Vätern 321

Nach dem Barnabas-Brief ist Christus der Herr der ganzen


Welt, der Richter der Welt (5, 5; 5, 7; 4, 12). Ignatius nennt
Christus immer wieder Gott. Er spricht von „meinem Gott“, von
„unserm Gott“ (Römerbrief, Überschrift; Epheserbrief, ebenso). Von
ihm allein erwartet er alles.
An die Römer schreibt er: „Es ist schön, von der Welt unterzugehen zu Gott,
damit ich bei ihm auferstehe. ... Erflehet mir nur Kraft nach innen und nach
außen, damit ich nicht nur rede, sondern auch wolle, damit ich nicht nur Christ
heiße, sondern auch als solchen mich erweise. Wenn ich nämlich (als solcher) er-
funder werde, dann kann ich auch so genannt werden, und dann kann ich getreu
sein, wenn ich für die Welt nicht mehr zu sehen bin. Nichts ist gut, was (hier)
sichtbar ist. Denn unser Gott Jesus Christus erscheint viel herrlicher, seitdem er
wieder beim Vater ist. Das Christentum ist nicht das Werk der Überredung, sondern
der (inneren) Größe, solange es von der Welt gehaßt wird. ... Mir werden nichts
nützen die Enden der Erde noch die Königreiche dieser Welt. Für mich ist es
besser, durch den Tod zu Christus Jesus zu kommen, als König zu sein über die
Grenzen der Erde. Ihn suche ich, der für uns gestorben ist; ihn will ich, der unseret-
wegen auferstanden ist. Mir steht die Geburt bevor. Verzeihet mir, Brüder; hindert
mich nicht, das Leben zu gewinnen, wollet nicht meinen Tod, gönnet mich, da ich
Gottes eigen sein will, nicht der Welt und täuschet (mich) nicht mit Irdischem;
lasset mich reines Licht empfangen. Wenn ich dort angelangt bin, werde ich ein
Mensch sein. Gönnet mir ein Nachahmer zu sein des Leidens meines Gottes. Wenn
ihn jemand in sich hat, so bedenke er, was ich will, und leide mit mir, da er meine
Bedrängnis kennt“ (Kap. 2, 2—Kap. 6).

Christus ist vor aller Zeit beim Vater gewesen (Brief an die Magn.
Kap. 6, 1), ohne mit dem Vater identisch zu sein. Die Apologeten
suchen die Eigenart Christi mit dem Begriff Logos zu erklären. Es ist
ihnen freilich nicht immer gelungen, ihren Glauben an die Gottheit
Christi philosophisch so zu durchdringen, daß alle Vorstellungen einer
Unterordnung Christi unter den Vater ferne blieben. Sie reden gelegent-
lich von einem „zweiten“ Gott. Aber ihre Absicht ist völlig eindeutig.
„Sie wollen in ihrer Situation, einer vielfach verworrenen und für sie
wie die gesamte Kirche sehr bedrohlichen Situation, so wie sie es ver-
stehen, aus allen Kräften das in Jesus Christus Geschehene als die
göttliche, sieghafte und weltüberwindende Tat und Wahrheit preisen.
Auch ihr Auge hängt an Jesus, dem im Fleisch gekommenen. Wäre
er ihnen nicht — Wunder über alle Wunder — der Herr, so würde
der Logosbegriff für sie allenfalls bedeuten, was er Tausenden be-
deutet und auch ihnen in ihrer vorchristlichen Vergangenheit, da sie
als Popularphilosophen und wandernde Lehrer aufgetreten, bedeutet
haben mag. Er hätte für sie nicht die Wucht des Unerhörten und den
Sinn des schlechthin Entscheidungsvollen. Aber nun der hochherr-

21 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


32323 Die Weise Christus zu verehren: Die Anbetung Christi S 153

liche Name Jesus auf ihren Lippen und in ihren Herzen ist, wird ihnen
der Begriff zur Parole und zum Kennzeichen des Glaubens“ (A. Gilg,
asa. O: 113):

$ 153
Die Weise Christus zu verehren: Die Anbetung Christi

Erstes Kapitel

Der kirchliche Glaube

Im Zusammenhang mit der arianischen Leugnung der Gottheit


Christi und der nestorianischen Zerreißung des einen gottmensch-
lichen Christus in zwei Personen, eine göttliche und eine menschliche,
ist die Frage aufgetaucht, wie wir der in der Kraft des Gottessohnes
existierenden menschlichen Natur, also dem Menschen Jesus Christus
begegnen sollen. Während der Arianer Christus bloß als einen großen
und heiligen Menschen verehren kann, unterscheidet der Nestorianer:
Vor dem in Christus wohnenden Gottessohn beugt er seine Knie (Phil
2, 10 f.), dem Menschen Jesus begegnet er mit der Ehrfurcht, die
einem Heiligen gebührt. In dem monophysitischen Gegenstoß gegen
den Nestorianismus wurde eine Verwandlung der menschlichen Natur
in die göttliche gelehrt. Dieser verwandelten Natur gebührt natur-
gemäß als solcher Anbetung. Gegenüber solchen Übertreibungen und
Unterschätzungen des Menschlichen in Christus ist es Glaubenssatz:
Der ganze Christus ist als eine einzige Wirklichkeit zu verehren,
und zwar mit der Verehrung der Anbetung.
Der Glaubenssatz wurde ausgesprochen vom Ephesinum (431)
D. 120 und vom zweiten Konzil von Konstantinopel (553) D. 221 (siehe
auch die Bulle Auctorem fidei D. 1561).
Zum Verständnis dieses Glaubenssatzes ist darauf hinzuweisen,
daß die Verehrung immer dem personalen Selbst gilt. Die Haltung
der Verehrung und Ehrfurcht gibt es nur in der Begegnung von Ich
und Du. Sie geschieht im personalen Bereich. Im strengen Sinne wird
nicht eine Sache, sondern nur eine Person verehrt. Das Selbst Christi
nun ist die Person des Gottessohnes. Diese ist das Ich auch seiner
menschlichen Natur. Unsere Begegung mit dem Menschen Christus
ist also eine Begegnung mit dem Ich des Gottessohnes. Daher müssen
wir dem Menschen Jesus jene Verehrung entgegenbringen, welche
wir dem Sohne Gottes zollen, d. h. die Anbetung (vgl. §§ 75 f.). Die
$ 153 Die Schrift 323

menschliche Natur wird dabei nicht um ihrer selbst willen angebetet,


sondern um ihrer personhaften Einigung mit dem Sohne Gottes willen.
Sie ist so innig mit ihm verbunden, daß wir sie aus der Anbetung,
mit der wir ihm begegnen, nicht ausschließen können. Von der An-
betung, mit der wir den Sohn Gottes verehren, wird auch die Natur,
die mit ihm zu einer einzigen, unlöslichen Wirklichkeit verbunden
ist, mitbetroffen. Sie ist in die Anbetung Gottes hineingenommen. Der
Blick des Anbetenden ist auf das göttliche Du gerichtet, aber er um-
fängt dieses eben in seiner ganzen Wirklichkeit. Man kann mit scho-
lastischen Ausdrücken sagen: Das Materialobjekt (Gegenstand) der
Anbetung ist der ganze Christus. Das Formalobjekt (der Grund) der
Anbetung ist die Gottheit des Logos.

Zweites Kapitel

Die Schrift

In der Schrift tritt die Anbetung Christi nicht stark hervor. Aber
sie wird doch deutlich bezeugt. Von Anfang an betete man durch Chri-
stus zum Vater. Wie uns Gott durch unseren Herrn Jesus Christus
den Sieg verliehen hat (Röm 8, 31—39), wie er uns durch den Tod
seines Sohnes mit sich versöhnt hat (Röm 5, 9ff.), so haben wir
durch Christus Zutritt zum Vater (Eph 2, 18), er ist der Weg zu Gott
(Jo 14, 5f.). Christus kommt also im christlichen Gebet immer vor,
nämlich als Mittler. Paulus dankt seinem Gott durch Jesus Christus,
weil der Glaube der Römer in der ganzen Welt gerühmt wird (Röm
1, 8). Er dankt Gott durch Jesus Christus für die Erlösung vom tod-
bringenden Leibe (Röm 7, 24f.). Durch Jesus Christus zollt er Preis
und Ehre dem allein weisen Gott (Röm 16, 27). Ebenso fordert er die
Kolosser auf: „Dankbaren Herzens singt Gott Psalmen, Lobgesänge
und geistliche Lieder. Was immer ihr tun mögt in Wort oder Werk,
das tut alles im Namen des Herrn Jesus Christus. Durch ihn danket
Gott dem Vater“ (Kol 3, 16 f.). „Durch ihn erklingt unser Amen, Gott
zum Lob“ (2 Kor 2, 20). Ähnlich schreibt er den Ephesern: „Stimmt
miteinander Psalmen an, Lobgesänge und geistliche Lieder. Singt und
spielt dem Herrn in euren Herzen. Dankt Gott dem Vater allezeit für
alles im Namen unseres Herrn Jesus Christus“ (Eph 5, 19f.). Im feier-
lichen Gebete wendet sich die Gemeinde an den Vater, den Schöpfer
Himmels und der Erde, und bittet ihn, er möge seine Hand aus-
strecken, „daß Heilungen, Zeichen und Wunder geschehen durch den

21*
324 Die Weise Christus zu verehren: Die Anbetung Christi § 153

Namen seines heiligen Knechtes Jesus“ (Apg 4, 24—30). Petrus fordert


seine Leser auf: „Wer die Redegabe hat, trage Gottes Wort vor. Wer
ein Amt hat, verwandle es mit der Kraft, die Gott verleiht. So soll in
allem Gott verherrlicht werden durch Jesus Christus. Ihm gebührt
Herrlichkeit und Macht in alle Ewigkeit“ (1 Petr 4, 11). Aus diesen
Stellen ergibt sich, daß das feierliche Gebet der Urgemeinde, aber
auch das private an den Vater selbst gerichtet wird. Das Gebet ist
jedoch „vom Gedanken an Jesus, vom Bewußtsein der Verbunden-
heit mit ihm durchlebt und getragen“. Es geschieht in Gemeinschaft
mit Christus (Röm 8, 12—17). „Zu Jesus bekennt sich die Urgemeinde
in der Taufe, sein Todesgedächtnis feiert sie beim Brotbrechen,
sein Kommen erfleht sie im Gemeindegebet — immer ist es Jesus,
um den ihr Gedenken schwingt, aber das Ziel ihres Betens mit Jesus,
durch Jesus ist Gott der Herr“ (K. Adam, Christus unser Bruder,
88 f.; vgl. R. Grosche, Der Wandel der Christusfrömmigkeit, in:
Akademische Bon. Korresp. 1936, 77 f.). In ihrem gläubigen Bewußt-
sein war Christus vor allem der hohepriesterliche Mittler, der für-
bittend für die Seinen eintritt, dessen Opfer sie befähigt, mit Zuver-
sicht zum Throne der Gnade hinzuzutreten (Hebr 4, 16; 7, 25; 8, 1).
Da indes Vater und Sohn eines sind im Wirken, so erhört auch
der Sohn die Gebete, die in seinem Namen, d. h. in Gemeinschaft mit
ihm an den Vater gerichtet werden. Der Vater hat ja dem Sohne sein
Wirken verliehen, damit alle dem Sohne die gleiche Ehre erweisen
wie dem Vater (Jo 5, 23). Man kann daher auch den Sohn bitten, wie
man den Vater bittet: „Alles, um was ihr dann (nach der Rückkehr
Christi zum Vater) den Vater in meinem Namen bittet, will ich tun,
damit der Vater im Sohne verherrlicht wird. Wenn ihr mich in meinem
Namen um etwas bittet, so werde ich es tun“ (Jo 14, 13 f.). So betete
denn auch Stephanus in der Stunde des blutigen Zeugnisses für Chri-
stus zum Herrn: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!“ Er sank in
die Knie und rief mit lauter Stimme: „Herr, rechne ihnen diese Sünde
nicht an“ (Apg 7, 59 f.). Paulus betet dreimal zu Christus, daß er ihn
von dem Satansengel befreie, der ihn mit Fäusten schlägt (2 Kor 12, 8).
Die Christen sind die, welche den Namen Jesus anrufen (Apg 9, 14).
Nicht nur Bittgebete werden an Jesus gerichtet, sondern auch Lob-
gebete (Offb 5, 12ff.; 7, 10). Im Namen Jesu sollen sich die Knie
aller Geschöpfe beugen (Phil 2, 10 f.), so wie sie sich vor dem Vater
beugen (Eph 3, 14 f.). Anbeten sollen ihn alle Engel Gottes (Hebr 1, 6).
Anbetend fielen vor ihm die Apostel nieder, als er vor ihren Augen
in den Himmel auffuhr (Lk 24, 52).
$ 153 Die Schrift 325

Dabei gilt: „Unser Verhältnis zu Christus ist nicht so sehr das eines be-
wußten Gegenüberstehens, das sich in geprägten Gebetsworten aussprechen müßte,
als das des Festhaltens, des wortlosen Festgeklammertseins. Christus ist nicht so
Mittler, daß unser Beten immer zuerst auf ihn stoßen, daß die Gebetsbewegung bei
ihm haltmachen müßte, sondern umgekehrt: wenn unser Beten als »Erhebung des
Geistes zu Gott« seinen Weg sucht, da wissen wir uns emporgehoben und empor-
getragen von ihm, in ihm haben wir ja Zutritt zum Vater (Röm 5, 2; Eph 2, 18),
da findet unsere zagende Stimme Resonanz in der Stimme, mit der er für uns alle
zum Vater redet. Aber freilich, wo wir uns dieses Verhältnisses selig bewußt werden,
da muß dieses Bewußtsein auch zu Worten und Formen drängen, die das aus-
sprechen. Diese Formen werden auch Formen eigentlicher Gebetsrede sein, aber
vielleicht in noch höherem Maße Formen des betrachtenden Verweilens und des
Jubelnden Singens. Im Hymnus, im Gesang also wird sich zu einem großen Teil die
Christusfrömmigkeit ausbreiten, ähnlich wie auch die bildende Kunst berufen ist,
uns Person und Werk des Herrn in mannigfachen Bildern und Symbolen nahezu-
bringen“ (J. A. Jungmann, Die Frohbotschaft und unsere Glaubensverkündigung,
Regensburg 1936, 207).
Solche Formen der eigentlichen Gebetsanrede sind etwa die Verehrung des
kostbaren Blutes, der fünf Wunden und die von der christlichen Frömmigkeit
heute vor allem gepflegte Herz-Jesu-Verehrung. In der letzteren wird das leibliche
Herz Jesu mit dem ganzen menschlichen Innenleben Christi verehrt. Daß das Herz
Jesu angebetet werden kann, ist darin begründet, daß es ein Bestandteil der mensch-
lichen Natur ist, deren Ich der Gottessohn ist. (Für die Schriftlehre über die Be-
deutung des Herzens siehe das $ 130 Gesagte.) Das Herz ist gewissermaßen die leben-
dige Mitte des Menschen, in welcher Geist und Leib sich treffen und verbinden
(R. Guardini, Vom christlichen Bewußtsein, Leipzig 1935, 175). Es ist das Werkzeug
der Liebe, in welcher sich das Ich verschenkt. Im Herzen besitzt daher das Ich sich
selbst als Gabe für andere: Tatsächlich wird denn auch in der Schrift das Wort
Herz zur Bezeichnung des menschlichen Ich gebraucht. So wird die Verehrung des
Herzens Jesu zur Verehrung der die menschliche Natur tragenden göttlichen Person,
deren Liebe sich im Herzen kundgibt. Der Gläubige begegnet also in dieser An-
dacht dem in der Liebe bis zum letzten (Jo 13, 1) sich hinschenkenden und opfern-
den Erlöser. Wenn man diese Sprechweise der Schrift beachtet, werden die An-
rufungen des Herzens Jesu zu Anrufungen Christi. Dazu paßt die Tatsache, daß in
der kirchlichen Liturgie (Gebet nach der Kommunion) nicht das Herz Jesu, sondern
der „Herr Jesus“ angerufen wird. Im übrigen bleibt die römische Liturgie auch
hier der altchristlichen Gebetsweise treu: Die Gebete in den Meßtexten zum Herz-
Jesu-Fest werden durch unseren Herrn Jesus Christus an den Vater gerichtet,
welcher auf die unsagbare Liebe seines Sohnes hinsehen möge, wo er uns doch in
dem für uns verwundeten Herzen seines Sohnes unermeßliche Liebe geschenkt hat.
Entstanden ist die Herz-Jesu-Verehrung im Mittelalter. Im Anschluß an Jo 19, 34
wurde sie von Bernhard von Clairvaux, Mechthild, Gertrud die Große, Bonaventura
u.a. gepflegt. Ihre weite Verbreitung und allgemeine Einführung wurde veranlaßt
durch die Privatoffenbarungen der Margaretha Alacoque (vgl. $ 28). So haben ver-
schiedene Zeitepochen zu ihrem Werden beigetragen, zu ihrer Entstehung mehr die
germanische, zu ihrer Ausgestaltung mehr die romanische.
326 Die Weise Christus zu verehren: Die Anbetung Christi S 153

Drittes Kapitel
Die Struktur des christlichen Kultes

Trotz dieser Stellen bleibt bestehen, daß für das altchristliche


Glaubensbewußtsein und den Glaubensvollzug Christus vor allem der
Mittler ist, durch den wir Zutritt haben zum Vater (Eph 2, 18). Bis
zum 4. Jahrhundert wurden die liturgischen Gebete durch Christus
im Heiligen Geiste an den Vater gerichtet. Von da an begann in der
Gegenwehr gegen den Arianismus eine tiefgreifende Umwandlung der
Liturgie. Die Gebete wurden von jetzt an nicht mehr durch den Sohn
an den Vater gerichtet, sondern an den Vater und an den Sohn. Eine
Ausnahme machte die römische Liturgie. In ihr blieb im allgemeinen
das altchristliche „durch Christus unsern Herrn“ erhalten. Das litur-
gische Gebet ist Vorbild für jedes andere. Aber auch die römische
Liturgie verbietet nicht, Christus selbst anzubeten. Man kann nämlich
in dem ganzen mit den Worten „per Christum in Spiritu Sancto ad
Patrem“ umschriebenen Komplex das „per Christum“ nach seinem
tieferen Sinn und Grund befragen und gewinnt dabei das Ergebnis,
daß Christus deshalb zum Vater vermitteln kann, weil er immer als
der wesensgleiche Sohn beim Vater ist.
Wenngleich es selbstverständlich ist, so sei doch noch folgendes
hervorgehoben: Es wäre eine Mißdeutung der Lehräußerungen der
Kirchenversammlung in Ephesus und der zweiten Kirchenversamm-
lung in Konstantinopel, wenn man in ihnen eine Verpflichtung zur
Anbetung der menschlichen Natur Christi in dem Sinne sähe, daß
man nicht mehr zum Vater durch Christus beten sollte. Es sollten
bloß die aus falschen christologischen Anschauungen sich ergebenden
irrigen Frömmigkeitsformen unterdrückt werden.
S 154 Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen 327

Dritte Abteilung
Das Werk Christi

§ 154
Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen

Erstes Kapitel

Die Tatsache der Mittlerschaft Christi

Christus ist geschichtliche Wirklichkeit. Er lebte in einer an-


gebbaren Zeit innerhalb unserer Zeit. Er ist sogar die Angel, in wel-
cher die Zeiten befestigt sind und sich drehen. Sein Leben ist wie
jedes geschichtliche Ereignis einmalig und unwiederholbar. Aber dieses
Leben sprengt nun doch wieder jede Geschichte. Denn in seinem
geschichtlichen Verlauf, in dem Nacheinander seiner Begebenheiten
vollzog sich das Mysterium, das Geheimnis unseres Heiles. Durch das
Leben Christi verwirklichte Gott seinen Heilsplan. Er hatte ihn seit
Ewigkeiten gefaßt und führte ihn in Christus aus. Bis Christus kam,
war dieses Mysterium verhüllt. Bis dahin war es zwar ein verheißenes,
aber doch zugleich ein verborgenes Gottesgeheimnis. In Christus Jesus
aber ist es offenbar geworden (Röm 16, 25). Da wurde die geheimnis-
volle Tatsache kundgetan, daß Gott sich aller erbarmen will (Röm
11, 25). Was bis dahin verborgenes Gottesgeheimnis war, ist daher
seit der Menschwerdung Christusgeheimnis (Kol 2, 2 f.). Paulus weiß
sich als seinen Verkündiger. Es ist eine Botschaft der Freude und
der Kraft (Eph 1, 3—12). Sein Inhalt, um dessentwillen Gott der Vater
unseres Herrn Jesus Christus gepriesen sei, ist dieser: „Er hat uns in
Christus mit allem geistlichen Segen im Himmel gesegnet. Schon vor
Erschaffung der Welt hat er uns in ihm auserwählt, daß wir heilig
und untadelig vor ihm seien. Aus Liebe hat er uns nach seinem freien
Willensentschluß durch Jesus Christus zu seinen Kindern vorherbe-
stimmt — zum Preis der Herrlichkeit seiner Gnade, die er uns so
reichlich geschenkt hat in seinem geliebten Sohne. In ihm besitzen
wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden dank
dem Reichtum seiner Gnade, die er samt aller Weisheit und Einsicht
auf uns überströmen ließ. Er tat uns das Geheimnis seines Willens
kund. Dahin ging nämlich der Ratschluß, den er gefaßt hatte, um ihn
in der Fülle der Zeiten auszuführen: Alles im Himmel und auf Erden
328 Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen S 154

in Christus als dem Haupte zusammenzufassen. In ihm sind wir zu


Erben berufen. Dazu wurden wir vorherbestimmt nach dem Plane
dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluß seines Willens. Nun sollen
wir zum Lobe seiner Herrlichkeit dienen, die wir schon längst unsere
Hoffnung auf Christus gesetzt haben“ (Eph 1, 3—12).
Das Christusmysterium, in dem sich das ewige Gottesgeheimnis
unseres Heiles verwirklicht, ist das Geheimnis unserer Herrlichkeit.
Diese Herrlichkeit stammt nicht von der Erde. Nur der Herr kann
sie geben. Sie ist geboren aus den Tiefen seiner Weisheit, wo sie vor
aller Zeit schon beschlossen war (2 Kor 2, 7 ff.), um in der Zeit aus-
geführt zu werden. Die letzte und unverhüllte Offenbarung des gött-
lichen Heilsgeheimnisses steht noch aus. Aber sie wird kommen. Die
in der Zeit geschehene Verwirklichung des ewigen göttlichen Heils-
geheimnisses hat eschatologischen Charakter. Seine endgültige Form
wird es gewinnen bei der zweiten Ankunft Christi am Ende der Tage
in der Auferstehung von den Toten. Dann wird unser jetziges vergäng-
liches Dasein verwandelt in das jeder Vergänglichkeit und Hinfällig-
keit entzogene Leben in verklärter Leiblichkeit (1 Kor 15, 51). Dieses
Leben meinen wir, wenn wir vom Heile sprechen. (Vgl. G. Söhngen,
Der Wesensaufbau des Mysteriums, Bonn 1938, 9—27. J. Stiesch,
Die biblische Vorgeschichte des kirchlichen Heilsbegriffs, in: Catholica
7, 1938, 10—36. J. Pinsk, Die sakramentale Welt, Bonn 1938, 14.)
In Christus ist das Geheimnis unseres Heils verwirklicht, weil
und insofern er der menschgewordene Gottessohn ist. Der mensch-
gewordene, mit der Schwäche des menschlichen Leibes bekleidete
Logos ist das Werkzeug, ja darüber hinaus geradezu die Verwirk-
lichung, die Erscheinung des göttlichen Heilsplanes. Er selbst ist daher
unser Heil. Des Heiles teilhaftig werden, bedeutet Anteil gewinnen
an Christus, an der Lebensform, die durch ihn in der menschlichen
Geschichte verwirklicht wurde und für alle in seinem durch Kreuz,
Auferstehung und Verklärung zur Vollendung gekommenen Leben
vorgebildet ist, an der unvergänglichen Existenzweise und am Lebens-
reichtum Christi. Christus ist der Weg zum Heile. Er ist Mittler und
Bürge jener unvergänglichen Daseinsweise. Er ist es, weil er Gott
und Mensch ist, weil in ihm die menschliche Natur wieder heimgeholt
ist zu Gott, dem Quell des unvergänglichen Lebens. In ihm ist das
Leben Gottes selbst in die menschliche Natur eingeströmt. Damit
wurde eine neue, bis zur Menschwerdung des Sohnes Gottes nicht vor-
handene Daseinsweise und Lebensform begründet. Niemand anderer
verwirklicht sie als Christus. Wer ihrer teilhaftig werden will, muß
8 154 Der Mittler im NT 329

daher in Gemeinschaft treten mit ihm. Durch Christus kann er aus


der vergänglichen Daseinsweise dieser Erde befreit und in das un-
vergängliche Leben Gottes hineingezogen werden. Christus schlägt
die Brücke zwischen Erde und Himmel, zwischen Mensch und Gott.
Ja, er ist nicht bloß der Brückenbauer, sondern die Brücke selbst.
Sie muß betreten, wer über den Abgrund, der Gott und Welt, der den
heiligen Gott und die durch die Sünde unter die Herrschaft des Todes
geratene Menschheit trennt, hinüberkommen will. Er ist, weil er
menschliche und göttliche Natur in sich vereinigt, die personale Mitte
zwischen Gott und Mensch. Daher gilt der Glaubenssatz:
Jesus Christus ist der Mittler, und zwar der einzige Mittler zwi-
schen Gott und Mensch. (Siehe den Dogmatischen Brief Leos I; ferner
das Dekret für die Jakobiten D. 711, das Konzil von Trient 5. Sitzung,
3. Kanon D. 790.)

Zweites Kapitel

Der Mittler im Alten Testament

Das Alte Testament und das Neue Testament bezeugen die grund-
legende Bedeutung des Mittlertums Christi. Zugleich kommt durch das
Schriftzeugnis die wesentliche Verschiedenheit des Mittlertums Christi
und aller außerchristlichen Mittler klar zum Ausdruck.
Das Wort „Mittler“ bedeutet im hellenistischen Sprachgebrauch
soviel wie Vertrauensmann, Schiedsrichter, Bürge, Garant für die
Einhaltung einer getroffenen Vereinbarung; Unterhändler, Vermittler.
Außerhalb der Bibel tragen die Mittlerideen und Mittlergestalten
kosmisch-soteriologisches Gepräge. Im Parsismus, im Gnostizismus,
im Manichäismus und in der mandäischen Religion stellen die Mittler-
mächte das kosmische Gleichgewicht zwischen den die Welt dualistisch
trennenden und aufbauenden Wirklichkeiten und Kräften Licht und
Finsternis, Tag und Nacht, Materie und Geist, Leib und Seele her.
Insbesondere ist Mithras in der parsistischen Vorstellung der Erhalter
des kosmischen Gleichgewichtes, der Schiedsrichter zwischen den
gegeneinander stürmenden kosmischen Gewalten. Eine mehrfach an-
zutreffende Idee ist jene vom Urmenschen. Er erscheint als Gott-
mensch, der in pantheisierender oder pantheistischer Weise Göttliches
und Menschliches in einer ontischen Vermischung in sich trägt und
Erlöser und Erlöster zugleich ist. Vielfach erweisen sich die außer-
biblischen Mittlervorstellungen als ein Gemisch von uralten Mensch-
heitsideen und christlichen Lehren.
330 Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen & 154

Die Bibel kennt keine kosmischen, von Gott verschiedenen bzw.


irgendwie mit ihm identischen Mittler. Gott schafft und formt die
Welt ohne Mühe und Kampf, durch sein bloßes Wort. Wenn es im
Alten Testament heißt, daß Gott durch seinen Engel (Maleach), durch
seinen Geist (Ruach), durch seine Weisheit (Chochma) sich offenbart,
dann sind das keine von ihm verschiedenen Mittlergestalten, sondern
drei Aspekte des einen, der Welt sich zuwendenden Gottes, in denen
wie in einem Vorentwurf der neutestamentliche Mittler dargestellt
wird.
Die irdischen Mittler, die das AT bezeugt, werden von Gott er-
wählt und aufgestellt. Sie sind die Amtsträger Gottes und haben in
seinem Auftrag den Menschen den Willen Gottes zu verkünden. Auf
Grund ihrer göttlichen Erwählung sind sie befähigt und berufen,
auch die Menschen bei Gott zu vertreten. Eine solche Mittlerfunktion
schreibt das AT den Königen, den Priestern und den Propheten zu.
Diese drei Amtsträger erscheinen im AT mehr und mehr als Vorläufer
dessen, der ihr dreifaches Amt in sich vereinigt und zu seiner höch-
sten Erfüllung führt, so daß, was der König, der Priester und der
Prophet jeweils meinen, in ihm seine klare und vollendete Gestalt ge-
wonnen hat.
Das Mittlertum Christi fand im AT seine bedeutendste vorläufe-
rische Ausprägung in der historischen Gestalt des Moses und im Bilde
des Gottesknechtes.
Moses ist Organisator ohne eigentliche politische Macht, Volks-
führer ohne kriegerische Gewalt, Ordner des Gottesdienstes ohne
priesterlichen Charakter, Begründer und Vermittler neuer Gottes-
erkenntnis ohne die Legitimation durch prophetische Weissagungen,
Wundertäter, der doch weit über dem Gebiet des bloß Magischen steht
(W. Eichrodt, Theologie des AT, Leipzig 1957, I, 151; prot.). In dieser
Eigenart ist er der von Gott selbst bestimmte Mittler zwischen ihm
und dem Volke, das Gott erwählt hat. Er ist der beauftragte Wort-
führer Gottes. Er hat als der Gesandte Gottes das Volk aus der Knecht-
schaft der Ägypter zu befreien. Er tritt in einzigartiger Weise in
Tätigkeit bei der Gesetzgebung am Sinai (Ex 19, 3—23, 19; 24, 1—28;
Dt 5, 5—30). Er allein kann Jahwe ertragen. Er hat seinen Standort
zwischen Gott und dem Volk; er nimmt Gottes Weisungen entgegen
und gibt sie an das Volk weiter. Die priesterlichen Satzungen werden
durchweg als Gebote an Moses überliefert. Auf der anderen Seite be-
gehrt das Volk ausdrücklich, daß Moses Jahwes Wort in Empfang
nehme, in Gottes Namen zu ihm rede und für es bei Gott eintrete
S 154 Der Mittler im NT 331

(Ex 20, 19; Num 21, 7; Dt 5, 24; 18, 16). Das Volk schreit zu Moses,
und dieser betet zu Jahwe (Num 17, 27 f.). In der Fürbitte kommt die
Mittlerstellung des Moses besonders wirksam zum Ausdruck (Ex 32,
11 ff.; 33, 12ff.). Wenn es auch andere Fürbitter gibt, so wird die
Sonderstellung des Moses doch vielfach nachdrücklich betont. Mit
Moses redet Gott persönlich, von Angesicht zu Angesicht (Ex 33, 11;
Dt 34, 10). Ja, Moses wird im Deuteronomium als leidender Mittler
bezeugt. Er betet und fastet vierzig Tage für das abgöttische Volk
(Dt 9, 8f.). Er ringt mit Gott (Dt 9, 23—29). Sein Tod außerhalb des
Verheißungslandes ist stellvertretendes Leiden (Dt 3, 23—28).
Die Gottesknechtslieder im zweiten Teil des Isaias (siehe $ 140)
bekunden ein großes Sendungsbewußtsein, in dem der Gottesknecht
sich nicht bloß an Israel, sondern an alle Völker gewiesen weiß, ihnen
durch die Verkündigung Licht und Recht zu bringen, sie berichten
ferner von gewaltigen inneren Kämpfen, die sich fast zur Verzweif-
lung steigern, von äußeren Anfechtungen, die bis zu Mißhandlungen
schwerster Art gehen. Der Gottesknecht stößt bei den politischen
Machthabern auf Mißtrauen und Widerstand. Er wird verhaftet und
gepeinigt. Ein schimpflicher Tod scheint sicher zu sein. Aber er bleibt
standhaft. Er erträgt das Leid als stellvertretendes Eintreten für die
Sünden des Volkes. Der Mittlergedanke hat hier im Alten Bunde seine
letzte Tiefe erreicht. In Christus wird sich verwirklichen, was in den
Gottesknechtsliedern verkündet ist.
Was Plato vom Gerechten sagt (Respublica II 361 e), kann nicht
als gleichwertige Parallele zu dem Gottesknecht des Isaias bezeichnet
werden.
Bei Plato heißt es: „Wenn es um den Gerechten so steht (d. h.
wenn er nichts Unrechtes tut, aber den Schein der Ungerechtigkeit
hat, weil sonst seine Gerechtigkeit nicht wirklich bewährt wäre), wird
er gepeitscht, gefoltert, in Ketten geschlagen, die Augen werden ihm
ausgebrannt, und am Ende wird er nach allen Qualen gekreuzigt.“
Nach dem Zusammenhang, in welchem diese Worte stehen, sind sie
nur eine dialektische Untersuchung dessen, worin die Gerechtigkeit
sich bewährt. Das Leiden wird rein begrifflich postuliert. Es soll
gezeigt werden, welche Bewährungsproben man im äußersten Falle
vom Gerechten erwarten muß. Nicht soll eine geschichtliche Gestalt
geschildert oder verheißen werden. Vor allem ist nicht von einem
mittlerischen Eintreten des Gerechten für die Ungerechten die Rede.
So ist die Plato-Stelle nur eine ferne und vage Ahnung der in der
Schrift bezeugten Wirklichkeit.
332 Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen § 154

Drittes Kapitel

Der Mittler im Neuen Testament

Im Neuen Testament treffen wir das Wort Mittler Gal 3, 19f.;


1 Tim 2, 5f.; Hebr 8, 6. Die Sache ist jedoch in allen neutestament-
lichen Schriften eingehend und durchweg bezeugt. Der Mittlergedanke
war Christus selbst nicht fremd und wurde nicht erst von der Ur-
gemeinde erfunden und auf Christus übertragen. Wenn auch Christus
das Wort Mittler nicht von sich gebraucht, so weiß er sich doch als
den Vollender alles dessen, was nach dem Zeugnis des Alten Testa-
ment Aufgabe des von Gott erwählten und gesandten Mittlers ist. Die
Hauptform seines Mittlerbewußtseins ist seine Überzeugung, Men-
schensohn und Gottessohn und zugleich Gottesknecht zu sein. Als
Menschensohn hat er Macht über die Menschheit, ja über die Schöp-
fung. Als Gottesknecht gibt er sein Leben als Lösegeld für die Vielen
(Mk 10,45). Von der Hingabe an seine Person hängt das ewige Schick-
sal der Menschen ab. Er ist der Weltenrichter und der Heilbringer.
Die vielfältigen Versuche der sogenannten kritischen Forschung, das
Mittlerbewußtsein Jesu als ungeschichtlich zu erweisen, scheitern an
dem Wortlaut und an dem Kontext der es bezeugenden neutestament-
lichen Stellen (siehe z.B. C. Hoskyns, Das Rätsel des Neuen Testa-
ments, Deutsche Ausgabe 1938). Angesichts des unfaßbaren Bewußt-
seins Jesu, daß in ihm Himmel und Erde verbunden sind und sich
an ihm das Schicksal der ganzen Welt und aller Einzelmenschen ent-
scheidet, kann man, soviel Irriges mitläuft, recht verstanden, mit
einigen Abstrichen sagen: „Das chaotische Durcheinander in den Be-
richten hätte darauf führen müssen, daß hier die vulkanische Natur
eines unermeßlichen Selbstbewußtseins, nicht irgendwelche Nachläs-
sigkeit in der Überlieferung die Freignisse durcheinander geworfen
hat“ (A. Schweitzer, Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Tübingen
1951°, 391).
Richtiger ist folgende Erklärung:
„Die oft geäußerte Vermutung, daß erst die Urgemeinde aus
ihrem Glauben heraus das Bild des Mittlers Jesus, wie es die Evan-
gelien entwerfen, geschaffen habe, scheitert schon an der bei aller
Schlichtheit meisterhaften Schilderung, die so nur der Wirklichkeit
nachgebildet sein kann, noch mehr aber an der Kürze der zur Ver-
fügung stehenden Zeit. Im Buddhismus und Islam haben Jahrhun-
derte dazu gehört, um aus dem menschlichen Religionsstifter den
Halbgott werden zu lassen. Im Glauben der Urgemeinde, den wir
8 154 Der Mittler im NT 333

nach der Apostelgeschichte und den Briefen des Paulus sehr wohl zu
erkennen vermögen, lebt von Anfang an der durch die Auferweckung
zu himmlischer Herrlichkeit erhöhte Herr, dessen Ankunft zur Auf-
richtung der Gottesherrschaft mit Sehnsucht erwartet wird. Die Ent-
stehung des Christentums wäre völlig unerklärlich, wenn das Erden-
leben Jesu von dem Leben eines beliebigen Lehrers oder Propheten
sich nicht grundsätzlich unterschieden und erst die Urgemeinde ihm
die heilsmittlerische Bedeutung beigelegt hätte“ (A. Oepke, in: Kittel,
Theol. Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1942, IV 625 f.
Vgl. Mussner, Leben-Jesu-Forschung, in: Lex. f. Theologie u. Kirche,
VI, Freiburg 1961?, 859—864).
Nach Paulus kann der Mensch nur in der Gemeinschaft mit
Christus des Heiles teilhaftig werden. Die Taufe verleiht Teilnahme
am Tode und an der Auferstehung Christi und gewährt so die Ver-
bindung mit dem entscheidenden mittlerischen Tun Christi. In der
Parallele Adam-Christus veranschaulicht der Apostel die Bedeutung
Christi für die menschliche Geschichte. Wie Adam der Mittler des
Unheils ist, so ist Christus der Mittler göttlichen Lebens (Bom 5, 12 ff.;
1 Kor 15, 45 ff.). Selbst wenn für den sprachlichen Ausdruck dieser
Parallele der Mythus vom Urmenschen einen Beitrag geliefert hat,
unterscheidet sich die paulinische Lehre von der mythischen grund-
legend. Denn bei Paulus fehlt die für den Mythus charakteristische
pantheistische Vermengung von Gott und Mensch völlig. Die Erlösung
besteht bei ihm nicht darin, daß der Mensch sich auf das Göttliche
in seiner eigenen Brust besinnt, sondern darin, daß der von der Welt
verschiedene persönliche Gott aus seiner Verborgenheit heraustritt,
den Menschen ergreift und in gnädigem Erbarmen aus seiner Ver-
lorenheit rettet. Nicht der zeitlose Himmelsmensch ist der Mittler,
sondern der in die Geschichte eingegangene Gottessohn.
Im ersten Timotheusbrief leitet der Apostel aus der Einzigkeit
Gottes die Unbeschränktheit seines Heilswillens ab. Sein Heilswille
verwirklicht sich in Christus, in dessen Selbsthingabe bis in den Tod.
Einen anderen Mittler als ihn gibt es nicht. „Es gibt nur einen Gott
und einen Mittler zwischen Gott und den Menschen, den Menschen
Jesus Christus. Er gab sich selbst als Lösegeld für alle hin: zur rechten
Zeit ein Zeugnis“ (1 Tim 2, 5f.).
Im Hebräerbrief heißt es: „Jetzt aber hat er (der Hohepriester
Christus) einen besonders ausgezeichneten Dienst erlangt in dem Maße,
wie er eines besseren Bundes Mittler ist, der auf bessere Verheißungen
aufgebaut ist“ (Hebr 8, 6. Für die schwierige, das Wort Mittler ver-
334 Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen S 154

wendende Stelle Gal 3, 19 f. vgl. etwa die Erklärung von O. Kuss. Die
Briefe an die Römer, Korinther und Galater, Regensburg 1940, 268 f.
Siehe ferner O. Kuss. Der Brief an die Hebräer, Regensburg 1953).
Paulus schreibt Christus zwar auch kosmische Mittlerstellung zu.
In ihm wird das All zusammengehalten (Kol 1, 19; Eph 1, 10) und
zum Frieden gebracht (Kol 1, 20). Er ist der Erstgeborene der Schöp-
fung (Kol 1, 15 f.). Am Ende wird er vom ganzen Kosmos verherrlicht
(Kol 3, 4). Aber auch hierin unterscheidet er sich wesentlich von allen
außerbiblischen Mittlermächten, und zwar durch seine Freiheit von
allen pantheistischen Zügen, durch seine geschichtliche Wirklichkeit
und Wirksamkeit und durch die Überlegenheit des Geschichtlichen
über das Kosmische, sofern das Heil durch geschichtliche Ereignisse,
nicht durch kosmische Vorgänge gewirkt wird, und das heilswirksame
geschichtliche Handeln auch entscheidende Heilsbedeutung hat für den
Kosmos (Bom 8, 19—23).
Auch Johannes stellt allen, die sich als Führer zu Gott anbieten,
den einen entgegen, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist
(Jo 14, 6; vgl. 5, 43; 10, 8). Niemand kommt zum Vater wenn nicht
durch ihn. Er ist die Türe, die in die Unzugänglichkeit Gottes führt.
Demjenigen, der nicht durch sie eingeht, bleibt der Zugang versperrt
(Jo 10, 17; vgl. Offb 4, 1). Das mittlerische Eintreten gipfelt in der
Fürbitte (Jo 17; 1 Jo 2, 1) und im Sterben (Jo 10, 11; 12, 32; 17, 19).
Das Sterben Christi hat sühnende Bedeutung (1 Jo 1, 7; 2, 2). Wie
nach Paulus, so vollzieht Christus auch nach Johannes sein Mittleramt
als der Auferstandene und Verherrlichte in alle Ewigkeit. (Vgl. für das
Vorstehende A. Oepke, Artikel mesites, in: Kittel, Theol. Wörterbuch
zum Neuen Testament IV, Stuttgart 1942, 602/29 mit zahlreichen Lite-
raturangaben.)
Viertes Kapitel
Der Mittler bei den Vätern

Von den Vätern wird häufig ausgesprochen, daß Christus deshalb


Himmel und Erde wieder verbinden konnte, weil in ihm Himmel und
Erde vereint waren. Er war Gott und konnte die Welt daher zu Gott
heimführen und göttliches Leben in sie einsenken. Er war Mensch,
und so ist durch ihn die Menschheit aus der Verfallenheit befreit
worden.
Athanasius (Zweite Rede gegen die Arianer, Abschnitt 67—70; BKV I,
214—219): „In ihm ist das Menschengeschlecht vervollkommnet worden und wieder
so hergestellt worden, wie es im Anfang war, oder vielmehr mit noch größerer
Gnade. Denn wenn wir von den Toten auferstanden sind, fürchten wir den Tod
S 154 Der Mittler bei den Vätern 335

nicht mehr, sondern wir werden in Christus immer im Himmel herrschen. Das aber
ist geschehen, weil das eigene und aus dem Vater stammende Wort Gottes selbst
das Fleisch anzog und Mensch geworden ist... Wenn der Sohn ein Geschöpf ge-
wesen wäre, dann wäre der Mensch sterblich geblieben, weil ohne Verbindung mit
Gott. Denn ein Geschöpf konnte die Geschöpfe nicht mit Gott verbinden, da es
selbst nach dem Verbindenden sich umsehen mußte. Es kann auch nicht ein Teil
der Schöpfung das Heil werden für die Schöpfung, da auch dieser der Rettung be-
durfte. Um dies zu verhüten, sendet Gott seinen Sohn, und dieser wird Menschen-
sohn, indem er das geschaffene Fleisch annimmt, damit er, da ja alle dem Tode
unterworfen sind, verschieden von allen, selbst für alle seinen eigenen Leib dem
Tode preisgebe und nunmehr, da alle durch ihn gestorben sind, der Urteilsspruch
erfüllt würde — denn alle sind in Christus gestorben — und alle von nun an durch
ihn von der Sünde und ihrem Fluche frei würden und in Wahrheit nach ihrer Auf-
erstehung von den Toten immer blieben, auferstanden von den Toten und mit der
Unsterblichkeit und Unverweslichkeit bekleidet. ... Das wäre aber nicht geschehen,
wenn das Wort ein Geschöpf wäre. Denn mit einem Geschöpf wäre der Teufel, selbst
ein Geschöpf, immer im Kampfe gestanden, und der Mensch, der in der Mitte steht,
wäre immer von der Todesfurcht befangen, weil er niemand hätte, in dem und durch
den er mit Gott verbunden jegliche Furcht losgeworden wäre. Doch es zeigt die
Wahrheit, daß das Wort nicht zu den geschaffenen Dingen gehört, daß es vielmehr
deren Schöpfer ist. Denn so hat es auch den entstandenen und menschlichen Leib
angenommen, um als Schöpfer diesen zu erneuern, in sich zu vergöttlichen und so
uns alle nach seiner Ähnlichkeit in das Reich der Himmel einzuführen. Doch in
Verbindung mit einem Geschöpf wäre der Mensch wieder nicht vergöttlicht worden,
wenn der Sohn nicht wahrer Gott wäre. Auch wäre der Mensch nicht an die Seite
des Vaters getreten, wenn der, welcher den Leib anzog, nicht sein natürliches und
wahres Wort wäre. Wie wir von der Sünde und dem Fluche nicht befreit worden
wären, wenn das Fleisch, welches das Wort anzog, nicht von Natur das eines Men-
schen wäre — denn mit dem, was uns fremd ist, haben wir nichts gemein —, so
wäre der Mensch nicht vergöttlicht worden, wenn das fleischgewordene Wort nicht
seiner Natur nach vom Vater stammte und sein wahres und eigenes Wort wäre.“
„Wie der Herr mit der Annahme des Leibes Mensch geworden ist, so werden auch
wir Menschen vom Worte in seinem Fleische angenommen und vergöttlicht und
erben von nun an ewiges Leben“ (Dritte Rede gegen die Arianer, 34. Abschnitt; BKV
I, 290). Augustinus sagt im Gottesstaat (9. Buch, 15. Abschnitt; BKV II, 53 ff.):
„Wenn alle Menschen, solang sie sterblich sind, notwendig auch unselig sind...,
so muß man sich nach einem Mittelwesen umsehen, das nicht nur Mensch, sondern
auch Gott ist, damit die glückselige Sterblichkeit dieses Mittelwesens durch ihre
Dazwischenkunft die Menschen aus der sterblichen Unseligkeit zur seligen Unsterb-
lichkeit führe; ein solches Mittelwesen hatte es nicht nötig, weder sterblich zu
werden noch sterblich zu bleiben. Denn wenn es sterblich wurde, geschah es nicht
deshalb, weil die Gottheit des Wortes schwach geworden wäre, sondern weil es die
Schwachheit des Fleisches annahm; nicht aber blieb es sterblich in eben dem
Fleische, das es von den Toten erweckt hat; denn das ist die Frucht seiner Ver-
mittlung, daß auch die, derentwegen er Vermittler geworden ist, nicht im ewigen Tod
auch nur des Fleisches verbleiben sollten. Demnach mußte dem Mittler zwischen
uns und Gott einerseits eine vorübergehende Sterblichkeit, andererseits eine fort-
Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen S 154
336

Tod-
dauernde Glückseligkeit eignen, damit er sich durch das, was vorübergeht, den
Die
verfallenen angleiche und zu dem, was fortdauert, aus dem Tode hinüberführe.
guten Engel können also zwischen unseligen Sterblichen und seligen Unsterblichen
nicht Mittelwesen sein, weil auch sie sowohl selig als auch unsterblich sind; wohl

aber können solche Mittelwesen die bösen Engel sein, weil sie mit dem einen Teil
die Unsterblichkeit und mit dem andern die Unseligkeit gemein haben. Ihnen
steht gegenüber der gute Mittler, der im Gegensatz zu ihrer Unsterblichkeit und Un-
seligkeit einerseits vorübergehend sterblich sein wollte, andererseits in Ewigkeit
glückselig verharren konnte; und so hat er sie sowohl im Hochmut ihrer Unsterb-
lichkeit als auch in der Bosheit ihrer Unseligkeit bei dem Streben, durch Großtun
mit ihrer Unsterblichkeit zur Unseligkeit zu verführen, durch seine Erniedrigung im
Tode und durch seine Herablassung aus der Seligkeit zunichte gemacht in denen,
deren Herzen er durch seinen Glauben gereinigt und von ihrer unreinen Herrschaft
befreit hat. Wen soll also der sterbliche und unselige Mensch, in weitem Abstand
getrennt von den Unsterblichen und Seligen, als Mittelwesen erwählen, durch das er
mit der Ewigkeit und Glückseligkeit verbunden werden könnte? Was an den Dä-
monen anziehen könnte, ihre Unsterblichkeit, ist unselig; was bei Christus Anstoß
erregen könnte, seine Sterblichkeit, hat sein Ende erreicht. Auf der einen Seite also
ewigwährende Unseligkeit, vor der man sich zu hüten hat, auf der andern Seite der
Tod, den man aber nicht zu fürchten braucht, weil er sich nicht für die Dauer zu
behaupten vermochte, und ewigwährende Glückseligkeit, die man lieben muß. Der
unsterbliche und zugleich unselige Mittler bietet sich ja doch nur mit dem Erfolg an,
die Menschen nicht zu einer seligen Unsterblichkeit gelangen zu lassen, weil das
Hindernis einer solchen bestehen bleibt, nämlich eben die Unseligkeit. Dagegen bot
sich der sterbliche und glückselige Mittler mit dem Erfolg an, nach Ablauf der sterb-
lichen Frist einerseits aus den Gestorbenen Unsterbliche zu machen, eine Verwand-
lung, die er an sich selber in der Auferstehung vor Augen geführt hat, andererseits
aus Unseligen Glückselige, aus deren Reihen er selbst niemals herausgetreten ist. Es
ist also ein gewaltiger Unterschied zwischen einem bösen Mittler, der die Freunde
trennt, und dem guten Mittler, der die Feinde versöhnt. Und eine Menge von tren-
nenden Mittlern gibt es deshalb, weil die Menge die selig ist, durch Anteilnahme an
dem einzigen Gott glückselig wird; um diese Anteilnahme gekommen und dadurch
unselig geworden, erweist sich die Menge der bösen Engel, die sich der Erlangung
der Glückseligkeit als Hindernis entgegenstemmt, nicht als Hilfsmacht sich darbietet,
gewissermaßen auch eben durch ihre große Zahl hinderlich für die Erreichung des
einen beseligenden Gutes, da wir hierzu nicht einer Mehrheit von Mittlern, sondern
nur eines einzigen Mittlers bedurften, und zwar eben dessen, durch dessen Gemein-
schaft wir glückselig sein sollten, d. i. des Wortes Gottes, das nicht geworden ist,
und durch das alles geworden ist. Dieses ist jedoch nicht deshalb Mittler, weil es
das Wort ist; denn das im erhabensten Sinne unsterbliche und glückselige Wort
steht hoch über dem unseligen Sterblichen; sondern Mittler ist es dadurch, daß es
Mensch ist, indem es eben dadurch zu verstehen gab, daß man zu jenem nicht nur
glückseligen, sondern auch beseligenden Gute hin keine anderen Mittler aufzusuchen
brauche in der Meinung, sie müßten uns die Stufen dahin bahnen, da der glückselige
und beseligende Gott, unserer Menschheit teilhaftig geworden, den kürzesten Weg
zugänglich machte, seiner Gottheit teilhaftig zu werden. Denn seine Erlösung von
Tod und Unseligkeit hebt uns nicht zu den unsterblichen und seligen Engeln empor
§ 154 Mittler durch die Menschwerdung und durch das Leben 337

in dem Sinne, daß wir durch Gemeinschaft mit ihnen unsterblich und selig würden,
sondern zu jener Dreifaltigkeit, durch deren Gemeinschaft auch die Engel selig sind.
Also blieb er, da er, um Mittler zu sein, in Knechtsgestalt unter den Engeln stehen
wollte, in Gottesgestalt über den Engeln; in einer Person hier unten der Weg des
Lebens, dort oben das Leben.“ Leo der Große sagt in seiner siebenten Weih-
nachtspredigt (Predigt 27, Abschnitt 2; BKV I, 117): „Der Sohn Gottes ist .... (mit
dem menschlichen Fleische) so unzertrennlich verbunden worden, daß jener, der
vor der Zeit aus dem Wesen des Vaters gezeugt worden war, nunmehr auch in der
Zeit aus dem Mutterleibe der Jungfrau geboren wurde. Könnten wir ja sonst nicht
aus den Banden des ewigen Todes erlöst werden, wenn sich nicht der in dem Unsri-
gen erniedrigte, der in dem Seinigen allmächtig blieb. Indem also unser Herr Jesus
Christus als wahrer Mensch geboren wurde, ohne darum jemals aufzuhören, wahrer
Gott zu sein, machte er in seiner Person den Anfang mit einer neuen Schöpfung,
verlieh er dem Menschengeschlechte in dieser Art seiner Geburt einen geistigen Ur-
sprung. ... Wessen Verstand könnte dieses Geheimnis fassen, wessen Zunge diese
Gnade schildern? Die Sünde kehrt zurück zur Unschuld, und was alt war, wird
wieder neu. Fernstehende werden an Kindes Statt angenommen und Fremdlinge
treten das Erbe an. Aus Gottlosen werden Gerechte, aus Geizigen Mildtätige, aus
Unenthaltsamen Jünger der Keuschheit und aus jenen, die die Welt liebten, eifrige
Anhänger des Himmlischen. Worauf anders ist dieser wunderbare Umschwung
zurückzuführen als auf die Hand des Allerhöchsten? Ist doch der Sohn Gottes in die
Welt gekommen. »um die Werke des Teufels zu vernichten«; hat er sich doch in der
Weise mit uns und uns mit sich vereint, daß durch das Herniedersteigen der Gott-
heit zu uns Menschen der Mensch zu Göttlichem erhoben wurde.“

Fünftes Kapitel

Mittler durch die Menschwerdung und durch das Leben

Nach den Zeugnissen der Schrift und der Väter ist Christus Mitt-
ler, insofern er Gott und Mensch ist (Augustinus, Bekenntnisse,
10. Buch, 43. Kapitel). Der Sohn Gottes ist Mittler geworden durch
die Menschwerdung. Damit wurde er innerhalb der menschlichen Ge-
schichte, ja innerhalb der ganzen Schöpfung die Mitte, in der Gott
und Mensch zusammenkommen. Da wurde er der Stammvater eines
neuen Geschlechtes, so wie Adam der Stammvater des alten, der Sünde
verfallenen Geschlechtes war. Christus ist der zweite Adam, der An-
fang einer neuen Zeit. Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß ihr Ahn-
herr nicht nur aus der Erde gebildet ward, sondern vom Himmel
stammt. Deshalb sind die, welche von ihm herkommen, nicht mehr
irdisch, sondern himmlisch. Genauer gesagt: In ihnen durchdringt
sich beides. „Wie wir das Bild des irdischen an uns getragen haben,
werden wir auch das Bild des himmlischen an uns tragen“ (1 Kor
15, 49).

22 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


338 Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen S 154

Christus steht nicht als Vereinzelter und Vereinsamter in der


Welt, sondern als Haupt der ganzen Schöpfung. Im ersten Adam sah
Gott die ganze Menschheit (vgl. $ 135). Der Zusammenhang zwischen
dem zweiten Adam und der übrigen Schöpfung ist nicht loser. Er ist
im Gegenteil dadurch noch fester geknüpft, daß es der Logos war,
welcher die menschliche Natur zur personalen Einheit mit sich ver-
band. Im Logos, in seinem personalen Wort, hat der Vater alle Ge-
danken niedergelegt, in welchen er von jeher die Geschöpfe dachte.
In seinem personalen Worte sind die Schöpfergedanken gewisser-
maßen gestaltet geworden. In ihm hat sie der Vater ausgesprochen.
Mit ihm hat er sie besprochen (vgl. $ 103). Das Wort ist also die zu-
sammenfassende Gestaltung aller göttlichen Schöpfergedanken. Es
steht daher zu den Geschöpfen in einer ähnlichen Beziehung wie der
Einfall des Künstlers zu seinem Werk. Dieses Urwort und Urbild der
Schöpfung ist durch die Menschwerdung des Logos in der mensch-
lichen Geschichte gegenwärtig geworden. Die menschliche Natur Christi
selbst aber wurde aus jenen stofflichen Bestandteilen genommen, aus
denen alle Menschennaturen stammen, die letztlich von Adam her-
kommen. Adams Leiblichkeit selbst wieder ist Staub vom Staube
dieser Welt (Gn 2, 7). Sie steht mit der übrigen Schöpfung in Zu-
sammenhang. So ist also die menschliche Natur Christi durch ein
inniges Band mit der gesamten Menschheit und mit dem ganzen
übrigen Ordnungsgefüge der von Gott geschaffenen Welt verbunden.
Die Schrift nennt demnach Christus das Haupt der ganzen Schöpfung,
nicht bloß der Kirche (Kol 2, 10). In Christus ist die ganze Schöpfung
wie in ihrem Haupte zusammengefaßt (Eph 1, 10). Ja, sie hat in ihm
ihren Bestand (Kol 1, 17). Sie ist auf ihn hin erschaffen (Kol 1, 16).
Er ist ihr Erstgeborener (Röm 8, 29; Kol 1, 18. Siehe $ 103).
Infolge dieses innigen Zusammenhangs zwischen dem mensch-
gewordenen Gottessohn und der sonstigen Schöpfung konnte diese von
der Menschwerdung des Gottessohnes nicht unberührt bleiben. Wenn
ein Glied eines Ordnungsgefüges bewegt wird, dann wird das ganze
Gefüge bewegt. „Wenn man ein Tuch, dessen Enden nicht abzusehen
sind, an einer Stelle ergreift und hebt, so wird zwar diese eine Stelle
unmittelbar und am intensivsten erfaßt, aber auf Grund des Zusam-
menhanges mit ihr heben sich auch in entsprechendem Abstand die
letzten Enden dieses Tuches“ (J. Pinsk, Die sakramentale Welt, Frei-
burg i. Br. 1938, 21).
§ 154 Consecratio mundi 339

Sechstes Kapitel
Conseceratio mundi

In der Menschwerdung wird das göttliche Leben an menschliche,


geistig-leibliche Formen gebunden. Die menschliche Natur Christi
wird dadurch hinaufgehoben zur personalen Einheit mit dem gött-
lichen Logos. Infolge des Zusammenhanges mit dem ganzen Kosmos
wird auch dieser in irgendeiner Weise erhöht. Von Christus her fällt
ein Strahl auf die ganze Schöpfung. Sie wird geweiht und gesegnet.
Die Kirche drückt diese Tatsache dadurch aus, daß sie am Tage vor
dem Feste der Menschwerdung des Herrn, in der Weihnachtsvigil, in
ihrem Martyrologium verkündet: „Jesus Christus, ewiger Gott und
der Sohn des ewigen Vaters, wollte die Welt durch seine gnadenvolle
Ankunft heiligen.“ Durch die Ankunft Christi ist daher die ganze
Welt anders geworden, als sie vorher war. Es ist in sie ein Lebens-
keim eingesenkt worden, der nicht von der Erde stammt. Zur vollen
Entfaltung wird dieser Keim kommen am Ende der Tage bei der Um-
wandlung des Kosmos in den Zustand der Verklärung (Röm 8, 18—22).
Sie ist und bleibt durch Christus geweiht, auch wenn sie selbst es
nicht weiß oder sogar ablehnt. Das Band, das sich zwischen Christus
und der ganzen Schöpfung schlingt, wird gefestigt, gekräftigt und
heilswirksam, wenn jemand im Glauben Christus ergreift. Man könnte
die vorher schon gegebene Verbindung der Welt mit Christus eine
tote nennen, die durch Glaube und Taufe bewirkte eine lebendige.
(Näheres hierüber in der Lehre vom göttlichen Leben und von den
Sakramenten Bd. IV 1.)
Die Weihung des Kosmos (consecratio mundi) geschah durch
die Menschwerdung. Da wurde Christus der Mittler, Bürge und Voll-
strecker der Weltheiligung. Dieser Gedanke kehrt in der Theologie
der griechischen Väter häufig wieder (Rekapitulationstheorie; grund-
gelegt vor allem von Irenäus und Methodius, aber in irgend-
einer Form von allen griechischen Vätern vertreten). So sehr indes
die griechischen Väter die Menschwerdung als solche betonen, so wird
doch in ihrem Denken die Erlösungstat nicht überflüssig. Sie ver-
binden die statische mit der dynamischen Erlösungslehre. Die Mensch-
werdung, die der Sohn Gottes aus unermeßlicher Liebe vollzog, be-
greift die Bereitschaft in sich, das menschliche, unter dem Fluche der
Sünde stehende Schicksal auf sich zu nehmen und aufzuarbeiten. Dazu
gehört die Bereitschaft zu Leid und Tod. Die Menschwerdung ist die

22*
340 Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen S 154

Einleitung, aber noch nicht die Ausführung. In ihr ist der Weg zur
Erlösung eingeschlagen, aber noch nicht durchschritten. Das Mittler-
tum Christi ist also nichts Starres und Unbewegliches. Es wirkt sich
und drückt sich aus in seinem ganzen Leben. Sein ganzes Leben ist
der Vollzug seines Mittlertums. Nichts in seinem Leben steht außer-
halb seines Mittlertums, und sein Mittlertum vollzieht sich erst im
Verlaufe seines Lebens. Was immer er tut, ob er geht, steht, ißt,
leidet, trauert: er tut es als Mittler zwischen Gott und dem Menschen.
Immer ist es ja das in der menschlichen Natur existierende göttliche
Ich, welches geht, schläft, leidet, spricht, schweigt, fordert, droht,
tröstet, heilt. Das ganze Leben von der Geburt bis zum Tode bildet
die Verwirklichung des göttlichen Heilsplanes. Das Christusmysterium,
in welchem das Heilsmysterium geschieht, erfüllt das ganze geschicht-
liche Leben Jesu. Das Heilsmysterium geht gleichsam durch alle Ge-
schehnisse und Handlungen des Christuslebens hindurch. Es entfaltet
sich im Nacheinander des Lebensvollzugs. Nach der von Christus in
bereitwilliger Hingabe in das Herz aufgenommenen Verfügung des
Vaters im Himmel gehören zur Verwirklichung des göttlichen Heils-
planes vor allem drei Ereignisse: Tod, Auferstehung und Himmelfahrt.
Der Tod gehört hierzu nicht auf Grund einer Willkürbestimmung
Gottes, sondern deshalb, weil der Sohn = Logos in freiem Entschluß
das menschliche Leben auf sich nahm, das unter dem Gesetz des Todes
steht (Gn 3, 3). Das Wort Gottes, der um der Sünde willen über den
Menschen den Tod verhängte, ist Wahrheit und bewährt sich auch
an Christus (Athanasius, Die Menschwerdung 5, 7). Darin erweist sich
Gottes Gerechtigkeit, daß auch sein menschgewordener Sohn dem
Fluche der Sünde unterworfen ist (Gregor von Nyssa, Kateche-
tische Rede, 21 f.). Mit der Himmelfahrt ist indes das Mittlertum Christi
nicht vollendet. Es setzt sich im Himmel fort. Denn der erhöhte Herr
tritt immerfort für uns ein (1 Jo 2, 1; Hebr 9, 24). Sein Mittlertum
findet seine Vollendung in jenem Akt, in dem Christus die ganze
Schöpfung dem Vater übergibt, damit dieser alles sei in allem (1 Kor
15, 28). Sofern dies ein nie vergehender Akt ist, wird Christi Mittler-
tum ewig dauern.
§ 154 Die Mittlerschaft durch den Tod 341

Siebentes Kapitel
Die Mittlerschaft durch den Tod

In der sündigen Erhebung gegen Gott hatten die Menschen wie


Gott werden wollen. Sie hatten, ihrer geschöpflichen Begrenztheit ver-
gessend, versucht, in eigener Kraft die ihnen von Gott verheißene
Herrlichkeit zu gewinnen, ja, darüber hinaus Gott gleich zu werden.
Sie hatten sich selbst vergötzt und danach getrachtet, in gottfreier
Eigenherrlichkeit zu leben. Indes, es gelang nicht, weil es wesenhaft
nicht gelingen kann, die Kluft zwischen Gott und den Menschen seins-
mäßig aufzuheben. Denn Gott ist Gott, und das Geschöpf bleibt Ge-
schöpf. Die Folge des eigenmächtigen Aufstiegsversuchs war ein ver-
hängnisvoller Absturz in ein gottfernes Leben mit seinem ganzen Ge-
folge von Leid, Ohnmacht, Mutlosigkeit, Verlassenheit, Schmerz und
Tod. Christus hat nun dieses Leben auf sich genommen, das einfache,
schlichte, harte Leben, welches dem Menschen auferlegt ist und das
der innerhalb seines Maßes verbleibende Mensch gehorsam hinnimmt.
Christus hat dadurch den Unterschied, die Distanz zwischen Gott und
den Menschen betont und ein für allemal sichtbar gemacht, den Unter-
schied, den die Menschen in sündiger Auflehnung verwischen wollten,
und hat dennoch das menschliche Leben wieder mit Gott verbunden.
Indem er in Gehorsam gegen den Vater im Himmel ein gewöhnliches
Menschenleben führte, hat er die Schöpfung wieder heimgeholt zu
Gott. Die Erlösung geschah also nicht durch einen einzelnen Akt,
sondern durch das ganze menschliche Leben Christi. Man kann nicht
mechanisch einen Vorgang aus dem Zusammenhang seines Lebens
herauslösen und von ihm sagen, daß er allein erlöserische Kraft hat.
Dieses Leben brachte in seiner Ganzheit die Erlösung. Dadurch, daß
Gott in die Schwäche der menschlichen Natur einging und in ihr über
die Erde schritt, wurde die Möglichkeit geschaffen, daß der Mensch
Gott wieder begegnet und ihn ergreift. Im Tode wird der Sinn dieses
Lebens noch einmal in deutlicher Weise zusammengefaßt. Der Tod
bildet daher den Höhepunkt des Pilgerlebens Christi. In der Auf-
erstehung und Himmelfahrt zeigt sich die Frucht eines solchen Lebens
und Sterbens.
Christus ist freilich dem Tode in anderer Weise unterworfen als
alle übrigen Menschen. Er ist ihm unterworfen, weil er sich ihm in
freiem Gehorsam überantwortet. Alle übrigen sind ihm wider Willen
unterworfen. Sein Tod ist jedoch nicht losgelöst von Auferstehung
und Himmelfahrt. Das Todesgeschehen erhält vielmehr erst in der
3423 Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen S 154

Auferstehung und Himmelfahrt seine Erfüllung. In diesen drei Vor-


gängen also vollzieht sich das heilschaffende Tun Jesu. Daher war
das Leben Christi vom ersten Augenblick an auf Tod, Auferstehung
und Himmelfahrt ausgerichtet. Das Heilsmysterium mußte durch den
Tod des Heilsmittlers hindurchgehen. Christi Leben stand von der
Geburt an unter dem Gesetz des Todes. Es war eine Hinbewegung
auf den Tod. Christus hatte den Sinn seines Pilgerlebens erst erfüllt,
als er sterbend rufen konnte: „Es ist vollbracht“ (Jo 19, 30; vgl. Hebr
10, 6£.).
Der zum Leben Christi gehörige Tod brauchte an und für sich
kein gewaltsamer zu sein. Er wurde ein gewaltsamer infolge der Ver-
blendung und Verstockung der Juden. Bei der Betonung der Vorher-
bestimmung Christi zum gewaltsamen Tode darf man also nicht ver-
gessen, daß in sie der Widerstand der Juden gegen Christi Botschaft
einbezogen war. Die Heilige Schrift bezeugt, was tatsächlich geschah:
Als Christus in sein Eigentum kam, nahmen ihn die Seinigen nicht
auf (Jo 1, 11). Der Widerstand der Sünde gegen das Heilige (Lk 1, 35)
war so erbittert, daß auch die in Christus erschienene Liebe Gottes
ihn nicht brechen konnte. Christus machte in einem echt geschicht-
lichen Handeln immer wieder den Versuch, das Böse in den Herzen
zu überwinden. Er weinte, als er sah, daß sich die Menschen vom
Guten nicht bezwingen lassen wollten, sondern in Haß und Feind-
schaft gegen die Liebe Gottes verschlossen (Lk 19, 41). Da wurde sein
Tod unvermeidlich. Die Welt war so, daß der Gottesgesandte von ihr
verfolgt wurde, daß die Liebe in ihr nicht leben konnte.
Man darf sagen: Die Niederwerfung der Sünde machte nicht
schon von vorneherein den gewaltsamen Tod absolut notwendig. Die
Erlösung verlangte nicht an sich den blutigen Tod des Erlösers. Auch
eine vollgültige Sühne hätte auf andere Weise erreicht werden können,
da ja jedes Tun Christi unermeßlichen Wert hatte. Aber die Verloren-
heit der Menschen, ihre Versklavung an die Macht der Sünde und
des Teufels war so groß, daß sie denjenigen, der sie davon befreien
wollte, als den Feind, als den Störer des Lebens betrachteten und
auf seine Vernichtung ausgingen. Wollte er daher seiner Erlöserauf-
gabe treu bleiben, dann mußte er auch bereit sein zum Tode. Gerade
der Tod wurde dann freilich der Weg zur Herrlichkeit (siehe den
nächsten Paragraphen). In dem göttlichen Auftrag zum gewaltsamen
Tod war also der Widerstand der an die Sünde verlorenen Menschen
gegen ihren Befreier aus der Sündensklaverei in Rechnung gesetzt.
(Wie Gott die Ablehnung des Erlösers vorhersah, soll hier nicht weiter
§ 154 Die Mittlerschaft durch den Tod 343

erörtert werden.) Nun bekommen Tod, Auferstehung und Himmel-


fahrt eine so überragende Bedeutung, daß alle anderen Ereignisse im
Leben Christi von ihnen überschattet werden. Alles sonstige mittle-
rische Tun hat Gültigkeit, weil es auf das Sterben hingerichtet ist.
Tod, Auferstehung und Himmelfahrt bilden ihrerseits wieder ein
unlösliches Ganzes (vgl. „Unde et memores“ nach der Konsekration im
Meßopfer). Insbesondere bilden Kreuz und Auferstehung in der Ver-
kündigung des heiligen Paulus ein einheitliches Geschehen, dessen
einzelne Handlungen sich zu einem geschlossenen Ganzen zusammen-
fügen. Man kann dabei gar nicht mit Sicherheit sagen, ob einem Glied
ein Vorrang vor dem anderen zukommt. Das Heilsgeheimnis, das Gott
in freiem Walten verwirklicht, geht durch Kreuz und Auferstehung
hindurch. Tod und Auferstehung durchdringen und bedingen sich. Der
Auferstandene lebt als der Gekreuzigte, und der Gekreuzigte ist der
Auferstandene. Karfreitag und Ostertag können nicht voneinander ge-
trennt werden. Der furchtbare Ernst des Karfreitags blickt hin auf die
Freude und den Frieden der Österbotschaft, diese schaut zurück auf
die Not und Qual des Karfreitags.
„Das Mysterium ist also im Grund genommen eines: es ist ein unteilbares
Ganzes: Der Gekreuzigte, er lebt, und der im Himmel lebt, er lebt als der Gekreu-
zigte. Tod und Auferstehung folgen geschichtlich gesehen nacheinander: der entseelte
Leichnam und das leere Grab sind zwei Tatsachen, zeitlich voneinander getrennt.
Aber als Mysterium betrachtet, sind Tod und Auferstehung, Kreuz und Erhöhung
streng genommen nicht zwei Mysterien, sondern das eine Christusmysterium, in
welchem die einzelnen Heilstatsachen ein unteilbares, lebendiges Ganzes bilden.
Christus als Mysterium ist gleichsam das eine einzige geistige Band in der zeitlichen
Aufeinanderfolge der einzelnen Tatsachen in der Geschichte Jesu. Nicht von ungefähr
redet der Epheserbrief, dieser Hymnus auf das »Christusmysterium«, in der Einzahl
von »dem Mysterium«, und gerade da, wo er dieses eine Mysterium als »Fülle«,
als »Christusreichtum« und »vielgestaltige Gottweisheit« preist (Eph 3, 3ff., 3, 19
und 3, 8ff.; 6, 19: «das Mysterium der Frohbotschaft»). Ebenso spricht der
Kolosserbrief von »dem Gottes- und Christusmysterium, in welchem alle Schätze der
Weisheit und Wissenschaft verborgen sind, (Kol 2, 2f.; vgl. 1, 25—28; 4, 3). Auch
Geburt und Tod Jesu sind zwar zwei geschichtliche Tatsachen, zeitlich voneinander
getrennt als Anfang und Ende des irdischen Lebens der Erniedrigung; aber das
Mysterium in den beiden Tatsachen ist letzterdings eines. Oder wenn wir zwei große
Tatsachenkreise im Heilswerke Jesu unterscheiden, nämlich Geburt und Leben einer-
seits und andererseits Tod und Erhöhung, so ist das Christusmysterium in beiden
Tatsachenkreisen eines. Denn Geburt und Leben sind von vornherein und ständig
von der Niedrigkeit des Todes und von der Herrlichkeit der Auferstehung und Er-
höhung durchwaltet. Geburt und Leben Jesu stehen unter dem Gesetze des Todes
und seiner Niedrigkeit; aber Geburt und Leben Jesu sind mitten in aller Niedrig-
keit auch bereits Vorwegnahmen der Herrlichkeit des auferstandenen und erhöhten
344 Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen S 154

Herrn. Offenbaren Auferstehung und Erhöhung vollends Jesus als den Herrn der
Herrlichkeit, so scheint diese Herrlichkeit durch die Niedrigkeit des Lebens Jesu
immer wieder hindurch, vor allem in seiner jungfräulichen Geburt, in der Ver-
klärung auf Tabor, in der dreifachen »Epiphanie« oder »Erscheinung des Herrn«,
nämlich in der Anbetung durch die Weisen aus dem Morgenland, in dem Wein-
wunder auf der Hochzeit zu Kana und in der himmlischen Stimme bei der Taufe
im Jordan. Und selbst im bittersten Leiden und Tode ist Jesus von der göttlichen
Hoheit und Macht wie von einem Wetterleuchten umzuckt, das den Blitz in der
Osternacht ankündigt, mit dem das Licht der neuen Schöpfung in Jesus Christus
aufstrahlt“ (G. Söhngen, Der Wesensaufbau des Mysteriums, Bonn 1938, 17£.).
Die Christusgläubigen sind unterwegs zur Teilnahme am Herrlichkeitsleben ihres
Herrn. Sie gehen darauf zu. Aber sie sind noch nicht angekommen. Solange sie durch
diese Zeitlichkeit pilgern, befinden sie sich „noch im steten Übergang aus diesem ir-
disch-zeitlichen Leben des Fleisches und seiner Schwachheit ins himmlisch-ewige
Leben des Geistes und der Kraft; die Kraft Christi und seines Geistes wirkt sich
hienieden mitten in der Schwachheit des Fleisches und seiner Bedrängnisse aus (vgl.
2 Kor 12, 9f.). »Immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem Leibe herum,
damit auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde: (2 Kor 4, 10). So
bildet für die streitende Kirche als Kirche des Kreuzes der Kreuzestod die frucht-
bare Mitte des Christusmysteriums, in der alle Strahlen des Mysteriums gesammelt
erscheinen wie in einem Brennpunkte. Das Mysterium selbst bleibt ungebrochen und
ungeteilt, während seine äußere Gestalt aufgeteilt ist auf die einzelnen Heilstat-
sachen“ (G. Söhngen, a.a.O., 21).
Nach den griechischen Vätern tritt das Mittlertum Christi durch
die Gewaltsamkeit seines Todes besonders deutlich hervor. Der ge-
waltsame Tod ist nämlich ein öffentlicher Tod. Er ist durch den
Fürsten dieser Welt veranlaßt. Da zeigt sich, daß der Kampf zwischen
Himmel und Hölle nicht eine private, sondern eine Öffentliche An-
gelegenheit ist.
Wenn Christus als Mensch der Mittler zwischen Gott und der
Menschheit ist, kann man fragen, in welcher Weise die menschliche
Natur bei dem mittlerischen Tun beteiligt ist. Sie dient hierbei als
Werkzeug des Sohnes Gottes (Mt 8, 2f.; Lk 4, 40; 6, 18f.; 8, 43 f.;
Mk 7, 33; 8, 23). Man darf jedoch hierbei nicht vergessen, daß die
menschliche Natur Christi mehr als Werkzeug ist. Sie hat ja Spon-
taneität und Eigengesetzlichkeit (siehe SS 146 und 151).

Achtes’Kapitel
Die menschliche Natur Christi als Werkzeug
Die Frage, in welcher Weise Christi menschliche Natur Werkzeug
ist, wird von den Theologen verschieden beantwortet. Nach einer Vor-
stellung wird die göttliche Allmacht des Gottessohnes durch die Hand-
lungen der menschlichen Natur veranlaßt, unmittelbar durch sich selbst
S 154 Die menschliche Natur Christi als Werkzeug 345

Heilswirkungen hervorzubringen. Das Heilstun Gottes fließt hiernach


zwar durch die menschliche Natur hindurch, ohne daß jedoch diese
selbst aktiv wird (Lehre von der moralischen Wirksamkeit der mensch-
lichen Natur). Mit dieser Erklärung ist die Anschauung verwandt, daß
die menschliche Natur durch ihr Tun den Willen Christi kundgibt und
dem von ihrem Tun betroffenen Gegenstand das Recht verleiht, daß er
eine unmittelbar durch die göttliche Allmacht hervorzubringende Wir-
kung empfängt (intentionale Wirksamkeit). Nach anderen (Thomi-
sten) geht die göttliche Wirksamkeit des Logos durch die menschliche
Natur nicht bloß wie durch einen Kanal hindurch. Vielmehr ist die
menschliche Natur Christi selbst heilsmächtig tätig, so daß die Heils-
werke Christi gottmenschliche Werke sind (physische Wirksamkeit der
menschlichen Natur Christi). Zur Erläuterung sei auf folgendes ver-
wiesen: Der menschliche Geist wirkt und schafft durch die Hand,
den Fuß, das Auge. Wir reden von den Werken unserer Hand. Die
geistigen Kräfte und Bewegungen wirken sich aus im Leib. Deshalb
ergreift der Mensch mit der Hand eines anderen „nicht nur das Fleisch
und die Knochen dieses Handgebildes, sondern die ganze geistige
Persönlichkeit des anderen, seine Liebe, seine Treue, seine Verzeihung,
seine Hingabe. Alles, was im menschlichen Geist lebendig ist, wird
Besitz des anderen, wenn er in einem bedeutungsvollen Augenblick
die Hand des anderen Menschen ergreifen kann“ (J. Pinsk, Die
sakramentale Welt, Freiburg i. Br. 1938, 7). Ähnlich wirkt sich der
göttliche Logos in der menschlichen Natur, im menschlichen Leibe aus:
er wird im Leibe sinnlich faßbar. Wenn Jesus von Nazareth einem
Menschen seine Hand gab, so rührte dieser in der Hand Jesu an das
göttliche Ich, mit dem die menschliche Natur zur personalen Einheit
verbunden war, an das eigentliche Gottesleben, an die Lebensfülle,
welche in der zweiten Person Gottes existiert und in ihr sich an den
menschlichen Leib gefunden hat. So kann man wirklich von einer
göttlichen Hand, von einem göttlichen Leib, von einem göttlichen Blut
reden.
Wenn die Heilige Schrift auch keine Entscheidung in unserer
Frage gibt, weil sie diese nicht formell kennt, so spricht doch die Schil-
derung, welche sie von dem Heilswirken Christi bietet, mehr für die
physische Wirksamkeit der menschlichen Natur Christi als für die
moralische oder intentionale. Von der Berührung seines Leibes gehen
nach dem Schriftzeugnis Heilswirkungen aus (Lk 6, 19; 8, 46; Jo 6,
54 ff.; 20, 27 f.). So wird auch das Wort verständlicher: „Wer mich
gesehen hat, hat auch den Vater gesehen“ (Jo 14, 9). Sie läßt auch die
346 Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen S 154

Bindung des göttlichen Lebens an die menschliche Natur als lebendiges


Ineinander, nicht als mechanisches Nebeneinander erscheinen. Sie
macht ferner die Kirche als den fortlebenden Leib Christi verständ-
lich als die in Christus geeinte sichtbare Gemeinschaft der Getauften.
Christus selbst ist das eine große Sakrament, welches sich in den
kirchlichen Sakramenten entfaltet, fortsetzt, auswirkt. Die göttliche
Lebensfülle tritt nach dieser Vorstellung aus dem innergöttlichen Kreis
heraus, stößt vor in die menschliche Natur Christi und dringt über sie
hinweg, durch die sakramentalen Zeichen hindurch, ein in das mensch-
liche Ich, das Christus ergreift (Christus das Ursakrament — die
Kirche das Universalsakrament).
Die Väter können als Zeugen für die moralische und die phy-
sische Wirksamkeit angerufen werden, wenn auch das Zeugnis für
die letzte zu überwiegen scheint. Die griechischen Väter lehren mehr
die physische, die lateinischen mehr die moralische Wirksamkeit. Ihre
diesbezügliche Lehre ist der Ausdruck ihrer Gesamtauffassung von
der Erlösung.
In den unmittelbar nachapostolischen Schriften wird die Frage kaum be-
handelt. Nur Ignatius von Antiochien widmet ihr seine Aufmerksamkeit,
ohne sie jedoch genauer zu erörtern. Insofern er unser Heil weniger in der Sünden-
vergebung als vielmehr in der Aufnahme in das durch Christus zugänglich ge-
wordene göttliche Leben sieht, bewegt er sich mehr in den Bahnen des Evangelisten
Johannes als in denen des heiligen Paulus. Grundbedingung des neuen Lebens ist die
Einheit mit Christus, dem Auferstandenen. Ausführlicher und tiefer sind die Dar-
legungen des heiligen Irenäus. Er sagt (Gegen die Häresien 3, 19, 1; BKV I 293):
„Dazu nämlich ist das Wort Gottes Mensch geworden und der Sohn Gottes zum Men-
schensohne, damit der Mensch das Wort in sich aufnehme und, an Kindes Statt an-
genommen, zum Sohn Gottes werde“ (vgl. auch Buch 4, 33, 4). Sein Grundgedanke
von der Zusammenfassung aller Geschöpfe unter einem einzigen Haupte in Christus
(Eph 1, 10) gibt allen seinen Erklärungen von der Wirksamkeit der menschlichen
Natur Christi das Gepräge. Die Erhebung der Menschen zu Kindern Gottes bildet
den Zweck der Menschwerdung und ist in der Annahme einer adamitischen Natur
durch den Sohn Gottes bereits grundgelegt. Die Herrschaft, die der Logos über die
Himmlischen von Ewigkeit her innehat, erfuhr durch die Menschwerdung und die
damit gegebene Zusammenfassung der Geschöpfe sowie durch die Wiederaufnahme
in die Herrlichkeit des Vaters ihre Ausdehnung auf das Irdische und die Kirche.
„Es ist also ein Gott Vater ... und ein Christus Jesus, unser Herr, der durch die
ganze Heilsordnung hindurchging und alles in sich selbst zusammenfaßte. Zu diesem
»allem« gehört aber auch der Mensch, das Geschöpf Gottes, also faßte er auch den
Menschen in sich zusammen, in dem er, der Unsichtbare sichtbar wurde, der Un-
begreifliche begreiflich, der Leidensunfähige leidensfähig, das Wort Mensch. So faßte
er das All in sich zusammen, damit er, wie das Wort in den überhimmlischen und
geistigen Dingen Herrscher ist, ebenso in den sichtbaren und körperlichen Dingen
herrsche, indem er auf sich die Herrschaft nahm und sich zum Haupte der Kirche
§ 154 Die menschliche Natur Christi als Werkzeug 347

einsetzte, und damit er alles an sich ziehe zur passenden Zeit“ (Gegen die Häresien
3, 16, 6; BKV I 270; vgl. 4, 20, 2; BKV II 62). Die Heilsmitteilung vollzieht Christus
durch die Vereinigung des Menschen mit dem Geiste, der von seiner verklärten
menschlichen Natur ausströmt, und dessen Einsenkung in das Menschengeschlecht.
„Dies also faßte er in sich zusammen, indem er den Menschen mit dem Geiste ver-
einte und den Geist in den Menschen einpflanzte, selbst das Haupt des Geistes wurde
und den Geist das Haupt des Menschen sein ließ; denn durch ihn haben wir gesehen
und gehört, und durch ihn sprechen wir“ (Gegen die Häresien 5, 20, BKV II 205). Er
wurde Erlöser und Vollender der Menschen, da er den Geist des Vaters ausgoß, um
den Menschen mit Gott auf das innigste zu verbinden, indem er dem Menschen durch
den Geist Gott niederlegte und durch seine Menschwerdung den Menschen in Gott
hineinlegte, und da er wahrhaft und wirklich in seiner Ankunft durch die Gemein-
schaft mit ihm Unvergänglichkeit schenkte“ (Ebda, 5, 1, 1; BKV II 153). Nach
Irenäus gewinnt also die ganze Menschheit ihre Vergöttlichung grundlegend schon
durch die Menschwerdung des Logos. Aber die Heilsbedeutung des menschgewor-
denen Logos vollzieht sich in allen Akten seines Lebens.
Weiter ausgebaut wurde die Lehre des heiligen Irenäus, welche auch von
Bischof Methodius von Philippi (gest. um 311) und Eusebius von Cäsarea
(gest. 339) vertreten wird, von Athanasius. Der Kerngedanke seiner Lehre
lautet: „Er wurde Mensch, damit wir vergöttlicht würden“ (Contra Arianos 2, 70;
PG 26). „Der Logos wurde Mensch, damit wir, an seinem Geiste teilnehmend, vergött-
licht werden könnten. Das aber hätten wir nicht erlangen können, wenn nicht der
Logos unseren geschaffenen Leib angezogen hätte; denn dadurch begannen wir fortan,
Menschen Gottes und Menschen in Christus zu heißen“ (De decretis Nicaeni Synodi,
c. 14; PG 25, 448 Gff.). Durch die Menschwerdung des Logos ist die Menschheit
erneuert (Contra Arianos 2,47; PG 26, 248 B), erhöht (ebda 4,6; PG 26, 476 C; 2, 67;
PG 26, 289 C ff.), mit Gott verbunden (ebda 2, 67; PG 26, 289 C ff.), mit dem Heiligen
Geiste gesalbt worden (ebda. 1, 50; PG 26, 117 Aff.). In der Menschwerdung des gött-
lichen Logos ist die Wiedervergöttlichung der Menschheit grundsätzlich schon voll-
zogen. Er ist der Erstgeborene der Kreatur, der Anfang einer neuen Schöpfung
(ebda. 2, 70; PG 26, 296 C). Wir sind die Leibesgenossen Christi (ebda. 2, 61; PG 26,
277 Aff.). Die in der Menschwerdung grundsätzlich verwirklichte Erlösung vollzieht
sich durch die Taten, die der Logos durch seine menschliche Natur und in ihr vollzieht.
Der Leib wurde ihm zuteil wie ein Werkzeug, und zwar wie ein ihm eigenes Werk-
zeug (De incarnatione 22; PG 25, 136 B und in dem unechten Sermo maior de fide;
PG 26, 657 A). „So hat also der Logos Gottes folgerichtig einen Leib angenommen
und sich eines menschlichen Werkzeuges bedient, um auch den Leib zu beleben und
um in gleicher Weise, wie er in der Schöpfung durch die Werke sich offenbart,
auch im Menschen sich zu betätigen und sich überall zu zeigen“ (De incarnatione 45;
PG 25, 175 C). Die enge Verbindung des Göttlichen mit dem Menschlichen wirkt
sich gerade darin aus, daß der Logos die Werke des Vaters im Zusammenwirken
mit seinem Fleische vollbrachte. „Wenn aber das Wort in göttlicher Weise die
Werke des Vaters wirkte, war das Fleisch nicht außer ihm, vielmehr wirkte diese
wieder der Herr gerade im Leibe“ (Contra Arianos 3, 32; PG 26, 389 Cf.). „Die
leibliche Hand ausstreckend, heilte er Fieberkranke; mit menschlicher Stimme
sprechend, erweckte er den Lazarus von den Toten; die Hände am Kreuze aus-
breitend, warf er den Fürsten der Luft nieder und machte uns den Weg zum Himmel
348 Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen S 154

frei“ (Brief an Adelphus 7; PG 26, 1081 B; vgl. Brief an Serapion 14; PG 26, 389 C).
„Die Werke aber, die dem Worte selbst zukommen, wie: Tote erwecken, Blinden das
Gesicht geben, vom Blutflusse heilen, vollbrachte er selbst durch seinen eigenen
Leib ... Das Fleisch diente den Werken der Gottheit, weil sie in ihm war, denn
Gott gehörte der Leib“ (Contra Arianos 3, 31; PG 26, 389 B).

Gregor von Nyssa lehrt, daß das „Fleisch“ durch seine Verbindung mit
dem Logos zu den Eigentümlichkeiten des Logos erhoben wurde, zu dem Stärkeren
und Erhabeneren und nicht mehr in seinen eigenen Grenzen verblieb (In illud: Tunc
ipse Filius; PG 44, 1320 D; Contra Eunomium 5; PG 45, 708 BC). Nicht erstlich,
wie vielfach behauptet wird, aus einem übersteigerten platonischen Realismus heraus
und nicht in seinem Sinne, sondern aus biblisch-theologischen, vor allem aus pauli-
nischen Lehren heraus behauptet Gregor, daß Christus die gesamte Menschheit an-
genommen habe. Er meint damit folgendes: In Christus ist jeder Mensch aktuell
gegenwärtig und geheiligt, in dem gleichen Sinne, wie die ganze Menschheit in
Christus gegeben ist, nämlich der Idee nach aktuell, hinsichtlich der einzelnen
Menschen jedoch nur virtuell. Die Verwirklichung der Heiligung des einzelnen voll-
zieht sich entsprechend seiner zeitlichen Existenz. Gregor nimmt ein einziges Er-
lösungsdrama an, das sich in zwei Akten vollzieht (L. Malevez, L’Eglise dans
le Christ, in: Recherches de science religieuse 25, 1935, 274). Er betont zwar
die grundlegende Bedeutung der Menschwerdung, schreibt aber im Geiste der pau-
linischen Theologie der Auferstehung eine entscheidende Tragweite für die Neu-
gestaltung der Schöpfung zu. „Da nun die Rückkehr aus dem Tode unserer ganzen
Natur zuteil werden sollte, so wollte er, indem er dem Daniederliegenden die Hand
reichte und sich gleichsam zu unserem Leichnam niederbückte, dem Tode so weit
sich nahen, daß er die Sterblichkeit austrank und an seinem eigenen Leibe die Auf-
erstehung der Menschheit einleitete, indem er durch seine Macht das ganze Menschen-
geschlecht mit auferweckte. Denn da jenes die Gottheit beherbergende Fleisch,
welches in der Auferstehung zugleich mit der Gottheit erhöht wurde, nirgends anders-
woher stammte als aus der Masse, aus der wir bestehen, so muß, wie bei unserem
Leibe die Tätigkeit eines einzelnen Sinneswerkzeuges allen übrigen mit ihm ver-
bundenen Organen eine Mitempfindung verschafft, in ähnlicher Weise die Auf-
erstehung des Teiles, wie wenn die ganze Menschheit nur eine Person wäre, auch
auf das Ganze übergehen, indem sie, kraft des engen Zusammenhanges unserer
Natur, von dem Teil auf das Ganze sich fortpflanzt“ (Katechetische Rede 32; PG 45,
80 Bff.; BKV 63). „Wie aber der Tod bei einem Menschen begann und dann auf
alle Menschen überging, so fing auch die Auferstehung bei einem an und verbreitete
sich von demselben auf die ganze Menschheit. Da nämlich in dem von ihm an-
genommenen menschlichen Doppelwesen die Seele nach dem Tode wieder in den Leib
zurückkehrte, so geht von ihm wie von einem Urquell die Vereinigung des Ge-
trennten durch göttliche Macht auf die ganze Menschheit über“ (ebda. 16, 3; PG 45,
52 C; BKV 38).
Cyrill von Alexandrien führt diese Gedanken zur äußersten, von
jedem Nestorianismus am weitesten entfernten Zuspitzung. Er vergleicht die Be-
deutung der göttlichen Natur für die menschliche im menschgewordenen Logos mit
der Kraft des Feuers, welches einem kalten Stoffe seine Wärme mitteilt (Quod unus
sit Christus; PG 75, 1361 A). „Wenn das Feuer die Kraft der in ihm wohnenden
Energie dem Stoffe, dem es nahegebracht wird, mitteilt, und selbst dem Wasser,
§ 154 Die menschliche Natur Christi als Werkzeug 349

das doch von Natur aus kalt ist, Eigenschaften, die nicht in seiner Natur liegen,
verleiht und dasselbe erwärmt, ist es dann vom Logos wunderbar und unglaublich,
wenn er — der das Leben von Natur ist — das mit sich geeinte Fleisch leben-
spendend macht?“ (Adversus Nestorium 4, 5; PG 76, 189 D ff.). Den Sinn, der hinter
den Handauflegungen Christi steht, erklärt Cyrill so: „Er legt einem Kranken die
Hände auf und gibt zu erkennen, daß die Wirkung des mächtigen Logos vom
heiligen Fleische ausgeführt wird, dem die Gott zukommende Kraft verliehen wird.
Wir sollen daran sehen, daß er, der eingeborene Gott-Logos, auch als Mensch Gott
ist, der all dies bewirkt durch sein Fleisch. Wundere dich nicht darüber, denke
vielmehr daran, daß auch das Feuer einem Kessel von Erz die eigene Wärme mit-
teilt. So teilt auch der allmächtige Logos dem ihm wahrhaft geeinten naturhaften
Tempel aus der Jungfrau die Wirkung der eigenen, Gott geziemenden Kraft mit“
(In Lucam 4; PG 72, 549 D). „Obwohl er durch bloße Worte und Winke Wunder
tun konnte, so legte er doch den Kranken die Hände auf, denn wir müssen wissen,
daß das heilige Fleisch des Logos, das er zu dem seinigen gemacht, eine Kraft in
sich barg, die er ihm verliehen“ (In Lucam 4; PG 72, 552 Bff.). Daß er bald durch
ein bloßes Machtwort, bald durch körperliche Berührung heilte, diente dem Erweis
der Heilsmächtigkeit seines Fleisches wie auch der freiwirkenden Macht des Logos,
die an eine leibliche Berührung nicht gebunden ist (vgl. In Matthaeum 8, 3; PG 72,
389 D). Sein gottdurchwirktes Fleisch heißt mit Recht Geist. „Christus erfüllt seinen
ganzen Leib mit der lebenspendenden Kraft des Geistes. Denn Geist nennt er fortan
sein Fleisch, jedoch so, daß er damit nicht leugnet, es sei Fleisch. Aber da es ihm
aufs engste geeint ist, und seine ganze belebende Kraft angezogen hat, heißt es
nunmehr billigerweise Geist ..., nicht die Natur des Fleisches macht den Geist be-
lebend, sondern die Kraft des Geistes das Fleisch“ (In Ioannem 6, 64; PG 73, 604).
Ein anderes Mal erklärt er: „Da des Erlösers Fleisch, weil mit dem naturhaften
Leben dem göttlichen Logos geeint, belebend geworden ist, werden wir — falls wir
hiervon genießen — das Leben in uns haben ... Daraus ersehen wir auch, wie der
Erlöser bei der Auferweckung der Toten nicht durch bloße Worte, auch nicht bloß
durch göttliche Befehle wirkte, sondern veranlaßt war, sein eigenes Fleisch gewisser-
maßen als Mithelfer zu nehmen, um zu zeigen, daß er fähig sei, zu beleben, und
daß es nunmehr eins mit ihm geworden. Denn wahrhaft zu eigen und nicht etwas
Fremdes ward ihm der Leib; ... bei den Worten: Mägdlein, stehe auf!, erfaßte er,
wie geschrieben steht, dessen Hand. Auf solche Weise einerseits lebenspendend als
Gott durch seinen allwirksamen Befehl, anderseits wiederum belebend durch Be-
rühren mit seinem heiligen Fleisch — zeigt er die eine und gemeinsame Tätigkeit,
welche aus beiden Bestandteilen sich ergibt. Daher also wollte er nicht bloß durch
das Wort allein die Toten erwecken, sondern um zu zeigen, daß sein Leib belebend
sei, wie schon gesagt, berührte er die Toten und senkte so den schon Erstorbenen
das Leben ein. Wenn eine bloße Berührung durch sein heiliges Fleisch das Er-
storbene wieder belebt, wie sollten wir jene lebenspendende Eulogie nicht in reiche-
rem Maße empfangen, wenn wir sie gar genießen“ (In Ioannem 4; PG 73, 578 Bff.).
Ähnlich bezeichnet Maximus Confessor die menschliche Natur als Ge-
hilfin des Logos. „Als seinen Mithelfer nämlich in göttlichen Werken nahm er das
Fleisch an, wie der Meister sagt, wie auch die Seele den eigenen Leib zum Vollzug
ihrer eigenen Werke“ (Opus theologicum et pol: PG 91, 101 D, 85 D).
350 Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen § 154

Johannes von Damaskus faßt die vorausgehende Lehre der griechi-


schen Väter zusammen, klärt und vollendet sie, vor allem durch die Verwertung
des schon bei Athanasius und bei Eusebius von Cäsarea vorkommenden Begriffs
„Werkzeug“ für die menschliche Natur Christi. Anschaulich schildert er die Wirk-
samkeit der menschlichen Natur als eines Werkzeuges der Gottheit im Bericht über
die Erweckung des toten Mädchens und der Heilung des Aussätzigen. Durch sein
leibliches Tun vollzog Christus seine göttliche Wirksamkeit, durch die Berührung
mit der Hand wirkte die Gottheit die Auferstehung des Mädchens (De fide ortho-
doxa 3, 17, PG 94; De duabus vol. 43, PG 95, 184 C). Die Kraft, in der die Menschheit
Christi werkzeuglich göttliche Werke vollbringt, ist nicht ihre eigene, sondern die
ihr personhaft geeinte Kraft der Gottheit. Johannes erläutert diese Gedanken durch
das traditionelle Beispiel vom feurigen Eisen. „Denn nicht in eigener Wirksamkeit,
sondern kraft des ihm geeinten Wortes wirkt das Fleisch Christi das Göttliche.
Durch dasselbe erwies das Wort Gottes seine eigene Wirksamkeit. Es brennt ja
das feurig gemachte Eisen nicht, weil es durch seine Natur die brennende Wirksam-
keit besitzt, sondern weil es diese durch seine Vereinigung mit dem Feuer erlangt
hat“ (De fide orthodoxa 3, 17; PG 94, 1069 B). Im Sinne der tätigen Teilnahme der
menschlichen Natur am göttlichen Wirken Christi versteht Johannes das Wort des
Pseudo-Dionysius von der „gottmenschlichen“ Wirksamkeit Christi (De duabus vol.
42; PG 95. 181 A). „Nicht auf göttliche Art allein wirkte er das Göttliche. Denn es
war nicht Sache eines bloßen Gottes, durch Berührung und Ausstreckung der Hand
Wundertaten zu vollbringen, und nicht wirkte er das Menschliche auf bloß mensch-
liche Art ..., sondern als Gott, der Mensch geworden, zeigte er eine neue, unge-
wöhnliche, eine gottmenschliche Tätigkeit. Eine göttliche, die aber durch die mensch-
liche wirkte, eine menschliche, die aber der göttlichen diente und welche die Zeichen
der ihr verbundenen Gottheit offenbarte“ (ebda., 181 D ff.). Die gleiche Lehre treffen
wir in der griechischen Theologie in den nächsten Jahrhunderten, so bei Theo-
phylaktvonAchrida (im 11. Jahrh.) und bei Euthymius Zigabenus
(im 12. Jahrh.). Diese Texte zeigen, daß bei den griechischen Vätern der Gedanke,
daß die menschliche Natur Christi bei dem Heilswirken des Herrn aktiv nach Art
eines Werkzeuges beteiligt ist, vorwiegt, wenngleich er nicht immer klar formuliert
ist. Er tritt sehr zurück in der alexandrinischen Theologie, bei Clemens und
Origenes. Hier wird die menschliche Natur mehr als Beispiel denn als Werkzeug
unseres Heiles verstanden (siehe jedoch S. 162).
In der lateinischen Theologie des christlichen Altertums treffen wir dort, wo
griechischer Einfluß besteht, bei Hilarius, Ambrosius, Augustinus,
Spuren der griechischen Lehre. Im übrigen aber spielt der Gedanke von der mensch-
lichen Natur als dem Werkzeug der Gottheit keine beherrschende Rolle. Das Gewicht
liegt, vor allem bei Augustinus, auf der Tatsache, daß der göttliche Logos
es ist, der das Heil in der menschlichen Natur wirkt.

Den Geist der griechischen Christologie treffen wir in der Frühscholastik bei
den Brüdern Gerhoh und Arno von Reichersberg. Der Gottmensch ist nach
Gerhoh der neue Lebensgrund, insofern er kraft seiner Gottheit die Schöpfung
beherrscht und insofern er vermöge seiner Einheit mit dem die Schöpfung krö-
nenden Menschen die Gesamtheit der Kreaturen Gott verbindet. In der Idee des
Mittlers erblickt Gerhoh nicht bloß die seit Anselm von Canterbury in der abend-
ländischen Kirche geläufige Auffassung von der verdienstlichen und genugtuenden
S 154 Die menschliche Natur Christi als Werkzeug 351

Wirksamkeit Christi, sondern auch die von den griechischen Vätern so stark be-
tonte physisch-mystische Wirksamkeit. Nach Arno teilt die höhere Natur der
niederen ihre Kraft mit. „Wenn auch der menschgewordene Christus seiner Art-
natur nach Fleisch ist, so kann doch nicht bezweifelt werden, daß er, auf un-
naturhafte Weise Gott, dem Geiste, geeint, sich mit der Kraft des Geistes umkleidet
hat und in der Kraft des Geistes steht; deswegen, weil er ebenso sehr, wie der ihm
geeinte Geist, die Macht hat, die Seelen zu beleben, so daß es auch den Vätern des
Konzils von Ephesus gefiel, zu entscheiden, man müsse das Fleisch Christi lebendig-
machend nennen“ (Apologeticus, hersg. von K. Weichert, Leipzig 1888, 24). Sonst
hat jedoch in der Zeit vor Thomas die Lehre von dem Charakter der mensch-
lichen Natur Christi als Heilsorgan des Logos wenig Beachtung gefunden (vgl. A.M.
Landgraf, Dogmengeschichte der Frühscholastik, II 2, Regensburg 1954).
Thomas von Aquin wurde die griechische Christologie bekannt durch Jo-
hannes von Damaskus. Er hat sie übernommen und mit Hilfe der aristotelischen
Philosophie ausgebaut. Schon im Sentenzenkommentar sagt er (III dist. 5 quaestio 1
art 2 ad 6um): „Das Fleisch wird vergottet genannt, nicht als ob es zur Gottheit
selbst geworden wäre, sondern weil es Gottes Fleisch geworden ist, und auch weil
es vermöge seiner Einigung mit der Gottheit deren Gaben in reicherem Maße be-
sitzt und weil es gewissermaßen Werkzeug ist, durch das die göttliche Kraft unser
Heil wirkt. So heilte er, indem er den Aussätzigen mit seinem Fleische berührte,
durch die Kraft der Gottheit, und im Fleische sterbend besiegte er den Tod durch
göttliche Kraft. Die Kraft des Handelnden ist aber irgendwie in dem Werkzeug,
mittels dessen er etwas bewirkt.“ Voll entfaltet ist seine Lehre in der Summa contra
gentiles. In Kapitel 36 des vierten Buches sagt er (Übers. nach H. Nachod und
P. Stern): „Sie (die Monotheleten) haben nämlich gesehen, daß der menschliche
Wille in Christus ganz und gar unter den Göttlichen Willen geordnet gewesen ist,
dermaßen, daß Christus nichts mit menschlichem Willen gewollt hat, es sei denn,
was der Göttliche Wille verlangt hat, daß Er es wollte. Ähnlich hat Christus auch
nichts der menschlichen Natur nach verrichtet, sei es tatwirkend, sei es erleidend,
außer dem, was der Göttliche Wille verlangt hat: nach jenem Wort im Achten des
Johannes: »Was Ihm wohlgefällig ist, das tue Ich immerdar« (Jo 8, 29). Das mensch-
liche Verrichten Christi erlangte auch eine gewisse göttliche Wirksamkeit aus der
Einung mit der Göittlichkeit, so wie das Tatwirken des zweitrangigen Tatwirkenden
eine gewisse Wirksamkeit dem urgrundhaften Tatwirkenden erlangt. Und hiervon
hat es statt, daß ein jedes beliebige Tatwirken und Erleiden von ihm heilsam ge-
wesen ist. Und darum nennt Dionysius das menschliche Verrichten Christi
»theandrisch« (Dionys. epist. 4; vgl. de divin. nom. 2), das heißt: »gott-männliche,
und zwar ebenfalls, weil es das Verrichten Gottes und des Menschen ist. Da sie nun
sahen, daß der menschliche Wille und das menschliche Verrichten Christi unter die
unfehlbare Göttliche Ordnung geordnet wird, haben sie geurteilt, in Christus sei nur
ein einziger Wille und nur ein einziges Verrichten, obgleich, wie gesagt worden ist,
ein Eines der Ordnung und ein schlechthin Eines nicht eines und dasselbe ist.“
In Kapitel 41 sagt Thomas: „Und obgleich diese Einung vom Menschen voll-
kommen auseinandergesetzt zu werden nicht vermag, werden wir dennoch unserer
Weise und Fähigkeit entsprechend versuchen, irgend etwas »zur Auferbauung des
Glaubens« (Eph 4, 29) zu sagen, auf daß in Bezug auf dieses Heilsgeheimnis der
Katholische Glaube vor den Ungläubigen verteidigt werde.
352 Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen S 154

In allen geschaffenen Dingen aber wird nichts dieser Einung so Ähnliches ge-
funden, wie die Einung der Seele mit dem Körper. Und größer noch wäre die
Ähnlichkeit, wie auch Augustinus wider Felicianus sagt (Augustinus,
Contra Felic. 12), wenn der Verstand in allen Menschen ein einziger wäre, wie ge-
wisse Leute gesetzt haben, nach denen man sagen müßte, daß auf diese Weise der
vorher daseiende Verstand aus dem neuen mit dem Empfängniskeim des Menschen
geeint würde, daß aus beiden eine einzige Person wird, so wie wir setzen, daß das

vorher daseiende Wort mit der menschlichen Natur zu einer einzigen Person ge-
eint wird. Und wegen dieser Ähnlichkeit der beiden Einungen sagt auch Atha-
nasius im Symbolum, daß, »so wie die vernünftige Seele und das Fleisch ein ein-
ziger Mensch ist, so Gott und der Mensch ein einziger Christus ist« (Symbolum
Quicumque, quod vocatur Athanasianum [Denzinger Nr. 40]).
Da aber die vernünftige Seele dem Körper sowohl wie dem Stoff als auch wie
dem Werkzeug geeint wird, kann es nicht Ähnlichkeit nach der ersten Weise der
Einung sein. So nämlich würde aus Gott und dem Menschen eine einzige Natur
gemacht, da Stoff und Form im eigentlichen Sinne die Natur der Art zustandebringen.
Es bleibt also übrig, daß die Ähnlichkeit demgemäß ins Auge gefaßt wird, daß die
Seele dem Körper als dem Werkzeug geeint wird. Und hiermit finden sich auch die
Aussprüche der alten Lehrer in Eintracht, die die menschliche Natur in Christus als
ein gewisses Organ der Göttlichkeit gesetzt haben, wie auch der Körper als Organ
der Seele gesetzt wird.
Anders nämlich sind der Körper und seine Teile Organ der Seele und anders
die äußeren Werkzeuge. Eine bestimmte Haue nämlich ist nicht eigenes Werkzeug
wie die bestimmte Hand. Mit der Haue nämlich können wir viele Werke verrichten,
die bestimmte Hand jedoch wird der eigenen Verrichtung der bestimmten Seele zu-
gewiesen. Und darum ist die Hand ein geeintes und eigenes Organ, die Haue hin-
gegen ein äußeres und gemeinsames Werkzeug. So mithin kann es auch in der
Einung Gottes und des Menschen betrachtet werden. Alle Menschen nämlich werden
zu Gott wie gewisse Werkzeuge in Beziehung gesetzt, mit denen Er Werke verrichtet.
»Er Selbst nämlich ist es, der in uns das Wollen und das Vollbringen verrichtet
nach Wohlgefallen: — gemäß dem Apostel im Zweiten des Philipperbriefes (Phil 2,
13). Die anderen Menschen aber werden zu Gott gleichsam als außenstehende und
abgesonderte Werkzeuge in Beziehung gesetzt. Sie werden nämlich von Gott nicht
zu lediglich ihnen eigenen Verrichtungen bewegt, sondern zu aller vernünftigen Natur
gemeinsamen Verrichtungen, als da ist: die Wahrheit Verstehen, das Gute Lieben
und das Gerechte Verrichten. Die menschliche Natur ist jedoch in Christus an-
genommen, auf daß sie werkzeughaft all das verrichtet, was lediglich Gott eigene
Verrichtungen sind, als da ist: Reinigen von Sünden, Erleuchten der Gemüter durch
die Gnade und Hineinführen in die Vollkommenheit des ewigen Lebens. Es wird
mithin die menschliche Natur Christi zu Gott so wie das eigene und mitverbundene
Werkzeug — wie die Hand zur Seele — in Beziehung gesetzt.
Und nicht steht es im Mißklang zur Gewohnheit der natürlichen Dinge, daß
irgend etwas naturhaft das eigene Werkzeug von irgend etwas ist und dennoch nicht
dessen Form ist. Denn die Zunge ist — insofern sie das Werkzeug des Sprechens
ist — eigenes Organ des Verstandes, der dennoch, wie der Philosoph begründet,
keines Körperteiles Wirklichkeit ist (Aristoteles, de anima 3, 4 [429a 25 sqq.];
Thomas, lectio 7; vgl. 3, 5 [430 a 10 sqq.]; Thomas, 1, 10). Ähnlich wird auch irgend-
§ 155 Jesus Christus als der sich opfernde Hohepriester des Neuen Bundes 353

ein Werkzeug gefunden, das nicht zur Natur der Art gehört und dennoch von seiten
des Stoffes dem bestimmten unteilbar Geeinzelten zusteht, wie ein sechster Finger
oder irgend etwas dergleichen. Nichts mithin hindert, die Einung der menschlichen
Natur mit dem Worte auf die Weise zu setzen, daß die menschliche Natur gleichsam
das Werkzeug des Wortes ist — nicht das abgesonderte, sondern das mitverbundene
— und daß dennoch die menschliche Natur nicht zur Natur des Wortes gehört, noch
auch das Wort deren Form ist; daß sie aber dennoch zu Dessen Person gehört.
Dennoch sind die vorgenannten Beispiele nicht so gesetzt, daß in all diesem
allfältige Ähnlichkeit aufzusuchen wäre. Zu verstehen ist nämlich, daß das Wort
Gottes um vieles erhabener und inniger der menschlichen Natur hat geeint werden
können, als die Seele irgend eigenem Werkzeug, vornehmlich da von Ihm gesagt
wird. Es sei der ganzen menschlichen Natur vermittels des Verstandes verbunden.
Und mag auch das Wort Gottes durch Seine Wirkkraft alles durchdringen — alles
bewahrend und tragend —, dennoch kann es den verständigen Geschöpfen, die im
eigentlichen Sinne das Wort voll genießen und Seiner teilhaft sein können, aus einer
gewissen Verwandtschaft der Ähnlichkeit heraus sowohl überragender wie unaussag-
barer geeint werden“ (Übers. nach H. Nachod und P. Stern. Vgl. für diese Darstel-
lung Th. Tschipke, Die Menschheit Christi als Heilsorgan der Gottheit unter
besonderer Berücksichtigung der Lehre des heiligen Thomas von Aquin, Freiburg i. Br.
1940).

Zu dem Einwand, daß in der von den Thomisten gelehrten Weise


die menschliche Natur Christi nur bei leiblicher Berührung wirken
könne, daß aber das Leiden Christi nicht alle Menschen berühren
könne, sagt Thomas von Aquin: Das Leiden Christi hat geistliche
Kraft; diese schöpft es aus der mit ihm verbundenen Gottheit. Es
wirkt durch geistliche Berührung, die durch den Glauben und in den
Sakramenten des Glaubens geschieht (Summa theol. III, Frage 48,
Artikel 6. Vgl. § 169).

$ 155
Jesus Christus als der sich opfernde Hohepriester des Neuen Bundes

Erstes Kapitel
Das Priestertum Christi

I. Der Sinn seines Priestertums

Das sein ganzes Leben hindurch sich vollziehende Mittlertum


Christi ist von einer solchen Fülle, daß wir es von verschiedenen
Seiten betrachten müssen, um eine volle Vorstellung von seinem
Reichtum zu gewinnen. Wir können es uns vergegenwärtigen unter
dem Gesichtspunkt des Opferdienstes, des Sieges über Sünde, Tod und

23 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


354 Jesus Christus als der sich opfernde Hohepriester des Neuen Bundes $ 155

Teufel und der Genugtuung für die in der Sünde liegende Beleidigung
Gottes. Zunächst fassen wir den Tod Christi als Opfer ins Auge.
Als Mittler zwischen Gott und den Menschen ist Christus auch
der Hohepriester des Neuen von Gott aufgerichteten Bundes. Mittler-
tum und Priestertum fallen in ihm zusammen. Als Hoherpriester
bringt er das Opfer dar, durch welches der Neue Bund geschlossen,
die neue Ordnung heraufgeführt wird. Der Vollzug des Opfers, das er
als Hoherpriester des Neuen Bundes darbringt, ist die bedeutsamste
Aufgabe Christi. Durch sein Opfer werden die Zeiten geschieden. Von
seinem Kreuzesopfer geht die neue Welt und Menschheit aus. Mit ihm
sinkt das Alte ins Grab und Neues zieht herauf.
Christus hat die Welt auch durch sein offenbarendes Wort er-
löst. Auch sein Wort ist ja heilschaffendes Handeln am Menschen. Es
ist zwar auch Mitteilung im Sinne der Kenntnisgabe des göttlichen
Mysteriums. Es ist ja die Sinnerhellung dessen, was im Kreuzestode
geschah. Aber es ist darüber hinaus heilswirksame Rede, nicht nur
Erklärung und Ausdeutung dessen, was er tut. Es hat also gewisser-
maßen sakramentale Bedeutung. Das gleiche gilt von den Forde-
rungen Christi. In ihnen ruft er auf zu jenen Gesinnungen und Hand-
lungen, die der neuen durch ihn herbeigeführten Zeit entsprechen,
d.h. zur Nachfolge. Aber die Befehle Christi sind zugleich heilsmäch-
tiges Tun, insofern Christus in ihnen die Menschen ergreift und in sein
eigenes Herrlichkeitsleben hineinzieht. Christus hat uns also erlöst
durch sein Reden und sein Handeln. Sein Reden ist heilsmächtiges Tun
und sein Tun ist vom Geist, ja vom Heiligen Geist geformter Anruf.
Wort und Tun gehören also zusammen. Christus ist das Urwort und
das Ursakrament. (Es dient der Klarheit, wenn man die Kirche, den
mystischen Leib Christi, als Universalwort und Universalsakrament
bezeichnet.) Dem Kreuzesgeschehnis eignet jedoch hinsichtlich der
Heilsdynamik eine überragende Bedeutung. In ihm kommt alles Vor-
ausgehende zur Erfüllung. Der Opfertod umgreift alle Worte und
Handlungen Christi und führt sie zur Vollendung. So kann man sagen:
Durch sein Opfer hat uns Christus umgeschaffen und neugeschaffen
zu guten Werken. Umgekehrt freilich umgreift sein Wort wieder all
sein Tun, auch sein Opfersterben hinsichtlich der authentischen Aus-
legung als eines Heilstuns.
Die grundlegende Bedeutung seines Opfers soll in dieser Dar-
stellung auch äußerlich dadurch zum Ausdruck gebracht werden, daß
das Priestertum Christi an den Anfang und sein Lehrtum und König-
tum an das Ende dieses Kapitels gestellt werden.
S 155 Das Priestertum Christi 355

Das Entscheidende also ist das Opfer, das Christus im Kreuzestod


darbrachte, indem er sich selbst hingab für die Sünden der Welt.
Darin erwies er sich als Hoherpriester. Zum Priester geweiht wurde
er schon durch die Menschwerdung, nicht erst durch die Taufe oder
durch den Kreuzestod. Aber in diesem hat er seine priesterliche Auf-
gabe erfüllt.
Es ist Glaubenssatz: Christus ist seit der Menschwerdung nach
seiner menschlichen Natur der wahre und einzige Priester des Neuen
Bundes. (Kirchenversammlung von Ephesus D. 122.)

I. Das Schriftzeugnis
Für das Verständnis dessen, was der Hebräerbrief bezeugt, ist es
wichtig, seine Grundabsicht ins Auge zu fassen. Er will der von Glau-
bensschwäche und von Verständnislosigkeit gegenüber dem schmach-
vollen Kreuzestode Jesu Christi gefährdeten und von äußeren Ver-
folgungen bedrückten Gemeinde zu Hilfe kommen. Dies leistet er
durch die Ausarbeitung einer heilsgeschichtlich bestimmten Glaubens-
theologie und durch eine ebenfalls heilsgeschichtlich fundierte Aus-
legung des Kreuzestodes Jesu Christi. Er stellt die Kontinuität zwi-
schen dem alttestamentlichen Kult und dem Sterben Jesu Christi in
das Licht. Der Tod von Golgotha war durch die alttestamentlichen
Opfer letztlich immer gemeint. Nach dem Hebräerbrief wurde im alten
Bunde die Existenz des Glaubenden immer schon verwirklicht. Jetzt
soll sie im Kulminationspunkt der Heilsgeschichte realisiert werden.
Der Inhalt dieses Glaubens ist das Geheimnis des Hohenpriestertums
Jesu Christi. Dieses ist der zentrale Inhalt des Briefes. Weil der
Ärgernischarakter des Kreuzes den Glauben gefährdet, liegt dem Ver-
fasser alles daran, das Ärgernis wegzuräumen. Dies erreicht er, indem
er zeigt, daß der Kreuzestod Jesu Christi als die eigentliche, von Gott
seit jeher intendierte hohepriesterliche Funktion Jesu Christi zu ver-
stehen ist. Der Tod ist untrennbar mit der Herrlichkeit des endgülti-
gen Heiles verbunden. Die alttestamentliche Kultordnung kann man
nur dann richtig verstehen, wenn man sie als den Typus des zur
Herrlichkeit führenden Heilswerkes Jesu Christi versteht. Den Tod
Jesu Christi kann man nur verstehen, wenn man ihn als die über-
höhende Erfüllung des ganzen alttestamentlichen Kultes versteht. Das
Rückgrat, welches Altes und Neues verbindet, ist die „Blutregel“.
„Ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung“ (Hebr 9, 22). „Chri-
stus aber, der als Hoherpriester der künftigen Güter kam, ist... durch

23*
356 Jesus Christus als der sich opfernde Hohepriester des Neuen Bundes $ 155

sein eigenes Blut ein für allemal in das Heiligtum eingegangen und
hat ewige Erlösung gefunden“ (Hebr 9, 11f.). Vom Typus her wird
verständlich, daß der Hebräerbrief den Kreuzestod als das einmal
dargebrachte Opfer bezeugt und daß er ein im Himmel fortdauerndes
hohepriesterliches Tun Christi bezeugt (Hebr 7, 25. 27; 9, 28; 10, 10.
Siehe O. Kuss, Der theologische Grundgedanke des Hebräerbriefes.
Zur Deutung des Todes Jesu im NT, in: O. Kuss, Auslegung und Ver-
kündigung I, Regensburg 1963, 281—328. Der Beitrag in: Münch.
Theol. Ztschr. 7, 1956, 233—271).
Das wesentliche neutest. Zeugnis des Priestertums Christi bietet
der Hebräerbrief. Zum Priester ist er von Gott berufen. „Jeder (alttest.)
Hohepriester wird aus den Menschen genommen und für die Menschen
bestellt in ihren Angelegenheiten bei Gott, um Gaben und Opfer für
ihre Sünden darzubringen. Er muß mit Unwissenden und Irrenden
mitfühlen können, weil er selbst mit Schwachheit behaftet ist. Des-
wegen muß er, wie für das Volk, so auch für seine eigenen Sünden
Opfer darbringen. Niemand darf sich selbst die Würde nehmen, son-
dern er muß wie Aaron von Gott berufen werden. So hat auch
Christus sich nicht selbst die Würde zugeeignet, Hoherpriester zu sein,
sondern der gab sie ihm, der zu ihm gesprochen hat: Mein Sohn bist
du, heute habe ich dich gezeugt. Und an einer anderen Stelle sagt er:
Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedech. In
den Tagen seines Erdenlebens brachte er unter lautem Aufschrei und
unter Tränen flehentliche Gebete vor den, der ihn vor dem Tode be-
wahren konnte. Und er fand Erhörung wegen seiner Gottesfurcht.
Wohl war er der Sohn (Gottes). Aber dennoch lernte er in seinem
Leiden Gehorsam. So kam er zur Vollendung und wurde für alle, die
ihm folgen, der Urheber des ewigen Heiles und ward von Gott als
Hoherpriester nach der Ordnung des Melchisedech bezeichnet“ (Hebr
5, 1—10). Von ihm können wir Hilfe erwarten, weil er ein barm-
herziger und treuer Hoherpriester bei Gott ist, der des Volkes Sünden
zu sühnen vermag. Er kennt die Schwächen der menschlichen Natur,
weil er selbst an ihnen teilnimmt (Hebr 2, 16ff.). Nur eine Aus-
nahme gibt es von dieser Gemeinschaft: Er ist zwar in allem ebenso
versucht worden wie wir, die Sünde aber hat ihn nicht bedroht
(Hebr 4, 14 ff.). Seine Macht als Hoherpriester ist darin begründet,
daß er der Sohn Gottes ist (Hebr 4, 14). Er gibt uns daher den Mut,
mit Zuversicht zum Throne der Gnade hinzuzutreten, damit wir Barm-
herzigkeit erlangen und Gnade finden (Hebr 4, 16). Er ist der große
Priester über das Haus Gottes (Hebr 10, 21).
§ 155 Das Priestertum Christi 357

Die Absicht des Hebräerbriefes zielt, wie schon betont wurde


(S. 355), dahin, das Ärgernis des Todes Christi einer im Glauben er-
mattenden Gemeinde neu verständlich zu machen, indem er das Kreuz
Christi auf dem glanzvollen Hintergrund des alttestamentlichen Kultes
deutet (O. Kuss, a. a. O., 283).
Neben dem Priestertum Christi kann kein anderes mehr bestehen.
Sein Priestertum ist das Ende des alttestamentlichen. Auch dieses war
von Gott eingesetzt. Die alttestamentlichen Priester brachten nach
Gottes Anordnung zur Sühne ihrer eigenen Sünden und der Sünden
des Volkes Opfer mannigfachster Art dar. In den Gabenopfern, mögen
sie blutig oder unblutig gewesen sein, wurde Gott durch Dahingabe
menschlichen Besitzes als der Herr anerkannt, dem die Schöpfung
und auch das sich selbst gehörende menschliche Ich hörig ist, als der
Heilige, der die Sünde richtet, als der Barmherzige, der ein Gericht
der Gnade hält. In den Speiseopfern versuchten die Opfernden in
Gemeinschaft mit ihm zu treten. Diese Opfer konnten freilich die
Sünde nicht wirklich vernichten und die Gerechtigkeit und Heiligkeit
nicht wirksam herbeiführen (Hebr 10, 1—4). Sie hielten vielmehr das
Bewußtsein der Sünde wach und verwiesen auf die Zukunft. Sie waren
Erinnerungszeichen der Gegenwart des gerechten und barmherzigen
Gottes und Verheißungszeichen der zukünftigen Erfüllung. Darum
bedurfte es einer ständigen Wiederholung der Opfer. Dieser unvoll-
kommene Opferdienst konnte aber nur bleiben bis zur Zeit der Neu-
ordnung (Hebr 9, 1-10). Erst recht gilt dies vom außerbiblischen Opfer-
wesen. Als die neue Zeit anbrach, waren sie veraltet und vergreist und
mußten mit dem gesamten alttestamentlichen Priestertum verschwin-
den (Hebr 8, 13). Christus ist ein anderer Priester als alle anderen: Er
ist „heilig, schuldlos, rein, nicht aus der Reihe der Sünder, sondern
über die Himmel erhaben: er hat nicht wie die anderen Hohenpriester
Tag für Tag nötig, zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen
und dann für die Sünden des Volkes“ (Hebr 7, 26 f.). Er ist Priester
nicht nach der Ordnung Aarons, sondern nach jener des Melchisedech.
Er ist nicht Priester auf Grund seiner leiblichen Abstammung, wie es
die alttestamentlichen Priester waren, sondern auf Grund seiner himm-
lischen Herkunft, die unvergängliches Leben verbürgt. Sein Priester-
tum ist unbedingt und ewig, während das alttestamentliche unvoll-
kommen und begrenzt ist. Auch dieses ist zwar von Gott eingesetzt.
Aber Gott schafft es wieder ab. Die Unvergänglichkeit des Priester-
tums Christi verbürgt Gott durch einen Eidschwur. Weil Christus
unvergängliches Leben hat, darum bedarf es auch keines anderen
Priesters mehr (Hebr 7, 11—25).
358 Jesus Christus als der sich opfernde Hohepriester des Neuen Bundes S 155

Zweites Kapitel
Christi Tod als Opfer

I. Die kirchliche Lehre

Seinem vollkommenen Priestertum entspricht sein vollkommenes


Opfer. Es ist ein vom Heiligen Geist geweihtes und in seiner Kraft
dargebrachtes Opfer (vgl. Hebr 9, 14). Die Tatsache des Opfers ist
Glaubenssatz: Christus hat durch die freiwillige Hingabe seines Lebens
am Kreuz ein wahres und eigentliches Opfer dargebracht und da-
durch die gefallene Menschheit mit Gott wieder ausgesöhnt (Kirchen-
versammlung von Ephesus [D. 122], von Trient (22. Sitzung, 1. Kap.
[D. 938]; 2. Kap. [D. 940]; 5. Sitzung 3. Kanon [D. 790]. Verwerfung der
sozinianischen Irrtümer durch Paul IV. im Jahre 1555 [D. 933], der
modernistischen Anschauungen [D. 2038], Rundschreiben Miserentissi-
mus Redemptor vom Jahre 1928 [NR. 314], allgemeine kirchliche Lehr-
verkündigung). Der Tod Christi ist ein geschichtliches Ereignis und
kann als solches aus den geschichtlichen Verwicklungen erklärt wer-
den. Würde man ihn jedoch nur im Zusammenhang des Ablaufes der
Geschichte nach Art anderer geschichtlicher Ereignisse verstehen, dann
würde man das Entscheidende übersehen, seinen Charakter als Heils-
mysterium, als heilshaftes Opfer. Der Tod Christi ist ein Beispiel des
unbedingten Gehorsams und Einsatzes und zugleich ein Mysterium
unseres Heiles, insofern er Opfertod ist. Als solcher wird er von der
Schrift bezeugt und ausgelegt. Es ist eine Offenbarungswahrheit, daß
Christi Tod am Kreuze nicht eine Hinrichtung war, wie viele statt-
fanden, sondern das Opfer des Herrn für die Rettung der Menschen
aus der Sünde.

II. Das Schriftzeugnis

A. Der Hebräerbrief
Wieder gibt der Hebräerbrief das ausführlichste Zeugnis. Die
Opfergabe ist Christus selbst. Sie ist makellos, geweiht und geheiligt
durch die Vereinigung mit dem göttlichen Logos (Hebr 9, 14; 10, 5 f.).
Dieses Opfer ist ein für allemal geschehen. Es verträgt und es braucht
keine Wiederholung (Hebr 7, 27; 9, 12; 10, 10). Es ist einmal voll-
zogen worden und hat Kraft für immer. Es ist das letzte, das voll-
kommene Opfer. „Nun ist er ein für allemal in der Endzeit erschienen,
S 155 Christi Tod als Opfer 359

um durch das Opfer seiner selbst die Sünde zu tilgen. Wie dem
Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, worauf das Gericht folgt,
so hat sich auch Christus einmal zum Opfer dargebracht, um die
Sünden der vielen hinwegzunehmen. Wenn er wiederum kommt, wird
er mit der Sünde nichts zu schaffen haben. Dann erscheint er zum Heile
derer, die auf ihn harren“ (Hebr 9, 25—28). In diesem einmaligen
Tod geschah das Mysterium des Heiles. Ein immer wieder aufs neue
sterbender und sich opfernder, ein seinen Tod immer von neuem
wiederholender Christus wäre kein Heilsmysterium, sondern ein
Mythus (vgl. G. Söhngen, Der Wesensaufbau des Mysteriums, Bonn
1938, 14). Dieses Opfer wirkt, was die alt und greisenhaft gewordenen
nicht wirken konnten: Sühne der Übertretungen, Reinigung der Ge-
wissen und Heiligung (Hebr 9, 9. 14 f.; 10, 10). Christus ist mit seinem
eigenen Blute, nicht mit dem Blute von Tieren, in das Allerheiligste
hineingegangen und hat sich niedergelassen zur Rechten der Majestät
Gottes (Hebr 9, 7. 22£.; 8, 1). Dort tritt er, der durch das Todesopfer
hindurch zur Herrlichkeit gekommen ist, immer für uns ein (Hebr
8, 1—7). Dahin hat er nun denen, für die er sich opferte, die Bahn
frei gemacht. Sie brauchen nicht mehr bei Vorletztem stehen zu
bleiben (Hebr 9, 8). Sein Todesopfer hat uns das Erbe, die höheren
Güter zugänglich gemacht (Hebr 9, 15. 11. 24). Auf ihn richtet sich
daher die Hoffnung. Sie ist wie ein fester und sicherer Anker unseres
Lebens (Hebr 6, 19 f.).
Nach dieser Schilderung des Hebräerbriefes ist für Christus der
Tod nicht ein bloßes Erleiden, dem er nicht entrinnen kann, ein
Verhängnis, das über ihn hereinbricht, sondern eine Gehorsamstat,
ein Werk, der Vollzug seines Selbstopfers, die Tat seiner Hingabe.
Er ist auch nicht bloß ein heldenhaftes Sterben in einer hoffnungs-
losen Lage, nicht die bereitwillige Übernahme eines unentrinnbaren
Schicksals, sondern die freiwillige Überantwortung seines Selbst in
den Tod für das Leben der Welt. Mit gesammelter Kraft und bereitem
Herzen ging Christus auf den Tod zu und in den Tod hinein. Der Tod
kam nicht über ihn, sondern Christus schritt in freier Hingabe durch
den Tod hindurch zur Herrlichkeit. Es war ein Zeichen nicht der Ohn-
macht, sondern der Kraft, daß er am Kreuze starb. Er, der gekommen
ist, damit die Menschen das Leben haben und damit sie es in Fülle
haben (Jo 10, 10), der lebendig macht, wen er will (Jo 5, 21), hat die
Macht, sein Leben hinzugeben und die Macht es wiederzunehmen.
Niemand vermag es ihm zu entreißen. Er gibt es freiwillig hin (Jo
10, 18).
360 Jesus Christus als der sich opfernde Hohepriester des Neuen Bundes S 155

B. Die synoptischen Evangelien

In den synoptischen Evangelien wird der schmachvolle Tod Jesu


Christi („sein Ende am Galgen“) noch nicht mit der gleichen Aus-
führlichkeit, wie im Hebräerbrief, wohl aber mit hinreichender Deut-
lichkeit als Erlösungstod und als Opfertod bezeugt.
Bezeichnend ist, daß Christus seinen Tod dreimal vorausgesagt hat.
Nachdem Petrus Christi Messiastum bekannt hatte — es ist das erste
Mal, daß ein Mensch dem Glauben daran Ausdruck gibt —, „fing er
an, sie (die Jünger) zu belehren, daß der Menschensohn vieles leiden
müsse und von den Ältesten, den Hohenpriestern und Schriftgelehrten
verworfen und getötet werde, aber nach drei Tagen wieder auferstehen
werde“ (Mk 8, 31). Offen und gerade heraus hat Christus seinen
Jüngern das wahre Wesen seines Messiastums mitgeteilt. „Die
Gegenwehr des natürlichen Menschen gegen das göttliche Geheim-
nis vom leidenden Messias beginnt im selben Augenblick, da Gott es
offenbart; bis zur Stunde hat dieser Widerstand noch nicht aufgehört.
Petrus aber macht sich wieder zum Sprecher für alle. Er kann das
Leidensgeheimnis nicht fassen — die Auferstehung überhört er da-
neben — und wagt, von seinem ungestümen Temperament hingerissen
und darüber den Unterschied zwischen dem Meister, ja dem Messias
und dem Jünger ganz übersehend, den Versuch, Jesus den Gedanken
an das Sterben-Müssen auszureden. Er muß aber dafür eine überaus
scharfe Zurückweisung vor den Augen der ebenso denkenden übrigen
Jünger hinnehmen. Was Petrus will, macht ihn zum Versucher für
Jesus (vgl. Mt 16, 23), zum Satan, weil er sich dadurch in direkten
Gegensatz zu dem stellt, was Gott will. Und deshalb schleudert ihm
Jesus das nämliche Wort entgegen wie dem teuflischen Versucher,
der ihn zum Abfall von dem Auftrag seines Vaters hatte verleiten
wollen (Mt 4, 10)“ (J. Schmid, Das Markusevangelium, Regensburg
1958, z.St.). Als er sich zur letzten Reise nach Jerusalem aufmacht, wo
der Tod auf ihn wartet, belehrt er seine Jünger zum zweiten Male über
sein Leiden: „Der Menschensohn wird in die Hände der Menschen
überliefert werden. Sie werden ihn töten, aber drei Tage nach seinem
Tode wird er auferstehen“ (Mk 9, 31). Mit einer bis ins einzelne ge-
henden Genauigkeit sagt Christus seinen Jüngern ein drittes Mal sein
Leiden voraus, als sie auf dem Wege hinauf nach Jerusalem sind. Die
Bereitschaft zum Tode beschleunigt die Schritte Jesu. Die Jünger sind
bestürzt über seine Entschlossenheit und folgen ihm nur bangen Her-
zens. Da sagt er den Zwölfen, was ihm bevorstehe: „Seht, wir ziehen
§ 155 Christi Tod als Opfer 361

hinauf nach Jerusalem. Da wird der Menschensohn den Hohenprie-


stern und Schriftgelehrten (und den Ältesten) überliefert werden, und
sie werden ihn zum Tode verurteilen und den Heiden ausliefern.
Diese werden ihn verspotten, anspeien, geißeln und töten. Doch nach
drei Tagen wird er auferstehen“ (Mk 10, 33£.; siehe auch Jo 2, 18—22).
Über diese Leidensweissagungen führt das Wort Jesu hinaus,
daß er seinen Leib als Lösegeld für die vielen hingeben wird. Er ist
nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen, ja sein
Leben zu geben als Lösepreis für die vielen (Mt 20, 28). Er hat die
Gemeinde Gottes erworben mit seinem eigenen Blut (Apg 20, 28). Er
allein wird das Leben der Menschen von Gott zurückkaufen durch
seinen Tod. Die da von dem Einen losgekauft werden sollen, sind
viele. Denn es sind alle Menschen. Der jüdisch-diesseitige Sinn seiner
Jünger versteht das Wort vom Sühnetod des Messias ebensowenig wie
das Wort von seinem Leiden überhaupt, ja noch weniger: Der Ge-
danke, daß das ganze Volk der Befreiung von der Sünde bedürfe, war
ihnen fremd (Mk 10, 45; Mt 20, 28; Jo 8, 33). Aber es bleibt dabei: Er
wird seinen Leib hingeben für die sündigen Menschen und sein Blut
vergießen zur Vergebung der Sünden. Darin wird der Neue Bund, die
neue Gottesordnung, aufgerichtet werden (Lk 22, 19 f.; Mk 14, 22 ff.;
Mt 26, 26 ff.; eine genauere Besprechung dieser Stellen siehe in der
Lehre von der Eucharistie). Beim Letzten Abendmahl nahm Christus
seinen Opfertod vorweg. Dieses Mahl bedeutete nicht die Einleitung
zum Kreuzesopfer, sondern es war die Gegenwärtigsetzung, die Vor-
wegnahme des am nächsten Tag zu vollziehenden Opfers, so wie das
Meßopfer die Gegenwärtigsetzung, die Gedächtnisfeier des vollzoge-
nen Kreuzesopfers ist. Die von Christus beim Letzten Abendmahl ge-
sprochenen Worte sind das wichtigste Zeugnis für seinen Opfertod
(auch hierüber Näheres bei der Besprechung der Eucharistie; Së 254
und 262).

C. Paulus
Der Tod Christi, seine Hinrichtung am Kreuze, gehört zum in-
nersten Kreis des paulinischen Evangeliums. Paulus predigt den Ge-
kreuzigten den Korinthern und den Galatern (1 Kor 2, 2; Gal 3, 1; 6,
14) und läßt sich nicht zu einer Verkündigung durch „Weisheitsrede“
verführen, obwohl er weiß, daß die Botschaft vom Kreuze den Juden
ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit ist (1 Kor 1, 23). Der Sinn
des Todes Christi erschließt sich von der Auferweckung Christi her
(1 Kor 15, 5—8). Tod und Auferweckung gehören in der paulinischen
362 Jesus Christus als der sich opfernde Hohepriester des Neuen Bundes § 155

Theologie zusammen. Für das paulinische Verständnis des Todes


Christi ist von fundamentaler Bedeutung der Begriff des Opfers,
näherhin des Sühneopfers, der bei ihm in verschiedenen Formulie-
rungen auftritt.
Wenn der Tod Christi, wie in den synoptischen Evangelien deut-
lich bezeugt wird, Opfertod ist, so gehört auch dies zu den Wirk-
lichkeiten, die Paulus aus der Überlieferung empfangen hat (1 Kor
15, 3). Wenn Christus der Schrift gemäß gestorben ist (1 Kor 15, 3),
so vollbrachte er sein Opfer. Paulus bezeugt, daß es eine vom Herrn
selbst kommende Botschaft ist — auch diese hat er den Korinthern
verkündigt —, daß Jesus „in der Nacht, in der er verraten wurde,
Brot nahm, dankte, es brach und sprach: Das ist mein Leib, der für
euch hingegeben wird, daß er nach dem Mahle den Kelch nahm und
sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blute“ (1 Kor 11,
23 ff.). Christi Leib ist Opferleib, sein Blut ist Opferblut. Er ist das
Osterlamm, das geschlachtet worden ist (1 Kor 5, 7). Darin erfährt
Paulus die Wende der Welt und seines eigenen Daseins, daß der am
Kreuze Geopferte in sein Leben eintrat. Die personale geistliche Macht,
die ihn durchherrscht (Gal 1,4; 2, 20), ist jener, der in der Zeit, da
alle gesündigt und der Herrlichkeit Gottes ermangelt hatten, von Gott
als Sühneopfer für unsere Sünden aufgestellt wurde, durch den Glau-
ben in seinem Blute, auf daß Gottes Gerechtigkeit erwiesen und unsere
Gerechtigkeit geschaffen wurde (Röm 3, 23 ff.). Er hat sich als Löse-
geld für alle dahingegeben (1 Tim 2, 6). Nun kann die Sünde nieman-
den mehr verderben, der an den glaubt, der unsern Herrn Jesus Chri-
stus von den Toten auferweckt hat, ihn, der um unserer Sünden willen
dahingegeben ward und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt
wurde (Röm 4, 24 f.). Die an ihn glauben, tragen das Siegel des Heili-
gen Geistes. Sie sind berufen zum Wandel in der Liebe, fern von jeder
Bosheit. Denn sie sollen leben in Christus, der sich als Opfer hingege-
ben hat, Gott zum lieblichen Wohlgeruch (Eph 5, 2. 25). Christus hat
ja seine Kirche geliebt und sich für sie hingegeben, um sie zu heiligen
(Eph 5, 25 f.). Im Briefe an Titus (Tit 2, 11—14) gibt der Apostel eine
Mahnung zu einem aus der Weltverhaftung befreiten und durch die
Christuszugehörigkeit bestimmten Leben, indem er auf die heils-
geschichtlichen Hauptereignisse, Menschwerdung, Erhöhung und Wie-
derkunft Christi, verweist und seinen Opfertod als die Mitte dieses
geschichtlichen Ganzen hinstellt. „Denn erschienen ist die Gnade un-
seres Gottes als Heilbringerin für alle Menschen, indem sie uns er-
zieht, die Gottlosigkeit und die sittlichen Gelüste zu verneinen und
& 155 Christi Tod als Opfer 363

selbstbeherrscht, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben, in Er-


wartung der seligen Hoffnung und der Erscheinung der Herrlichkeit
unseres großen Gottes und Heilandes Christus Jesus, der sich für uns
dahingab, um uns von aller Ungerechtigkeit loszukaufen und sich ein
ihm zu eigen gehörendes, von Eifer zu guten Werken erfülltes Volk
zu reinigen“ (übersetzt nach J. Freundorfer, Die Pastoralbriefe, Re-
gensburg 1959, 300 f.). Nach diesem Tod war der Schmachtod von
Golgotha ein Opfersterben, durch welches der von der Sünde wie von
einer tyrannischen Macht gefesselte Mensch aus dem Gefängnis los-
gekauft wurde (vgl. 1 Petr 1, 18).
Häufig spricht Paulus davon, daß Christus „für“ die Menschen
gestorben ist (Röm 5, 6ff.; 8, 32; 14, 15; 1 Kor 11, 24; 2 Kor 5, 14f.;
Gal 2, 20). Dieses „für“ bedeutet bald soviel wie „zugunsten“, bald
soviel wie „an Stelle von“; in der Regel sind die beiden Bedeutungen
eng miteinander verbunden. Der Gedanke einer Art juristischer Stell-
vertretung ist im zweiten Korintherbrief ausgesprochen, wenn es
heißt (2 Kor 5, 14): „Einer ist für alle gestorben, folglich sind alle
gestorben.“ Was die nähere Ursache für die sich selbst opfernde Hin-
gabe Jesu betrifft, so beschreibt sie Paulus mit der Wendung „für
unsere Sünden“. Jesus Christus hat sich hingegeben für unsere Sünden
(Gal 1, 4). Er ist gestorben für unsere Sünden (1 Kor 15, 5), d.h. weil
wir Sünden haben und um diese unsere Sünden zu sühnen (vgl. Röm
4, 25; 8, 3). In dem ersten Schreiben an die Korinther (1 Kor 5, 7) wird
der Tod Jesu Christi als Schlachtopfer bezeichnet, das ebenso wie das
Passalamm des Passafestes, bzw. das Passalamm des Auszugs eine neue
Zeit einleitet oder symbolisiert (O. Kuss, a.a. O. [siehe S. 356], 289—304).
Eine gewisse Einführung zu der Deutung des Todes Jesu als eines
sühnenden Opfertodes darf man im ganzen alttestamentlichen Kult-
und Opferwesen sehen, dem der Sühnegedanke zugrunde lag. In den
späteren Zeiten des Alten Testamentes, namentlich in der makkabä-
ischen und dieser unmittelbar vorausgehenden Periode wird der Ge-
danke ausgesprochen, daß Leiden und Tod des Martyrers nicht nur
seine eigenen Sünden sühnen, sondern auch und vor allem dem Volke
Gottes Gnade erwirken (vgl. 2 Makk 6, 12—17; 7, 37 f.; besonders klar
entfaltet in der nichtkanonischen Schrift 4 Makk 1, 11). Das Judentum
zur Zeit Jesu hat freilich nicht mit einem stellvertretend für die Sün-
der leidenden und sterbenden Messias gerechnet. Gerade deshalb war
die Bestürzung der Jünger so groß (O. Kuss, a. a. O., 291 ff.).
Man ersieht aus den paulinischen Texten, mit welcher Sicherheit
Paulus aus der Wirklichkeit des Opfertodes Christi lebte. Das war für
364 Jesus Christus als der sich opfernde Hohepriester des Neuen Bundes § 155

ihn keine Wahrheit, die man bloß zur Kenntnis nimmt, bejaht und in
ein geordnetes Gefüge von anderen Lehren einreiht, sondern die das
Leben formende und gestaltende Macht. Darüber hat er auch gar keine
Meinungsverschiedenheit mit seinen Lesern. Darin ist er mit ihnen
eins, daß er und sie aus der gleichen Wirklichkeit, aus dem Opfer
Christi leben. Worauf es ihm ankommt, ist etwas anderes: Wie voll-
zieht ein Mensch, der aus dem Opfertod Christi existiert, seinen All-
tag? Die gleiche Erscheinung sehen wir im Galaterbrief. Vom Opfer-
tode Christi braucht er nicht viel zu sagen. Denn davon sind die
Galater und Paulus mit der gleichen Lebendigkeit erfüllt. Er muß
ihnen etwas anderes auseinandersetzen: Wie steht der, welcher aus
dem Kreuze Christi lebt, zum alttestamentlichen Gesetz? So kommt
er bloß im Vorbeigehen auf Christi Tod zu sprechen. Wenn die Ga-
later hierüber auch keiner Belehrung bedürftig sind, so kann er,
wenn er schon den Namen Christi in den Mund nehmen muß, doch
nicht ganz davon schweigen, was er und die Galater diesem Namen
verdanken: „Gnade euch und Friede von Gott unserem Vater und dem
Herrn Jesus Christus, der sich für unsere Sünden hingegeben hat, um
uns aus dem gegenwärtigen bösen Weltalter herauszunehmen nach
dem Willen Gottes und unseres Vaters“ (Gal 1, 3f.; Übers. nach
O. Kuss, Die Briefe an die Römer, Korinther und Galater, Regensburg
1940, 252. Über den tiefgreifenden Unterschied zwischen dem pauli-
nischen Christuszeugnis und den außerbiblischen Mysterienreligionen
wird in der Lehre von den Sakramenten das Notwendige gesagt wer-
den. Vgl. zunächst W. Tr. Hahn, Das Mitsterben und Mitauferstehen
mit Christus bei Paulus, Gütersloh 1937).

D. Johannes
Was Paulus bezeugt, haben nach dem Zeugnis des Johannes-
evangeliums die zur Zeit Jesu Lebenden aus dem Munde des Täufers
gehört. Am Tage, nachdem die Abgesandten aus Jerusalem zu ihm
gekommen waren, um ihn wegen seiner Predigt und Taufe zu be-
fragen, deutete er auf Christus hin mit dem Worte: „Siehe, das Lamm
Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt“ (Jo 1, 29). Dieses
Wort erinnerte die Schriftkundigen an die Schilderung, die Isaias
vom Messias gab (Is 53, 6f.): „Wie Schafe irrten wir alle umher. Jeder
ging seinen eigenen Weg. Der Herr aber legte auf ihn die Sünden-
schuld von uns allen. Er wurde mißhandelt, doch gab er sich willig
drein, tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtung
geführt wird. Wie ein Schaf, das vor seinen Scherern verstummt, tat
§ 155 Christi Tod als Opfer 365

er den Mund nicht auf.“ Dort ist der Messias als Gottesknecht voraus-
verkündet, der unsere Krankheiten trägt und unsere Schmerzen auf
sich nimmt (Is 53, 4), der die Sünden der vielen trägt (Is 53, 12).
Christus ist das Osterlamm des Neuen Bundes, das geschlachtet wird
für die Sünden der Welt (Offb 5, 12; Apg 8, 32). Darum sind die,
welche an ihn glauben, ohne Sünde. Aber auch wenn sie eine
Sünde der Schwachheit begehen, haben sie einen Fürsprecher beim
Vater, Jesus Christus den Gerechten. Er wird es an Fürsprache nicht
fehlen lassen. Ist er doch das Sühneopfer für unsere Sünden, ja, nicht
bloß für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt (1 Jo 2, 2).
Darin sind wir der Liebe Gottes gewiß, daß er seinen Sohn als Sühne-
opfer für unsere Sünden gesandt hat (1 Jo 4, 10).

E. Der erste Petrusbrief


Im ersten Petrusbrief laufen viele Linien aus dem Alten Testa-
ment und aus anderen neutestamentlichen Schriften zusammen. Der
Haupttext zu unserer Frage lautet (1 Petr 1, 17—21): „Und wenn ihr
den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person nach eines jeden
Werk richtet, so wandelt in Furcht die Zeit eurer Fremdlingschaft. Ihr
wisset ja, daß ihr nicht mit vergänglichen Dingen, Gold oder Silber,
losgekauft wurdet aus eurem nichtigen, von den Vätern überlieferten
Wandel, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, gleichsam eines
fehler- und makellosen Lammes, ausersehen vor Grundlegung der Welt,
offenbart aber am Ende der Zeiten um euretwillen, die ihr durch ihn
gläubig seid an Gott, der ihn von den Toten erweckte und ihm Herr-
lichkeit gab, auf daß euer Glaube und eure Hoffnung sich auf Gott
richten“ (übers. nach K. H. Schelkle, Die Petrusbriefe, Freiburg-Basel-
Wien 1961, 47). In diesem Text werden die (heidenchristlichen) Leser
ermahnt, im Bewußtsein ihrer Erlösung und des hohen Erlösungs-
preises in Dankbarkeit, Freude und Ehrfurcht vor Gott zu wandeln.
Der ungenannte Empfänger des Lösegeldes ist Gott der Vater. Die
Menschen wurden durch das Lösegeld von dem Zustand eines nich-
tigen Wandels, d.h. eines Wandels ohne Gott befreit (vgl. Röm 8, 20;
1 Kor 3, 20; Eph 4, 14). In das Bild vom Loskauf ist die Vorstellung
von der sühnenden Kraft des Opferblutes eingegangen. Beide Vor-
stellungen hängen eng zusammen (vgl. 1 Kor 6, 20; Offb 5, 9). Chri-
stus wird hierbei auf alttestamentlichen Hintergrund ähnlich wie im
Johannesevangelium als Opferlamm verstanden. In der Leidenstheo-
logie des Neuen Testamentes ist ja Christus das Passaopfer (Jo 19, 36;
1 Kor 5, 7). Das gesetzliche Passaopfer aber ist das Lamm. In der
366 Jesus Christus als der sich opfernde Hohepriester des Neuen Bundes $ 155

Johannesoffenbarung wird Christus sogar 28mal das „geschlachtete


Lamm“ genannt. Christus ist das vollendete Opferlamm und das
wahre Opfer, in welchem alle alttestamentlichen Opfer ihr Ziel er-
reichen (vgl. 1 Petr 2, 22 ff. Einschlägige Vätertexte siehe im nächsten
Paragraphen).

Drittes Kapitel
Der innere Vorgang beim Kreuzesopfer
Wenn man sich den inneren Vorgang beim Kreuzesopfer Christi
erklären will, dann läßt sich folgendes sagen:
Man darf, um das Opfergepräge des Kreuzestodes Christi zu
beweisen, nicht ausschließlich und einseitig von den durch die Reli-
gionsgeschichte festgestellten Opfern ausgehen, aus ihnen die zu einem
Opfer gehörigen Bestandteile aufzeigen, um dann zu erklären, daß
sie sich auch beim Kreuzestode Christi finden. Denn das Kreuzesopfer
darf nicht gemessen werden an den von der Religionsgeschichte
festgestellten religiösen Opfern, sondern das Kreuzesopfer ist das
Maß aller sonstigen Opfer. Wieso der Kreuzestod ein Opfer ist, muß
erstlich aus ihm selbst erklärt werden. Er ist als solches durch die
Offenbarung bezeugt. Dieses Zeugnis bedarf keiner Ergänzung durch
die religionsgeschichtliche Forschung. Doch ist diese für das Ver-
ständnis des Kreuzesopfers nicht ohne Bedeutung. Denn sie bietet eine
allgemeine und unbestimmte Vorstellung vom religiösen Opfer. Daran
zeigt sich der Abstand und die wesentliche Verschiedenheit des Kreu-
zesopfers von jedem sonstigen Opfer. Zugleich wird deutlich, daß das
Kreuzesopfer die Erfüllung aller anderen Opfer ist.
Von grundlegender Bedeutung für das Verständnis des Opfer-
todes Christi ist die mehrfache Versicherung der Schrift, daß sich
Christus in Gehorsam und Liebe hingegeben hat (vgl. Mk 10, 45).
Sein Tod war eine Tat des Gehorsams gegen Gott und seiner Liebe
zum Vater und zu den Menschen. Er war der höchste Ausdruck der
vorbehaltlosen Hingabe an Gott. Christus vollzog jene Gesinnung,
welche die ersten Menschen in Ungehorsam und Selbstherrlichkeit
verleugnet haben. Sie ist die Gott dem Schöpfer und Herrn gegen-
über allein geziemende Haltung.
Auch bei den alttestamentlichen Opfern war die Betätigung des
Gehorsams die eigentliche von Gott geforderte Glaubenstat. Der äus-
sere Opfervorgang war der Ausdruck der inneren Haltung und hatte
nur Wert, sofern er dies war. In der Hingabe, in der Weggabe eines
S 155 Der innere Vorgang beim Kreuzesopfer 367

dem Menschen gehörigen, seinem Leben dienenden Gegenstandes an


Gott wird das Herrsein Gottes anerkannt. Besonders deutlich wird
Gottes Oberherrschaft in der Vernichtung zum Ausdruck gebracht.
Sie gehört aber nicht notwendig zum Opfer. Gott hat unbedingtes
Verfügungsrecht. Ihm gehört alles. Ihm hat alles zu gehorchen. Ihm
unterwirft sich der Mensch durch das Opfer. Dabei gibt er seine
Selbstherrlichkeit auf.
Die Hingabe endet aber nicht in sich. Sie ist auch Durchgang,
Hinübergang, Eintritt in die Sphäre Gottes. Die Opfergabe wird ver-
wandelt. Sie verläßt den Zustand des kümmerlichen, armseligen Da-
seins, um Anteil zu bekommen an der Fülle des göttlichen Seins. Auch
wenn sie zerstört wird, geschieht es, damit sie in einen neuen Seins-
zustand hinübergelangt. Diese Vorstellung wird noch deutlicher, wenn
man bedenkt, daß die Opfergabe immer Sinnbild des Menschen ist,
der sich an Gott hingibt. Sie vertritt immer den Opfernden. Die
Opferung der Gabe ist Sinnbild und Ausdruck der Hinopferung des
menschlichen Selbst. Indem der Mensch sich an Gott hingibt, indem
er sich selbst läßt, seine Eigenwilligkeit und Selbstherrlichkeit preis-
gibt und sich Gott überantwortet, gewinnt er Anteil an der Heiligkeit
und Herrlichkeit Gottes und dadurch seine Vollendung (vgl. Bd.
Dee
Die Selbsthingabe wird um so intensiver versinnbildet, je höher
die versinnbildende Gabe ist, je notwendiger sie für das individuelle
oder gemeinschaftliche Leben ist. So wurde z.B. das Lamm und zwar
das männliche Lamm, der Widder, auch im außerbiblischen Bereich
als das Sinnbild kraftvoller Herrschaft empfunden. In der Johannes-
offenbarung trägt es denn auch sieben Hörner als Zeichen seiner
Macht und Würde (Offb 5, 6). In der Hinopferung des Lammes stellt
sich daher die Hinopferung des Menschen als des Herrn der Schöp-
fung dar.
Für den sündigen Menschen bedeutet die Weggabe eines Dinges
zugleich Strafe und Sühne für die Sünde. In dem Opfer erkennt er an,
daß er dem Gerichte Gottes verfallen ist, daß er ein Todgeweihter ist.
Christus hat sich nicht in seiner sinnbildlichen Gabe, sondern
in leibhaftiger Wirklichkeit dem Vater hingegeben. Er hat jegliche
Selbstherrlichkeit und Eigenwilligkeit im Feuer der Gottesliebe und
des Gehorsams verbrannt. Am Kreuze loderte seine Liebe in heller
Flamme auf. Paulus ist von ihr erglüht und wird von ihr verzehrt.
„Mit Christus bin ich gekreuzigt; es lebt aber nicht mehr mein Ich, es
lebt vielmehr in mir Christus. Was ich aber jetzt im Fleische lebe, lebe
368 Jesus Christus als der sich opfernde Hohepriester des Neuen Bundes $ 155

ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich
hingegeben hat“ (Gal 2, 19 f. nach der Übers. von O. Kuss, a. a. O.).
Am Kreuze hat sich Christus seine Braut erworben, die Kirche (Eph
5, 25). Die Liebe zu ihr trieb ihn zum Todesopfer (Jo 10, 11; 15, 13).
Da sie sich in diesem äußersten Ernst erwiesen hat, wird sie nie mehr
verstummen (Bom 8, 34 ff.; vgl. 2 Kor 5, 14). Nein, er lebte nicht sich
zu Gefallen (Röm 15, 3). Er, der Reiche, ist um unseretwillen arm ge-
worden, damit wir durch seine Armut reich würden: das war seine
Liebestat (2 Kor 8, 9). Die Armut ging von Stufe zu Stufe: Er ent-
äußerte sich seiner Gottesherrlichkeit und war gehorsam bis zum Tode
am Kreuze (Phil 2, 5—8). Das ganze Leben war Gehorsam gegen den
Vater. Zur höchsten Aufgipfelung kam es im Kreuzestod (Jo 10, 17 f.;
14, 30 f.). Hier wurde durch den Gehorsam des zweiten Adam Gnade
und Rettung gebracht, wie durch den Ungehorsam des ersten alle zu
Sündern wurden (Röm 5, 18f.). Der Gehorsam war eine Liebestat
Christi. Seine Liebe äußerte sich in einer Gehorsamstat (P. Feine,
Theologie des Neuen Testamentes, Leipzig 19367, 396). Der höchste
Ausdruck, den Liebe und Gehorsam finden können, ist die Hingabe
des Lebens. Darüber hinaus können sie sich nicht mehr verleiblichen.
Ihren letzten Grund hat die Liebe Christi in der ewigen Liebe des
Vaters, der seinen Sohn in die Welt sandte, nicht damit die Welt ge-
richtet, sondern damit sie errettet werde (Jo 3, 17). Christus hat die
Liebe des Vaters zu dem sündigen Menschen in sein Herz aufgenom-
men. Er hat sie in sich hineingenommen und aus ihr heraus gehandelt.
Seine Liebe, in der er in den Tod ging, war gewirkt von der Liebe
des Vaters, der ihn in den Tod sandte (vgl. Röm 5, 1—11). So war
seine Liebe, die sich im Kreuzestode verleiblichte, die Erscheinung
der Liebe des Vaters.
Ihren letzten Ernst erhält die Hingabe Christi dadurch, daß sie
Sühne für die Sünde ist. Durch seinen Gehorsam und seine Liebe
wurden der Ungehorsam und die Selbstsucht der Menschen über-
wunden.
Man sieht: Das Entscheidende am Kreuzesopfer Christi sind die
in seinem Herzen emporsteigenden Gewalten der Liebe und des Ge-
horsams. Sie lösen von jeder Verfangenheit an das Ich, von jeder
Eigenwilligkeit und Selbstbehauptung gegen Gottes Anspruch (Hebr 5,
7—10). Der Tod mit seiner ganzen Qual ist die Verleiblichung dieser
inneren Haltungen. Nur deshalb hat er Heilskraft (Hebr 5, 7—10).
Man würde gerade am Wesentlichen vorbeisehen, wenn man sich ein-
seitig in das Grauen des Leidens mit seinen Einzelheiten versenkte
§ 155 Der innere Vorgang beim Kreuzesopfer 369

und des in ihm sich verleiblichenden Geistes vergäße. Wenn man etwa
fragt, ob es nicht Menschen gibt, welche größere Schmerzen aushalten
mußten als Christus, so wird gerade das, worauf es ankommt, über-
sehen. Es entscheidet nicht sozusagen das Quantum an körperlicher
oder seelischer Schmerzertragung, sondern die Liebe und der Gehor-
sam. Darin steht Christus in ragender Höhe über allen (abgesehen
davon, daß er infolge seiner Empfindungsfähigkeit anders leiden,
gewissermaßen den Schmerz anders ausschöpfen konnte als jeder
andere Mensch). Liebe und Gehorsam verleiblichten sich in der Hin-
nahme des Todes (vgl. Bd. II, 1 §§ 105, 134 und Bd. II, 2 § 136).
Es wird auch deutlich, daß die Richter und Henker bei diesem
Tode eine nebensächliche Rolle spielten. Sie waren Werkzeuge, deren
sich Satan bediente, um das Leben des Heiligen (Lk 1, 35) zu ver-
nichten. Satan hatte aber nur Gewalt über dieses Leben, weil sie ihm
vom Herrn des Lebens selbst gegeben war, weil der Beauftragte
Gottes, der „Gottesknecht“ sich selbst hineingab in den Haß des Bösen
und sich seiner Gewalt unterwarf, um dessen Macht zu brechen. So
wird neuerdings verständlich, warum Christus eines gewaltsamen
Todes starb.
„Man könnte nun einwenden: Wenn er für alle seinen Leib dem Tod über-
antworten mußte, warum hat er ihn dann nicht wie ein Mensch in natürlicher Weise
abgelegt, sondern ließ es bis zur Kreuzigung kommen? Er wäre es seiner Ehre
doch eher schuldig gewesen, von sich aus den Leib abzulegen, als mit Schmach
einen solchen Tod zu erleiden. Doch habt acht, ob dieser Einwand nicht menschlich
ist! Nein, wahrhaft göttlich war, was der Heiland vollbrachte, und von vielen Ge-
sichtspunkten aus seiner Gottheit würdig: Fürs erste tritt der Tod, der über die
Menschen kommt, ein infolge der Schwäche ihrer Natur. Nicht imstande, auf die
Länge zu bestehen, gehen sie mit der Zeit ihrer Auflösung entgegen. Deshalb kommen
auch die Krankheiten über sie, und sie sterben an Entkräftung. Der Herr aber ist
nicht schwach, sondern Gottes Kraft und Gottes Logos und das Leben selbst. Hätte
er also irgendwie auf natürliche Weise und nach dem gewöhnlichen Lauf des
Menschenlebens seinen Leib in einem Bette abgelegt, so hätte man auch ihm diese
Leiden als Schwäche seiner Natur ausgelegt und ihn mit den anderen Geschöpfen
auf die gleiche Linie gestellt. Da er aber das Leben und Gottes Logos war, und
anderseits der Tod bei allen eintreten mußte, so teilte er als das Leben und die
Kraft in seiner Person die Kraft mit dem Leibe, holte aber, um dem Tod seinen
Tribut zu zahlen, nicht bei sich, sondern bei anderen die Veranlassung zur Voll-
bringung des Opfers; durfte ja doch auch der Herr nicht krank werden, er, der die
Krankheiten anderer heilte. Auch kein Kräfteverfall durfte über seinen Leib kommen,
in dem er ja auch die Schwäche der anderen in Stärke umwandelte. Warum wehrte
er dann nicht auch dem Tod wie der Krankheit? Weil er eben darum den Leib trug
und es untunlich war, den Tod zu verhindern, weil damit auch die Auferstehung
hintangehalten worden wäre. Ebensowenig ging es anderseits an, daß dem Tod eine
Krankheit vorausging, damit man nicht den im Leib Befindlichen schwach wähne.

24 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


370 Jesus Christus als der sich opfernde Hohepriester des Neuen Bundes $ 155

Hat ihn aber nicht gehungert? Freilich, es hungerte ihn entsprechend dem Bedürfnis
des Leibes: allein weil der Herr ihn trug, erlag er dem Hunger nicht. Daher sah er
auch die Verwesung nicht, obschon er zur Sühne für alle starb. Unversehrt stand
er ja wieder auf, da es nicht der Leib des nächsten Besten, sondern des Lebens
selbst war“ (Athanasius, Über die Menschwerdung, 21. Abschn.; BKV II, 109 £.).

Viertes Kapitel
Der Tod Christi als Tat Gottes und als Tat Christi

Durch das Sühneopfer sollte nicht etwa Gott beschwichtigt oder


umgestimmt werden. Gottes Gesinnung ist nicht wandelbar (vgl. I,
SS 69 und 87). Daß es sich nicht um eine Besänftigung des göttlichen
Zornes im eigentlichen Sinne handelt, ersieht man schon daraus, daß
die Opfertat Christi vom Vater ausgeht. Er ist es, der in ihr unser
Heil wirkt. Aus Gottes Tiefen kommt das Mysterium unserer Er-
lösung. Er hat seinen Sohn für uns dahingegeben. Diese Hingabe
war Zeichen seiner, des Vaters, Liebe und seiner Gerechtigkeit (Jo
3, 16). Im Kreuzestode seines menschgewordenen Sohnes hat der
Vater seine Liebe und seine Gerechtigkeit geoffenbart und im ge-
schichtlichen Bereiche verwirklicht. Im Kreuzestod ist das Mysterium
Gottes, das uns zugänglich gewordene Geheimnis seiner gerechten und
heiligen Liebe, in der Welt gegenwärtig geworden. Auch hier offen-
bart Gott der Welt seine Heiligkeit und seine Liebe, indem er sie in
der Welt verwirklicht (siehe SS 108 und 109). Nun kann der Mensch
wieder der Heiligkeit und der Liebe Gottes teilhaftig werden, da es
eine Stelle in der Welt gibt, wo sie verwirklicht sind. Er muß nur
dorthin gehen, d.h. Christus im Glauben und in den Sakramenten
ergreifen. Die Offenbarung Gottes im Kreuzestode seines Sohnes ist
für den Gutwilligen unübersehbar. Der Kreuzestod macht Gottes Liebe
glaubwürdig, ja geradezu anschaulich (1 Jo 3, 16), weil sie sich in
ihm in der menschlichen Geschichte gegenwärtigsetzte. Wenn Gott
zu der Zeit, wo wir noch seine Feinde waren, doch seinen Sohn für
uns in den Tod dahingab, dann kann niemand mehr im Ernste an
der Einsatzbereitschaft der göttlichen Liebe zweifeln (Bom 5, 8 ff.).
Es war nichts im Menschen, was die göttliche Liebe heraus-
rufen und hervorlocken konnte. Ursachlos und grundlos kam sie aus
dem Abgrund Gottes hervor. Sie war keine Antwort Gottes auf un-
seren Ruf, sondern freier Anruf seiner Huld und seines Erbarmens
(1 Jo 4, 10). Gerade das Geschenk seiner grundlosen Liebe gibt uns
die Zuversicht, daß wir, da sich Gottes Liebe einmal in uns einsenkte
§ 155 Der Tod Christi als Tat Gottes und als Tat Christi 371

(Röm 5, 5), für immer vom Zorngerichte Gottes verschont bleiben


(1 Jo 2, 28; 4, 17). Denn jetzt ist es ja so, daß Gott in uns einen Grund
findet, uns zu lieben, nämlich sich selbst, seine eigene Liebe, den
Geist, den er in unser Herz gesandt hat (Röm 5, 1—11; 8, 31 Ech:
Wenn wir andere geworden sind, wenn die Welt neu geworden ist,
so kommt der Anstoß hierzu von Gott. Gott will die Menschen nicht
in den Untergang stürzen lassen. Deshalb fällt er dem Wüten der
Sünde in den Arm. Deshalb hält er das Nein, das die Menschen ihm
entgegenschreien, in dem sie zugleich ihr eigenes Heil von sich stoßen,
auf und verwandelt es in ein heilschaffendes Ja. Er bittet den Men-
schen geradezu, daß er nicht in seinem Nein zu ihm und zu sich selbst
beharre und darin verderbe. In der Kraft seiner Liebe arbeitet er den
Haß von innen her und aus der Tiefe heraus auf. „Wenn einer in
Christus ist, ist er ein neues Geschöpf. Das Alte ist vergangen, siehe,
ein Neues ist geworden. Das alles kommt von Gott. Er hat uns durch
Christus mit sich versöhnt und uns mit dem Dienste seiner Ver-
söhnung betraut. Denn Gott hat in Christus die Welt mit sich ver-
söhnt: er rechnet ihr die Sünden nicht mehr an und hat uns das Wort
der Versöhnung übertragen. An Christi Statt also walten wir des
Amtes. Gott selbst ist es, der durch uns mahnt. An Christi Statt bitten
wir: Laßt euch mit Gott versöhnen! Er hat den, der von der Sünde
nichts wußte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir durch ihn vor
Gott gerechtfertigt werden“ (2 Kor 5, 17—21). Gott selbst ist es, der
durch Christus Frieden stiftete. Das ist die beglückende Wirklichkeit,
in der die Kolosser leben. „Ihr wart einst entfremdet und voll feind-
licher Gesinnung durch eure bösen Taten. Nun hat er auch euch durch
den Tod seines (Christi) fleischlichen Leibes versöhnt, um euch in
seinen Augen heilig, makellos und schuldlos zu machen“ (Kol 1,
20 ff.). Gott selbst hat seinen Sohn als Sühneopfer hingestellt. Er hat
das Kreuzesopfer angeordnet, damit diejenigen gerecht werden, die
an Jesus Christus glauben. Er hat es getan, um die Sünder nicht in
der Strafe für die Sünde verkommen zu lassen.
Gott hat freilich die Erlösung nicht ausschließlich durch sein
göttliches Tun allein gewirkt. Er hat sie gewirkt durch das Tun eines
Menschen, des Menschen Christus Jesus. Voraussetzung dafür, daß die
Menschen von der Sünde frei werden und an Gottes Liebe und Heilig-
keit Anteil gewinnen, d.h. die Verzeihung Gottes erlangen können,
ist der Kreuzestod, d. h. die im Tode verwirklichte Gehorsamshingabe
des Menschen Christus Jesus an den Vater. Die vom Vater in Christus
vollzogene Liebe wird, eben weil sie in Christus, dem Haupte der

24*
372 Jesus Christus als der sich opfernde Hohepriester des Neuen Bundes § 155

Menschheit und des Alls, verwirklicht ist, zugleich zur Hingabe der
Menschen, ja des ganzen Kosmos an den Vater.

Fünftes Kapitel
Der Tod Christi als gnädiges Gericht Gottes

Für ein noch tiefer greifendes Verständnis des Todes Christi


kann man ihn von Gott her und vom Menschen Jesus Christus her
zu erklären versuchen.
Was die Sicht des Todes Christi von Gott her betrifft, so ließ
der Vater, der die Welt von der Sünde befreien wollte, dem Fluche
der Sünde an seinem menschgewordenen Sohne freien Lauf. Der Sohn
Gottes hat es, als er Mensch wurde, auf sich genommen, den Fluch
der Sünde zu tragen, bis zum Opfertod am Kreuze. So hat der Vater
im Kreuzestod seines Sohnes über die Sünde Gericht gehalten. Es
war ein furchtbares Strafgericht. In ihm hat sich die Abgründigkeit
der Sünde dargestellt. Was die Sünde ist, sieht man am deutlichsten
am Sterben Christi. Da wurde offenbar, wie tiefgreifend der Gegen-
satz, ja der Widerspruch zwischen dem heiligen Gott und dem sündi-
gen Menschen ist. Der Widerspruch zwischen Gott und dem gegen
ihn sich empörenden Menschen, der in der Sünde sich vollzieht, ist so
intensiv, daß der Mensch nicht mehr bestehen kann, wenn die Heilig-
keit Gottes ihm zu Leibe rückt. Wenn schon nach dem Zeugnis der
Genesis (3, 14—24) der Sünder, der sich von Gott dem Leben und der
Freude entfernt, nur als Todgeweihter in Drangsal und Not leben
kann und sich in diesem Schicksal die innere Verfassung des gott-
fernen Menschen andeutet, so empfängt dieser durch die Sünde her-
aufbeschworene Zustand im Kreuze Christi seine äußerste innerhalb
der Geschichte mögliche Zuspitzung.
Zu dieser höchsten Bloßstellung der Sünde kam es, weil Gott aus
seiner Zurückhaltung hervortrat und seine Majestät und Erhabenheit
an den Menschen auswirkte. Bis dahin hat er die Sünde hingehen
lassen (Apg 17, 30). Er hat gewissermaßen an sich gehalten und die
Sünde gewähren lassen. Er hat zwar auch in der vorchristlichen Zeit
an den Sündern Gericht gehalten. Alle Heimsuchungen der mensch-
lichen Geschichte sind in irgendeiner Weise Gerichte Gottes. Aber
sie hatten alle vor Christus vorläuferische Bedeutung. In ihnen hat
Gott seine Heiligkeit nicht nach der ihr innewohnenden Macht an
den sündigen Menschen ausgewirkt. Er hat nur leise an die Existenz
§ 155 Der Tod Christi als gnädiges Gericht Gottes 373

der sündigen Menschen gestoßen. Trotz dieser göttlichen Zurück-


haltung war die Zeit vor Christus angefüllt mit endlosem Leiden und
Sterben. Aber dieses Leiden und Sterben war nicht imstande, die
göttliche Heiligkeit in der Welt in einer ihr ebenbürtigen Weise dar-
zustellen. In ihm hat sich die Heiligkeit und Gerechtigkeit nicht in
der ihr eigenen Mächtigkeit in der Geschichte gegenwärtiggesetzt.
Sie hat gewissermaßen mit ihrem Arm nur hereingereicht, so daß die
Menschen sie wie aus der Ferne spüren konnten.
Was durch die göttlichen Strafgerichte vor Christus geschah,
war wie jede göttliche Offenbarung in der vorchristlichen Zeit aus-
gerichtet auf das Gericht, das Gott am Kreuze hielt. Es hatte daher
Verheißungscharakter. Am Kreuze ist die Heiligkeit Gottes über
Christus, welcher der Repräsentant der sündigen Menschheit war,
wenngleich er selbst ohne Sünde war, mit der ihr innewohnenden
Mächtigkeit gekommen. Wenn wir sagen, daß Gott Gericht gehalten
hat, so ist das Wort Gericht nicht im eigentlichen Sinne, sondern in
einer weiteren Bedeutung gemeint. Es bezeichnet soviel wie Hoheits-
akt. Gott hat in einem, ihm dem Herrn der Schöpfung zukommenden
Hoheitsakt seine Heiligkeit an einem Menschen dargestellt. Das be-
deutet für den vom Stoß der göttlichen Heiligkeit Getroffenen den
Tod. Unter dem Anprall der göttlichen Heiligkeit kann der Mensch
nicht mehr leben, sondern nur noch sterben. Gott erwies sich darin
als der Herr, der in herrscherlicher Überlegenheit über den Menschen
verfügen kann. Er hat in dieser Verfügung seine Heiligkeit in der
Welt gegenwärtiggesetzt. So ist an einer Stelle der Geschichte und
damit an einer Stelle des Kosmos die Herrschaft Gottes wieder auf-
gerichtet worden. Gott selbst hat seine Herrschaft verwirklicht. Er hat
sein Reich errichtet. Der Tod Christi bedeutet die Aufrichtung der
Gottesherrschaft, der Königsherrschaft des Vaters, des Reiches Gottes.
So unheimlich das Gericht war, in welchem der heilige Gott
Christus in den Tod hineinsandte, so war es doch ein Gericht der
Liebe. Dies zeigt sich in zweifacher Weise: Einmal hat Gott den
Schrecken und die Qual des Todes niemandem anderen zugemutet
als seinem geliebten Sohne. Zweitens hat er auf Grund des Todes dem
menschgewordenen Logos die Verklärung und Erhöhung seiner eige-
nen menschlichen Natur und allen übrigen Menschen die Befreiung
von der Sünde und unsterbliches Leben geschenkt. Der Tod war der
Untergang der vergänglichen durch die Sünde heraufbeschworenen
Existenzform. Er war aber für Christus zugleich der Übergang zu
einer anderen, unvergänglichen Existenzweise in der Herrlichkeit des
374 Jesus Christus als der sich opfernde Hohepriester des Neuen Bundes $ 155

Vaters. Das Ziel des Sterbens war die Auferstehung und die Himmel-
fahrt. An der Lebensfülle und Existenzmacht, die Christus durch den
Tod gewonnen hat, soll jeder Anteil erhalten. So ist das Gericht, das
der Vater an seinem Sohne abhielt, ein Gericht der Gnade. Es diente
der Rettung. Die Rettung verlangt die Überwindung der Sünde und
die Verwirklichung der göttlichen Heiligkeit in der Welt. Die Gegen-
wärtigsetzung der göttlichen Heiligkeit und der göttlichen Herrlich-
keit, zu welcher die Menschen in der Sünde sich in Widerspruch ge-
setzt hatten, bedeutete den Tod für den sündigen Menschen. Daß Gott
den Tod seines geliebten Sohnes forderte, war daher nicht Ausdruck
seines Hasses, der nur durch Blut und Tränen befriedigt werden
konnte, sondern Zeichen seiner Liebe und Gerechtigkeit.
Es war also in der menschlichen Situation begründet, wenn Gott
den Menschen auf keinem anderen Wege rettete, als auf dem Wege
des Untergangs, des Zusammenbruchs der irdischen Existenz. Einem
gründlicheren Verständnis dieser Zusammenhänge dient folgende
Überlegung. Durch die Sünde hat der Mensch, wie wir früher sahen,
sich gewissermaßen selbst zum Tode verurteilt. Er wurde der Toten-
gräber seiner eigenen Existenz und der irdischen Ordnungen. Gott
hat in seinem Fluchurteil bestätigt, was der Mensch selbst hervor-
gerufen hat. Gott ließ den Menschen, indem er ihn sterben und leiden
ließ, die Konsequenzen seines Tuns erfahren. Darin zeigt sich, daß
Gott den Menschen ernst nimmt. Er behandelte ihn nicht wie ein un-
mündiges Kind, das nicht weiß, was es tut. Er begegnete ihm viel-
mehr wie einem Freien und Erwachsenen, der für die Folgen seiner
Entscheidung einstehen muß. Im Kreuze Christi gewann das göttliche
Verhalten gegen den Menschen seinen höchsten Ernst. Gott läßt den
Menschen in der höchsten Intensität erfahren, was er verschuldet hat.
Im Kreuze Christi offenbart Gott dem Menschen, wer er ist: ein Em-
pörer und daher ein Todgeweihter. Da gibt Gott selbst die authenti-
sche Interpretation des Menschen. Wer das Kreuz Christi richtig ver-
steht, kann sich über die Situation, in welche die Menschheit durch
die Sünde geraten ist, nicht mehr täuschen. Gott selbst desavouiert
sie in ihrer Unheimlichkeit.
Diese göttliche Desavouierung des Menschen erhält im Kreuze
Christi noch eine grelle Beleuchtung dadurch, daß der am Kreuze
Gerichtete, der Sohn des Vaters, von sündigen Menschen getötet
wurde. Nicht bloß also, daß der Mensch durch seine Flucht vor Gott
sich selbst zum Tode verurteilte und Gott ihm dies zeigte, vielmehr
ist in dem gegen Gott und seine Bindung an ihn sich empörenden
§ 155 Der Tod Christi als Gehorsam 375

Menschen die Neigung zum Töten aufgewacht, die Neigung also, seiner
zunächst in der Auflehnung gegen Gott vollzogenen Selbstherrlichkeit
durch die Tötung von seinesgleichen Raum zu verschaffen. Diese
Neigung zu töten hat ihre furchtbarste Möglichkeit in der Tötung
des menschgewordenen Gottessohnes erreicht. Damit erreicht der Ab-
sturz der Sünde seine letzte Tiefe. So ist der sündige Mensch, daß er
Gott morden will. Da zeigt sich, was er im Grunde in jeder Sünde
will: Er will Gott beseitigen, dessen Herrschaft er nicht erträgt. In-
dem also Gott seinen eigenen Sohn in den Tod hineinsandte und ihn
durch irdische Menschen verurteilen und hinrichten ließ, hat er die
menschliche Sünde in ihrer abgründigen Verworfenheit aufgedeckt.
Er hat dadurch dem Menschen sein wahres Antlitz gezeigt.
Zugleich beabsichtigte Gott, mit dieser Tat die Wende herbei-
zuführen, und zwar in ontischer und in psychologischer Hinsicht. In
ontischer Hinsicht, insofern er seine Heiligkeit, also sich selbst, in der
Geschichte gegenwärtigsetzte, so daß die menschliche Geschichte
wieder unter den beherrschenden Einfluß Gottes, des Lebens und der
Freude geriet und so die zerstörerischen Mächte überwunden wurden.
Psychologisch, insofern das Kreuz dem Menschen die Furchtbarkeit
der Sünde, die von ihr angerichtete Zerstörung und die Tragweite der
Auflehnung gegen Gottes Oberherrschaft eindringlich vor Augen stellt
und so eine ständige Erinnerung an seine Verantwortung und an die
Überlegenheit der sittlich-religiösen Werte über alle anderen, über
die biologischen, die intellektuellen und die ästhetischen beweist. So
bleibt es also dabei, daß das Kreuzesopfer nicht ein Mittel in der
Hand des Menschen ist, um Gott milde und gnädig zu stimmen, son-
dern ein Mittel in der Hand Gottes, um seine Milde und Gnädigkeit
zu erweisen und den Menschen zum Vertrauen und zur Umkehr zu
stimmen.

Sechstes Kapitel
Der Tod Christi als Gehorsam

Wenn wir den Tod Christi nicht von Gott, sondern vom Men-
schen Jesus Christus her betrachten, ergibt sich folgendes: Christus
hat die Verfügung des Vaters aufgenommen und sich ihr vorbehaltlos
gebeugt. Er hat darin anerkannt, daß der Vater der Herr ist, der über
sein Leben verfügen kann, der Heilige, der dem Sünder gerechter-
weise den Tod darreicht. Er hat sich von ihm binden lassen. Als er
376 Jesus Christus als der sich opfernde Hohepriester des Neuen Bundes § 155

sich am Kreuze annageln ließ und jede Bewegungsmöglichkeit verlor,


hat er das Gegenteil jener Gesinnung vollzogen, in der die Menschen
in überspitzter Autonomie ohne Gott das Leben formen wollten. Er
hat in unbedingtem Gehorsam auf jede Eigenbewegung verzichtet.
So hat er Gott Herr sein lassen und Gottes Herrschaft aufgerichtet.
Er ist durch seinen vorbehaltlosen Gehorsam das geeignete Werkzeug,
der Gottesknecht geworden, durch den der Vater seine Königsherr-
schaft in der menschlichen Geschichte aufgerichtet hat. Er durfte auch
den Segen dieser völligen Unterwerfung unter Gott erfahren. Sie be-
deutete höchste Gemeinschaft mit Gott. Diese hatte zwar den Unter-
gang der vergänglichen, der Sünde entstammten Daseinsweise im Ge-
folge, aber zugleich den Aufgang der unsterblichen Existenzform. Got-
tes Gegenwart bedeutet für den Menschen Leben und Freude, Gebor-
genheit und Fülle. Durch seinen Opfertod ist Christus auch seiner
menschlichen Natur nach eingegangen in die Herrlichkeit, die er hatte
vor Grundlegung der Welt (Jo 17, 5). In der Auferstehung und Him-
melfahrt hat die zu jedem Opfer gehörende Verwandlung ihre spezi-
fische Sondergestalt erreicht. Sie war Antwort, welche der Vater im
Himmel seinem eingeborenen Sohne auf die Tat seines Gehorsams
gab. Diese Antwort hatte der Vater von vorneherein beabsichtigt. Um
des in der Auferstehung und Himmelfahrt hervorgekommenen Lebens
willen hat er den Tod gewollt.

Siebentes Kapitel

Die Überzeitlichkeit des Priestertums Christi

Seit diesen Heilsgeschehnissen steht der Gekreuzigte und Auf-


erstandene immerfort im Allerheiligsten vor dem Angesichte des Vaters,
um für uns einzutreten als der ewige Bürge unseres Heiles, indem er
seine Opfertat dem Vater wie eine ewige Bitte entgegenhält. Christus
wirkt im Himmel als der ewige Hohepriester fort. Die Ewigkeit seines
Priestertums wird im Hebräerbrief bezeugt (7, 17. 24). Alles Heil wird
durch ihn, den erhöhten Herrn, vermittelt. „Alle Gnade auch der im
Himmel Seligen ist bedingt durch Christus als das Haupt der Kirche;
Christus als das Haupt der Kirche aber ist der Quell der Gnaden nicht
außerhalb der Liebe, und der Liebeswille Jesu, der identisch mit dem
Gnadenwillen ist, kann, soweit die menschliche Natur des Herrn in
Frage kommt, nicht anders als auch Bitten sein. Dieses Bitten ist nicht
so zu denken, als ob die Gottschau der Geretteten gefährdet wäre und
auf dem Wege der Fürbitte des Herrn gesichert werden müßte; es ist
§ 155 Jegliches Priestertum als Teilnahme am Priestertum Christi 377

vielmehr so zu nehmen: Gottes Liebe und Erbarmung ist auch dann


noch derart groß, daß die Menschheit und die menschliche Natur in
Christus auf die ihr gemäße Weise, und das ist das Gebet, ein Moment
in Gottes Gnadenvorsehung sein soll: daß, anders ausgedrückt, auch
dann im Himmel noch die Menschheit und die menschliche Natur
durch Jesu Menschheit mitursächlich sein darf in der menschheit-
lichen Selbstbewegung zu der Gnadenfülle aller Menschen, die ihr
Heil erlangten“ (D. Feuling, Kath. Glaubenslehre, Salzburg—Leipzig
1937, 501). Man muß auch von einem ewigen Opfer Christi reden
— wie sollte sein Priestertum ewig sein ohne ewiges Opfer? —, sofern
sein Leiden und Sterben hineingenommen ist in seine ewige Existenz.
Der Erhöhte lebt ewig als der Gekreuzigte. Das Mysterium des Kreu-
zestodes Christi steht ewig vor dem Antlitz des Vaters.
„Durch ein Wesen, welches schwach war und stark, Mensch und Gott zugleich,
geschah in der Welt eine Tat, einmal unter Pontius Pilatus, diese Tat aber steht
ewig vor Gott. Wir leben hier unser betriebsames, geräuschvolles, anmaßendes und
vergängliches Leben; arbeiten und freuen uns und haben unsere Not — immer aber
steht Christus im innersten Raum der Heiligkeit und hält die ewige Flagge seiner
Tat Gott entgegen. Von dorther leben wir, von dorther kommt unsere beständige
Entsühnung. Was an wirklicher Großmut, an wahrer Liebe auf Erden aufleuchtet,
ist Licht von diesem Lichte. Nicht einfach vom Lichte »Gottes«; das bleibt im Un-
gewissen und immer droht Gefahr, daß wir es aus eigenem Erleben zurechtformen.
Das Licht, aus dem wir leben, ist Christus. Er ist Mittler. Er steht zwischen uns
und Gott, nicht als Hindernis, sondern als Zugang. Er ist ins Unzugängliche ein-
gegangen, aber so, daß er Weg bleibt und Tor. Durch ihn haben wir Eingang und
Zutritt“ (R. Guardini, Das Bild von Jesus dem Christus im Neuen Testament, Würz-
burg 1936, 62).

Achtes Kapitel
Jegliches Priestertum als Teilnahme am Priestertum Christi

Wenn Christus der Hohepriester des Neuen Bundes ist, dann


gibt es wahres Priestertum nur in Verbindung mit ihm. Jedes echte
Priestertum ist Teilnahme an dem seinigen. Sein Priestertum ist Maß-
stab für jedes andere. Umgekehrt gilt: Da das Priestertum ein Wesens-
merkmal Christi ist (er ist der Gesalbte, der vom Heiligen Geiste selbst
zum Priester Geweihte), so nimmt jeder, der an Christus durch Glaube
und Sakrament Anteil gewinnt, an seinem Priestertum teil. Es gibt
daher keinen Getauften, der nicht priesterliches Gepräge hätte, nicht
in einem bildlichen, sondern in einem realen Sinne (1 Petr 2, 9). Die
Teilnahme am Priestertum Christi wirkte sich erstlich aus in der
378 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel S 156

Teilnahme an seinem priesterlichen Tun, d. h. in der Teilnahme an


dem im Meßopfer vergegenwärtigten Kreuzesopfer, dann auch in der
in Gemeinschaft mit Christi Opfer geschehenden Hingabe des Ich an
Gott in den „Kreuzen“ des Alltags. Das besondere, das Weihepriester-
tum ist eine Aufgipfelung des „allgemeinen“ Priestertums. Es steht
dem Priestertum Christi nicht im Wege, sondern dient seinem immer-
währenden Vollzug. Die mit ihm ausgerüsteten Getauften sind die
Werkzeuge, durch welche der unsichtbare, in der Kirche immer gegen-
wärtige Herr sein priesterliches Tun vollzieht. Dieses ist nichts an-
deres als die stete Vergegenwärtigung des Heilsmysteriums. (Siehe
hierüber die Lehre vom göttlichen Leben in uns und von den Sakra-
menten, besonders von der Taufe und Priesterweihe (siehe Bd. III 2
und Bd. IV 1).

8 156
Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel und als Schöpfer eines
neuen Lebens in Freiheit, Heiligkeit und Gerechtigkeit

Vorbemerkung
Während die abendländische Theologie, vor allem im germani-
schen Raum, namentlich seit Anselm von Canterbury den Kreuzes-
tod mehr als Genugtuung, als Wiederherstellung der verletzten
Ehre Gottes, als Sühne der Gott angetanen Beleidigung verstand, er-
klärte ihn die griechische Theologie mehr als Sieg Christi über den
Satan und als Wiederherstellung der in der Sünde, in der Loslösung
von Gott begründeten Störung des Seins, als Heilung der durch die
Sünde gewirkten Unordnung. Beide Erklärungen des Kreuzestodes
sind schriftgemäß. Nur beide zusammen werden der Fülle dessen ge-
recht, was die Offenbarung vom Kreuzestod Christi sagt. Dem abend-
ländischen Denken kann die Erlösungslehre der griechischen Väter
leicht unlogisch, allzu bildhaft, ja verschwommen vorkommen. Sie ist
jedoch von ganz bestimmten, klar umrissenen Grundgedanken be-
herrscht. Vor allem aber beruft sie sich mit vollem Recht auf die
Schrift, besonders auf Paulus. Umgekehrt erscheint die abendländische
Erlösungserklärung den östlichen Theologen leicht als zu juristisch.
Auch sie ist jedoch in der Schrift grundgelegt.
S 156 Aufrichtung der Königsherrschaft Gottes durch Jesus Christus 379

Erstes Kapitel

Aufrichtung der Königsherrschaft Gottes durch Jesus Christus

I. Sinn und Wesen der Gottesherrschaft


Zunächst soll nun die Schriftlehre vom Siege Christi über Sünde,
Tod und Teufel dargestellt werden, die sich in stärkerem Maße bei den
griechischen Kirchenvätern als bei den abendländischen Theologen
wiederfindet. Sie ist die negative Seite der Lehre von der Wiederher-
stellung der Königsherrschaft Gottes. Diese muß daher in die Dar-
stellung einbezogen werden.
Die Königsherrschaft aufzurichten, ist der Hauptsinn des Wirkens
Christi. Ihre Aufrichtung war die Hauptverheißung im Alten Bunde.
Ihr galt daher die Hoffnung des auserwählten Volkes. Hierüber wurde
schon an mehreren Stellen dieses Bandes berichtet.
Die Bußpredigt des Johannes hat die Erwartungen aufs höchste
gespannt. Er sieht die Stunde des Gerichtes und der Gnade vor der
Türe stehen. Er sieht den Machtträger Gottes, der alle vorausgehenden
Machtträger überragt und Gottes Königtum mit jener Intensität auf-
richtet, die für die Dauer der jetzigen Weltformen möglich ist, heran-
kommen. Dann wird das Königtum Gottes eine Mächtigkeit gewinnen,
die es bis dahin nicht besessen hat, die durch alle bisherigen Formen
angekündigt war, die selbst freilich auch noch nicht das Ende, aber
eine Vorform der endgültigen Gestalt des jenseits der menschlichen
Geschichte aufzurichtenden Königtums Gottes sein wird (Mt 3, 2—12).
Das Königtum Gottes wird anbrechen als Gericht über die mensch-
liche Selbstherrlichkeit. Seinem Schrecken werden nur jene entrinnen,
welche in Reue und Umkehr sich dem Herrn zuwenden. Die Bluts-
verwandtschaft mit Abraham genügt für die Zugehörigkeit zu dem
bevorstehenden Königtum Gottes nicht. Es ist nicht auf Blut, sondern
auf den Heiligen Geist gegründet (Mt 3, 12; Mk 1, 8; Lk 3, 10 ff.). Sein
Vollstrecker steht schon in der Mitte, ist aber noch unbekannt und
verborgen. Aber er wird als der Beauftragte Gottes das Gericht voll-
ziehen und die Aufnahme in Gottes heilschaffendes Königtum ge-
währen (Mt 1, 26). Die langverheißene und ersehnte Gottesherrschaft
bricht also endlich an. Die Hoffnungen, die Johannes entzündete,
waren indes von sehr verschiedener Art. Die einen erwarteten einen
Messias aus dem Königshause David, der die Befreiung vom äußeren
Feind und von der inneren Anfechtung durch die Sünde bringen
werde, der eine Zeit heraufführen werde, in welcher man Gott in
380 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel § 156

Heiligkeit und Gerechtigkeit dienen werde (Lk 1, 69—79). Das Gottes-


reich wurde erstlich als ein Zustand der gehorsamen Unterwerfung
der Menschen unter Gott verstanden. Die Hoffnung auf die äußere
Freiheit spielte jedoch mit. In irgendeiner Form ist diese Gottesherr-
schaft schon gegenwärtig. Denn immer gibt es Menschen, die sich
Gottes Willen beugen. Aber der Messias wird die ganze Erde dem
Gehorsam unter Gott überantworten, so daß Heiligkeit und Gerechtig-
keit die ganze Welt erfüllen. Dann wird die Herrschaft Gottes offen-
bar werden.
Infolge der jahrhundertealten politischen Drangsal gerieten die
politischen Motive in den Reich-Gottes-Hoffnungen mehr und mehr
in den Vordergrund. Das religiös-sittliche Moment wurde nie völlig
verdrängt, aber es trat zurück. Der „Tag Jahwes“, an welchem Gottes
Herrschaft anbrechen wird, wurde in der herrschenden Reichserwar-
tung der Massen und der Führer immer ausschließlicher zu einem
Tag der Rache, an dem die Feinde vernichtet werden sollten. Gott wird
die Rache allein, ohne menschliche Mithilfe vollstrecken. Diese Reichs-
erwartung war eine endzeitlich-nationale. Die alte Herrlichkeit des
Davidischen Königtums wird wieder erstehen. Die Hoffnungen gingen
also auf irdische Macht und Größe. Sie waren weltimmanent. Von
solchen Reichserwartungen waren auch die Jünger Christi erfüllt.
Mühsam und allmählich machten sie sich von ihnen zu Gunsten einer
welttranszendenten Reichshoffnung frei. Für die Auseinandersetzung
Christi mit den führenden Kreisen spielte deren leidenschaftliche Hin-
gabe an die irdischen Reichshoffnungen eine große Rolle. Sie wehrten
sich mit aller Heftigkeit dagegen, daß Christus ihnen die irdischen
Reichserwartungen aus der Hand nehmen wollte und ein welittrans-
zendentes Königtum Gottes verkündete. Sie glaubten, daß dadurch ihr
Volk um das Beste betrogen würde.
Der trostlose Weltzustand ließ im Spätjudentum noch eine an-
dere Eschatologie entstehen, eine transzendente und universale. Sie
richtete den Blick über die jetzige Weltzeit hinaus auf eine kommende.
In dieser Weltzeit herrscht Satan. Es kommt jedoch ein Äon, in
welchem Gott allein herrschen wird. Dann werden alle widergöttlichen
Kräfte vernichtet sein. In den breiten Schichten des Volkes blieb diese
Lehre ohne Einfluß. Alle diese so verschiedenartigen Eschatologien
glaubten, sich auf das Alte Testament berufen zu können (E. Przy-
wara, Alter und neuer Bund. Theologie der Stunde, Wien— München
1956).
8 156 Aufrichtung der Königsherrschaft Gottes durch Jesus Christus 381

Der von Gott ermächtigte Vollstrecker der alttestamentlichen


Reichsverheißung war Christus. An ihm wurde offenbar, daß die
Weissagungen vom Reiche anders gemeint waren, als die menschliche
Erwartung rechnete, daß sie einen Sinn hatten, der menschlichen Hoff-
nungen zuwiderlief (Lk 7, 22£.; 10, 9). Erst durch Christus ist ihr
wahrer Sinn offenbar geworden. Nach den anfänglichen hochge-
schwellten Hoffnungen, mit denen die Verkündigung Christi begrüßt
wurde, sind die Anhänger immer weniger geworden, bis die Führer
in offene Feindschaft übergingen und seinen Tod beschlossen. Sie
kamen zu der Überzeugung, daß es im Interesse des Volksganzen
liege, wenn Christus sterbe, damit nicht die nationalen Reichserwar-
tungen durch ihn entwertet und ausgehöhlt würden (Jo 11, 49 f.;
Lk 10, 9).
In Christus ist das Königtum Gottes herbeigekommen. Er ist ja,
wie wir sahen, der Menschensohn, dem nach Dan 7, 13f. die Herr-
schaft und die Macht, die Ehre und die Herrlichkeit übertragen sind
(Mt 24, 30; 25, 31—34; 10, 23; 16, 27; Lk 17, 26). Er ist der Bringer
und der Träger des göttlichen Königtums in dieser Welt. Er ist nicht
nur sein Verkündiger. Er ist vielmehr auch und zuerst seine Er-
scheinung. In ihm ist es so herbeigekommen, daß man es nun, wenn
man dafür das rechte Auge hat, sehen kann. Denn er ist der ver-
heißene Davidsohn (ls 9, 11; Mich 5, 1ff.; Jer 23, 5f.; Ez 17, 22 ff.;
34, 23f.; 32, 24f.), der auf dem Throne seines Vaters David sitzt
(Mt 21, 9; Mk 12, 37; Lk 1, 32; Röm 9, 5; Offb 5, 5; Apg 2, 30; 13, 23;
Röm 1, 3). Er wird über das Haus Jakobs herrschen ewiglich. Sein
Königtum wird kein Ende nehmen (Lk 1, 32). Er nimmt denn auch
königliche Würde in Anspruch, wenn er die Beschlagnahme des mes-
sianischen Reittiers aussprechen läßt mit der Begründung: Der Ky-
rios, der Herr, bedarf seiner (Mk 11, 3). Wenn er auch nicht König
sein will in der Weise, wie sich das die materialistisch gesinnten
Volksmassen wünschen, die sich von ihm irdisches Wohlergehen und
weltliche Herrlichkeit versprechen (Jo 6, 14f.), und wenn er daher
keinem irdischen König seine Herrschaft bestreitet (vgl. Mt 2, 1 ff.) und
eben deshalb kein irdischer König sich gegenüber seiner etwaigen Kon-
kurrenz sicherstellen muß (vgl. Mt 2, 1ff.; siehe dazu den Hymnus
zur Vesper des Epiphanie-Festes), so tritt er doch mit königlicher
Hoheit auf, da ihm im Angesichte des Todes die Frage vorgelegt wird,
ob er ein König sei. Ja, er ist ein König, aber in ganz anderer Weise,
als sich der Heide Pilatus, der nur mit den Machtverhältnissen dieser
Erde rechnet, vorstellen kann (Jo 18, 3883—40). Auch die Jünger haben
382 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel S 156

von Christus den Eindruck, daß er ein König sei, ohne freilich die
Art seines Königtums zu verstehen. Sie wollen denn auch bis zuletzt
die Hoffnung nicht begraben, daß mit ihm die alte Königsmacht und
Reichsherrlichkeit wieder erstehe (Apg 1, 6) und daß sie in dem wieder
errichteten Reiche die ersten Rollen spielen würden (z. B. Mk 9, 32 ff.;
10, 37. 45). Im Königtum Christi erfüllt sich die Verheißung des
Psalmes 110 [109] (vgl. Mk 12, 35 ff.; Apg 2, 30 ff.).
Das in Christus erschienene Königtum Gottes, dessen Vollstrecker
er ist, ist also keine politische Herrschaft. Es ruht nicht auf irdischen
Machtmitteln. Es ist vielmehr die Offenbarung und Durchsetzung der
Herrlichkeit und Heiligkeit, der Liebe und Wahrheit Gottes. Die Herr-
schaft Gottes ist die Herrschaft, das Mächtigsein der Liebe, der Heilig-
keit und der Wahrheit. Die Herrschaft der Liebe, der Heiligkeit und
der Wahrheit soll dadurch aufgerichtet werden, daß Liebe, Heiligkeit
und Wahrheit auf der Welt verwirklicht werden, d.h. dadurch, daß die
Menschen in die Liebe, Heiligkeit und Wahrheit Gottes hineingezogen
werden. Die Durchsetzung der Herrschaft Gottes bedeutet also für
den Menschen das Heil. Die Heiligung bringt ihm das Heil. Umgekehrt
ist die Sünde, die Entfernung von Gott, dem Leben, der Quell des
Unheils. Sie hat in ihrem Gefolge den Tod und das Leid. Hinter der
Sünde und dem Tod steht als die treibende Kraft der Teufel, der
Träger des Hasses und der Lüge. Durch ihn ist die Sünde in die Welt
gekommen. Es gibt keine Sünde, an der er nicht irgendwie beteiligt
ist (vgl. $ 124). Christus ist erschienen, um die Sünde wegzunehmen
(1 Jo 3, 5), die Sünder zur Umkehr, zu Gott zu rufen (Mt 9, 13). Die
Sünde vernichten bedeutet soviel wie die Werke des Teufels zerstören
(1 Jo 3, 8) und seine Macht brechen. Christi Sieg bedeutet Befreiung,
Rettung, Erlösung aus der Versklavung an diesen Gewaltherren. Zu
einem solchen Rettungswerke wurde er vom Vater in die Welt ge-
sandt. Er sollte suchen und heilen, was verloren war (Lk 19, 10).
Niemand sollte mehr untergehen müssen in der Unseligkeit von
Schuld, Verzweiflung und Todesangst. Er kam nicht als Vollstrecker
göttlicher Gerichte, sondern als Bote und Bürge göttlichen Erbarmens.
Mit dieser frohen Botschaft entließ er den Ratsherrn Nikodemus, der
sich des Nachts aufmachte, um von ihm selbst zu erfahren, wie er das
Reich Gottes gewinnen könne: „So sehr hat Gott die Welt geliebt,
daß er seinen eingeborenen Sohn dahingab, damit jeder, der an ihn
glaubt, nicht verloren gehe, sondern das ewige Leben habe. Denn
Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, daß er die Welt
richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde“ (Jo 3, 16 £.;
S 156 Aufrichtung der Königsherrschaft Gottes durch Jesus Christus 383

vgl. Jo 12, 47. M. Meinertz, Theologie des Neuen Testamentes, Bonn


1950, I 27—38).

I. Die Einzelakte
Das ganze Leben Christi diente der Aufrichtung des Gottesreiches
und der Bezwingung des Teufels. Sein Leben wurde so zu einem
Kampf nicht gegen unpersönliche Mächte, sondern gegen den Bösen,
gegen denjenigen, der das Gottwidrige um des Gottwidrigen willen
will, der mit unheimlicher Kraft das Gute haßt, dessen ganzes Sinnen
und’ Trachten Haß ist, der an der Liebe keinen Anteil hat. Durch das
Wort und das Tun, in der wirksamen Rede und im geisterfüllten Zei-
chen hat er Gottes Königsherrschaft verwirklicht. Zunächst geschah
es an einzelnen Menschen.

A. Die Sündenvergebung
Der Aufrichtung der Gottesherrschaft dient die Vergebung der
Sünde. Christus weckt das Bewußtsein der Sünde. Er tröstet nicht über
sie hinweg. Er nimmt sie als das, was sie ist: als Feindseligkeit gegen
Gott, als dämonischen Ausbruch des Gotteshasses. Er nimmt die
Menschen als das, was sie sind: als Sünder. Aber er trägt die Sünde
und Verschuldung hinweg. Wenn er spricht: Deine Sünden sind dir
vergeben (Mk 2, 5), so wird der Mensch von der Wurzel her neu. Die
Sünden sind dann nicht bloß vergessen, sondern sind nicht mehr da.
Wenn sie auch in ihrer geschichtlichen Tatsächlichkeit nicht mehr
rückgängig gemacht werden können, so wird doch ihre Schuldhaftig-
keit aufgehoben. Christus nimmt Gemeinschaft auf mit den Sündern.
Er tritt in Tischgemeinschaft mit ihnen (vgl. II, 1 S. 198). Er wird der
Freund der Zöllner und Sünder (Mk 2, 15 f.; Lk 5, 30; Mt 9, 10; 11, 19;
Lk 7, 34; 5, 8). So zieht er, der Mittler zwischen Gott und den Men-
schen, sie hinein in die Gemeinschaft, die ihn mit dem Vater ver-
bindet (Lk 19, 1ff.; Jo 15, 10). In Christus ist daher die Zeit ange-
brochen, welche Jeremias (31, 31—34) heraufziehen sieht. Es ist eine
neue Zeit, in welcher keiner mehr zum anderen sagen wird: Erkenne
den Herrn. Denn alle werden ihn kennen. Er wird ihr Gott sein und
sie werden sein Volk sein. Denn er wird jede Schuld vergeben und
keiner Sünde mehr gedenken.
384 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel § 156

B. Die Teufelsaustreibungen
Daß eine neue Zeit herankommt, bekundet sich am eindrucks-
vollsten und auffallendsten in den Teufelsaustreibungen und Toten-
erweckungen. Die Zeit der Teufels- und Todesherrschaft geht zu Ende.
Die Teufel spüren es. Sie toben und schreien, wenn Christus in ihre
Nähe kommt. Aber dem Sohn Gottes, dem Herrn aller Herrn, muß
auch der Fürst und Herr dieser Welt gehorchen (vgl. Bd. II 1 S. 306
bis 316).
C. Die Totenerweckungen
In den Totenerweckungen geht es letztlich gleichfalls um die
Vernichtung der Teufelsherrschaft. Der Teufel hat den Tod über die
Menschen gebracht, indem er sie zur Sünde verführte (Bd. II 1 § 133).
Die Teufelsaustreibungen und Totenerweckungen sind Bestätigungen
des Anspruchs Christi, der Sohn Gottes zu sein. Sie sind aber darüber
hinaus Heilszeichen. An ihnen blitzt die neue Zeit auf. Sie sind das
Wetterleuchten des Äons, der durch Gottes Königsherrschaft und das
darin begründete Heil der Menschen charakterisiert ist. In ihnen wird
offenbar, daß die alte Zeit versinkt und eine neue emporsteigt. In ihr
herrscht nicht mehr der Tod, sondern das Leben, nicht mehr der Haß,
sondern die Liebe, nicht mehr die Lüge, sondern die Wahrheit, nicht
mehr die Sünde, sondern die Heiligkeit, nicht mehr der Teufel, son-
dern Gott (vgl. jedoch Bd. II, 1 $ 124).
Jesus konnte Tod und Teufel überwinden, weil er selbst von innen
her lebendig und heilig war, weil an ihm keine Sünde und daher keine
Todverfallenheit herrschte.
R. Guardini schildert die Auferweckung des Lazarus folgendermaßen: Als Jesus
die Klage der Schwestern und Bekannten hört, „geht ihm ein Schauer durch den
Geist. All die Todesgegenwart erschüttert ihn: Das Sterben des Freundes und der
Schmerz der Verbundenen und die Nähe seines eigenen Todes. Es ist, als sei der
Tod selbst als Macht da, und der Herr nehme den Kampf mit ihm auf. Er fragt:
»Wo habt ihr ihn hingelegt?« Sie führen ihn hinaus. Aufs neue erschauernd, kommt
er zur Felsengruft und bricht in Tränen aus — nicht ohnmächtiger Trauer oder
bloßen Schmerzes, sondern ungeheuren Erfahrens: Der Tod als Weltverhängnis, als
Macht, gegen die er gesendet ist, steht vor ihm. Er befiehlt, sie sollen den Stein
wegnehmen. Martha erinnert an die vier Tage, die schon vergangen sind, und Jesus:
»Habe ich dir nicht gesagt: wenn du glaubst, sollst du die Herrlichkeit Gottes
schauen?« Sie glaubt — freilich ohne zu verstehen. Jesus steht allein mit dem, was
er ist. Der einzige von Wesen Lebendige unter den todgeweihten Menschen allen.
Darum auch der Einzige, der wirklich weiß, was der Tod ist. Ihm ist aufgetragen,
die dunkle Macht zu bezwingen; aber niemand hilft ihm, und sei es auch nur durch
Verstehen. Er wendet sich zum Vater, ihn preisend um des Unerhörten willen, was
§ 156 Aufrichtung der Königsherrschaft Gottes durch Jesus Christus 385

sich zutragen wird, und ruft dann mit gewaltiger Stimme: »Lazarus komm hervor|«
Mit gewaltiger Stimme — warum? In Naim war es doch so leicht, und am Bette des
Mägdeleins hat ein sanftes Wort genügt! Warum hier der gewaltige Ruf und die
riesige Gebärde? Erinnern wir uns der anderen Stunde, von der auch gesagt wird,
daß er mit »gewaltiger Stimme« gerufen habe? Aufgeschrien? Nach dem letzten
Wort am Kreuz, und bevor er starb? Sie kommen aus dem gleichen Herzen, diese
beiden Rufe, aus der gleichen Tiefe, aus der nämlichen Sendung und sind ein und
dieselbe Tat. Hier ist nicht nur das Wunder einer Erweckung. Hier geht hinter dem
sichtbaren Geschehen, in der Tiefe des Geistes ein Kampf vor sich. Wir haben schon
einmal von diesem in unzugänglichen Tiefen vor sich gehenden Kampfe gehört, als
wir vom Satan sprachen. Christus bezwingt den Tod, indem er den bezwingt, der
im Tode herrscht: Satan. Der Feind der Erlösung ist hier. Gegen ihn steht Jesus.
Und nicht durch Magie bezwingt er den Tod, nicht durch »Geisteskraft«, sondern
dadurch, daß er Der ist, der er ist: Unversehrt vom Tode bis in die Wurzel. Lebendig
durchaus. Nein, das Leben selbst, welches in der vollkommenen Liebe zum Vater
begründet ist. Das ist Jesu Macht. Der »Ruf« war ein Wirkend-Werden dieses Lebens
in einem allgewaltigen Stoß der Liebe“ (Der Herr, Würzburg 195911, 173 £.).

D. Die Krankenheilungen
Auch die Krankenheilungen Christi sind Anzeichen der neuen
Weltlage. Die Krankheit steht ja in engem Zusammenhang mit der
Sünde; daß der Mensch durch Krankheit verletzbar ist, kommt nach
der Schrift letztlich von der ersten Sünde.

IH. Die Vollendung im Tode


Was in den Totenerweckungen, den Teufelsaustreibungen, den
Krankenheilungen, den Sündenvergebungen an einzelnen geschah
und eine Wende in der menschlichen Geschichte ankündigte, wurde
durch das Kreuz auf Golgotha für alle, für die menschliche Geschichte
und für den Kosmos, vollendet.
So lehrt die Schrift: Christus mußte erhöht werden, um alle zu
retten (Jo 3, 15). Er will, wie die griechischen Kirchenväter und auch
Augustinus sagen, Tod, Teufel und Sünde nicht durch Allmacht
zerschmettern, sondern durch Liebe und Gerechtigkeit von innen her
überwinden. Deshalb nimmt er, der von der Todes- und von der
Satansherrschaft freie, das Schicksal der unter der Herrschaft dieser
Mächte Stehenden auf sich. Der keine Sünde hatte, ging hinein in das
leid- und todverfallene Leben der Sünder. Er stieg bis auf den Grund
des vom Tod und von der Sünde bestimmten menschlichen Schicksals
hinab, um es in schwerem Ringen von der Tiefe her aufzuarbeiten
und zu verwandeln. Er arbeitete sich durch seine Schrecken hindurch,
um es von der Menschheit hinwegzutragen.

25 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


386 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel S 156

Es geschah im Auftrag des Vaters, dessen Willen er in seine


eigene Freiheit aufgenommen hatte. Gott hat auf dieses Leben seine
Hand gelegt, so daß es völlig unter dem Gesetze seines Willens stand.
Sein Leben hatte nur den einen Sinn, Gottes Willen zu vollstrecken.
Der Weg, den Gott für Christus vorgezeichnet hat, war von Anbeginn
der Leidensweg (Lk 22, 37). Der Menschensohn Gott ging dahin, wie
geschrieben steht in der Schrift (Mk 14, 21), zu der vom Vater be-
stimmten Stunde (Mk A At vgl. Jo 11, 8f.; Lk 18, 31). Im Sterben
verfügte der Vater mit solcher Gewalt über Christi Leben, daß seine
Heiligkeit und Gerechtigkeit und zugleich seine Liebe und Treue als
das allein Mächtige erschienen. Da brachen Gottes heilige Gerechtig-
keit und gerechte Heiligkeit so über ihn herein, daß er nicht mehr be-
stehen konnte, daß er unter der Gewalt Gottes vergehen mußte. Wenn
Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit nicht mehr an sich halten, sondern
ihre Mächtigkeit auswirken lassen, dann ist das der Tod für den un-
heiligen Menschen. An Christus, der die Sünden aller auf sich ge-
nommen und vor das Angesicht Gottes getragen hat, offenbarte sich
die Allgewalt des heiligen Gottes, dem das menschliche Leben in seiner
jetzigen Existenzform nicht gewachsen ist. Christus hat sich dieser
bis zur äußersten Möglichkeit des Geschöpfes gehenden Verfügung
Gottes des Herrn in einer radikalen Weise unterworfen und so Gottes
Herrschaft in sein Leben aufgenommen. In seinem Tode hat er jede
Eigenherrlichkeit, jeden Willen, über sich selbst zu verfügen, auf-
gegeben. So wurde derjenige, der das Königtum Gottes auf dieser
Welt vollstreckte, zum Gottesknecht (Is 53), an dem keine Schönheit
und keine Gestalt war, zu dem Hilflosen, der anderen helfen konnte,
sich selbst aber nicht (Mt 11, 2—6). Er mußte das Schicksal aller
Gottgesandten teilen (Mk 9, 13 f.; Mt 12, 1; 18, 34; Lk 13, 33). Für alle
stand der Tod bereit. Aber gerade in seinem Untergang war die Offen-
barung der Herrschaft Gottes am lebendigsten. Sie wurde durch seinen
Tod nicht nur gezeigt, sondern verwirklicht, weil Gott im Sterben
Christi bis zur äußersten Aufnahmefähigkeit des Geschöpfes als der
Herr handelte, der über das Geschöpf Verfügungsgewalt besitzt, und
weil das Geschöpf bis zu seiner äußersten Möglichkeit das herr-
scherliche Tun Gottes an sich geschehen ließ. Der Vater „hat den, der
von der Sünde nichts wußte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir
durch ihn vor Gott gerechtfertigt werden“ (2 Kor 5, 21). Der Vater
hat ihn am Kreuze sterben lassen, wie ein Sünder stirbt. Ja, Paulus
schreibt das uns ungeheuerlich dünkende Wort, daß er für uns ein
Fluch (ein Verfluchter) geworden ist (Gal 3, 13). Das Kreuz ist vom
§ 156 Aufrichtung der Königsherrschaft Gottes durch Jesus Christus 387

Grauen des Fluches umgeben, unter dem die Menschheit wegen der
Sünde litt. Gott hat seinen Sohn in die Strafe hineingesandt, in welche
die Sünde den Menschen hineinstürzte (Röm 8, 3).
Christus beugte sich im Tode unter das Gesetz der strengen gött-
lichen Gerechtigkeit, das zugleich ein Gesetz der Liebe war. Er hat
den durch die erste Sünde über die Menschheit gebrachten, von Gott
sanktionierten Fluch (Gn 3, 16 ff.) bis in sein letztes Grauen hinein
durchgekostet. Gott steht zu seinem Strafwort (Gn 3, 3) auch seinem
menschgewordenen Sohne gegenüber. Im Gesetze der Vergeltung hat
Gott den Menschen den innerlichen, wesenhaften Unterschied von Gut
und Bös unvergeßlich geoffenbart, auf daß sie für immer vom Ver-
derben des Bösen gerettet blieben. Gottes Liebe stößt den Menschen,
gerade indem sie sich an ihm auswirkt, in Leid und Tod hinein. Liebe
und Gerechtigkeit durchdringen sich, bedingen sich, begründen sich
gegenseitig in schöpferischer Kraft. Christus kostete den Tod aus und
erfüllte darin das Gesetz der göttlichen Liebe und Gerechtigkeit. Ge-
rade darin aber, daß er sich dem Fluche der Sünde überantwortete,
hat er ihn vernichtet. Indem er das Gesetz der göttlichen Gerechtigkeit
erfüllte, hat er die Macht der Sünde und des Todes gebrochen. Ge-
nauer gesagt: Gott, der auf der Erfüllung aller Gerechtigkeit bestand,
hat die Herrschaften und Gewalten, die die Menschen bis dahin unter-
jochten, entwaffnet (Kol 2, 15), als das von ihm aufgestellte Gesetz
der Gerechtigkeit erfüllt war.
So ist das Kreuz, das Zeichen des Fluches und der Schande, zum
Sieges- und Triumphzeichen geworden (Trid. 22. Sitzung, 1. Kap.
D. 938). Der Kreuzestod Christi gleicht einem Triumphzug, in welchem
die entwaffneten Mächte der alten Zeit als Besiegte einherschreiten
und den Sieger verherrlichen müssen. Die einst so mächtig waren,
sind zum Gespötte geworden. Die Urkunde ihrer Herrenrechte ist ans
Kreuz geheftet. Sie ist zerrissen, beseitigt, ausgelöscht (Kol 2, 14). Daß
um das Kreuz der Siegesjubel rauscht, wird unüberhörbar bezeugt,
wenn Jesus mit jeder Leidensvorhersage die Ankündigung der Auf-
erstehung verbindet (siehe diesen Bd. S. 304). Die Stunde der Er-
niedrigung wird zur Stunde der Herrlichkeit. Durch Tod und Unter-
gang führt der Weg zum Leben und zur Fülle.
Darum bittet Christus den Vater nicht um Rettung vor dem Tode.
Über die Todesangst siegt die Hingabe an den Willen des Vaters, der
nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebendigen ist (Mt 22, 32), der
den Sohn in diesen schöpferischen Tod hineinsandte, damit aus diesem
die Herrlichkeit Gottes, die Liebe, Gerechtigkeit und Heiligkeit, und

25*
388 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel S 156

das Heil der Welt erwüchsen. Jesus sprach zu den Jüngern und zu
den Heiden, die sich durch sie an ihn wandten: „Die Stunde ist ge-
kommen, da der Menschensohn verherrlicht wird. Wahrlich, wahrlich,
ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und
stirbt, bleibt es für sich allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viele
Frucht. Wer sein Leben lieb hat, verliert es; wer dagegen sein Leben
in dieser Welt haßt, wird es für das ewige Leben retten. Wer mir
dienen will, der folge mir. Wo ich bin, da soll auch mein Diener sein.
Wer mir dient, den wird mein Vater verherrlichen. Jetzt ist meine
Seele erschüttert. Was soll ich sagen? Vater, bewahre mich vor dieser
Stunde? Doch gerade deshalb ist diese Stunde über mich gekommen.
Vater, verherrliche deinen Namen. Da erscholl eine Stimme vom
Himmel: »Ich habe ihn verherrlicht und will ihn noch weiter ver-
herrlichen«. Das anwesende Volk, das dies hörte, meinte, es habe ge-
donnert. Andere sagten: Ein Engel hat mit ihm geredet. Jesus aber
sprach: Nicht meinetwegen erscholl diese Stimme, sondern euret-
wegen. Jetzt ergeht das Gericht über diese Welt, jetzt wird der Fürst
dieser Welt hinausgestoßen. Ich aber werde, wenn ich von der Erde
erhöht bin, alle an mich ziehen“ (Jo 12, 23—32). Er ist wirklich
durch das Leiden der Führer zur Vollendung geworden (Hebr 2, 10).
Das Königtum Gottes offenbart und verwirklicht also seine Kraft
mit letzter Intensität in der Verwandlung des vergänglichen mensch-
lichen Lebens zur unvergänglichen Existenzweise, zu welcher der Tod
den Übergang bildet. Der erste, an dem es sich in dieser Weise ver-
wirklichte, ist Christus. Er hat jedoch die Herrlichkeit nicht für sich
allein empfangen, sondern für die gesamte Schöpfung, Sie wurde ihm
zuteil als dem Erstgeborenen (Röm 8, 29; Kol 1, 15. 18; Offb 1, 5;
1 Kor 15, 12 ff.). Die ganze Schöpfung wird nachfolgen. Die Lebens-
form, welche Christus in der Auferstehung gewonnen hat, wirkt schon
jetzt in sie hinein. Es sind gewissermaßen Auferstehungskräfte in ihr
gegenwärtig.
In der aus der Schrift gestalteten kirchlichen Liturgie kommt
das gleiche zum Ausdruck, wenn in der Fastenzeit das Evangelium
von der Verklärung verkündet wird (2. Sonntag in der Fastenzeit),
ja wenn die Freude über das sieghafte Geborensein in Gott durch
Not und Elend unwiderstehlich hindurchbricht (3. Sonntag; vgl.
J. Pinsk, Das Pascha des Herrn, Quadragesima und Pentecostes, in:
Liturgisches Leben 1, 1934, 63—67).
§ 156 Die durch Christus besiegten Unheilsmächte 389

Zweites Kapitel

Die durch Christus besiegten Unheilsmächte

Die Gegner, denen Christus im Kreuzestode den Todesstoß gab,


sollen einzeln benannt werden.

I. Der Sieg über den Teufel


Zunächst wurde der Teufel seiner Gewalt entkleidet, ein für
allemal (Jo 16, 11; 12, 31). Er wollte Christus wie alle anderen seiner
Macht unterwerfen, angefangen von den Versuchungen in der Wüste
bis zum Todesurteil des Pontius Pilatus. Hinter aller Feindschaft
gegen Christus stand der Satan als die persönliche Macht der Bosheit
und des Hasses. Er mußte indes erleben, daß dieser nicht war wie die
anderen. In ihm hat er sich getäuscht. Er konnte ihn in den Tod
hineinstoßen, indem er den Menschen, die seine willigen Werkzeuge
waren, Haß und Mord ins Herz gab, und konnte so scheinbar trium-
phieren. Aber er konnte ihn im Tode nicht festhalten (Jo 14, 30). In
diesem Einen hat sich seine Macht erschöpft. Sie ist nun für alle Zu-
kunft gelähmt. Gerade die Vernichtung, welcher er seinen gefährlichen
Gegner auslieferte, wurde der Weg zu seiner eigenen Entthronung
(Kol 2, 14). Er ist freilich noch nicht vernichtet, sondern erst geschla-
gen. Seine Macht ist ins Herz getroffen. Aber er kann wie ein besiegtes
Heer noch viel Unheil stiften. Doch er hat keine Aussicht mehr auf
den Endsieg und auf die Weltherrschaft. Er geht der völligen Nieder-
lage unrettbar entgegen. Von der Stunde seiner bedingungslosen Ka-
pitulation an, die unvermeidlich ist, wird Gottes Herrschaft so offen-
kundig sein, daß auch nicht mehr der Anschein entstehen kann, als
ob Satan doch noch gefährlich werden könnte. So ist die Besiegung
des Teufels, so real sie jetzt schon ist, doch zugleich ein Ereignis der
Zukunft.
Die Väter sagen oft, der Teufel sei überlistet worden. In Wahr-
heit war diese List die Weisheit Gottes, der auch der Teufel nicht
entrinnen konnte, selbst wenn er den Gang der Ereignisse genau ge-
kannt und verstanden hätte. Die Väter schildern den Kampf zwischen
Christus und dem Satan gelegentlich mit Darstellungsmitteln, die aus
der heidnischen Mythologie stammen, in welcher der ewige Streit
zwischen Licht und Finsternis beschrieben wird. Der Kampf ist jedoch
hier und dort jeweils ganz anders. In dem einen Fall kämpfen Götter
miteinander. Der eine siegt, der andere unterliegt. Wenn der Unter-
390 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel S 156

legene sich erholt, beginnt der Kampf aufs neue. Christus hingegen
besiegt den Teufel ein für allemal. Da steht auch nicht Macht und
Macht gleichwertig gegeneinander, vielmehr steht Christi Übermacht
gegen die Gewalten der Hölle (Näheres Bd. II, 1 S. 160 f.).

II. Der Sieg über Tod und Leid


Erschöpft ist auch die Macht des Todes. Die Niederwerfung
der Todesherrschaft geht mit der Niederwerfung der Teuefelsherr-
schaft Hand in Hand. Durch die Sünde ist der Tod in die Welt ge-
kommen (Röm 5, 12). Er ist der Sünde Sold. Da letztlich Satan die
Menschen zur selbstherrlichen Abschüttelung der Gottesherrschaft ver-
führte, ist er es, der den Tod über die Menschen gebracht hat. Der Tod
ist eine der Weisen, in denen er sein Gewaltregiment über die Men-
schen ausübt und ihr Dasein in Fesseln schlägt. Christus hat den Tod,
der das menschliche Leben immerfort bedroht und der Unsicherheit
und der Angst überantwortet (Hebr 2, 15; Röm 8, 5f.), zunichte ge-
macht (2 Tim 1, 10). Er hat ihn zunächst in den Totenerweckungen
an einzelnen Stellen des Kosmos überwunden, ähnlich wie er durch
seine Teufelsaustreibungen den Satan da und dort besiegt hat. In
seinem eigenen Tode aber hat er den Tod für alle Menschen ab-
getan (Hebr 2, 14f.) und unvergängliches Leben gebracht (2 Tim 1, 10).
Weil er nicht wie alle anderen des Todes schuldig war, konnte der
Tod ihn nicht halten (Offb 1, 18). So wurde er wieder lebendig. Er
trägt die Schlüssel des Todes. In seiner Auferstehung hat er die Macht
des Todes für immer gebrochen. Der Tod wurde für ihn selbst der
Überschritt zum neuen Leben. Da er das Haupt der Schöpfung ist,
wurde sein Tod für alle die Stelle, an welcher sie den Übergang vom
vergänglichen zum unvergänglichen Leben tun können. Die Gräber,
die sich beim Sterben Christi öffneten, die Toten, die auferstanden
und vielen in der Stadt erschienen, die Verfinsterung der Sonne, das
Beben der Erde, das Getöse der zerspringenden Felsen, sind Anzeichen
seines Sieges über den Tod (Mt 27, 51ff.). Sein Sterben ist umleuchtet
von der Glorie des Auferstandenen. In seiner Auferstehung bekundet
sich die neue Zeit. Er selbst nennt diese Epoche die Zeit der Gottes-
herrschaft (Mt 26, 29; Mk 14, 25; Lk 22, 16).
„Denn er stirbt aus der Fülle, nicht aus der Schwäche des Lebens. Das wird
denn auch in der letzten Nacht im Ölgarten deutlich. Die Furchtbarkeit des Endes
kommt über ihn. Er ist geängstet bis zum Sterben, aber er stellt sich unter den
Willen des Vaters. Der Tod kommt ihm nicht von innen her, als Konsequenz wesen-
hafter Zerstörtheit. Er hat nicht, wie jeder von uns, schon im Augenblick der Ge-
S 156 Die durch Christus besiegten Unheilsmächte 391

burt die innere Versehrtheit empfangen, von welcher dann das wirkliche Sterben
nur die letzte Auswirkung ist. Christus hat keine Wunde in sich. Ihm kommt der
Tod nur aus dem Willen des Vaters, aufgenommen in seine eigene Freiheit ... Da-
mit hat er ihn aber auch tiefer in sich hineingenommen, als er irgendeinem von
uns inne ist. Wir erleiden ihn durch Gewalt. Er hat ihn in der letzten Innerlichkeit
der Liebe gewollt. Deswegen ist sein Sterben auch so schwer. Man hat gesagt, andere
seien furchtbarer gestorben, aber das ist nicht wahr. Niemand ist gestorben wie er.
Die andern alle mußten: er hätte nicht gebraucht. Um so furchtbarer ist der Tod,
je stärker, reiner, zarter das Leben ist, über das er kommt. Das unsere ist immer
todverfallen,; was eigentlich Leben heißt, wissen wir wohl gar nicht. Er aber war
so ganz und einzig lebendig, daß er sagen konnte: »Ich bin das Leben«. Darum hat
er den Tod bis in den Grund ausgekostet — darin hat er ihn aber auch überwunden.
Nach Christus ist der Tod anders als vor ihm. Glauben aber heißt daran teilhaben —
wie er selbst gesagt hat: »Wer an mich glaubt, der wird leben, wenn er stirbt«. Wer
glaubt, steht im eigentlichen, im »ewigen« Leben“ (R.Guardini, Der Herr, a.a.O.,
176 f. Vgl. den Artikel Thanatos von R. Bultmann, in: Kittel, Theol. Wörterbuch zum
NT III, Stuttgart 1938, 13—21).

Die Entmachtung des Todes begreift die Entmachtung des Lei-


des, des Vorläufers des Todes, in sich. Als Christus die frohe Bot-
schaft vom Königtum Gottes ausgerufen hatte, begann er sogleich
Teufel auszutreiben, Tote zu erwecken und Kranke zu heilen. Im
Markus-Evangelium tritt dieser Zusammenhang am klarsten hervor.
Das Leid hielt seinen Einzug in die menschliche Geschichte auf dem
gleichen Wege, auf dem der Tod seinen Einzug hielt. Es war der
Weg der Auflehnung gegen Gottes Herrschaft, die zu einer Verskla-
vung unter die Herrschaft Satans wurde. In der Ferne von Gott, dem
Lichte, dem Leben, kann nur Finsternis, Leid und Tod Anteil des
Menschen sein (Offb 18, 21—24). Mit der Überwindung der Teufels-
herrschaft ist daher auch die Überwindung des Leides vollbracht.
Christus hat die Zeit heraufgeführt, in der diese den Menschen ver-
sklavenden Mächte nicht mehr am Ruder sind. Denn vor Gott herrscht
die Freude, das Leben, das Licht.
Die Überwindung von Tod und Leid besteht nicht darin, daß
sie von der Welt weggenommen sind, daß die Welt ohne Tod und
Leid ist. Sie bedeutet vielmehr, daß Tod und Leid der Verwandlung
zu einem neuen, unzerstörbaren Leben dienen. Für den, der Christus
im Glauben und im Sakrament ergreift, hat der Tod keine Vernich-
tungskraft mehr, sondern schöpferische Gewalt. Aber jeder muß ihn
noch durchleben. Nach der Lehre der griechischen Väter ist durch den
Tod Christi zunächst seine eigene menschliche Natur des unvergäng-
lichen Lebens teilhaftig geworden. Die Erlösung ist verwirklicht im
auferstandenen Christus. Jeder andere gewinnt die Erlösung durch
392 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel § 156

die Lebensgemeinschaft mit Christus. Dadurch, daß der Mensch in


Christus sein Leben vollzieht und durch den Tod hindurchgeht, ge-
langt er mit Christus zur Herrlichkeit. Gottes Strafwort (Gn 3) bleibt
für jeden bestehen. Aber wer mit Christus den Todesweg geht,
wird des Christuslebens teilhaftig. Den Todesweg mit Christus be-
schreiten wir in der Taufe, wir gehen ihn weiter in den übrigen
Sakramenten, in den Leiden und im leiblichen Sterben. Im Glauben
und in den Sakramenten wird der Mensch in Christus hineingenom-
men. Er wird teilhaftig des Todes und der Herrlichkeit. Die Teil-
nahme am Sterben Christi wird sichtbar und immer wieder von
neuem realisiert in den Leiden und Krankheiten, bis sie zu ihrer
höchsten und letzten Schärfe gelangen im leiblichen Tode. Jedes Leid
ist so von dem gleichen Sinn erfüllt, von dem das Sterben Christi er-
füllt war. Es ist die Weise, in der Gott den Menschen bindet und sich
als den Herrn über das menschliche Leben erweist, in der der Mensch,
wenn er in den Sinn des Geschehens eindringt, sich binden läßt und
so Gott als den Herrn anerkennt. So wird im Leiden und im Sterben
das Königtum Gottes aufgerichtet. Zugleich wird das Leiden zu einem
Schritt heraus aus den vergänglichen Formen dieser Welt, hinein in
das Herrlichkeitsleben Christi, bis im Tode der letzte Schritt in diese
Richtung getan wird. So behalten Leid und Tod ihre schmerzschaf-
fende Kraft. Sie bleiben Feinde (1 Kor 15, 26), aber sie sind keine
siegreichen und despotischen Feinde mehr. Sie müssen vielmehr dem
Christusgläubigen die Gelegenheit zum endgültigen und sicheren Siege
bieten, und zwar gerade dadurch, daß sie selbst vorläufig siegen.
(Siehe die Lehre von den Letzten Dingen Bd. IV 2.)
Warum der Vater denen, welche im Glauben am Leben seines
Sohnes Anteil gewonnen haben, den Durchgang durch die verwan-
delnde, schmerzlich-schöpferische Gewalt des Leidens und Todes nicht
erspart hat, ist uns nicht geoffenbart. Was wir darüber vermuten
können, ist früher (Bd. I § 93 und Bd. II 1 $ 113) gesagt worden. Die
endgültige, allen sichtbare Offenbarung der Überwindung des Todes
geschieht bei der Wiederkunft Christi. Bis dahin muß das Leidens-
maß erfüllt werden, das Gott seiner Kirche bestimmt hat. Das Leiden
der Glieder Christi steht noch aus (Kol 1, 24). Die Glieder Christi,
„allenthalben bedrängt, doch nicht erdrückt, in Not, aber nicht in
Verzweiflung, verfolgt, aber nicht im Stiche gelassen, niedergeworfen,
aber nicht vernichtet“, tragen allzeit Jesu Sterben am Leibe herum,
damit auch Jesu Leben an ihrem Leibe sich offenbare. So werden sie
mitten im Leben um Jesu willen dem Tode ausgeliefert, damit auch
§ 156 Die durch Christus besiegten Unheilsmächte 393

das Leben Jesu an ihrem sterblichen Fleische offenbar werde (2 Kor


4, 8—12. Siehe weiter die Lehre von der Gnade und von den Letzten
Dingen, Bd. III 2 und IV 2).

III. Der Sieg über die Sünde


Mit der Besiegung des Teufels und Todes ist die Vernichtung
der Sünde, die Befreiung von ihrer Herrschaft eng verbunden.
Die Sünde ist eine Macht, welche den Menschen beherrscht
(Röm 5, 21; 6, 12. 14). Wer sie tut, ist ihr Sklave (Röm 6, 16. 20;
Jo 8; 34). Er steht unter ihrer Botmäßigkeit (Röm 3, 19), handelt
nach ihrem Gesetz (Gal 3, 21 f.), ist an sie verkauft (Röm 7, 14). Chri-
stus ist ihr Überwinder. Seine Liebe, in welcher die Liebe des Vaters
wirksam war, hat die Gottesferne der Menschen aufgehoben. In seiner
Demut und seinem Gehorsam ist die Selbstherrlichkeit der Menschen
von der Wurzel her zerstört worden. Gott hat seinen Sohn ins Fleisch
eingehen lassen, damit die Sünde in ihrem eigenen Herrschaftsbereich
entscheidend getroffen werde. „Weil das Fleisch des Sohnes Gottes
das Fleisch der gesamten Menschheit zu vertreten vermochte, hat Gott
in dem Fleischestode des Sohnes ein Verdammungsurteil über das ge-
samte menschliche Fleisch ausgesprochen. Daher ist nach göttlichem
Recht im Tode Christi bereits das ganze menschliche Fleisch der Ge-
walt der Sündenmacht entnommen worden“ (P. Feine, Theologie
des Neuen Testaments, Leipzig 19387, 393). „Daher befindet sich in
denen, die in Christus Jesus sind (und nicht mehr nach dem Fleische
wandeln), nichts Verdammungswürdiges mehr. Denn das Gesetz des
Geistes, der das Leben gibt in Christus Jesus, hat dich befreit vom
Gesetz der Sünde und des Todes. Was nämlich das Gesetz nicht ver-
mochte, weil es infolge des Fleisches machtlos war, das bewirkte Gott:
Er sandte seinen eigenen Sohn in der Gestalt des sündigen Fleisches
und um der Sünde willen und verurteilte dadurch die Sünde an
seinem Fleische* (Bom 8, 1ff.). Das ist die beglückende Wende, die
Christi Tat gebracht hat: „Vorher war keiner gerecht, auch nicht
einer“ ... Jetzt aber ist unabhängig vom Gesetze die Rechtfertigung
durch Gott offenbar geworden. Auf sie haben schon das Gesetz und
die Propheten hingewiesen: auf die Rechtfertigung durch Gott auf
Grund des Glaubens an Jesus Christus, und zwar für alle und über
alle, die an ihn glauben. Es gibt da keinen Unterschied. Alle sind der
Sünde verfallen und entbehren der Herrlichkeit Gottes. Sie werden
aber geschenkweise gerechtfertigt durch seine Gnade dank der Er-
lösung in Christus Jesus. Ihn hat Gott in seinem Blute als Sühneopfer
394 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel S 156

hingestellt durch den Glauben, um seine Gerechtigkeit zu erweisen.


In seiner Langmut hatte Gott nämlich die früher geschehenen Sünden
hingehen lassen, um in der jetzigen Zeit seine Gerechtigkeit zu er-
weisen. So wollte er selbst gerecht sein und gerecht machen den, der
an Jesus Christus glaubt“ (Röm 3, 21—26). Wie es durch die Sünde
eines einzigen Menschen über alle zur Verurteilung gekommen ist,
„kam durch einen, der gerecht war, auch die Rechtfertigung und das
Leben. Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die
vielen zu Sündern geworden sind, so sollen durch den Gehorsam des
einen die vielen zu Gerechten gemacht werden... Wie also die Sünde
durch den Tod ihre Herrschaft ausübte, so sollte auch die Gnade
kraft der Rechtfertigung zum ewigen Leben ihre Herrschaft ausüben
durch Jesus Christus, unsern Herrn“ (Röm 5, 18—21). Er ist ein für
allemal für die Sünden gestorben, der Gerechte für die Ungerechten,
um uns den Zugang zu Gott zu verschaffen (1 Petr 3, 18). „Er hat kein
Unrecht getan. Kein Trug fand sich in seinem Munde. Als man ihn
schmähte, schmähte er nicht; als er litt, drohte er nicht. Er stellte
alles dem gerechten Richter anheim. Er trug unsere Sünden an seinem
Leibe hinauf auf das Kreuzesholz, damit wir der Sünde absterben und
der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden wurden wir geheilt“
(1 Petr 2, 22ff.). In Christus ist unser alter Mensch ans Kreuz ge-
schlagen worden, damit wir nicht mehr Sklaven der Sünde seien
(Röm 6, 6). Wie der Tod über Christus keine Macht mehr hat, so ist
auch die Sünde durch seinen Tod abgetan (Röm 6, 10). Für den, der
in Gemeinschaft mit Christus tritt, gibt es daher Tod und Sünde nicht
mehr (Röm 6, 9. 11). Er ist aus Gott geboren. Er kann nicht mehr
sündigen. In ihm herrscht nicht mehr die Sünde, der Haß, sondern
die Liebe (1 Jo 3, 6. 9). Die Botschaft vom Kreuze ist daher die Bot-
schaft vom Siege, von der Kraft und von der Weisheit Gottes (1 Kor 1,
18 ff.).
Freilich muß man auch bedenken: Wenngleich der Christ der
Gewalt der Sünde entrissen ist, wenngleich in ihm ein anderer Herr
regiert, Gott, die Wahrheit und die Liebe, so wird er doch immer
wieder von den alten Mächten bedroht, angegriffen, gefährdet. Sie
sind nicht tot, sondern haben nur den Todesstoß erlitten. Er steht
daher in einem ununterbrochenen Kampfe. Wie oft unterliegt er
darinnen. Aber in Christus, im Glauben an ihn und in der Hingabe
an ihn, den für die Sünde Gekreuzigten, kann er sie immer wieder
überwinden. Sein Leben verläuft so in einer ständigen Spannung. Er
hört die frohe Botschaft, daß die Sünde vernichtet ist, und wird ge-
§ 156 Die durch Christus besiegten Unheilsmächte 395

troffen von dem Aufruf, nicht mehr der Sünde zu leben, bis die
Stunde kommt, in welcher alles dem Vater im Himmel unterworfen
sein wird. Dann wird die Herrlichkeit der Kinder Gottes keinem Zu-
griff des Bösen mehr erreichbar sein (Röm 8, 18. Vgl. Bd. III 2). Die
Zukunft wird indes nicht die völlige Vertreibung der Sünde aus der
menschlichen Gesellschaft bringen. Es gibt auch den ewigen Wider-
spruch gegen Christus. Für den, der nicht an ihn glaubt, ist sein Tod
Gericht und Verwerfung (Jo 12, 31; 16, 11. Siehe M. Meinertz, Theo-
logie des Neuen Testamentes, Bonn 1950, I 39—56, II 88—114).

IV. Der Sieg über das Gesetz


Nach dem Zeugnis des heiligen Paulus hängt die Überwindung
der Sünde eng zusammen mit der Überwindung des Gesetzes. Unter
Gesetz versteht Paulus die Gesetzesvorschriften desAT bzw. das ganze
als Gesetz aufgefaßte AT. Das alttestamentliche Gesetz war heilig,
gerecht und gut (Röm 7, 12). Es war gegeben zum Leben, das in dem
Dasein für andere, das in der Liebestat besteht (Röm 7, 10; 10, 5;
13, 9; Gal 3, 12; 5, 14). Es war daher eine Freude für die Gerechten.
Aber es wurde in einer seltsamen Dialektik zugleich zum Anlaß der
Sünde, und zwar in zweifacher Weise. Die Sündenmacht bediente sich
des Gesetzes, um die gottwidrigen Begierden im Menschen wachzu-
rufen. Am Gesetz entzündete sich die menschliche Sucht zur Selbst-
behauptung gegen Gottes Anspruch (Bom 7, 8 ff.). Diese ist der Nerv
jeder Sünde, angefangen von der Nichtachtung Gottes (Röm 1, 21) bis
zur sexuellen Perversität und den Ausbrüchen des die Gemeinschaft
zerstörenden Hasses (Röm 1, 24—31. Vgl. M. Meinertz, a. a. O., II
46—54). Der Mensch mußte unter das Gesetz gestellt werden, damit
sein Gewissen geweckt werde und er seine Todeskrankheit erkenne.
Das Gesetz lockt die Sünde hervor, so daß der Mensch erfährt, was in
ihm steckt (Röm 7, 7—13). Es bringt daher den Menschen unter die
Gewalt der Sünde. Es stellt ihn unter den Fluch, indem es zeigt, was
zu tun ist, und zugleich die Ohnmacht aufweist, seine Forderung zu
erfüllen (Gal 3, 10). Das Gesetz wurde zwar gegeben, damit es erfüllt
werde. Es enthielt Gottes verbindliche Forderungen. Wer sie erfüllt,
wird dadurch gerecht (Bom 2, 7—13). Aber niemand befolgt es in
vollkommener Weise. Das macht die Situation der Menschen vor
Christus trostlos, daß es vor ihm keine wirkliche Gesetzeserfüllung
gab (Gal 3, 10; Röm 3, 9). Die Menschen erlangten unter dem Gesetz
die Gerechtigkeit nicht, weil sie Übertreter des Gesetzes waren und
daher vor Gott als schuldig dastanden (Röm 8, 2; 2 Kor 3, 6—9).
396 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel § 156

Aber selbst wenn einer das Gesetz erfüllen könnte, würde er


nicht vom Fluche frei bleiben. Gerade indem er es erfüllt, wird er
dazu versucht, seine Gesetzeserfüllung als eigene Leistung gegen Gott
geltend zu machen, Ansprüche gegen Gott zu erheben, indem er
scheinbar ehrlich und gehorsam, in Wirklichkeit selbstsüchtig und
eigenwillig Gottes scharf und klar im Gesetz umrissene Ansprüche er-
füllt. So wird das Gesetz für ihn ein Anlaß, sich durch Gesetzes-
erfüllung von Gottes Allherrschaft loszukaufen, die Freiheit und Un-
abhängigkeit seines Ichs gegen Gott aufzurichten, sich seiner Leistung
statt der Gnade Gottes zu rühmen, seine Glorie statt die Glorie Got-
tes zu suchen (Gal 2, 15—21; 5, 4; Bom 4, 4—16; 6, 14). Gerade da-
durch aber verfällt er einer um so härteren Unfreiheit, der Selbst-
sucht und Eigenwilligkeit, die unermüdlich ihre Forderungen er-
heben und ihm ein mühseliges und unzufriedenes Leben aufbürden
(Röm 6, 20; Jo 8, 34). Das Gesetz bringt also zu Tage, daß der Mensch
ein Sünder ist, sei es, daß ihn seine sündige Begierde zur Übertretung
des Gesetzes reizt, sei es, daß sie sich als Hochmut in den Eifer der
Gesetzeserfüllung verkleidet. Röm 7, 7—11 heißt es: „Ich hätte die
Sünde nie kennengelernt außer durch das Gesetz; denn ich hätte die
Begierde nie kennengelernt, wenn das Gesetz nicht sagen würde: Du
sollst nicht begehren! Die Sünde aber machte sich das Gebot zunutze
und erwirkte dadurch in mir jede Begierde. Denn ohne das Gesetz
war die Sünde tot, ich aber lebte einst ohne das Gesetz. Als aber das
Gebot kam, kam die Sünde zum Leben. Ich aber geriet in den Tod.
Und so stellte es sich heraus, daß das Gebot, das zum Leben führen
sollte, mich gerade in den Tod führte. Denn die Sünde machte sich
das Gebot zunutze und betrog mich und tötete mich mit seiner Hilfe.“
Was hier freilich als Machenschaft der Sünde erscheint, ist letztlich
Absicht Gottes. „Das Gesetz ist dazwischen gekommen (zwischen
Adam und Christus), damit die Übertretung sich mehre, und so, wo
die Sünde sich mehrte, die Gnade überreich werde“ (Bom 5, 20).
Das Gesetz führte also den Menschen, der sein Leben ohne Gott
selbst ordnen und gestalten wollte, in die Sünde, um ihn dadurch
wieder in das rechte Verhältnis zu Gott zu bringen. Das schreibt
Paulus an die Römer und an die Galater. Röm 4, 13—16 sagt er:
„Nicht durch das Gesetz war die dem Abraham und seinen Nach-
kommen gegebene Verheißung begründet, daß er der Erbe der Welt
sein sollte, vielmehr durch die Glaubensgerechtigkeit. Denn wenn das
Recht auf Erbschaft im Gesetz seine Begründung hätte, so wäre es
aus mit dem Glauben, und die Verheißung wäre zunichte gemacht;
S 156 Die durch Christus besiegten Unheilsmächte 397

denn das Gesetz bringt nur Zorn ein. Wo aber kein Gesetz ist, da
gibt es auch keine Übertretung. Eben deshalb gilt: auf Grund des
Glaubens, damit gelte: nach dem Grundsatz der Gnade, damit die
Verheißung sicher ist für jeden Nachkommen.“
Im Galaterbrief sagt Paulus (Gal 3, 21—25): „Steht nun das Ge-
setz den Verheißungen (Gottes) entgegen? Keineswegs! Denn nur
wenn das Gesetz als ein solches, das lebendigmachen kann, gegeben
worden wäre, dann würde tatsächlich die Gerechtigkeit im Gesetz
ihren Ursprung haben. Aber die Schrift hat vielmehr alles unter die
Sünde eingeschlossen, damit die Verheißung auf Grund des Glaubens
an Jesus Christus dem Glauben geschenkt werde. Bevor jedoch der
Glaube kam, wurden wir unter dem Gesetz in Haft gehalten, einge-
schlossen im Hinblick auf den Glauben, der offenbar werden sollte.
Also ist das Gesetz unser Zuchtmeister bis zu Christus hin geworden,
damit wir auf Grund des Glaubens gerechtfertigt werden sollten.
Nachdem aber der Glaube gekommen ist, stehen wir nicht mehr unter
dem Zuchtmeister.“
Wer kann da Rettung bringen? Es hat einen jubelnden Klang,
wenn Paulus nach der Schilderung des Fluches, den das Gesetz über
den Menschen bringt, unvermittelt ausruft: Christus. Ja, Christus ist
es, der den Fluch des Gesetzes von uns hinwegnahm, weil er selbst
zum Fluche geworden ist. Auch das die Sünde gebärende Gesetz hat
sich erschöpft, indem es Christus ans Kreuz brachte (Gal 3, 13).
Durch seinen Tod hat Christus diesen harten Zuchtmeister über-
wunden (Gal 3, 23 ff.; 4, 21—31). Christus hat sich durch seinen Tod
vom Gesetze getrennt. Seitdem ist jeder, der an ihn glaubt, frei vom
Gesetz. Das ist freilich kein gesetzesloser Zustand. Die Bindung an das
Gesetz wird abgelöst durch die personale Bindung an Christus. Der
vom Gesetz frei Gewordene steht unter dem Gesetze Christi, unter
dem Gesetze, das Christus ist. Die ewigen Ansprüche Gottes bestehen
weiter. Sie erheben jetzt ihre Stimme in Christus. Was jetzt von ihm
gefordert wird, ist nicht die Erfüllung sachlicher Gebote, sondern die
Liebe, die Hingabe an Gott. An die Stelle der sachlichen Sittlichkeit
tritt die personalistische.
Der Christ ist zwar nicht mehr unter das Gesetz gestellt (Röm 6,
14; Gal 5, 18). Das heißt aber nicht, daß das Gesetz nicht mehr gilt.
Abgeschafft sind für ihn die rituellen Vorschriften des AT. Aber die
im alttestamentlichen Gesetze enthaltenen sittlichen Vorschriften, in
denen der Wille des Vaters sich kundgibt, bleiben die Formen, in
398 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel ES 156

welchen die vom Christen geforderte Liebe (Agape) zu vollziehen ist


(Bom 13, 8ff.; Gal 5, 14).
So treffen den Christen die im alttestamentlichen Sittengesetze er-
hobenen Forderungen Gottes nicht mehr wie tote Paragraphen, son-
dern als der durch Christus zu ihm dringende Anruf des Vaters im
Himmel. Er ist also vom Gesetze frei geworden, insofern das Gesetz
toter Buchstabe ist, nicht aber insofern es die lebendige Verpflichtung
durch Gott ist, wie ein Kind des himmlischen Vaters zu leben. Christus
hat das alttestamentliche Gesetz in seinen sittlichen Forderungen nir-
gends aufgehoben, sondern als Form der den Gläubigen treibenden
Agape erklärt. Zugleich hat er es zu jener Vollkommenheit fortent-
wickelt, welche der nunmehr wirksamen Liebe entspricht (Bergpredigt;
siehe Bd. III 2). Die „Freiheit“ vom Gesetz ist also ein sehr differen-
zierter Zustand. „Wißt ihr nicht, Brüder — ich rede zu Menschen, die
sich im Gesetze auskennen —, daß das Gesetz solange für einen Men-
schen Geltung hat, als er lebt? So ist eine verheiratete Frau durch das
Gesetz an den Mann gebunden, nur solange er lebt. Stirbt der Mann,
so ist sie gesetzlich nicht mehr an den Mann gebunden. Wollte sie bei
Lebzeiten ihres Mannes einem andern Manne angehören, so hieße sie
eine Ehebrecherin. Ist aber ihr Mann gestorben, so ist sie gesetzlich
frei und darum keine Ehebrecherin, wenn sie einen anderen heiratet.
So seid auch ihr, meine Brüder, durch Christi Leib für das Gesetz tot.
Ihr gehört nun einem andern an, nämlich dem, der von den Toten
auferstanden ist. Nunmehr sollen wir Früchte bringen für Gott. So-
lange wir noch fleischlich (aus unserem natürlichen, von der Selbst-
sucht bestimmten Ich heraus) lebten, regten sich die durch das Ge-
setz geweckten sündhaften Gelüste in unseren Gliedern, daß wir
Früchte brachten für den Tod. Jetzt aber sind wir frei vom Gesetze
und sind durch den Tod seiner Fesseln entledigt. Nunmehr dienen
wir in ganz neuem Geiste, nicht mehr in dem alten Buchstaben“
(Röm 7, 1—6). Wo vorher das tote Gesetz mit seinen Ansprüchen
stand, steht jetzt Christus, die personhafte geistliche Lebensmacht,
die Paulus als lebendige Wirklichkeit vor Damaskus erfahren hat
und immerfort erfährt. Christus hat uns für die Freiheit frei gemacht,
er hat uns zur Freiheit berufen (Gal 5, 1), aber nicht zur Ungebunden-
heit (Gal 5, 13). Er selbst, der erhöhte Herr, ist die Norm unseres
Tuns und die uns beherrschende und gestaltende Kraft geworden. Er
ist der personale Anfang alles Geschehens in dem befreiten Ich. Dieses
braucht sich bloß in die Lebensbewegung, die Christus auslöst, ein-
zufügen. So entspringt denn alles Handeln aus der Verbundenheit des
S 156 Die durch Christus besiegten Unheilsmächte 399

Glaubenden mit Christus. Es ist nicht mehr Antwort auf eine von
außen herankommende, seine Selbstherrlichkeit provozierende (hete-
ronome) Forderung, sondern Ausdruck der im eigenen Selbst wir-
kenden Geistesmacht, die Christus ist. Freiheit wird daher gewonnen
nicht in der Behauptung des Ich gegen die Ansprüche Gottes, die es
treffen, sondern in der Hingabe an Christus, der die in der mensch-
lichen Geschichte erschienene Liebe des Vaters ist und daher in der
Liebe bzw. im lebendigen, von der Liebe geformten Glauben erfaßt
wird. Die dem Christen verheißene Freiheit wirkt sich daher aus in
dem Vollzug des Gesetzes Christi, im Vollzug der Liebe (Gal 6, 2).
Objektiv besteht die Freiheit darin, daß den Christusgläubigen nicht
eine Summe von Vorschriften bindet, sondern daß die Liebe zu jenem
Du, dem er vom Wesen her zugeordnet ist, ihn zu seinem Tun führt.
Subjektiv empfindet er die Freiheit darin, daß er tun darf, wonach
sein von Gott verwandeltes Herz begehrt, nämlich lieben; die Gesetze
sind für ihn die verpflichtenden Hinweise darauf, wie in den einzel-
nen konkreten menschlichen Situationen die Liebe zu vollziehen ist.
Das also ist das Gesetz der Freiheit (Jk 1, 25). Seine Freiheit ist nicht
autonom, sondern theonom. Dadurch freilich, daß er Gottes Liebe
in sich aufnimmt und sich von ihr formen läßt, gewinnt die Theono-
mie den Charakter der Autonomie, einer von Gott durch Christus be-
stimmten Autonomie (vgl. den Artikel eleutheros von H. Schlier,
in: Kittel, Theol. Wörterbuch zum NT II, Stuttgart 1934, 492/500.
Derselbe, Über das vollkommene Gesetz der Freiheit, in: H. Schlier,
Die Zeit der Kirche, Freiburg 1956, 193—206. R. Bultmann, Theologie
des Neuen Testaments, Tübingen 1948, 112—120, 255—266. M. Mei-
nertz, Theologie des NT, Bonn 1950).

V. Die Überwindung der Vergänglichkeit


Der Sieg über Teufel, Tod und Sünde schließt auch die Über-
windung der vergänglichen Formen der ganzen Schöpfung in sich.
Er wird in der Schrift der Sieg über die Welt genannt. Welt bedeutet
in der Schrift verschiedenes: die sichtbare Schöpfung Gottes, den
Aufenthaltsort und die Wirkstätte der Menschen, die der Sünde ver-
fallenen Menschenwelt und die durch die menschliche Sünde hervor-
gerufene Nichtigkeit der Welt. Die Welt in den beiden zuletzt ge-
nannten Bedeutungen hat Christus überwunden (Jo 16, 33). Wer an
Christus glaubt, ist daher mit ihm Sieger über die sündige Welt (1 Jo
5, 4f.). Er ist mit Christus der Welt gekreuzigt (Gal 6, 14), weil er
tot ist für die Sünde (Röm 6, 11).Er ist ihrer Vergänglichkeit entzogen.
400 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel S 156

Dies ist die Folge der Herrschaft Gottes, die sich auch auswirkt
in der Natur. Wie die Auflehnung gegen Gott schicksalshaft war für
die Natur, so wird die Unterwerfung unter Gott schicksalshaft für
den Kosmos. Die Natur nimmt an der menschlichen Geschichte Anteil
und gibt dieser selbst wieder neue Antriebe. Die Herrschaft Gottes be-
greift in sich die Befreiung von der Verknechtung unter die Natur-
elemente. Durch die Sünde ist die Natur, die dem Menschen zur Be-
bauung und zur Pflege anvertraut ist, dem Fluche verfallen. Sie ist
daher voll Feindseligkeit gegen ihn. Sie nimmt am Todesschicksal
des Menschen Anteil und verschärft seine eigene Todverfallenheit.
Die Vergänglichkeit ist der allgegenwärtige Aspekt der Natur. Sie
trägt aufdringlich überall die Zeichen des Todes an sich. Sie kann
daher dem Menschen, der sich nach Unvergänglichkeit sehnt, kein
unvergängliches Leben schenken. Sie vermag die letzten Sehnsüchte
des Menschen nicht zu erfüllen. Die Hoffnung auf ein irdisches Pa-
radies ist eitel. Die Natur wird im Gegenteil zur Vollstreckerin der
Leid- und Todverfallenheit am Menschen. Sie ist voll Grauen und
Unheimlichkeit, voll Tücke und Sinnlosigkeit, voll Grausamkeit und
Zerstörung, voll Täuschung und Trug. Sie wirft Eisen, Feuer und
Wasser auf den Menschen, um ihn zu vernichten. Sie bleibt gleich-
gültig und ungerührt, wenn unter ihrer zerstörenden Wirksamkeit
Tausende und Millionen zugrunde gehen. In den Märchen von bösen
Wald- und Luftgeistern kündigt sich ein dunkles Bewußtsein von der
Feindseligkeit der Natur an. Ein klares Zeugnis hiervon gibt uns die
Genesis und der Apostel Paulus (Gn 3, 9—14; Röm 8, 18—23). Die
Feindschaft wird jedoch nicht immer bleiben. Die Natur selbst sehnt
sich nach ihrer Vollendung. Dieses Sehnen geht durch sie hindurch
wie ein Stöhnen, es ist jedoch ein Stöhnen in Hoffnung. Es ist das
Stöhnen einer Gebärenden. Die Natur liegt in Wehen (Röm 8, 12). Sie
seufzt nach der Verwandlung in eine neue Lebensform, in die Lebens-
form der Unvergänglichkeit. Da der jetzige trostlose Zustand der
Natur aus der Sünde stammt, ist von vorneherein zu erwarten, daß
die Aufrichtung der Gottesherrschaft auch die Natur einen neuen
Zustand entgegenführen wird. So ist es in der Tat. Wie durch die
Teufelsherrschaft auch die Natur verderbt und zerstört wird (Mk 5,
12f.), so wird durch die Gottesherrschaft die Natur von der Ver-
knechtung unter die Vergänglichkeit befreit. Sie wird eine solche
Verwandlung erfahren, daß Gottes Antlitz aus allen Schichten der
Natur sich erhebt. Sie wird von der Herrlichkeit Gottes sichtbar und
spürbar durchdrungen sein.
& 156 Die durch Christus besiegten Unheilsmächte 401

Diese Zeit wurde eingeleitet mit der Ausrufung der Gottesherr-


schaft durch Christus. Daß ein Neuer Himmel und eine Neue Erde
heraufziehen, zeigt sich andeutungsweise in den Machttaten Christi
an der Natur. So ist z.B. die Stillung des Seesturms (Mt 8, 23—27;
Mk 4, 36—41; Lk 8, 23—35) nicht bloß eine augenblickliche Hilfe
in der Not, auch nicht bloß eine Bestätigung der Gottessohnschaft
Christi, sondern in noch höherem Maße die Offenbarung einer neuen
Weltlage, in der die Natur nicht mehr die Feindin, sondern die
Freundin und Dienerin des Menschen ist. Auch das Wandeln des Herrn
auf dem Wasser ist ein Zeichen der neuen Zeit (Mt 14, 22—36; Mk 6,
45—52; Jo 6, 15—21). Diese Ereignisse weisen hin auf die Zukunft,
in welcher eine totale Verwandlung der Welt vorgenommen wird.
Sie sind Vorzeichen des kommenden Weltzustandes. Ebenso hat das
Brotwunder (Mt 15, 32—39; Mk 4, 34—44; 8, 1—9; Jo 6, 5—15) neben
anderen Bedeutungen auch diesen Sinn: Die Gottesherrschaft wirkt
sich so aus in der Natur, daß diese dem Menschen nicht mehr Mangel
und Widerstand entgegensetzt, sondern ihm Reichtum und Fülle ge-
währt. Wenn nach dem Abendessen, zu dem Christus seine Zuhörer
eingeladen hat, noch viele Körbe übrig bleiben, so ist das ein Hinweis
darauf, daß die unter die Herrschaft Gottes gekommene und dadurch
verwandelte Natur dem Menschen Lebensfülle und Lebenssicherheit
spenden wird (siehe H. Schlier, Die Kirche als das Geheimnis Christi,
in: Die Zeit der Kirche, Freiburg i. Br. 1956, 299—308. Derselbe,
Mächte und Gewalten im Neuen Testament, Freiburg i. Br. 1958).

VI. Der Sieg Christi als Torheit vor den Menschen und
als Weisheit vor Gott

Christi Tod hat den Menschen freigemacht von der Hörigkeit


an Sünde, Leid, Vergänglichkeit, Tod und Teufel. Im Blute Jesu
haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden (Eph 1, 7). Darob
ist Gott zu preisen, der Vater unseres Herrn Jesus Christus (Eph 1, 3;
Kol 1, 14). Das ist der Ruhm des Christusgläubigen. Der Welt er-
scheint Christi Kreuz als Schwäche und Niederlage, als Schande und
Vernichtung. Aber der Gläubige rühmt sich des Kreuzes. Denn es ist
ein Siegeszeichen. „Was der Welt töricht erscheint, hat Gott aus-
erwählt, um die Weisen zu beschämen. Was der Welt schwach er-
scheint, hat Gott auserwählt, um das Starke zu beschämen. Was der
Welt niedrig und verächtlich scheint, ja was ihr nichts gilt, hat Gott
auserwählt, um das, was etwas gilt, zunichte zu machen. So soll sich

26 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


402 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel S 156

niemand vor Gott rühmen können. Durch ihn seid ihr in Gemein-
schaft mit Christus Jesus. Er ist uns nach Gottes Willen zur Weisheit,
zur Rechtfertigung, Heiligung und Erlösung geworden“ (1 Kor 1,
27—30). Die Freiheit ist teuer erkauft (1 Kor 6, 20; 7, 23). Der Preis
war höher, als ihn die Erde zu zahlen vermag. „Ihr wißt ja“, schreibt
Petrus seinen Lesern (1 Petr 1, 18—21), „daß ihr nicht mit vergäng-
lichen Werten, mit Gold und Silber, losgekauft seid von eurem ver-
kehrten, von den Vätern ererbten Wandel, sondern durch das kost-
bare Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel. Schon vor Er-
schaffung der Welt war er dazu ausersehen, erschienen aber ist er
in den letzten Zeiten um euretwillen. Durch ihn seid ihr zum Glauben
an Gott gekommen, der ihn von den Toten auferweckt und verherr-
licht hat“ (siehe A. Nygren, Der Römerbrief, Göttingen 1951).

VII. Der Sieg Christi als Versöhnung

Die Vernichtung der Sünde bedeutet Versöhnung mit Gott. Der


Mensch wurde wieder ins Einvernehmen mit Gott gerufen. Die Feind-
schaft ist zu Ende. Er hat durch den Tod Christi Zugang zu Gott ge-
wonnen (1 Petr 3, 18). Das ist die Zuversicht des Christusgläubigen,
daß er nicht mehr unter dem Zorngericht Gottes steht. Wenn Gott
uns durch den Tod seines Sohnes mit sich versöhnt hat, da wir noch
seine Feinde waren, welche hohen Erwartungen dürfen wir dann erst
von seiner Liebe jetzt haben, wo wir durch unseren Herrn Jesus
Christus Versöhnung mit ihm erlangt haben (Bom 5, 8—11; 2 Kor 5,
18 ff.;, Kol 1, 20). Da kann unsere Hoffnung durch keine Gewalt
dieser Erde gebeugt werden (Röm 8, 32). Christus hat den Frieden
mit Gott gebracht, der ein Zustand letzter Erfüllung, der Heil und
Heiligkeit ist (Röm 5, 1; Kol 1, 22; Eph 2, 15; Lk 1, 79; 2, 14). Diese
Botschaft vom Frieden, das heißt von dem in Christus gewonnenen
Heil, verkündet Paulus in zahllosen Wendungen (z. B. Eph 6, 1). Ihn
wünscht er seinen Lesern immer wieder (Hebr 13, 20; 1 Kor 1, 3;
Eph 6, 23; Gal 6, 16; Röm 16, 20). Dieser Friede kann bestehen bei
bitterster äußerer Feindschaft (Lk 12, 49—53; Mt 10, 34 ff.). Ja, sie
kann geradezu erfordert sein um des Friedens mit Gott willen.

VIII. Neue Schöpfung

Mit dem Tode Christi ist nicht bloß das Alte zu Ende gegangen,
sondern eine neue Schöpfung (Gal 6, 15) ist geworden. Sie ist wunder-
barer als die erste. Christus ist ihr Erstgeborener (Röm 8, 29). Er ist
S 156 Die durch Christus besiegten Unheilsmächte 403

ihr Anfang (Jo 8, 25). Sie ist gekennzeichnet durch Heiligkeit und
Gerechtigkeit, Licht und Leben (Röm 8, 28{f.; 15, 16; Jo 12, 35f.; 14, 6;
12, 25). Die Korinther sind geheiligt in Christus Jesus (1 Kor 6, 11).
Durch ihn hat der Mensch die Annahme an Kindes Statt. Gal 4, 4 f.
heißt es: „Als die Fülle der Zeit herbeigekommen war, sandte Gott
seinen Sohn, indem dieser ein Weibessohn, ein Gesetzesuntergebener
wurde wir wir, um die unter dem Gesetze Stehenden loszukaufen,
damit wir die Annahme an Sohnes Statt empfangen.“ Der an Christus
gläubig Gewordene wird vom Vater in den Sohnesstand eingesetzt.
In den vollen Genuß der Kindschaft und des Erbes tritt er erst am
Tage der Wiederkunft Christi. Aber er besitzt schon ein Angeld, das
ihm Gewißheit ob seiner Zukunft verleiht: den Geist. Seinen Kindern,
nur ihnen, gibt Gott seinen Geist, den Geist seines Sohnes. Man kann
seiner Gegenwart inne werden.Er ruft durch den Mund der Gläubigen:
Vater. Die alltägliche Kindesanrede wurde durch den Kreuzestod zum
Gefäß des Glaubens. Daß Christi Gemeinde in allen Lebenslagen,
auch unter Druck und Not, wie er (Mk 14, 36) das Gebetswort „Vater“
auf die Lippe nehmen kann, verdankt sie dem Sühnetod ihres Herrn
(Gal 4, 6f.; ferner Gal 2, 20; Eph 2, 18; Röm 5, 5). In sein Sohnesver-
verhältnis wird also hineingezogen, wer an ihn glaubt. Dieser steht
ja mit ihm in lebendiger Gemeinschaft. Er wird des Lebens Christi
teilhaftig. Er existiert, wie Paulus oft sagt, „in Christus“, und Christus
existiert „in ihm“, d.h. der Erlöste lebt in Gemeinschaft mit Christus
und unter seinem bestimmenden Einfluß (vgl. Bd. III 2).
So zeigt sich, daß die von Christus aufgerichtete Königsherrschaft
Gottes für den Menschen keine Unterdrückung und Versklavung,
sondern Befreiung von der Unterdrückung und Versklavung an die
wesensfremden Gewalten und Teilnahme an Gottes Herrlichkeit be-
deutet.

Dies wird besonders sichtbar durch die Aufrichtung eines Neuen


Bundes mit der Menschheit. Die Zeit der Gottesherrschaft ist die Zeit
eines neuen, vom alten verheißenen und vorausgenommenen, durch
Christus gestifteten Bundes Gottes mit den Menschen. Er übertrifft
den alten an Kraft und Innigkeit (Jer 31, 31ff.). Er kam zustande
durch das Opfer Christi am Kreuze. Der Alte Bund, dessen Ende mit
dem Erscheinen Christi herbeigekommen ist, war beschlossen und
besiegelt worden durch ein Opfer. Nach der Verkündigung des Bundes-
gesetzes am Sinai errichtete Moses am Fuße des Berges einen Altar.
Junge Männer wurden beauftragt, dem Herrn Brandopfer darzu-

26*
404 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel § 156

bringen und junge Rinder für das Opfer zu schlachten. Moses nahm
die Hälfte des Blutes und schüttete es gegen den Altar. Mit der an-
deren Hälfte besprengte er das Volk. Er sagte dabei: Dies ist das Blut
des Bundes, den der Herr mit euch geschlossen hat, auf Grund aller
(im Bundesbuch aufgezeichneten und dem Volke vorgelesenen) Worte.
Durch das Opferblut wurde die Bundesschließung besiegelt (Ex 24,
1—11). Die neue, von Christus gestiftete Gottesordnung wurde eben-
falls mit Blut besiegelt, durch das Opfer, das er selbst in der Hingabe
seines Lebens am Kreuze darbrachte. Das Opferblut, mit dem der
Neue Bund abgeschlossen wurde, ist Christi eigenes (Mt 26, 26—29;
Mk 14, 22—25; Lk 22, 15—20; 1 Kor 11, 23 ff.). So wird die Hingabe
seines Lebens zu der höchsten Form des Dienstes, dessen Gestalt das
Herrschen Gottes annimmt. Gott hat seines eigenen Sohnes nicht ge-
schont, sondern ihn für alle dahingegeben, damit alle, die an ihn
glauben, nicht verloren gehen, sondern das Leben haben (Röm 8, 32;
Jo 3, 16). Christus hat das Opfer dargebracht für die vielen, zu ihren
Gunsten und an ihrer Stelle. Daran entscheidet sich das Heil, daß
der Mensch am Opfer Christi Anteil gewinnt. Indem er im Glauben
und im Sakrament in das Opfer Christi eingeht, wird er Glied des
Bundes, den Gott durch Christi Opferblut mit der Menschheit ge-
schlossen hat. Durch die Eingliederung in den Neuen Bund, durch
Eintritt in die neue Gottesordnung unterwirft sich der Mensch dem
Königtum Gottes. Indem er den Dienst, den Christus durch sein Ster-
ben geleistet hat, in den Sakramenten an sich geschehen läßt, wird
Gott mächtig in ihm. So setzt sich Gott in ihm durch. Gottes König-
tum wird in ihm aufgerichtet, aber so, daß er selbst von Gottes Herr-
lichkeit erfüllt wird (siehe $ 139. R. Schnackenburg, Gottes Herrschaft
und Reich. Eine biblisch-theologische Studie, Freiburg i. Br. 19612).

Drittes Kapitel

Die Väterlehre

Aus den Schriften der Väter sieht man, wie unablässig der Dank
und die Freude ob des Sieges Christi den Gläubigen aus dem Herzen
strömte. Die Erlösung durch Christi Blut war die Wirklichkeit, aus
der die Väter lebten. Sie war ihre Hoffnung auf dem bitteren Gang
zum Martyrium. Ein paar Texte mögen den Erlösungsglauben der
Väter vergegenwärtigen.
8 156 Die Väterlehre 405

Ignatius von Antiochien schreibt an die Philadelphier (8. Kap.; BKV


145): „Da ich einige sagen hörte: wenn ich etwas nicht in den Urkunden, in dem
Evangelium finde, glaube ich nicht...: mir aber ist Urkunde Jesus Christus; mir sind
die unversehrten Urkunden sein Kreuz, sein Tod, seine Auferstehung und der durch
ihn begründete Glaube; in diesem will ich durch euer Gebet gerechtfertigt werden.“
Im neunten Kapitel steht: „Gut waren auch die Priester des Alten Bundes, besser ist
der Hohepriester (= Jesus Christus), der das Allerheiligste erhalten hat, dem allein
die Geheimnisse Gottes anvertraut sind; er ist der Zugang zum Vater, durch den
Abraham, Isaak, Jakob, die Propheten, die Apostel und die Kirche Zutritt haben. All
das dient zur Vereinigung (der Menschen) mit Gott. Etwas Besonderes aber hat das
Evangelium, nämlich die Ankunft des Erlösers, unseres Herrn Jesus Christus, sein
Leiden und seine Auferstehung. Die Weissagungen der geliebten Propheten gehen
auf ihn; das Evangelium aber ist die Vollendung der Unvergänglichkeit.“ Irenäus
sagt in dem Erweis der apostolischen Verkündigung (3. Abschnitt, 1. Hauptteil, Nr. 31;
BKV II, 605): „Und er erschien als Mensch in der Fülle der Zeit und faßte als Wort
Gottes alles, Himmel und Erde, in sich zusammen. Er vereinigte den Menschen mit
Gott und stellte zwischen Gott und dem Menschen die Gemeinschaft und Eintracht
wieder her, während wir nicht imstande gewesen wären, in anderer Weise an der
Unvergänglichkeit gesetzmäßigen Anteil zu gewinnen, wenn er nicht zu uns ge-
kommen wäre. Denn würde die Unvergänglichkeit unsichtbar und unerkannt ge-
blieben sein, so hätte sie uns kein Heil gebracht. So wurde sie sichtbar, damit wir
in jeder Hinsicht Anteil an dem Geschenk der Unvergänglichkeit gewinnen. Der Un-
gehorsam des Stammvaters Adam hatte uns alle in die Bande des Todes verstrickt.
Deshalb war es notwendig und recht, daß die Fesseln des Todes gebrochen wurden
durch den Gehorsam dessen, der für uns Mensch ward. Weil der Tod über den Leib
herrschte, so war es notwendig und recht, daß er durch den Leib unterworfen wurde
und so den Menschen aus seiner Sklaverei freigeben mußte. Das Wort wurde Fleisch,
damit der Leib, wodurch die Sünde zur Herrschaft gelangt war, Besitz genommen
und gewaltet hatte, durch eben dasselbe bezwungen, auch in uns ein anderer sei.
Und deshalb nahm unser Herr denselben Leib, wie er in Adam war, an, damit er
für die Väter kämpfe und durch Adam den besiege, der durch Adam uns getroffen
hatte.“ Athanasius schreibt in dem Werk „Über die Menschwerdung“ (20. Ab-
schnitt; L. Winterswyl, Athanasius, Leipzig 1937, 68 f.; BKV II, 627f.): „Es kam
keinem anderen zu, das Verwesliche in die Unverweslichkeit umzuwandeln, als nur dem
Erlöser selbst, der auch im Anfang alles aus dem Nichts erschaffen hat. Kein anderer
sollte die Menschen zu dem Eben-Bilde wieder erneuern als das Bild des Vaters
selbst, und kein anderer sollte über den Vater Aufschluß bringen und den Götzen-
kult beseitigen als nur der Logos, der alles regiert und allein der wahre einzig-
geborene Sohn des Vaters ist. Weil aber die Schuld aller getilgt werden mußte — es
mußten ja alle sterben, und vornehmlich deswegen war er herabgekommen —, des-
halb brachte er nach dem Werk-Erweis seiner Gottheit alsbald auch für alle das
Opfer dar, indem er für alle seinen Tempel dem Tode preisgab, um alle von der
Verantwortung für die alte Übertretung freizumachen, und um sich als den Herrn
auch über den Tod zu erweisen, indem er seinen eigenen Leib in Unverweslichkeit
als Erstling der Auferstehung aller aufwies ... So mußte also der Leib, der mit
allen anderen das Wesen gemeinsam hatte — denn ein menschlicher Leib war es —,
wie die anderen sterben, weil auch er sterblich war trotz seiner wunderbaren Bildung
406 Christus als Sieger über Sünde, Tod und Teufel S 156

aus einer Jungfrau. Doch weil der Logos in ihm sich niedergelassen, verfiel er nicht
mehr, dem Gesetz seiner Natur folgend, der Verwesung, sondern blieb dank dem
einwohnenden Logos Gottes vor ihr bewahrt. So geschah ganz auffallend bei einem
und demselben Geschehnis ein Doppeltes: Der über alle verhängte Tod übte sein
Recht am Leibe des Herrn, und Tod und Verwesung wurden wegen des einwohnen-
den Logos aufgehoben. Der Tod mußte eintreten, und zwar zugunsten aller, um die
allgemeine Schuld zu zahlen. Deshalb nahm der Logos, der wesensmäßig nicht ster-
ben konnte — er war ja unsterblich — einen Leib an, der sterben konnte, um ihn
als eigenen für alle zu opfern und, durch sein mit dem Eintritt in den Leib bedingtes
Leiden für alle, dem die Macht zu nehmen, der die Herrschaft über den Tod hatte,
das heißt dem Teufel, und die zu erlösen, die im Banne der Todesfurcht ihr ganzes
Leben hindurch in der Knechtschaft standen.“ In der dritten Rede gegen die Arianer
(Nr. 23; BKV I, 273 f.; L. Winterswyl, a. a. O., 97) läßt Athanasius Christus folgendes
Gebet an den Vater richten: „Wäre ich nicht gekommen und hätte ich der Menschen
Leib nicht getragen, so wäre keiner von ihnen vollkommen geworden, vielmehr
wären alle hinfällig geblieben. Wirke also in ihnen, Vater, und wie du mir diesen
Leib zu tragen gegeben hast, so gib ihnen deinen Geist, damit auch sie in ihm eins
werden und in mir zur Vollkommenheit gelangen. Denn ihre Vollendung beweist die
Ankunft deines Sohnes, und wenn die Welt sie vollkommen und Gottes voll sieht,
wird sie gewiß glauben, daß du mich gesandt hast, und daß ich erschienen bin.
Woher käme ihnen die Vollendung, wenn nicht ich, dein Logos, ihren Leib ange-
nommen hätte und Mensch geworden wäre und das Werk vollbracht hätte, das du,
Vater, mir gegeben hast? Vollbracht aber ist dies Werk, weil die Menschen, erlöst
von der Sünde, nicht mehr tot bleiben, sondern vergöttlicht, im Aufblick zu uns das
Band gegenseitiger Liebe besitzen.“ Leo der Große sagt in einer Passionspredigt
(59. Predigt, Abschn. 5 ff.; BKV II, 121 ff.; M. Th. Breme, Leo der Große. Die Passion,
Leipzig 1938, 50—53): Unser Opferlamm Christus ist geschlachtet worden „nicht im
Tempel, dessen Verehrungswürdigkeit schon aufgehoben war, nicht innerhalb der
Mauern der Stadt, die wegen ihres Verbrechens zerstört werden sollte; sondern
draußen und außerhalb des Lagers ist er gekreuzigt worden, damit beim Erlöschen
der geheimnisvollen Heiligkeit der alten Opfer das Neue Opfer auf neuem Altar dar-
gebracht werde, so daß das Kreuz Christi der Altar nicht des Tempels, sondern der
ganzen Welt sei. Da nun Christus am Kreuze erhöht ist, soll unserem Geiste sein
Bild nicht so vorschweben, wie es in den Augen der Gottlosen war, denen durch
Moses gesagt wurde: »Und es wird dein Leben vor deinen Augen schweben, und du
wirst dich fürchten Tag und Nacht, und du wirst deinem Leben nicht glauben«
(Dt 28, 66). Jene konnten im Anblick des gekreuzigten Herrn nichts anderes bedenken
als ihre Untat, erfüllt von Furcht — nicht von jener Furcht, in welcher der wahre
Glaube sich als fruchtbar erweist, sondern jener, durch welche das böse Gewissen
gepeinigt wird. Unser Geist aber, den der Geist der Wahrheit erleuchtet, soll die
Herrlichkeit des Kreuzes, die über den Himmel und die Erde erstrahlt, mit reinem
und freiem Herzen erschauen; und er soll mit innerer Klarheit erkennen, was es be-
deutete, daß der Herr, von seinem bevorstehenden Leiden redend, sagte: »Es kommt
die Stunde, daß der Menschensohn verherrlicht wird« (Jo 12,33) und: » Jetzt ist meine
Seele erschüttert und was soll ich sagen? Vater, rette mich aus dieser Stunde! Aber
darum bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Sohn«. Und da die
Stimme des Vaters vom Himmel erscholl: »Ich habe verherrlicht und ich werde ver-
§ 156 Die Väterlehre 407

herrlichen«, antwortete Jesus den Umstehenden: »Nicht meinetwegen ist diese Stimme
gekommen, sondern euretwegen. Jetzt ist das Gericht über die Welt, jetzt wird der
Fürst dieser Welt hinausgeworfen. Und ich, wenn ich werde erhöht sein von der
Erde, werde alles an mich ziehen« (Jo 12, 27—33). O wunderbare Macht des Kreuzes!
O unausdenkbare Herrlichkeit der Passion unseres Herrn! In ihr ist der Richterstuhl
Christi und das Gericht über die Welt und die Macht des Gekreuzigten. Du hast, Herr,
alles an dich gezogen, und als du »den ganzen Tag deine Hände ausstrecktest nach
einem ungläubigen und widerspenstigen Volke« (Is 65, 2), da fühlte die ganze Welt,
daß sie deine Majestät bekennen müsse. Du hast, o Herr, alles an dich gezogen, als
alle Elemente einmütig das Urteil der Verdammung über die Untat der Juden aus-
sprachen, als die Leuchten des Himmels erloschen und der Tag in Nacht sich
wandelte; als die Erde in unerhörten Stößen erschüttert wurde und alle Kreatur
sich dem Dienste der Gottlosen versagte. Du hast, Herr, alles an dich gezogen; denn
durch das Zerreißen des Vorhangs im Tempel wurde das Allerheiligste von den un-
würdigen Hohenpriestern hinweggenommen. Das Vorbild wurde in die Wirklichkeit,
die Weissagung in die Erfüllung, das Gesetz in das Evangelium verwandelt. Du hast,
o Herr, alles an dich gezogen, auf daß die Andacht aller Völker auf dem ganzen
Erdkreis jene Geheimnisse in aufgeschlossener Fülle feiern könne, die bis dahin in
dem einen jüdischen Tempel in verhülltem Sinn begangen wurden. Jetzt ist der Stand
der Leviten ehrwürdiger, die Würde der Ältesten größer, die Salbung der Priester
heiliger; denn dein Kreuz ist die Quelle aller Segnungen, die Ursache aller Gnaden.
Durch das Kreuz erwächst den Gläubigen Kraft aus der Schwäche, Ruhm aus der
Schmach, Leben aus dem Tod. Nachdem die Mannigfaltigkeit der fleischlichen Opfer
aufgehört hat, werden alle verschiedenen Opfer durch das eine deines Fleisches und
Blutes erfüllt; denn du bist wahrhaft das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die
Sünden der Welt. Du hast in dir alle Geheimnisse erfüllt, auf daß, da ein Opfer an
die Stelle aller Opfer getreten ist, auch alle Völker in ein Reich versammelt würden.“
In anderen (Passions)predigten (69. Predigt, Abschn. 3; BKV II, 178f.; M. Th. Breme,
a.a.O., 111) sagt Leo: „Der Grund dafür, daß der Einziggeborene Gottes solches
auf sich nahm und litt, lag nicht in irgendeiner Notwendigkeit, sondern in seiner
Barmherzigkeit, damit durch die Sünde die Sünde vernichtet und das Werk des Teu-
fels durch ein Werk des Teufels zunichte würde. Der Feind des Menschengeschlechtes
hatte, um zu töten, gleich im Anfang allen Menschen die tödliche Wunde beige-
bracht, und die der Knechtschaft anheimgefallene Nachkommenschaft konnte das
eherne Joch des gänzlich unterworfenen Geschlechtes nicht abwerfen. Als nun der
Satan in den vielen, seinem todbringenden Gesetze unterworfenen Geschlechtern
unter allen Menschenkindern den einen sah, dessen Tugend die Heiligen aller Zeiten
überstrahlte, da glaubte er sich dann sicher in der Unerschütterlichkeit seiner Herr-
schaft, wenn das Gesetz des Todes auch nicht durch das Verdienst dieses Gerechten
überwunden werden konnte. Deshalb stachelte er seine Diener und Anhänger mit
allem Eifer auf; aber er arbeitete nur gegen sich selber. Und da er wähnte, es müsse
auch jener ihm verfallen sein, wenn er ihn töten könnte, blieb ihm verborgen die
Freiheit und die Schuldlosigkeit dieses Einzigen, den er nicht anders als jeden
andern Menschen verfolgte. Zwar täuschte er sich nicht über seine Zugehörigkeit
zum Geschlechte der Menschen, wohl aber über die Schuld. Der erste Adam und der
zweite waren eins im Fleische, nicht im Werke; in jenem müssen alle sterben, in
diesem erlangen alle das Leben wieder. Jener führte durch das Begehren seines
408 Das Kreuzesopfer Christi als stellvertretende Genugtuung S 157

Stolzes alle auf den Pfad des Elends; dieser bereitet durch die Kraft seiner Demut
den Weg zur Glorie.“ „Der Schöpfer selbst hat es unternommen, das Geschöpf nach
dem Bilde seines Erschaffers neu zu gestalten“ (54. Predigt, Abschn. 4). Gerade „die
Bosheit seiner Verfolger wurde ein Mittel zur Erlösung aller, damit durch das Ge-
heimnis seines Todes und seiner Auferstehung selbst seine Henker selig werden
könnten, wenn sie glaubten“ (ebd., 2. Abschn.). „Die Passion des Herrn birgt daher
das Geheimnis unseres Heiles und aus dem Werkzeug, das die Bosheit der Juden
zur Qual bereitete, schafft die Macht des Erlösers uns die Stufenleiter zur Herrlich-
keit“ (55. Predigt, 1. Abschn.; M. Th. Breme, a.a. O., 24). „Was anderes wirkte und
wirkt noch immer das Kreuz Christi als die Versöhnung der Welt mit Gott durch
den Sieg über die teuflischen Feindseligkeiten und die Zurückführung aller Wesen
in den wahren Frieden durch die Hinopferung des geschlachteten Lammes“ (66. Pre-
digt, Abschn. 3). So ist verständlich, daß alle „Festzeiten den Herzen der Christen
von dem Geheimnisse des Leidens und der Auferstehung des Herrn predigen und
daß es keine Feier unserer Kirche gibt, an welcher nicht der Erlösung der Welt
und der Annahme unserer Natur durch Christus gedacht würde“ (64. Predigt, 1. Ab-
schnitt). Er ist als der Erlöser immer gegenwärtig. „Er ist es, an dessen Leiden nicht
allein die siegreiche Tapferkeit der Martyrer, sondern auch der Glaube der Wieder-
geborenen in der Wiedergeburt teilnimmt. Wenn nämlich der Christ dem Teufel
widersagt, wenn er an Gott glaubt, wenn er vom Alten zur Neuheit des Lebens über-
geht, wenn er das Bild des irdischen Menschen ablegt und die himmlische Gestalt
annimmt, dann liegt darin eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Tode und mit der Auf-
erstehung, so daß der von Christus Aufgenommene und Christum Aufnehmende nach
dem heiligen Bad der Wiedergeburt nicht mehr derselbe ist wie vor der Taufe:
sondern der wiedergeborene Leib wird das Fleisch des Gekreuzigten“ (63. Predigt,
6. Abschn.; M. Th. Breme, a.a.O., 76. Weitere Vätertexte sind leicht zugänglich bei
L. von Rudloff, Das Zeugnis der Väter, Regensburg 1937, 177—212). Wenn der Tod
gelegentlich, z.B. von Origenes, als Preis, den Christus an den Teufel bezahlte, be-
zeichnet wurde, so war das eine drastische Ausdrucksweise dafür, daß der Teufel der
Herr der von Gott abgefallenen Welt war und auch Christus in den Tod hineinstieß,
aber gerade dadurch entmächtigt wurde. Um den „Preis“ des Todes Christi wurde die
Teufelsherrschaft gebrochen. Daß freilich der Teufel überhaupt Herrschaft ausüben
konnte, kam daher, daß es Gott gestattete. (Siehe für diesen Paragraphen: H. Keller,
Das Dogma der Erlösung in der Auffassung der Ostkirchen, in: Ein Leib — ein
Geist, herausgeg. von der Abtei zu Gerleve, 1940, 17—75.)

$ 157
Das Kreuzesopfer Christi als stellvertretende Genugtuung
und als stellvertretendes Verdienst

Vorbemerkung

Der Tod Christi ist nicht bloß der Sieg über die gottfeindlichen
Mächte und die Aufrichtung der Gottesherrschaft. Eine solche Inter-
pretation würde hinter der Fülle des im Opfertode Christi beschlosse-
$ 157 Die Lehre der Kirche 409

nen Heilsmysteriums weit zurückbleiben. Der Tod des Herrn ist viel-
mehr auch Genugtuung und Sühne. Ja, er dient der Wiederherstellung
der Königsherrschaft Gottes, insofern er Genugtuung und Sühne be-
deutet. Gott selbst hat durch den Tod Christi seine Heiligkeit ver-
wirklicht, also seine Herrschaft wieder aufgerichtet, insofern Christus
die hoheitliche Verfügung des Vaters anerkannte und sich ihr unter-
warf. Indem Gottes Gerechtigkeit und Heiligkeit sich an ihm dar-
stellte, ist Gott Genüge getan worden. Christus leistete seine Genug-
tuung an Stelle aller. Denn sein Werk war das Werk der Menschheit,
weil, was er tat, die Menschheit in ihrem Haupte tat. Was das Haupt
tut, tut der ganze Leib. Sein Gehorsam und seine Liebe sind daher
unser Gehorsam und unsere Liebe, sein Sterben und Auferstehen sind
unser Sterben und Auferstehen. Er vollzog alles an unserer Statt. Er
opferte als Stellvertreter aller. Denn Christus ist auf Golgotha gestor-
ben als Haupt der Menschheit, als der neue Adam, im Namen und an
Stelle der ganzen Menschheit. In ihm stand daher gewissermaßen die
Menschheit auf Golgotha vor Gottes Angesicht und beugte sich unter
das Gericht des Vaters. In ihm hat die Menschheit der Gerechtigkeit
Gottes Genüge getan. (Daß trotzdem die Erlösung nicht naturhaft ge-
schieht, daß sich also Liebe und Gehorsam Christi auf den Menschen
nicht ausbreiten wie Licht und Wärme, daß vielmehr jeder in der
Glaubensentscheidung, welche das menschliche Ich im Innersten trifft,
Christus ergreifen muß, daß sonach die Erlösung für den einzelnen
nicht ein Geschehen an ihm, ein bloßes Erleiden ist, sondern zugleich
lebendigstes Tun, wird in $ 161 näher dargelegt werden.)

Erstes Kapitel
Die Lehre der Kirche

Christus hat am Kreuze Gott für uns Sühne und Genugtuung


geleistet und uns Rechtfertigung verdient. Dieser Satz wurde von der
Kirchenversammlung in Trient ausgesprochen, nicht gerade um das
Geheimnis der Genugtuung und des Verdienstes festzustellen, sondern
um den Sinn der Erbsünde und der Rechtfertigung zu erklären. Er ist
also mehr nebenbei, eingefügt in Lehrentscheidungen über andere
Fragen, ausgesprochen worden. Daher kommt er nach der allge-
meinen Meinung der Theologen zwar an den Wert eines Glaubens-
satzes heran, ist aber keiner (fidei proximum), da er von der Kirche
nicht formell definiert ist. Wenn man jedoch die Verkündigung des
410 Das Kreuzesopfer Christi als stellvertretende Genugtuung § 157

allgemeinen ordentlichen Lehramtes ins Auge faßt, sieht man sogleich,


daß die Lehre von der Genugtuung Christi zu den Grundvorstellungen
der Kirche gehört.
Das Konzil von Trient erklärt in der 14. Sitzung (Kap. 5) im
Lehrschreiben über das Bußsakrament (D. 904, NR. 570): „Dazu
kommt, daß wir durch die Genugtuung, die wir für die Sünden
leiden, Christus Jesus gleichförmig werden, der für unsere Sünden
genuggetan hat und aus dem all unser Können stammt und daß wir
dadurch ein ganz sicheres Angeld darauf haben, auch mit ihm ver-
herrlicht zu werden, wenn wir mit ihm leiden (Röm 8, 17). Doch ist
die Genugtuung, die wir für unsere Sünden tun, nicht in dem Sinne
die unsrige, daß sie etwa nicht durch Christus Jesus getan wäre, denn
aus uns, d. h. insofern wir auf uns angewiesen sind, können wir
nichts; wenn er aber, der uns stark macht, mit uns wirkt, dann kön-
nen wir alles (vgl. Phil 4, 13). So hat der Mensch nichts, dessen er sich
rühmen könnte, sondern all unser Rühmen ist in Christus, in dem
wir leben und in dem wir uns bewegen, in dem wir dadurch Genug-
tuung leisten, daß wir würdige Früchte der Buße bringen, die aus
ihm ihre Kraft haben, die von ihm dem Vater dargebracht werden
und durch ihn vom Vater angenommen werden.“ (Vgl. das Lehr-
schreiben des Konzils von Trient über die Erbsünde, Sitzung 5;
D. 790, über die Rechtfertigung, Sitzung 6, Kap. 2 u. Kap. 3: D. 794 f.,
NR. 711 f., Kap. 7: D. 799 f., NR. 719 f., sowie die Lehrsätze 10, 26 und
32 des Konzils zur Sünde: D. 820, NR. 747; D. 836, NR. 763; D. 842,
NR. 769).
Außerdem kommen folgende kirchliche Lehräußerungen in Be-
tracht: Die 11. Kirchenversammlung zu Toledo vom Jahre 675 sagt: „In
dieser angenommenen Menschengestalt ist er nach unserem Glauben,
gemäß der Wahrheit des Evangeliums, ohne Sünde empfangen, ohne
Sünde geboren, ohne Sünde gestorben. Nur um unsertwillen ist »er
Sünde geworden« (2 Kor 5, 21), d.h. Sühneopfer für unsere Sünden.
Und doch hat er trotz seiner Gottheit für unsere Verfehlungen gelitten,
er wurde zum Kreuzestod verurteilt und ist einen wahren Menschen-
tod gestorben. Aber am dritten Tag stand er, aus eigener Kraft er-
weckt, wieder vom Grabe auf“ (D. 286, NR. 293). Pius XI. erklärt in
seinem Rundschreiben „Miserentissimus Redemptor“ vom Jahre 1928:
„Die Erlösung Christi war überreich und hat uns im Übermaß alle
Missetaten vergeben. Doch hat die göttliche Weisheit es wunderbar
angeordnet, daß wir für die Kirche, die der Leib Christi ist, in unse-
rem Fleische das ersetzen müssen, was an Christi Leiden noch aus-
S 157 Die Schrift 411

steht (Kol 1, 24). Und so können, ja müssen wir mit dem Lobe und
der Genugtuung, die Christus im Namen der Sünder darbringt, unser
eigenes Lob und unsere eigene Genugtuung vereinigen. Doch müssen
wir uns dabei stets bewußt bleiben, daß die ganze Sühnekraft einzig
und allein aus dem einen blutigen Opfer Christi fließt, das ohne Un-
terlaß auf unseren Altären unblutigerweise geopfert wird“ (NR. 314£.).
Im Rundschreiben Pius’ X. zur 50. Wiederkehr der Verkündigung
des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis „Ad diem illum“ vom
Jahre 1904 heißt es: „Das will nicht heißen, daß die Ausspendung
dieser Gaben nicht eigentlich und rechtmäßig Christus zustehe. Durch
seinen Tod allein sind sie uns ja erworben. Er ist in ganzer Macht-
vollkommenheit Mittler zwischen Gott und Menschen. Aber durch die
Gemeinschaft der Leiden und der Schmerzen zwischen Mutter und
Sohn, von der wir sprachen, ist es ein Vorrecht der hehren Jungfrau
geworden, bei ihrem einziggeborenen Sohne die mächtigste Mittlerin
und Versöhnerin für den ganzen Erdkreis zu sein. Die Quelle ist also
Christus, und aus ihrer Fülle haben wir alle empfangen (Jo 1, 16).
Von ihm aus wird der ganze Leib zusammengefügt und zusammen-
gehalten durch jedes Band der Dienstleistung ... und wird das Wachs-
tum des Leibes besorgt zu seinem eigenen Aufbau in Liebe (Eph 4,
16)“ (NR. 333; vgl. auch die Bulle „Unigenitus Dei Filius“ vom Jahre
1343, D. 550, NR. 595; die Enz. „Humani generis“ Pius’ XII. vom
12. Aug. 1950, Acta Apost. Sedis 42, 1950, 570; die Enz. „Haurietis
aquas“ Pius’ XII. vom 15. Mai 1956, Acta Apost. Sedis 48, 1956, 322).

ZweiteseBKapıtel

Die Schrift

In der Schrift ist die stellvertretende Genugtuung bezeugt, wenn


es heißt, daß der Messias unsere Leiden getragen und unsere Schmer-
zen auf sich geladen hat, daß er ob unserer Sünden verwundet, ob
unserer Frevel zerschlagen worden ist (Is 53, 4f.; siehe den Text
$ 143). Der Menschensohn gibt sein Leben als Lösegeld für die vielen
hin, was soviel heißt wie: anstatt der vielen und zu Gunsten der vielen
(Mk 10, 45; siehe $ 155). Sein Blut wird für die vielen vergossen (Mk
14, 34). Er, der Eine, stirbt an Stelle und zum Heile der Menschen. Es
sind „viele“, für welche der Eine sich opfert; denn es sind alle Men-
schen. Er ist eben von Gott für uns zur „Sünde“ gemacht worden. Gott
hat ihn in den Tod hineingegeben an unserer Statt (2 Kor 5, 21). An
412 Das Kreuzesopfer Christi als stellvertretende Genugtuung § 157

unserer Statt ist er zum Fluche geworden und hat uns so losgekauft
vom Fluche des Gesetzes. Dadurch sollte den Heiden der Segen
Abrahams zuteil werden in Christus Jesus, auf daß sie die Verheißung
des Geistes empfangen im Glauben (Gal 3, 13f.). Er hat sich, dem
Willen des Vaters gehorsam, für unsere Sünden hingeopfert, um uns
aus der gegenwärtigen bösen Welt zu erretten (Gal 1, 4f.), so daß wir
nun auf ihn gegründet sind und sein Siegel tragen (2 Kor 1, 21). In
ihm, dem Sühneopfer für die Sünden aller, hat Gott seine Gerechtig-
keit erwiesen (Röm 3, 23—26). Paulus faßt die Verkündigung von
Christi sühnendem Opfertod so zusammen: „Alles ist aus Gott, der
uns mit sich versöhnte durch Christus und uns den Dienst der Ver-
söhnung übertrug. Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich
versöhnte, ihnen ihre Vergehen nicht anrechnete und uns die Bot-
schaft der Versöhnung auferlegte“ (2 Kor 5, 18 f.).

Drittes Kapitel
Die Väter

Wenn die Lehre von Christi Genugtuungswerk auch mehr von den
lateinischen Vätern und den abendländischen Theologen bezeugt und
theologisch erklärt wurde, während die griechischen Väter Christi
Werk mehr als Sieg über Satan und Sünde verstanden, so ist doch
auch von den letzteren der Genugtuungs- und Sühnecharakter von
Christi Tod ausgesprochen worden. Aus den Väterzeugnissen seien
einige ausgewählt.
Christus ist für uns gestorben und unsertwegen auferstanden, sagt Ignatius
von Antiochien (Röm 6,1; Trall 2,1). Eusebius von Cäsarea (Darlegung der
Evangelien, 1, 10) erklärt: „Als nun das Vollkommene kam..., da hörte das frühere
auf und wurde alsogleich durch das bessere und wahrhaftige Opfer abgelöst. Das ist
Christus, der Gesalbte Gottes, von dem von alters her, vor altersgrauen Zeiten vor-
hergesagt worden ist, daß er zu den Menschen kommen und wie ein Lamm für das
ganze Menschengeschlecht geschlachtet werde. So ward nach dem Zeugnis der Pro-
pheten das große und vollwertige Lösegeld für die Juden zugleich und die Heiden
gefunden, die Sühne der ganzen Welt, das Pfand für das Leben aller Menschen, die
reine Opfergabe für alle Sündenmakel, das Lamm Gottes, das von Gott geliebte reine
Schäflein, das Lamm, das die Propheten vorausverkündigt ... (4, 12): Nicht nur eine
Ursache (des Todes Christi) wird finden, wer suchen will, sondern auch mehrere.
Erstens — so lehrt uns das Wort —, daß er Herr sei über Lebende und Tote; zwei-
tens, daß er unsere Sünden abwasche, indem er für uns verwundet wurde und für
uns zum Fluch geworden ist; drittens, daß er als Opfergabe Gottes und großes Opfer
für die ganze Welt dem Gott des Alls dargebracht würde; viertens, daß er die
schleichende Verführung des Teufels zunichte mache; fünftens endlich, daß er in
§ 157 Die Väter 413

seinen Freunden und Jüngern, nicht in Wort und Rede, sondern durch die Tat
die Hoffnung auf das Leben bei Gott nach dem Tode wecke, daß er die Frohbot-
schaft, die er ihnen verkündet, auch sichtbar vor Augen stelle, sie so getrost und
guten Mutes mache und allen ... (Völkern) das von ihm begründete gottesfürchtige
Leben verkünde. (10,1): Christus nimmt alle Mühsale der leidenden Glieder auf sich;
er macht unsere Schwachheiten zu den seinen und erleidet Schmerzen und Mühselig-
keiten für uns alle nach dem Gesetze der Liebe zu den Menschen. Aber das Lamm
Gottes hat nicht nur dies getan. Es hat auch für uns Strafe und Züchtigung er-
litten, die es nicht verdient hatte, wohl aber wir, wegen der Menge unserer Ver-
fehlungen. So ward er die Ursache für uns, daß uns die Sünden nachgelassen
würden; hat er doch für uns den Tod erlitten, Geißelhiebe, Gewalttat und Schmähun-
gen auf sich genommen, die uns gebührten, und sich die uns zuerkannte Verfluchung
zugezogen, da es für uns zum Fluch geworden ist. Hat er nicht wahrlich unser Leben
mit dem Seinen bezahlt?“ (aus Leo v. Rudloff, Zeugnis der Väter, 178£.). Cyrill
von Jerusalem (13. Katechese, 33. Abschn.; BKV 228f.) sagt: „Der Heiland hat
durch sein Leiden, durch das Blut des Kreuzes, was im Himmel und auf Erden
ist, versöhnt. Durch die Sünde waren wir nämlich Feinde Gottes, und Gott hatte auf
die Sünde Todesstrafe gesetzt. Eines von beiden war nun notwendig: entweder mußte
Gott als der Wahrhaftige alle vernichten, oder er mußte als der Barmherzige das
Urteil aufheben. Doch siehe Gottes Weisheit! Das Urteil hielt er konsequent auf-
recht, ohne seine Barmherzigkeit wirkungslos zu machen. Christus nahm die Sünden
mit seinem Leibe aufs Holz, damit wir durch seinen Tod den Sünden ersterben und
der Gerechtigkeit leben. Kein Geringer war der, welcher für uns gestorben ist. Nicht
war er ein unvernünftiges Lamm. Nicht war er ein einfacher Mensch. Nicht war er
nur ein Engel. Er war vielmehr der menschgewordene Gott. Die Ungerechtigkeit der
Sünder war nicht so groß wie die Gerechtigkeit dessen, der für uns gestorben ist.
Wir haben nicht so viel gesündigt, als derjenige Gerechtigkeit geübt hat, welcher
sein Leben für uns hingegeben hat. Er gab es hin, als er wollte, und er nahm es
wieder, als er wollte.“
LeoderGroße (66. Predigt, Abschn. 4; M. Th. Breme, Leo der Große, Leipzig
1935, 93; BKV II, 351) erklärt: „Da er uns von den alten Wunden heilen und von dem
Makel der Sünde reinigen wollte, wurde der Einziggeborene Gottes auch der Sohn
des Menschen, so daß ihm alle Wirklichkeit des Menschentums und alle Fülle der
Gottheit eigen war. Wenn somit zu uns gehört, was in Einheit mit der Gottheit die
jungfräuliche Mutterschaft gebar, so ist auch unser, was die jüdische Gottlosigkeit
kreuzigte. Unser ist, was tot im Grabe lag, was am dritten Tage wieder auferstand,
was über alle Himmel zur Rechten der Majestät des Vaters emporstieg: so daß wir
auch zur Teilnahme an seiner Herrlichkeit erhoben werden, wenn wir auf dem Wege
seiner Gebote voranschreiten und uns nicht schämen, zu bekennen, daß in seiner
körperlichen Erniedrigung unser Heil gewirkt wurde. Denn es wird sich erfüllen und
offenbar werden, was er angekündigt hat: »Wer mich vor den Menschen bekennen
wird, den werde ich bekennen vor meinem Vater, der im Himmel ist« (Mt 10, 32).
Der wahre Verehrer der Passion des Herrn muß den Gekreuzigten mit den Augen
des Herzens also betrachten, daß er in ihm sein eigen Fleisch erkennt.“ Predigt 54,
Abschn. 4 (BKV II, 280) steht: „Mit diesen Worten (Vater, wenn es möglich ist, gehe
dieser Kelch an
mir vorüber), aus denen eine gewisse Bangigkeit spricht, wollte
er uns schwache Menschen von dem Gefühle der Furcht heilen, indem er sie mit uns
414 Das Kreuzesopfer Christi als stellvertretende Genugtuung § 157

teilte, und unsere Angst vor hereinbrechender Strafe beseitigen, indem er sich an-
schickte, diese für uns zu erdulden. Unsertwegen zitterte also der Herr wie wir vor
Schrecken und unsertwegen hatte er sich die menschliche Schwachheit zu eigen ge-
macht ... Der, dem zur Vernichtung seiner Feinde mehr denn zwölftausend Legionen
Engel zu Gebote standen, wollte lieber gleich uns vor Furcht erbeben, als von seiner
Macht Gebrauch machen.“ Predigt 58, Abschn. 5 (M. Th. Breme, 45f.; BKV II, 115 f.)
heißt es: „Als der Sohn Gottes sagte: »Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch
an mir vorüber«, da sprach er mit der Stimme unserer Natur, da machte er die mensch-
liche Gebrechlichkeit und Angst zu seiner eigenen Sache, damit unsere Geduld gestärkt
und unsere Furcht überwunden werde, wenn wir selbst zu leiden haben. Schließlich
hört er auf, dieses zu erbitten, sich gleichsam entschuldigend wegen der Angst un-
serer Schwachheit, in der ja auch wir nicht verharren dürfen. Er geht zur Kund-
machung eines anderen Gedankens über: »Aber nicht wie ich will, sondern wie du
willst« und »Wenn dieser Kelch nicht an mir vorübergehen kann, ohne daß ich
ihn trinke, so geschehe dein Wille, Diese Worte des Hauptes sind das Heil des
ganzes Leibes: Dieses Wort belehrt alle Gläubigen, entzündet alle Bekenner, krönt
alle Märtyrer. Denn wer vermöchte den Haß der Welt, die Stürme der Versuchungen,
die Schrecken der Verfolgungen zu besiegen, wenn nicht Christus in allen und für
alle zum Vater gesprochen hätte: »Es geschehe dein Wille!« Darum möge ein jeder
diese Worte erlernen. Die Söhne der Kirche, erkauft um hohen Preis und aus freier
Liebe erlöst, sollen den Schutz dieses mächtigen Gebetes sich zu eigen machen,
wenn die Widerwärtigkeit irgendeiner heftigen Prüfung über sie hereinbricht, damit
sie die Angst überwinden und das Leiden zu ertragen vermögen.“ Predigt 58, Ab-
schnitt 8 (BKV II, 124) lesen wir: „Gerade deswegen ist Gottes Barmherzigkeit gegen
uns um so wunderbarer, weil Christus nicht für Gerechte und Heilige, sondern für
Ungerechte und Gottlose in den Tod gegangen ist. Da aber die Gottheit gegen den
Stachel des Todes gefeit war, nahm der Herr durch seine Menschwerdung von uns
jene Natur an, die er für uns zum Opfer bringen konnte.“ Augustinus (Erklä-
rung zu Ps 127, 3) verkündet: „Wir wurden mit Christus gekreuzigt, als sein Fleisch,
das in sich sozusagen die gesamte Natur enthielt, gekreuzigt wurde.“

Viertes Kapitel

Der Sinn von Sühne und Genugtuung

D. Feuling (Katholische Glaubenslehre, Salzburg - Leipzig 1937, 497 ff.) erklärt


die Sühne und Genugtuung Christi folgendermaßen: „Jesu Sühne und Genug-
tuung hängen sozusagen ineinander und seien deshalb in ihrer inneren Verbin-
dung besprochen. Unter Sühne sei verstanden: die Übernahme eines Wehes, einer
Strafe, einer Buße für begangene Sünde. Als Genugtuung sei bezeichnet: eigentliche
Wiedergutmachung im positiven Sinne, nachdem irgend etwas schlecht gemacht war:
also Ersatzleistung für zerstörtes Gut, Wiederherstellung der gestörten Ordnung. So-
bald diese Begriffe so bestimmt und klar verstanden sind, ist es nicht mehr schwer,
zu sehen, in welchem Sinne Jesu Leben, Selbstentäußerung, Leiden, Tod und Aufer-
stehung Sühne und Genugtuung zu nennen sind ... Zunächst ist Jesu Leben, insofern
es sich in der Kenose, der Selbstentäußerung oder der Erniedrigung vollzieht, ganz
S 157 Der Sinn von Sühne und Genugtuung 415

eingetaucht in Sühne oder Buße. Denn es ist Verzicht auf hohe, höchste Güter: auf
die Vollentfaltung all der Rechte, Kräfte, Tugenden, die Jesus als der Gottmensch
wesenhaft sein eigen nennt. Man denke nicht, daß der Verzicht auf solche Selbst-
entfaltung zwar uns bloßen Menschen, nicht aber ihm, dem Herrn in Gottheit und in
Menschheit, schwer sei. Im Gegenteil! Mehr als unsere unvollkommenere menschliche
Natur begehrt die seine die Entwicklung solcher Kräfte, aller Fülle, Lösung, Weite,
Schönheit seiner Menschheit und seiner Menschlichkeit. Mehr als wir hat er in
seinem innersten Gemüte, im Gefühle wesenhafter Seinsordnungen, darnach verlangen
müssen, daß seine Tugend, seine Liebe, seine Gottheit sich den Menschen offenbare
und von ihnen jene Anerkennung finde, die wir Ehre nennen. Und so war jeglicher
Verzicht, was die personale Selbstentfaltung und die äußere Offenbarung seiner
Herrlichkeiten angeht, sowie was die Anerkennung seiner Heiligkeit und Gut-
heit irgendwie betrifft, für ihn ein Leid, freiwillig übernommen, ganz gewiß, aber
real erlitten in der Tiefe eines großen Wehes. Dies Leid und Weh nun brachte
Jesus in den Einzelakten wie in der Grundhaltung seines Willens und Gemütes
seinem Vater dar — als Sühne für die Schuld der Menschen. Er konnte diese
Stellvertretung einer sühnenden Erleidung, eines sühnenden Verzichtes oder Opfers
leisten, weil er ja, wie wir gesehen haben, kraft seiner solidarischen Verbindung
mit der Menschheit zum Zwecke der Erlösung schlechthin Mittler ist: also auch in
seinem Leiden, seiner Selbstentäußerung, seinem Verzichten oder seinem Opfern.
Zugleich ward alles dies Genugtuung im Sinne einer Wiederherstellung der rechten,
gottgebotenen, Gott wohlgefälligen Seins- und Lebensordnung. Denn in allem Leiden
und Verzichten Jesu liegt der Aufbruch eines Willens, der auf höchste Tugend,
höchste Liebe, höchste Hingebung an Gott und Gottes Ordnung geht. In allem seinem
Opfer, ja in allem seinem Tun und Lassen, bis in seine Auferstehung und Ver-
herrlichung auf Erden, bis in den Verzicht auf weiteres Leiden oder eigentliches
Opfern und Verzichten, liegt der Durchbruch seiner beispiellosen, beispielgebenden
Gehorsamsleistung gegenüber seinem Vater: welche Gehorsamsleistung die genaue
Gegensetzung gegen allen Ungehorsam irgendwelcher Sünde und Verherrlichung in
der Menschheit ist. Diese Gehorsamsleistung ist die Wiedergutmachung in einem
letzten Sinne: weil der Gehorsam Jesu, weil alle seine Tugend, Tat und Liebe oder
Hingebung, auch seine Verherrlichung durch Gott im Sein und Leben der göttlichen
Person des Logos standen, deshalb hatten sie übermenschlich großen, hatten sie un-
endlich hohen Sinn und Wert. Und so geschah es, daß durch Jesu Gehorsams- und
Liebesleistung, sei es in Sühne oder in Verherrlichung, die durch den Menschen in
der Sünde schwer verletzte Gottesordnung unserer Welt und Menschheit nicht nur
tief erneuert, sondern aufgewertet, sozusagen überwertet wurde, auf höhere, unver-
gleichlich höhere Stufe emporgehoben. Und hier bedenke man noch dies: geht zwar
die Sühne oder stellvertretende Buße Jesu nur auf die Menschensünde zur Tilgung
ihrer Schuld und Strafe, so geht die gehorsamende Genugtuung des Gottessohnes in
der menschlichen Natur und in der Menschheit auch auf die Wiedergutmachung der
Gottesordnung, insofern sie durch die Sünde Satans und der anderen gefallenen Engel
tief gestört war; was nichts anderes heißt als dies: ungleich mehr, ja unendlich
mehr als Gott an Ehre, Anerkennung, Anbetung, Liebe, Hingebung, Gehorsam durch
die Engelsünde je entzogen wurde, unendlich mehr ward ihm zurückgegeben durch
das Lieben, Leiden, Sterben und die Verherrlichung des Heilandes. Und so ver-
stehen oder ahnen wir: die Menschwerdung des Sohnes Gottes hat den zerstörten
416 Das Kreuzesopfer Christi als stellvertretende Genugtuung S 157

Welt-, Menschheits- und Geistersinn teils auf dem Wege der Sühne, teils auf dem
der Genugtuung wunderbar gerettet und erhöht.“

Warum Gott für die Sünde Strafe und Genugtuung festsetzte,


wurde schon mehrfach zu erklären gesucht (vgl. Bd. II 1 $ 134). Letzt-
lich ist die Frage ein Geheimnis Gottes.

Fünftes Kapitel
Adaequate und überfließende Genugtuung

Christus konnte eine ebenbürtige (adaequate; vgl. $ 142) Genug-


tuung leisten, ja eine überfließende, weil er Gott und Mensch zugleich
war. Der ebenbürtige, ja überragende Wert des Opfertodes Christi ist
bezeugt 1 Kor 6, 20; 1 Petr 1, 18 f.; Röm 5, 20 f.; Eph 1, 7 f. Er allein
war imstande, jenes Maß von Genugtuung zu vollziehen, welches der
Vater forderte. Als Mensch konnte er sich dem Gerichte Gottes unter-
werfen. Als Gott konnte er das Grauen der Sünde ausmessen und auf
sich nehmen. Weil die Sünde nach Gott greift, deshalb gelangt sie in
eine Tiefe hinein, in die kein Mensch einzudringen vermag. Christus
kann dorthin hinabdringen und durch das Ja des Gehorsams und der
Liebe, das er zu Gott spricht, die Kraft des Nein brechen. Das Maß
seiner Liebe ist dem Maße der menschlichen Sünde ebenbürtig, ja
überlegen. Das Licht und die Glut seiner Liebe sind stärker als die
Macht der Finsternis, in welche die Sünde die Welt getaucht hat.
Durch die Sünde wird Gott verunehrt (Bd. II 1 § 3). Die Sünde ver-
schleiert und entstellt die Herrlichkeit Gottes. Die der Sünde verfallene
Welt kann zu der Frage verführen: Wie muß Gott sein, der diese Welt
schafft? Durch den Kreuzestod Christi wurde Gott in überströmender
Weise die Ehre zurückgegeben: Einmal offenbarte und verwirklichte
er, der seinen Sohn dahingab, sich selber als die durch nichts zu be-
siegende Liebe und Gerechtigkeit (der Kreuzestod ist eine Offenba-
rung und eine Verwirklichung seiner Herrlichkeit), zweitens wurde
er durch die Selbsthingabe Christi als der Herr, als der Heilige, als
der Gerechte, ja als die personale Gerechtigkeit und Heiligkeit an-
erkannt. Die am Kreuze aufglühende Liebe überstrahlt den Haß und
die Lüge. So kann der Sehende, d. h. der Gläubige, der von Christus
von der geistlichen Blindheit befreit wurde, trotz der furchtbaren
Lage der Welt erkennen, daß Gott, ihr Schöpfer, die Wahrheit und
die Liebe ist. Er braucht daher weder an Gott noch an der Welt zu
verzweifeln. Nur das Kreuz Christi kann denjenigen, der die Ab-
S 157 Erklärung der Genugtuung 417

gründigkeit der Welt nüchtern ansieht und erfährt, vor der Verzweif-
lung und vor dem Nihilismus bewahren.
R. Guardini (Der Herr, Würzburg 19591, 538f.) sagt hierzu: „Gott ist dem
Menschen nachgegangen, wie es im Gleichnis vom verlorenen Schaf und von der
verlorenen Drachme geschrieben steht. Er ist ihm in das Reich des Verlorenseins
nachgegangen. In das böse Nichts, das sich unter der Sünde des Menschen aufgetan
hatte. Er hat nicht nur liebend hinabgeschaut, den Menschen gerufen und gezogen,
sondern er ist selbst in jenes Reich hineingegangen, wie es Johannes im ersten
Kapitel seines Evangeliums so gewaltig ausspricht. Nun stand da einer in der
Menschengeschichte, der Gott war und Mensch. Rein wie Gott und verantwortungs-
beladen wie der Mensch. Dieser hat das Schuldigsein durch- und zu Ende gelebt.
Der bloße Mensch kann das nicht. Er ist kleiner als die Schuld, die er begeht, denn
sie richtet sich gegen Gott. Er kann sie begehen; was sie aber ist, kann er sich nicht
mit einer ihrer furchtbaren Bedeutung ebenbürtigen Wachheit gegenwärtig bringen.
Er kann sie nicht ermessen. Er kann sie nicht ausleiden. Sie, die er begangen hat,
kann er nicht in sein Leben hineinnehmen und existierend erschöpfen. Er wird an
ihr verworren, verstört, verzweifelt — aber er bleibt ihr gegenüber ohnmächtig. Der
Sünde ist nur Gott gewachsen. Er sieht sie, ermißt sie, richtet sie. Darin geschähe
ihr ihr Recht — der Mensch aber, der sie begangen, zerbräche daran. Gott aber hat
den Schritt in die Liebe getan. Er ist Mensch geworden, und so ist ein Wesen er-
standen, das die Ebenbürtigkeit Gottes der Sünde gegenüber in einem menschlichen
Dasein trug. In einem Menschengeiste und Herzen und Leibe vollzog sich die Ab-
rechnung Gottes mit der Sünde. Das war das Dasein Jesu. Jenen Sturz des Menschen
in das Nichts, der sich in der Empörung des Selbst gegen Gott vollzog, und worin
das Geschöpf zerbrechen und verzweifeln konnte, hat er wissenden Geistes, freien
Willens, fühlenden Herzens in der Liebe durchgelebt. Um so größer die Vernichtung,
je größer Der ist, den sie trifft. So ist niemand gestorben, wie Christus gestorben
ist, weil Er das Leben selbst war. Niemand ist für die Sünde gestraft worden, wie
Er, weil Er der Reine war. Niemand hat das Hinabgestürztwerden in das Böse so
erfahren wie Er — bis zu jener furchtbaren Wirklichkeit, die hinter dem Worte
steht: »Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?« — weil er der Sohn Gottes war.“

Sechstes Kapitel
Erklärung der Genugtuung

In der näheren Erklärung der Offenbarungslehre von der stell-


vertretenden Sühne und Genugtuung hat die morgenländische und
abendländische Theologie den Ton jeweils auf einen anderen Gesichts-
punkt gelegt.
Die Theologie der griechischen Kirchenväter sieht, wie schon
hervorgehoben wurde, die Sünde vor allem als eine Störung und Ver-
wirrung der Seinsordnung. Die Erlösung ist die Wiederherstellung
der rechten Seinsordnung, die Befreiung von der Knechtschaft des
Todes und Teufels.

27 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


418 Das Kreuzesopfer Christi als stellvertretende Genugtuung § 157

Die von Anselm von Canterbury im 11. Jahrhundert


ausgebildete abendländische Erklärung, die in der Schrift grundgelegt
ist, bei Tertullian und Cyprian anfängt, sich zu entfalten und
wohl nicht ohne Einfluß römischer Rechts- und germanischer Ehr-
vorstellungen weiterentwickelt wurde, sieht in der Sünde vor allem
eine Störung der Rechtsordnung, eine Ehrverletzung und Beleidigung
Gottes. Die Genugtuung besteht demgemäß darin, daß dieEhre Gottes
wiederhergestellt wird. Das kann aber der sündige Mensch nicht. Da
nämlich nach Anselm die Kränkung nach dem bemessen wird, der
gekränkt wird, ist die Sünde nach ihm eine unendliche Beleidigung
Gottes. Nur der Gottmensch konnte hierfür eine ebenbürtige (adae-
quate) Genugtuung leisten, da nur ihm eine Leistung von unendlichem
Wert möglich ist. Die Genugtuung besteht im Leben, im Lehren, im
Leiden, vor allem aber im Kreuzestod des Gottmenschen. Obwohl jede
Handlung Christi, weil sie ein gottmenschliches Werk war, zur voll-
gültigen Sühne genügt hätte, so gibt Christus doch zum Erweis seiner
überreichen Liebe sein Leben hin. Auferstehung und Himmelfahrt
sind der Lohn, den sich Christus durch sein Werk verdient hat.
Thomas von Aquin hat die Lehre Anselms weitergeführt. Das Opfer-
leiden Christi war nicht nur ein ebenbürtiger, sondern ein über-
fließender Ausgleich der Gott zugefügten Beleidigung, weil diese nur
moralisch, die Genugtuung seinshaft (physisch) unendlich war. Die
Genugtuung Christi trägt ihren unendlichen Wert in sich, sie bekommt
ihn nicht erst durch die gnädige Annahme Gottes. Für die Auswir-
kung gegenüber den Sünden der ganzen Welt ist freilich die Annahme
Gottes notwendig. Weil die Genugtuung unendlich ist, deshalb wird
durch den Kreuzestod Christi für jede Sünde, für die Erbsünde und
für die persönlichen Sünden Genugtuung und Sühne geleistet.
Die Besiegung der Sünde stellt sich durch die Tatsache von der
genugtuenden und sühnenden Kraft des Opfertodes Christi dar als
Aufhebung der durch die Sünde geschehenen Ehrverletzung Gottes.
Man kann diesen Vorgang so verstehen: Indem Gott seinen eingebore-
nen Sohn in den Kreuzestod hingibt, offenbart und verwirklicht er in
einer so wirksamen Weise seine Liebe und Gerechtigkeit, daß diese
Offenbarung durch keine Sünde mehr verdunkelt werden kann. In-
dem Christus durch seine Hingabe Gott als den Herrn und als die
personale Heiligkeit und Gerechtigkeit ein für allemal vor die Augen
der Menschen hinstellte und anerkannte, wurde Gottes Herrlichkeit
unübersehbar geoffenbart und in der menschlichen Geschichte gegen-
wärtig. Die Liebe, die von Golgotha zum Vater emporglüht, ist stärker
$ 157 Erklärung der Genugtuung 419

als aller Haß der Hölle. In ihr offenbart es sich, daß die Welt in ihrer
Tiefe von der Liebe, d. h. von Gott regiert wird.
Dadurch wurde Gottes Ehre, die durch die Sünde geschändet
worden war, wiederhergestellt. Die Sünde war eine Verleumdung
Gottes und eine Verdunkelung seiner Liebe, insofern sich angesichts
der sündeverfallenen Welt die Frage erhebt, wie der Gott sein müsse,
der eine solche Welt schafft, ja aus der Welt nur noch mit größter
Mühe und Anstrengung erkannt, dagegen leicht in ihr übersehen wer-
den kann. Im Kreuze Christi wird offenkundig, daß Gott doch die Liebe
und die Heiligkeit ist. In der Sünde hat der Mensch Gott hinter die
Geschöpfe zurückgesetzt. Im Kreuzestod wird Gott als der unbedingte
Herr anerkannt. Dabei wird also seiner Oberherrlichkeit Genüge ge-
leistet.
Inne wird dieser Tatsache jedoch nur der Glaubende. Der Sieg
Christi über die Sünde läßt sich nur im Glauben bejahen. Demjenigen,
dessen Blick an der Außenseite der Dinge und Geschehnisse hängen
bleibt, mag es erscheinen, als ob die Sünde auch nach dem Tode in
ungebrochener Kraft weiterrase. Der Sieg Christi läßt sich nicht durch
die Erfahrung eindeutig feststellen. Er ist weithin unanschaulich. Er
wird einmal anschaulich: bei der Wiederkunft des Herrn. Bis dahin
aber ist der, welcher vom Siege Christi redet, auf den Glauben ver-
wiesen. Darum kann der Sieg Christi auch niemandem strenge be-
wiesen werden. Wenngleich es Zeichen und Hinweise gibt, z. B. das
Leben der Heiligen, so kann er letztlich doch nur erklärt, gepriesen
und geglaubt werden. Aber er ist wirklich. Er liegt darin, daß die
Opferflammen des Todes Christi den Haß und die Selbstsucht über-
strahlen und daß jeder, der Christus ergreift, den unheilbringenden
Mächten des Bösen entzogen ist. Das Rasen der Sünde ist für den
Christusgläubigen wie das Wüten eines Gefesselten.
Man kann fragen, ob Christus denn nicht sich selber genug getan hat,
da er Gott Genugtuung leistete und er wahrer Gott ist. Dazu ist zu sagen, daß es
nach dem unmittelbaren Wortlaut der Offenbarungstexte und der liturgischen Gebete
der Vater ist, an welchen sich die Sühne Christi wendet, die erste Person Gottes,
welche Christus immer mit Vater anredet. Vom Vater ist der Logos in die mensch-
liche Natur hineingesandt worden. Ihm glüht seine Liebe entgegen. Nach einer
anderen Erklärung würde sich die Genugtuung Christi an den dreipersönlichen Gott
richten. Insofern Christus Mensch ist, leistet er danach Genugtuung. Insofern er Gott
ist, nimmt er sie mit dem Vater und dem Heiligen Geiste entgegen. (Hierzu ist jedoch
zu vergleichen, was S. 173 zur hypostatischen Union gesagt wurde.) Da Christus auch
als Mensch in vollem Sinne Sohn des himmlischen Vaters ist, nimmt dieser im
Heiligen Geiste die Genugtuung Christi entgegen.

27*
420 Das Kreuzesopfer Christi als stellvertretende Genugtuung § 157

Richtig dürfte sein, was P. Lippert (Credo: Der Erlöser, München 1950, 253 ff.)

hierzu sagt: „Das war endlich ein Leben, auf das Gott mit vollkommener Be-
friedigung sehen konnte: »Siehe, mein Knecht handelt, wie es sich gehört«, und

so ist da eine wahre Ehrenrettung Gottes vollbracht worden. Die Sünde war ja eine
Entstellung und Verzerrung der göttlichen Gestalt; sie trübte sein Licht, das in der
Welt scheint; sie bürdete seiner schaffenden Selbstbekundung Charakterzüge auf,
die in schreiendem Gegensatz zu seinem wahren Bildnis stehen. Gegenüber solcher
Ehrabschneidung hat Jesus seinen Gott ein für allemal gerechtfertigt; diese Ver-
leumdung und Verkennung des göttlichen Wesens hat er vollgültig, ja überwertig
gutgemacht und ausgeglichen; so »hat er für uns Gott dem Vater Genugtuung ge-
leistet« (Konzil von Trient Sitz. 6 Kap. 7) und den Schuldpreis bezahlt, dem wir ob
unserer Herabwürdigung des göttlichen Namens verhaftet waren. Denn eine voll-
ständigere Genugtuung, als Jesus sie leistete, konnte selbst Gott, der lebendigste, der
persönliche Ehrbegriff, nicht fordern. Dieser Menschensohn war ja nicht bloß eine
vielfach übersetzte und abgeschwächte Spur des göttlichen Wesens, wie die übrigen
Geschöpfe alle: in ihm ist Gott persönlich als Mensch erschienen und hat sich un-
mittelbar so gegeben, wie er ist, Und siehe, es war Weg, Wahrheit und Leben, was
da der versunkenen und verirrten Welt sich darbot. Solch ein reines, treues, opfer-
mutiges und hochgemutes Leben war noch nie gesehen worden! So echt und wahr,
so vornehm und doch menschlich! Solch eine Hingabe und Würde, solch eine Kraft
und Güte, solch eine Weisheit und Schlichtheit in wunderbarer Vereinigung! Hätte
Jesus sein Leben in weltferner Wüstenei verbracht, unsichtbar für jedes Menschen-
auge, es wäre heller und holder geworden auf Erden schon durch sein bloßes Dasein.
So also ist Gott, wie Licht und Leben, und das ist sein treues und wahrhaftiges
Abbild! Dagegen kann die greuelvollste Verleumdung nicht mehr aufkommen; wie
sollten wir uns jetzt noch täuschen über Gottes wahres Wesen? Und wenn Ströme
von Blut über unsere Augen liefen, wir könnten nicht mehr irre an ihm werden;
und wenn auch alle Menschen immer noch entmenscht wären, Tiere an Wildheit,
wir glaubten doch unbeirrt an die Heiligkeit; in Wirklichkeit aber ist dieses treueste
Abbild Gottes nicht vereinzelt geblieben; von ihm sind noch andere Teilbilder göttlicher
Güte und Schönheit ausgestrahlt worden: Menschen von wahrhaft wunderbarer Gott-
ähnlichkeit hat es in seinem Reich gegeben. Die Ankunft des Sohnes offenbarte Gott
als Erzeuger und Lebensquell, von dem Kindschaft ausgeht; und wo immer der Sohn
hinkommt, muß göttliches Leben aufquellen, buchstäbliche Lebensmitteilung, wie sie
im leibeigenen Kinde geschieht; sein Wesen und Kommen allein schon strömt gött-
liche Kindschaft aus. Zu dieser stummen Sprache aber tritt noch das ausdrück-
liche Flehen, das immerfort aus dem Kindesherzen Jesu emporsteigt, nicht bloß für
einzelne, nicht bloß für seine Jünger und sein Volk, nicht nur für einige Auserwählte,
sondern für die ganze weite Menschenwelt. Alles, was er tat und litt in seinem
peinvollen Knechtsberuf, das hat er auf seine durchwundeten Hände genommen und
aufgehoben zum Angesicht des Vaters als erschütternden Ausdruck seines Gebets-
willens. Vor allem die blutige Krönung seines Lebens, den Tod, den ihm sein Amt
und Wirken unter einem gefallenen Geschlecht und im Lande des Sterbens ein-
brachte, nahm er willig und sehnsüchtig hin und brachte ihn dem heiligen Gott dar
als sichtbares Opferzeichen und Ausdruck seines inwendigen Willens, mit dem er
sich selbst und all sein Eigen, seinen unbefleckten Leib und sein kostbares Blut
hingab, in freiwilligem Verzicht, in so restloser Selbstentäußerung, mit so vollkom-
§ 157 Das Verdienst Christi 421

men reiner Anbetung vor dem Vater, daß die Pforten des Himmels staunend auf-
sprangen, die lange verschlossenen. Solch ein Händefalten und solch ein Kniefall,
solch eine Hingabe und wahrhaftige Gottweihe war noch nie von einem Menschen
volbracht worden; und der Mensch, der einzige, der sie nun leistete, war der ein-
geborene Sohn selber; und kein geringerer als der Vater, der Ursprungslose und Un-
gezeugte, der Anfang aller Anfänge, war es, dem diese huldigende Bitte, lodernd
vom Feuer des Pneuma, vorgetragen wurde; dieses Flehen eines Geopferten kam
also nirgends vor verschlossene Tore, es durchdrang nicht nur die Himmel, es
machte nicht halt vor dem Throne des Dreieinigen, sondern drang bis in das inner-
göttliche Leben ein, in den Kreis der persönlichen Lebensbeziehungen Gottes: es
wurde zu einer Zwiesprache, die in heimlichster Vertraulichkeit zwischen dem Vater
und dem Sohn und in der Sprache ihrer persönlichen, wechselseitigen Liebe, in der
Muttersprache Gottes gepflogen wurde.“ (Für Johannes Duns Scotus siehe W. Dett-
loff, Die Lehre von der acceptio divina bei Johannes Duns Scotus, Werl 1954.)

Siebentes Kapitel

Das Verdienst Christi

Die Genugtuung Christi ist zugleich Verdienst, insofern das Tun


Christi eines Lohnes würdig ist.
Der Begriff „Verdienst“ wird in der Gnadenlehre genauer er-
örtert werden. Hier sei bloß folgendes gesagt: Verdienst ist eine eines
Lohnes würdige Leistung bzw. der Lohn selbst. Für die Vermeidung
vielfältiger an das Wort Lohn und Verdienst sich knüpfender Miß-
verständnisse ist es von entscheidender Bedeutung, die Art des Lohnes
zu bedenken, der dem Menschen in der Schrift verheißen wird. Wenn
Christus denen, die Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit haben,
als Lohn Gerechtigkeit verheißt, so ergibt sich: Der hier gemeinte
Lohn ist nicht eine von außen zu einer Handlung hinzukommende
Gabe, sondern ein ihr selbst innewohnender und aus ihr aufsteigender
Wert. Der Lohn ist die von Gott gewirkte Auswirkung der gläubigen
Hingabe an Christus: das stärkere Hineinwachsen in Christus und
durch ihn in das dreipersönliche Leben Gottes, die lebendigere Ver-
wurzelung in Gott, letztlich die Überflutung von Leib und Geist (Be-
wußtsein) mit der Herrlichkeit Gottes. Dieser Lohn ist wie das Reifen
und Wachsen des Baumes.
Wenn wir nun davon sprechen, daß Christus durch seinen
Kreuzestod Lohn verdient hat, so meinen wir: Christus hat durch
sein Sterben einen Zustand erlangt, in welchem die in ihm verborgene
Gottesherrlichkeit an ihm offenbar ist, seinen Leib durchstrahlt, sein
Gemüt und seinen Geist überflutet, so daß darin keine Angst und
Furcht mehr eindringen kann. Wir meinen also die Hinüberführung
422 Der Höllenabstieg Christi $ 157a

aus dem Zustand der Erniedrigung in jenen der Erhöhung, die Auf-
erstehung und Himmelfahrt. Das hat sich Christus durch sein Leiden
und Sterben „verdient“, weil es so die Bestimmung des Vaters war
(Lk 24, 26. 46; Jo 17, 19; Röm 5, 19; Phil 2, 8 f.; Hebr 2, 9; 5, 9).
Was Christus für sich verdiente, verdiente er für uns. Denn er
war ja in allem unser Haupt (vgl. Jo 15, 5; Röm 3, 24; 7, 25; Eph 1, 3;
2, 5—10; 2 Tim 1, 9; Hebr 5, 9).

§ 157a
Der Höllenabstieg Christi

Vorbemerkung
„Der Sinn des Leidens Christi ist die Auferstehung. Denn nach
der Auferstehung stirbt er weiterhin nicht mehr und der Tod herrscht
nicht mehr über ihn“ (Origenes, nach Hans Urs von Balthasar,
Origenes. Geist und Feuer, Salzburg- Leipzig 1951?, 208). Christus war
von der Wurzel her lebendig, er war das Leben. Er starb, weil er
wollte. Der Tod verlor dadurch nichts von seiner Furchtbarkeit. Im
Gegenteil: Christus konnte die Schrecken des Todes auskosten wie sonst
niemand, weil der Tod etwas seinem innersten Wesen völlig Fremdes
war, weil er nicht in der Weise der Todverfallenen existierte, weil der
Tod nicht schon wie bei jedem anderen in ihm saß und seine Lebens-
kraft aufzehrte. Wenn er indes auch das Sterben als sein Werk voll-
zog, so konnte er doch nicht im Tode bleiben. Er starb seinen schwe-
ren, bitteren Tod, um den Tod zu entmächtigen. Er ging in den Tod
hinein, um durch ihn hindurchzugehen. Zeichen der Entmächtigung
des Todes war die Auferstehung. Sie war der Ausdruck der Tatsache,
daß Christus nicht dem Tode verfallen war, daß er Macht hatte, sein
Leben hinzugeben und Macht hatte, es wiederzunehmen. In der Auf-
erstehung kam heraus, was immer in ihm war. In ihr offenbarte sich,
daß er das Leben war.
Als Christus starb, hat sich der Logos weder vom Leibe noch von
der Seele getrennt. Leib und Seele blieben hineingenommen in die
Existenz des Sohnes Gottes. Der in der Existenz des Sohnes Gottes
verharrende Leib wurde in das Grab gelegt (Mk 15, 42—47; Mt 27,
57—61; Lk 23, 50—56; Jo 19, 38—42). Im engsten Zusammenhang mit
Tod und Auferstehung steht der Höllenabstieg Christi.
S 157a Die Tatsächlichkeit der Höllenabstiegs 423

Erstes Kapitel

Die Tatsächlichkeit des Höllenabstiegs

Es ist Glaubenssatz: Die Seele Christi stieg nach dem Tode in die
Vorhölle hinab. (Symbola seit dem 4. Jahrhundert, 4. Kirchenver-
sammlung vom Lateran D. 429; Synode von Sens vom Jahre 1140
D. 385.)
Christus „hat wohl dem Leibe nach den Tod erlitten. Dem
Geiste nach aber ward er zum Leben erweckt. So ging er hin zu den
Geistern im Kerker und brachte ihnen seine Botschaft“ (1 Petr 3, 18f.;
siehe 1 Petr 4, 6; Röm 10, 7; Eph 4, 8ff.; Hebr 13, 20).

Irenäus (Gegen die Häresien, 4. Buch 27. Kap., 2. Abschnitt; BKV II, 89 f.)
führt folgende Lehre eines Schrifterklärers zustimmend an: „Deswegen sei der Herr
in die Unterwelt hinabgestiegen und habe seine Ankunft verkündet, indem er Nach-
lassung der Sünden für die gab, die an ihn glaubten. Es glaubten aber an ihn alle,
die auf ihn hofften, d. h. die seine Ankunft vorherverkündigten und seinen Anord-
nungen Folge leisteten, die Gerechten, die Patriarchen und Propheten. Ihnen erließ
er ähnlich wie uns ihre Sünden, die wir ihnen nicht weiter anrechnen dürfen, wo-
fern wir nicht die Gnade Gottes verachten. Denn wie jene uns nicht unsere Unent-
haltsamkeit anrechneten, die wir begangen haben, bevor Christus in uns sich offen-
barte, so dürfen wir auch gerechterweise ihnen das nicht anrechnen, was sie vor
der Ankunft Christi sündigten. Denn »alle Menschen entbehren des Ruhmes Gottes,"
sie werden aber nicht durch sich selbst gerechtfertigt, sondern durch die Ankunft
des Herrn, wenn sie auf sein Licht achten.“ JohannesvonDamaskus (Dar-
legung des rechten Glaubens, 3. Buch, 29. Kap.; BKV, 186) sagt: „Die vergottete Seele
ist abgestiegen zu der Hölle (in die Unterwelt). Wie den Irdischen »die Sonne der Ge-
rechtigkeit« aufging, so sollte auch den Unterirdischen, den »in Finsternis und Todes-
schatten Sitzenden« das Licht aufleuchten. Den Irdischen hat er den Frieden, den
Gefangenen die Entlassung, den Blinden das Gesicht verkündet, den Gläubigen ewiges
Heil begründet und die Ungläubigen ihres Unglaubens überführt. Dasselbe sollte
auch den Unterirdischen widerfahren, »damit sich ihm jedes Knie der Himmlischen,
Irdischen und Unterirdischen beuge«. Und so erlöste er die seit Weltaltern Gefes-
selten, erstand wieder von den Toten und bahnte uns den Weg zur Auferstehung.“
Cyrill von Jerusalem (14. Katechese an die Täuflinge, 19. Abschn.; BKV, 249)
lehrt: „Allein stieg er in die Unterwelt, in reichem Gefolge verließ er sie. Er stieg in
den Tod hinab, und viele Körper der entschlafenen Heiligen wurden durch ihn er-
weckt. Der Tod erschrak, als er sah, wie ein Fremder in die Unterwelt kam, ohne von
den Ketten des Todes gefesselt zu sein. Warum, ihr Torhüter der Unterwelt, seid ihr
bei seinem Anblick erschrocken? Vor wem habt ihr wider eure Gewohnheit euch
gefürchtet? Der Tod floh und hat durch seine Flucht seine Furchtsamkeit verraten
... Erlöst wurden alle Gerechten, welche der Tod verschlungen hatte. So gehörte es
sich nämlich, daß die trefflichen Herolde von dem König, den sie verkündet hatten,
erlöst werden.“
424 Der Höllenabstieg Christi § 157a

Zweites Kapitel
Die Heilsfunktion des Höllenabstiegs

Das Hinabsteigen Christi in die „Hölle“ ist nicht erstlich als


räumliche Bewegung zu verstehen. Auf sie kommt es nicht an. Die
Aussage über den Höllenabstieg wird von der Heiligen Schrift mit
den Mitteln des antiken Weltbildes gemacht. Dieses liefert jedoch nur
den Darstellungsmodus, nicht den Inhalt. Die Offenbarung des Höllen-
abstieges Jesu Christi ist nicht notwendig mit dem antiken Weltbilde
verbunden oder gar von ihm abhängig. Sie ist vielmehr von ihm
trennbar und behält ihre Geltung, auch wenn das antike Weltbild
nicht mehr gilt.
Die Offenbarung von dem Höllenabstieg enthält zwei Momente:
den Tod Jesu Christi und die Heilsmitteilung. „Wenn sich die alte
Weltanschauung jeden Tod eines Menschen als Abstieg seiner Seele
in die Unterwelt vorstellte und beschrieb, dann ist der Höllenabstieg
Jesu eine bildhafte Aussage seines vollen menschlichen Sterbens. Die
Wirksamkeit Jesu in der Unterwelt aber bedeutet, daß die erlösende
und königliche Macht Christi überall hinreicht“ (K. H. Schelkle, Die
Petrusbriefe, Freiburg 1961, 107). Christus offenbarte sich jenen Ver-
storbenen aus allen Jahrtausenden und aus allen Völkern, welche im
Zustand der Gottverbundenheit geschieden waren und sich im Zu-
stande der Sündelosigkeit befanden, denen aber der Zugang zur Schau
Gottes noch versperrt war, weil vor dem Tode des Gottessohnes nie-
mand in das Allerheiligste eingehen durfte (Hebr 9, 8). Ihnen brachte
er die Kunde, daß die Stunde der Freiheit geschlagen hat. Es war die
gleiche frohe Botschaft, die der Schächer am Kreuze vor seinem Hin-
scheiden hören durfte (Lk 23, 43). In dieser Hinsicht liegt der Höllen-
abstieg in der Dimension der Heilsvermittlung. „Die Gemeinschaft
Christi im Tode mit den Toten bedeutet Überwindung der heilsfeind-
lichen Mächte ... und Befreiung der darin Gebundenen, sofern sie sol-
cher Befreiung fähig und nicht verworfen sind. Wenn Christus auch im
Tode entmächtigt wird, so ist er durch den Tod zugleich in ein neues
Raum- und Zeitverhältnis eingetreten, das in Auferstehung und Him-
melfahrt vollendet wird“ (A. Grillmeier, Art. Höllenabstieg, in: Lex.
f. Theol. u. Kirche V, Freiburg 1960?, 455).
Man wird nicht annehmen dürfen, daß Christus sich auch den
Verdammten oder den im Läuterungszustand Befindlichen gezeigt
habe. Die Kunde von der Zeitenwende wird freilich auch dahin ge-
$ 157a Religionsgeschichtliche Unterscheidung 425

drungen sein. Reine Willkür bedeutet die These J. Calvins, der Höllen-
abstieg Jesu wolle besagen, daß Christus Höllenqualen gelitten habe.

Drittes Kapitel
Religionsgeschichtliche Unterscheidung
Die „liberale“ Religionsgeschichte wollte in der biblischen Lehre
vom Abstieg Christi in die Hölle nur einen Sonderfall der in den
religiösen Vorstellungen des Orients (gnostische und vorgnostische
Systeme, ägyptische und babylonische Anschauungen) und des grie-
chisch-römischen Kulturkreises weitverbreiteten Mythen von der Höl-
lenfahrt eines Heroen oder eines Gottes sehen und sie aus diesen
Mythen ableiten. Die Einzigartigkeit und Unvergleichlichkeit und die
darin gründende Unableitbarkeit der biblischen Lehre ergibt sich je-
doch aus folgendem: Man darf die Offenbarungslehre von der Höllen-
fahrt Christi nicht loslösen von Christi Person und Werk. Sie bildet
ein Glied in dem einheitlichen Ganzen, das mit dem Worte „Christi
Person und Werk“ umschrieben wird, und nimmt daher an der Eigen-
art dieses Ganzen teil. Sie ist von vorneherein hinausgehoben über die
heidnischen Mythen (vgl. §§ 146f., 152), weil Christus, der in ge-
schichtlicher Zeit erschienene Gottessohn, erhaben ist über die mythi-
schen Gestalten der heidnischen Götterwelt. Zudem unterscheidet sich
der Sinn der Höllenfahrt Christi von dem Sinn aller heidnischen
Hadesfahrten wesentlich und grundlegend. Christus ist in die Vor-
hölle hinabgestiegen, um allen dort Wartenden die Erlösung, den
Sieg über die Sünde, den Tod und den Teufel zu verkündigen. Die
heidnischen Hadesfahrten stellen in phantastischen Bildern einen viel-
fach unentschieden hin und her wogenden Kampf der in den Hades
Hinabsteigenden mit den unterirdischen Göttern dar. Nicht selten
unterliegen sie oder müssen wenigstens den unterirdischen Mächten
ihren Tribut zahlen. Der Gedanke, daß der Hinabsteigende in freier
Überlegenheit den Tod für die ganze Menschheit ein für allemal über-
wunden hat, fehlt in den heidnischen Mythen völlig. Trotz des großen
Unterschieds läßt sich jedoch zugeben, daß in den heidnischen Mythen
die Sehnsucht nach der in der Schrift bezeugten Wirklichkeit sich
einen unvollkommenen Ausdruck geschaffen hat. Noch in einer an-
deren Weise sind die heidnischen Mythen und die christliche Wirk-
lichkeit einander verbunden. Die Väter verwenden nicht selten die
heidnische Vorstellungswelt für die Darstellung des christlichen Glau-
bens. Man muß hier sorgfältig unterscheiden zwischen dem etwa
426 Die Auferweckung Christi § 158

aus dem Heidentum geborgten Kleid bzw. Leib und dem aus der über-
natürlichen Offenbarung stammenden Inhalt. In Bezug auf den Inhalt
besteht wesentliche Verschiedenheit (siehe J. Kroll, Gott und die
Hölle. Der Mythus vom Deszensuskampfe, Leipzig 1932, und
K. Prümm, Der christliche Glaube und die altheidnische Welt, Frei-
burg i. Br. 1935 II, 17—51. Derselbe, Religionsgeschichtliches Hand-
buch, Freiburg i. Br. 1943, Index S.890. A. Anwander, Wörterbuch
der Religion, Würzburg 1962?, 53 f. A. Grillmeier, Höllenabstieg, in:
Lex. f. Theol. und Kirche V, Freiburg 1960?, 450—455).

§ 158
Die Auferweckung Christi

Es ist Glaubenssatz: Am dritten Tage nach seinem Tode ist


Christus glorreich von den Toten auferstanden (sämtliche Glaubens-
bekenntnisse: D. 2 ff.; 13; 16; 20; 40; 54; 86; 255; 429; 462; 709; 994;
ferner siehe D. 2036 f.; 2084).

Erstes Kapitel

Grundlegende Bedeutung

Die Auferstehung Christi von den Toten ist der Angelpunkt des
Glaubens (siehe $ 152 und die Fundamentaltheologie). Sie zu bezeugen,
werden die Apostel nicht müde. Nach dem Zusammenbruch des Kar-
freitags war der Ostertag für die Jünger Jesu nicht nur die Wieder-
aufrichtung des früheren Glaubensstandes, sondern der Beginn eines
neuen Verständnisses Jesu, das dann durch die Belehrungen des
ihnen erscheinenden Herrn vertieft und erweitert wurde. In der Tat-
sache, daß Jesus lebt, erblicken sie die Bestätigung seines messiani-
schen Anspruchs (vgl. Apg 2, 14—36). „In das Bild des Auferstande-
nen fügten sich ihnen all die wunderbaren Machterweise Jesu vor
seinem Tode ein, deren Augenzeugen sie gewesen waren, und all das,
was sie im Verkehr mit ihm gehört und gesehen hatten (vgl. Apg 2,
22; 10, 37 ff.). Für viele seiner Worte ging ihnen erst jetzt das wahre
Verständnis auf. Insbesondere verstanden sie nun auch seinen Tod.
der ihnen vorher ein unerträgliches Ärgernis gewesen war (vgl. Mk 8.
31ff.), in seiner wirklichen Bedeutung“ (J. Schmid, Das Evangelium
nach Matthäus, Regensburg 1959, Exkurs „Die Geschichtlichkeit der
§ 158 Ein Geheimnis des Glaubens 427

Auferstehung Jesu“ 383). Paulus erklärt die Auferstehung neben dem


Kreuzestod für die Mitte seiner Heilsbotschaft (1 Kor 15, 1—21; siehe
den Text S. 434f.). Als an Stelle des aus dem Apostelkreis ausge-
schiedenen Judas ein anderer gewählt werden sollte, stellt Petrus
ausdrücklich als Bedingung, daß es ein Zeuge der Auferstehung des
Herrn sein müsse. Ja, Zeuge der Auferstehung zu sein, erklärte er
geradezu als den Beruf des Apostels (Apg 1, 21 f.; vgl. 1 Kor 9, 1).
Die Auferstehung ist der Hauptgegenstand, ja manchmal der alleinige
Gegenstand der apostolischen Predigt (Apg 2, 22—40; 10, 41; 4, 33;
13, 23—41; 4, 8—12; 8, 30—35. Vgl. N. Brox, Zeuge und Märtyrer.
Untersuchungen zur frühchristlichen Zeugnisterminologie, München
1961).
Der tiefste Grund für die entscheidende Bedeutung der Auf-
erstehung Jesu Christi im christlichen Glauben ist darin zu sehen,
daß Gott in der Auferweckung sein Heilshandeln vollendete. Die Auf-
erstehung nimmt in dem ganzen Ablauf der Geschichte von der Er-
schaffung der Welt bis zur Auferweckung aller Menschen von den
Toten eine zentrale Stellung ein. Denn vor ihr ordnet sich das Heils-
handeln Gottes auf sie hin. In ihr konvergieren alle Heilstaten. An-
dererseits bildet sie den Ausgang für die heilshafte Weiterentwick-
lung. Im auferstandenen Christus ist die Schöpfung an einer Stelle,
und zwar in der Mitte ihres Seins und ihrer Geschichte, schon zum
endgültigen Ziele gekommen. In der Auferweckung Jesu Christi hat
sich Gott der Welt ein für allemal und in der höchsten Form zu eigen
gegeben, indem er sich so dem Erstgeborenen der Schöpfung zu eigen
gab. Die auf das Ereignis der Auferweckung folgende Geschichte
dient der realen Verwandlung der Menschen und der Schöpfung nach
dem Urbilde des auferstandenen Christus. Die Auferweckung von den
Toten bei der zweiten Ankunft Christi führt die Vollendung dessen
herbei, was in der Auferstehung Christi grundgelegt wurde.

Zweites Kapitel
Ein Geheimnis des Glaubens

Die Auferstehung von den Toten ist freilich für den Ungläubigen
kein geringerer Anstoß als der Tod des Gottessohnes. Über sie lachen
die freisinnigen Sadduzäer und die geistesstolzen Griechen (Mt 22,
23—32; Apg 17, 31f.). Dem natürlich denkenden Menschen, der bloß
mit den Möglichkeiten seiner Erfahrung und mit den Entdeckungen
428 Die Auferweckung Christi S 158

seines philosophischen Nachsinnens rechnet, ist es verständlich, daß


ein Mensch in der Erinnerung anderer, in der Nachwirkung seiner
Worte und Werke weiterlebt, vielleicht auch, daß sein Geist fort-
existiert. Daß jemand aber in wahrhaftiger Leiblichkeit fortlebt, bleibt
ihm unzugänglich und unverständlich. Zu dieser Wirklichkeit gewinnt
bloß der einen Zugang, der von Gott her zu denken beginnt. Wenn
und weil die Offenbarung bezeugt, daß Gott seinen Sohn Jesus Chri-
stus von den Toten erweckt hat, hört ein solcher Mensch auf, der
Botschaft von der Auferstehung das Nein der menschlichen Erfahrung
und des menschlichen Denkens entgegenzusetzen. Er wandelt sein
Denken von Gott her um.
Auch die Jünger Christi sind erst in einem langen Umwand-
lungsvorgang so geformt worden, daß sie Zeugen der Auferstehung
Christi sein konnten. Sie wurden von langem her auf dieses Ereignis
vorbereitet. Seinen Leidensvorhersagen fügte Christus jedesmal an,
daß er am dritten Tag von den Toten auferstehen werde. Aber sie
überhörten diese Botschaft beinahe vollständig. Es war nichts in
ihnen, das ihr entgegenkam. Sie konnten eine solche Verheißung nicht
in sich hineinnehmen, weil sie kein Organ dafür hatten. Sie lag
außerhalb ihrer Vorstellungen, Gedanken und Erwartungen. Deshalb
waren sie auch so zerschmettert, als unter dem Kreuze des Meisters
ihre Hoffnungen auf das einbrechende Gottesreich dahinsanken. Auch
als ihnen der Auferstandene erschien, waren sie noch voll Zweifel
und Bedenken (Jo 20, 27 ff.). Letztlich ist der Geheimnischarakter
nicht darin begründet, daß die Auferstehungsexistenz von unserer
Erfahrungsexistenz verschieden ist, sondern darin, daß sie die höchste
Entfaltung der Inkarnation, dieses zentralen Geheimnisses des christ-
lichen Glaubens, ist. In der Auferstehung wird offenbar, wie die Voll-
endungsgestalt des Mensch gewordenen Gottessohnes beschaffen ist.

Drittes’ Kapitel
Keine menschliche Erfindung

Für die Bewertung des neutestamentlichen Zeugnisses für die


Auferstehung ist die beschriebene Haltung der Jünger von großer Be-
deutung. Die Gestalt des Auferstandenen konnte nicht wie ein Wunsch-
traum (Vision) aus den geheimnisvollen Tiefen ihres Unterbewußt-
seins emporsteigen, so daß ihr Glaube die Schöpfung einer unbewußt
gegen die Verzweiflung ankämpfenden Macht ihres eigenen Selbst.
also Selbsttäuschung war und zur Täuschung anderer führte.
§ 158 Keine menschliche Erfindung 429

Seit D. F. Strauß wird von der „liberalen“ Theologie der Oster-


glaube als visionäres Erlebnis, sei es einzelner, sei es aller Jünger
erklärt. Diese Hypothese erkennt die Erscheinungen des Auferstan-
denen als geschichtliche Tatsachen an, sieht aber in ihnen subjek-
tive Visionen der Jünger. Die Geschichtlichkeit der Auferstehung
selbst leugnet sie. In der Behauptung, Christus sei am dritten Tage
auferstanden, sieht sie eine theologische Deutung der Erscheinungen.
welche die Jünger hatten. In Wahrheit sei Christus bloß in den ob-
jektivierten Wünschen und Erlebnissen der Jünger auferstanden.
Seine Auferstehung habe sich in der psychologischen, nicht in der
ontologischen Dimension vollzogen.
Diese Erklärung scheitert daran, daß sie die anfängliche Ver-
zweiflung der Jünger unbeachtet läßt (vgl. Lk 24, 19ff.) oder für
die Entwicklung von dem anfänglichen Unglauben der Jünger zu dem
Glauben, daß er doch nicht tot sei, einen längeren Zeitraum annehmen
und sich damit über das in der Überlieferung einhellig bezeugte „auf-
erstanden am dritten Tage“ hinwegsetzen muß. Ihr methodischer
Hauptmangel besteht darin, daß sie nicht die Berichte über die Auf-
erstehung Christi zum Ausgangspunkt ihrer Untersuchung macht und
die Überlieferung und den Zusammenhang der Texte prüft, sondern mit
einer aprioristischen, weltanschaulichen Voraussetzung beginnt und
an die Texte herangeht, mit der naturalistischen und rationalistischen
Voraussetzung nämlich, daß in der Geschichte keine Wunder vor-
kommen können und daher alle Berichte, die von solchen reden, als
Legenden zu betrachten seien. Von vorneherein von der philosophisch-
religiösen Überzeugung getragen, daß Christus nicht auferstanden sein
kann, bemüht sich die liberale Theologie zu erklären, wie es zum
Glauben der Jünger an die Auferstehung gekommen sein mag, wenn
Christus tatsächlich nicht auferstanden ist, jener Glaube also ein Irr-
tum war. Sie muß dabei die neutestamentlichen Texte vergewaltigen
und die Psychologie der Jünger verkennen (J. Schmid, Das Evan-
gelium nach Matthäus, Regensburg 1959, 388 f.).
Mit Recht sagt R. Guardini (Der Herr, Würzburg 1959", 549 £.):
„Nichts in der Heiligen Schrift deutet darauf hin, daß die Apostel
eine Auferstehung in irgendeinem Sinne erwartet haben; vielmehr
haben sie dem Gedanken widerstrebt und sind von der Tatsache be-
zwungen worden. Nun könnte man erwidern, das sei eben das Wesen
solcher Visionen und Innewerdungen, daß das bewußte Empfinden
sich gegen sie zu wehren scheint und überwältigt werden muß, ob-
wohl — nein gerade weil sie aus dem darunterliegenden unbewußten
430 Die Auferweckung Christi § 158

Innern kommen. Das mag sein; jedenfalls müssen sie aber in ihrer
Form dem allgemeinen Seelen- und Geistesleben des Erfahrenden ent-
sprechen. Die Gestalt eines Mensch gewordenen Gottes aber, der seine
Leiblichkeit in den himmlischen Zustand mitnähme, war der jüdi-
schen Denkweise so fremd als möglich. Niemals hätte »das Unbe-
wußte« galiläischer Fischer mit einem solchen Bilde ihre Depression
überwunden. Endlich und vor allem wäre zu sagen, daß ein solches
Ergebnis religiöser Erschütterung sich wohl durch einige Zeit hin-
durch hätte halten können; durch einige aufgeregte Jahre oder wäh-
rend eines Zustandes dumpfer Geistigkeit — niemals aber daraus
etwas von solcher Weltmächtigkeit wie das Christentum hervorge-
gangen wäre. Man muß ja doch blind sein, um derartiges zu behaup-
ten!“ (Siehe die eingehende Darlegung und Widerlegung der Visions-
hypothese und verwandter Einwände gegen die Auferstehung Christi
bei K. Adam, Jesus Christus, Düsseldorf 19498, 202 f.)
An dem Charakter der Jünger und ihrer Stimmung nach dem
Tode Christi scheitert auch der zuerst von H. S. Reimarus (1778)
unternommene Versuch, die Auferstehungspredigt der Jünger auf
einen bewußten Betrug zurückzuführen. Nach dieser Theorie hätten
die Jünger den Leichnam Jesu gestohlen und dann das leere Grab als
Beweis für die Auferstehung vorgeführt. Diese Erklärung der Auf-
erstehungspredigt übernimmt die Propaganda, welche die jüdischen
Gegner gegen die Auferstehungsverkündigung machten (Mt 28,12—15).
Ebenso steht zu der Schilderung der Evangelien in Widerspruch die
Annahme, nicht die Jünger, sondern irgend jemand anderer, z. B.
Joseph von Arimathia oder andere Mitglieder des Hohen Rates hätten
den Leichnam entfernt, und die Jünger irrigerweise hätten das leere
Grab als Zeichen seiner Auferstehung betrachtet. Sie wären darnach
die Opfer eines Irrtums geworden. So würde ihre Auferstehungspredigt
auf einer Selbsttäuschung beruhen. Dagegen spricht die Überlegung,
daß Joseph von Arimathia und erst recht der Hohe Rat zu der Predigt
der Apostel nicht geschwiegen hätten, vor allem aber die Tatsache,
daß die Jünger zum Glauben an den Auferstandenen nicht durch das
leere Grab, sondern durch die Erscheinungen geführt wurden (siehe
J. Schmid, Evangelium nach Matthäus, Regensburg 1959+, 388 f.).
Wenn die Apostel von der Auferstehung Zeugnis ablegen (Apg 2,
32), so geschieht es, weil sie von der gegen alle Erwartungen und
Hoffnungen über sie kommenden Wirklichkeit des auferstandenen
Herrn überwältigt, verwandelt, beherrscht wurden. Das Gebot des-
sen, was sie gesehen und gehört haben, liegt auf ihnen. Über ihrem
§ 158 Keine menschliche Erfindung 431

Zeugnis für den Auferstandenen waltet ein Müssen, von dem keine
Todesdrohung sie entbindet. Sie können nicht schweigen von dem,
was sie seit den Erscheinungen des auferstandenen Christus führt
und treibt (Apg 3, 16; 4, 19 £.; 1 Kor 9, 16).
Nach R. Bultmann sind die neutestamentlichen Auferstehungs-
texte nur Anrufe an den Menschen, daß er sich aus seiner Verfallen-
heit immer wieder zum eigentlichen Dasein erhebt und emporschwingt.
Dieses Anliegen werde in dem mythischen Bilde von der Auferstehung
Jesu Christi dargestellt. Was dagegen zu sagen ist, wurde früher dar-
gelegt (vgl. Së 139 u. 143). Die neutestamentlichen Zeugen hätten nach
der Meinung Bultmanns infolge ihrer Befangenheit im mythischen
Denken kein wirksameres Mittel gehabt, ihre Sorge um den Menschen
auszudrücken, als das Bild von der Auferweckung. Die These Bultmanns
widerspricht dem Wortlaut und dem Sinn des Neuen Testamentes.
Die neutestamentlichen Christuszeugen wissen wohl zwischen Mythos
und Geschichte zu unterscheiden. Ja, sie betonen den Gegensatz zwi-
schen diesen beiden Dimensionen mit größtem Nachdruck (vgl. 2 Tim
4, 3 ff.). Insbesondere legt Paulus auf die Geschichtlichkeit und Wirk-
lichkeit der Auferstehung Jesu Christi so entscheidendes Gewicht,
daß nach seiner Überzeugung der christliche Glaube und die christ-
liche Verkündigung jeden Sinn verliert, wenn Christus nicht auf-
erstanden ist (1 Kor 15, 1—19).
Nach dem Schweizer Theologen K. Buri ist Christus nur im Worte
der Verkündigung, nicht aber in der Wirklichkeit der Welt auferstan-
den. Seine These ist im Ergebnis mit derjenigen von R. Bultmann
verwandt, läßt sich jedoch von dieser nicht ableiten. K. Buri kommt
es auf die „rechte“ Interpretation des Menschen an. Diese wird in der
Verkündigung dargeboten. Ob die neutestamentlichen Berichte wirk-
liche Ereignisse schildern wollen oder nicht, ist nebensächlich. Wich-
tig ist nur, daß sie Aussagen über den Menschen machen. Unter diesem
Aspekt sind sie nach Buri zu interpretieren.
Die Wirklichkeit der Auferweckung Jesu Christi als eines ob-
jektiven Ereignisses bedeutet nicht, daß sie ein geschichtliches Er-
eignis im Sinne anderer geschichtlicher Ereignisse ist. In der Auf-
erweckung hat ja Christus Raum und Zeit durchbrochen. Sie ist indes
gewissermaßen ein Ereignis am Rande der Geschichte, insofern sie
mit innergeschichtlichen Gegebenheiten in engem Zusammenhang
steht. Ihr Wirklichkeitscharakter wird nur dann recht verstanden,
wenn man sie als tiefes Mysterium anerkennt. Jesus ist wirklich, aber
nicht welthaft-körperlich auferstanden. Nach den Evangelien wurde
432 Die Auferweckung Christi § 158

der Auferstandene nicht immer sogleich erkannt. Er muß in seiner


verklärten Leiblichkeit sichtbar gemacht werden. Es heißt denn auch,
daß er erschienen ist (1 Kor 15, 3—8). Darum sehen ihn nur Berufene.
Andere sehen ihn nicht, auch wenn sie räumlich anwesend sind.

Viertes Kapitel
Zeugnis des Neuen Testaments

Das NT bezeugt die den Jüngern so wichtige Tatsache der Auf-


erweckung Christi in vielfältiger Weise. Sie ist der Kernpunkt des
neutestamentlichen Christuszeugnisses. Das neutestamentliche Auf-
erstehungszeugnis umfaßt zwei Stufen. Zunächst legt das NT ent-
sprechend seinem vorwiegend kerygmatischen Charakter Zeugnis ab
vom Glauben an die Auferstehung Christi als an die zentrale Heilstat
Gottes zwischen Schöpfung und Wiederkunft Christi. Sodann bezeugen
die Texte das Ostererlebnis der Apostel als die Grundlage des Oster-
glaubens. Beide Zeugnisformen sind trotz ihrer Gleichheit im Kerne
von größter Mannigfaltigkeit. Zunächst sei ein Überblick über die
Zeugnisse vom Östererlebnis der Apostel, d. h. von den Erscheinungen
Jesu Christi, geboten.

A. Das Ostererlebnis der Jünger

I. Die Auferweckung Christi kein Mythus

Die Auferstehung des gekreuzigten Herrn ist die Grundwirk-


lichkeit, an welcher sich der Glaube der Gemeinde entzündet. Wäre
sie Trug und Schein, dann wäre nach Paulus die Verkündigung der
Apostel und der Glaube der Gemeinde Täuschung und Irrtum. Dann
regierten die alten Mächte der Finsternis, des Todes, der Sünde noch
in ungebrochener Gewalt weiter. So ist es verständlich, wenn die
Jünger, vorab Paulus, mit dem Einsatz ihrer Existenz für die Auf-
erstehung des Herrn Zeugnis ablegen.
Die Auferweckung Christi gehört,
wie wir sahen, zu jenen geschicht-
lichen Tatsachen, welche zu bezeugen die Apostel sich für berechtigt
und für verpflichtet halten. Sie sind von Christus selbst hierzu beauf-
tragt worden. Er sagt nach dem Bericht des Evangelisten Lukas (Lk
24,24—28) bei einer Erscheinung: „Das sind die Worte, die ich zu euch
geredet habe, da ich noch bei euch war: daß alles erfüllt werden
müsse, was im Gesetze Mosis, in den Propheten und Psalmen von
S 158 Zeugnis des Neuen Testaments 433

mir geschrieben steht. Dann schloß er ihnen den Sinn auf, daß sie
die Schrift verständen. Und er sprach zu ihnen: Also steht es ge-
schrieben, und also mußte Christus leiden und am dritten Tag von
den Toten auferstehen, daß in seinem Namen Buße und Vergebung
der Sünden gepredigt werde unter allen Völkern, von Jerusalem an-
gefangen. Ihr aber seid Zeugen davon,“ Das Ziel der apostolischen
Predigt vor Juden und Heiden ist der Glaube an die Auferstehung
Jesu (1 Thess 1, 9£.; Apg 17, 31; 13, 46; 4, 26). Was die Apostel ver-
kündigen und bezeugen, sind weder Mythen noch menschliche Speku-
lationen, sondern Tatsachen. Diese werden von ihnen als Heilstat-
sachen geglaubt und gepredigt. Die Apostel können sie als Heilstat-
sachen verkündigen, weil ihnen der Auferstandene selbst den Heils-
sinn der geschichtlichen Fakta erklärt hat. So erheben denn die
Apostel immer wieder den Anspruch, Zeugen sowohl der Fakten als
auch ihrer Heilsbedeutung zu sein (Apg 1, 8. 22; 2, 32; 3, 15; 4, 33;
5,:22507,544:510,,41.,43;5,.13,122.,315,14,,35,15,:9:85j163:25222,.45..20;
23, 11; 26, 5. 19). Die Auferstehung wird als ein Ereignis angesehen,
das in die Zeit fällt, da der Herr bei ihnen ein- und ausging, so gut
wie die Taufe im Jordan, so gut wie sein Leiden und Sterben und
sein Begrabenwerden, das heißt als ein geschichtliches Faktum (Apg
1:2):
J. R. Geiselmann sagt mit Recht (Jesus der Christus, Stuttgart 1951, 26 £.):
„Apostolisches Kerygma, das Künden von Jesus als dem Gesalbten des Herrn, wird
also in seinem Wesen dadurch bestimmt, daß in ihm Geschichtliches und Überge-
schichtliches, Zeitliches und Ewiges, Ereignis und Voraussage, Prophetie und Erfül-
lung zu einem Ganzen verschmelzen. Es ist gar nicht möglich, von Jesus als dem
Christus ohne die Prophetie des Alten Testaments zu reden. »Das Evangelium be-
deutet nicht Bruch mit dem AT, sondern es ist Erfüllung der Verheißung (Röm 1,
1ff.; 1 Kor 1, 1ff.; Röm 16, 25ff.). Das AT gehört in das Evangelium hinein, denn es
zeugt von Christus. Darum dient auch das AT dazu, das Evangelium unter den
Heiden zu verbreiten und sie zum Glauben zu führen (Röm 16, 25 und 26).« Aber
ebensowenig ist es möglich, vom Messias des Alten Testamentes ohne das geschicht-
liche Faktum Jesu zu künden. Jesus verkündet, losgelöst vom AT, herausgelöst aus
der Heilsgeschichte, deren krönenden Abschluß er darstellt, führt entweder zum
bloß ‚historischen‘ Jesus, zu einem Leben Jesu oder zu dem aus der Heilsgeschichte
herausgelösten metaphysischen Gott oder zu Jesus als einem Höhepunkt des reli-
giösen Erlebens der Menschheit. Das Künden der Messiasidee des AT aber losgelöst
vom historischen Faktum Jesus kommt über die bloße Idee nicht hinaus. Dort wird
das Künden zum bloßen Bericht von dem, was einstens gewesen und was ehedem
geschichtliches Ereignis ward; hier wird die Verkündigung zur bloßen Erwartung,
zur reinen Hoffnung, aber nicht zum Glauben. Denn der Glaube im christlichen Sinn
bezieht sich immer auf ein geschichtlich-übergeschichtliches Faktum, auf ein Heils-
Geschehen, Kerygma, Verkündigung, Aufruf zum Glauben an Jesus Christus aber

28 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


434 Die Auferweckung Christi $ 158

wird erst dadurch, daß das geschichtliche Faktum Jesus und die Prophetie vom
Messias in ihr ein unlösbares Ganzes bilden. Wir können Jesus als den Christus
überhaupt nicht künden ohne die Prophetie des AT... Die apostolische Verkündi-
gung ist Heilspredigt, Künden von dem in Jesus als dem Christus uns gewordenen
Heile. Daher bleibt sie bei dem bloßen Faktum: Jesus ist der von den Propheten
verheißene Christus, nicht stehen. Ihr geht es nicht um die bloße Feststellung dieser
geschichtlichen Tatsache, sondern um ihre Bedeutung für uns, um das uns in Jesus
dem Christus verbreitete Heil. Daher ziehen die Verkünder von Jesus dem Christus
die Folgerung aus dieser Tatsache, indem sie zur Buße und Umkehr und zum
Glauben an Jesus als den Christus auffordern (Apg 2, 38f.; 3, 17 ff.; 4, 2; 13, 38 ff.).
So zeigt die apostolische Verkündigung von Jesus als dem Christus folgenden
schematischen Aufbau: Das Kerygma, Jesus ist der Christus, den Nachweis aus der
Prophetie des AT (Schriftbeweis) und die Mahnung zur Umkehr und zum Glauben
an Jesus als den Christus.“

` II. Die Pauluspredigt

Das älteste literarische Zeugnis ist dasjenige des Apostels Paulus.


Es stammt etwa aus dem Jahre 56. Paulus hörte, daß der Glaube an
die Auferstehung in dem aufgeklärten Korinth, wo man, in griechi-
scher Denkweise befangen, von dem Leib nicht viel hielt, nicht un-
widersprochen bleibe. Da schrieb er an die Korinther folgendes:
„Brüder, ich mache euch mit der frohen Botschaft bekannt, die ich
euch verkündet habe. Ihr habt sie angenommen und steht in ihr
fest. Ihr habt auch das Heil, wenn ihr so daran festhaltet, wie ich es
euch verkündet habe. Sonst hättet ihr den Glauben vergeblich ange-
nommen. Vor allem habe ich euch überliefert, was ich selbst emp-
fangen habe, daß Christus starb für unsere Sünden nach den Schrif-
ten, daß er begraben wurde und daß er auferweckt wurde am dritten
Tage nach den Schriften und daß er dem Petrus erschien, darauf den
Zwölfen. Hernach erschien er über fünfhundert Brüdern auf einmal,
von denen die meisten noch am Leben sind. Einige davon sind
entschlafen. Sodann erschien er Jakobus und darauf sämtlichen
Aposteln. Zu allerletzt erschien er auch mir, der ich noch gar nicht
reif war. Bin ich doch der geringste unter den Aposteln, nicht wert,
Apostel zu heißen. Denn ich habe die Kirche Gottes verfolgt. Aber
durch die Gnade Gottes bin ich, was ich nun bin. Seine Gnade ist in
mir nicht unwirksam gewesen. Ja, ich habe mehr gearbeitet als alle
andern, freilich nicht ich, sondern die Gnade Gottes mit mir. Bin ich
es oder sie? So lautet unsere Predigt und so seid ihr zum Glauben
gekommen. Wenn aber gepredigt wird, daß Christus von den Toten
auferstanden ist, wie können dann einige von euch behaupten, es gebe
§ 158 Zeugnis des Neuen Testaments 435

keine Auferstehung der Toten? Gibt es keine Auferstehung der Toten,


so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auf-
erstanden, dann ist unsere Predigt hinfällig und hinfällig auch euer
Glaube. Dann stehen wir als falsche Zeugen Gottes da. Wir haben
gegen Gott gesprochen, er hätte Christus auferweckt, den er doch
nicht auferweckt hat, wenn die Toten überhaupt nicht auferstehen.
Wenn die Toten nicht auferstehen, ist auch Christus nicht auferstan-
den. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig,
dann seid ihr noch in euren Sünden, und auch die in Christus Ent-
schlafenen sind verloren. Wenn wir nur in diesem Leben unsere
Hoffnung auf Christus setzen, dann sind wir die beklagenswertesten
unter allen Menschen. Nun aber ist Christus von den Toten aufer-
standen, der Erstling der Entschlafenen. Durch einen Menschen ist
der Tod gekommen. Durch einen Menschen kommt die Auferstehung
der Toten“ (1 Kor 15, 1—21).
Für die Deutung dieses Textes ist seine Zielsetzung entscheidend.
Paulus will in ihm den Glauben an die Auferstehung nicht mehr
wecken, sondern vertiefen und gegen Einreden verteidigen. Zu diesem
Zwecke beruft er sich auf seine eigene Erfahrung, nämlich auf die
Erscheinung, die er selbst vor Damaskus gehabt hat, auf die Er-
fahrungen anderer, auf die Überlieferung, nach welcher Christus am
dritten Tag auferweckt wurde, dem Petrus und dann den Zwölfen
erschienen ist.
Von größter Wichtigkeit ist die Frage, was Paulus in diesem
Texte zur Überlieferung rechnet, die er überkommen hat, und was
er seiner eigenen Erfahrung zuschreibt. Sie läßt sich wohl nur
entscheiden, wenn wir die Missionspredigt zu Rate ziehen, welche
der Apostel nach Apg 13 in Antiochien in Pisidien gehalten hat. Die
in Frage kommende Stelle lautet (13, 26—38): „Liebe Brüder, Söhne
von Abrahams Geschlecht, und die Gottesfürchtigen, die unter euch
sind, an uns ist die Botschaft von diesem Heil ergangen. Denn die
Bewohner von Jerusalem und ihre Führer haben diesen nicht er-
kannt und die Worte der Propheten, die jeden Sabbat verlesen werden,
durch ihren Urteilsspruch zur Erfüllung gebracht. Obwohl sie keine
todeswürdige Schuld an ihm fanden, haben sie von Pilatus verlangt,
daß er hingerichtet werde. Nachdem sie alles, was über ihn geschrie-
ben steht, ausgeführt hatten, haben sie ihn vom Kreuzesholz herab-
genommen und ins Grab gelegt. Gott aber hat ihn von den Toten auf-
erweckt, und er ist eine Reihe von Tagen hindurch denen erschienen,
die mit ihm von Galiläa nach Jerusalem hinaufgezogen waren. Diese

28*
436 Die Auferweckung Christi S 158

sind jetzt seine Zeugen gegenüber dem Volke. Und wir verkündigen
euch nun die frohe Botschaft, daß Gott die an die Väter ergangene
Verheißung für uns, ihre Kinder, hat in Erfüllung gehen lassen, in-
dem er Jesus von den Toten auferweckte, wie ja auch im zweiten
Psalm geschrieben steht: »Mein Sohn bist du, ich habe dich heute
gezeugt« (V. 7). Daß er ihn aber von den Toten auferweckt hat, damit
er nun niemals mehr der Vernichtung anheimfalle, hat er so ausge-
sprochen: »Ich werde euch die heiligen, zuverlässigen Güter Davids
geben« (Is 55, 3). Deshalb sagt er auch an einer anderen Stelle: »Du
wirst deinen Heiligen nicht die Verwesung schauen lassen« (Ps 16, 10).
David ist doch, nachdem er zu seiner Zeit dem Willen Gottes gedient
hat, entschlafen und zu seinen Vätern versammelt worden und hat
die Verwesung geschaut. Aber derjenige, den Gott auferweckt hat,
hat die Verwesung nicht schauen dürfen. Es sei euch nun kundgetan,
liebe Brüder, daß durch diesen euch Vergebung der Sünden ver-
kündigt wird, und von allem, wovon ihr durch das Gesetz des Moses
nicht gerechtfertigt werden konntet, wird durch diesen jeder, der
glaubt, gerechtfertigt.“
J. R. Geiselmann stellt als Inhalt dieses Schrifttextes fest: Das
Leiden Jesu als Erfüllung der alttestamentlichen Prophetie, das Be-
gräbnis Jesu als bloßes geschichtliches Faktum ohne Bezug auf eine
alttestamentliche Weissagung, die Auferstehung als Erfüllung pro-
phetischer Verheißung, die Erscheinung des Auferstandenen vor den
Zwölfen, wieder ohne Bezug auf die Heilige Schrift (J. R. Geisel-
mann, Jesus der Christus. Die Urform des apostolischen Kerygmas
als Norm unserer Verkündigung und Theologie von Jesus Christus,
Stuttgart 1951, 28).
Man hat gegenüber der Apg 13 überlieferten Missionspredigt des
Apostels Paulus den Einwand erhoben, sie könne nicht von Paulus
gehalten worden sein, weil er hier von der ihm selbst zuteil ge-
wordenen Erscheinung des Auferstandenen, also von der ihm am
nächsten liegenden Erfahrung, nicht spricht. Indes, Paulus hat gute
Gründe, wenn er diese nicht erwähnt. Denn er will offensichtlich in
der Missionspredigt in Antiochien zeigen, daß die Auferweckung Christi
die Erfüllung alttestamentlicher Verheißungen ist. Er verkündet nicht
wie im ersten Korintherbrief einfachhin Christus als den Erstling der
Entschlafenen und als den Typus unserer eigenen Auferstehung, son-
dern rückt das Ereignis der Auferstehung in die Heilsgeschichte ein.
Sie gehört dieser an als ihre Vollendung. Hier kommt es nicht nur
darauf an, daß Christus auferstanden ist und als der Verklärte lebt,
S 158 Zeugnis des Neuen Testaments 437

sondern daß die Auferstehung zeitlich fixiert wird. Die zeitliche Fixie-
rung erfolgt dadurch, daß von Christus bezeugt wird, daß er zwar
in das Grab gelegt wurde, aber von Gott auferweckt worden ist und
eine Reihe von Tagen hindurch denen erschienen ist, die mit ihm von
Galiläa nach Jerusalem hinaufgezogen sind. Diese können die Auf-
erstehung bezeugen, weil sie am dritten Tage und in der darauf-
folgenden Zeit den Auferstandenen gesehen haben. Paulus kann ein
solches Zeugnis von der zeitlichen Fixierung der Auferstehung, also
von ihrer Stellung in der von Gott mit dem Menschen vollzogenen
Geschichte, in der Heilsgeschichte, nicht abgeben, weil er in den
Tagen, da der Auferstandene den Zwölfen erschienen ist, einer solchen
Erscheinung nicht teilhaftig geworden ist. Er kann aber die Aufer-
stehung Christi in ihrer zeitlichen Ordnung und in ihrer geschicht-
lichen Einreihung auf Grund des ihm überlieferten Zeugnisses der
Zwölfe verkündigen und als Erfüllung der alttestamentlichen Ver-
heißung charakterisieren. Bezeugen kann er sie in dieser Hinsicht
nicht, weil er die Eigenschaften eines Zeugen für die geschichtliche
Einordnung der Auferstehung nicht hat. Zeuge ist ja, wer als Augen-
und Ohrenzeuge das von ihm Berichtete selbst erlebt hat (Apg 1, 21f.;
Lk 1, 2), wer auf Grund dieser Erfahrung das Erlebte im Worte ver-
kündet (Apg 1, 18. 21; 2, 24. 32; 3, 15; 5, 32; 10, 40£.; 13, 31) und
wer von Gott hiermit beauftragt ist (Apg 1, 2. 4ff.; 10, 40; Lk 24,
48f.). Deshalb beschränkt sich der Apostel darauf, die von den Zwölfen
bezeugte Auferweckung als geschichtliche Verwirklichung der alt-
testamentlichen Weissagung aufzuweisen.
Man kann zeigen, daß im 1. Korintherbrief jene Teile aus der
Überlieferung stammen, welche mit der Missionspredigt in Antiochien
im Kern und in der Sache übereinstimmen. Das sind die Verse 3ff.
Sie beginnen mit dem Satz: „Vor allem habe ich euch überliefert“
und endigen mit dem Worte: „darauf den Zwölfen“. Die drei Verse
geben wieder, was der Apostel aus der Überlieferung empfangen hat.
Dies ergibt sich aus ihrer Übereinstimmung mit der Rede in Pisidien,
wie umgekehrt die Übereinstimmung zeigt, daß diese Rede in ihrem
Kern historisch glaubwürdig ist. Daß die Verse 3ff. von Paulus der
Überlieferung entnommen wurden, läßt sich auch daraus erkennen,
daß die Verse stilistisch und grammatikalisch von dem übrigen Texte in
1 Kor 15 abweichen. J. R. Geiselmann hat nachgewiesen, daß die Rede
in Antiochien ein gewisses Schema aufweist, nämlich den aramäischen
antithetischen Parallelismus membrorum. Das erste Glied enthält das
Leiden und den Tod nach der Schrift, sowie die Grablegung Jesu
438 Die Auferweckung Christi § 158

ohne Bezug auf die Schrift. Das zweite Glied enthält die Auferwek-
kung Jesu nach der Schrift, sowie die Erscheinungen des Auferstan-
denen ohne Bezug auf die Schrift. Dieses gleiche Schema treffen wir
1 Kor 15, 3ff. Wir haben hier, wo es sich nicht um Eigengut des
Apostels handelt, offensichtlich eine schon längst vorhandene Glau-
bensformulierung vor uns, ein längst formuliertes Traditionsstück,
und zwar wahrscheinlich ein solches aus der Jerusalemer Gemeinde,
ein festgefügtes, urapostolisches Kerygma, vielleicht eine alte Be-
kenntnisformel. Paulus verwendet sie 1 Kor 15, 3ff. nicht, um die
zeitliche Fixierung der Auferstehung vorzunehmen, sondern um Chri-
stus als Erstling der Entschlafenen und als Typus der Auferstehung
zu predigen. Deshalb kann er im Unterschied zu seiner Missions-
predigt in Antiochien dem Traditionsstück seine eigene Erfahrung
hinzufügen. Diese letztere kann natürlich nicht die geschichtliche
Einordnung seiner Auferstehung, wohl aber das Fortleben Christi
und seine Auferstehung einfachhin bezeugen, während umgekehrt die
alte Bekenntnisformel gerade die zeitliche Festlegung der Auferstehung
bezeugt.
Man darf, wie sich aus der hier mitgeteilten Sachlage ergibt,
1 Kor 15 und Apg 13 nicht gleichstellen. Die Einordnung der Missions-
predigt in Antiochien in den Text des 1. Korintherbriefes brächte die
geschichtliche Fixierung der Auferstehung in Gefahr, wie derartige
Versuche auf protestantischer Seite zeigen.
Man kann gegen die Unterscheidung zwischen dem Zeugencharak-
ter des Apostels Paulus und der Zwölf nicht einwenden, daß Paulus
nicht bloß Träger der Tradition sei, sondern daß er wie die Zwölfe
in den Offenbarungsvorgang selbst hineingehöre, weil er von Gott
bzw. von Christus unmittelbar zum Apostolat berufen worden sei.
So richtig dies ist, so ist Paulus doch Christus gegenüber in einer
anderen Situation als die Zwölf, die die Ereignisse von der Taufe
im Jordan bis zur Himmelfahrt miterlebt haben. Von diesen Ereig-
nissen als geschichtlichen Faktoren weiß Paulus, wie er selbst mehr-
fach hervorhebt, auf Grund dessen, was ihm überliefert wurde. Ihre
heilsgeschichtliche Deutung verdankt er einer unmittelbaren Beleh-
rung durch Christus. (Siehe für diese Darstellung das vorhin er-
wähnte Werk von J. R. Geiselmann, Jesus der Christus, Stuttgart
1951. Vgl. auch H. v. Campenhausen, Der urchristliche Apostelbegriff,
in: Stud. theol. 1 (1948); G. Söhngen, Überlieferung und apostolische
Verkündigung. Eine fundamentaltheologische Studie zum Begriff des
Apostolischen, in: Die Einheit der Theologie, München 1952, 305—323.)
§ 158 Zeugnis des Neuen Testaments 439

Für den Wert des Pauluszeugnisses ist es gleichgültig, ob Paulus


seine Kenntnis bei seinem ersten Besuch in der Muttergemeinde in
Jerusalem (vgl. Gal 1, 18 f.) oder, was wahrscheinlicher ist, schon bei
seiner Taufe durch Ananias in Damaskus (vgl. Apg 9, 17 ff.; 22, 12—
16) empfangen hat. Die „Überlieferung“, die Paulus im ersten Korin-
therbrief wortgetreu wiedergibt, ist das wichtigste Zeugnis. Es geht
in die Anfangsjahre der palästinensischen Erstlingsgemeinden zurück.
Es zeigt auch, daß in dieser Frage zwischen judenchristlichen und
heidenchristlichen Gemeinden volle Übereinstimmung besteht.
Außer den katechetischen Zeugnistexten des Apostels Paulus im
ersten Korintherbrief und in der Rede der Apostelgeschichte (wozu
noch Röm 1, 3f. gerechnet werden muß) finden wir im paulinischen
Schrifttum Zeugnistexte mit kultischem Charakter (Phil 2, 6—11;
Eph 5, 14; 1 Tim 3, 16).

II. Die Petruspredigt


Mit der Pauluspredigt stimmt die Petruspredigt überein, sowohl
in ihrem Inhalt als auch in ihrem Aufbau. In der Pfingstpredigt sagt
der Apostel (Apg 2, 22—36): „Ihr israelitischen Männer, hört diese
Worte: Jesus, den Nazaräer, einen Mann von Gott euch gegenüber
ausgewiesen durch Machttaten, Wunder und Zeichen, die Gott durch
ihn in eurer Mitte vollbracht hat, wie ihr selber wißt, diesen (Mann)
habt ihr, nachdem er (euch) nach dem festgesetzten Plan und Vor-
auswissen Gottes ausgeliefert war, durch die Hand von Gottlosen ans
Kreuz schlagen und umbringen lassen; ihn hat Gott aber auferweckt,
indem er die Wehen des Todes löste; er konnte ja unmöglich von
ihm in seiner Gewalt festgehalten werden. Sagt doch David über ihn:
»Ich hatte den Herrn allezeit vor Augen; denn er ist mir zur Rechten,
damit ich nicht wanke; deshalb frohlockt mein Herz und jubelt meine
Zunge; und auch mein Fleisch wird auf Hoffnung ruhen, denn du
wirst meine Seele nicht in der Unterwelt lassen und deinen Heiligen
nicht die Verwesung zu schauen geben. Du hast mir die Wege zum
Leben gezeigt, du wirst mich mit Wonne erfüllen vor deinem An-
gesicht« (Ps 16, 8—11). Ihr Brüder, es ist mir doch wohl gestattet,
freimütig zu euch vom Erzvater David zu reden: er ist gestorben und
begraben worden, und sein Grab befindet sich bei uns bis zum heu-
tigen Tage. Weil er nun ein Prophet war und wußte, daß Gott ihm
unter Eid versprochen hatte, er werde einen aus der Frucht seiner
Lenden auf seinen Thron setzen, so hat er in die Zukunft geschaut
und von der Auferstehung des Messias geredet, daß (dieser nämlich)
440 Die Auferweckung Christi S 158

nicht in der Unterwelt gelassen werde noch sein Fleisch die Verwesung
schauen müsse. —
Diesen Jesus hat Gott auferweckt; dessen sind wir alle Zeugen.
Er ist (dann) durch die Rechte Gottes erhöht worden und hat vom
Vater den verheißenen Heiligen Geist empfangen und nun das aus-
gegossen, was ihr da hört und seht. Denn nicht David ist in den
Himmel hinaufgestiegen; sagt er doch selber: »Es sprach der Herr zu
meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde
als Schemel unter deine Füße lege« (Ps 110, 1). Mit aller Sicherheit
erkenne also das ganze Haus Israel, daß Gott ihn zum Herrn und
Messias gemacht hat, eben diesen Jesus, den ihr ans Kreuz geschlagen
habt“ (vgl. Apg 3, 12—16; 4, 8—12; 5, 29—32; 8, 30—35; 10, 34—43).
In der Predigt, die Petrus anläßlich der Bekehrung des Kornelius
in Cäsarea hielt, treffen wir das gleiche Schema (Apg 10, 34—43).
„Petrus aber öffnete seinen Mund und sprach: Mit Sicherheit erkenne
ich jetzt, daß Gott nicht auf das Äußere des Menschen sieht, / sondern
daß ihm in jedem Volke genehm ist, wer ihn fürchtet und Gerechtig-
keit übt. Die Botschaft, die er den Söhnen Israels gesandt hat, indem
er ihnen Frieden verkünden ließ durch Jesus Christus — dieser ist
der Herr aller —, (kennt ihr). Ihr wißt um die Geschichte, die sich
durch das ganze Judenland hin zugetragen hat, angefangen von Gali-
läa nach der Taufe, die Johannes verkündigt hat, / (nämlich) um
Jesus von Nazareth, wie Gott ihn mit Heiligem Geiste und Kraft ge-
salbt hat, wie er umherzog, Wohltaten spendend und alle heilend, die
vom Teufel geknechtet waren; denn Gott war mit ihm. Und wir sind
Zeugen von allem, was er im Lande der Juden und in Jerusalem
getan hat. Ihn haben sie ans Holz gehängt und getötet. Diesen hat
Gott am dritten Tage auferweckt und sichtbar erscheinen lassen, /
nicht dem ganzen Volke, sondern den von Gott vorher erwählten
Zeugen, uns, die wir nach seiner Auferstehung von den Toten mit
ihm gegessen und getrunken haben. Und er hat uns den Auftrag ge-
geben, dem Volke zu predigen und zu bezeugen, daß er der von Gott
bestimmte Richter der Lebendigen und der Toten ist. Von ihm be-
zeugen alle Propheten, daß jeder, der an ihn glaubt, durch seinen
Namen Nachlassung der Sünden empfängt.“
Die Petruspredigt weicht von der Pauluspredigt nur darin ab,
daß Petrus die Grablegung nicht erwähnt. Paulus hingegen verkündet
die Grablegung nicht nur als Heilsereignis, sondern auch als wirk-
sames Sinnbild der Taufe, in der der Mensch am Begrabenwerden
Christi Anteil nimmt.
S 158 Zeugnis des Neuen Testaments 441

IV. Die Evangelien

Ebenso wird die Auferstehung einstimmig von den vier Evan-


gelisten bezeugt (Mt 28, 1—20; Mk 16; Lk 24; Jo 20, 1—23). Diese
setzen sich dabei auch gegen die Leugnung der Auferstehung durch
die jüdische Behörde zur Wehr, welche in einem amtlichen Bericht
das „Gerede“ verbreitete, der Leichnam Christi sei gestohlen worden
(Mt 28, 11—15). Im Talmud wird es „verbreitet bis auf den heutigen
Tag“ (Mt 28, 15).
Der Auferstandene hat sich nur den von Gott „vorherbestimm-
ten Zeugen“ gezeigt (Apg 10, 41), denen, welche den Auftrag hatten,
die Heilsbotschaft von der Auferstehung zu verkündigen. In den wei-
ten Raum der Öffentlichkeit wurde der Auferstandene erst hinein-
geführt durch den Heiligen Geist. Beachtlich ist, daß nach dem Zeug-
nis des ersten Korintherbriefes der Auferstandene zuerst dem Petrus
erschienen ist. Inhalt des apostolischen Auferstehungszeugnisses ist
sowohl das Faktum der Auferstehung als auch alles, was die Apostel
im Umgang mit dem Auferstandenen gesehen und gehört haben. Er
ließ sich betasten und zeigte seine Wundmale (Lk 24, 13—49). Er aß
und trank und pflegte Tischgemeinschaft mit ihnen (Jo 20, 19—21. 23).
Wie er sich und sein Tun den Aposteln als den vorherbestimmten
Zeugen zeigen konnte, so konnte er sie auch sein Wort hören lassen.
Wenngleich die Kirchenbildung mit der Auferstehung in engem Zu-
sammenhang steht, so wäre es doch irrig, die von der Heiligen Schrift
dem Auferstandenen in den Mund gelegten Reden einfachhin als „Ge-
meindetheologie“ zu erklären. Sie sind in ihrem Kerne und Inhalt
Selbstoffenbarungen des Auferstandenen in dem Modus des Wortes
(Lk 24, 13—35. 43—49; Apg 1, 3—8; Mt 28, 18 ff.; Mk 16, 14—20; Jo
21, 15—23; vgl. A. Wikenhauser, in: Festschrift für M. Meinertz,
Münster 1951, 105—113).

V. Auferweckung und Auferstehung

In der Schrift heißt es meist, daß Christus von den Toten auf-
erweckt wurde (Lk 24, 34; Mk 16, 6; Mt 28, 6; Apg 2, 32; 3, 13. 15;
4, 10; 5, 30; 10, 40; 13, 30. 37; 17, 31; 1 Kor 15, 13. 15), einige Male
jedoch, daß er auferstanden sei (Lk 24, 46; Mk 16, 9; vgl. Apg 2, 31;
44933226.23232R0m 71,743 61755: Phin 310381" Petr 1,35 3921). Dies
schließt keinen Widerspruch in sich. Christus wurde vom Vater auf-
erweckt, insofern er Mensch war. Er ist in eigener Macht auferstanden,
insofern er Gott war. Wenn die Stellen, in denen bezeugt wird, daß
442 Die Auferweckung Christi § 158

Christus vom Vater auferweckt wurde, überwiegen, so stimmt dies


mit der Grundform des neutestamentlichen Christuszeugnisses über-
ein, durch welches zwar das Gottsein Christi eindeutig gesichert wird,
in welchem jedoch der Ton darauf liegt, daß Gott der Vater dieses
Leben bestimmt. Der Vater hat durch das Wunder der Auferweckung
Christi den Gekreuzigten als seinen Messias und Sohn erwiesen (Apg
3, 15; 4, 10; 5, 30; 10, 40; 13, 30. 37).
Eine tiefere Durchdringung dieses Problems läßt sich auf folgende
Weise vornehmen. Man darf die Aussagen der Heiligen Schrift nicht
nur nach ihrer material-inhaltlichen Seite, man muß sie vielmehr
nach ihrem Ordnungszusammenhang, d.h. in ihrer Struktur sehen.
Unter diesem Aspekt ist es sinnvoll, wenn die Aussage der Schrift,
daß der Vater Christus wieder erweckt hat, an erster Stelle ins Auge
gefaßt wird. Denn diese Sicht entspricht der gesamten Struktur, welche
die Schrift von der Erlösung bietet. Der Vater ist es nämlich, welcher
seinen Sohn in die Welt gesandt hat, er ist es, der ihn in den Tod
hineingab. Mit Recht wird daher von ihm auch gesagt, daß er es ist,
der ihn von den Toten wieder zum Leben erweckt hat. Der Vater
handelt so um des Heiles der Menschen willen. Er ist es, der die
Menschen so sehr geliebt hat, daß er nicht einmal seinen eigenen
Sohn schonte, sondern ihn für uns alle dahingab. Er ist es, der durch
den Tod seines Sohnes die Menschen wieder mit sich versöhnte. Er
ist es auch, welcher den Menschen durch die Auferweckung seines
Sohnes den Weg zu einem neuen, zum vollendeten leibhaftigen Leben
eröffnete.
Angesichts solcher Schriftzeugnisse erhebt sich die Frage, ob die
Schrift dem Vater die Auferweckung Jesu Christi appropriieren will
oder ob sie in diesem Tun ein proprium des Vaters sieht. Auf jeden
Fall muß das Heilstun des Vaters so erklärt werden, daß der Glaubens-
satz von der Einheit und Untrennbarkeit alles außergöttlichen Wirkens
nicht verletzt wird (s. Bd. I $ 49). Wie wir früher gesehen haben, hat
dieses Prinzip unbedingte Geltung in der Dimension der kausalen
Wirksamkeit, nicht aber im Bereiche der Formalursächlichkeit. Weil
es in diesem Bereiche nicht gilt, kann man von dem Menschen Jesus,
für dessen menschliche Natur der göttliche Logos der Formalgrund der
Subsistenz ist (siehe $ 146), sagen, daß er auch als Mensch der wahre
Sohn Gottes, d.h. des himmlischen Vaters, der ersten göttlichen Per-
son ist. Würde man das Prinzip von der Untrennbarkeit des göttlichen
Wirkens im außergöttlichen Bereich hier anwenden, dann müßte man
den Menschen Jesus als den Sohn der drei göttlichen Personen be-
S 158 Zeugnis des Neuen Testaments 443

zeichnen und in der Ausdrucksweise, daß er der Sohn des himmlischen


Vaters sei, eine Appropriation sehen. Eine solche These ist mit dem
Zeugnis der Schrift kaum in Einklang zu bringen.
Jene Texte, in denen nicht von der Auferweckung, sondern von
der Auferstehung Jesu Christi die Rede ist, welche also seine eigene
Aktivität betonen, müssen im Zusammenhang mit der Inkarnation,
d.h. mit der Tatsache, daß der Logos der Subsistenzgrund für die
menschliche Natur Jesu Christi ist, interpretiert werden. Wie wir
früher sahen, schließt diese Lebensform Jesu Christi die visio des
Logos von seiten des Menschen Jesus in sich, ohne daß die mensch-
liche Natur ihre Leidensfähigkeit verliert. In der Auferstehung und
in der leiblichen Verklärung setzt sich der Logos als der Subsistenz-
grund der menschlichen Natur Jesu völlig durch. Er durchdringt und
durchherrscht die menschliche Natur Jesu so, daß diese in eine neue,
in die endgültige Leiblichkeitsform verwandelt wird. Diese Verwand-
lung ist die Konsequenz der hypostatischen Union. Denn die hypo-
statische Union als das eschatologische Medium des eschatologischen
göttlichen Heilshandelns ist nach dem Heilsplan Gottes von vorne-
herein auf die Vollendungsgestalt hingeordnet.

VI. Unstimmigkeiten in den Auferstehungsberichten


Es hat keine große Bedeutung, wenn zwischen den neutestament-
lichen Zeugnissen in manchen Einzelheiten Unstimmigkeiten bestehen.
Derartige Unterschiede obwalten zwischen dem paulinischen Berichte
einerseits und den durch die Evangelien gebotenen Berichten anderer-
seits, aber auch zwischen den Berichten der Evangelien untereinander.
Die Unterschiede beziehen sich auf mehrere Punkte, so z.B. auf die
Personen, denen der Auferstandene erschienen ist. Alle vier Evan-
gelisten erzählen das Erlebnis, welches die Frauen am Östermorgen
am Grabe Jesu hatten. Aber Markus und Lukas nennen drei Frauen,
Matthäus nennt zwei, Johannes nur eine. Auch hinsichtlich der Er-
fahrungen mit dem Auferstandenen selbst, der Art seiner Erscheinung,
hinsichtlich seiner Worte und seiner Weisungen gehen die Berichte
auseinander. Ebenso besteht bezüglich der Orte der Erscheinungen
eine gewisse Unausgeglichenheit. Lukas berichtet keine Erscheinungen
in Galiläa, sondern nur solche in Jerusalem, während die anderen
drei Evangelisten Erscheinungen in Jerusalem und in Galiläa kennen.
Offensichtlich gab es zwei Typen von Überlieferungen über die Er-
scheinungen des Herrn, einen Jerusalemer — er liegt bei Lukas vor —
444 Die Auferweckung Christi S 158

und einen galiläischen — er liegt bei den drei anderen Evangelisten


vor.
Trotz solcher Unstimmigkeiten im einzelnen behalten die Auf-
erstehungsberichte ihren vollen geschichtlichen Wert. Man sieht aus
der Art der Berichterstattung, daß es den Berichterstattern nicht auf
Vollständigkeit ankam, daß die ersten Zeugen sehr verständlicher-
weise von dem geradezu umstürzenden Ereignis zuinnerst getroffen
waren, daß daher die Berichte nicht wie ruhige, sachliche Protokolle
ausfallen konnten, sondern die Erregung ihrer Urheber spiegeln
mußten. Trotzdem sind die Berichte in allen wesentlichen Punkten eins.
J. Schmid zählt folgende, allen Berichten gemeinsamen Punkte
auf: 1. Der Glaube der Jünger an die Auferstehung Jesu als an eine
Tatsache. Die durch die Ereignisse des Karfreitags Irregewordenen
glauben mit einem Male, daß der am Karfreitag hingerichtete und
begrabene Meister auferstanden und verschiedenen von ihnen er-
schienen ist. — 2. Die Tatsache des leeren Grabes. — 3. Die zeitliche
Festlegung der Auferstehung auf den dritten Tag. — 4. Die Beschrän-
kung der Erscheinungen auf eine bestimmte Zeit. Sie sind darum
verschieden von anderen Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn.
Wenn Paulus ausdrücklich betont, daß Christus „zuletzt“ auch ihm
erschienen sei, so bringt er damit zum Ausdruck, daß es nachher
solche Erscheinungen des Auferstandenen nicht mehr gab und sie
daher zu unterscheiden sind von „Gesichten“, die Paulus sonst hatte
(2 Kor 12, 1; vgl. Apg 18, 9; 22, 17 f.; 23, 11; 2 Kor 12, 7). — Neue,
aber dennoch leibhaftige Existenzweise des Auferstandenen. — 6. Der
Ursprung des Auferstehungsglaubens ist nicht das leere Grab, sondern
die Erscheinung Christi. — 7. Die Auferstehung ist ein von Gott am
Messias gewirktes Wunder. — 8. Der Auferstehungsvorgang selbst
wird nicht beschrieben. Gerade dieser allen Auferstehungszeugnissen
gemeinsame Zug hat für die Beurteilung der Berichte eine besondere
Bedeutung. Er muß „als ein Hauptbeweis dafür genannt werden, daß
sie Geschichte und nicht Legende erzählen wollen“. Im engsten Zu-
sammenhang damit steht, daß „das leere Grab nirgends als Bestäti-
gung des Glaubens an die Auferstehung verwendet ist. Man hat nicht
aus der Feststellung der Frauen, daß das Grab leer war, geschlossen,
daß der Herr auferstanden sein müsse. Lukas und Johannes heben
hervor, daß das leere Grab zunächst nur Staunen und Ratlosigkeit aus-
löste. Die Emmausjünger wissen von der auch durch einige Jünger be-
stätigten Tatsache des leeren Grabes, bezweifeln sie auch nicht, werden
aber durch sie in keiner Weise zu dem Glauben geführt, daß der
S 158 Zeugnis des Neuen Testaments 445

Herr auferstanden sein müsse (Lk 24, 22—24). Maria von Magdala
ist nach Joh 20, 1—15 bei dem Anblick des leeren Grabes nur be-
stürzt und ratlos und glaubt, daß man den Leichnam Jesu entfernt
habe. Auch bei Markus und Matthäus ist nicht das leere Grab, sondern
die Erscheinung und Botschaft des Engels ausschlaggebend für den
Glauben der Frauen. Und dieser ist zunächst noch kein fester und
froher Osterglaube, sondern durch »Schrecken und Entsetzen« nieder-
gedrückt (Mk 16, 8). Es sind ausschließlich die Erscheinungen, die den
Jüngern die Gewißheit gaben, daß er wirklich lebt. Daraus folgt die
Unhaltbarkeit der modernen Anschauung, das leere Grab sei eine nach-
trägliche Schöpfung des durch ekstatische Erlebnisse entstandenen
ÖOsterglaubens, geschaffen, um diesen zu stützen, oder lediglich eine
selbstverständliche Folgerung aus ihm“ (J. Schmid, Das Evangelium
nach Matthäus, Regensburg 1959).
Angesichts der Verschiedenheiten der Auferstehungsberichte gilt
also: Den neutestamentlichen Schriftstellern kam es nicht erstlich auf
die geordnete Darstellung der Einzelheiten an, sondern auf die Tat-
sache der Auferstehung als solcher. Außerdem sind die Unterschiede
psychologisch leicht zu erklären.
„Jedenfalls spiegeln sie (die evangelischen Berichte) gerade in ihrer schein-
baren Unausgeglichenheit die Verwirrung und Aufregung jener ersten Stunden des
Auferstehungstages wider, wo sich die alarmierenden Geschehnisse geradezu über-
stürzten, und wo sich die widersprechendsten Nachrichten kreuzten. Insofern sichert
gerade diese Unausgeglichenheit den evangelischen Berichten den Charakter der
Ursprünglichkeit und Glaubwürdigkeit, weil sie jede künstliche Überarbeitung der
Nachrichten, jeden auch nur leisen Versuch einer Harmonisierung vermissen lassen
und nur schlicht und treu den unmittelbaren Eindruck der Augenzeugen wiedergeben
wollen. Dieselbe Ursprünglichkeit und dieselbe Glaubwürdigkeit spricht aus der
Knappheit, ja Dürftigkeit der Berichte. Hätten die Evangelisten fabulieren wollen,
so würde ihnen das außerordentliche Phänomen der Auferstehung Jesu dankbarsten
Stoff geliefert haben. Man braucht nur das apokryphe Hebräerevangelium oder zu-
mal das Petrusevangelium oder den Auferstehungsbericht der altslavischen Überset-
zung des Jüdischen Krieges von Josephus Flavius zum Vergleich heranzuziehen, wo
sich der Vorgang der Auferstehung wie ein welterschütterndes kosmisches Ereignis
unter den Augen der Römer und Juden abspielt, und wo sich die Verfasser nicht
genug tun können, alle Einzelheiten bis ins Groteske auszumalen. Auch in den äthio-
pisch und koptisch überlieferten »Gesprächen Jesu mit Seinen Jüngern« wird dem
Auferstandenen eine Reihe von Sentenzen und Lehrsprüchen in den Mund gelegt,
welche offensichtlich der schwülstig breiten Redseligkeit des Verfassers selbst ent-
stammen. Die Evangelien bringen nichts dergleichen. Es ist für die Sauberkeit ihrer
Berichterstattung bezeichnend, daß sie über den eigentlichen Vorgang der Auferste-
hung gänzlich schweigen. Sie berichten nicht von der Auferstehung selbst, sondern nur
von dem Auferstandenen. Und was der Auferstandene spricht, ist, Seinem sonstigen
446 Die Auferweckung Christi § 158

Lehrstil entsprechend, knapp, machtvoll und diskret, ganz und gar von dem Ernst
und der Weihe des Augenblicks getragen. Man darf in Hinblick auf die Ausführlich-
keit, mit der die Evangelisten das übrige Leben Jesu schildern, geradezu feststellen:
den Evangelisten ist es überhaupt gar nicht wie etwa dem heiligen Paulus um ein-
dringende oder gar erschöpfende Auferstehungsberichte zu tun. Sie wollen vielmehr
von der Auferstehung Jesu nur insoweit sprechen, als sie der glorreiche Abschluß
eines wahrhaft göttlichen Lebens ist, das Amen Gottes zu dem, was Jesus auf Erden
vollbracht hat“ (K. Adam, Jesus Christus, Düsseldorf 19498, 212 f.).

B. Der Auferstehungsglaube in der apostolischen Verkündigung


Das apostolische Kerygma hat vorwiegend paränetischen Cha-
rakter. Es fordert zum Leben in der durch Christus geschaffenen und
gespendeten Neuheit des Geistes auf. Lehrhafte Partien dienen der
Begründung für die Paränese, nicht einfach der Information um ihrer
selbst willen. In der durch ihre paränetische Absicht bestimmten Ver-
kündigung spielt die Auferstehung Jesu die Hauptrolle. Sie ist die
Heilstatsache schlechthin. In ihr hat der Vater seine höchste Macht-
offenbarung vollzogen und zwar zu Gunsten des Messias und damit
auch zu Gunsten der im Glauben mit ihm Verbundenen. Ferner ist
die Auferstehung das entscheidende Selbstzeugnis Jesu Christi als des
Messias und des Gottessohnes. Die gesamte apostolische Verkündigung
weiß sich legitimiert und begründet in der Auferweckung Jesu (Apg
1, 21£.; 1 Kor 15, 13—19). Umgekehrt entfaltet sich die Predigt der
Apostel von der Auferstehung Jesu her in dem ganzen sonstigen Be-
reich ihres Inhalts.
Die Auferweckung bedeutet nach der apostolischen Verkündigung
den Haupteinschnitt in der Geschichte. Sie kann im Rahmen dieser
Charakterisierung naturgemäß nicht von der Menschwerdung und
nicht von der Kreuzigung losgelöst werden. Alle Heilsereignisse bilden
ein einziges Heilsmysterium mit verschiedenen Phasen. Der Tod ist
die Voraussetzung der Auferstehung. Die Auferstehung aber ist das
Ziel und der Sinn des Todes. So wird von der Auferstehung aus die
für das christliche Denken maßgebende Geschichtstheologie entfaltet.
Was innerhalb des Geschichtsablaufs und der Weltentwicklung vor-
ausging, ist Vorbereitung, was hierauf folgt, Auswirkung und Durch-
führung, nicht in dem Sinn, als ob dadurch die Zwischenzeit, die sich
von der Auferstehung bis zur Wiederkunft Christi erstreckt, ihres
relativen Eigenwertes und ihrer Eigenständigkeit beraubt würde; die
Zwischenzeit hat vielmehr als Entscheidungszeit eine unabsehbare
Tragweite. Denn in ihr fallen die Würfel darüber, ob und wieweit die
S 158 Zeugnis des Neuen Testaments 447

Menschen sich das Auferstehungsgeheimnis aneignen, oder vielmehr


wieweit sie sich von ihm ergreifen und umgestalten lassen, ob und
wieweit die ganze menschliche Geschichte durch das Ereignis der Auf-
erstehung geprägt und die von ihm geweckten und genährten Hoff-
nungen realisiert werden. Von der Auferstehung aus fällt der Blick
auf die Zukunft, in welcher der auferstandene Herr wiederkommen
wird. Es wird jedoch dabei die Gegenwart nicht nur nicht vergessen,
sondern als Vorentwurf der endgültigen Zukunft jeweils aktiv ge-
staltet (Apg 3, 12—26; vgl. 2 Thess 2, 1ff. 15 ff.; 3, 1—5). Die Auf-
erstehung ist also ein eschatologisches Ereignis und schafft eine es-
chatologische Existenz.
Das Leben des Christusgläubigen ist ein Leben in Gemeinschaft
mit dem Auferstandenen in Hinsicht auf die letzte Vollendung. Durch
die Auferstehung ist Christus als der Herr, der Kyrios, offenbar ge-
worden. In der Auferstehung hat er eine vergeistigte Existenz er-
halten, er ist Pneuma geworden (2 Kor 3, 17). In ihm ist eine „neue“
Menschheit, ja eine „neue“ Geschichte geworden. Er hat durch die
Auferstehung historische und kosmische Universalität gewonnen. Er
ist der „Anführer des Heiles“ geworden. Die christliche Existenz ist,
wie Paulus sagt, eine Existenz „in“ dem durch den Tod hindurch
zum Auferstehungsleben gekommenen Christus. Die Aufgabe des
Christen ist deshalb beglückend und schwer zugleich. Er soll den
alten Menschen ausziehen und den neuen anziehen; er soll Jesus
Christus anziehen, um so selbst ein neues Geschöpf zu werden. Am
stärksten wird dieser Weckruf erhoben im Epheserbrief (Eph 5, 14).
Dieser Text sieht auf den ersten Blick so aus, als ob nur die mora-
lische Erhebung aus der Sünde gefordert würde, in Wahrheit greift
er jedoch viel weiter. Der Leser wird dazu aufgerufen, seine Teil-
nahme an der Auferstehungsexistenz Jesu Christi immerfort zu reali-
sieren. Daß dies das ständige Anliegen des Christusgläubigen ist, wird
am deutlichsten im Römerbrief ausgesprochen (Röm 6, 1—11). In
Jesus Christus hat der Christusgläubige Anteil am Heiligen Geiste
(Röm 8, 11). Wie intensiv die Teilnahme am Leben des auferstan-
denen und erhöhten Herrn ist, wird deutlich durch das Schicksal des
Stephanus. Nach dem Urbilde und in der Kraft des auferstandenen
Christus geht auch er den Weg des Todes, um so zur Herrlichkeit zu
kommen (Apg 7, 59f. Das hier Gesagte wird näher ausgeführt und
begründet in Bd. III 2).
Die Auferweckung Christi S 158
448

Fünftes Kapitel

Die Väter

Von den Vätern, vor allem von den griechischen, wird die Auf-
erstehung Christi gepriesen als die Offenbarung seines Sieges über
den Tod, als die Bürgin, ja als die Vorwegnahme unserer Auferstehung.
In Christus ist nach den: griechischen Vätern die Menschheit, ja der
Kosmos auferstanden. Ein paar Texte seien angeführt:
Origenes (Gegen Celsus 5, 22. 23; Übers. nach Hans Urs von Balthasar,
Origenes, Geist und Feuer, Salzburg—Leipzig 1951?, 219): „Es soll aber niemand arg-
wöhnen, daß wir, wenn wir so reden, zu denen gehören, die sich zwar Christen

nennen, aber die schriftgemäße Lehre der Auferstehung verwerfen. Wir sagen also
nicht, daß der zugrunde gegangene Leib in seiner ersten Beschaffenheit zurückkehrte,
so wie wir auch nicht sagen, daß das zugrunde gegangene Weizenkorn wieder Weizen-
korn werde.“ In einem (wohl unechten) Fragment über die Auferstehung (H. Urs von
Balthasar, a.a.O., 220f.) heißt es: „Jedem einzelnen Samen ist von Gott kunst-
voll eine Kraft eingegeben, die die künftigen Leiber in den Potenzen des Markes (wie)
im voraus enthält. Und wie die ganze Höhe des Baumes, Stamm, Zweige, Früchte,
Blätter im Samen unsichtbar sind, und doch in seiner Entelechie vorhanden, wie dem
Weizenkorn Mark oder eine kleine Ader einwohnt, die bei ihrer Auflösung in der Erde
die verwandten Stoffe an sich zieht und als Spreu, Blätter, Grane aufersteht, und es
stirbt ein Teil, ein anderer ersteht, ... so bleiben auch im menschlichen Leibe ge-
wisse, schon vorhandene Prinzipien der Erneuerung, ... es entsteht aber nicht der-
selbe fleischliche Stoff und nicht die gleiche Gestalt ... »Gesät wird ein irdischer
Leib, erstehen wird ein geistiger Leib.« Jetzt sehen wir mit den Augen, hören mit
den Ohren, handeln mit den Händen, wandeln mit den Füßen; in jenem »geistigen
Leibe« werden wir als Ganze sehen, als Ganze hören, als Ganze handeln, als Ganze
wandeln, und der Herr wird den Leib unserer Niedrigkeit umgestalten, gleichförmig
dem Leibe seiner Herrlichkeit.“
Cyrill von Jerusalem (Vierte Katechese an die Täuflinge, Abschn. 13;
BKV, 68): „Zeugen seiner Auferstehung sind die zwölf Jünger gewesen. Nicht aber
haben sie mit schönen Reden Zeugnis gegeben, sondern im Kampfe für die Wahr-
heit seiner Auferstehung haben sie sogar Martern und Tod erlitten.“ Athanasius
(dritte Rede gegen die Arianer, 33. Abschn.; L. A. Winterswyl, Athanasius, Die Mensch-
werdung Gottes, Leipzig 1937, 82): „Der Logos hat also die Leiden des Leibes nicht
ohne Grund auf sich übertragen, nämlich damit wir nicht mehr als Menschen, sondern
als dem Logos Gehörende am ewigen Leben teilnehmen. Denn wir sterben nicht
mehr in Adam infolge der ersten Geburt, sondern wir werden nunmehr, da unsere
Geburt und jede fleischliche Schwäche auf den Logos übertragen ist, von der Erde
auferweckt, da der Fluch der Sünde um Dessentwillen aufgehoben ist, der unter uns
unsertwegen zum Fluch geworden ist. Denn wie wir alle, die wir von der Erde
stammen, in Adam sterben, so werden wir, von oben aus dem Wasser und dem
Geiste wiedergeboren, alle in Christus lebendig gemacht, weil das Fleisch nicht mehr
irdisch, sondern nunmehr selbst logoshaft geworden ist — wegen des Logos Gottes,
der unsertwegen Fleisch wurde.“ In der ersten Rede gegen die Arianer (Abschn. 40 f.;
§ 158 Die Väter 449

L. A. Winterswyl, a.a. O., 94f.) sagt er: „Wenn jetzt gesagt wird: »Gott hat Ihn
erhöht«, so bedeutet das nicht eine Erhöhung des Wesens des Logos (...) sondern
der Menschheit kommt die Erhöhung zu. Nicht eher also ist dies gesprochen worden,
als bis der Logos Fleisch geworden war, damit offenbar würde, daß die Ausdrücke
»erniedrigt« und »erhöht« von dem menschlichen Sein gelten; denn nur was niedrig
ist, kann wohl auch erhöht werden, und wenn das »erniedrigt« wegen der Annahme
des Fleisches geschrieben steht, so steht auch offenbar ihretwegen das »erhöht« da.
Denn der Mensch war dessen bedürftig wegen der Niedrigkeit des Fleisches und des
Todes. Nun nahm der Logos, der des Vaters Bild und unsterblich ist, die Gestalt
des Knechtes an und erlitt unsertwillen als Mensch in seinem Fleische den Tod,
um sich so für uns im Tode dem Vater darzubringen. Deshalb heißt es von Ihm,
als Mensch sei Er unsertwegen und für uns erhöht worden, damit wir, wie wir in
Seinem Tode alle in Christus starben, ebenso in Christus selbst wieder erhöht würden,
indem wir von den Toten auferweckt werden und in die Himmel uns erheben,
»wohin Jesus als Vorläufer für uns gegangen ist, nicht in ein Nachbild des wahr-
haftigen, sondern in den Himmel selbst, um nunmehr vor dem Angesichte Gottes
für uns zu erscheinen« (Hebr 6, 20; 9, 24). Wenn aber Christus für uns in den
Himmel selbst eingegangen ist, obschon Er auch vorher immer Herr und Schöpfer
des Himmels war, so steht also auch hier geschrieben, daß Er für uns erhöht wurde.
Und wie Er, der alle heiligt, Selbst wiederum sagt, daß Er für uns Sich dem Vater
heilige, nicht damit der Logos heilig werde, sondern damit Er in Sich Selbst uns
alle heilige, so nun heißt es jetzt auch: »Gott hat Ihn erhöht, nicht damit Er Selbst
erhöht würde — denn Er ist der Höchste —, sondern damit Er Selbst für uns Ge-
rechtigkeit würde, wir aber in Ihm erhöht würden, und in die Pforten der Himmel
eingingen, die Er Selbst wieder für uns eröffnet hat«.“

Johannes Chrysostomus (Predigten über den Anfang der Apostel-


geschichte 4,8; aus L. v. Rudloff, Das Zeugnis der Väter, Regensburg 1937, 203 £.):
„Darüber sind alle einig: Wer einen Menschen zu dessen Lebzeiten gern hatte, denkt
vielleicht nach dessen Tode nicht mehr an ihn, wer aber zu dessen Lebzeiten sich
nichts aus ihm machte und ihn, als er noch lebte, im Stiche ließ, der wird ihn nach
seinem Tode um so eher vergessen. Daher wird kein Mensch, der seinen Freund oder
Lehrer zu dessen Lebzeiten preisgibt und im Stiche läßt, ihn nach dessen Tode
besonders hoch schätzen, vor allem, wenn er sieht, daß ihm tausend Gefahren
drohen, wenn er sich für ihn einsetzt. Aber sieh, was keinem sonst begegnet, das
ist mit Christus und den Aposteln geschehen: Sie, die Ihn zu Lebzeiten verleugnet
und im Stich gelassen haben, die Ihn, als man Ihn ergriff, verließen und davon-
liefen, die haben Ihn nach all den tausend Schmähungen und nach der Kreuzigung
so wert gehalten, daß sie für das Bekenntnis Seiner und den Glauben an Ihn sogar
ihr Leben hingegeben haben. Wäre aber Christus zwar gestorben, aber nicht auf-
erstanden, wie wäre es denkbar, daß die, welche wegen der drohenden Gefahr flohen,
als Er noch lebte, sich Seinetwegen tausend Gefahren aussetzten, als Er tot war.
Alle anderen (Apostel) flohen, und Petrus verleugnete den Herrn dreimal mit einem
Eide. Aber der Ihn dreimal mit dem Eide verleugnete und vor einer einfachen
Magd Angst hatte, der war mit einem Male so umgewandelt — willens, uns durch
die Tat zu überzeugen, daß er Ihn nach Seiner Auferstehung geschen hatte, —, daß
er ein ganzes Volk verachtete, mitten in die Versammlung der Juden sprang und
sagte, der Gekreuzigte und Begrabene sei am dritten Tage von den Toten auf-

29 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


450 Die Auferweckung Christi S 158

erstanden und in den Himmel aufgefahren, ja, daß er auch das Furchtbarste nicht
im geringsten fürchtete. Woher kam ihm denn diese Zuversicht? Woher anders als
von der Gewißheit der Auferstehung?“ Leo der Große (71. Predigt, 4. Abschn.;
BKV II, 192£.): „Mit diesem Glauben steht nicht in Widerspruch, was der Völker-
apostel Paulus sagt: »Wenn wir auch Christus dem Fleische nach gekannt haben,
so kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr«; denn obgleich die Auferstehung des
Herrn keine Lossagung von seinem Leibe bedeutet, brachte sie doch eine Umge-
staltung. Die menschliche Natur. erfuhr einen Zuwachs an Macht, ohne darum auf-
gelöst zu werden. Die Beschaffenheit änderte sich, die Wesenheit blieb dieselbe:
Der Leib, der soeben noch gekreuzigt werden konnte, wurde leidensunfähig, was
man töten konnte, wurde unsterblich, und was verwundbar gewesen war, ward nun-
mehr unverletzlich. Mit Recht heißt es also, daß man den Leib Christi, so wie er
war, nicht mehr kenne, weil nichts von seiner früheren Leidensfähigkeit, nichts von
seiner alten Schwäche in ihm zurückblieb, so daß er zwar noch derselbe seinem
Wesen nach ist, nicht aber nach der ihm jetzt eigenen Herrlichkeit. Doch warum
sollen wir an jenen Worten des Apostels über den Leib Christi etwas Wunderbares
finden, wenn er von der Gesamtheit der geistigen Christen sagt: »Darum erkennen
wir von nun an niemand mehr dem Fleische nach?« Die Auferstehung in Christus
— so meint er — hat für uns Menschen schon damals begonnen, als der Herr, der
für die ganze Welt gestorben ist, uns an sich selbst (durch sein Hervorgehen aus
dem Grabe) die Erfüllung all unseres Hoffens im voraus zeigte. Darum hängen wir
mit dieser Erwartung keinem eitlen Wahngebilde nach. Nachdem sich bereits der
erste Teil dessen erfüllt hat, was uns verheißen ist, sehen wir mit den Augen des
Glaubens schon verwirklicht, was unser erst in Zukunft wartet. Und indem wir uns
über diese einstige Erhebung unserer Natur freuen, genießen wir schon jetzt, worauf
wir hoffen.“

Sechstes Kapitel
Eigenständigkeit des biblischen Auferstehungszeugnisses
Ebensowenig wie den Höllenabstieg Christi kann man den Auf-
erstehungsglauben der Jünger aus dem heidnischen Mythos von ster-
benden und wiedererstehenden Göttern ableiten. Die liberale Theologie
und Religionswissenschaft macht zwar diesen Versuch und glaubt so
die geschichtliche Auferstehung Christi selbst als Mythos erweisen zu
können, so daß die Entmythologisierung des Christentums auch die
Preisgabe der historischen Auferstehung in sich schließen würde und
man sich mit dem irgendwie theologisch zu deutenden Auferstehungs-
glauben der Jünger ohne den Hintergrund des geschichtlichen Ereig-
nisses begnügen müßte. Man verweist auf die Gottheiten Marduk, Baal,
Tammuz-Adonis, Osiris, Attis, Dionysos-Zagreus, von denen ihre Ver-
ehrer annahmen, daß sie starben und wiedererstanden, und glaubt den
Österglauben der Jünger aus diesem weitverbreiteten mythischen
Glauben als einen Sonderfall ableiten zu können. Insbesondere bezieht
R. Bultmann die Auferweckung in seinen Entmythologisierungsver-
§ 158 Eigenständlichkeit des biblischen Auferstehungszeugnisses 451

such ein: Die Auferstehungsberichte sind danach theologische, mit


den Bildern des antiken Weltbildes vorgenommene Deutungen der
Heilsbedeutung des Leidens und Todes Christi für die wahre und
eigentliche menschliche Existenz.
Indes, der christliche Osterglaube geht auf die palästinensische
Urgemeinde zurück. Er bestand daher schon, als die Christen mit den
hellenistischen Mythen in Berührung kamen und von ihnen Einflüsse
erfahren konnten. Außerdem herrscht zwischen den heidnischen
Mythen und den neutestamentlichen Auferstehungsberichten ein tief-
greifender und wesentlicher Unterschied. Die heidnischen Götter er-
stehen von ihrem Tode nach dem Glauben ihrer Verehrer immer
wieder, Jahr für Jahr; sind sie doch nichts anderes als die Personifi-
kationen des Naturgeschehens, das in ständigem Kreislauf sich wieder-
holt. Bei dem biblischen Auferstehungsglauben handelt es sich jedoch
um ein einmaliges, nicht wiederholbares Ereignis, das nicht einer
mythischen Gestalt, sondern einer geschichtlichen Persönlichkeit, Jesus
Christus, zugeschrieben wird. Die Geschichtlichkeit des Auferstehungs-
ereignisses tritt denn auch überall in den neutestamentlichen Berich-
ten hervor, vor allem in folgenden Momenten: Die Erscheinungen des
Auferstandenen sind zeitlich genau fixiert auf den dritten Tag und
die darauffolgenden Tage. Am 40. Tag werden sie mit der Himmel-
fahrt beendet. In dieser Zeit ißt und trinkt Christus mit seinen
Jüngern, er hält mit ihnen Tischgemeinschaft und läßt sich von ihnen
berühren. Mit diesem Realismus wird die Auferweckung in jene Er-
eignisse eingereiht, die sich während der ganzen Zeit begeben haben,
da der Herr bei ihnen aus- und einging, angefangen von der Taufe
des Johannes bis zur Himmelfahrt (Apg 1, 21£.).
Eine wichtige Rolle spielt das leere Grab. Wenn die Apostel zu-
nächst auch durch die Erscheinungen und nicht durch das leere Grab
zum Glauben an die Auferstehung gekommen sind, so ist es doch mit
dem ursprünglichen Auferstehungsglauben eng verbunden. Nach 1 Kor
15, 3 ff., einer urapostolischen Bekenntnisformel, gehört die Tatsache,
daß Christus begraben worden ist, ebenso zur neutestamentlichen
Verkündigung wie die Tatsache, daß er gestorben und am dritten
Tage auferweckt worden ist. Durch die Auferweckung sind daher Tod
und Grab überwunden worden. Nach dem urapostolischen, von Paulus
übernommenen Christuszeugnis ist die Auferstehung ein Hervorgehen
von Fleisch und Blut aus dem Grabe.
So hat die mythische Deutung der Auferstehung Christi keine
Grundlage in den neutestamentlichen Texten. Sie entspringt vielmehr

29*
452 Die Auferweckung Christi S 158

einem der Heiligen Schrift fremden, weltanschaulichen Apriori und


bedroht die Glaubwürdigkeit der ganzen Schrift. Man kann aber in
den heidnischen Mythen eine Ahnung oder einen Traum oder eine
Sehnsucht von der Wirklichkeit sehen, die uns in den biblischen
Auferstehungsberichten bezeugt ist.

Siebentes Kapitel
Verklärungsleib und geschichtlicher Leib Christi

Wie kann man sich die Auferstehung und den auferstandenen


Leib des Herrn vorstellen?
Hier handelt es sich um ein Geheimnis Gottes, das wir, wie
jedes Gottesgeheimnis, bloß im Glauben ergreifen können (1 Kor 15,
51). Seine Voraussetzung ist der Tod. Die Qual der Kreuzigung, der
Lanzenstich, das Grab, die große Steinplatte vor dem Grab, die Wache,
die davor aufgestellt war, stehen als Ankläger auf gegen alle, welche
den Ernst des Todes Christi bezweifeln. Er war wie jeder Tod wirk-
lich ein Ende, das unwiderrufliche Ende dieses Lebens. Er war nicht
bloß ein Tor, durch das man hindurchschreitet, um dahinter das bis-
herige Leben fortzusetzen. Das war das Mißverständnis der Saddu-
zäer (Mt 22, 23—30). Wäre Christus als der gleiche wiedergekommen,
um weiterzuleben wie ehedem und immer, dann trüge die Botschaft
von seiner Auferstehung die Züge des Mythos. Es ist also von grund-
legender Bedeutung, daß wir verstehen: Der Tod war nicht ein bloßer
Durchgang. Er schuf vielmehr Neues. Das Leben des Auferstandenen
ist nicht die Fortsetzung des Lebens, das er vor der Auferstehung
führte. Es ist ein anderes Leben. Im Tode wurde es verwandelt. Es
unterliegt vor allem nicht mehr wie vor dem Tode den Gesetzen von
Raum und Zeit. Er bleibt zwar an Raum und Zeit gebunden. Dies ist
mit seiner Leiblichkeit wesentlich gegeben. Der auferstandene Herr
ist weder allgegenwärtig noch vielörtlich. Allgegenwärtig ist Christus
hinsichtlich seiner göttlichen Natur. Aber die Allgegenwart des Logos
hat nicht die Allgegenwart der zu ihm in einer besonderen Beziehung
stehenden menschlichen Natur. Als die Bilderstürmer im achten Jahr-
hundert behaupteten, daß die Menschheit Christi auf Grund der hy-
postatischen Union an der Unendlichkeit Gottes teilnehme und daher
wie diese allgegenwärtig sei, wurde von den Rechtgläubigen auf dem
II. Konzil von Nizäa, auf der 7. Allgemeinen Kirchenversammlung, im
Jahre 787 der Satz vertreten, daß Christus hinsichtlich seiner mensch-
lichen Natur raumgebunden und raumumschrieben (circumscriptum)
§ 158 Verklärungsleib und geschichtlicher Leib Christi 453

sei. Da dieser Satz nach dem Ausweis der Konzilsakten nicht zu den
von den Konzilsvätern unterschriebenen Sätzen gehört, ist die gegen-
teilige Behauptung nicht eine formelle Häresie. Sie widerspricht je-
doch dem kirchlichen Glaubensbewußtsein und der täglichen kirch-
lichen Lehrverkündigung und grenzt daher hart an eine Häresie
(vgl. auch D. 874). In der Spätscholastik tauchte die Lehre von der
Ubiquität der menschlichen Natur Christi neuerdings auf. Sie wurde
von Luther aufgenommen und für die Erklärung der Eucharistie ver-
wandt (Mansi, S. Conciliorum nova et amplissima collectio [1767]
t. XIII, col. 116; 339; 415; D. 307; hier wird der Sachverhalt nicht ganz
klar. Fr. Dander, Der verklärte Christus, in: Theologisch-praktische
Quartalschrift 89, 1936, 248. O. Lutz, Vom auferstandenen und er-
höhten Christus, in: Klerusblatt 23, 1942, 109—112. M. Schmaus,
Christi Gegenwart in der Kirche, ebda. 257—260. Derselbe, Kath.
Dogmatik, Bd. I S. 499. Vor allem siehe die beiden päpstlichen Rund-
schreiben „Mystici Corporis“ vom 29. VI. 1943 und „Mediator Dei“
vom 20. IX. 1947).
Trotz seiner Raumgebundenheit ist Christus hinsichtlich seiner
verklärten menschlichen Natur nicht mehr wie wir der Enge des
Raumes und der Zeit verhaftet. Gerade deshalb sind wir, die im Raum
und in der Zeit Existierenden, nicht imstande, sein Leben zu be-
greifen. Früher ging Christus mit seinen Jüngern umher, redete, aß
und trank mit ihnen, jetzt ist er plötzlich bei ihnen, während sie in
einem geschlossenen Raume sind, während sie die Straße entlang
gehen. Er „erscheint“, geht vor ihnen her und verschwindet wieder. Die
Schranken des Raumes und der Zeit existieren also für ihn nicht mehr.
Die Evangelien bezeugen sowohl die Realität seiner Leiblich-
keit als auch deren Verschiedenheit von der irdischen Körperlichkeit.
Gerade an der Art ihrer Schilderung sieht man freilich, daß die mensch-
lichen Worte nicht fähig sind, das jenseits aller unserer Erfahrungen
stehende Geheimnis der verwandelten Leiblichkeit darzustellen. Ein-
mal wird die Erhabenheit Christi über Raum und Zeit, über „Fleisch
und Blut“ so sehr betont, daß es scheint, als ob der Auferstandene
ein reiner Geist sei (vgl. Jo 20, 17. 19—23; Lk 24, 31. 36). Er wird
demgemäß von den Seinigen zunächst auch gar nicht erkannt (Lk
24, 16—32; Jo 20, 1—18). Auf der anderen Seite erscheint Christus
in seiner massiven Körperlichkeit. Er ißt und trinkt mit den Seinen
wie ehedem (Lk 24, 32 f. 39; Mk 12, 20—23; Mt 28, 9; Jo 20, 20—27).
Die liberale Theologie schließt aus dieser Gegensätzlichkeit auf die
Unglaubwürdigkeit der Auferstehungsberichte. In Wirklichkeit schlies-
454 Die Auferweckung Christi S 158

sen sich jedoch diese gegensätzlichen Darstellungen nicht aus. Sie er-
gänzen sie vielmehr und bringen erst in ihrem Zusammen die neue
Existenzart Christi zur Darstellung. Dies ergibt sich schon daraus,
daß die beiden Vorstellungen nicht auf verschiedene Evangelien ver-
teilt sind, sondern zum Teil innerhalb eines und desselben Abschnittes
nebeneinanderstehen. Sie dienen der Absicht, dem Auferstandenen im
Unterschied vom leiblosen Dasein sowohl die Wirklichkeit des leib-
haftigen Lebens als auch im Gegensatz zur massiven Körperlichkeit
die Andersartigkeit seines leiblichen Lebens zuzuschreiben. Sie unter-
scheiden sich dadurch ebenso von der jüdischen Auferstehungs- wie
von der griechischen Unsterblichkeitslehre.
Paulus bemüht sich, den Unterschied zwischen dem in den
vergänglichen Formen dieser Welt verlaufenden Leben und dem aus
ihr herausgelösten unvergänglichen leibhaftigen Leben des Auferstan-
denen durch das Gleichnis vom Samenkorn und von der Pflanze zu
veranschaulichen. „Nun könnte einer fragen: Wie stehen die Toten
auf? Mit was für einem Leibe werden sie kommen? Du Tor, was du
säst, muß erst absterben, ehe es zum Leben kommt. Und was du säst,
ist nicht die Pflanze, die nachher besteht, sondern ein bloßes Samen-
korn, etwa Weizen oder sonst etwas. Gott gibt ihm dann eine Gestalt,
wie er will,und zwar jedem Samenkorn seine besondere Gestalt. Nicht
jedes Fleisch ist gleich, sondern anders ist das Fleisch der Menschen,
anders das der vierfüßigen Tiere, anders das Fleisch der Vögel, anders
das der Fische. So gibt es auch himmlische und irdische Körper. Aber
anders ist die Herrlichkeit der himmlischen Körper, anders die der
irdischen Körper. Anders ist der Glanz der Sterne, ja ein Stern ist vom
andern an Glanz verschieden. So verhält es sich auch mit der Auf-
erstehung der Toten. Gesät wird in Verweslichkeit, auferweckt in Un-
verweslichkeit; gesät wird in Unansehnlichkeit, auferweckt wird in
Herrlichkeit; gesät wird in Schwachheit, auferweckt in Kraft; gesät
wird ein irdischer Leib, auferweckt ein geistlicher Leib. Wenn es einen
irdischen Leib gibt, gibt es auch einen geistlichen. Es steht doch ge-
schrieben: »Der erste Mensch, Adam, ward zu einem lebendigen
Menschen«, der zweite Adam zu einem lebenschaffenden Geist. Zuerst
ist nicht das Geistige da, sondern das Irdische, dann erst das Geistige.
Der erste Mensch ist aus der Erde gebildet. Der zweite Mensch stammt
vom Himmel (ist himmlisch)... Ich sage euch ein Geheimnis: Wir
werden nicht alle entschlafen, wohl aber alle verwandelt werden“
(1 Kor 15, 35—51). Paulus sah den Auferstandenen als Lichtwesen.
Die Leiblichkeit war verklärt. Aus dem Antlitze Christi leuchtete ihm
S 158 Verklärungsleib und geschichtlicher Leib Christi 455

die Herrlichkeit Gottes entgegen. Aus dem Glanze, der ihn umfing,
hörte er die Stimme: Ich bin Jesus. Das Wort von dem strahlenden
Glanze der Gottesherrlichkeit, die leuchtende Frohbotschaft von der
Herrlichkeit des Christus (2 Kor 4, 4) zieht sich denn auch durch
seine ganze Predigt hindurch. „Der Gott, der da sprach: Aus der Fin-
sternis soll leuchten das Licht, der ist es, der es in unserem Herzen
tagen ließ zum strahlenden Aufgang der Erkenntnis von der Herrlich-
keit Gottes am Antlitz Christi“ (2 Kor 4, 6; vgl. 1 Kor 4, 6; 1 Kor 9,
1; 15, 8; Gal 1, 12. 16; Apg 9, i ff.; 22, A ff.; 26, 9 ff.). Der Auferstan-
dene hat einen vergeistlichten, einen vom Heiligen Geiste durchherrsch-
ten und durchformten Leib. Paulus sagt von ihm geradezu, er sei
Pneuma (Geist) geworden (2 Kor 3, 17). Paulus hat es erfahren, daß
die Strahlen seiner Erscheinung, die Majestät seines Antlitzes die
Frevler verderben kann (2 Thess 1, 9; 2, 8).
Das Licht bietet also ein Gleichnis für die Umwandlung, welche
der Leib Christi erfahren hat. Wir erinnern uns hierbei an den
Vorgang der Verklärung. Die Verklärung zeigt sich darin, daß sein
Antlitz leuchtete wie die Sonne und seine Kleider glänzten wie der
Schnee (Mt 17, 2). Der Leib Christi ist leuchtend geworden. Er wurde
von innen durchleuchtet von der Herrlichkeit Gottes. Da können wir
ahnen, was es um den verklärten Leib des auferstandenen Christus ist.
Was R. Grosche von den auferstandenen Leibern der Gerechten sagt,
gilt in verstärktem Maße vom Leibe Christi. „Gerade in dem Phä-
nomen des Lichtes bietet sich uns etwas wie eine dunkle Abschattung
jenes unfaßbaren Geheimnisses, in dem die Vollendung der Erlösung
geschieht. Das Licht bedeutet phänomenal nichts anderes, als daß der
tote Stoff seiner dunklen, das Leben verbergenden Schwere enthoben
und in eine das in ihm verborgene Leben enthüllende Ekstase gerät.
Während aber die Wärme dieses Leben der Materie nur in Wirkun-
gen zeigt, wird es im Glühen eines materiellen Körpers als solches
sichtbar. Der Körper wird als solcher umgewandelt. Es wird nicht die
mit der leibhaftigen Setzung gegebene Selbstumschlossenheit und
Selbstumgrenzung aufgehoben, sondern in und mit ihr bietet sich der
Körper in leuchtender Selbstoffenbarung dar. Das Leben (die Seele),
das im Leib seine Stätte hat, ist nun nicht mehr an den Leib gebunden,
es wird frei. Aber nicht, indem es den Leib zurückläßt als etwas, was
an dieser Freiheit keinen Teil hat, sondern indem es den Leib in die
Erhebung mithineinreißt: vita mutatur, non tollitur. Nicht der Leib
also umschließt mehr die in ihm sich auswirkende „Seele“, sie damit
selber bindend und verfinsternd, sondern die der verschließenden
456 Die Auferweckung Christi S 158

Herrschaft des Leibes entzogene, weil in die Freiheit der Kinder Gottes
hinausgehobene Seele durchdringt nun rückwärtig ihren Leib, ihn
mit sich vergeistigend, das heißt verklärend (so wie es Dante im Pa-
radiso XIV darstellt). Gerade von dem Blick auf das naturhafte Bild
aus ist hier zu sagen, daß es von der selbstumgrenzenden und selbst-
umschließenden Gebundenheit zur endgültigen und totalen Aufschlies-
sung des verborgenen Lebens keinen allmählichen Übergang geben
kann, sondern daß eine solche Verklärung die totale Verkehrung der
Seinsverfassung in sich schließt (Hedwig Conrad-Martius), die sich in
Tod und Auferstehung vollzieht“ (R. Grosche, Ich glaube an die Auf-
erstehung des Fleisches, in: Ich glaube, Paderborn 1936, 16 f. Ebenso
in: Et intra et extra. Theologische Aufsätze, Düsseldorf 1958, 331 f.
[Festschrift R. Grosche]).
Die menschliche Natur Christi war während seines Erdenlebens
ebenso Offenbarung wie Verhüllung seiner Gottesherrlichkeit, ja,
mehr Verhüllung als Enthüllung. Die Herrlichkeit war verborgen.
Seit der Auferstehung ist Gottes Herrlichkeit am verklärten Leibe
Christi offenbar. Derjenige, dem Gott die Sehkraft für die Gottesherr-
lichkeit schenkt, kann sie sehen. Die menschliche Natur kann die
Herrlichkeit des Wortes Gottes, ohne von ihrer Glut weggeschmolzen
zu werden, nur dann unmittelbar in sich aufnehmen und zur Er-
scheinung bringen, wenn sie durch Gottes Macht mit neuen Kräften
ausgerüstet wird, wenn sie verwandelt wird. Was J. Pinsk von der
Himmelfahrt sagt, gilt schon von der Auferstehung: „Es geht also
darum, daß die menschliche Natur Jesu, ohne ihren kreatürlichen
und materiellen Charakter zu verlieren, ohne ihre wesenhafte Gleich-
artigkeit mit dem Staub dieser Welt, aus dem sie wie jede andere
menschliche Natur gebildet ist, aufzugeben, eine Umgestaltung er-
fährt, in der sie fähig wird, die Fülle des Gotteslebens ungebrochen
zu ertragen und ... zu »offenbaren«. Wenn man sich vorstellt, daß
eine elektrische Birne, die auf Schwachstrom eingestellt ist, in einen
Starkstrom geschaltet, sofort zerspringt, weil sie diese Energien
nicht aushalten kann, dann kann man von da aus ahnen, was die
Himmelfahrt des Herrn bedeutet: die menschliche Natur Jesu, die in
sich nur für den Schwachstrom des kreatürlichen Lebens gestaltet ist
— Staub ist vom Staub dieser Welt! —, wird in jenen Strom des ewi-
gen Lebens einbezogen, der zwischen Vater, Sohn und Heiligen Geist
kreist, und diese menschliche Natur erträgt diese Lebensenergien, ja
sie kommt in diesen Energien des göttlichen Lebens eigentlich erst
zu ihrer letzten Entfaltung“ (J. Pinsk, Aufgefahren in den Himmel,
§ 158 Verklärungsleib und geschichtlicher Leib Christi 457

sitzet er zur rechten Hand Gottes, des allmächtigen Vaters, in: Ich
glaube, hrsg. von R. Grosche, Paderborn 19363, 16).
Die Umwandlung des Leibes geschieht durch den Heiligen Geist,
das göttliche Pneuma. Nach den griechischen Vätern ist der Heilige
Geist die Blüte, der Duft, das Strömen des göttlichen Lebens. Er
ist die Vollendung des göttlichen Tuns. Alles, was existiert, ist Aus-
fluß seiner Person. Alles wird vom Vater durch den Sohn im Hei-
ligen Geiste gewirkt. Nach den lateinischen Vätern seit Augustinus ist
der Heilige Geist die Liebe des Vaters und Sohnes, die Offenbarung
und Bestätigung ihrer Einheit und Liebesverbundenheit. Wie immer
man sein Geheimnis zu ergreifen sucht: er ist es, in dem sich Gottes
Liebe zur Welt hinwendet. Er ist es, der die leibliche Gestalt Christi,
das zur Welt hingewandte Antlitz Gottes, gestaltet hat. In ihm wird
daher Gottes Unzugänglichkeit aufgebrochen. In ihm wird uns Gottes
Wesen offen. Wir gehen zu Gott durch Christus. Aber der Heilige
Geist erschließt uns das Geheimnis Gottes, zu dem uns Christus hin-
führt. Der Heilige Geist nun wandelt die menschliche Natur Christi,
die er geschaffen, so um, daß sie Darstellung und Erscheinung der
Herrlichkeit Gottes ist, daß Gottes Herrlichkeit in ihr zugänglich, er-
schaubar wird, daß das hierfür ausgerüstete Auge sie in unverhülltem
Leuchten in der menschlichen Natur Christi zu sehen vermag. Da der
Heilige Geist die Liebe ist, prägt er der menschlichen Natur Christi bei
seiner umgestaltenden Tätigkeit notwendigerweise das Siegel der Liebe
auf. Wenn sie durchleuchtet ist vom Glanze der Gottesherrlichkeit,
so ist das ein Glühen und Leuchten der Liebe. So ist also in dem Auf-
erstandenen infolge der umgestaltenden Tätigkeit des Heiligen Geistes
die Herrlichkeit Gottes als Liebe in unverhülltem Glanze aufgestrahlt.
Weil die menschliche Natur Christi ganz gestaltet und durchwaltet ist
vom Heiligen Geist, also vergeistlicht ist, wird Christus selbst Pneuma
(Geist) genannt (2 Kor 3, 17).
Die in der verwandelten menschlichen Natur aufglühende Gottes-
herrlichkeit kann indes nur jener sehen, den Gott mit dem Blick hier-
für begnadet (vgl. Apg 7, 5öf.; 9, 4f.). Wir müssen annehmen, daß
Christus, um den Jüngern sichtbar werden zu können, besondere Er-
scheinungsweisen annahm, in denen der durch den verklärten Leib
hindurchkrechende Gottesglanz enthalten war.
458 Die Auferweckung Christi S 158

Achtes Kapitel
Kontinuität und Diskontinuität

Wenn indes die menschliche Natur Christi auch verwandelt wurde,


so ist sie doch nicht etwas völlig Neues. Sie ist das verwandelte
Alte. Jener Leib, der am Kreuze verblutete, in Tücher eingewickelt,
in das Grab gelegt, von Wächtern bewacht wurde, der ist es, welcher
durch den Heiligen Geist verklärt wurde. Zum Zeichen dessen, daß
die Apostel nicht ein Gespenst sehen, nicht eine trügerische Licht-
erscheinung haben, läßt er sie die Dichtigkeit seines Körpers emp-
finden. Sie legen die Finger in die Wunden seiner Hände, die Hand
in seine Seitenwunde, er spricht und ißt mit ihnen. An der Art, wie er
das Brot bricht, erkennen sie, daß er es ist. So wie er es am Abend in
Emmaus gemacht, hat er es immer gemacht (Lk 24, 30. 43). Das haben
sie so oft miterlebt. Der Auferstandene ist derselbe wie der Gekreu-
zigte. Aber er ist anders geworden. Er lebt leibhaftig in der Dimen-
sion der Transzendenz.
Johannes von Damaskus sagt über das Essen des Auferstandenen
(Darlegung des rechten Glaubens, 4. Buch, 1. Kap.; BKV 187): „Nach der Aufer-
stehung legte er alle Leiden: Vergänglichkeit, Hunger und Durst, Schlaf und Er-
müdung und dergleichen ab. Zwar kostete er auch nach der Auferstehung Speise,
aber nicht kraft eines Naturgesetzes — er hatte ja keinen Hunger —, sondern gemäß
der Heilsveranstaltung: Er wollte beglaubigen, daß seine Auferstehung Wirklichkeit
sei, daß es dasselbe Fleisch sei, das litt und auferstand.“

Neuntes Kapitel

Auferstehung und Heil

Die Auferstehung Jesu Christi hat einen christologischen und


einen soteriologischen Aspekt.
Was den ersten betrifft, so gewann Christus in der Auferweckung
selbst die höchste Vollendung. Nach der Schrift darf man die Auf-
erstehung als den Lohn für die Erniedrigung im Todesleiden ver-
stehen (Phil 2, 6—11), ja als Gegenstand des Verdienstes (Lk 24, 26).
Die von Christus in der Auferstehung erreichte Vollendung führt in
die Transzendenz hinüber. Auferweckung bedeutet für ihn nicht Rück-
kehr zum bisherigen Leben oder die Weiterführung dessen, was vor-
her war, sondern Verwandlung, Verwandlung in ein neues, unserer
Erfahrung unbekanntes, mit Endgültigkeit ausgestattetes Leben. Man
S 158 Auferstehung und Heil 459

darf sagen: Durch die Auferstehung erreichte das Todesopfer von


Golgotha seinen Sinn. Der Tod Jesu Christi ruht nicht in sich selbst,
er ist eine Bewegung auf den himmlischen Vater hin. In der Auf-
erweckung offenbart sich, daß der Vater das Opfer angenommen hat.
Die Auferweckung stellt sogar den Akt der himmlischen Opferannahme
dar. In der Auferweckung ist daher Jesus Christus durch die Himmel
hindurch in das Allerheiligste eingegangen (Hebr 4, 14; 9, 11f. 24).
Sowohl die Heilige Schrift als auch die Väter deuten vielfach an, daß
die Auferweckung die Erhöhung Jesu Christi darstellt.
Was den soteriologischen Aspekt betrifft, so gilt von der Auf-
erweckung das gleiche, was von Christi Tod gilt:
Auch die Auferstehung hat Christus als Haupt der Menschen
vollzogen. Denn es gab nichts an ihm, was bloß für ihn allein Be-
deutung hatte. Die Auferstehung ist daher ebenfalls ein Werk der Er-
lösung. Sie gehört ins Heilsmysterium hinein ($ 154). Gott wirkt das
Heil in geheimnisvollem, undurchdringlichkem Gnadenwalten durch
Kreuz und Auferstehung.
Zunächst wird am Auferstandenen selbst deutlich, was letztlich
die Erlösung ist. „Nicht nur, daß uns offenbar wird, wer Gott ist und
wer wir selbst, und was die Sünde, nicht nur daß der Weg zu neuem
Tun der Kinder Gottes gewiesen und die Kraft zum Beginnen und
Vollbringen gegeben wird; ja nicht einmal nur, daß die Sünde gesühnt
und so die Vergebung in ein Übermaß der Liebe und Gerechtigkeit
verwurzelt wird — sondern Größeres, oder richtiger gesagt, Leib-
haftigeres: Erlösung bedeutet, daß Gottes umschaffende Liebesmacht
unser lebendiges Sein erfaßt. Wirklichkeit also, nicht nur Idee, Ge-
sinnung, Richtung des Lebens. Erlösung ist der zweite Gottes-Einsatz
nach dem ersten der Schöpfung. Und was für ein Einsatz! Wenn je-
mand fragte: Erlösung, Erlösthaben, Erlöstsein — was ist das? Dann
müßte die Antwort lauten: Der auferstandene Herr. Er, in seinem leib-
haftigen Dasein, in seiner verklärten Menschheit — er ist die erlöste
Welt. Darum heißt er »der Erstgeborene aus aller Schöpfung«, »die
erste Frucht« und »der Anfang«. In ihm ist die Schöpfung in das
ewige Dasein Gottes hineingehoben. Und nun steht er in der Welt
als unzerstörbarer Beginn. Er wirkt als entzündete Glut, die weiter-
brennt; als Pforte, die in sich hineinzieht; als lebendiger Weg, der
ruft, zu betreten. Alles soll in ihn, den Auferstandenen, zur Teilnahme
an seiner Verklärung hineingezogen werden“ (R. Guardini, Der Herr,
Würzburg 1959 !1!, 558 £.).
460 Die Auferweckung Christi S 158

Ferner ist die Auferstehung Christi Einleitung und Bürgin unse-


rer eigenen (Apg 13, 37; 1 Kor 15, 21; Phil 3, 10f.; Jo 11, 25).
Nach dem eindeutigen Zeugnis der Schrift wird der Getaufte des
Todes und der Auferstehung Christi teilhaftig. Der Christusgläubige
gerät in der Taufe in die Wirksphäre Christi, in den Machtbereich
seines Todes und seiner Auferstehung. In der Auferstehung des Leibes
wird sich die Erlösung vollenden. „Alle werden in Christus das Leben
haben. Ein jeder in seiner Reihenfolge. Christus macht den Anfang,
dann kommen, die zu Christus gehören bei seiner Ankunft“ (1 Kor 15,
22 f.). Ja, der Getaufte ist in einem gewissen Sinne mit Christus schon
auferstanden. Paulus schreibt den Kolossern: „Mit ihm seid auch ihr
auferstanden durch den Glauben an die Macht Gottes, der ihn von den
Toten auferweckt hat“ (Kol 2, 12 f.). „In Christus Jesus hat er uns
auferweckt“ (Eph 2, 6; ebenso Bom 8, 2. 9). Diese Stellen bezeugen
also, daß der an Christus Glaubende schon auferstanden ist (siehe
auch die Vätertexte S. 448 ff.). Auf der anderen Seite wird die Auf-
erstehung als ein Ereignis der Zukunft hingestellt (Röm 8, 10f.;
2 Kor 5, 4). Ja, Paulus rechnet die Behauptung, die Auferstehung sei
schon erfolgt, zu dem verwerflichen, hohlen Geschwätz, das wie ein
Krebsgeschwür um sich frißt (2 Tim 2, 18). Wie lassen sich diese ver-
schiedenartigen Aussagen miteinander in Einklang bringen? Man wird
sagen dürfen: Nach Paulus wird in demjenigen, der sich durch Glau-
ben und Taufe mit Christus verbindet, ein Lebenskeim eingesenkt, der
sich in der Auferstehung am Jüngsten Tage zur vollen Gestalt ent-
faltet. Der Glaubende ist durchherrscht vom auferstandenen Herrn
(Gal 2, 20). Aber das Leben, das in ihn hineingesenkt ist, bleibt ver-
borgen bis zur Ankunft Christi (Kol 3, 4). Er muß daher durch das
Kreuz der irdischen Pilgerschaft hindurchgehen. Das war der große
Irrtum des Hymenäus und Philetus, zweier Christen in der Gemeinde
des Timotheus, daß sie um den Ernst des Kreuzes nichts wissen woll-
ten und von einem Leben der Herrlichkeit schon in den Erdentagen
träumten. Der Christ ist auferstanden, weil Auferstehungskräfte in
ihm wirken. Er lebt aber erst in der Hoffnung auf die Auferstehung,
weil die Offenbarung der Erlösungsherrlichkeit an seinem Leibe noch
aussteht.
Nicht bloß der Mensch, auch die ganze Erde, das All nimmt an
der Auferstehung Christi teil. Die Erde wurde des Menschen wegen
der Vergänglichkeit unterworfen. In der Auferstehung Christi wurden
aber Kräfte in sie eingesenkt, welche zu einem Neuen Himmel und zu
einer Neuen Erde führen, nicht in naturhaftem Wachstum, sondern
§ 158 Auferstehung und Heil 461

durch gnadenvolles Eingreifen Gottes (Bom 8, 9 ff. Näheres in der


Gnadenlehre und in der Lehre von den Letzten Dingen, Bd. III 2 und
de
Die Auferstehung ist der Anfang der Weltverklärung. Sie hat
Vollendungsfunktion sowohl für die menschliche Geschichte als auch
für die gesamte Schöpfung. Geschichte und Universum hängen ja so
zusammen, daß, was in der einen Dimension geschieht, auch die
andere berührt. Die Geschichte spielt sich nicht jenseits der außer-
menschlichen Schöpfung, sondern in dieser und durch diese ab. Aber
umgekehrt hat auch das Universum seinen Sinn in der menschlichen
Geschichte. (So ist es infolge des ontologischen Zusammenhangs zwi-
schen dem All und dem Menschen sinnvoll, wenn der Mensch sich
das All anzueignen sucht.) Die in der Auferstehung und Verklärung
Jesu Christi begonnene Verklärung der Schöpfung wirkt ihre Dynamik
aus an den Menschen und durch sie hindurch an dem All.
Erst in der Verklärung der Geschichte, d.h. der Menschen, und
des Kosmos integriert sich die Auferstehung Jesu Christi zur Ganz-
heit des Heiles. Sowohl der Tod von Golgotha als auch die zu ihm
gehörende Auferweckung sind hingeordnet auf die Teilnahme der
Menschen (Kol 2, 12). Dem Tun Jesu Christi fehlt etwas (nicht an
innerer Heilskraft, sondern in geschichtlicher und kosmischer Durch-
führung), solange die Menschen nicht daran teilnehmen. Deren Teil-
nahme erst offenbart und schafft jenen Zustand, in welchem Christus
heilshaft real und nicht bloß heilshaft intentional die Mitte der Schöp-
fung ist, und darüber hinaus jene Weltgestalt, in welcher Gott der
Vater durch die Hingabe Jesu Christi an ihn alles in allem sein wird
(1 Kor 15, 27£.).
Die Auferstehung Jesu Christi entfaltet eine urbildhafte und eine
dynamische Funktion für die Geschichte und für das Universum. Man
kann ihr allerdings nicht jene Genugtuungs- und Sühnefunktion zu-
schreiben, welche dem Tode Jesu Christi zukommt. Sie ist jedoch mit
dem Genugtuungs- und Sühnetod Jesu Christi unlöslich zur Ganzheit
des Heilsgeheimnisses verbunden. Ihre Heilsfunktion wird anschau-
lich, wenn wir den mit ihr zur Einheit verbundenen Tod unter dem
Gesichtspunkt des Sieges über Sünde, Tod, Teufel und Gesetz ver-
stehen (vgl. diesen Bd. $ 156). In der Auferstehung wird dieser Sieg
offenbar, ja, die Auferstehung selbst stellt den Siegesakt dar (vgl.
Offb 3, 21).
462 Die Himmelfahrt und die Erhöhung Christi § 159

8 159
Die Himmelfahrt und die Erhöhung Christi
Es ist Glaubenssatz: Christus ist mit Leib und Seele in den Him-
mel aufgefahren und sitzet zur Rechten des Vaters (alle Symbola;
D 1—39).
Der Glaubenssatz enthält eine Doppelaussage: Er bekennt das Er-
eignis der Himmelfahrt und den Zustand bzw. das Leben des er-
höhten Christus in der Teilnahme an der Macht und Herrlichkeit
Gottes. Die beiden Elemente gehören auf das engste zusammen, in-
sofern der Sinn der geschichtlich-ereignishaften Himmelfahrt die Er-
höhung Jesu Christi ist.

Erstes Kapitel
Die Heilige Schrift
In der Heiligen Schrift begegnet uns die Bezeugung der kirch-
lichen Doppelaussage, der Aussage nämlich von dem Ereignis der
Auffahrt in den Himmel und der Tatsache von Christi Erhöhung.
Christus hat seine Heimkehr zum Vater vielfach vorausgesagt.
Dies wird namentlich vom Johannesevangelium berichtet (z. B. Jo 6,
63; 14, 2; 16, 28; 20, 17). Als Christus sich selbst als Lebensbrot ver-
heißen und sein Fleisch und Blut als Speise und Trank bezeichnet
hatte, versuchte er das Ärgernis, das viele Jünger an seiner Rede
nahmen, dadurch zu beheben, daß er ihren Blick von der irdischen
zur geistlichen Daseinsweise hinrichtete. Im vergeistigten Leibe, so
versicherte er ihnen, werden sie den Menschensohn dahin auffahren
sehen, wo er vordem war (Jo 6, 62f.). Dieser Blick in die Zukunft
impliziert, daß Christus in der Herrlichkeit des Vaters lebte, bevor
er als Fleisch Gewordener (Jo 1, 14) in die menschliche Geschichte
eintrat, daß aber die Stunde kommen wird, in welcher er auch die
von ihm angenommene menschliche Natur in das Leben der Herr-
lichkeit beim Vater hineinnehmen wird (vgl. Jo 17, 5). In den Ab-
schiedsreden gab Christus den von Trauer erfüllten Jüngern den
Trost, daß er, wenn er zum Vater heimkehren werde, ihnen Woh-
nungen bereiten und sie dorthin holen werde, wo er selbst beim
Vater weile (Jo 14, 2f. 28). Voraussetzung für ihren eigenen Einzug
in die vom erhöhten Herrn bereiteten Wohnungen ist ihre Teilnahme
am Heiligen Geiste. Diesen aber kann Christus nicht senden, bevor
er zum Vater heimgegangen, d.h. bevor er in das Leben der himm-
lischen Herrlichkeit aufgenommen worden ist (Jo 16, 7£.).
S 159 Die Heilige Schrift 463

Dem Menschensohn gebührt es, zur Rechten des Vaters zu sitzen,


d.h. an der Macht Gottes teilzunehmen. Mk überliefert in seinem
Bericht über den Prozeß Jesu vor dem hohen Rat, daß Jesus auf die
Frage des Hohenpriesters, ob er der Messias sei, die Antwort gab
(Mk 14, 62): „Ich bin es, und ihr werdet den Menschensohn sehen
sitzend zur »Rechten der Kraft, (Ps 110 [109], 1) und »kommend mit
den Wolken des Himmels« (Dn 7, 13). Mit diesen Worten, in denen
Christus mit Messiasformulierungen aus dem AT sich selbst als den
verheißenen Messias bekennt, weist er zugleich hin auf die kommende
Verherrlichung (siehe Mt 26, 64).
Was Christus in solchen Worten vorhersagte, haben die Jünger
in leibhaftiger Wirklichkeit erlebt. In der letzten Erscheinung, welche
ihnen der auferstandene Herr zuteil werden ließ, erfüllte sich die
Zukunftsvorhersage. Das Ereignis wird in der Apostelgeschichte be-
richtet. Hier (Apg 1, 6—12) heißt es nämlich so: „Sie waren also
mit ihm zusammen. Da fragten sie ihn: »Herr, richtest du in
dieser Zeit das Reich Israel wieder auf?« Er antwortete ihnen:
»Euch kommt es nicht zu, Zeit und Stunde zu kennen, die der Vater
in seiner Macht festgelegt hat. Ihr werdet vielmehr die Kraft des
Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommt, und sollt
meine Zeugen sein in Jerusalem, in ganz Judäa und Samaria, ja bis
an die Grenzen der Erde«. Nach diesen Worten wurde er vor ihren
Augen emporgehoben. Eine Wolke entrückte ihn ihren Blicken. Wäh-
rend sie noch unverwandt zum Himmel aufschauten, wie er hinging,
standen zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen. Sie sprachen:
»Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel
hinauf? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen
ist, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel auf-
fahren schen, Da kehrten sie von dem Berge, der Ölberg heißt und
nahe bei Jerusalem liegt, nur einen Sabbatweg davon entfernt, nach
Jerusalem zurück.“ Nach diesem Text nimmt Christus endgültig, aller-
dings nur für die Dauer dieser Weltzeit, Abschied von den Seinen.
Sie werden ihn nicht mehr sehen. Die Zeit der Erscheinungen und
des Sehens ist zu Ende. Die Jünger müssen in das vom Heiligen Geist
erhellte Dunkel des Glaubens eintreten und das ihnen aufgetragene
Werk in der Geschichte tun.
Was der Evangelist Lukas in der Apostelgeschichte erzählt, fin-
den wir in einer wesentlich kürzeren Formulierung auch in seinem
Evangelium. Hier sagt er: „Dann führte er sie hinaus, Bethanien zu,
erhob seine Hände und segnete sie. Und es begab sich, während er sie
464 Die Himmelfahrt und die Erhöhung Christi S 159

segnete, schied er von ihnen und wurde in den Himmel aufgenom-


men. Und sie fielen vor ihm nieder und kehrten mit großer Freude
nach Jerusalem zurück und waren beständig im Tempel und priesen
Gott“ (Lk 24, 50—53). Im sogenannten kanonischen Markusschluß
werden die auf den Tod Christi folgenden Ereignisse in einer knappen
Aufzählung folgendermaßen genannt: „Nachdem er aber in der Frühe
am ersten Wochentage auferstanden war, erschien er zuerst der Maria
von Magdala, aus der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Jene
ging hin und verkündigte es denen, die mit ihm zusammengewesen
waren, (und) die (nun) klagten und weinten. Und als jene hörten,
daß er lebe und von ihr gesehen worden sei, glaubten sie es nicht.
Darnach aber offenbarte er sich zweien aus ihnen auf der Wanderung
in anderer Gestalt, als sie aufs Land gingen. Und jene gingen hin und
verkündigten (es) den‘ übrigen; aber auch jenen glaubten sie nicht.
Später offenbarte er sich den Elfen selbst, während sie bei Tische la-
gen, und schalt ihren Unglauben und ihre Herzenshärte, weil sie
denen, die ihn als Auferstandenen geschaut hatten, nicht geglaubt
hatten. Und er sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und verkün-
digt das Evangelium jeglicher Kreatur. Wer glaubt und sich taufen
läßt, wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt
werden. Diese Zeichen werden aber denen folgen, die glauben: in
meinem Namen werden sie Dämonen austreiben und wenn sie etwas
Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden, Kranken werden sie
die Hände auflegen, und sie werden gesund werden. Nachdem nun der
Herr Jesus zu ihnen geredet hatte, »wurde er emporgehoben in den
Himmel, (2 [4] Kg 2, 11) und »setzte sich zur Rechten Gottes« (Ps 110
[109] 1). Jene aber zogen hinaus und predigten überall, wobei der Herr
mitwirkte und das Wort durch begleitende Zeichen bekräftigte“ (Mk
16, 9—20). Die Art, wie hier die einzelnen Vorgänge aneinandergereiht
werden, zeigt, daß nicht Unbekanntes erzählt, sondern schon Be-
kanntes in Erinnerung gerufen werden will.
Die Bezeugung der geschichtlich-ereignishaften Aufnahme Chri-
sti durch den Vater will nicht etwa eine Entrückung schildern, wie sie
im AT Henoch und Elias zuteil wurde, sondern die Gewährung der
Teilnahme an der Herrschaftsgewalt Gottes des himmlischen Vaters
zum Ausdruck bringen. Der Vorgang der Himmelfahrt Christi be-
wegt sich in der Dimension des antiken Weltbildes. Dies bedeutet
keineswegs eine Bestätigung dieses Weltbildes durch die Offenbarung
selbst bzw. durch Christus. Nach dem antiken Weltbild, in welchem
sich die gesamte Wirklichkeit stockwerkartig aufbaut (vgl. Bd. I § 41),
S 159 Die Heilige Schrift 465

ist der Sitz der Götter oben, der Ort der Dämonen unten. In der Geste
des Emporschwebens bedient sich Christus des antiken Weltbildes,
um einen von diesem völlig verschiedenen und daher von ihm ab-
trennbaren Vorgang auszudrücken. Man würde der Realistik der von
den Jüngern erlebten Situation nicht gerecht, wenn man in dem Zeug-
nis der Apostelgeschichte selbst nur eine bildhafte Formel für die
Erhöhung Christi zur Herrlichkeit Gottes sähe, wenn man also die
Worte der Apostelgeschichte rein existenziell interpretieren würde.
Man wird vielmehr das reale Emporschweben annehmen und in diesem
ein Symbol für ein anderes geheimnisvolles Ereignis bzw. für einen
geheimnisvollen heilshaften Zustand sehen müssen, nämlich für die
Lebensform, welche Jesus Christus in der Aufstehung gewonnen hat.
Die existenzielle Interpretation hat also nicht im Worte des Lukas,
sondern in dem durch sein Wort bezeugten, von den Aposteln wahr-
genommenen Ereignis anzusetzen.
Wenn Christus emporschwebte, wenn also das Oben und nicht
das Unten in den Blick tritt, so soll die Andersartigkeit und zwar im
Sinne der Überlegenheit dargestellt werden, welche dem Leben des
Erhöhten im Unterschied zu dem Leben in unserer Erfahrung inner-
halb der raum-zeithaften Welt eigen ist.
Wie sehr es der Heiligen Schrift auch in der Schilderung des Vor-
gangs des Emporschwebens auf das Leben in der Herrlichkeit des
Vaters ankommt, wird schon in der Erzählung selbst angedeutet. Die
Wolken, die Männer in weißen Gewändern, ja, auch das Wort Himmel
verweisen auf die Anwesenheit Gottes (s. Bd. I $ 41). Außerdem wird
durch eine Reihe von Texten in der gleichen Apostelgeschichte die
Erhöhung Christi ausdrücklich beschrieben. So sagt z.B. Petrus in der
Pfingstpredigt (Apg 2, 32—36): „Diesen Jesus hat Gott auferweckt;
dessen sind wir alle Zeugen. Er ist dann durch die Rechte Gottes er-
höht worden und hat vom Vater den verheißenen Heiligen Geist
empfangen und nun das ausgegossen, was ihr da hört und seht. Denn
nicht David ist in den Himmel aufgefahren; sagt er doch selber: »Es
sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis
ich deine Feinde als Schemel unter deine Füße lege« (Ps 110 [109], 1).
Mit aller Sicherheit erkenne also das ganze Haus Israel, daß Gott ihn
zum Herrn und Messias gemacht hat, eben diesen Jesus, den ihr ans
Kreuz geschlagen habt.“ In einer anderen Predigt erklärte Petrus
(Apg 3, 18—21): „Gott aber hat das, was er durch den Mund aller
Propheten vorherverkündet hat, daß sein Messias leiden müsse, auf
diese Weise in Erfüllung gehen lassen. Tuet nun Buße und bekehret

30 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


466 Die Himmelfahrt und die Erhöhung Christi S 159

euch, auf daß eure Sünden getilgt werden, damit die Zeiten der Er-
quickung vom Angesicht des Herrn herkommen und er den für euch
bestimmten Messias sende. Ihn muß der Himmel aufnehmen, bis zu
den Zeiten, wo alles wiederhergestellt wird, wovon Gott durch den
Mund seiner heiligen Propheten von alters her gesprochen hat“ (vgl.
Apg 5, 31f.). Dort, zur Rechten Gottes sah Stephanus den Menschen-
sohn als sich ihm die Herrlichkeit Gottes zeigte (Apg 7, 55f.). Wäh-
rend die Texte, welche den Menschensohn an die Rechte Gottes ver-
weisen, von seinem Sitzen zur Rechten Gottes sprechen (siehe etwa
Lk 22, 69 nach Ps 110 [109], 1) sieht ihn Stephanus in der ihm zuteil
gewordenen Ekstase nicht sitzend, sondern stehend, so, als ob er aufge-
standen wäre, um seinem Zeugen Mut zuzurufen und ihn zu sich
in den Himmel einzuladen (A. Wikenhauser, Die Apostelgeschichte,
Regensburg 19563, 92). -
Was uns in der Apostelgeschichte begegnet, wird von allen übri-
gen neutestamentlichen Schriften als Urbestand des Heilsgeschehens
bezeugt, nicht zwar das Ereignis des Emporschwebens, wohl aber die
Existenz Christi in Macht und Herrlichkeit beim Vater (Mt 22, 44; 26,
64; Röm 1, 4; 8, 34; 1 Kor 15, 25 f.; vgl. O. Kuss, Der Römerbrief,
Regensburg 1957, 8 f.), und darauf kommt es an. Von besonderer Be-
deutung ist der schon mehrfach erwähnte Text Phil 2, 9 ff. In ihm
wird der Eingang Christi in die himmlische Existenzweise als In-
thronisationsvorgang, als Verleihung eines hohen Namens, als Ein-
setzung zum Kyrios, zum Herrn, d. h. als die Verleihung der Herr-
schaft über die ganze menschliche Geschichte und über das Univer-
sum beschrieben. In einer das ganze Heilswerk, ja die gesamte Heils-
geschichte umgreifenden Weite und Tiefe bezeugt die Einsetzung
Christi in die himmlische Machtexistenz der Hebräerbrief: (Hebr 1,
1ff.) „Vielmals und vielfacherweise hat einst Gott zu den Vätern ge-
sprochen durch die Propheten, am Ende dieser Tage hat er zu uns
gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls gesetzt, durch
den er auch die Welten erschaffen hat. Er, der ein Abglanz seiner
Herrlichkeit und ein Abbild seines Wesens ist, trägt das All durch
sein machtvolles Wort. Nachdem er die Reinigung von den Sünden
vollbracht, »setzte er sich zur Rechten« (Ps 110 [109], 1) der Majestät
in der Höhe und ist dadurch soviel erhabener geworden als die Engel,
wie der Name, den er geerbt hat, den ihrigen überragt“ (siehe auch
Hebr 1, 13). Der Hebräerbrief beschreibt das Kreuzesopfer Christi
selbst als den Eintritt in den Himmel. Nach Hebr. 9, 11 f. ist Christus
durch seine Selbsthingabe im Kreuzestod ein für allemal in das himm-
$ 159 Die Heilige Schrift 467

lische Heiligtum eingegangen. Sein Todesopfer hat ewigfortwirkende


Kraft und vermittelt daher den Menschen die endgültigen Heilsgüter.
„Christus ging nicht ein in ein Heiligtum, das von Menschenhänden
gemacht war, ein Abbild des wahren Heiligtums, sondern in den
Himmel selbst, um nunmehr vor dem Angesichte Gottes selbst für
uns zu erscheinen“ (Hebr 9, 24; J. Reuss, Der Brief an die Hebräer,
Würzburg 1952, 62. O. Kuss, Der theologische Grundgedanke des
Hebräerbriefes. Zur Deutung des Todes Jesu im Neuen Testament, in:
O. Kuss, Auslegung und Verkündigung I, Regensburg 1963, 281—328).

In einem christologischen Hymnus hat der 1. Petrusbrief die Er-


höhung Christi beschrieben. In 1 Petr 3, 18—22 heißt es: „Denn auch
Christus ist einmal für die Sünden gestorben, als Gerechter für Unge-
gerechte, damit er euch zu Gott hinführe, getötet nach dem Fleische,
aber lebendig gemacht nach dem Geist. So ging er auch hin und pre-
digte den Geistern im Gefängnis, die einst ungehorsam waren, als
Gottes Langmut zuwartete in den Tagen des Noa, während die Arche
gebaut wurde, in der nur wenige, nämlich acht Seelen, durch Wasser
hindurch gerettet wurden. Als dessen Ebenbild rettet euch jetzt die
Taufe, die nicht ein Abtun körperlichen Schmutzes ist, sondern die
Bitte zu Gott um ein gutes Gewissen kraft der Auferstehung Jesu
Christi, der zur Rechten Gottes ist, aufgefahren in den Himmel, wäh-
rend ihm Engel, Gewalten und Mächte unterworfen sind.“ In dem
letzten Satze wird betont, daß Christus, da er von der Erde zum Him-
mel aufstieg, durch die Regionen der Mächte gelangte, welche nach
dem antiken Weltbild zwischen Himmel und Erde wohnen (Eph 2, 2).
Diese müssen seine Herrschaft anerkennen. Sie ist endgültig und
unvergänglich. Christus selbst „erfüllt“ nunmehr das All, da die es
einst erfüllenden Kräfte wie „in einem großen Triumphgang von ihm
abgetan wurden“. Er ist der Herr der Welt (vgl. 1 Kor 15, 24; Eph 1,
20; 2, 1—10; 4, 10; Phil 2, 9 ff.; Kol 1, 10 f.; 2, 15; Offb 3, 2; siehe
K. H. Schelkle, Die Petrusbriefe, Freiburg 1961, 109f. H. Schlier,
Mächte und Gewalten im NT, Freiburg i. Br. 1958). Das ist das große
„Geheimnis der Frömmigkeit: Er ist erschienen im Fleische, beglau-
bigt durch den Geist, kundgeworden den Engeln, verkündet den Völ-
kern, gläubig angenommen in der Welt, erhoben zur Herrlichkeit“
(1 Tim 3, 16). Welches Gewicht man der Erhöhung des Herrn beilegte,
ergibt sich daraus, daß der anstelle des aus dem Apostelkreis ausge-
schiedenen Judas zu Wählende auch Zeuge der Erhöhung Christi sein
mußte (Apg 1, 21 f.; vgl. 5, 30 ff.; N. Brox, Zeuge und Märtyrer, Mün-

30*
Die Himmelfahrt und die Erhöhung Christi S 159
468

chen 1961, 44f. J. Schierse - J. Ratzinger, Himmelfahrt Christi, in:


Lex. f. Theol. u. Kirche, Freiburg 1960?, V, 358—362).

Zweites Kapitel
Die Väter

Von den Vätern wird Christi Himmelfahrt häufig als Vorweg-


nahme unserer eigenen, als Grund unserer Hoffnung und Zuversicht,
als Trost unseres Pilgerlebens, als das Urbild unserer und der Welt
Vollendung gefeiert.
Nach dem Barnabasbrief begehen wir deshalb den Sonntag in Freude,
weil an ihm auch Jesus von den Toten auferstanden und, nachdem er sich geoffen-
bart hatte, in den Himmel aufgestiegen ist (15. Kap: BKV, 99). Leo der Große
(73. Predigt, 4. Abschn.; BKV IL. 206 f.) schreibt: „Während der ganzen Zeit, die zwi-
schen der Auferstehung des Herrn und seiner Himmelfahrt liegt, hat ... die Vorsehung
Gottes für die Ihrigen gesorgt, sie belehrt und sich ihrem Auge und ihrem Herzen
geoffenbart: Sie sollten erkennen, daß unser Herr Jesus Christus, der wahrhaft Mensch
geworden war, der wahrhaft litt und starb, auch wahrhaft von den Toten aufer-
standen sei. Dadurch wurden die hochseligen Apostel und alle Jünger, die über den
Tod am Kreuze bestürzt und in ihrem Glauben an die Auferstehung unsicher ge-
worden waren, derart durch die nun sichtbare Wahrheit gefestigt, daß sie nicht
Trauer, sondern große Freude empfanden, als der Herr zu den Himmelshöhen
emporstieg. Und in der Tat hatte die heilige Jüngerschar unsagbar viele Gründe,
sich zu freuen, als vor ihren Augen die menschliche Natur hoch über allen Ge-
schöpfen des Himmels ihren Platz einnahm, um nunmehr über den Chören der
Engel und den erhabenen Erzengeln zu stehen und erst auf dem Sitze des ewigen
Vaters das Endziel ihrer Erhebung zu finden und auf diesem Throne die Herrlich-
keit dessen zu teilen, mit dessen Wesen sie durch den Sohn in Verbindung stand.
Weil also die Himmelfahrt Christi unsere eigene Erhebung bedeutet und unser Leib
hoffen kann, dorthin berufen zu werden, wohin ihm des »Hauptes Herrlichkeit«
vorangegangen ist, so wollen wir, Geliebteste, voll geziemender Freude frohlocken und
diese Freude durch gottgefälligen Dank zum Ausdruck bringen! Heute ist uns nicht
nur der Besitz des Paradieses bestätigt worden, heute sind wir auch durch Christus
in die Höhen des Himmels eingezogen. Wertvoller ist das, was uns durch die un-
beschreibliche »Gnade des Herrn« zuteil wurde, als was wir durch des »Teufels
Neid« verloren hatten. Jene, die der giftige Feind aus der Glückseligkeit ihres ur-
sprünglichen Wohnsitzes vertrieb, hat Gottes Sohn sich einverleibt und zur Rechten
des Vaters gesetzt, mit dem er lebt und waltet in der Einheit des Heiligen Geistes
als Gott in alle Ewigkeit.“
In der 74. Predigt (Abschn. 2ff.; BKV II, 208ff.) sagt er: „Damit wir nun,
Geliebteste, dieser Seligkeit (welche Christus Jo 20, 5 verheißt) teilhaftig werden
könnten, ist unser Herr Jesus Christus am vierzigsten Tage nach seiner Auferstehung
vor den Augen seiner Jünger in den Himmel erhoben worden, nachdem er alle
Anordnungen getroffen hatte, welche die Verkündigung des Evangeliums und die
Gnadengeheimnisse des Neuen Bundes erheischten. Er hörte auf, leibhaftig unter
8 159 Die Väter 469

uns zu weilen, da er zur Rechten des Vaters bleiben wollte, bis die Zeiten vor-
übergegangen wären, die Gott im voraus für die Mehrung der Kinder der Kirche
festgesetzt hatte, bis er in demselben Fleische, in dem er aufgefahren war, wieder
kommen würde, um Gericht zu halten über die Lebenden und Toten. Was also
an unserem Erlöser sichtbar war, ist übergegangen in die Sakramente. Damit
unser Glaube verdienstlicher und fester würde, ist an die Stelle der »sinnlichen
Wahrnehmung« die »Lehre« getreten, deren gewichtigem Worte die von himmlischen
Strahlen erleuchteten Herzen der Gläubigen folgen sollen. Diesen Glauben, der
durch die Himmelfahrt des Herrn vermehrt und durch die Sendung des Heiligen
Geistes gekräftigt wurde, vermochten weder Fesseln noch Kerkerstrafen, weder Ver-
bannung noch Aushungerung, weder Verbrennung noch Zerfleischung durch wilde
Tiere, noch die von seinen Verfolgern angeordneten, ausgesucht grausamen Todes-
arten zu erschüttern. Auf der ganzen Welt wetteiferten Männer und Frauen, un-
mündige Knaben und zarte Mädchen, um für diesen Glauben ihr Blut zu vergießen.
Dieser Glaube hat böse Geister gebannt, Krankheiten geheilt und Gestorbene zum
Leben erweckt. Darum wurden auch die heiligen Apostel, die angesichts des furcht-
baren Leidens des Herrn in Verwirrung geraten waren und auch seine tatsächliche
Auferstehung nicht ohne Vorbehalt vernommen hatten, obwohl sie doch durch so
viele Wunder gestärkt und durch so viele Predigten belehrt worden waren, erst
durch seine Himmelfahrt so in ihrem Glauben gefördert, daß für sie alles, was ihnen
vorher Furcht eingeflößt hatte, nunmehr ein Grund zur Freude wurde. All ihre
Blicke waren jetzt zu dem emporgerichtet, der als Gott zur Rechten des Vaters
thront. Nicht mehr hinderte sie die Schranke ihres leiblichen Auges, den in ihrem
Geiste zu schauen, der sich weder durch sein Herniedersteigen zur Erde vom Vater
entfernt, noch durch seinen Aufstieg zum Himmel von seinen Jüngern getrennt
hatte. Als der Menschensohn, der Sohn Gottes, zur Herrlichkeit der Majestät des
Vaters zurückkehrte, zeigte er sich, Geliebteste, in größerem und überirdischerem
Glanze. In wunderbarer Weise begann jetzt der als Gott uns näher zu sein, der als
Mensch sich weiter von uns entfernt hatte. Jetzt begann auch der Glaube, dem ein
tieferer Einblick zuteil geworden war, die mit dem Vater wesensgleiche Natur des
Sohnes besser zu erkennen. Von nun an bedurfte es nicht mehr der leiblichen Be-
rührung jener Wesenheit in Christus, durch die dieser kleiner ist als der Vater;
denn wenn auch die menschliche Natur des nunmehr verklärten Leibes bestehen
blieb, so wurden doch die Gläubigen jetzt dazu aufgefordert, den eingeborenen Sohn
Gottes, der seinem Vater gleich ist, nicht mit den Händen, sondern mit dem Geiste
zu fassen. Aus diesem Grunde sprach auch der Herr nach seiner Auferstehung zu
Maria Magdalena, die die Kirche verkörpert, als sie auf ihn zueilte, um ihn zu
berühren: »Taste mich nicht an; denn noch bin ich nicht aufgefahren zu meinem
Vater!« Das heißt: »Ich will nicht, daß du zu mir im Fleische kommst, und auch
nicht, daß du mich mit den Sinnen des Körpers erkennst. Zu Erhabenerem behalte
ich dich vor und Größeres bereite ich dir. Wenn ich zu meinem Vater aufgefahren
bin, wird deine Berührung erst eine vollkommenere und richtigere sein, da du dann
fassen wirst, was du nicht betastet, und glauben, was du nicht siehst.« Während
nun die Jünger voll staunender Verwunderung dem in den Himmel auffahrenden
Herrn nachblickten, erschienen vor ihnen in wunderbar glänzenden Gewändern zwei
Engel, die also zu ihnen sprachen: »Ihr Männer von Galiläa, was stehet ihr da und
schauet gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen
470 Die Himmelfahrt und die Erhöhung Christi S 159

worden ist, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn in den Himmel habt eingehen
sehen.« Durch diese Worte wurden alle Kinder der Kirche belehrt zu glauben, daß
Jesus Christus in demselben Fleische, in dem er aufgefahren war, sichtbar wieder-
kommen wird. Auch sollte dadurch jeder Zweifel benommen werden, daß dem alles
untertan ist, dem schon bei Beginn seiner Menschwerdung die Engel dienstbar waren!
Wie nämlich ein Engel der seligsten Jungfrau die Empfängnis Christi vom Heiligen
Geiste verhieß, so machten auch himmlische Chöre den Hirten die Geburt des Hei-
landes aus einer Jungfrau kund. Wie überirdische Boten zuerst bezeugten, daß
Jesus von den Toten auferstanden sei, so erklärten auch dienende Engel, daß er in
seinem Fleische wiederkommen werde, um die Welt zu richten. Daraus sollen wir
erkennen, welch gewaltige Mächte dem künftigen Richter zur Seite stehen werden,
wenn schon so große Mächte ihm in dem Augenblicke dienten, wo er selbst dem
Gerichte entgegenging!“
Firmicus Maternus (Vom Irrtum der heidnischen Religionen, 24. Ab-
schnitt; BKV II, 64ff.): „Christus, der Sohn Gottes, hat all das erduldet, um das
Menschengeschlecht von den Schlingen des Todes zu erlösen, um das Joch der
harten Gefangenschaft zu beseitigen, um den Menschen dem Vater zurückzugeben,
um nach Sühne der Beleidigung den Menschen mit Gott in glücklicher Versöhnung
zu verbinden, um die Frucht der verheißenen Auferstehung durch sein eigenes
Beispiel zu zeigen. Es hat der Sohn Gottes getan, was er vorher versprochen hatte,
er schloß die Tore der Unterwelt und warf mit Überwindung des Todes den harten
Gesetzeszwang nieder. In drei Tagen wurde von ihm die Schar der Gerechten ge-
mustert und versammelt, damit nicht länger über sie ein ungerechter Tod herrsche,
damit nicht das Verdienst der Gerechten infolge langer Verzweiflung zusammen-
sinke. Er zerbrach die ewigen Riegel; die ehernen Tore fielen auf Christi Geheiß
zusammen. Siehe, es erbebte die Erde und, erschüttert in ihren Grundfesten, erfuhr
sie die Macht des gegenwärtigen Christus ... der Gott Christus ruft nach Über-
windung des Todes den Menschen, den er angenommen, zum Himmel zurück.“
JohannesvonDamaskus (Darlegung des rechten Glaubens, 4. Buch, 2. Kap.;
BKV, 188) sagt: „Wir sagen: Christus sitzet körperlich zur Rechten Gottes des
Vaters; allein wir lehren keine örtliche Rechte des Vaters. Denn wie sollte der Un-
umschriebene eine örtliche Rechte haben? Eine Rechte und Linke haben ja nur um-
schriebene Wesen. Nein, unter der Rechten des Vaters verstehen wir die Herrlich-
keit und die Ehre der Gottheit, in welcher der Sohn Gottes als Gott und wesens-
gleich mit dem Vater von Ewigkeit existiert und in der er nun, nachdem er in den
letzten Zeiten Fleisch geworden, auch körperlich sitzt, da sein Fleisch mitverherr-
licht ist. Denn er wird mit seinem Fleische in einer Anbetung von der ganzen
Schöpfung angebetet.“
Von den durch die Religionsgeschichte festgestellten Apotheosen
der antiken Götterlegenden, in denen Menschen, z. B. Kaiser, zu gött-
licher Würde erhoben wurden, unterscheidet sich die Himmelfahrt
Christi gerade dadurch, daß in ihr die letzte Folgerung gezogen wurde
aus dem, was immer schon war, aus der Tatsache, daß die mensch-
liche Natur Christi seit der Menschwerdung des Sohnes Gottes in das
Leben Gottes hineingenommen war. In der Auferstehung wurde diese
bis dahin verborgene Tatsache offenbar, weil die Gottesherrlichkeit
S 159 Abwesenheit und Anwesenheit des erhöhten Christus 471

durch die menschliche Gestalt hindurchbrach. Christi menschliche


Natur wurde über die Gesetze des Raumes und der Zeit hinausge-
hoben. Sie paßte daher nicht mehr zu den vergänglichen Formen der
Erde. „Ihn mußte der Himmel aufnehmen, bis alles wieder hergestellt
ist, wie es von Gott von alters her durch den Mund seiner Propheten
vorherverkündet ist“ (Apg 3, 21; vgl. Thomas von Aquin, Summa
theologica III, Frage 57, 1).

Drittes Kapitel
Abwesenheit und Anwesenheit des erhöhten Christus

In dem Berichte der Apostelgeschichte, und nur in ihm, wird die


Zeit zwischen Auferstehung und Himmelfahrt auf vierzig Tage be-
grenzt. (Die vierzig Tage werden nur noch in einer sekundären Form
der Petrusrede Apg 10, 41 erwähnt.) Man kann fragen, wo sich Chri-
stus in den vierzig Tagen zwischen Auferstehung und Himmelfahrt
aufgehalten hat. Wir müssen darauf die Antwort geben, daß wir es
nicht wissen. Ja, man muß fragen, ob die Frage nach dem Aufenthalts-
ort zwischen Auferstehung und Himmelfahrt überhaupt sinnvoll ist.
Zunächst ist zu betonen, daß Christus bis zu der Himmelfahrt
den Seinigen mehrfach erschienen ist und mit ihnen die Angelegen-
heiten des Gottesreiches (Apg 1, 3) besprach. Man darf vermuten, daß
er ihnen die Heilsgeschichte, insbesondere seinen Kreuzestod als
Opfertod, die Auferweckung und die himmlische Existenzweise als
das Ziel der Geschichte und der gesamten Schöpfung erklärte. Die
Begegnungen der Jünger mit dem Auferstandenen dienten also der
Einführung in das Verständnis der neuen, durch Kreuz und Aufer-
stehung geschaffenen Welt- und Geschichtssituation. Zugleich verhal-
fen sie den Jüngern dazu, sich allmählich von der leiblichen Gestalt
Christi loszulösen und sich dem Glauben an den erhöhten Herrn zu-
zuwenden (vgl. Thomas von Aquin, Summa theologica III, Frage 55,
Ce Me
Für die gestellte Frage ist es aufschlußreich, daß die Himmel-
fahrt mit der letzten Erscheinung des Auferstandenen verbunden ist.
Sie bedeutet also das Ende der Christuserscheinungen. Dies aber be-
greift in sich, daß durch die Himmelfahrt nicht ein neuer Seinszu-
stand Christi geschaffen wurde, daß vielmehr aus der durch die Auf-
erstehung gewonnenen Existenzform gewissermaßen die Konsequen-
zen gezogen wurden. In der Auferstehung wurde Christus ein neues
Leben, ein Leben nämlich in Macht, Herrlichkeit und Unvergänglich-
472 Die Himmelfahrt und die Erhöhung Christi § 159

keit zuteil (vgl. 1 Kor 15; siehe § 158). Schon in der Auferstehung ge-
wann Christus das Leben, welches von dem Erfahrungsleben radikal
verschieden ist. Es war zwar der Gekreuzigte, welcher des Aufer-
stehungslebens teilhaftig wurde. So besteht zwischen der irdischen
und der himmlischen Existenz Christi unzerstörbare Kontinuität. Diese
aber wird durchdrungen von der Diskontinuität, welche zwischen dem
Irdischen und dem Himmlischen besteht. Das Himmlische ist dem
Irdischen gegenüber von' einer radikalen Transzendenz. In der Auf-
erstehung Jesu Christi ist das Entscheidende geschehen, insofern der
auferstandene Christus nicht mehr in den Formen des irdischen, der
raumzeitlichen Welt, sondern in neuen, geheimnisvollen, letztlich
jeder Beschreibung spottenden Formen lebt. Die Himmelfahrt be-
deutet die Bestätigung dessen, was sich in der Auferstehung Christi
ereignete. Man kann daher geradezu die Frage stellen, ob Auferste-
hung und Himmelfahrt nicht nur enge zusammenhängen, sondern ob
sie sachlich identisch sind. In der Heiligen Schrift finden sich in der
Tat Hinweise dafür, daß es sich nicht um zwei, sondern nur um ein
Ereignis handelt, so wenn Christus zu dem rechten Schächer sagt, daß
er noch heute bei ihm im Paradiese sein werde (Lk 23, 43). Auch die
Stelle „Mußte Christus nicht dieses leiden, und so in seine Herrlich-
keit eingehen“ (Lk 24, 26) scheint für die Identität zu sprechen. Das
gleiche gilt von dem Text Jo 20, 22. Nach ihm spendet Christus den
Aposteln den Heiligen Geist. Dies setzt aber seine Auffahrt zum Vater
voraus. Ja, nach dem Johannesevangelium beginnt der Verherr-
lichung Christi schon im Kreuzestod (Jo 3, 14; 12, 23—28. 32; 6, 62;
vgl. auch Kol 2, 15; Eph 2, 13ff.). Der Glaube vermag sie gerade in
der Erniedrigung am Kreuze wahrzunehmen (M. Meinertz, Theologie
des NT, Bonn 1950, I 211; II 290). In die gleiche Richtung weisen
Röm 1, 4; 8, 34; 1 Kor 15, 4f.; 1 Thess 1, 10; Mt 28, 18. Trotz dieser
Identifizierungstexte wird man indes zwischen Auferstehung und
Himmelfahrt unterscheiden müssen, insofern die Himmelfahrt, wie
soeben betont wurde, den Schlußstein für die Erscheinungen des Auf-
erstandenen setzt. Insofern sie die „Erhöhung“ des Herrn bedeutet,
ist sie von der Auferstehung nicht verschieden. Insofern sie mit dem
Ende der Erscheinungen zusammenfällt, ist sie von der Auferstehung
verschieden. Zwischen den beiden Ereignissen liegt ein zeitlicher Ab-
stand. Paulus legt in dem einheitlichen Heilskomplex, der mit den
Worten Auferstehung und Erhöhung bezeichnet wird, den Ton auf die
Auferstehung und entfaltet von da aus wie von einem Lebenszentrum
her seine Theologie. Der nur mittelbar von ihm stammende Hebräer-
§ 159 Abwesenheit und Anwesenheit des erhöhten Christus 473

brief legt den Nachdruck auf die Erhöhung und entwickelt seine
Theologie aus dieser Grundtatsache.
Es besteht kein zwingender Grund, die Realität der vierzig Tage
zu bezweifeln. Vierzig Tage hindurch ist Christus den Seinen auf
mannigfache Weise erschienen. Nachher geschah derartiges nicht
mehr. Man muß jedoch auch an den im AT vielfach hervortretenden
symbolischen Charakter der Zahl vierzig denken. Die Zahl 40 verweist
auf die vergängliche Welt und die Pilgerfahrt durch sie hindurch bis
zur Vollendung. Es ist die Zeit, da Christus noch nicht erschienen ist
und daher Mühsal und Not die ständigen Begleiter des zuversichtlich
in die Zukunft wandernden Gottesvolkes sind. So sind die „40 Tage“
zwar ein Begriff der Zeitrechnung, zugleich aber auch ein Bild für
die Qualität der Zeit, insofern sich in ihr das Verhältnis der Men-
schen zu dem verborgenen Gott vollzieht. Es ist denn auch aufschluß-
reich, daß sich Christus in einer vierzigtägigen Fastenzeit für das
öffentliche Wirken vorbereitet hat. Dieser Tatsache korrespondieren
die vierzig Tage, in denen Christus verborgen bei den Seinigen war,
und sich ihnen immer wieder zeigte, um sie in das Verständnis des
Reiches Gottes einzuführen.
Wenn die Himmelfahrt nicht eine neue Lebensform Christi be-
deutete, dann verliert die Frage nach dem Aufenthaltsort Christi zwi-
schen Auferstehung und Himmelfahrt ihren Sinn. Wenn die Heilige
Schrift auch in den Bildern der antiken Weltvorstellung spricht, so
gehört es doch nicht und kann nicht gehören zum Offenbarungsbe-
stand, daß es in der raumzeitlichen Welt einen bestimmten, für die
Existenz des auferstandenen Christus ausgesparten Ort gibt, an dem
er sich in jenen Tagen aufgehalten hätte, oder zu dem er in der
Himmelfahrt emporgefahren wäre. Eine solche Annahme würde
Offenbarung und Weltbild identifizieren und daher die Offenbarung
zur Dimension des Mythos schlagen. Es gibt auch keinen Bereich der
Schöpfung, welcher der verklärten Existenz Christi angemessener
wäre, als ein anderer. Wie schon in der Erörterung über die Aufer-
weckung Jesu Christi betont wurde, ist der verklärte Christus nicht
mehr den Gesetzen von Raum und Zeit unterworfen, ohne freilich
den Bezug zu Raum und Zeit verloren zu haben. Er ist weder allge-
genwärtig noch vielörtlich ($ 158). Er ist von der Welt abwesend, in-
sofern er in ihr nicht mehr in den Formen von Raum und Zeit an-
wesend ist. Dies ist jedoch nur eine relative Abwesenheit. Denn er
ist sogleich in ihr anwesend, insofern er den Bezug zur Welt nicht nur
nicht aufgegeben, sondern sogar intensiviert hat. Seine Anwesenheit
474 Die Himmelfahrt und die Erhöhung Christi § 159

ist eine ontologische, vor allem aber eine dynamische. Was die onto-
logische Anwesenheit betrifft, so ist sie für uns ein tiefes Geheimnis.
Wir können auf keine Weise sagen, wo Christus ist. Wir können
sein Verhältnis zu Raum und Zeit nicht rational erklären (siehe
H. Conrad-Martius, Die Zeit, München 1954. E. Hengstenberg, Der
Leib und die letzten Dinge, Regensburg 1954). Wir können nur sagen,
daß auch der verklärte Herr infolge der Materialität seines verherr-
lichten Leibes in irgendeinem Sinne raum- und zeitgebunden ist. Was
die dynamische Anwesenheit betrifft, so hat sie durch die Aufer-
weckung die höchste Steigerung erfahren, insofern Christus durch die
Verklärung, durch die Teilnahme an der Herrschergewalt und der
Heilsmacht Gottes an den Seinigen heilshaft wirkt bis zum Ende der
Zeit (Mt 28, 18; Hebr 4, 14; 6, 20; 7, 26 ff.; 9, 23 ff.). Er wirkt als das
Haupt, als das heilshafte Urwort und Ursakrament in der kirchlichen
Wortverkündigung und Sakramentenspendung, aber nicht nur an den
Gliedern der Kirche, sondern durch die Kirche als das Universalwort
und Universalsakrament auch an jenen, die nicht formell als Glieder
zu ihr gehören. Die Himmelfahrt des Herrn ist nicht einfach der
Schluß seiner irdischen Wirksamkeit in dem Sinne, daß nun das Werk
vollendet ist und seine Folgen abgewartet werden. Es findet vielmehr
auf einer anderen Ebene und in einer neuen Dimension seine Aktua-
lisierung statt, bis sich die im ewigen Heilsplan Gottes vorgesehene,
durch das irdische Tun Christi eingeleitete Vollendung realisiert. In
und durch Christus ist Gott der Vater selbst als heilshaft handelnder
in der Geschichte und in der Welt anwesend. Letztlich ist es der Vater,
der alles wirkt und daher auch das Wirken Christi wirkt. Es ist zu be-
achten, daß nach einer beträchtlichen Anzahl von Schrifttexten Chri-
stus aufgenommen und erhöht wurde (z.B. Lk 24, 51; Apg 1, 9ff.;
2, 33 ff.; Mk 16, 19). Vor allem ist es Paulus, der das Handeln des
Vaters betont. Daß in diesen passivischen Wendungen die Aktivität
Christi nicht ausgeschaltet, sondern vorausgesetzt wird, zeigen die
johanneischen Texte. In ihnen ist meist vom Aufsteigen Christi die
Rede (z.B. Jo 6, 62; 13, 3; 20, 17). Diese Dialektik löst sich dahin,
daß Christus nur tätig ist in vorbehaltlosem Gehorsam gegenüber dem
Heilsplan des Vaters, und darüber hinaus als der einzige Sohn sein
eigenes Wollen und Tun in einem ewigen Zeugungsakt vom Vater
empfängt (M. Meinertz, Theologie des NT, Bonn 1950, I 210).
§ 159 Eschatologische Sicht 475

Viertes Kapitel

Eschatologische Sicht

Die Vollendung wird dann eintreten, wenn Christus von dem


Himmel, in den er eingegangen ist, wiederkehrt. Auch dieser Vorgang
‘wird in der Heiligen Schrift mit einem der antiken Weltvorstellung
entlehnten Raumbilde ausgedrückt. In Wahrheit handelt es sich auch
hier der Sache nach um einen Existenzvorgang. Das Wiederkommen
Christi bedeutet die Offenbarung seiner seit der letzten Erscheinung
den Jüngern gegenüber verhüllten Macht und Herrlichkeit. Die in den
vierzig Tagen geschehenen Erscheinungen sind die ersten Phasen
dieser Schlußoffenbarung, welche die vollendete Offenbarung Christi
sein wird. Sie sind Auftakt und Ouvertüre. Auferstehung und Him-
melfahrt Christi sind also nicht nur Endstationen, sondern zugleich
Ausgangsereignisse. Sie beschließen das geschichtliche Leben Christi
und eröffnen sein eigenes himmlisches Leben und öffnen zugleich
allen Menschen und der gesamten Welt den Weg zum himmlischen
Leben. Ja, sie erreichen ihren letzten Sinn und ihre letzte Absicht
erst, wenn die nach dem göttlichen Heilsplan für die Vollendung be-
stimmten Menschen in vollendeter Weise an dem Herrlichkeitsleben
Christi teilnehmen. Was innerhalb der Geschichte an dem individu-
ellen Christus geschah, integriert sich zur Ganzheit des Heiles durch
die Teilnahme der Erwählten. Die resurrectio et ascensio individua-
lis Jesu Christi wird in der Vollendung der Menschen und der Welt
zur resurrectio und ascensio tota, um einen Ausdruck Augustins und
des Thomas von Aquin in abgewandelter Form anzuwenden (Christus
totus; siehe Bd. III 1).
In der Himmelfahrt Jesu Christi wird sichtbar, was der Himmel
ist. Er ist nicht ein von Gott für die Seinigen bereiteter Zufluchts-
oder Vollendungsort innerhalb unseres Weltganzen. Solche Vorstellun-
gen sind Elemente des Mythos. Er ist auch nicht eine von Gott nach
Art eines Gefäßes bereitgestellte Form. Er ist vielmehr die Teilnahme
an der durch Christus in der Auferstehung und Himmelfahrt gewon-
nenen Lebensgestalt und Existenzweise. Man darf sagen: Durch Chri-
stus wurde in seiner Auferstehung und Himmelfahrt jene Existenz-
weise, welche wir die himmlische nennen, geschaffen. Christus selbst
ist ihrer in der Auferweckung und Himmelfahrt teilhaftig geworden.
Christus hat durch seine Auferstehungsexistenz den Himmel für
alle übrigen begründet und in diesem Sinne „geöffnet“. Zum Himmel
476 Die Himmelfahrt und die Erhöhung Christi § 159

gehört daher die Leibhaftigkeit. Erst in der Auferweckung von den


Toten kommen die Menschen in den Himmel. Hier zeigt sich, daß die-
jenigen, welche zwischen dem Tod und der Auferweckung von den
Toten der seligen Anschauung Gottes teilhaftig werden, noch nicht im
vollen Sinne im Himmel leben. Es fehlt noch die Verklärung des Leibes.
Mit Sicherheit wissen wir außer von Christus nur von Maria, daß sie
schon im vollen Sinne im Himmel lebt, weil sie in verklärter Leiblich-
keit existiert (vgl. Bd. vj. Zugleich kann man sehen, daß die himmli-
sche Existenz Teilnahme an der Herrlichkeit und Macht Jesu Christi
ist. Es ist ein Leben in der Erhöhung zu königlicher Hoheit. In den
Himmel kommen bedeutet nach Offb 3, 21 soviel wie jenen Thron be-
steigen, auf dem Christus als König mit dem Vater sitzt und herrscht.
„Den Sieger werde ich mit mir auf meinem Throne sitzen lassen, wie
auch ich gesiegt und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt
habe (Offb 3, 21; vgl. Phil 2, 9 ff.; näheres Bd. IV 2). Mit besonderem
Nachdruck sei noch hervorgehoben, daß sich in der Himmelfahrt
Christi zeigt, bis zu welcher Höhe der Vollendung Gott die Menschen
und die ganze materielle Welt führen wird. Denn was an Christus
geschah, ist Vorbild und Vorwegnahme dessen, was an der ganzen
Schöpfung geschehen wird. Alle vollendeten Menschen werden an der
Königsherrschaft Christi teilnehmen (Offb 3, 21). Aber auch die
Materie ist dazu bestimmt, am Glanz des Auferstandenen Anteil zu
gewinnen. Wir haben früher (Bd. II 1) gesehen, daß auch die Materie
Zeichen der göttlichen Liebe, daß sie eine Ausdrucksgestalt von Gottes
Sorge für den Menschen ist. In der Leiblichkeit Christi leistet sie die
höchsten Dienste. In ihr gewinnt sie eine Existenz ohne Ende. Zu-
gleich ist der Leib des Herrn Grund und Modell für die zukünftige Exi-
stenz der Welt. „Daß Gott »im Anfange« die Materie aus dem Nichts
ins Leben rief, ist das Wunder der Schöpfung. Ein großes Wunder
zweifellos, deswegen weil die Materie in ihrer Zusammensetzung von
sich aus notwendigerweise den Keim zur Zersetzung, zur Auflösung
und damit zum Nichts in sich trägt, aber doch durch die Kraft Gottes
ihr Dasein behält. Diese Labilität, das Schwanken zwischen Sein und
Nichtsein, die allem nicht aus und durch sich selbst Seienden, also
allem Geschöpflichen eigen ist, ist nirgends größer als in der Materie,
und damit ist die Existenz der Materie an sich ein Geheimnis. Was
aber in der Himmelfahrt des Herrn geschieht, ist eine Steigerung
dieses Wunders, wie sie größer nicht mehr gedacht werden kann. Denn
die Materie, die ihrem Wesen nach Materie bleibt, d. h. zusammenge-
setzt und zersetzbar, erscheint nun nicht mehr als ein labiles, schwan-
§ 159 Eschatologische Sicht 477

kendes Sein, sie wird vielmehr, indem sie die Herrlichkeit Gottes, Seine
Macht, Seine Energien in sich aufnimmt und trägt, indem sich das
Leben Gottes in dem armseligen Stoff vollzieht, Teilhaberin an der
Fülle und Unvergänglichkeit der Ewigkeit. Das ist der höchste Triumph
des Schöpfers über die Materie, das ist die erhabenste Würde, die
die Materie je gewinnen kann. Niemals läßt sich eine größere und
vollendetere Auffassung von der Formung der Materie gewinnen als
da, wo wir bekennen, daß durch die Himmelfahrt des Herrn das
Fleisch, das Er angenommen hat, zur Rechten des Vaters sitzt, d. h.
daß das Fleisch in Seiner Verklärung teilnimmt an der ureigentlichen
Herrlichkeit und Macht des dreieinigen Gottes. Die Kirche stellt das
besonders heraus, wenn sie am Feste der Himmelfahrt des Herrn im
Kanon betet: »In heiliger Gemeinschaft („communicantes“) feiern
wir den hochheiligen Tag, an dem unser Herr, Dein eingeborener
Sohn, unsere Natur mit ihrer Gebrechlichkeit, die Er mit Sich ver-
eint, zur Rechten Deiner Herrlichkeit gesetzt hat«“ (J. Pinsk, Auf-
gefahren in den Himmel, sitzet er zur rechten Hand Gottes, des all-
mächtigen Vaters, in: R. Grosche, Ich glaube, Paderborn 1936, 17£.;
siehe Bd. II 1 § 102).
Die Erhebung der menschlichen Natur Christi zur Teilnahme
an der unverhüllten Gottesherrlichkeit ist die höchste Offenbarung
Gottes, seiner Macht und seiner Liebe, seiner Heiligkeit und seiner
Schönheit, seiner Freiheit und seiner Fülle. Der in den Himmel
aufgefahrene Menschensohn ist die größte Verherrlichung Gottes.
Gott wird ja durch die Geschöpfe verherrlicht, indem sie an seiner
Herrlichkeit teilnehmen (vgl. § 109). Die Herrlichkeit des durch den
Kreuzestod hindurchgeschrittenen, auferstandenen und erhöhten Herrn
ist sonach der höchste, immerwährende Lobpreis Gottes. Sie ist zu-
gleich die höchste, allseitige Vollendung der menschlichen Natur. An
dem auferstandenen und erhöhten Christus wird der letzte Gedanke
verwirklicht, den Gott vom Menschen denkt. Hier ist daher das wahre
Menschenbild in seiner letzten Ausgestaltung, die Gott selbst wirkt.
In Christus ist schon Wirklichkeit geworden, wofür jeder Mensch,
wofür das All bestimmt ist. Ja, die Teilnahme an seinem Glanze und
Reichtum ist nicht ferne Zukunft. Sie ist schon Gegenwart. Wie der
Getaufte mit Christus auferweckt ist, so ist er in ihm auch in den
Himmel versetzt (Eph 2, 6). Man darf dieses Zeugnis des heiligen
Paulus nicht dahin abschwächen, daß Christus für uns die Plätze im
Himmel schon vorbereitet hat. Der Sinn des Textes ist der, daß wir
wirklich schon an dem himmlischen Sein Christi teilnehmen. Der
478 Die Sendung des Heiligen Geistes § 160

Getaufte ist in seinem innersten Personkern aus den vergänglichen


Formen der Welt herausgehoben und in die Sphäre hineinversetzt,
in welcher der erhöhte Herr lebt (siehe Gnadenlehre Bd. III 2).
Auch hier begegnet uns wie bei der Lehre von der Auferstehung
die Tatsache, daß der Getaufte auf die Hoffnung verwiesen wird. Er
ist zwar den Unheilsmächten schon entrissen. Aber noch können sie
ihn bedrängen. Es besteht noch die Spannung zwischen „Jetzt“ und
„Dann“: Der Christ harrt erst der Stunde, da die Herrlichkeit Christi
offenbar wird (1 Kor 1, 7 f.). Er wartet der Ankunft Christi aktiv ent-
gegen. Die Schrift legt Gewicht darauf, daß sich die Christusgläubigen
nicht von dem Blick in die Zukunft so faszinieren lassen, daß sie
darüber die Gegenwart versäumen. Ihr Leben kann nicht darin auf-
gehen, dem emporgefahrenen Herrn nachzublicken. Sie müssen viel-
mehr den Berg, von dem aus Christus emporfuhr, verlassen, um in
den Tälern des geschichtlichen Alltags zu wirken. So liegt über dem
Leben des Getauften eine ungeheure Spannung. Er geht als Pilger
durch diese Welt, bleibt ihr in allem zuinnerst verpflichtet und blickt
doch über sie hinaus auf den Herrn, der zur Rechten des Vaters sitzt,
dessen Ankunft er herbeisehnt (Offb 22, 17—20; vgl. für diese Dar-
stellung J. Pinsk, Aufgefahren in den Himmel, sitzet er zur rechten
Hand Gottes, des allmächtigen Vaters, in: Ich glaube, Paderborn 19363,
101—124. Siehe W. Hillmann, Erhöhung Christi, in: Lex. f. Theol. u.
Kirche III, Freiburg i.Br. 1959?, 989 f.; J. Ratzinger, Himmelfahrt
Christi, ebda., V, 1960?, 358—362).

$ 160
Die Sendung des Heiligen Geistes

Erstes Kapitel
Auferstehung, Himmelfahrt, Geistsendung

Die Erhöhung des Herrn in der Auferstehung und Auffahrt zum


Himmel zielt auf die Sendung des Heiligen Geistes. Ostern und Him-
melfahrt weisen über sich hinaus auf Pfingsten hin. In der Geistsen-
dung werden die Auferstehung und Himmelfahrt erfüllt. Demgemäß
werden auch im Kirchenjahr Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten zu
einem einzigen Festkreis zusammengefaßt. In den liturgischen Gebeten
des Himmelfahrtsfestes wird der Heilige Geist gleichsam als Frucht der
Himmelfahrt des Herrn erbeten. Er ist das Gnadengeschenk, das der
S 160 Der Geist Christi und der Geist der Kirche 479

erhöhte, zur Rechten des Vaters sitzende Christus seinen Jüngern


senden wird (J. Pinsk, Das Pascha des Herrn. Quadragesima und
Pentecostes, in: Liturgisches Leben 3 [1936] 31—35). Der Heilige Geist
wird die Umgestaltung und Neuordnung der Schöpfung vornehmen
— erst am Ende der Welt wird sie vollendet sein —, welche in dem
verklärten Christus vorgebildet ist. Sie muß am All geschehen, damit
seine Seinsweise der Seinsweise Christi, des Hauptes, entspricht. In-
dem Christus auferstand und in den Himmel auffuhr, ist ja das Haupt
des Alls in den Zustand der Verklärung eingegangen. Was am Haupte
schon geschehen ist, muß auch am Leibe und seinen Gliedern ge-
schehen. Es soll an ihnen erst begonnen werden, wenn es am Haupte
vollendet ist. Aber dann soll sein Beginnen auch nicht mehr länger
verschoben werden (Jo 7, 39; 16, 7—11). „Die Himmelfahrt des Herrn
ist (also) die Veranlassung, den Geist zu senden. Nur der muß seine
Sendung leugnen, der in Abrede stellt, daß die menschliche Natur
Christi auf dem Throne zur Rechten des Vaters sitzt“ (Leo der
Große, Predigt 76, Abschn. 8; BKV II, 226), d.h. der, welcher die
Verklärung, die Vergeistlichung des Alls in ihrem Haupte leugnet.
Voraussetzung der Geistsendung ist sonach die Himmelfahrt. Sie ist
auch deren Frucht, sofern das All, dessen Haupt Christus ist, nicht
für immer eine Daseinsform behalten kann, welche jener des Hauptes
entspricht, sofern die Welt also nicht für immer ein vergängliches,
den Gesetzlichkeiten von Raum und Zeit unterworfenes, von der Sünde
bedrohtes und beherrschtes Dasein behalten kann, wenn ihr Haupt
eine unvergängliche Seinsweise hat.

Zweites Kapitel
Der Geist Christi und der Geist. der Kirche

Dazu also wird der Heilige Geist gesandt, daß er den mystischen
Leib Christi, das Volk Gottes, belebt und an ihm analog wirke, was
er an Christus, dem Haupte, schon gewirkt hat. An Christus hat der
Heilige Geist zunächst die menschliche Natur gewirkt (Mt 1, 20; Lk 1,
35). Der Mittler zwischen Gott und den Menschen ist ein Geschenk der
Liebe Gottes. Die Liebe Gottes aber ist der Heilige Geist, insofern in
ihm die Liebe des Vaters und des Sohnes zu ihrer personhaften Offen-
barung aufglüht. Der Heilige Geist, die personhafte Liebe Gottes,
bildet die menschliche Natur Christi aus der Jungfrau Maria. (Für
das nähere Verständnis dieses Satzes siehe $ 103.) Christi Menschheit
480 Die Sendung des Heiligen Geistes S 160

ist daher vom Heiligen Geiste durchwaltet. Bis zur Auferstehung und
Himmelfahrt war diese Tatsache verheißen. Christus hat die Struktu-
ren der Kirche festgelegt. Aber es fehlte noch das Leben (vgl. J. Küng,
Strukturen der Kirche, Freiburg i. Br. 1962). In der Auferstehung hat
derselbe Heilige Geist, der die menschliche Natur Christi gebildet hat,
sie so umgewandelt, daß sie durchscheinend geworden ist für die sie
erfüllende Gottesherrlichkeit. Das bedeutet auch, daß sie durchglüht
ist von der Liebe Gottes, welche der Heilige Geist ist. Indem der Hei-
lige Geist die menschliche Natur Christi in den Zustand der Ver-
klärung hinüberwandelte, durchstrahlte er mit seinem Licht und sei-
ner Glut das Haupt des Alls. Von diesem aus soll das Leuchten und
Glühen der Gottesherrlichkeit nach dem Willen Gottes das All und
vor allem die Kirche durchdringen. Der Heilige Geist soll die Kirche
als das Volk Gottes, welches als Leib Christi existiert, beleben. Er ist
die „Seele“ der Kirche (siehe Bd. III 1).
So wird die Lehre der Schrift und der Väter verständlich, daß
aus der verklärten Natur Christi der Heilige Geist in die Kirche und
durch sie in die einzelnen einströmt. Der verklärte Christus ist nach
dem Zeugnis des Apostels Paulus der Träger, Spender, Geber, Ver-
mittler des Heiligen Geistes (A. Wikenhauser, Die Christusmystik des
heiligen Paulus, Freiburg i. B. 1928, 50). Novatian lehrt: „In
Christus allein wohnt er (der Heilige Geist) ganz und in Fülle, unbe-
grenzt und ungeteilt; ihm wurde er in überströmender Fülle gesandt
und zugewandt, auf daß die übrigen aus ihm einen Anteil an seinen
Gnaden schöpfen könnten. Denn in Christus verbleibt der ganze Quell
des Heiligen Geistes; von ihm gehen die Bächlein der Gnaden und
Gaben aus. Wohnt doch der Heilige Geist in überfließendem Reichtum
in Christus! ... Er wohnt in unserem Leibe und macht uns heilig;
dadurch führt er unsern Leib zur Ewigkeit und zur Auferstehung und
Unsterblichkeit; denn er hat ihn schon daran gewöhnt, himmlische
Kraft zu tragen und mit der göttlichen Ewigkeit des Heiligen Geistes
befreundet zu sein. Denn in ihm und durch ihn wird unser Leib dazu
erzogen, zur Unsterblichkeit auszuschreiten“ (Über die Dreieinigkeit,
29. Abschn., aus L. v. Rudloff, Das Zeugnis der Väter, Regensburg
1937, 216f.). Cyrill von Alexandrien sagt in der Auslegung
des Johannesevangeliums zu Jo 17, 20 (11, 11): „Die Gemeinschaft
und Innewohnung des Geistes nahm aber von Christus ihren Anfang
und ging von ihm auf uns über. Denn Christus ward als Mensch
ebenfalls gesalbt und geheiligt, als wahrer Gott aber, der aus dem
Vater hervorgeht, heiligt er zunächst mit seinem eigenen Geiste sei-
S 160 Die Tatsache der Geistsendung 481

nen eigenen Tempel (Leib) und so die ganze Kreatur, der die Heili-
gung zukommt. So ist das Geheimnis Christi Anfang und Weg, daß
auch wir des Heiligen Geistes und der Einheit mit Gott teilhaftig
würden.“ Zu Jo 7, 39 (5, 2) sagt er: „Der Eingeborene empfängt den
Heiligen Geist nicht eigentlich für sich; denn der Geist ist ja sein, ist
in ihm und durch ihn. Wohl aber als Mensch Gewordener... und für
uns ... Denn alle Güter gelangen durch ihn zu uns. Da nämlich der
Stammvater Adam durch die List (des Teufels) sich zum Ungehorsam
und zur Sünde wandte und dadurch die Gnade des Herrn verlor, und
da auf diese Weise in ihm die ganze Menschennatur der herrlichen
Gottesgabe verlustig ging, mußte Gott das Wort, das von aller Ver-
änderlichkeit frei ist, Mensch werden, um als Mensch das Gnaden-
geschenk zu empfangen und es fürderhin der (menschlichen) Natur
beständig und fest zu bewahren ... Wir haben somit das zuversicht-
liche Bewußtsein, daß in denen, die an Christus glauben, nicht nur
eine bloße Einstrahlung des Heiligen Geistes sei, sondern der Geist
selber wohne und zelte. Deshalb heißen wir auch mit Recht Tempel
Gottes.“ Damit stimmt überein das Wort des Athanasius:
„Wenn Christus um unsertwillen Sich heiligt und dies tut, nachdem
Er Mensch geworden ist, so galt offenbar auch die Herabkunft des
Geistes auf Ihn im Jordan uns, weil Er unseren Leib trug. Und sie
ist nicht zur Besserung des Logos geschehen, sondern wiederum zu
unserer Heiligung, damit wir an Seiner Salbung teilnehmen“ (Erste
Rede gegen die Arianer, 47. Abschn.; Winterswyl, Athanasius, Leipzig
1937, 91; für Augustinus siehe Fr. Hofmann, Der Kirchenbegriff des
heiligen Augustinus, München 1933, 170 f.).
Auch in der kirchlichen Liturgie wird dieser Sachverhalt aus-
gedrückt. Bei der Taufwasserweihe wird die Osterkerze, welche
Christus versinnbildet, dreimal in das Taufwasser gesenkt, auf daß
es durch Christus geheiligt werde. Trotzdem wird hierzu gebetet: „Es
steige in diesen vollen Born hinab die Kraft des Heiligen Geistes.“
In und mit Christus steigt also der Heilige Geist in den Taufbrunnen
hinab.
Drittes Kapitel
Die Tatsache der Geistsendung
Der von Christus gesandte Heilige Geist wurde als Gnaden-
geschenk Gottes mehrfach verheißen (Joel 2, 28 ff.; Mt 10, 20; Lk 12,
12; 24, 49), am bestimmtesten in den Abschiedsreden Jesu (Jo 14, 26;
15, 26 f.; 16, 5—15; vgl. Bd. I, 160 f.).

31 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


482 Die Sendung des Heiligen Geistes S 160

Am neunten Tage nach der Aufnahme Christi in den Himmel


wurde der Heilige Geist tatsächlich gesandt, und zwar nicht einem
einzelnen oder vielen einzelnen, sondern den im „Obergemach“ Ver-
sammelten. Sie bildeten ein einheitliches Wir.
„Indes kam das Pfingstfest und alle waren beisammen. Plötzlich
erhob sich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein gewaltiger
Sturm daherführe. Er erfüllte das ganz Haus, in dem sie versammelt
waren. Zungen wie von Feuer erschienen ihnen, verteilten sich und
ließen sich auf jeden von ihnen nieder. Alle wurden mit dem Heiligen
Geiste erfüllt. Sie begannen in fremden Sprachen zu reden, wie der
(Heilige) Geist ihnen die Worte eingab. In Jerusalem wohnten damals
gottesfürchtige Juden aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich
nun dieses Brausen erhob, strömte die Menge zusammen und wurde
bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Muttersprache reden. Außer
sich vor Verwunderung sagten sie: »Sind nicht alle, die da reden,
Galiläer? Wie kommt es, daß ein jeder von uns seine Muttersprache
hört? Wir Parther, Meder und Elamiter, wir Bewohner von Mesopo-
tamien, von Judäa, von Kappadozien, von Pontus und Asien, von
Phrygien und Pamphylien, Ägypten und den Landstrichen Libyens
gegen Cyrene hin, wir Pilger aus Rom, wir Juden und Proselyten,
Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen die Großtaten
Gottes verkünden.« Alle waren voll Staunen und Verwunderung und
sagten zueinander: »Was soll dies bedeuten?« Andere dagegen spot-
teten: »Sie sind voll süßen Weines«. Da trat Petrus mit den Elf vor
und sprach mit lauter Stimme zu ihnen: »Ihr Juden und all ihr Be-
wohner von Jerusalem, das sei euch kundgetan! Vernehmt meine
Worte! Diese da sind nicht trunken, wie ihr wähnt. Es ist ja erst die
dritte Tagesstunde. Vielmehr geht hier das Wort des Propheten Joel
in Erfüllung: Es wird geschehen in der Endzeit, spricht Gott: Da
werd’ ich ausgießen meinen Geist über alles Fleisch. Dann werden
eure Söhne und Töchter weissagen, eure Jünglinge Gesichte schauen
und eure Greise Traumgesichte haben. Selbst über meine Knechte
und Mägde werd’ ich ausgießen meinen Geist in jenen Tagen und sie
werden weissagen. Wunderzeichen will ich erscheinen lassen am
Himmel oben und auf der Erde unten: Rauchsäulen und Blut und
Feuer. Die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond
in Blut, ehe anbricht der Tag des Herrn, der große und furchtbare
Tag. Doch jeder, der anruft den Namen des Herrn, wird gerettet«“
(Apg 2, 1—21).
S 160 Die Wirksamkeit des Geistes 483

Viertes Kapitel
Die Wirksamkeit des Geistes

Was wirkt der Heilige Geist? Das Feuer, das Zeichen für die
Gegenwart des Heiligen Geistes, ist Sinnbild der göttlichen Gnade und
des göttlichen Gerichtes. Petrus stellt sich vor die erregte Volksmenge,
die sich um das Haus versammelt hat und wissen will, was geschehen
ist, und legt Zeugnis ab für Christus. Von den übrigen Aposteln er-
zählt die Apostelgeschichte ähnliches. „Aus der Feigheit der Jünger
wurde Kraft und Mut, aus der Schwäche Mündigkeit und Verantwor-
tung, aus ihrer Ehrsucht Liebe, aus ihrer Verzagtheit Freude im
Geist“ (W. Becker, Firmung und Sendung, in: Ich lebe und ihr lebet,
hrsg. von Fr. M. Rintelen, Paderborn 1936, 32). Die Jünger sind an-
ders geworden, als sie vorher waren. Vor allem: Sie sind eingedrun-
gen in das Verständnis Christi. Der Heilige Geist hat ihnen das Chri-
stusgeheimnis erschlossen (Jo 16, 12 f.). Petrus „steht zu Jesus in einer
neuen Weise: Wie ein vollkommen Wissender. Wie einer, der vom
Letzten her erkannt hat und nun fähig ist, zu lehren. Wie einer, der
Macht erhalten hat und nun mit Autorität verkündet. Er redet nicht
über Jesus, sondern aus dessen Nähe heraus, von Ihm her. Sein Ver-
hältnis zu Jesus ist ein anderes geworden und damit ein anderer er
selbst. Aus einem Suchenden, Sich-Hingebenden, Fragenden ist ein
Glaubender geworden. Wie kommt das? Nicht dadurch, daß er über-
legt oder erlebt oder sich nach einer langen Verstörung wieder in die
Gewalt bekommen hat, sondern durch das, was die Worte sagen,
von denen wir ausgegangen sind: Der Heilige Geist ist gekommen und
hat ihm die Augen für Christus aufgetan. Er hat Christus und das
Seinige genommen und ihm gegeben“ (R. Guardini, Der Herr, Würz-
burg 195911, 594 f.). Die Jünger legen in der Öffentlichkeit von Chri-
stus Zeugnis ab. In der Auferstehung und Himmelfahrt hat sich Chri-
stus bloß dem kleinen Kreis der vorherbestimmten Zeugen gezeigt.
Nun aber soll sein Geheimnis von den durch den Heiligen Geist um-
gewandelten Jüngern bis an die Grenzen der Erde getragen werden.
Es tritt der Zustand ein, den Christus Mt 10, 26 f. vorhergesagt hat:
„So fürchtet euch denn nicht vor ihnen! Denn nichts ist verborgen,
was nicht offenbar, nichts geheim, was nicht bekannt würde. Was ich
euch im Finstern sage, das kündet im Licht; was euch ins Ohr ge-
flüstert wird, das predigt auf den Dächern!“ So wird der Heilige Geist
der Verherrlicher Christi. Durch die Apostel legt er vom Siege Christi
Zeugnis ab bei allen Geschlechtern und in allen Zeiten. Daher ist es

31°
484 Die Sendung des Heiligen Geistes S 160

nicht erstaunlich, wenn etwa in den Evangelien in der Pfingstoktav


kaum mehr vom Heiligen Geist, sondern ausschließlich von Christus
und seinem Wirken die Rede ist (J. Pinsk, Das Pascha des Herrn, in:
Liturgisches Leben 3, 1936, 37). Als der Geist des Gottesvolkes, als
die Seele des Mystischen Leibes Christi wirkt er durch die von ihm
erwählten Menschen die Heilige Schrift, das Familienbuch der Kirche
(s. Bd. I 8$ 12 u. 13), und deren Auslegung durch das von Christus
bestellte Lehramt, in dessen Trägern er tätig ist, ebenso aber auch
das Verständnis der kirchlichen Verkündigung in den Hörern (vgl.
Bd. III 1 §§ 176a und 176b). „Niemand kann sagen, Herr Jesus, es
sei denn im Heiligen Geiste“ (1 Kor 12, 3; siehe auch R. Grosche,
Schrift, Überlieferung und Kirche, in: Pilgernde Kirche, Freiburg
1938, 205—217).
Das Zeugnis des Heiligen Geistes ruft die Menschen zur Entschei-
dung. Den einen wird es daher zum Heil, den anderen aber zur An-
klage und zum Gericht, denen nämlich, die nicht an den Namen des
eingeborenen Sohnes Gottes glauben (Jo 16, 8—11). Indem der Heilige
Geist Christus verherrlicht, wird er zum Heiliger derer, die an Chri-
stus glauben. Er gestaltet den Christusgläubigen nach Christus um.
In ihm ist Christus selbst den Seinen nahe. Solange Christus auf
dieser Erde lebte, war sein Leib ebenso ein Werkzeug der Verbin-
dung wie der Trennung. Der Leib bildet zwischen Mensch und Mensch
eine unübersteigbare Mauer. Im Leibe sind die Menschen unaufheb-
bar voneinander geschieden. Der vom Heiligen Geiste verwandelte
Leib Christi ist den Gesetzen des Raumes und der Zeit entrückt. Er
ist glühend geworden von der Liebe, eben vom Heiligen Geist, der ihn
durchherrscht. In seinem vom Heiligen Geist verklärten Leib kann
daher Christus den Seinen näherkommen, als es in seinen irdischen
Lebenstagen möglich war. Nun kann er in neuer Innigkeit bei ihnen
sein und sie können „in ihm“ sein. Der Heilige Geist hat die mensch-
liche Natur Christi gleichsam geöffnet wie einen verschlossenen
Raum, so daß wir mit ihr in lebendige Gemeinschaft treten können.
Im Heiligen Geiste also ist der verklärte Christus selbst, der, zum
Pneuma, d. h. geistlich geworden, vom Heiligen Geist durchwaltet
und durchherrscht wird, den Seinigen gegenwärtig (Mt 28, 20; Jo 16,
16). Wenn dem so ist, dann strömt von dem in der Kirche gegen-
wärtigen, verklärten Christus der Heilige Geist immerfort in das Ich
des Gläubigen hinein. So ist der an Christus gläubig Gewordene in-
folge seiner Christusgemeinschaft ein Tempel des Heiligen Geistes:
Chrysostomus sagt in seiner 13. Predigt zum Römerbrief
S 160 Der eschatologische Charakter des Geistwirkens 485

(8. Abschn.): „Wer den Geist hat, der wird nicht nur nach Christus ge-
nannt, sondern er besitzt auch Christus selbst. Denn es ist nicht mög-
lich, daß wenn der Geist zugegen ist, nicht auch Christus zugegen
wäre“ (Näheres hierüber in der Lehre von der Kirche, von der Gnade
und von der Firmung Bd. II 1, II 2 u. IV 1).
Da der Heilige Geist die Liebe ist, ist er der Geist der Gemein-
schaft. Er wurde der Gemeinschaft der Jünger, der jungen Kirche;
gesandt, die im Obergemach in Jerusalem versammelt war, und er
wirkt Gemeinschaft, insofern er die einzelnen Glieder immer stärker
mit Christus und untereinander verbindet. „Als die persönliche Liebe
von Vater und Sohn, als vollkommenster Ausdruck der Hingabe und
Gemeinschaft zwischen beiden geht auch sein Wirken in der Mensch-
heit primär auf die Bildung einer umfassenden Gemeinschaft, einer
Gemeinschaft dieser neuen Menschheit mit Gott und untereinander.
Wo der Liebesgeist Gottes am Werke ist, da kann es keine Absonde-
rung und Vereinzelung, kein auf sich selbst gestelltes einsames Ich
mehr geben, sondern nur ein liebeerfülltes »Wir«. Darum ist es nicht
anders möglich, als daß von Christus, dem geisterfüllten Haupte aus
eine neue Gemeinschaft ersteht, deren Seele, deren Lebensprinzip,
deren Herz der Heilige Geist selber ist... Der Heilige Geist lebt pri-
mär in der Gemeinschaft, soweit der Einzelne vom Leben des Heili-
gen Geistes erfaßt und seiner Gaben teilhaftig wird, wird er es nicht
als Einzelner, sondern als Glied der Gemeinschaft, durch die Zuge-
hörigkeit zu ihr oder durch die Hinordnung auf sie. Augustinus wagt
geradezu den Satz: Quantum quisque amat ecclesiam, tantum habet
spiritum sanctum. Nur in dem Maße besitzt einer den Heiligen Geist,
als er die Kirche liebt“ (Fr. Hofmann, Ich glaube an den Heiligen
Geist, in: Ich glaube. Hrsg. von R. Grosche, Paderborn 1936°, 162 £.).

Fünftes Kapitel
Der eschatologische Charakter des Geistwirkens

Die Verherrlichung Christi und die Heiligung der Gläubigen


durch den Heiligen Geist, die von ihm gewirkte Erschließung des
Christusgeheimnisses steht unter dem gleichen Gesetze, dem das Reich
Gottes für diese ganze Weltzeit unterworfen ist: Es ist da, aber seine
letzte Vollendung, seine unverhüllte Herrschaft stehen noch aus. Es
besteht die die Spanne zwischen Christi Himmelfahrt und Wieder-
kunft durchherrschende Dialektik des „Schon“ und des „Noch nicht“.
486 Die Sendung des Heiligen Geistes S 160

Die Geistsendung und die Geistanwesenheit ist ein Element im escha-


tologischen Gepräge der Kirche. Das Zeugnis des Heiligen Geistes trägt
Christi Sieg in die Öffentlichkeit der ganzen Welt, aber so, daß dies
nur von denen gehört und verstanden wird, denen es gegeben ist. Es
ist wie die Saat, die wächst, ohne daß man es merkt (Mk 4, 26f.).
Der Zustand der Geisterfüllung kann nicht eindeutig in der Erfah-
rung festgestellt werden. Wer diese zum alleinigen Maßstab seines
Urteilens macht, kann sie geradezu mit Trunkenheit verwechseln
(Apg 2, 13), wie der Teufel mit dem Heiligen Geist verwechselt wer-
den kann. In der Erfahrung haben wir kein sicheres Erkennungs-
merkmal, an dem wir diese so verschiedenen Wirklichkeiten und
Vorgänge eindeutig unterscheiden könnten. Auch den vom Heiligen
Geist in alle Wahrheit eingeführten Jüngern bleibt die Schau versagt,
solange sie fern vom Herrn pilgern. Auch sie sind auf den Glauben
verwiesen, auf immerwährende Entscheidung für Gott inmitten der
Ärgernisse dieser Welt. Aber der Heilige Geist gibt ihnen den neuen
Sinn, mit dem sie Christus erkennen als den, der er ist, als den vom
Vater in die Welt gesandten Erlöser. Der Geist der Herrlichkeit be-
wahrt die Jünger auch nicht vor Tod und Untergang. Er legt Zeugnis
ab vom Siege Christi gerade in den Leiden und im Martyrium der
Glieder Christi (1 Petr 4, 14; Apg 7, 56). Siehe R. Grosche, Pilgernde
Kirche, Freiburg i. Br. 19363, 61. Aber das ist der Weg zur unver-
hüllten Herrlichkeit. „Der Geist selbst bezeugt es unserem Geiste,
daß wir Kinder Gottes sind. Wenn aber Kinder, dann auch Erben:
Erben Gottes und Miterben Christi. Nur müssen wir mit ihm leiden,
um auch mit ihm verherrlicht zu werden. Ich bin der Ansicht, die
Leiden dieser Zeit sind gar nicht zu vergleichen mit der künftigen
Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll“ (Röm 8, 16. Siehe
Näheres bei der Lehre von der Kirche Bd. III 1).
S 161 Christus als Offenbarer Gottes: Sein Lehramt 487

$ 161
Christus als Offenbarer Gottes (Christi Erlösung durch das Wort):
Sein Lehramt

Erstes Kapitel
Die umgreifende Bedeutung des Wortes
Es wurde schon hervorgehoben, daß dem Opfer Christi der Vor-
rang zukommt vor seinem Lehren und Gebieten. Aber mit dem Prie-
stertum Christi sind unlöslich sein Lehrtum und sein Königtum ver-
bunden. Der Vater hat sein personales Wort in die menschliche Natur
hineingesandt. Der Menschgewordene ist das lauteste und umfassend-
ste, das letzte Wort, welches der Vater zur Welt gesprochen hat. Was
er künftig noch zu ihr spricht, ist nur eine Entfaltung dieses einen
Schlußwortes.
Unter diesem Aspekt ist auch das Kreuzesopfer ein Wort, wel-
ches Gott spricht, ein Tun, in welchem sich das menschgewordene
Wort vernehmen läßt.
Christus ist das an die Welt gerichtete, in sie hineingesprochene
Wort des Vaters in seiner Erscheinung und in seinem Werke. An ihm
lassen sich Wesen und Wille Gottes des Vaters erkennen. Er ist das in
der Welt erschienene Gottesleben (1 Jo 1, 2). In ihm ist Gott sichtbar
geworden (vgl. $ 68). Er ist das Bild des Vaters. Wer ihn sieht, der
sieht den Vater (Jo 14, 9). Auf seinem Antlitz leuchtet Gottes Antlitz
auf. In ihm wendet Gott der Welt sein Angesicht zu. Er ist daher der
Offenbarer Gottes nicht nur durch seine Worte, sondern durch sein
Dasein und durch sein Tun. In diesem Sinne nennt er sich die Wahr-
heit (Jo 14,6). Das bedeutet nicht bloß, daß er immer das Richtige sagt
und keine Lüge spricht, sondern vor allem, daß in ihm die Wirk-
lichkeit Gottes erschlossen ist. Wahrheit bedeutet im Johannesevan-
gelium die dem Menschen geöffnete Wirklichkeit Gottes. Christus ist
die Wahrheit, insofern uns in ihm die Gott vorbehaltene, uns unzu-
gängliche Wirklichkeit Gottes aufgetan, geoffenbart worden ist. Da er
selbst die uns erschlossene Gotteswirklichkeit ist, ist er der Weg in
die Unzugänglichkeit Gottes. Da Gott das Leben und der Quell des
Lebens ist, ist Christus, indem er die uns aufgetane Gotteswirklichkeit
ist, zugleich das Leben. In dem gleichen Sinne ist er auch das Licht
(Jo 8, 12). Christus offenbart also Gott, indem er da ist und indem er
handelt. Er ist der Offenbarer schlechthin (Jo 1, 18), über ihn hinaus
488 Christus als Offenbarer Gottes: Sein Lehramt S 161

gibt es keine Offenbarung (Hebr 1, 1ff.). Das drückt er oft in dem


herrscherlichen Worte aus: Ich bin es (vgl. E. Stauffer, Artikel ego
in: G. Kittel, Theol. Wörterbuch zum NT, Stuttgart 1934, II 350—352;
E. Gaugler, Das Christuszeugnis des Johannesevangeliums, in: Jesus
Christus im Zeugnis der Heiligen Schrift und der Kirche, München
1936, 67; siehe S. 220 ff.).
Die bedeutungsvollste Enthüllung Gottes durch das Werk Christi
geschieht im Kreuzestod. Da ist Gottes Liebe und Gerechtigkeit, Heilig-
keit und Barmherzigkeit schaubar geworden, schaubar indes nicht in
ihrem unverhülltem Glanz, sondern im Zeichen.

Zweites Kapitel
Gottes Weisheit als Kreuzesweisheit

Von der gesamten Gottesoffenbarung, die in Christus geschah,


gilt: Sie erfolgte nicht im Aufscheinen der unverhüllten Gottesherr-
leichkeit, sondern in Zeichen, die zugleich enthüllen und verhüllen.
Indem Gott sich in Christus enthüllt, wird uns die Weisheit Gottes
kundgetan (1 Kor 1, 24; 2, 7). In Christus ist die Weisheit Gottes er-
schienen (1 Kor 1, 30). In ihm sind alle Schätze der Weisheit und
Wissenschaft (Kol 2, 3). Gottes Weisheit ist jedoch Kreuzesweisheit
(1 Kor 1, 23 £.). Sie ist anders als die Weisheit dieser Welt. Sie bleibt
daher der Welt unverständlich. Ihr erscheint als Torheit, was in
Wirklichkeit Weisheit ist. Umgekehrt ist die Weisheit dieser Welt vor
Gott Torheit (1 Kor 2, 7—11; Röm 1, 21 f.; 1 Kor 1, 17—29; 3, 19 £.;
4, 20). Gottes Weisheit ist ein Gericht über die Weltweisheit (1 Kor
2, 3—9; 2 Kor 1, 12). Für den, der sie erkennt, erweist sie sich als
Kraft (1 Kor 2, 4f.). Sie wandelt den, der sie aufnimmt, in das Bild
der Gottesherrlichkeit um (2 Kor 3, 18). Erkennen kann man sie je-
doch bloß im Geiste (1 Kor 2, 10; 2 Kor 3, 18; vgl. G. Söhngen, Der
Wesensaufbau des Mysteriums, Bonn 1938, 90—99). Weil Christus
die Wahrheit ist, in welche uns der Geist Gottes einführt, bricht mit
ihm die neue Zeit an, in der Gott im Geiste und in der Wahrheit an-
gebetet wird (Jo 3, 11). Damit ist nicht eine Anbetung in wahrer
Innerlichkeit und reiner Erkenntnis an Stelle des äußerlichen Lip-
pendienstes und der leeren Wortmacherei gemeint, sondern eine von
Gott her, von seiner Ordnung bestimmte Anbetung (vgl. R. Bultmann,
Art. Aletheia, in: G. Kittel, Theol. Wörterbuch zum NT, I, Stuttgart
1934, 242—248).
§ 161 Christi Botschaft als Heilsbotschaft 489

Drittes Kapitel
Christus als Urwort und Urbild

Christus selbst also, seine Erscheinung und sein Tun, ist das
Wort, welches der Vater zur Menschheit spricht. Er ist das sichtbare
Bild des unsichtbaren Gottes. Er ist das Urwort und das Urbild. Die-
ses Bild und Wort wird heilsmächtig und verbindlich ausgelegt und
erklärt in dem Worte, welches Jesus an seine Zuhörer richtet, in sei-
ner Verkündigung. Man kann seine Verkündigung nicht loslösen von
seiner Person. In seinem Verkündigungsworte geschieht gewisser-
maßen Ephiphanie seiner selbst. Im Worte öffnet er sein personales
Geheimnis. In seinem Worte wird hörbar, was er ist und was er tut.
In ihm legt er von der Wahrheit Zeugnis ab (Jo 5, 33; 8, 40. 45; 18,
37), d. h. er erklärt und erschließt uns die ohne ihn unzugängliche
Wirklichkeit Gottes. Dabei wird uns der Sinn seiner selbst und seines
Kommens deutlich. Sein Wort hat daher umgreifende, alles andere
implizierende Tragweite. Das personhafte ewige Wort, der präexi-
stente Logos, wird in dem Menschen Jesus Christus, dessen Subsi-
stenzgrund er ist, durch das Mittel der menschlichen Rede hörbar
und verstehbar. Das Wort, welches Jesus Christus als der ewige
Logos ist, welches er in der menschlichen Rede offenbart, wird prä-
sent in dem Verkündigungsworte der Kirche. Wenn Christus als das
Urwort bezeichnet werden kann, so können wir die Kirche als das
Universalwort verstehen (vgl. K. Rahner, in: M. Schmaus, Aktuelle
Fragen der Eucharistie, München 1960, ... G. Semmelroth, Die Heils-
bedeutung des Wortes, Freiburg 1962. Siehe die Sakramentenlehre,
Bd. IV 1).

Viertes Kapitel
Christi Botschaft als Heilsbotschaft

Was Christus sagte, ist eine gute Botschaft (Lk 4, 18), eine Heils-
botschaft. Es ist eine Botschaft von dem schon Abraham verheißenen
Reiche Gottes und dem darin begründeten Heil der Völker. Das Wort
ist nicht nur eine Unterrichtung über das Heil, sondern die Mitteilung
des Heiles selbst. Das Wort Christi ist ein dynamisches, ein wirk-
sames Wort. Es ist ein Wort, welches das Heil ankündigt und in der
Ankündigung schafft. Im Worte hat Christus Sünden vergeben (Mk
2, 5). Er konnte zu den Seinigen sagen: „Ihr seid rein durch das
Wort, welches ich zu euch gesprochen habe“ (Jo 15, 5). Sein Wort ist
490 Christus als Offenbarer Gottes: Sein Lehramt § 161

nicht nur Heilsrede, sondern Heilswirklichkeit. In seinem Worte wird


der Anbruch der Herrschaft Gottes angesagt und herbeigeführt. Die
Herrschaft der Sünde, des Todes, des Teufels wird abgetan.
Tod und Auferstehung Christi sind der Sieg über die Herrschaft
dieser Großmächte. Derjenige, welcher sich im Glauben ihm überant-
wortet, wird dieses Sieges teilhaftig. Er bekommt Anteil an dem in
Christus erschienenen Leben (1 Jo 1, 2). Christus ist der Sohn Gottes.
An seinem Leben Anteil gewinnen bedeutet daher, seiner Sohnschaft
teilhaftig werden, d. h. in das innerste dreipersönliche Leben Gottes
hineingezogen werden. Am Leben Christi kann nur der Anteil ge-
winnen, der durch den Heiligen Geist in das Geheimnis Christi ein-
geführt wird. Wer mit Christus in Gemeinschaft getreten ist, der ist
zu einem neuen Menschen umgewandelt worden. Dem neuen Sein
entspricht ein neues Verhalten: Die Nachfolge Christi. Sie bewährt
sich in vorbehaltloser, bis zum äußersten Einsatz bereiter Hingabe
an den Vater im Himmel und in der tatkräftigen, opferbereiten, all-
umfassenden Liebe zum Menschen. Die durch Christus umgeschaffe-
nen und neugestalteten Menschen bilden untereinander eine lebendige
Gemeinschaft, deren Haupt Christus, deren Herz und Seele der Heilige
Geist ist.
Wenn man diesen wesentlichsten Inhalt der Verkündigung Christi
überblickt, so sieht man: Christus offenbart Gottes Heilsplan und er-
öffnet so die Perspektive in die letzte Zukunft des Menschen. Dadurch
bietet er zugleich das wahre Bild von Gott und das wahre Bild vom
Menschen. Gott ist dreipersönlich. Er schenkt sich dem Menschen in
grundloser Liebe. Er ist in seiner Liebe zugleich der Heilige und All-
wirkende. Sein Wille hat unbedingte Geltung. Ihm zu dienen, ist
fraglose Pflicht. Er ist der letzte Sinn alles Geschehens in der Natur
und der Geschichte. So wird das Bild Gottes frei von allen Verzerrun-
gen ins Naturhafte und Naturgebundene. Der Dienst Gottes wird von
jeder Nutzsucht und Selbstsucht, aber auch von lähmender Furcht
und abergläubischer Angst losgelöst. Mit der Verkündigung des
wahren Gottesbildes hängt eng zusammen die Verkündigung des
wahren Menschenbildes. Der von einer unvorstellbaren Liebe und
Sorge umfangene Mensch hat einen unersetzbaren Wert. Er ist nicht
Werkzeug oder Gebrauchsgegenstand. Er kommt nur in der Ge-
meinschaft zu sich selbst. Aber er geht in dem Wir der Gemeinschaft
nicht auf und nicht unter. Er ist zur Vollendung bestimmt. Aber er
kommt zu seiner Erfüllung nur, indem er über sich selbst hinaus-
geht und eingeht in das göttliche Du und dessen dreipersönliches
§ 161 Christi Wort als heilswirksames Wort 491

Leben mitvollzieht. Man sieht: Es handelt sich bei der Verkündigung


Jesu um unser Heil. Von der Dreipersönlichkeit Gottes ist darin die
Rede, auf daß uns die Fülle des Lebens aufgezeigt werde, zu dem wir
durch Christus im Heiligen Geiste berufen sind. Auch diese Wirklich-
keit ist also nicht um ihrer selbst, sondern um unseres Heiles willen
mitgeteilt. Jegliche Verkündigung Christi steht unter dem Gesetz, unter
dem die Menschwerdung steht: Der Sohn Gottes ist um unsertwillen
und um unseres Heiles willen vom Himmel herabgestiegen (Nizäno-
Konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis; vgl. indes $ 142). Von
der irdischen Kultur spricht Christus nirgends ausdrücklich. Doch hat
er ihr durch seine Verkündigung vom wahren Gottes- und Menschen-
bild eine klare Richtung angewiesen (vgl. K. Adam, Christus unser
Bruder, Regensburg 19477, 81ff. M. Schmaus, Christus das Urbild des
Menschen, Regensburg 1948).

Fünftes Kapitel

Christi Wort als heilswirksames Wort

Die in Christi Erscheinung, Werk und Wort geschehene Gottes-


offenbarung ist Mitteilung nicht bloß in der Weise der Belehrung,
sondern in der Weise der Teilhabe. Gottes Wort ist nicht „ohn-
mächtige Wortweisheit, sondern das Gotteswort vom Kreuze erweist
sich an den Gläubigen als göttliche Geistesmacht (1 Kor 1, 17f.; 2,
4f.)“ (G. Söhngen, Der Wesensaufbau des Mysteriums, Bonn 1938,
93). Gottes „Wort ist lebendig, wirksam und schärfer als jedes zwei-
schneidige Schwert. Es dringt durch, bis es Seele und Geist, Mark und
Gebein voneinander scheidet; es ist ein Richter über die Gedanken
und Gesinnungen des Herzens“ (Hebr 4, 11f.). Es dringt ein in den
Menschen, um ihn umzuwandeln, um den Geist zu erhellen und das
Herz neu zu schaffen. Das Wort Christi ist daher selbst Heilsgesche-
hen (Mk 1, 22; 7, 29; Jo 7, 46). Es hat sakramentale Kraft. Christus,
das Urwort, ist auch das Ursakrament, gerade dadurch, daß er das
Urwort ist. Die Gotteskraft, mit der es hineinwirkt in das menschliche
Ich, ist der Heilige Geist (Jo 15, 26; 16, 13). Er gibt das Auge, das
nötig ist, um in Christus Gott zu sehen, das Ohr, das nötig ist, um in
Christi Wort Gottes Wort zu hören, das neue Herz, das nötig ist, um
in Christus Gottes Wesen zu spüren. Nur wer aus der Wahrheit ist,
kann Gottes Wort hören (Jo 8, 44; 18, 37), d. h. wer von Gottes Geist
erfüllt ist, vermag Gottes Wort aufzunehmen. Dieser ist herausge-
492 Christus als Offenbarer Gottes: Sein Lehramt S 161

hoben aus der Welt, aus der Verlorenheit an die Selbstherrlichkeit


des Herzens und die Selbstsucht des Willens (Jo 17, 17ff.). Die
Wahrheit macht ihn frei, frei nämlich von der Gewalt der Sünde und
des Todes (Jo 8, 32; vgl. Bd. III 1 § 176 b).
Durch Gottes Wort wird niemand gewaltsam in das dreipersön-
liche Leben Gottes hineingezogen. Es ist zunächst ein gnadenvoller
Anruf, Gottes Leben aufzunehmen. Es ist eine Anrede, eine Auf-
forderung der göttlichen Liebe, uns in sie hineinzubegeben. Das Wort
Gottes, das ein Wort der Liebe ist, wendet sich über das Ohr und den
Geist an das ganze menschliche Ich, um es in Pflicht zu nehmen. In
Christus spricht Gott der Herr zu uns. Darum ist sein Wort verbindlich
wie sonst keines. Sein Wort kann man daher nicht bloß zur Kenntnis
nehmen. Das Hören des Wortes wird zur personalen Begegnung mit
Christus. Diesem Worte muß man gehorchen in der Tat des Glaubens
(siehe § 21). Nach diesem Worte muß man handeln. Der in Christus,
seinem Werk und Wort sich erschließende Gott ist der Grund und
die bestimmende Macht für unser Handeln (Jo 3, 21; 1 Jo 1, 6). In
dieser Wahrheit, in der uns erschlossenen Wirklichkeit Gottes, muß
man wandeln (3 Jo 3). Von ihr muß man Zeugnis ablegen (Jo 8, 12;
2 Jo 1ff.). Wer nicht in der Wahrheit wandelt, der wandelt in der
Lüge (1 Jo 1, 8). Es ist dem Menschen nur die Wahl gelassen: ent-
weder in der Wahrheit Gottes, in der durch Christus uns erschlossenen
Wirklichkeit, oder in der Lüge, in der Welt des Teufels, zu wandeln
(1 Jo 1, 8).
Weil in Christus Gott der Herr zu uns spricht, deshalb ist Christi
Wort verpflichtend für alle Menschen. Wäre es bloß der Ausdruck
menschlicher Erlebnisse, so könnten es nur jene erfassen, welche die-
selbe Weise des Vorstellens und Erlebens besitzen. Nun aber redet uns
darin der eine Gott und Herr aller Menschen an. Daher ist dem Worte
Christi jeder Mensch unterworfen (Bom 1, 13f.; Gal 3, 28; Apg 1, 8;
vgl. § 21). Weil Christus nicht redet wie ein anderer Offenbarungs-
träger, sondern wie einer, der gesehen und gehört hat (Jo 8, 38; 3, 11.
32; 7, 16f.), was er spricht, deshalb ist er der Lehrer (Jo 13, 13;
Mt 23, 10). Seine Jünger haben bloß seine Botschaft auszurichten. Da-
zu sind sie berufen. Sie haben nicht eigene Weisheit zu verkündigen,
sondern das Wort weiterzugeben, das ihnen aufgetragen ist. „Wir ver-
kündigen ja nicht uns selbst, sondern Christus Jesus als den Herrn,
uns aber als eure Diener um Jesu willen“ (2 Kor 4, 5; 1 Kor 9, 12;
Tit 2, 10; Mt 28, 19; 10, 27; Hebr 2, 3; Jo 17, 4. Vgl. G. Söhngen, Über-
lieferung und apostolische Verkündigung, eine fundamentaltheolo-
§ 161 Christi Wort als Geheimniswort 493

gische Studie zum Begriff des Apostolischen, in: Die Einheit in der
Theologie, München 1952, 305—323).

Sechstes Kapitel
Christi Wort als Geheimniswort

Was uns in Christus und durch Christus geoffenbart wird, ist


das göttliche Mysterium unseres Heiles. Es wird uns selbst wieder im
Geheimniswort des Mysteriums verkündet. Das Wort Christi nimmt
teil am Mysterium, das er selbst ist (Eph 1, 3—14). Das Mysterium
des göttlichen Heilsplanes geht auch durch das Wort Christi hindurch.
Christi Wort ist selbst Bestandteil seines Mysteriums, der geheimnis-
vollen Wirklichkeit, die Christus ist. Es steht daher auch unter dem
Gesetz, unter dem die Menschwerdung steht. In dem menschgeworde-
nen Gottessohn wird die Herrlichkeit Gottes sowohl enthüllt als auch
verhüllt. Ebenso geschieht ihre Wortwerdung in der Verkündigung
Christi, sowohl in einer sie enthüllenden Verschleierung, als auch in
einer sie verbergenden Enthüllung. Das zeigt sich deutlich in den
Gleichnisreden Jesu. „Wenn Jesus vom Reiche Gottes spricht, dann
spricht er vom Senfkorn und vom Sauerteig, von der Lilie und von
der Rebe, von dem Wasser und dem Wein, von den Sperlingen und
von dem Adler, von den Hirten und Schafen, vom Fischfang und von
der Jagd, von Saat und Ernte, von verborgenen Schätzen und nächt-
lichen Dieben, von ungetreuen Knechten und schurkischen Verwal-
tern, von Königssöhnen und Hochzeitsmählern; er spricht von den
Dingen dieser Welt und des Alltags, in dem wir uns bewegen, von der
Welt, mit der wir vertraut sind, weil wir in ihr hausen“ (R. Grosche,
Pilgernde Kirche, Freiburg i. Br. 1938, 45). Diese Verkündigungs-
weise mag der Veranschaulichung des Unanschaulichen dienen. Dem
schlichtesten Menschenkinde wird so nahe gebracht, was dem
durchdringendsten menschlichen Geist immer undurchdringlich bleibt.
Aber die Gleichnisse haben noch eine andere Bedeutung. Im Markus-
evangelium wird folgender Grund für die Gleichnisreden Jesu ge-
nannt: „Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu
verstehen. Den Außenstehenden wird alles nur in Gleichnissen geboten,
damit sie sehen und doch nicht sehen, hören und doch nicht hören
und so sich nicht bekehren und Vergebung finden“ (Mk 4, 11 f.). Die
Verkündigung Jesu geschieht also so, daß sie denen, die guten Wil-
lens sind, verständlich, denen, die Geist und Herz gegen Gott ver-
schließen, aber unzugänglich bleibt.
494 Christus als König (Königtum oder Hirtenamt Christi) S 162

„Das im Fleische geoffenbarte Wort offenbart im Gleichnis das Geheimnis des


Reiches, das sich von der »Aussage«, vom Gleichnis her als etwas offenbar ge-
machtes Verborgenes, als ein, da Gottes Wege unerforschlich sind, verborgener, aber
durch Gottes Wort geoffenbarter »Plan« zeigt. Aber auch damit haben wir das
»Geheimnis« dieser Gleichnisse noch nicht ganz erfaßt; denn das Entscheidende —
nun erst recht nicht mehr psychologisch-pädagogisch zu Verstehende, ja einem
solchen Verständnis geradezu Widersprechende, es darum in seiner Unzulänglich-
keit Offenbarende — liegt darin, daß das Gleichnis das Geheimnis enthüllt, indem
es dasselbe zugleich verhüllt, genau so wie er selbst, der Sohn Gottes, in der Hülle
des Fleisches sich geoffenbart, d.h. in seiner Offenbarung auch wieder verhüllt hat“
(R. Grosche, a. a. O., 45£.).

Siebentes Kapitel
Erlösung des menschlichen Wortes

Wenn Christus auch durch alle seine Handlungen und Worte die
Erlösung des ganzen Menschen vollzogen hat (siehe $ 154), so kann
man doch sagen, daß er durch sein Offenbarungswort den Menschen
vom Irrtum, vor allem vom religiösen Irrtum erlöst und sein Wahr-
heitssuchen, vor allem das Ringen um die rechte Gotteserkenntnis,
und das menschliche Wort, das Gespräch, geweiht und geheiligt hat
(siehe Bd. I § 86 und diesen Bd. $ 161).

8 162
Christus als König (Königtum oder Hirtenamt Christi)

Erster Artikel

Die Tatsache des Königtums Christi

Erstes Kapitel

Die kirchliche Lehre

Es ist Glaubenssatz: Christus ist König in einem wahren und


eigentlichen (eminenten) Sinn (siehe die Symbola D. 86. 40). Der
Glaube der Kirche an das Königtum Christi drückt sich auch in der
Liturgie aus. In den Magnifikat-Antiphonen vom 22. und vom 23. De-
zember heißt es: „O König der Völker und ihr Ersehnter, du Eck-
stein, der du zwei zu einem verbindest, komme und erlöse den Men-
schen, den du aus Erdenlehm gebildet hast.“ „O Emmanuel, unser
König und Gesetzgeber, du Erwartung der Völker und ihr Heiland,
§ 162 Die kirchliche Lehre 495

komme, uns
zu erlösen, Herr unser Gott.“ In der Vesper am Vor-
abend von Weihnachten wird gebetet: „Wenn die Sonne vom Himmel
her aufgestiegen sein wird, dann werdet ihr schauen den König der
Könige, der vom Vater hervorgeht wie der Bräutigam aus seinem
Brautgemach.“ In den Responsorien zu den Lesungen der heiligen
Nacht heißt es: „Heute hat sich der König des Himmels gewürdigt,
von der Jungfrau geboren zu werden, um den verlorenen Menschen
zum himmlischen Reiche zurückzuführen.“ Lebendig wird das König-
tum Christi am Epiphaniefest ausgesprochen: „Sehet, der Gebieter,
der Allherrscher ist da; in seiner Hand ruht Königsmacht, Gewalt
und Weltherrschaft.“ Im Stundengebet der Fastenzeit, in welcher
Christus als der die Macht der Sünde, des Todes und des Teufels
Niederringende vor uns hingestellt wird, ruft ihm die Kirche zu:
„Lob sei dir, o Herr, König der ewigen Herrlichkeit.“ Im Hymnus zur
zur Matutin am Himmelfahrtsfest wird der Triumph Christi des
Königs gefeiert: „O ewiger König, höchster Erlöser und Heiland dei-
ner Gläubigen, in Ohnmacht sank der Tod dahin und deine Gnade
triumphiert.“ Zusammengefaßt wird der in vielen Gebeten während
des Kirchenjahres ausgedrückte Glaube an das Königtum Christi in
der Liturgie des Christkönigsfestes. (Siehe auch das Rundschreiben
Pius’ XI. über das Königtum Christi „Quas primas“ vom 11. Dezem-
ber 1925.)
„Der Orient kennt kein eigenes Christkönigsfest, denn alles Beten und Denken,
alles Hoffen und Verlangen der orientalischen Kirche kreist beständig um den
himmlischen König. Das Christusbild der byzantinischen und slavischen Kunst und
das Christusbild der orientalischen Liturgie ist der Pantokrator, der All-Herrscher.
All die pneumatischen Klänge des Christkönigsgedankens, diese Stimmen der Ver-
klärung, der priesterlichen, erlösenden Liebe vernehmen wir auch hier. Machtvolle
Hoheit, himmlische Majestät vereinigen sich mit der zartesten, innigsten, ja demut-
vollen Liebe. Christus, der König, ist der »menschenfreundliche« Erlöser, dessen
unendliches Erbarmen uns umgibt wie ein uferloses Meer der Gnade. Wenn wir
stehen am hochheiligen Tische des »göttlichen Altares«, dann nahen wir uns dem
»himmlischen König des Alls«, dann stehen wir staunend im Kreise der Engel, die
den Königshymnus unablässig singen. Immer wieder erfährt die morgenländische
Liturgie in der Feier der eucharistischen Geheimnisse diese beglückende Begegnung
mit dem Allherrscher, dessen göttliche Macht heilige Ehrfurcht weckt und uns den-
noch die liebevoile Güte unseres großen Gottes schauen läßt. Weihevoll spricht
davon ein Gebet der Markusliturgie: »Gebieter Jesus Christus, Herr, gleichewiges
Wort des anfanglosen Vaters und des Heiligen Geistes, großer Hoherpriester, Brot,
das vom Himmel gekommen ist, uns aus dem Verderben das Leben gebracht und
als unschuldiges Lamm sich für das Heil der Welt dahingegeben hat: wir flehen
und rufen Dich an, menschenfreundlicher Herr, lasse Dein Angesicht über diesem
Brote und über diesem Kelche leuchten. Durch den Dienst der Engel, durch die
496 Christus als König (Königtum oder Hirtenamt Christi) S 162

Reigen der Erzengel und durch die Tätigkeit der Priester nimmt sie Dein allheiliger
Tisch zu Deiner Ehre und zur Erneuerung unserer Seelen auf. Durch die Gnade,
Barmherzigkeit und Menschenliebe Deines eingeborenen Sohnes, durch welchen und
mit welchem Dir Ehre und Macht sei samt Deinem allheiligen, guten und lebendig-
machenden Geiste, jetzt und allezeit und in Ewigkeit«“ (J. Tyciak, Christus und die
Kirche, Regensburg 1936, 87 £.).

Im Königtum bzw. in der Hirtengewalt Christi gipfeln seine Ge-


walten auf. Wir können auch sagen: Die Hoheitsgewalt Christi ist die
Wurzel alles seines Tuns. Er ist ja vom Vater beauftragt und ermäch-
tigt, dessen Königtum in der Welt durchzusetzen. So ist er Hoheits-
träger Gottes in der Welt.

Zweites Kapitel
Die Schrift

I. Das Alte Testament

Im AT, das Gott als König bezeugt, ist das Königtum des Messias
mehrfach vorherverkündet, z. B. Ps 2, 6; 72 (71), 8—12; 24 (23),
7—10; 93 (92); Is 9, 6f.; 11, 1—9; Dn 7, 14; Mich 4, 7. Wie wir
früher sahen, soll der kommende Messias den Thron Davids besteigen
(S. 26). Danach scheint er berufen zu sein, das Davidische Reich
wiederherzustellen. Diese irdische Königsgestalt ist indes transparent
für eine andere Königsgestalt, für jenen König, der die ganze Mensch-
heit unter seine Herrschaft ruft, um ihr das Heil zu verschaffen, und
nicht mit irdischen Waffen, sondern mit dem Geiste Gottes kämpft.
Dieser König ist der Vollmachtsträger Gottes, des himmlischen Königs.
Da im AT die Könige mit Hirten verglichen werden, wird Christi
Königtum auch Hirtenamt genannt. In den Verheißungen des zweiten
Teiles des Isaias heißt es (Is 49, 9—11): „Steig auf einen hohen Berg,
Freudenbotin Sion! Erhebe mächtig deine Stimme, Freudenbotin
Jerusalem! Erhebe sie! Fürchte dich nicht! Künde den Städten Judas:
Siehe da, euer Gott! Siehe, der Herr Jahwe kommt mit Macht, und
sein Arm waltet mit ihm. Siehe, sein Lohn kommt mit ihm und sein
Erwerb geht vor ihm her. Er weidet seine Herde wie ein Hirt, mit
seinem Arm sammelt er sie; die Lämmer trägt er in seinem Busen,
die Muttertiere führt er sacht.“ Jahwe ist also der Sieger über die
feindlichen Mächte. Er befreit sein Volk und führt es aus der Knecht-
schaft heim. Zart und rücksichtsvoll geht er dabei zu Werke. Fürsorg-
lich kümmert er sich um alle einzelnen. Auch sonst wird Gottes und
§ 162 Die Schrift 497

seines Gesalbten Obsorge öfter im Gleichnis vom Hirten dargestellt:


Is 49, 9 ff.; Pss 78 (77), 52; 80 (79), 2; 95 (94), 7; Mich 2, 12 f.; Ez 34,
23; Jer 3, 15; Zach 10, 2.

U. Das Neue Testament

Im NT wird das Königtum Christi vor allem an fünf Stellen


bezeugt: in der Verkündigungsszene, in der Jugendgeschichte, in dem
Bericht von der Begegnung Jesu mit Nathanael, in der Erzählung von
der Brotvermehrung und in der Darstellung der Gerichtsverhandlung
vor Pilatus (vgl. E. Peterson, Christus als Imperator, in: Catho-
lica 5 1936 64 ff.; Derselbe, Das priesterliche Königtum Christi, in:
Der katholische Gedanke 10, 1937, 12—21). Als der Engel Maria ge-
grüßt hatte und sie in Verwirrung und Furcht über den Gruß nach-
dachte, fuhr er fort (Lk 1, 30—33): „Fürchte dich nicht, Maria; denn
du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst empfangen und
einen Sohn gebären und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Er
wird groß sein und der Sohn des Allerhöchsten heißen; Gott, der
Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird
herrschen über Jakobs Haus in Ewigkeit und seines Reiches wird kein
Ende sein.“ Die Worte des Engels schließen sich an die alttestament-
lichen Weissagungen an, an die Emmanuelweissagung des Propheten
Isaias (Is 7, 14) und an die mannigfachen Weissagungen von der Er-
neuerung und der ewigen Dauer des Königtums Davids. Nach diesen
Weissagungen wird Gott dem Messias die Königsherrschaft seines
Ahnherrn David verleihen (2 Sm 7, 12—16; 1 Chron 22, ot: Ps 89
[88], 36—52; Is 9, 6; Mich 4, 7; Dn 7, 14). Da sich die Beschreibung
im Rahmen der alttestamentlichen Messiaserwartung hält, schließt
sie ihrem Wortlaute nach zunächst und unmittelbar keine transzen-
denten, über diese Welt hinausweisenden Züge in sich. Jesus wird als
Wiederhersteller der Davidsherrschaft gezeichnet (vgl. Am 9, 11—15;
Mich 4, 7; Ez 17, 22). Vielleicht darf man daraus schließen, daß, hätte
sich das wirkliche geschichtliche Israel dem von Gott ihm zugedachten
König nicht versagt, es in der Tat seine alte Reichsherrlichkeit wieder
hätte gewinnen dürfen und daß das wiederhergestellte Israel der Aus-
gangspunkt für die Königsherrschaft des Messias über die Welt und
für das Heil der ganzen Menschheit geworden wäre. Da es indes ver-
sagte und den von Gott ihm gesandten König ablehnte, wurde ihm
von Gott der Auftrag abgenommen, und an seine Stelle trat das gei-
stige Israel. „Als Jesus in den Tagen des Königs Herodes zu Bethlehem

32 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


498 Christus als König (Königtum oder Hirtenamt Christi) S 162

in Judäa geboren war, kamen Weise aus dem Morgenlande nach


Jerusalem und fragten: »Wo ist der neugeborene König der Juden?
Wir haben seinen Stern im Morgenlande gesehen und sind gekommen,
ihn anzubeten.« Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit
ihm ganz Jerusalem“ (Mt 2, 1—3). Die Weisen brachten Jesus Gold,
Weihrauch und Myrrhe als Geschenk dar, das erste, wie es in der
Lesung des Epiphaniefestes heißt, um seine königliche Gewalt zu
bezeugen, den zweiten, um sein Priestertum anzuerkennen, die dritte,
um sein Begräbnis vorauszuverkünden. Herodes ließ aus Furcht vor
dem Königtum Christi alle Knäblein von zwei Jahren und darunter
töten, um auf diese Weise auch Christus zu beseitigen (Mt 2, 11—18).
Als Philippus den Nathanael, einen „echten Israeliten“, zu Jesus
führte, rief Nathanael, von dem Eindruck von Jesus überwältigt, aus:
„Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König Israels“ (Jo 1, 49).
Im Geiste des Alten Testamentes bezeichnete er also den Heilbringer
als den König Israels. Der Heilbringer ist eine königliche Gestalt.
Als die Volksmenge, die Jesus gefolgt war, das Wunder der Brot-
vermehrung sah, wollte sie ihn gewaltsam zum König machen. Als
Jesus das merkte, zog er sich wieder ganz allein auf den Berg zurück
(Jo 6, 14 f.). Die Menge versteht Christus falsch. Sie hält ihn für den
Bringer des irdischen Heils. Sie erwartet von ihm die Erfüllung der
natürlichen Lebenswünsche. Sie versteht ihn als einen König „von
dieser Welt“, als den Retter aus der wirtschaftlichen und sozialen
Not. Sie übersieht dabei das Wesentliche. Denn Christus will zuerst
die Rettung aus der religiös-sittlichen Not bringen. Seine Aufgabe ist
es, die Menschen wieder in das rechte Verhältnis zu Gott zu setzen.
Nur aus dieser tiefgreifenden Neuordnung kann die Überwindung
der vordergründigen Not kommen. Das Volk möchte irdische Wohl-
fahrt ohne Bekehrung zu Gott. Deshalb entzieht sich ihnen Christus.
Vor dem König Herodes flieht Christus nach Ägypten, vor dem Volk
in die Einsamkeit des Berges.
Von Pilatus wird Christus auch nach seinem Königtum gefragt.
Er bezeugt: „Ja, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die
Welt gekommen, daß ich der Wahrheit Zeugnis gebe. Jeder, der aus
der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ Die Juden erkennen
diesen König nicht an. Sie ziehen dem König der Wahrheit den Auf-
wiegler Barabbas vor (Jo 18, 33—40; 19, 12; vgl. Mt 27, 11—38;
Mk 15, 2—18. 26; Lk 23, 2£. 27 £.). Als ewiger König der Herrlichkeit
wird Christus 1 Tim 6, 15 gepriesen. Er siegt zuletzt über alle Feinde
(Offb 19, 11—16). Christus ist König eines Reiches, in das aufgenom-
§ 162 Die Väter 499

men zu werden Gnade, Heil, Rettung und Herrlichkeit bedeutet (Mt


16, 28; 20, 21; 13, 41; Lk 1, 33; 22, 29 f.; 23, 42; 2 Tim 4, 1. 18; 2 Petr
1, 11; Eph 5, 5; Kol 1, 13; Offb 3, 21; 1, 15. Vgl. $ 159).

Drittes Kapitel
Die Väter

In der Väterzeit empfand man den Königsanspruch Christi als


Verpflichtung und Auszeichnung zugleich. Polykarp z.B. erklärte
dem Richter, er könne, nachdem er sechsundachtzig Jahre treu ge-
dient, nicht am Ende des Lebens dem Herrn und König die Treue
brechen, wie ihm zugemutet wurde (Martyrium des hl. Polykarp 9, 3;
vgl. 17, 3; BKV II, 302. 306; siehe auch Didache 14, 3; BKV 15).
Im Briefe an Diognet (Abschn. 7; BKV I, 10f.) steht: „Der allmächtige
Schöpfer und unsichtbare Gott selbst hat wahrhaftig die Wahrheit und sein heiliges
und unfaßbares Wort vom Himmel her unter den Menschen Wohnung nehmen
lassen und ihren Herzen eingegründet, indem er nicht, wie man erwarten sollte,
den Menschen einen Diener schickte, etwa einen Engel oder einen Fürsten oder
einen von denen, die mit der Verwaltung im Himmel betraut sind, sondern den
Schöpfer und Bildner des Alls selbst, durch den er die Himmel geschaffen, das
Meer in seine Grenzen eingeschlossen hat, dessen Geheimnisse alle Himmelskörper
treu bewahren, von dem die Sonne die Maße ihrer Tagesumläufe vorgezeichnet
erhielt, nach dessen Befehle der Mond in der Nacht scheint, dem die Sterne ge-
horchen, welche der Bahn des Mondes folgen, von dem alles geordnet und be-
stimmt und dem alles unterworfen ist, die Himmel und was im Himmel, die Erde
und was auf Erden, das Meer und was im Meere ist, Feuer, Luft, Abgrund, was in
den Höhen, was in den Tiefen und was dazwischen ist. Diesen hat er zu ihnen
gesandt. Etwa, um Furcht und Schrecken zu verbreiten? Keineswegs, sondern in
Milde und Sanftmut schickte er ihn, wie ein König einen Königssohn sendet, als
einen Gott sandte er ihn, wie einen Menschen zu Menschen sandte er ihn, zur Er-
lösung schickte er ihn, zur Überzeugung, nicht zum Zwang; denn Zwang liegt Gott
ferne. Er sandte ihn, um zu rufen, nicht zum Verfolgen; er sandte ihn in Liebe, nicht
zum Gerichte.“ Origenes (Gegen Celsus, 1. Buch, 61. Abschn.; BKV II, 84£.) sagt:
„Die Bosheit ist eine gewisse blinde Macht, sie hält sich für stärker als das Schick-
sal und will es bezwingen. Das war auch bei Herodes der Fall, er war des Glaubens,
daß ein König der Juden geboren sei, und faßte trotzdem einen Entschluß, der
diesem Glauben widersprach: er übersah, daß das Kind entweder in jedem Fall ein
König sei und zum Throne gelangen würde, oder daß es nicht König sein würde
und seine Ermordung unnötig wäre. Er wollte ihn nun töten, in seiner Bosheit von
Gedanken beherrscht, die sich widersprachen, und von dem blinden und argen
Teufel angetrieben, der dem Heiland bereits von Anfang an nachstellte ... Er sah
ja die Macht nicht, welche rastlos über jene wacht, die des Schutzes und der Er-
haltung für das Heil der Menschheit würdig sind. Unter diesen allen war aber Jesus
der erste und größte an Ehre und Würde, berufen, ein König zu sein, jedoch nicht

Ki
500 Christus als König (Königtum oder Hirtenamt Christi) § 162

so, wie Herodes es meinte, sondern wie es sich für einen gebührte, den Gott mit
dem Königtum betraute, um den vom Könige Regierten Gutes zu tun, ein König,
der sozusagen keine mittelmäßige und gleichgültige Wohltätigkeit gegen seine Unter-
tanen üben, sondern sie durch wahrhaft göttliche Gesetze erziehen und gewinnen
sollte. Dessen war sich auch Jesus bewußt; deshalb sagte er, er sei kein König in
dem Sinne, wie der große Haufe es erwarte, und wies auf den außerordentlichen
Charakter seines Reiches mit den Worten hin: »Wäre mein Reich von dieser Welt,
so würden wohl meine Diener kämpfen, daß ich den Juden nicht ausgeliefert würde;
nun aber ist mein Reich nicht von dieser Welte"

Zweiter Artikel

Die Art und die Betätigung seines Königtums


Erstes Kapitel
Andersartigkeit des Königtums Christi
Mit diesen Worten des Origenes ist schon die Art des König-
tums Christi und seines Reiches angedeutet. Es ist kein Reich von
dieser Welt (Jo 18, 36; Mt 4, 8ff.;, Mk 9, 33—36). Es ist kein Reich
mit bestimmten geographischen Grenzen oder mit den Formen, in
denen die Reiche der Erde auftreten. Man kann ein Verständnis für
die Herrschaft Christi gewinnen, wenn man die innere Beziehung ins
Auge faßt, welche das Wort „herrschen“ zu Herrsein und Herrlich-
keit besagt. „Die Herrlichkeit ist demnach die eigentliche, typische
Eigenschaft des Herrschers, und Herrschen ist dann zunächst nichts
anderes, als das wirksame Darstellen dieser Herrlichkeit in der Ge-
staltung des Volkes. Das Volk »herrlich« zu machen, ist die eigent-
liche Aufgabe des Herrschers“ (J. Pinsk). So wird das Herrschen zum
Dienen. Es steht im Dienste der Herrlichkeit des Volkes.
Von da aus kann die Erhabenheit des Königtums Christi erfaßt
werden. Christus ist der König, wie er der Lehrer und der Priester
ist. Ja, er ist der Priester und der Lehrer, weil er der König ist.
„Seine Aufgabe ist Dienst an der Menschheit, dazu wird Er vom Vater
in die Welt gesandt, und der Inhalt dieses Dienstes besteht darin,
der Menschheit Leben und Herrlichkeit — nicht, wie es die Menschen
tun, in einem vorläufigen Sinne, sondern im absoluten Sinne — zu
vermitteln, das »Leben in Fülle« und die »Herrlichkeit Gottes«. Dieser
Dienst an der Menschheit ist noch nicht vollendet; er wird es sein,
wenn Christus in offenbarer Herrlichkeit am Jüngsten Tag erscheint.
Dann, wenn die Menschheit zur Herrlichkeit des Auferstehungsleibes
aufersteht, und wenn der Kosmos als » Neuer Himmel und Neue Erde:
ersteht, deren Leuchte nicht mehr das vergängliche Licht von Sonne
§ 162 Andersartigkeit des Königtums Christi 501

und Mond ist, sondern das Strahlen des verklärten Christusleibes —


»denn die Herrlichkeit Gottes erhellt sie, und ihre Leuchte ist das
Lamm« (Offb 21, 23) —, dann erst wird deutlich sein, was der Dienst
Christi der Kreatur vermittelt hat: die Herrlichkeit Gottes. Diese Ver-
mittlung der Herrlichkeit Gottes an die Kreatur geschieht auf dem
Wege des echten Herrschens: das heißt, die Herrlichkeit, die Christus
der Welt vermittelt, ist nicht ein unverbindliches Angebot; vielmehr
sind der Einzelne und die Menschheit verpflichtet, die Wege zu gehen,
auf denen Gott die Welt ihrer herrlichen Vollendung entgegenführen
will. Auch Christus gegenüber hat der Satz: »Jeder kann nach seiner
Fasson (herrlich beziehungsweise) selig werden« keine Gültigkeit. Das
liegt darin begründet, daß er tatsächlich der Herr der Welt ist. Dieses
Herrsein gründet nicht nur auf der positiven Anordnung durch den
Vater, sondern auch in der inneren Wesenheit des menschgewordenen
Gottessohnes selbst, weil in Ihm das Menschentum seine letzte Er-
füllung erhalten hat. Weil die menschliche Natur nicht vollendeter
werden kann, als sie in Christus ist, deswegen muß Er auch der Herr
sein, der Oberste von allem, aus Dessen Fülle wir alle empfangen
haben (Joh 1, 16)“ (J. Pinsk, Die sakramentale Welt, Freiburg i. Br.
1938, 83—88).
Christus hat sein Königtum während seines ganzes Lebens aus-
geübt, da sein ganzes Leben im Dienste der Erlösung und der Ver-
mittlung des Lebens und der Herrlichkeit Gottes an die Geschöpfe
stand. Zumeist aber hat er durch Tod, Auferstehung, Himmelfahrt
und Geistsendung der Herrlichkeit der Welt gedient. Darum ist sein
Königtum nicht zu trennen von seinem Priestertum (Phil 2, 7—11).
Es ist ein priesterliches Königtum. Die Mächte, die er als König be-
siegte, sind Sünde, Tod und Teufel. Der Weg, auf dem er seinen Sieg
errang, ist nicht Gewalt, sondern Liebe und Gerechtigkeit. Sein König-
tum ist ein Königtum der sich opfernden Liebe, die zu Ehre, Freiheit
und Glanz führen will (siehe für den Zusammenhang von Opfertod
und Königtum Christi die Hymnen „Rex gloriose praesulum“, „Rex
Christe factor omnium“, „Rex sempiterne Domine“, „Rex sempiterne
caelitum“, „Vexilla regis prodeunt“, übers. von R. Zoozmann, Lobet
den Herrn, Berlin 1928, 110—113, 865, 764—771, 78—81. L. Richard,
Dieu est amour, Le Puy-Lyon 1962).
Christi Königtum ist somit anders als jedes sonstige Königtum
und jede sonstige Herrschaft. Aber es ist nicht weniger wirklichkeits-
mächtig. Seine Herrschaft ist nicht eine uneigentliche. Keine Herr-
schaft greift so in das Innerste der Welt hinein wie die Seinige. Jede
502 Christus als König (Königtum oder Hirtenamt Christi) $ 162

andere Herrschaft ist ein Abbild der Seinigen, gründet und mündet
in ihr (Kol 1, 16 f.). Weil sie indes anders ist als jede andere, deshalb
wehrt sich der in die Welt verfangene Mensch dagegen. Sie ist derart,
daß nur der aus der Wahrheit Gottes lebende Mensch sie ertragen
kann, d.h. jener, der von der Wirklichkeit Gottes, die uns in Christus
erschlossen ist, die anders ist als jede geschaffene Wirklichkeit, be-
stimmt und geformt wird, Weil die jüdischen Volksmassen, Herodes
und Pilatus in gleicher Weise dem innerweltlichen Denken verhaftet
sind, verbünden sie sich gegen das die Welt überschreitende König-
tum Christi. „Wahrhaftig, es haben sich in dieser Stadt vereinigt
Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und den Stämmen
Israels gegen Jesus, deinen heiligen Knecht, den du gesalbt hast“
(Apg 4, 27). Weder Herodes noch Pilatus hätten von dem Königtum
Christi etwas zu fürchten gehabt (Mt 2, 1—18; Jo 18, 36; 19, 12f.).
Der Hymnus des Epiphaniefestes sagt: „Grausamer Herodes, was
fürchtest du das Kommen Gottes, des Königs? Der raubt nicht irdi-
sche Königreiche, der das Himmelreich gibt.“

Zweites Kapitel
Christi Königtum und die irdischen Ordnungen
Wohl umfaßt die Königsherrschaft Christi die ganze Welt, da
er die gesamte Schöpfung mit der Herrlichkeit Gottes erfüllt hat (vgl.
§ 163). Aber bis zur Wiederkunft Christi bleiben die vergänglichen
Formen dieser Welt. Christi Herrschaft setzt daher keine der ge-
schaffenen Ordnungen außer Kraft. Wie sollte er es auch, da sie von
dem Schöpferwillen Gottes des Vaters herrühren und er gekommen
ist, um den Willen des Vaters zu erfüllen und in der Welt wieder
aufzurichten? Die irdischen, in dem Schöpfungsplane Gottes begrün-
deten Ordnungen werden daher durch ihn nicht nur nicht abgeschafft
oder gefährdet, sondern neu gefestigt und stärker verbindlich.
Christus ist zwar nicht dazu gekommen, um das Irdische (die
Politik, die Kultur, die Wissenschaft) unmittelbar selbst zu gestalten.
Dennoch besteht zwischen ihm und den Ordnungen der Schöpfung
ein lebendiger Zusammenhang, insofern diese in die Erlösung ein-
bezogen sind.
Was Christus näherhin für die irdischen Ordnungen leistete, ist
ein Doppeltes: In objektiver Hinsicht bestätigte er die Schöpfung des
Vaters. Dadurch wurde der göttliche Auftrag an die Menschen, die
Welt sich untertänig zu machen und zu gestalten, neuerdings einge-
§ 162 Christi Königtum und die irdischen Ordnungen 503

schärft. Zugleich aber betonte Christus die Vorläufigkeit alles Irdi-


schen. Die jetzige Weltgestalt wird einmal verwandelt werden in den
Neuen Himmel und in die Neue Erde. Die irdischen Ordnungen haben
infolgedessen keine endgültige und keine absolute Bedeutung. Sie
werden jedoch dadurch nicht entwertet. Denn einmal sind sie Sinn-
bilder der kommenden, im auferstandenen Christus vorgebildeten
Weltgestalt. Sodann aber werden sie in verwandelter Weise im Neuen
Himmel und auf der Neuen Erde unvergänglich weiterexistieren. Dies
begreift in sich, daß Christus die durch die menschliche Sünde der
Herrschaft Satans anheimgefallene Welt wieder zum Vater heimge-
holt hat. Er hat sie gewissermaßen von ihrer Weltlichkeit, welche
letztlich Dämonie ist, befreit und ihr die Herrlichkeit Gottes, näher-
hin die Herrlichkeit seines Auferstehungsleibes eingestaltet (siehe
Bd. IV 2).
Dieser neuen Situation entspricht es, daß die Ordnungen der
Welt gestaltet werden nach dem Willen des Vaters, zu dem sie durch
Christus wieder heimgekehrt sind, das heißt nach den ihnen inne-
wohnenden Gesetzen, in welchen sich der schöpferische Wille Gottes
ausspricht (Naturrecht), nach der Wahrheit, also nach der in ihnen
sich ausdrückenden Wirklichkeit Gottes. Ein Widerspruch hierzu ist
daher nicht bloß eine Verletzung des göttlichen Schöpferwillens,
sondern auch eine Auflehnung gegen die Königsherrschaft Christi,
der die irdischen Ordnungen durch seinen Opfertod von der sie in
ihrem innersten Wesen vergewaltigenden Verknechtung unter die
Sünde wieder frei gemacht hat für die sinnerfüllte Auswirkung ihres
gottgewirkten Wesens.
Durch solche Gestaltungen werden die Ordnungen transparent
für die Herrlichkeit Gottes. Unter diesem Aspekt gibt es keine allein
geltende Kulturgestalt, da keine irdische Form Gott adäquat darzu-
stellen vermag. Man darf jedoch sagen, daß jene Kulturgestalt die
relativ beste ist, welche dem Menschen am meisten gestattet, als
Ebenbild Gottes zu leben. Umgekehrt sind jene Wirtschafts-, Sozial-
und Staatsformen verwerflich, welche die dem Menschen als Gottes-
bild gemäße Freiheit zerstören. Eine Weltgestaltung ohne Rücksicht
auf Gottes Willen, in gottfreier Selbstherrlichkeit, wäre jene Säkulari-
sierung („Laizismus“), welche den Menschen zum letzten Maß aller
Dinge macht. Die sinngemäße Gestaltung der weltlichen Ordnungen
obliegt innerhalb der Kirche vor allem den Laien (Bd. II 1 § 203).
Das Zweite, was Christus indirekt für die Kultur getan hat, be-
trifft den Menschen selbst. Er hat den Menschen von der Versklavung
504 Christus als König (Königtum oder Hirtenamt Christi) $ 162

an die Welt, an den Hochmut, an die Lüge und den Haß befreit und
ihm die Chance zu einem Leben in Wahrheit und Liebe, in Dienst-
willigkeit und Gerechtigkeit verschafft. Der von Christus umgeschaf-
fene Mensch ist Träger himmlischen Geistes, nämlich des Heiligen
Geistes. Dieser wird in der Theologie als der Liebesodem verstanden,
den der Vater dem Sohn und der Sohn dem Vater entgegenatmet. Er
ist, wie das lateinische Wort „spiritus“ andeutet, die himmlische Luft,
die himmlische Atmosphäre, das himmlische Klima, in welchem Vater
und Sohn leben und einander angehören. In diese personhaft-himm-
lische Atmosphäre ist der christusverbundene Mensch aufgenommen.
Daraus ergibt sich für ihn die Folge, daß er in der Bewegung der
sich hingebenden Liebe sein Dasein vollzieht, daß er also sein Leben
als Dienst am Menschen versteht. Der christusverbundene Mensch
wird daher seine kulturellen und politischen Bemühungen nicht zur
Produktion von Sachwerten um ihrer selbst willen, sondern für den
Dienst am Menschen verwenden. Augustinus betont mit Recht, daß
auch die irdische Herrschaft eine Funktion des Dienens ist. Während
der skrupellose Wille zur Macht eine Eigentümlichkeit des Teufels
darstellt, üben die christusverbundenen Menschen Macht und Herr-
schaft, die für diese Weltzeit unentbehrlich sind, nicht aus Herrsch-
sucht, sondern aus dienstwilliger Bereitwilligkeit, nicht aus Stolz, um
Herren zu sein, sondern aus erbarmender Fürsorge aus (Augustinus
Gottesstaat XIX, 14; vgl. Bd. II 1 § 124).
Dieser dienstwilligen Liebe ist der Mensch nicht fähig ohne die
Bereitschaft zum Opfer. So gehört die Teilnahme am Kreuze Christi
in das Kulturschaffen und in die politischen Bemühungen des Men-
schen hinein.
Die von Christus in den Kosmos eingeführte Gottesherrlichkeit ist
noch verborgen, und sie wird es bleiben bis zu seiner Wiederkunft.
Vom Königtum Christi gilt, was Grosche vom Reiche Gottes sagt, daß
nämlich der Einwand des römischen Heiden Celsus daneben trifft,
das Christentum habe versagt, es habe nicht dies oder jenes geleistet,
was Menschen billigerweise an Leistung — vielleicht auf Grund eines
von der Christenheit selbst zu Unrecht erhobenen Anspruchs — er-
warten zu dürfen glaubten.
„Aber es trifft genau so daneben, wenn nun Christen, um einen solchen An-
griff zu entkräften, die Statistik ins Feld führen, denn was die Statistik aufzeichnen
kann, das mag schön und lobenswert sein, in keinem Fall ist es das, worauf es
einzig und allein ankommt, denn das ist verborgen, und keiner sieht es als der
Herr: »Mit dem Reiche Gottes ist es wie mit einem Manne, der Samen auf ein
§ 162 Christi Königtum und die irdischen Ordnungen 505

Ackerland säte, mag er schlafen oder wachen, bei Tag und bei Nacht: die Saat geht
auf und wächst, ohne daß er es merkt« (Mk 4, 26f.). Nein, das Reich
Gottes wächst nicht so, daß man es sehen kann. Immer ist es verborgen, immer geht
es den Weg dessen, dem das Königtum vom Vater anvertraut ist hier auf Erden, den
Weg des Kreuzes. Es ist mit dem Reiche wie mit Jesus Christus: »Er steht in eurer
Mitte, und ihr kennet ihn nicht« (Jo 1, 27). Und auch vom Reiche gilt Jesu Wort,
das er von sich selber sprach: »Selig ist, wer sich an mir nicht ärgert«, aber auch
das andere: »Selig aber eure Augen, daß sie sehen, und eure Ohren, daß sie hören,
denn wahrlich ich sage euch, viele Propheten und Gerechte haben sich gesehnt, zu
sehen, was ihr seht, und sahen es nicht, und zu hören, was ihr hört, und hörten es
nicht« (Mt 13, 16£.). Das Reich Gottes ist da, aber es ist verborgen, doch in dieser
Verborgenheit wächst es: »Von selbst trägt die Erde Frucht« (Mk 4, 28). »Von
Selbst, — das heißt aber nun wahrlich nicht, daß die Kirche »auf eigenen Füßen
steht«, so daß sie im »sicheren Bewußtsein ihrer vollen und ganzen Selbständig-
keit«, »in einem gewissen Sinne nicht einmal einer außergewöhnlichen göttlichen
Hilfe bedarf«, daß sie nun »ganz allein und ganz von selbst die ständige Weiter-
entwicklung der Offenbarung in die Hände genommen hat«, sondern es heißt fast
das genaue Gegenteil, daß nämlich die Saat nicht deshalb wächst, weil die Menschen
sie zum Wachstum bringen auf Grund ihrer Natur oder mit Hilfe ihrer Leistungen,
sondern daß sie wächst, weil Gott es so will. Das macht das parallele Gleichnis bei
Matthäus vom Unkraut unter dem Weizen deutlich, daß es hier darauf ankommt,
daß die Menschen nichts vermögen gegen Gottes Willen — die Menschen nicht
und auch der Teufel nicht! Die Menschen mögen tun und treiben, was sie wollen—
im Guten oder im Bösen, Gott ist der Herr. Er ist König, und in der Saat offenbart
er seine Macht. Gewiß ist der Feind noch da, denn der alte Äon ist ja noch da, aber
er ist gebrochen in seiner Macht, und der Feind vermag der Saat nicht mehr zu
schaden: »Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Manne, der guten Samen auf
seinen Acker säte. Während er aber schlief, kam sein Feind und säte Unkraut mitten
unter den Weizen und ging davon« (Mt 13, 24f.); aber ebenso ohnmächtig wie der
Haß des Feindes ist der gut gemeinte Eifer der Knechte, die das Unkraut ausreißen
wollen. Gott ist der Herr, der für die Saat sorgt; er weiß, was Weizen und Unkraut
ist. Er allein weiß, was das Netz an Fischen in sich birgt (Mt 13, 47 ff.). Er allein,
der das Reich gibt, und der es, wie das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg
zeigt, gibt, wem er will, ohne Rücksicht auf naturhafte Anlage oder persönliche
Leistung, er bringt schließlich das Verborgene ans Licht. »Am Ende der Welt:
wird offenbar werden, was jetzt verborgen ist, dann wird der Menschensohn in der
Herrlichkeit seines Vaters wiederkommen, um zu richten die Lebendigen und die
Toten, und wenn jetzt sein Königtum verborgen ist, weil er auf Erden im-
mer nur ist in der Hülle des Knechtes — in seiner Herrlichkeit
aber sitzet er zur Rechten des Vaters —, dann eben wird er in dieser Herrlichkeit
offenbar werden und seines Reiches wird kein Ende sein“ (R. Grosche,
Pilgernde Kirche, Freiburg i.Br. 1938, 51f.). In diesem Äon erweist sich Christi
Königtum fort und fort in dem Leiden, im Martyrium, in dem Bekennermut, in der
Zeugenschaft derer, die an ihn glauben (vgl. den Hymnus Gregors d. Großen
Rex gloriose martyrum, übers. von R. Zoozmann, Lobet den Herrn,
Berlin 1928, 106--109).
506 Christus als König (Königtum oder Hirtenamt Christi) § 162

Drittes Kapitel
Christi Reich und die Kirche

Aus dem Gesagten sieht man, daß das Reich Christi nicht völlig
(adäquat) mit der Kirche zusammenfällt. Die Kirche ist sein Kern,
seine Erscheinung und sein Organ. Von hier strahlt Christi Herrschaft
aus auf die ganze Schöpfung. So ist der ganze Kosmos in den Strah-
lungsbereich des Königtums Christi einbezogen (siehe hierfür die
Lehre von der Kirche Bd. III 1). Das Reich Christi fällt aber auch nicht
gänzlich mit dem Gottesreich, mit der Gottesherrschaft zusammen. Das
Reich Gottes ist zwar mit Christus angebrochen (vgl. $ 152). Christi
Reich ist Werkzeug und Erscheinung der Königsherrschaft Gottes.
Diese ist in dem Reiche Christi, das mit der Menschwerdung oder mit
der Auferstehung begann, verborgenerweise gegenwärtig. Aber es
kommt die Stunde, da Christus alles, auch sich selbst, dem Vater
unterwirft. Dann geht sein Reich über in das Reich des Vaters, das
in unverhüllter Herrlichkeit erscheinen wird. Das wird der Zustand
sein, in dem der Vater mit Christus, dem Sohne Gottes, und dem
Heiligen Geiste „Gott alles in allem“ sein wird (1 Kor 15, 25—28;
Offb 3, 21). Er, der unvergängliche, unsichtbare, alleinige, unbegreif-
liche Gott ist der König der Ewigkeit, dem Preis und Ruhm sei von
Ewigkeit zu Ewigkeit (1 Tim 1, 17; vgl. § 177).

Viertes Kapitel

Die Funktionen des Königtums Christi

Zu den Betätigungen der Königsherrschaft Christi gehören die


Gesetzgebung und das Gericht.

I. Gesetzgebung

Christus hat uns zwar vom Gesetze befreit, aber er hat uns ge-
bunden an sich selbst. In welchem Sinne das alttestamentliche Ge-
setz weiterbesteht und in welchem es aufgehoben ist, wurde früher
gezeigt (vgl. $ 156). Die Kirchenversammlung von Trient hat gegen-
über den Reformatoren den Glaubenssatz ausgesprochen, daß Jesus
Christus auch Gesetzgeber ist, dem man gehorchen muß (6. Sitzung,
21. Lehrsatz D. 831). Ja, er selbst ist das Gesetz des Gläubigen, wie
das Geliebte das Gesetz des Liebenden ist. Der Gläubige gehorcht nicht
§ 162 Die Funktionen des Königtums Christi 507

letztlich und erstlich einer unpersönlichen Vorschrift, sondern dem


personalen, lebendigen Christus, der ihn in Pflicht genommen hat.
Die Einzelvorschriften, welche Christus oder in seinem Namen die
Kirche gibt, sind konkrete Fassungen des Gesetzes, das Christus selbst
ist. Wenn der Christusgläubige Gesetzesvorschriften erfüllt, so ist dies
Gehorsam gegen Christus. Sein sittliches Verhalten vollzieht sich also
in der Begegnung mit Christus und ist in diesem Sinne personalistisch.
Wie man die „Lehren“ Christi nicht von seiner Person loslösen kann,
so kann man auch die Gesetze und Gebote nicht von seiner Person
trennen, ohne sie ihres christlichen Charakters zu entkleiden. In den
Geboten, die Christus gibt, etwa in der Bergpredigt, offenbart er uns,
wie sich derjenige, der sich ihm überantwortet hat, in bestimmten
Lagen des Lebens, z. B. dem Nebenmenschen oder den irdischen Gü-
tern gegenüber verhalten muß. So begründet auch Paulus alle seine
Mahnungen mit der Einheit mit Christus (z.B. 1 Kor 6, 12—20; 10,
14—22; 12, 1—31). Das christliche Verhalten wird so zu einer Aus-
wirkung und Betätigung der Christusverbundenheit. Hier wird auch
deutlich, wie eng das Lehramt und das Königtum Christi zusammen-
hängen (der Zusammenhang zwischen Priesteramt und Königtum be-
gegnete uns schon). Die Offenbarungen Christi sind Anrufe Gottes,
welchen wir uns in Gehorsam beugen müssen. Indem Christus „Leh-
rer“ ist, ist er König, der Gesetze gibt. Wenn Christus andererseits
Gebote gibt, dann offenbart er uns darin die Herrlichkeit Gottes und
die Art und Weise, wie wir ihrer teilhaftig werden können. In jedem
Gebot ruft uns Gott an, indem er uns verpflichtet, vollkommen zu
werden, wie er vollkommen ist. Indem Christus Gesetzgeber ist, ist er
Offenbarer Gottes. Zu den Aufgaben seines Königtums gehört denn
auch das Zeugnis für die Wahrheit, d.h. die Erschließung der Wirk-
lichkeit Gottes (Jo 18, 37). Lehramt und Königtum durchdringen sich
also aufs innigste (vgl. § 175; siehe Bd. III 1).

TI. Gericht

Christus ist der Richter, ja er ist das Gericht, insofern sich im


Glauben an ihn und im Unglauben gegen ihn Heil und Unheil ent-
scheiden (Jo 3, 17—21). Auch sein Gerichtswort ist die Aussprache
dessen, was er ist. Ihm ist alles Gericht vom Vater übertragen (Jo 5,
22—30). Bei seiner Wiederkunft wird er die Bösen verdammen, die
Guten aber einführen in sein Reich, das ihnen bereitet ist von Anfang
an (Mt 25, 34 ff. Vgl. die Lehre von den Letzten Dingen Bd. IV 2).
508 Christus als König (Königtum oder Hirtenamt Christi) § 162

Dritter Artikel
Teilnahme am Königtum Christi
Die Gläubigen haben am priesterlichen Königtum Christi Anteil.

Erstes,Kapstel
Die Schrift

Johannes schreibt in der Offenbarung an die sieben Gemeinden:


„Gnade euch und Friede von dem, der ist und der war und der
kommen wird, von den Geistern vor seinem Throne und von Jesus
Christus. Er ist der treue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten, der
Herrscher über die Könige der Erde. Ihm, der uns geliebt und uns
durch sein Blut von unseren Sünden erlöst, der uns zu seinem König-
tum, zu Priestern für Gott seinen Vater gemacht hat: Ihm gebührt die
Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen“ (Offb 1, 4 ff.).
Offb 3, 21 steht das erstaunliche, die letzte Größe und Würde des
Menschen enthüllende Wort: „Wer siegt, dem will ich geben, mit mir
auf meinem Throne zu sitzen; gleichwie auch ich gesiegt und mit
meinem Vater auf seinen Thron mich gesetzt habe.“ Im ersten Petrus-
brief wird die gleiche Tatsache angedeutet, wenn den Gläubigen ein
königliches Priestertum zugesprochen wird (1 Petr 2, 9). Man darf
diese Zeugnisse nicht abschwächen, indem man von einem uneigent-
lichen Königtum spricht. Es ist ein wirkliches und echtes Königtum
gemeint. (Vgl. die Lehre von der Taufe und jene von den Letzten
Dingen.)
Zweites,Kapitel

Die Väter und die Liturgie


Leo der Große schildert die Teilnahme am priesterlichen Königtum
Christi in der als Predigt 4 gezählten Festansprache zur Jahrtagsfeier seiner Er-
hebung auf den Stuhl Petri folgendermaßen (BKV I, 11f.): „Voll Freude über die
in euerer Ergebenheit zutage tretende fromme Gesinnung danke ich Gott, daß ich
die Liebe christlicher Eintracht in euch finde. Seht ihr doch, wie euer zahlreiches
Erscheinen bekundet, in der Wiederkehr dieses Tages Grund zu gemeinschaftlicher
Freude und in den Jahrestagsfesten des Oberhirten eine Ehrenfeier für die ganze
Herde. Mag auch die gesamte Kirche Gottes in bestimmte Rangstufen gegliedert
sein, so daß die Einheit ihres Leibes verschiedene Teile umfaßt, »so sind wir dochs,
wie der Apostel sagt, »alle eins in Christus«. Kein Glied steht, wie unscheinbar es
auch sein mag, der Aufgabe des anderen so fern, daß es nicht mit dem Haupte
verbunden wäre. In der Einheit des Glaubens und der Taufe genießen wir, Gelieb-
teste, unterschiedslose Gleichheit und gemeinsame Würde. So hören wir aus dem
S 162 Die Väter und die Liturgie 509

heiligen Munde des hochseligen Apostels Petrus: »Und wie lebendige Steine bauet
euch auf zu geistigen Wohnungen, zu einem heiligen Priestertum, indem ihr geistige
Opfer darbringt, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus!« Und (ein paar
Verse) weiter unten sagt er: »Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein könig-
liches Priestertum, ein heiliger Stamm, das Volk der Erwerbung.« Alle, die in
Christus wiedergeboren sind, macht also das Zeichen des Kreuzes zu Königen,
während sie die Salbung des Heiligen Geistes zu Priestern weiht. Darum sollen sich
auch alle, die im Geiste und in ihren Grundsätzen Christen sind, bewußt sein, daß
sie — abgesehen von der besonderen Aufgabe unseres Amtes — von königlichem
Geschlechte stammen und an den Pflichten des Priesters Anteil haben! Was ist so
königlich, als wenn ein Gott untertäniger Geist die Herrschaft über seinen Leib führt?
Und was entspricht so den Obliegenheiten eines Priesters, als dem Herrn ein reines
Gewissen zu weihen und ihm makellose Opfer der Frömmigkeit auf dem Altare
seines Herzens darzubringen? Mögen daran durch Gottes Gnade auch alle Anteil
haben, so ist es doch nur gottgefällig und löblich, wenn ihr euch über den Tag
unserer Erhebung zur höchsten Würde wie über eine euch selbst zuteil gewordene
Ehre freut, so daß also der ganze Leib der Kirche das eine Sakrament des Hohen-
priestertums feiert. Wenn dieses auch bei der Ausgießung des Weiheöls seine Seg-
nungen in reicherem Maße auf die oberen Glieder übergehen ließ, so wurden doch
auch die unteren nicht kärglich damit bedacht.“
Augustinus sagt ohne Abschwächung ins Uneigentliche, daß
die mit Christus Verbundenen Könige und Priester sind. Das König-
tum der Gläubigen besteht in der Teilnahme am Herrschen, an der
Herrlichkeit Christi. Sie werden mit ihm auf Thronen sitzen. Sie
werden sogar ein Gericht halten über jene, welche sich Christus im
Unglauben verschlossen haben, insofern sich von ihrer eigenen Voll-
endung in der Herrlichkeit Gottes die ewige Unfertigkeit des in sich
verschlossenen, Gottes Herrschaft ablehnenden Menschen um so furcht-
barer abheben wird und insofern an ihrer Vollendung zugleich die
Verantwortung für die Nichtvollendung sichtbar wird. (Näheres in der
Lehre von der Taufe, über den wesentlichen Unterschied von Amts-
priestertum und sonstigem Priestertum in der Lehre vom ordo
Bd. IV 1).
In der Liturgie erscheint das Königtum der Christusgläubigen in
den sakramentalen Salbungen. Im AT wurden vor allem die Könige
gesalbt, aber auch die Priester und die Propheten. An diesen Vorgang
knüpfen die sakramentalen Salbungen bei der Taufe, bei der Fir-
mung, bei der Priesterweihe und bei der Letzten Ölung an. In der
Letzten Ölung z.B. wird der Mensch gewissermaßen für die voll-
endete Teilnahme an Christi Königtum, für die ewige Königsherrschaft
gesalbt (vgl. J. Daniélou, Bible et Liturgie, Paris 1951).
In besonderer Weise nimmt Maria am Königtum Christi teil (Fest
der Königin des Himmels und der Erde).
510 Der umfassende Charakter der Erlösung durch Christus § 163

8 163
Der umfassende Charakter der Erlösung durch Christus

Erstes Kapitel
Die kirchliche Lehre

Es ist Glaubenssatz: Christus ist für alle Menschen gestorben


(Konzil von Trient, 6. Sitzung, 2. Kap. D. 794; vgl. das Konzil von
Nizäa und Konstantinopel D. 54 und 86). Die Allgemeinheit der Er-
lösung wurde geleugnet von den Judaisten, von den Gnostikern und
Manichäern, von den Prädestinatianern (zu denen wohl Gottschalk
gehört; verworfen auf der Synode von Quiercy D. 319), und von den
Jansenisten (D. 1096. 1294).

Zweites Kapitel
Die Schrift
Zunächst war der messianischen Wirksamkeit Jesu dadurch eine
Schranke gesetzt, daß er zu den verlorenen Söhnen des Hauses Israel
gesandt war (Mt 15, 24; vgl. 4, 23). Ihnen sollte das Heil zuerst an-
geboten werden (Röm 11, 11—24). Aber es stellte sich heraus, daß sie
für Jesu Botschaft noch nicht reif waren. Das jüdische Volk sah in
Christus nicht und sieht bis heute in ihm nicht die Verwirklichung
der alttestamentlichen Verheißungen. Es ist überzeugt, daß die Ver-
wirklichung noch aussteht, und richtet daher seinen Blick noch in die
Zukunft, wie die zwischen Abraham und Christus lebenden Genera-
tionen. Ja, es sah in Jesus nicht den Christus, sondern einen gefähr-
lichen Usurpator, der für sich in Anspruch nahm, was ihm nicht
zukam, und daher die Volksordnung gefährdete. Er mußte daher
sterben. Je stärker der Widerstand des Volkes gegen Jesus wurde,
um so mehr zog er sich von ihm zurück, um sich auf die Wirksam-
keit unter den Jüngern zu beschränken. Dabei ging er gelegentlich in
heidnisches Gebiet, nicht um auch dort das Evangelium zu verkünden,
sondern um sich vor dem Zulauf der wundersüchtigen, aber im Un-
glauben verharrenden Massen zu retten. Er entzog sich indes bei
solchen und auch bei manchen anderen Gelegenheiten der aus Ver-
trauen und Glauben kommenden Bitte der Heiden um Heil und Ret-
tung nicht. So wurde durch Predigt und Wunder auch unter den
Heiden (unter den „Griechen“) der Anbruch der neuen Zeit kund-
getan (Mk 7, 24—30; vgl. hierzu die Auslegung von J. Schmid, Das
§ 163 Das alttestamentliche Gottesvolk 511

Evangelium nach Markus, Regensburg 19584, zur Stelle; siehe ferner


Mt 8, 5—13; Jo 4, 4—12; 12, 20—23). Die Zurückhaltung Jesu gegen-
über den Heiden kam nicht aus der Verachtung anderer Völker, wie
sie gerade das Judentum aus seinem Erwählungsbewußtsein heraus
entwickelt hatte. Andererseits war ihm „ebenso fremd das weltbürger-
liche Denken der hellenistischen Philosophen jener Zeit, nach welchem
jeder, der Menschenantlitz trägt, auf Grund der unverlierbaren
Göttlichkeit seiner Menschennatur Anrecht auf ihre Botschaft hat“
(J. Schmid zu Mk 7, 27, a-a. O., 143).
Er mußte in der Verkündigung der frohen Botschaft den von Gott
bestimmten Weg gehen. Dieser führte über das jüdische, über das
vorchristliche Gottesvolk (salus ex Judaeis: Jo 4, 23). Aber auf diesem
Weg sollte das Heil zu allen Menschen gelangen. Das war schon aus-
gesprochen im Alten Testament (z.B. Is 2, 2ff.; 42, 10—17; 45, 14—25;
60, 3—22; auch die Schöpfung der ganzen Welt durch den einen Gott
weist in diese Richtung). Im NT wird mehrfach die Begnadigung von
Heiden in der vorchristlichen Zeit bezeugt (Mt 13, 54ff.; 12, 38 ff.;
Lk 4, 16ff.; 11, 29 ff.; besonders Hebr 7, 1ff.). In den Gleichnissen
vom Himmelreich wird die weltumfassende Weite des herankommen-
den Heiles verkündet.
Die Heiden sollten also in das von Christus gewirkte Heil ein-
bezogen werden. Aber Christus handelt hier aus dem Bewußtsein her-
aus, daß die Stunde der Heidenmission noch nicht gekommen ist. Sie
kommt jedoch. Sie ist gekommen, da die Juden das Heil von sich
wiesen, indem sie den von Gott gesandten Erlöser zum Tode ver-
urteilten. Von da an liegt Gottes Fluch auf ihnen. Sie haben von nun
an „nur noch die Möglichkeit, entweder als unterdrückte Nation zu
leben oder aber für Barabbas, als Typus des politischen Aufrührers,
sich zu entscheiden“ (E. Peterson, Das priesterliche Königtum Christi,
in: Der katholische Gedanke 7, 1937, 15).

Drittes Kapitel

Das alttestamentliche Gottesvolk

Doch ist das jüdische Volk nicht verworfen. Denn selbst der auf
ihm liegende Fluch Gottes ist ein Geheimnis seiner Liebe. Der Tod
des Gottessohnes geht nicht allein zu Lasten derer, denen Petrus
sagt: Ihr habt den Urheber des Lebens getötet (Apg 3, 15). Er ist ein
tiefes Geheimnis, das nur im Glauben ergriffen werden kann. Der
Nichtglaubende sieht in der Hinrichtung Jesu einen Vorgang, wie er
512 Der umfassende Charakter der Erlösung durch Christus § 163

oft in der Weltgeschichte geschah. Der Glaubende sieht in ihm die


Sündenmacht am Werke. Nach Gottes unergründlichem Gerichts- und
Heilswillen durfte, ja mußte die Sündenmacht sich bis zur äußersten
Möglichkeit an Christus auswirken. Der Tod Christi war verschuldet
durch die Sünde, durch die Sünde der gesamten Menschheit. So muß
jeder, nicht nur der Jude, vor dem Kreuze sagen: mea culpa.
' Das jüdische Volk hat ausgeführt, wofür die ganze Menschheit
verantwortlich ist. Und ės hat, was es ausführte, nicht in seiner Ge-
samtheit und nicht allein ausgeführt. Nicht in seiner Gesamtheit,
denn zunächst waren es die Führer, welche Christus beseitigen woll-
ten. Das Volk gab, von der Propaganda der führenden Kreise über-
wunden, seine Zustimmung. Wie Gott selbst sie wertet, bekundet das
Wort Christi: Sie wissen nicht, was sie tun, wenngleich sie freilich
in einem solchen Maße verantwortlich bleiben, daß sie der Verzeihung
bedürftig sind. Das Gebet Christi: Vater, verzeih ihnen, hat eine
größere Mächtigkeit als der Ruf des leicht verführbaren und unwis-
senden Volkes: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder. Nicht
allein: Denn die römische Besatzungsmacht war wesentlich beteiligt.
Wenn man an eine göttliche Vorsehung glaubt, wird man sagen
müssen, daß es nicht von ungefähr kam, wenn die Verurteilung Christi
wesentlich von der heidnischen Militärregierung mitverantwortet
werden muß, so sehr, daß ohne ihre Zustimmung die Hinrichtung
Christi unmöglich gewesen wäre. In ihrer Beteiligung kommt zum
Vorschein, daß es in der Tat die gesamte Menschheit ist, der Jude
und der Heide, die Christi Tod verschuldet hat, weil es letztlich die
alle in ihre Fesseln schlagende Sündenmacht ist, die dieses Kreuz
aufgerichtet hat. Weil die Menschheit so war, wie sie war, konnte
Gott in ihr nicht leben, sondern nur sterben.
Für Paulus ist die Glaubensverweigerung seines Volkes (in der
Liturgie perfidia genannt), das er mit jeder Faser seines Herzens liebt,
unbegreiflich. Es ist ihm ein unergründliches Rätsel, daß Gott derarti-
ges zulassen kann. Aber mit Gott ist nicht zu rechten, weil er der Herr
ist, der sich vor keinem Menschen zu rechtfertigen braucht. Ja, wenn
er derartiges zuließ, dann geschah es gerade deshalb, so meint Paulus,
weil Gott gegenüber allen menschlichen Ansprüchen seine unbedingte
Souveränität bekunden und verwirklichen wollte. Indes, so rätselhaft
die Nichtanerkennung Christi dem Apostel ist, er bezeugt, daß das
auserwählte Volk dennoch das auserwählte bleibt. Auf ihm liegt für
alle Zeiten innerhalb der Geschichte der Glanz, daß es die Sohnschaft,
die Herrlichkeit Gottes, die Bundesschließung, die Gesetzgebung, die
§ 163 Das alttestamentliche Gottesvolk 513

Verheißung hatte, daß ihm die Väter angehören und vor allem, daß
aus ihm Christus selbst dem Fleische, der menschlichen Natur nach,
stammt. Zudem ist ein Rest gläubig geworden. Nicht alle haben den
Glauben verweigert. Ja, so sehr ruht nach dem Apostel im Fluche
zugleich der Segen Gottes auf dem Volke, daß sogar sein Unglaube
den Heiden zum Heile wird. Weil der größere Teil sich dem Glauben
an Christus versagte, mußte für die Verwirklichung des für alle Zeiten
gestifteten Bundes, der unzerstörbaren Gottesordnung, ein neues Volk
geschaffen werden, die Kirche, das neutestamentliche Gottesvolk.
Dieses verdankt seine Existenz der Glaubensverweigerung des alt-
testamentlichen Gottesvolkes. So hat dieses eine wichtige heilsge-
schichtliche Funktion. Das neue Gottesvolk ist entstanden aus dem
gläubig gewordenen Rest des bisherigen und den aus den Heiden-
völkern Berufenen. Sie wissen sich nun als die wahren Kinder Abra-
hams, als das geistliche Israel (Röm 9—11).
Gottes Akten über das auserwählte Volk sind noch nicht geschlos-
sen. Gott hat vielmehr mit dem von ihm erwählten Volke noch große
Pläne. Mag es für den oberflächlichen Betrachter veraltet und ohne
Daseinssinn sein, so wird uns doch durch die gleiche Heilige Schrift,
welche uns das Gericht Gottes bezeugt, zugleich bezeugt, daß Gottes
Liebe es hütet und schützt und aufbewahrt für die letzten Aufgaben,
die in der menschlichen Geschichte getan werden müssen. Gottes Ab-
sicht bei seinen Gerichten über das auserwählte Volk geht nicht auf
das Verderben, sondern auf die Rettung. Der widerstrebende Teil
Israels soll durch den Sturz aus seiner einstigen Höhe und durch alle
Heimsuchungen zur Besinnung gerufen werden. Nur weil Gott sein
Volk nicht vergessen kann, nur weil er es nicht der Verlorenheit preis-
geben will, züchtigt er es hart und oft. Es kommt die Stunde, da die
Heilsgedanken Gottes verwirklicht werden. Wenn die Vollzahl der
Heiden, d.h. die von Gott bestimmte Zahl der Heiden in die Kirche
eingetreten ist, dann wird ganz Israel gerettet werden. Mit der Hin-
wendung Israels zu Christus wird die Vollendung der Welt eingeleitet
werden. Die endzeitliche Erfüllung wird also nicht kommen, bevor
Israel als Ganzes sich Christus zuwendet. Es gilt: Wie der Anfang des
Heiles aus dem jüdischen Volke kam, so ist das endgültige Heil durch
seine Bekehrung bedingt. So ist die Existenz des jüdischen Volkes es-
chatologisch bestimmt. Wenn der Christ auf die Zukunft hofft, näm-
lich auf die Vollendung aller Dinge, dann schließt diese Hoffnung die
Hoffnung auf die Errettung des jüdischen Volkes in sich. Wer auf die
Zukunft hofft, ohne diese Teilhoffnung darin einzuschließen, der hat

33 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


514 Der umfassende Charakter der Erlösung durch Christus § 163

eine falsche Hoffnung, der verkennt Gottes barmherziges Heilsplanen.


Gerade hier wird eine tiefe Gemeinsamkeit sichtbar. Der Christ sieht
zwar in Christus die Erfüllung der alttestamentlichen Verheißungen.
Aber Christi erstes Kommen ist erst eine Vorerfüllung. Die endgültige
Erfüllung bringt erst seine zweite Ankunft mit sich. Die erste war die
Einleitung, die Zusicherung, die Verbürgung der zweiten. Man darf
sagen: Das Schwergewicht des christlichen Lebens liegt in der Hoff-
nung auf die zweite Ankunft Christi. So ist der Blick des Christen
mehr in die Zukunft als in die Vergangenheit gerichtet.
Den Blick in die Zukunft hat er mit dem jüdischen Volke gemein-
sam. Es lebt ja immer noch in der Erwartung des verheißenen Messias.
Während sich freilich die Zukunftshoffnung des Christen auf die dem
Abraham verheißene, in Christus erschienene Wirklichkeit stützt,
stützt sich die Hoffnung des jüdischen Volkes immer noch und nur
mehr auf das dem Abraham gegebene Verheißungswort (E. Stauffer,
Theologie des Neuen Testamentes, Stuttgart 19485).

Viertes Kapitel

Die Heiden
Das Heil kam also zu den Heiden (Jo 12, 20—23). Christus stirbt
in der Öffentlichkeit des römischen Imperiums. Er wird auf Betreiben
der politisch-religiösen jüdischen Behörden von Pontius Pilatus, dem
Vertreter des weltumspannenden römischen Reiches, zu dem Tode
verurteilt, der den Sieg über Sünde, Tod und Teufel bedeutet. Er stirbt
diesen Tod also im Angesicht und auf Geheiß der ganzen Welt, ein
deutlicher Hinweis darauf, daß er ihn auch für die ganze Welt stirbt.
Er ist das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt (Jo
1, 29). „Er ist das Sühneopfer für unsere Sünden und nicht bloß für
unsere, sondern auch für die der ganzen Welt“ (1 Jo 2,2). „Er hat sich
zum Lösegeld für alle dahingegeben“ (1 Tim 2, 6). „Er ist für alle ge-
storben, damit die Lebenden nicht mehr sich leben, sondern dem, der
für sie gestorben und auferstanden ist“ (2 Kor 5, 15; siehe Röm 5,
18 ff.; Mk 14, 24; Mt 26, 28; Lk 22, 19f.; 1 Kor 11, 24; vgl. § 155). So
hat denn auch der Auferstandene seinen Jüngern den Auftrag gegeben,
die gute Botschaft allen Völkern zu verkünden (Mt 28, 19; vgl. Mk
13, 10; M. Meinertz, Jesus und die Heidenmission, Münster 1925;
derselbe, Jesus als Begründer der Heidenmission, in: Zeitschrift für
Missionswissenschaft 1, 1911, 21—41. Siehe die Lehre von der Kirche
Bd. III 1; dort Literatur).
& 163 Allgemeinheit der Erlösung als Bestimmung aller zum Heil 515

Fünftes Kapitel

Allgemeinheit der Erlösung als Bestimmung aller zum Heil

Die Allgemeinheit der Erlösung bezieht sich auf ihre Bestim-


mung für das Heil aller Menschen und Völker, nicht auf ihre tatsäch-
liche Auswirkung. Christus hat die Macht der Sünde und des Todes
gebrochen, so daß ihr nunmehr kein Mensch mehr zu unterliegen
braucht. Christus hat dem Vater seine Genugtuung für alle Menschen
angeboten. Aber das Leben, das in ihm erschienen ist, strömt nicht
naturhaft auf alle Menschen über. Die in ihm in die Geschichte ein-
getretene Liebe Gottes wirkt nicht mit der Gewalt einer Naturkraft.
Tod und Auferstehung Christi tendieren darauf hin, daß jeder Mensch
Anteil daran gewinnt. Erst so gelangen sie zu ihrer Sinnerfüllung.
Solange die Menschen des Todes und der Auferstehung Christi nicht
teilhaftig sind (Röm 6, 3—11), fehlt dem Werk Christi etwas, näm-
lich die Integration in der menschlichen Teilnahme. Erst durch sie
wird gewissermaßen die Ganzheit des Werkes Christi erreicht (Kol
1, 24). Der Mensch bleibt jedoch gegenüber der Neugestaltung der
Welt durch Christus frei. Er trägt die Verantwortung für sein Heil.
In Christus steht es bereit. Aber der Einzelne gewinnt es nur, wenn
er sich nach Christus ausstreckt, wenn er sich auf Christus hinbewegt
und ihn ergreift. Christus hat durch seinen Tod und seine Auferstehung
eine neue geschichtliche Situation geschaffen. Alle nach ihm lebenden
Geschlechter stehen unter ihrer Wirkmacht. Niemand kann außerhalb
ihrer verharren. Jeder muß vielmehr zu ihr Stellung nehmen und sie
entweder ablehnen oder annehmen und aus ihr leben. Dies letztere
geschieht im Glauben und in den Sakramenten. Der Glaube ist eine
Lebensbewegung auf Christus hin (Jo 6, 35) und ein Lebensaustausch
mit Christus (Mk 16, 16; Röm 3, 21—28; Näheres hierüber in der
Lehre von der Gnade, Bd. III 2).
Die in Christus und seinem Kreuzestod erschienene Liebe Gottes
ist ein Anruf an den Menschen, das durch Christus gewirkte Heil sich
anzueignen. Es ist zwar Gottes Gnadengeschenk. Aber es wird nur dem
zuteil, der sich in Glaube und Gehorsam Gott öffnet, so daß dieser in
ihn eingehen kann. Das bedeutet nicht, daß wir durch eigene sittlich-
religiöse Anstrengung auf der Grundlage des Werkes Christi oder nach
dem Vorbilde Christi unsere Erlösung selbst bewirken, sondern daß
wir der von Christus vollzogenen Erlösung nur teilhaftig werden,
wenn wir ihrer teilhaftig werden wollen.

352
516 Der umfassende Charakter der Erlösung durch Christus S 163

Zu diesem Wollen selbst kommt es freilich auch nur, wenn Gott


es in uns wirkt. Die menschlichen Entscheidungen für Christus und
das in ihm bereitete Heil können nicht in schöpferischer Unabhängig-
keit aus dem Ich emporsteigen. Sie können nur gefällt werden in Ab-
hängigkeit von Gott, dem Allerhalter und Allwirker (siehe $ 202).
Unser Anteil besteht darin, daß wir die von Gott gewirkte Bewegung
unseres Ich aufnehmen und mitvollziehen, daß wir uns in sie hinein-
begeben. Gerade und nur in diesem Mitvollzug, in dieser gehorsamen
Hingabe an Gott sind wir schöpferisch. Da bleibt also Raum für die
menschliche Aktivität und Verantwortung. Das menschliche Tun ist
von Gott mit solchem Ernste aufgerufen, daß die Ablehnung des gött-
lichen Rufes die Hölle nach sich zieht. An ihr wird ersichtlich, daß
Gott die menschliche Entscheidung in einer unüberbietbaren Weise
ernstnimmt. Die Aktivität, die vom Menschen gefordert wird, stellt
ein Höchstmaß von Anspannung der Kräfte dar. Es wird eine Um-
sinnung von der Wurzel her verlangt, ein Durchbruch des Ich durch
alle Mauern der Selbstsucht und Selbstherrlichkeit. Durch das eigene
Tun wird das Erlösungswerk nicht ergänzt, sondern angeeignet. Ge-
rade darin, daß Gott diese Aktivität im Menschen wirkt, erweist die
Erlösung in Christus ihre Kraft und ihre Fruchtbarkeit.
Das Erlösungswerk wirkt sich also bloß an dem heilbringend aus,
der Christus im Glauben ergreift. Der Glaube verleiblicht sich nor-
malerweise im Empfang der Sakramente. Die Sakramente sind an-
dererseits die Art und Weise, wie Christus uns nahekommt, auf daß
er ergriffen werden kann. (Näheres in der Lehre von den Sakramenten
und von der Gnade Bd. III 2 u. IV 1.)
Christus starb auch für die vor ihm lebenden Menschen, da sie
im Hinblick auf den zukünftigen Tod Christi die Möglichkeit hatten,
ihr Heil zu gewinnen.

Sechstes Kapitel

Christus und die Engel

Für die Engel ist Christus nicht gestorben, da die guten keiner
Erlösung bedürftig, die bösen keiner fähig waren. Aber auch den
Engeln und den ersten Menschen ist (nach der Lehre der Skotisten)
Begnadung zuteil geworden im Hinblick auf Jesus Christus. Christus
ist auch das Haupt der Engel, da alles auf ihn hin geschaffen und er
die Krönung des Alls ist (Eph 1, 10; Kol 1, 20).
§ 163 Die Erlösung der außermenschlichen Natur 517

Siebentes Kapitel

Die Erlösung der außermenschlichen Natur

Weil Christus das Haupt der ganzen Schöpfung ist, deshalb er-
greift sein Erlösungswerk nicht bloß die Einzelmenschen, sondern
auch die menschlichen Gemeinschaften, ja auch die außermenschliche
Natur.
Die ganze Wirklichkeit ist um der Sünde des Menschen willen
dem Fluche überantwortet worden. Sie nimmt auch an der Befreiung
des Menschen von dem Fluche der Sünde teil. Sie ist in das Schicksal
des menschlichen Leibes hineingezogen. Wenn er verklärt wird, wird
auch sie von den vergänglichen Formen dieser Zeit befreit werden.
„Das Harren der Schöpfung ist ein Harren auf die Offenbarung der
Kinder Gottes. Die Schöpfung wurde der Hinfälligkeit unterworfen,
nicht nach eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterwarf.
Doch bleibt der Schöpfung die Hoffnung, daß sie von der Knechtschaft
der Vergänglichkeit frei und an der herrlichen Freiheit der Gottes-
kinder teilnehmen wird. Wir wissen ja: Durch die ganze Schöpfung
zieht sich ein Seufzen, sie liegt in Wehen bis zur Stunde“ (Röm 8,
19—22). Durch die Auferstehung und Verklärung Christi ist der Keim
zu diesem Zustande der Verklärung in die Schöpfung hineingesenkt
worden. Der Alleinheit der Dinge, die ihren Grund in der Einheit
Gottes hat, entspricht die Allerlösung in Christus, dem einen Mittler
zwischen Gott und den Menschen. (Siehe die Lehre von den Letzten
Dingen.)
Zu der Frage, ob andere Himmelskörper bewohnt und deren Be-
wohner von Christus erlöst sind, ist zu sagen: Bis zum heutigen Tag
ist die Bewohnbarkeit anderer Weltkörper nicht nachgewiesen. Es
sprechen vielmehr wichtige Gründe naturwissenschaftlicher Art da-
gegen. Die sogenannten „Fliegenden Untertassen“ können nicht ernst-
haft als Argument angeführt werden. Glaube und Theologie brauchen
jedoch nicht daran festzuhalten, daß außer der Erde kein anderer
Himmelskörper von vernunftbegabten Lebewesen bewohnt ist. Soll-
ten dort vernunftbegabte Lebewesen eines Tages von der Profan-
wissenschaft bewiesen werden, dann müßte man sagen, daß Christus,
der das Haupt des Alls ist, auch deren Haupt ist, daß wir aber nicht
wissen, welche Funktion er als Haupt für sie hat, weil die göttliche
Offenbarung hierüber schweigt (Kol 1, 15—22; 2, 10).
518 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter S 164

8 164
Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter

Erster Artikel

Marias leibliche Aufnahme in den Himmel

Die Mutter Christi ist die Ersterlöste ihres Sohnes. „Kein Wunder
auch, wenn der Herr, da er daranging, die Welt zu erlösen, sein Werk
bei Maria begann, damit eben sie, durch deren Vermittlung allen das
Heil bereitet wurde, als erste die Frucht des Heiles aus ihres Kindes
Hand genösse* (Ambrosius, Erklärung zum Lukasevangelium,
Abschn. 17; BKV II, 60 £.).

Erstes Kapitel

Maria als Vollerlöste

Sie ist auch schon in dieser Weltzeit zur Vollendung der Erlösung
gekommen. Von niemand anderem wissen wir mit Sicherheit, daß er
hierzu gelangt ist. Sie wurde im Hinblick auf das Erlösungswerk
ihres Sohnes durch eine besondere Gnade Gottes von jeder Sünde be-
wahrt, vor dem Zustand der Erbsünde und vor jeder persönlichen
Sündentat. Sie bekam an dem Leben, das in ihrem Sohne erschienen
ist (1 Jo 1, 2), in höherem Maße als irgendsonst jemand Anteil. Sie
wurde wie alle anderen Gläubigen gleichgestaltet dem Bilde des Gott-
sohnes (Röm 8, 29). Aber ihre Gleichbildlichkeit mit dem Sohne Gottes
übertraf diejenige aller anderen. Sie wurde wie alle in den Tod, in die
Auferstehung und Himmelfahrt ihres Sohnes hineingezogen (Röm 6,
3—14; Eph 2, 6). Auch sie wurde erst durch die Herabkunft des
Heiligen Geistes in das volle Verständnis ihres Sohnes und seiner
Sendung eingeführt. Aber die Verbundenheit mit Christus war bei
ihr von einer Mächtigkeit wie nie zuvor und nie nachher. Der Auf-
erstehungskeim, der in sie eingesenkt war (vgl. § 158), wirkte sich
bei ihr kraftvoller aus als bei allen.anderen. Immer ist das christliche
Dasein eine Teilnahme an der Herrlichkeit des Auferstandenen und
in den Himmel Aufgefahrenen. Aber bei allen anderen Menschen er-
hält diese Teilnahme ihre letzte ausgereifte Gestalt erst bei der
Wiederkunft Christi. Bei Maria entfaltete sie sich schon innerhalb
dieser Weltzeit zu ihrer endgültigen Form.
S 164 Leibliche Verklärung Marias 519

Zweites Kapitel
Leibliche Verklärung Marias

I. Die kirchliche Lehre

Die Verbundenheit mit dem erhöhten Herrn, der zugleich ihr


Kind war, hat sie nicht vor dem leiblichen Tode bewahrt. Sie war
dem Tod nicht mit der gleichen Notwendigkeit verfallen wie die
übrigen Menschen. Denn sie war nicht hineingezogen in den erbsünd-
lichen Zustand der Ferne von Gott, dem Quell alles Lebens. Wenn sie
ihn trotzdem infolge einer geheimnisvollen Verfügung Gottes durch-
kosten mußte, so mag dies darin begründet sein, daß das Schicksal
ihres Sohnes ihr Schicksal sein sollte. Es sollte sich an ihr das Wort
erfüllen: „Allzeit tragen wir Jesu Sterben am Leibe herum, damit
auch Jesu Leben an unserem Leibe sich offenbart“ (2 Kor 4, 10). Über
ihrem Leben sollte dasselbe Gesetz walten, welches über dem Leben
Christi stand: „Mußte der Messias nicht dies leiden und so in seine
Herrlichkeit eingehen?“ (Lk 24, 26). Wie hätte ihre Liebe zu ihm auch
ein anderes Schicksal ertragen? Ihr Tod war indes keine Strafe und
Buße für die Erbsünde oder für eigene sündige Taten, er war nicht
der Sold der sündigen Gesinnung, sondern die Pforte des Lebens. Er
war ein Werkzeug des Heiles, ohne zugleich ein Werkzeug des gött-
lichen Gerichtes über die Sünde zu sein. Er diente der Verwandlung
des irdischen Lebens in das himmlische. Die vergängliche Lebensform
dieser Welt sollte abgebrochen, die unvergängliche Daseinsweise,
welche in der Auferstehung Christi grundgelegt und vorgebildet ist,
sollte gewonnen werden. Ihr Tod war der Hinübergang von der einen
zur anderen. In die unvergängliche Daseinsweise der Herrlichkeit
wurde auch ihr Leib hineingezogen. Er blieb nicht der Verwesung des
Grabes unterworfen, sondern wurde wieder mit der Seele vereint und
durchglüht und durchleuchtet von der Herrlichkeit Gottes. An Maria
wird sichtbar, daß die Erlösung auch den Leib in sich begreift. Sie
existiert nach ihrem ganzen menschlichen Wesen, zu dem auch der
Leib gehört, jenseits der vergänglichen Formen dieser Welt, in der
unvergänglichen Herrlichkeit Gottes, in welche zuerst, als Erstge-
borener von den Toten, Jesus Christus eingegangen ist. Das meinen
wir, wenn wir sagen: Maria ist in den Himmel aufgenommen worden.
Diese seit vielen Jahrhunderten festgehaltene Glaubenswahrheit ist
seit dem Allerheiligenfest 1950 Glaubenssatz. Der entscheidende Text
der Constitutio „Munificentissimus Deus“ lautet:
520 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter § 164

„Nachdem Wir nun lange und inständig zu Gott gefleht und den
Geist der Wahrheit angerufen haben, verkündigen, erklären und de-
finieren Wir zur Verherrlichung des Allmächtigen Gottes, dessen ganz
besonderes Wohlwollen über der Jungfrau Maria gewaltet hat, zur
Ehre seines Sohnes, des unsterblichen Königs der Ewigkeit, des
Siegers über Sünde und Tod, zur Mehrung der Herrlichkeit der er-
habenen Gottesmutter, zur Freude und zum Jubel der ganzen Kirche,
kraft der Vollmacht Unseres Herrn Jesus Christus, der heiligen Apo-
stel Petrus und Paulus und Unserer eigenen Vollmacht: Die unbe-
fleckte, immerwährend jungfräuliche Gottesmutter Maria ist, nachdem
sie ihren irdischen Lebenslauf vollendet hatte, mit Leib und Seele in
die himmlische Herrlichkeit aufgenommen worden.
Wenn daher, was Gott verhüte, jemand diese Wahrheit, die von
Uns definiert worden ist, zu leugnen oder bewußt in Zweifel zu ziehen
wagt, so soll er wissen, daß er vollständig vom göttlichen und katho-
lischen Glauben abgefallen ist“ (D. 2333, NR. 334 c; Heilslehre der
Kirche. Dokumente von Pius IX. bis Pius XII. Deutsche Ausgabe des
französischen Originals von P. Cattin und H. Th. Conus, besorgt von
Anton Rohrbasser, Freiburg/Schweiz 1953: Aus der Apostolischen Kon-
stitution „Munificentissimus Deus“ vom 1. November 1950).
Die Frage, ob die Aufnahme Marias in den Himmel nach ihrer
leiblichen Natur als Dogma erklärt werden könne, wurde seit dem
Vatikanischen Konzil lebhaft erörtert. Anlaß hierzu gab eine von 195
Konzilsvätern unterzeichnete Petition um Dogmatisierung der Him-
melfahrt Marias. Die Petition wurde nicht mehr verhandelt, weil das
Konzil vorzeitig abgebrochen werden mußte. Seitdem wurde in man-
nigfachster Weise der Wunsch geäußert, daß die leibliche Aufnahme
Marias in den Himmel als Dogma erklärt werde (vgl. Petitiones de
Assumptione corporea b. Virginis Mariae in coelum definienda ad
S. Sedem delatae. 2 Bde. Vatican 1942). Am 1. Nov. 1950 wurde die
leibliche Aufnahme Marias in den Himmel von Papst Pius XI. als
Dogma erklärt.
Die Aufnahme Marias in den Himmel läßt sich naturgemäß nicht
durch geschichtliche, sondern ausschließlich durch theologische Über-
legungen beweisen.
8 164 Leibliche Verklärung Marias 521

II. Die Schrift

Die Heilige Schrift bietet kein ausdrückliches Zeugnis. Es fragt sich jedoch,
ob die Lehre nicht implicite von ihr bezeugt wird. Die Theologen führen in der Tat
in der Regel zwei Schriftstellen an, welche nach ihrer Ansicht unsere Lehre formell
einschlußweise enthalten., Diese zwei Stellen sind Gn 3, 15 (Protoevangelium) und
Luk 1, 28.
Was die erste Stelle betrifft, so argumentieren die Theologen folgendermaßen:
Im Protoevangelium wird nicht nur dem kommenden Erlöser, sondern mit ihm
und seinetwegen auch seiner Mutter ein vollkommener Sieg über die Schlange
verheißen. Der Sieg Christi umfaßt aber, wie wir der Lehre des Apostels Paulus
entnehmen, in seinem Vollbegriffe außer der Überwindung des Teufels auch den
Sieg über die Sünde und ihre Folgen, über die Begierlichkeit und den Tod (Röm
5—8; 1 Kor 15, 24f. 54f.; Hebr 2, 14). Also gehört zum vollendeten Sieg der Mut-
ter, wie zu dem ihres Sohnes, ein großer einzigartiger Triumph über den Tod.
Deswegen mußte einerseits, obschon Maria aus wichtigen Gründen vom Tode ge-
troffen werden sollte, doch ihr Leib von der Verwesung unberührt bleiben, denn
die Verwesung ist niemals wie der Tod ehrenvoll und segensreich, sondern stets
abscheuerregend und beschämend. Der jungfräuliche Leib, aus dem der Gottmensch
sein eigenes Fleisch und Blut genommen hat, durfte nicht wie das Fleisch der
„Sünde“ (Röm 8, 3) eine Speise der Würmer werden. Die Ehre des Sohnes ver-
bietet es. Andererseits gehört zu dem vollen Triumph der Gottesmutter über den
Tod auch die Auferstehung ähnlich der ihres Sohnes, also eine Auferstehung nach
kurzem Todesschlummer, die dadurch ihre Krönung empfing, daß Maria auch dem
Leibe nach in den Himmel aufgenommen wurde (vgl. Fr. Diekamp, Katholische
Dogmatik, nach den Grundsätzen des heiligen Thomas, 195912, II. Band, S. 391 £.).

Bei dieser Erklärung von Gn 3, 15 handelt es sich freilich um eine theologische


Ausdeutung, die nicht unmittelbar aus dem Text selbst folgt und für die mit den
Mitteln der theologischen Wissenschaft allein keine Sicherheit gewonnen werden
kann. Aber die theologische Wissenschaft ist nicht die letzte Instanz für die Inter-
pretation der Heiligen Schrift. Diese ist vielmehr das mit dem Beistand des Heiligen
Geistes ausgestattete kirchliche Lehramt. Wenn dieses einen Schrifttext interpretiert,
dann gibt der Heilige Geist selbst die authentische Interpretation des von ihm mit
einem bestimmten Schrifttext Gemeinten.
Was die zweite Stelle betrifft, so ist dem unmittelbaren Wortlaut nach gesagt,
daß Maria vollkommen begnadet war. Die Übersetzung der Vulgata gibt die Be-
deutung treffend wieder. Der Wortlaut selbst gibt keinen unmittelbaren Anlaß, zu
der der Mutter Gottes verliehenen Gnadenfülle auch die leibliche Aufnahme in den
Himmel zu zählen. Die wissenschaftliche Exegese der Stelle würde aus sich allein
nicht zu dem Ergebnis kommen, daß das kirchliche Lehramt den Text von der
Himmelfahrt Marias verstehen könne. Sie muß jedoch, wenn das kirchliche Lehramt
eine solche Interpretation vornimmt, zugeben, daß diese Deutung dem Wortlaut
nicht widerspricht, daß vielmehr die leibliche Aufnahme Marias in den Himmel in
Lk 1, 28 enthalten sein kann, und daß der tatsächliche Einschluß dieser Lehre in
Lk 1, 28 durch das kirchliche Lehramt verbürgt wird.
Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter S 164
522

Das Hauptgewicht liegt wie bei der Offenbarungswahrheit von der immaculata
auf Gn 3, 15. Bedeutsamer als Einzeltexte ist das Gesamtbild, das die
conceptio
Schrift von Maria, ihrer Christusnähe und der Vollendungsgestalt der Erlösten über-
haupt bietet (siehe S. 527 f.).
II. Die Tradition
Aus der Überlieferung sollen zuerst die in Frage kommenden kirchlichen Schrift-
steller, sodann die Texte der kirchlichen Liturgie angeführt werden.
Was zunächst die Väter betrifft, so waren die meisten Dogmatiker bisher der
Meinung, daß sich für die älteste Väterzeit kein Traditionsbeweis führen läßt. Neue-
stens sucht jedoch O. Faller (De priorum saeculorum silentio circa Assumptionem
b. Mariae Virginis, Rom 1946) zu zeigen, daß mindestens seit der Mitte des 4. Jahr-
hunderts eine direkte und ausdrückliche geschichtliche Tradition vorliege, daß selbst
die vorausgehenden Jahrhunderte nicht ohne jegliche Bezeugung der Aufnahme
Marias in den Himmel seien, insofern schon in jenen frühen Zeiten alle jene Lehren
über Maria und ihre Stellung im Heilsplan vorhanden seien, aus denen die späteren
Väter ihre Aufnahme in den Himmel durch theologische Deduktion entwickelt hätten.
Demgegenüber glaubte B. Altaner (Zur Frage der Definibilität der Assumptio B. M. V.,
in: Theologische Revue 44, 1948, 129—140) nachweisen zu können, daß Fallers Text-
interpretationen unzutreffend seien.
Als ältesten Beweistext führt Faller einen kurzen Abschnitt aus einer Predigt
eines sonst unbekannten Presbyters Timotheus von Jerusalem an. Wäh-
rend Faller nach dem Vorgang Jugies die Predigt in die Zeit um 400 verlegt,
datiert Altaner sie mit A. Mai und O. Bardenhewer in eine viel spätere Zeit (sie
ist wohl in die erste Hälfte des 6. Jahrhunderts zu verlegen). Er betrachtet die
Stelle als eine Entlehnung aus dem apokryphen Werke Transitus Mariae. Was den
Text selbst betrifft, so lautet er nach Altaner (auf Grund der Migne-Ausgabe): „Da-
her ist die Jungfrau bis heute nicht gestorben, weil der, welcher (in ihr) Wohnung
genommen hat, sie zu einem erhabenen (himmlischen) Ort geführt hat.“ Jugie
nimmt am griechischen Texte eine Konjektur vor. Darnach würde er lauten: „Der,
weicher in ihr gewohnt hat, hat sie an den Ort, von wo aus die Himmelfahrt (des
Herrn) erfolgt ist, versetzt.“ Die Problematik des Textes sieht man daran, daß nach
ihm Maria überhaupt nicht gestorben ist. Während Faller aus dem Text schließt,
daß durch Timotheus bereits am Ende des 4. Jahrhunderts vom kirchlichen Lehramt
die Aufnahme Mariens in den Himmel gelehrt werde, behauptet Altaner, daß noch
lange nicht von einer Approbation durch das kirchliche Lehramt gesprochen werden
könne, wenn ein Prediger eine noch dazu sehr wenig klare Meinung über das
Scheiden Marias von dieser Welt äußert.
Faller beruft sich ferner auf Epiphanius, Haeres. 78, 11 und 78, 24.
Epiphanius verteidigt an diesen Stellen (BKV, 245f. 260f.) die immerwährende
Jungfräulichkeit Marias gegen die Verdächtigungen der Antidikomarianiten. Er sagt
hierbei an der zuerst erwähnten Stelle, daß das Neue Testament nichts davon be-
richte, ob Maria gestorben oder nicht gestorben, begraben oder nicht begraben
worden sei. Deshalb wage er auch nicht zu behaupten, sie lebe noch oder sie sei
schon gestorben. Der Grund für dieses Schweigen der Heiligen Schrift über das
Ende Marias sei ein tiefes Geheimnis. In Haeres. 78, 24 rechnet Epiphanius mit
drei verschiedenen Möglichkeiten hinsichtlich des Endes Marias, ohne sich für eine
von ihnen zu entscheiden: Maria ist vielleicht gestorben und wurde begraben, oder
8 164 Leibliche Verklärung Marias 523

sie starb eines gewaltsamen Todes, oder sie lebt noch weiter auf dieser Erde an
einem Orte, der niemandem bekannt ist. Keine geringe Schwierigkeit gegen einen
Traditionsbeweis stellt es dar, wenn Epiphanius an mehreren Stellen, an denen er
Anlaß gehabt hätte, von der Himmelfahrt Marias zu reden, dies unterließ. In der
Widerlegung des origenistischen Spiritualismus hinsichtlich der Auferstehung des
Leibes erklärt er, daß nicht nur Christus auferstanden sei. Denn auch andere seien
auferstanden, wie das AT und das NT bezeugen. Vor allem werden dabei Enoch und
Elias genannt, die als Erstlinge und besondere Repräsentanten mit ihren Leibern
in den Himmel aufgenommen worden seien (Ancoratus 92, 98, 100). Maria wird
nicht genannt. An der Stelle Haeres. 42 (PG 41, 777) erklärt er, um zu beweisen,
daß Fleisch und Sünde nicht identisch seien, daß doch die heilige Jungfrau mit
ihrem’ Leibe in den Himmel aufgenommen werden wird.
Altaner glaubte feststellen zu müssen, daß weder Epiphanius noch Hieronymus
noch andere kirchliche Schriftsteller der ersten fünf Jahrhunderte etwas von einer
geschichtlichen Tradition über den Tod und die Auferstehung Marias gewußt hätten.
Ja, er macht darauf aufmerksam, daß nicht selten von namhaften Vätern betont
werde, daß bisher Christus als der einzige von den Toten auferstanden sei.
Erst durch den sogenannten Transitus Mariae sei eine neue Situation
geschaffen worden. Diese Schrift ist im 5. oder vielleicht schon gegen Ende des
4. Jahrhunderts entstanden. Sie enthält legendäre Erzählungen über Maria, ihren
Tod und ihre Himmelfahrt. Zu Anfang des 6. Jahrhunderts wurde sie im Decretum
Gelasianum in die Liste der apokryphen, d.h. der verbotenen Bücher aufgenommen.
Ebenso wird sie im Decretum Gratiani beurteilt. Altaner behauptet nun, daß auch
die späteren Vätertexte, die für den Glauben an die Himmelfahrt Mariens als Tra-
ditionszeugen angeführt zu werden pflegen, keine Beweiskraft hätten, weil sie alle
aus dem wundersüchtigen und legendären Transitus Mariae schöpften und daher
keine echte historische Tradition bezeugen würden. Ja, einer von ihnen, Bischof
Modestus von Jerusalem erklärte noch dazu in der ältesten Predigt auf
die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel, daß merkwürdigerweise über das
glorreiche Ende der Jungfrau von denen, die in der Kirche Christi, unseres Gottes,
als Lehrer in den früheren Zeiten berufen waren, nichts überliefert ist und daß auch
ihre Nachfolger darüber nichts hinterlassen haben (PG 86, 2, 3280). So gebe es über-
haupt keinerlei historische Tradition.
Demgegenüber muß man jedoch zwischen der historischen und der dogma-
tischen Tradition unterscheiden. Die leibliche Aufnahme Mariens kann nicht aus der
eventuellen Tatsache des leeren Grabes bewiesen werden. Sie könnte nicht schon
als Dogma ausgesprochen werden, wenn das leere Grab eindeutig durch eine
historische Tradition feststünde. Denn das Dogma ist die kirchliche Formulierung
einer geoffenbarten, nicht einer durch historische Beobachtung feststellbaren Wahr-
heit. Für die Frage, ob die Himmelfahrt dogmatisiert werden kann oder nicht,
fragt es sich nicht, ob man etwas von einem leeren Grab weiß, sondern nur ob es
Zeugnisse dafür gibt, daß die Kirche die Himmelfahrt Marias als Offenbarungs-
wahrheit geglaubt hat. Daran zeigt sich ein tiefgreifender Unterschied zwischen der
Auferweckung Christi und der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel. Die
Auferstehung Christi wurde von den Aposteln verkündet auf Grund der Erschei-
nungen, die sie vom Auferstandenen am dritten Tage und an den darauffolgenden
Tagen gehabt haben. Durch die Erscheinungen wurde die Auferweckung Christi als
524 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter & 164

geschichtliches Ereignis gewährleistet, das in der Heilsgeschichte zeitlich fixiert werden


kann. Für die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel gibt es keine Augen-
zeugen. In den apokryphen Legenden vom Heimgang Mariens wird die Aufnahme
Marias in das Paradies als Ereignis dargestellt, das die Apostel ebenso erlebt haben
wie die Auferstehung Jesu. Dabei werden die evangelischen Berichte von den Vor-
gängen bei der Auferstehung und Himmelfahrt Christi auf Maria übertragen (leeres
Grab, Heimgang am dritten Tag nach dem Tode, Himmelfahrt vom Ölberg aus).
Allein hiervon spricht weder die Schrift noch die Überlieferung noch das Dogma.
Die Aufnahme Marias läßt sich nicht zeitlich fixieren und kann daher nicht wie die
Auferweckung Christi in die Heilsgeschichte eingeordnet werden. Die Dogmatisations-
konstitution sagt nur, daß Maria nach Vollendung des irdischen Lebenslaufes (expleto
terrestris vitae cursu) leiblich in den Himmel aufgenommen wurde. Die Aufnahme
ist ein von Gott gewirktes Faktum, aber kein Ereignis, das datiert werden kann.
Daher gibt es hierfür auch keine historisch-theologische Tradition. Ja, es kann keine
solche geben. Die Tatsächlichkeit der von Gott gewirkten leiblichen Aufnahme Marias
in den Himmel wird in den ersten 5—6 Jahrhunderten in anderen Glaubenswahr-
heiten mitüberliefert. Vom 6. Jahrhundert an tauchen ausdrückliche Zeugnisse auf.
Der Einwand der Protestanten gegen das neue Dogma beruht großenteils auf dem
Mißverständnis, als ob eine historisch-theologische Tradition behauptet und eine
Gleichstellung der Auferweckung Christi und der Aufnahme Marias behauptet würde
(vgl. J. R. Geiselmann, Jesus der Christus, Stuttgart 1951, 101—103).
Man kann dabei an Gregor von Tours denken (558—594). Er sagt:
Dominus susceptum corpus (Virginis) sanctum in nube deferri iussit in paradisum,
ubi nunc, resumpta anima, cum electis eius exultans, aeternitatis bonis nullo occa-
suris fine perfruitur (De gloria martyrum, liber I c. 4, PL 71, 708). Dieser klare
Text hätte trotz der Schweigsamkeit aller vorausgehenden Väter große Bedeu-
tung, wenn Gregor in seinen mariologischen Ausführungen nicht von der apo-
kryphen Literatur abhängig wäre. Diese kann nicht als Offenbarungsquelle gewertet
werden. Da Gregor seine Lehre von der Himmelfahrt Marias, die mit anderen
mariologischen Ansichten in den von ihm verwerteten apokryphen Werken enthalten
ist, gegenüber legendären Erzählungen nicht klar abgrenzt, wird nicht mit genügender
Sicherheit deutlich, ob er in ihr eine Offenbarungswahrheit sieht. Ja, die Entlehnung
seiner Ausführungen aus dem Transitus Mariae spricht dagegen.
Anders ist das Zeugnis des Encomium in Dormitionem Sanctissimae Dominae
nostrae Deiparae semperque Virginis zu beurteilen, eines Werkes, das dem Patri-
archen Modestus von Jerusalem zugeschrieben wird (gest. 634). Wenn-
gleich auch er stark von der apokryphen Literatur abhängig ist und seine Schilde-
rung der Himmelfahrt Marias mit vielen legendären Zügen ausstattet, so betont er
doch nachdrücklich, daß er seine Lehre von der leiblichen Aufnahme der Gottes-
mutter in den Himmel nicht den Apokryphen, sondern den echten Offenbarungs-
quellen, vor allem der mündlichen Überlieferung verdankt. Er bezeugt also die leib-
liche Aufnahme Marias als Offenbarungslehre.
An weiteren Zeugen kommen in Betracht: der Erzbischof Andreas von
Kreta (gest. 720), der Patriarch Germanus von Konstantinopel (gest.
733) und der heilige Johannes von Damaskus (gest. 733). Der letzte hat
die deutlichsten und zahlreichsten Zeugnisse. Ein volles Bild wird man von ihm
erst gewinnen können, wenn die in Angriff genommene kritische Ausgabe und Unter-
§ 164 Leibliche Verklärung Marias 525

suchung seiner Werke vorliegt. Aber auch schon jetzt ist soviel von ihm bekannt,
daß man seine Lehre mit Sicherheit umreißen kann. Gegenüber der apokryphen
Literatur bewahrt er ein hohes Maß von Zurückhaltung und Kritik. In seinen drei
Homilien über Maria (PG 96, 699—762) begründet er die Himmelfahrt Marias mit
ihrer Würde, Mutter des Lebens und die neue Eva zu sein. Der Inhalt der zweiten
Homilie gipfelt in der Feststellung, daß Maria, die Mutter des Lebens, dem Gesetze
des Sterbens nicht der Sünde wegen unterworfen gewesen sei, daß sie durch ihren
Tod ihrem Sohne gleichförmig werden sollte, daß sie aber auch würdig gewesen sei,
ihm durch die Auferweckung am dritten Tage nach ihrem Hinscheiden gleichförmig
zu werden. Ihrem Tode hat der Stachel, die Sünde, gefehlt.
Vom 10. Jahrhundert an wurde die Himmelfahrt Marias von der Mehrzahl
der Theologen förmlich gelehrt und nur von wenigen bezweifelt. Pseudo-Albert
erklärt, nachdem er Gründe aus der Schrift, der Überlieferung, der Liturgie und der
theologischen Vernunft angeführt hatte: „Auf Grund dieser und vieler anderer
Schlußfolgerungen und Autoritäten ergibt sich, daß die Allerseligste Gottesmutter
mit Leib und Seele über die Chöre der Engel erhoben wurde. Und dies halten wir
für unbedingt wahr“ (Mariale: Albertus, Opera omnia, Paris 1898, Bd. 37, quaestio
132). Meinungsverschiedenheiten bestanden nur über den dogmatischen Wert des
Satzes von der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel. Suarez sagt von der
Lehre: Ita sentit universa Ecclesia et hic eius consensus ex antiquorum Patrum
traditione manavit. Gegenüber der Meinung, daß es sich um ein förmliches Dogma
schon zu seiner Zeit handelt, macht er geltend: Sed revera non est, quia neque est
ab ecclesia definita, nec est testimonium scripturae aut sufficiens traditio, quae in-
fallibilem faciat fidem. Est igitur iam nunc tam recepta haec sententia, ut a nullo
pio aut catholico possit in dubium revocari, aut sine temeritate negari (In III partem
Summae theol. dsp. XXI sect. II a. 14).
Daß auch in den von der römisch-katholischen Kirche getrennten Ostkirchen
die gleiche Überzeugung bestand, zeigt eine Äußerung des 1672 in Jerusalem ge-
haltenen Konzils: Recte (b. Virgo) signum esse dicitur in caelo, eo quod ipsa cum
corpore assumpta est in caelum, et quamvis conclusum in sepulcro fuerit imma-
culatum corporis eius tabernaculum, in caelum tamen, ubi Christus fuerat assumptus,
tertio et ipsa die in caelum migravit (Harduin, Acta concil. XI, 199).

IV. Die Liturgie


Das Hauptgewicht der mündlichen Überlieferung liegt auf der Liturgie. Das
Fest der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel wird mit voller Sicherheit zum
ersten Male von Modestus von Jerusalem bezeugt (gest. 634), der schon einmal als
Traditionszeuge genannt wurde.
Was die Texte selbst betrifft, so können die Ausdrücke assumptio und tran-
situs auch von der Aufnahme der Seele Marias in den Himmel verstanden werden,
wenn keine näheren Erklärungen hinzukommen., Vielfach ist jedoch ausdrücklich
von einer Aufnahme des Leibes der Gottesmutter die Rede. Solche Texte finden
sich zuerst in den in Gallien entstandenen liturgischen Büchern. Von hier aus sind
sie nach Rom gekommen. So heißt es im Missale Gothicum aus dem 7. Jahrhundert
(gleichlautend mit dem Missale Gallicanum Vetus): Fusis precibus Dominum im-
ploremus, ut eius indulgentia illuc defuncti liberentur a tartaro, quo beatae Virginis
translatum corpus est de sepulcro ... Quae nec de corruptione suscepit contagium,
526 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter S 164

nec resolutionem pertulit in sepulcro, pollutione libera, germina gloriosa, assumptione


secura ... Parum fortasse fuerat, si te Christus solo sanctificasset introitu, nisi
etiam talem matrem adornasset egressu. Recte ab ipso suscepta es in assumptione
feliciter, quem pie suscepisti conceptura per fidem, ut quae terrae non eras conscia,
non teneret rupes inclusa (Cunibert Mohlberg, Missale Gothicum. Das Gallikanische
Sakramentar des VII.—VIII. Jahrhunderts. Tafelband 1929, fol. 76a und b, fol. 80 b
bis 81a, in: Codices Liturgici e Vaticanis praesertim delecti phototypice expressi
iussu Pii XI. Pont. Max. consilio et studio procuratorum bibliothecae Apostolicae
Vaticanae, Volumen D.
Während die älteste uns erreichbare Gestalt des Liber sacramentorum anni
circuli der römischen Kirche (des Sacramentarium Gregorianum) aus dem endigen-
den 7. Jahrhundert zum Feste Mariae Himmelfahrt nur solche Texte bringt, in denen
zwar von der assumptio, aber nicht ausdrücklich von der leiblichen assumptio die
Rede ist (siehe die Texte bei C. Mohlberg, Die älteste erreichbare Gestalt des liber
Sacramentorum anni circuli der römischen Kirche, Münster 1927, S. 50, in: Liturgie-
geschichtliche Quellen, Heft 11/12), finden sich in dem Sacramentarium Gelasianum,
dessen älteste erreichbare. Gestalt in das endigende 8. Jahrhundert gehört, außer
den im eben genannten Liber Sacramentorum stehenden Texten noch folgende
Worte: Veneranda nobis domine huius est diei festivitas, in qua sancta dei genitrix
mortem subiit temporalem, nec tamen mortis nexibus deprimi potuit, quae filium
suum dominum deum nostrum Jesum Christum de se genuit incarnatum (bei Kuni-
bert Mohlberg, Das fränkische Sacramentarium Gelasianum in alemannischer Über-
lieferung, Münster 19392, S. 168, in: Liturgiegeschichtl. Forschungen, Heft 1/2). „Da
nun aber die Liturgie der Kirche den katholischen Glauben nicht schafft, sondern
ihn voraussetzt und die gottesdienstlichen Übungen aus diesem Glauben, wie die
Früchte vom Baum, stammen, so haben die heiligen Väter und die großen Lehrer
in den Predigten und Ansprachen, die sie an diesem Feste an das christliche Volk
hielten, die Lehre von der Aufnahme Marias in den Himmel nicht aus dieser Feier
wie aus erster Quelle geschöpft, sondern sie sprachen darüber wie über eine Sache,
die den Gläubigen bereits bekannt und von ihnen angenommen war; sie erklärten
sie ausführlicher und vertieften sie nach Sinn und Inhalt, indem sie das, was die
liturgischen Bücher oft nur knapp und kurz angedeutet hatten, genauer auslegten
und zeigten, daß der Gegenstand dieses Festes nicht bloß die Bewahrung des toten
Leibes der Gottesmutter vor der Verwesung sei, sondern auch der Sieg, den sie über
den Tod errungen hat, und ihre Verherrlichung im Himmel nach dem Vorbild ihres
Sohnes Jesus Christus“ (Apostolische Konstitution „Munificentissimus Deus“).

V. Struktur der Begründung


Auf Grund des vorliegenden Materials läßt sich folgender Gedankengang auf-
bauen: Die theologische Wissenschaft kann aus sich heraus weder einen über-
zeugenden Schriftbeweis noch einen völlig überzeugenden Traditionsbeweis führen.
Gleichwohl herrschte in der Kirche, wie sich aus Aussagen der Theologen seit dem
7. Jahrhundert und aus den kirchlichen Gebeten ergibt, seit vielen Jahrhunderten
die kaum bestrittene, wenn auch in ihrer Beweisbarkeit und in ihrer Sicherheit
verschieden gewertete Überzeugung, daß Maria auch ihrem Leibe nach in den Himmel
aufgenommen wurde. Die lehrende und die hörende Kirche sind von diesem Glauben
in gleicher Weise erfüllt. Pius XII. betont in der Konst. »Munificentissimus Deus«
S 164 Leibliche Verklärung Marias 527

„die einhellige Auffassung des ordentlichen kirchlichen Lehramtes und den einmaligen
Glauben des christlichen Volkes, einen Glauben, den das kirchliche Lehramt stützt
und leitet“. Es ist nicht denkbar, daß die Kirche in einer so bedeutungsvollen Sache
sich ein Jahrtausend im Irrtum befindet. So ist die Tatsache der leiblichen Auf-
nahme der Gottesmutter in den Himmel durch den Glauben und die Praxis der
Kirche verbürgt. Wenn die Kirche die Tatsache der Himmelfahrt festhält, kann sie
davon nur durch die Offenbarung Kenntnis bekommen haben. Denn einen anderen
Weg hierzu gibt es nicht. Pius XII. folgert aus der Allgemeinheit des Glaubens an
die leibliche Aufnahme Marias: „Daher tut sie durch sich selbst, mit völliger Sicher-
heit und ohne jeden Irrtum kund, daß dieser Gnadenvorzug Marias eine von Gott
geoffenbarte Wahrheit und in dem göttlichen Glaubensgut enthalten ist.“ Da erhebt
sich die Frage, wo diese Offenbarung zu finden ist, genauer: wo in der Schrift oder
in der Überlieferung die Himmelfahrt bezeugt ist. Das kirchliche Lehramt kann mit
dem Daß der Himmelfahrt auch die hierfür sprechenden Beweisgründe aus den
Offenbarungsquellen angeben. Hier zeigt sich, daß die „Überlieferung“ nicht weniger
als die Schrift der Explikation bedarf. Nicht alles, was in der Schrift nur implizit
enthalten ist, ist in der Überlieferung der frühchristlichen Kirche explizit gegeben.
In manchen Fällen besteht der Unterschied nur darin, daß das Maß der Implikation
verschieden ist.

VI. Konvenienzgründe
Von den Theologen werden auch Konvenienzgründe angeführt. Sie wurden zum
ersten Male von den oben genannten Vätern ausgearbeitet. Die wichtigsten seien
genannt:
a) Die Muttergotteswürde Marias. Durch sie steht Maria in so inniger Ge-
meinschaft mit Christus, daß es geziemend ist, daß er ihr die volle Erlösung vor
allen anderen gewährt. Die volle Erlösung ist aber die Erlösung im Leibe.
b) Die Immaculata conceptio. Wenn die Sünde der Grund des Todes ist, ist es
billig und naheliegend, daß jene, die von jeder Sünde, von der Erbschuld und von
allen persönlichen Sünden, durch Gottes Gnade freiblieb, zwar, um ihrem Sohn gleich
zu werden, den Tod erlitt, daß sie aber nicht im Tode verblieb, daß also der Tod
keine Macht über sie hatte. Wie Maria durch ihre Freiheit von der Erbschuld über
alle anderen Menschen emporragt, so soll sie auch durch die Vollendung ihres Lebens
über alle emporragen.

VII. Die Begründung in der Konstitution „Munificentissimus Deus“


Die Apost. Konstitution „Munificentissimus Deus“ faßt die Be-
weise folgendermaßen zusammen (D. 2331; NR. 334 b):
„Alle diese Beweise und Erwägungen der heiligen Väter und der
Theologen stützen sich letzten Endes auf die Heilige Schrift. Diese
stellt uns die hehre Gottesmutter als aufs engste mit ihrem göttlichen
Sohne verbunden und sein Los immer teilend vor Augen. Daher
scheint es unmöglich, sie nach diesem irdischen Leben, wenn nicht
der Seele, so doch dem Leibe nach von Christus getrennt zu denken,
528 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter S 164

sie, die Christus empfangen, geboren, an ihrer Brust genährt, ihn in


den Armen getragen und an ihr Herz gedrückt hat. Weil nun unser
Erlöser der Sohn Marias ist, mußte er, der vollkommenste Beobachter
des Gesetzes, in der Tat wie den Vater, so auch seine liebe Mutter
ehren. Da er ihr die große Ehre erweisen konnte, sie vor der Ver-
wesung des Todes zu bewahren, muß man also glauben, daß er es
wirklich getan hat.
Ganz besonders ist aber darauf hinzuweisen, daß von den heiligen
Vätern schon seit dem zweiten Jahrhundert Maria als die neue Eva
hingestellt wird, die mit dem neuen Adam, wenn auch in Unterord-
nung unter ihn, aufs engste im Kampf gegen den höllischen Feind
verbunden war. Dieser Kampf mußte, wie es im Proto-Evangelium
vorausgesagt ist, zum völligen Sieg über Sünde und Tod, die in den
Schriften des Völkerapostels beide immer miteinander verknüpft er-
scheinen, führen. Wie daher die glorreiche Auferstehung Christi ein
wesentlicher Teil und das letzte Wahrzeichen des Sieges ist, so mußte
auch der von Maria gemeinsam mit ihrem Sohn geführte Kampf mit
der Verherrlichung ihres jungfräulichen Leibes abschließen; denn, so
sagt gleichfalls der Apostel, »wenn...der sterbliche Leib die Unsterb-
lichkeit anzieht, dann wird sich das Wort erfüllen, das geschrieben
steht: Verschlungen ist der Tod im Sieg«. Die erhabene Gottesmutter,
die mit Jesus Christus von aller Ewigkeit her »durch ein und das-
selbe Dekret« der Vorherbestimmung in geheimnisvoller Weise ver-
bunden war; sie, die unbefleckt war in ihrer Empfängnis, die in ihrer
Gottesmutterschaft unversehrte Jungfrau blieb, sie, die hochherzige
Gehilfin des göttlichen Erlösers, der über die Sünde und ihre Folgen
den vollen Sieg errungen hat: sie erhielt als herrliche Krone all ihrer
Ehrenvorzüge, daß sie von der Verwesung im Grab verschont blieb
und wie ihr Sohn nach dem Sieg über den Tod mit Leib und Seele
in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen wurde, um dort zur
Rechten ihres Sohnes, des unsterblichen Königs der Ewigkeit, als
Königin zu erstrahlen.

Die gesamte Kirche, in der der Geist der Wahrheit wirkt, um sie
unfehlbar zur vollen Erkenntnis der geoffenbarten Wahrheiten zu
führen, hat im Laufe der Jahrhunderte in vielfacher Weise ihren
Glauben zu erkennen gegeben. Die Bischöfe des ganzen Erdkreises
haben in fast vollständiger Einmütigkeit die Bitte gestellt, die Wahr-
heit von der leiblichen Aufnahme der Allerseligsten Jungfrau Maria
in den Himmel möge feierlich als Dogma des göttlichen und katholi-
S 164 Leibliche Verklärung Marias 529

schen Glaubens definiert werden, — eine Wahrheit, die sich auf die
Heilige Schrift stützt, die tief im Herzen der Gläubigen wurzelt, die
mit den übrigen Offenbarungswahrheiten in vollstem Einklang steht,
die durch das Studium, die Wissenschaft und Weisheit der Theologen
eine lichtvolle Erklärung und Darstellung gefunden hat. Aus diesen
Gründen glauben Wir, daß der durch den Ratschluß der göttlichen
Vorsehung bestimmte Zeitpunkt nunmehr gekommen ist, um diesen
einzigartigen Gnadenvorzug Marias feierlich zu verkünden.“
In methodischer Hinsicht sei betont, daß nach diesen Äußerungen
des’ kirchlichen Lehramtes die letzte Begründung in dem Gesamt-
zeugnis der Heiligen Schrift liegt, so daß dieser Glaubenssatz, der
zunächst nur in der Überlieferung enthalten zu sein scheint, auch in
der Schrift impliziert ist, daß er aber auch in der ältesten Überliefe-
rung nur implizit gegeben ist.

VIII. Erklärung

Was die Frage nach dem Modus der leiblichen Aufnahme Marias
in den Himmel betrifft, so handelt es sich um ein tiefes Geheimnis.
Die Legende, daß die Apostel zusammengekommen seien und das
leere Grab vorgefunden hätten, drückt in der der Legende eigen-
tümlichen Weise das Mysterium der leiblichen Aufnahme Mariens in
den Himmel aus. Das gleiche gilt von den künstlerischen Darstellun-
gen, in denen Maria zum Himmel emporschwebt. Sie versuchen mit den
der Kunst eigenen Mitteln, uns das Mysterium anschaulich zu machen.
In Wirklichkeit besteht der Vorgang darin, daß die Seele Mariens von
Gott ermächtigt und befähigt wurde, sich wiederum ihren Leib zu-
zugesellen und sich darin in ihrer verklärten Existenzweise auszu-
drücken, so daß auch der Leib hiervon ergriffen wurde. Es ist eine
von der Kirche nicht förmlich entschiedene Frage, ob auf die leib-
liche Aufnahme Mariens in den Himmel die von mehreren Theologen
vertretene Ansicht angewandt werden kann, daß die Seele bei der
Auferstehung von den Toten nicht notwendigerweise die für den
Auferstehungsleib erforderliche Materie aus jenen Stoffen entnimmt,
welche während der geschichtlichen Existenz ihren Leib bildeten oder
jemals zu ihrem Leib gehörten, daß sie sich vielmehr aus irgend-
welchen Materieteilen den Auferstehungsleib bilden kann. Da sie sich
nach dem Prinzip „anima forma corporis“ in dem Auferstehungsleib
wie in einem für sie transparenten Medium ausdrückt, könnte man
diesen nach der Ansicht der erwähnten Theologen ihren Leib nennen,

534 Schmaus, Dogmatik II,2. 6. Aufl.


530 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter S 164

selbst wenn von dem irdischen Leib für den Auferstehungsleib keine
Materie verwendet wäre. Diese Erklärung läßt sich für die Auferste-
hung Christi auf keinen Fall annehmen, weil hier ausdrücklich be-
zeugt ist, daß der Leib Christi aus dem Grab entschwunden ist. Ob
diese Erklärung für die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel
zulässig ist, wird wohl im Rahmen der Gesamtoffenbarung von der
Auferstehung von den Toten geklärt werden müssen. Auf jeden Fall
ist das Entscheidende nicht eine Ortsveränderung, sondern die Exi-
stenzweise Marias. Diese ist nicht nur eine seelische, sondern eine
seelisch-leibliche, und zwar in verklärtem Zustand.

IX. Opportunität der Dogmatisierung

Es ist gegenüber dem katholischen Glaubenssatz von der leib-


lichen Aufnahme Marias in den Himmel vielfach eingewandt worden,
daß er unevangelisch bzw. unbiblisch sei. Dagegen ist jedoch zu sagen:
Die Auferstehung von den Toten gehört zu den Grundverheißungen
der Offenbarung Christi. Die eigentliche Hoffnung des Christen er-
streckt sich auf das Weiterleben in leiblicher Wirklichkeit. Die Hoff-
nung auf Fortexistenz in leibhaftiger Wirklichkeit unterscheidet die
christusgläubigen Menschen grundlegend von den Nichtchristen. So
fügt sich die Lehre von der leiblichen Aufnahme Mariens in den
Himmel, das heißt von ihrer leiblichen Verklärung, durchaus ein in
den Rahmen der in der Heiligen Schrift bezeugten Offenbarung. Was
sie unterscheidet, das ist die Zeitdifferenz. An Maria hat sich schon
verwirklicht, was an den übrigen Menschen erst die Zukunft bringen
wird.
Unrichtig ist auch die Meinung, die Dogmatisierung der leib-
lichen Aufnahme Mariens in den Himmel sei inopportun gewesen,
weil sie für nicht wenige Christen eine Glaubenslast bedeute. Dem-
gegenüber läßt sich jedoch zeigen, daß sie von der Zeit geradezu ge-
rufen wurde. Pius XII. sagte in der Apostolischen Konstitution „Muni-
ficentissimus Deus“ folgendes:
„Wir hegen das feste Vertrauen, diese feierliche Verkündigung
und Definition der Aufnahme Marias in den Himmel werde nicht
wenig zum Wohl der menschlichen Gesellschaft beitragen. Sie gereicht
ja zum Ruhm der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, mit der die jung-
fräuliche Gottesmutter durch ganz besondere Bande verknüpft ist. Sie
begründet die Hoffnung, daß sich alle Gläubigen zu einer innigeren
Andacht zur himmlischen Mutter angespornt fühlen werden; daß in
§ 164 Leibliche Verklärung Marias 531

allen, die sich des Namens Christi rühmen, das Verlangen lebendig
werde, an der Einheit des Mystischen Leibes Jesu Christi teilzuhaben
und ihre Liebe zu mehren zu der, die für alle Glieder dieses erhabenen
Mystischen Leibes das Herz einer Mutter hat. Es ist auch zu hoffen,
daß durch die Betrachtung des herrlichen Beispiels Marias mehr und
mehr die Einsicht wächst, welch hohen Wert das menschliche Leben
hat, wenn es vollkommen dafür eingesetzt wird, den Willen des
himmlischen Vaters zu erfüllen und für das Wohl der Mitmenschen
zu wirken.
"Und ferner läßt sich in einer Zeit, wo die Irrlehren des Materia-
lismus und die daraus folgende Verderbnis der Sitten das Licht der
Tugend zu ersticken und durch die Entfesselung von Kampf und
Krieg so viele Menschenleben zu vernichten drohen, wohl erwarten,
daß die Wahrheit von der Himmelfahrt Marias allen in klarem Lichte
zeige, für welch erhabenes Ziel wir nach Leib und Seele bestimmt
sind. Endlich wird der Glaube an die leibliche Aufnahme Marias in
den Himmel den Glauben auch an unsere Auferstehung stärken und
wirksam beleben.“
Aus dieser Erklärung sei hervorgehoben, daß an der leiblichen
Verklärung Mariens sichtbar wird, zu welcher Höhe der Vollendung
der Mensch durch Christus emporzusteigen vermag. Maria herrscht
mit Christus im Himmel. Sie ist die Königin des Himmels (Offb 20, 4).
Dadurch wird die Hoffnung auf unsere eigene Auferstehung neu be-
lebt. An Maria sehen wir, daß die Verheißungen Christi nicht leere
Worte sind, sondern in Erfüllung gehen. So ist die leibliche Aufnahme
Marias in den Himmel für den christusgläubigen Menschen ein
Unterpfand dafür, daß sich seine Christusverbundenheit auch im Leibe
auswirkt. Wenn dies an Maria schon geschah, so hat das in ihrer be-
sonderen Beziehung zu Christus seinen Grund. An ihr hat sich die
vom auferstandenen Christus ausgehende Dynamik schon erfüllt. Die
leibliche Verklärung Mariens hat daher sowohl christologische als auch
anthropologische Bedeutung. Ja, da sich in ihr darstellt, wohin die
gesamte Kirche pilgert, nämlich zur verklärten leibhaftigen Existenz,
hat sie auch ekklesiologische Tragweite.
Daß Gott durch das kirchliche Lehramt gerade in der Gegenwart
eine solche Bürgschaft für unsere Hoffnung auf die vollendete Zu-
kunft gewährt, hat einen tiefen Grund. Angesichts der vielen Zu-
sammenbrüche unserer Zeit, der zahlreichen und tiefgehenden Be-
drohungen der menschlichen Existenz, des weitverbreiteten theoreti-
schen und praktischen Materialismus, kann den Menschen die Ver-

34*
532 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter S 164

suchung anfechten, an dem Sinn des Daseins zu verzweifeln und in


dem Irdischen und seinen materiellen Gütern das Ganze des Lebens
zu sehen. In dieser Not gibt die Kirche die Versicherung: Das Einzel-
leben und die gesamte Geschichte gehen einer letzten leibhaftigen Er-
füllung entgegen. Das materielle Dasein hat in seiner jetzigen Gestalt
zwar nur vorläufige Bedeutung, es wird aber nie völlig untergehen.
Vielmehr wird es in einen verklärten Zustand verwandelt und in ihm
ewig weiterbestehen. So wird der Materialismus als Häresie gebrand-
markt und dennoch die Berechtigung des Materiellen anerkannt, ja,
es wird seine ewige Existenz in verklärter Wirklichkeitsmacht ver-
kündet. Dies alles tritt uns in der verklärten Mutter Gottes wie in
einem allen sichtbaren Bilde vor das Auge.
Für die theologische Diskussion über die Frage, welche Voraus-
setzungen für eine Dogmatisierung angenommen werden müssen,
bringt das neue Dogma mancherlei Klärungen. Namentlich gibt es der
Erörterung über den katholischen Traditionsbegriff wichtige Anregun-
gen, und zwar wiederum im besonderen bezüglich des Verhältnisses
der Überlieferung zur Schrift, insofern sowohl die älteste Überliefe-
rung als auch die Schrift unser Dogma implizieren, die Explikation
jedoch in der Überlieferung später in Erscheinung tritt. (Was zu
diesen Fragen zu sagen ist, wird ausführlich in Band V dargestellt.
An dieser Stelle soll um der Abrundung der Christologie willen das
Wichtigste hervorgehoben werden.)

Zweiter Artikel

Marias Stellung in der Heilsgeschichte

Erstes Kapitel

Marias Teilnahme am Erlösungswerke Christi

I. Marias geistliche Mutterschaft


Die von Christus, dem einen Mittler zwischen Gott und den Men-
schen, zu letzter Vollendung erhöhte Mutter Gottes ist nicht in ein
Reich kalter Teilnahmslosigkeit entrückt: Wie Christus als ewiger
Hoherpriester vor dem Vater steht und ihm immerfort die Flamme
seines Opfers entgegenhält, so tritt sie, die glühend geworden ist von
§ 164 Marias Teilnahme am Erlösungswerke Christi 533

der sie durchherrschenden und durchwaltenden Liebe Gottes, in der


von Gott geweckten und getragenen Liebe immerfort für diejenigen
ein, für welche Gott seinen Sohn, welcher auch der ihre ist, hin-
gegeben hat, damit alle gerettet werden. Sie nimmt an deren Schicksal
lebendigsten Anteil, weil sie ganz durchdrungen ist von den Heils-
gesinnungen Christi, ihres Sohnes, dessen Leben darin aufging, zu
suchen und selig zu machen, was verloren war, der diese Gesinnung
mithineingenommen hat in den Zustand seiner Herrlichkeit. Maria ist
so aufs innigste mit dem Heil eines jeden einzelnen und aller zu-
sammen verbunden. Sie ist es infolge ihrer leiblichen Mutterschaft
und der sich daraus ergebenden innigen Gemeinschaft mit Christus.
Sie ist die Mutter des Sohnes Gottes, der in der Schwäche des Flei-
sches erschienen ist. So ist sie die „Mutter der Gnade“, „das Tor des
Himmels“, die „Bringerin des ewigen Lichtes“, die „Pforte, aus
welcher das ewige Licht hervortrat“, die „Ursache unserer Freude“,
die „Trösterin“, das „Heil“, „unser Leben“, „unsere Hoffnung“, „un-
sere Wonne“, weil sie in der Kraft des Heiligen Geistes dem Mittler
zwischen Gott und den Menschen (auch sich selbst) den menschlichen
Leib geschenkt hat. Dadurch hat sie zur Erlösung mitgewirkt, nicht
in einer von Christus unabhängigen oder ihm nebengeordneten, sein
Werk ergänzenden Weise, sondern ausschließlich als Werkzeug, dessen
Gott sich zur Durchführung seines Heilsplanes bedient. Sie hat sich in
freiem Gehorsam Gott als Werkzeug zur Verfügung gestellt. Sie will
nichts sein als Dienerin, als Magd des Herrn. Darin ist ihre über die
leibliche Mutterschaft hinausgehende geistliche Mutterschaft begrün-
det. Nach den Vätern, z.B. Augustinus, hat Maria ihren Sohn,
bevor sie ihn leiblich empfing, geistlich im Glauben empfangen (vgl.
F. Hofmann, Der Kirchenbegriff des heiligen Augustinus, München
1933, 264 f.; ebenso Leo der Große, Predigt 21, Abschn. 1; BKV
I, 76). Sie hat sich völlig dem Willen Gottes überantwortet. Sie ist
reine Empfänglichkeit gegen Gott. Es soll an ihr geschehen, was
Gottes Wille verfügt. Durch die vorbehaltlose Hingabe und Über-
antwortung an Gottes Willen ist sie tauglich, die Unendlichkeit in
ihrem Schoß aufzunehmen. Sie hat ihr Ja nicht bloß für sich, sondern
im Namen der erlösungsbedürftigen Welt gesprochen. Durch ihre
völlige Bereitschaft für Gott wird der Raum geschaffen, in den Gott,
der das Geschöpf nicht vergewaltigen, der ihm seine Gnade nicht auf-
drängen will, eintreten kann. In ihrer Empfänglichkeit tut sich für
Gottes Eintritt in die Welt die Türe auf. Man darf freilich nicht ver-
gessen, daß ihr Gehorsam und ihr Glaube selbst wieder von Gott er-
534 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter S 164

weckt und begründet sind. Maria wird so die zweite Eva. Bei den
Vätern findet sich häufig die Vorstellung, daß durch Maria als die
zweite Eva das Heil gekommen ist, wie durch die erste Eva das Un-
heil gekommen ist.
Justin (Dialog mit dem Juden Tryphon, Kap. 100, Abschn. 1; BKV, 163) er-
klärt: „Wir wissen, daß er durch die Jungfrau Mensch geworden ist, damit auf dem
gleichen Wege, auf welchem die von der Schlange verursachte Sünde ihren Anfang
nahm, die Sünde aufgehoben werde. Denn Eva, welche eine unversehrte Jungfrau
war, gebar, nachdem sie das Wort der Schlange empfangen hatte, Sünde und Tod.
Die Jungfrau dagegen war voll Glaube und Freude, als der Engel Gabriel ihr die
frohe Botschaft brachte, der Geist des Herrn werde über sie kommen und die
Kraft des Allerhöchsten werde sie überschatten.“ Cyrill von Jerusalem
(12. Katechese, Abschn. 15; BKV, 187) sagt: „Da durch eine Jungfrau, die Eva, der Tod
kam, sollte auch durch eine Jungfrau bzw. aus einer Jungfrau das Leben erscheinen.“
Irenäus (Gegen die Häresien, 5. Buch, 19. Kap.; BKV II, 202f.) führt aus: „Daß
der Herr sichtbar in sein Eigentum kommen und seine eigene Schöpfung, die von
ihm getragen wird, ihn tragen werde, und daß er den Ungehorsam am Holze durch
den Gehorsam am Holze wiedergutmachen und jene Verführung aufheben werde,
der so verhängnisvoll die Jungfrau Eva unterlag — das ist trefflich von dem Engel
der Jungfrau Maria ... verkündet worden. Wie nämlich jene durch die Rede eines
Engels verführt wurde, sich Gott zu entziehen und seinem Worte sich zu ver-
schließen, so empfing diese durch das Wort des Engels die Kunde, daß sie Gott
tragen sollte, weil sie seinen Worten gehorsam war. War jene Gott ungehorsam,
so folgte diese Gott willig, damit die Jungfrau Maria die Anwältin der Jungfrau
Eva wurde. Und wie das Menschengeschlecht durch eine Jungfrau mit dem Tode
behaftet wurde, so wird es auch gerettet durch eine Jungfrau.“ In dem Werke „Er-
weis der apostolischen Verkündigung“ (Buch I, Abschn. 3, Nr.33; BKV II, 606) sagt
der gleiche Irenäus: „Und wie durch den Ungehorsam einer Jungfrau der Mensch zu
Fall gebracht wurde, stürzte und starb, so empfing der Mensch durch eine Jungfrau,
welche auf Gottes Worte hörte, wieder mit Leben beseelt, das Leben. Denn der Herr
ist gekommen, das verlorene Schaf wieder zu suchen, und verloren war der Mensch.
So wurde er auch nicht ein neues Geschöpf, sondern bewahrte die geschöpfliche Zu-
sammengehörigkeit mit eben jener, welche von Adams Geschlecht war. Denn es war
notwendig und billig, daß bei der Wiederherstellung Adams in Christus das Sterb-
liche vom Unsterblichen verschlungen und in ihm aufgenommen werde, und die Eva
von Maria, auf daß die Jungfrau die Fürsprecherin der Jungfrau werde und den
jungfräulichen Ungehorsam entkräfte und aufhebe durch den jungfräulichen Gehor-
Di
sam.

An diesem Vergleich sieht man deutlich, in welchem Sinne von


einer Mitwirkung Marias am Erlösungswerk gesprochen werden kann.
Nicht in dem Sinne, als ob Maria ihre erlöserische Kraft zu der Kraft
Christi hinzugefügt hätte, um diese zu vermehren oder zu steigern,
sondern in dem Sinne, daß sie durch ihren Glaubensgehorsam fähig
wurde, als Werkzeug Gottes für die Menschwerdung des Gottessohnes
zu dienen, daß sie durch ihr selbst wieder von Gottes Gnade hervor-
S 164 Marias Teilnahme am Erlösungswerke Christi 535

gerufenes Ja, das sie im Namen der Menschheit sprach, für das Kom-
men des Sohnes Gottes die Welt aufschloß, daß sie außerdem durch
ihr Ja zu dem Heilstun ihres Sohnes, insbesondere unter dem Kreuze
im Namen der Menschheit das Heilswerk annahm und für alle an-
eignete. Wie aber allein die Sünde Adams die ganze Welt in den
Fluch der Sünde hineinzog, nicht die Sünde Evas, so hat allein
Christus die Welt zu Gott heimgeholt, nicht Maria, die ja selbst von
ihrem Sohne erlöst wurde.
Das Ja Marias, in welchem sich die Welt dem Sohne Gottes öffnete,
setzte sich ihr ganzes Leben hindurch fort (vgl. $ 149). Mochten ihr
die Handlungen und Worte ihres Sohnes, des Menschensohnes, auch
oft unverständlich bleiben, sie übergab sich gänzlich dem göttlichen
Willen. Ihr Leben war nichts anderes als Dienst an Christus, welcher
der Erlöser der Welt ist. Ihm und durch ihn dem Vater im Himmel
blieb sie ihr ganzes Leben unlöslich verbunden. Sie teilte sein Schick-
sal. Sie stellte sich unter das Kreuz und nahm am Leiden und Sterben
ihres Sohnes lebendigsten Anteil. Maria stand als Vertreterin aller
Glaubenden und Gott Gehorchenden auf Golgotha. Sie stellte die Ge-
meinschaft aller mit Christus Verbundenen dar. In ihr gehorchte,
glaubte und opferte nach der Lehre der Väter die Kirche. Wie die
Kirche im Meßopfer selbst opfernd eingeht in das Opfer Christi, in-
dem sich die Glieder mit dem Haupte vereinigen und sich so dem
Vater darbringen, um von ihm verherrlicht zu werden, so ist Maria
unter dem Kreuze eingegangen in das Opfer ihres Sohnes, um sich
selbst mit ihm als Opfergabe darzubringen. Sie opfert mit als Glied
des Leibes, dessen Haupt Christus, ihr Sohn, ist (siehe für diese Dar-
stellung R. Grosche, Zur theologischen Anthropologie, in den gesam-
melten Aufsätzen: Pilgernde Kirche, Freiburg i. Br. 1938, 126—146).
Nach Augustinus ist Maria das hervorragendste Glied am Leibe
Christi, welcher die Kirche ist. (Maria mit einem bestimmten Glied
des Leibes vergleichen zu wollen, führt, wie die Geschichte zeigt, zu
phantastischen Vorstellungen. Insbesondere ist der klassischen Theo-
logie die Vorstellung fremd, daß Maria Seele und Herz der Kirche
sei, dies ist nach Thomas und Augustinus der Heilige Geist. Siehe hier-
über die Lehre von der Kirche Bd. III 1.) Sie ist das hervorragendste
Glied am Leibe Christi, weil sie — geheimnisvolles Paradox — das
Haupt des Leibes gebar. Insofern sie sich ganz in den Dienst Christi
und seines Werkes stellte und sein Schicksal, das er zum Heil der Welt
auf sich nahm, in Gehorsam und Liebe mittrug, ist sie die geistliche
Mutter der Glieder geworden. Darin ist ihr die Mutter Kirche ähnlich.
536 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter S 164

Augustinus betont indes zugleich, daß Maria die geistliche Mutter-


schaft bloß eignet als Glied der Kirche, weshalb nach ihm der Gesamt-
kirche in höherem Maße Mutterschaft zukommt als Maria, die nur
Glied der Gesamtkirche ist (vgl. F. Hofmann, Der Kirchenbegriff des
hl. Augustinus, München 1933, 264 f.). A m br o s i u s (Erklärung zum
Lukasevangelium, 2. Buch, 7. Abschn.; BKV II, 52f.): „Mit gutem
Grund ist Maria eine Vermählte, zugleich aber auch Jungfrau; denn
sie ist Vorbild der Kirche, die makellos ist, aber auch Braut. Als
Jungfrau hat diese uns vom Geiste empfangen, als Jungfrau gebiert
sie uns ohne Schmerzenslaut. Und vielleicht war die heilige Maria
deshalb einem anderen verlobt und hatte von einem anderen, dem
Heiligen Geiste, empfangen, weil auch die einzelnen Kirchen vom
Geiste und von der Gnade erfüllt werden, gleichwohl aber äußerlich
einem sterblichen Priester angetraut sind.“
P. Sträter (Katholische Marienkunde, Paderborn 19522, II, 310 f.) bemerkt dazu
mit Recht, daß „diese Sicht die eine Seite der vollen, umfassenden Wahrheit bedeutet.
Um sie ganz auszuschöpfen, müssen wir eine zweite Sicht hinzunehmen, die sich aus
dem ganzen Ablauf der Gnadenspendung ergibt: Betrachte ich die Kirche mit Augu-
stinus in ihrer Gesamtheit, wie sie der ganze mystische Herrenleib ist, das Haupt
eingeschlossen, — alle Glieder sind belebt durch die Kraft des Hauptes, mit dem sie
aufs engste verbunden sind (corpus ab anima informatum) — dann ist Maria in
der Tat das vorzüglichste Glied und steht in voller Abhängigkeit und in Unter-
ordnung zu diesem Herrenleib. Betrachte ich aber die Kirche als die Gemeinschaft
der Gläubigen, insofern sie Christus, ihrem Haupte, gegenübersteht und von ihm
Leben und Zusammenhalt empfängt (corpus ab anima informandum), dann sehe
ich Maria an der Spitze dieser Gemeinschaft, sie ist die Empfangsbereiteste, die
zuerst Empfangende und dann selbsttätig weiter Leitende. Dieser Betrachtungsweise
entspricht wohl am besten der Ausdruck: die Kirche als die Braut Christi. In der
Linie der Brautschaft steht Maria höher als die Gesamtheit jener, denen sie als
Mitwirkerin und dann als Spenderin der Heilsgnaden die Erlösungsschätze Christi
vermittelt.“

II. Die nähere Erklärung der Teilnahme Marias


Neuestens wurde und wird lebhaft die Frage besprochen, ob Maria eine un-
mittelbare Mitwirkung zur objektiven Erlösung in dem Sinne zuzusprechen sei, daß
sie als „Genossin“ Christi mit ihm ursächliches, wenn auch ihm nachgeordnetes Prin-
zip der Erlösung sei, als Jungfrau-Priesterin, die mit dem Hohenpriester Christus das
Opfer der Erlösung dargebracht hat, ob sie Miterlöserin genannt werden könne. Es
dreht sich bei der Diskussion nicht um die Frage, ob Maria am Leiden und Sterben
ihres Sohnes innigen Anteil nahm, ob sie bei seinem erlöserischen Tun auf das
innigste mit ihm verbunden war, sondern ob sie hierdurch zur Erlösung einen ob-
jektiven Beitrag geleistet hat, so daß erst durch ihre Mitwirkung die Erlösung voll-
ständig wurde. Die Frage wird bejaht z.B. von J. Bittremieux, C. Friethoff, A. Deneffe,
F. H. Schüth, J. Lebon, verneint, ja z. T. heftig abgelehnt z.B. von B. Poschmann,
§ 164 Marias Teilnahme am Erlösungswerke Christi 537

F. Diekamp, B. Hartmann, L. Billot, H. Lennerz, M. de la Taille, J. Ude, B. A. Luyckx,


M.-J. Congar, J. Rivière. Andere nehmen eine vermittelnde Stellung ein.
Maßgebend für die Antwort kann naturgemäß nur die Offenbarung und die
kirchliche Lehre sein, nicht der Affekt und Wunsch des Herzens und auch nicht
der spekulative Trieb des philosophischen Eros. Das hieße ja die Natur statt der
übernatürlichen Offenbarung zur Quelle der theologischen Erkenntnis erheben und
würde zur gnostischen Entstellung des Christentums führen. Unbestreitbar ist auch,
daß sowohl die Theologie als auch die Frömmigkeit sich gegen die Offenbarung
nicht nur durch Unterlassung, sondern auch durch Übertreibung versündigen. So-
wohl derjenige, der Maria eine Würde abspricht, die ihr zukommt, als auch der-
jenige, der ihr eine Würde zuspricht, die ihr nicht zukommt, die allein Christus
zukommt, verläßt in eigenherrlichem menschlichem Beginnen die Offenbarung. Nicht
nur die theologische Wissenschaft, sondern auch die echte Frömmigkeit stützt sich
auf die Wahrheit. Es ist also kein Zeichen mangelnder Frömmigkeit, sondern Zeichen
des dem offenbarenden Gott geleisteten Gehorsams, wenn der Theologe sorgfältig
und kritisch prüft, ob Maria eine Würde mit Recht oder mit Unrecht zugesprochen
wird.
Eingehend hat W. Goossens, Theologieprofessor am Genter Seminar, in dem
(freilich vielfach stark kritisierten) Werk De cooperatione immediata matris re-
demptoris ad redemptionem objectivam quaestionis controversae perpensatio, Paris
1939, die für die Lehre von der unmittelbaren Mitwirkung Marias zur objektiven
Erlösung vorgebrachten Gründe und die gegen sie erhobenen Schwierigkeiten unter-
sucht. Das Ergebnis seiner Untersuchung ist eine völlige Ablehnung der Lehrmeinung.
Man kann sie nach ihm auch nicht als „fromme Meinung“ vertreten.
Zunächst hat die These nach ihm mit bis heute nicht gelösten Schwierigkeiten zu
kämpfen. Sie läßt sich nicht mit der Offenbarung von der Einzigkeit der Mittlerschaft
Christi (1 Tim 2, 5; siehe $ 154) und von der Erlösungsbedürftigkeit aller Menschen
vereinbaren. Was den letzten Punkt betrifft, so ist auch Maria erlösungsbedürftig
gewesen und von ihrem Sohne im eigentlichen und strengen Sinne erlöst worden,
wenn auch auf andere Weise als alle übrigen Menschen (siehe die Bulle „Ineffabilis
Deus“ vom 8. Dezember 1854). Was die Vertreter der Lehrmeinungen bis heute zur
Lösung der Schwierigkeit vorbrachten, geht nach G. über Künsteleien und Spitz-
findigkeiten nicht hinaus. Billot ist sogar der Ansicht, daß die Meinung zu klar ge-
offenbarten Wahrheiten in formellem Widerspruch steht.
Was die für die Ansicht angeführten Gründe angeht, so stützen sich ihre Ver-
treter auf Äußerungen des kirchlichen Lehramtes, Aussagen der Schrift, Sätze der
Väter und theologische Überlegungen. Was die erste Gruppe von Gründen betrifft,
so scheinen manche Äußerungen der letzten Päpste auf den ersten Blick der These
günstig zu sein. Goossens glaubt indes zeigen zu können, daß die päpstlichen Kund-
gebungen nicht im Sinne der Lehrmeinung verstanden zu werden brauchen, ja daß
sie vielfach gar nicht in diesem Sinne verstanden werden können, sondern ihn
geradezu ausschließen. Insbesondere hatten nach ihm die Päpste nie die Absicht, die
unmittelbare Mitwirkung Marias zur objektiven Erlösung förmlich zu lehren. Sie
streiften diese Frage nur gelegentlich. Sodann ergebe sich aus dem Zusammenhang,
daß an den Stellen, welche von den Vertretern der These in Anspruch genommen
werden, nur von der subjektiven Erlösung die Rede ist. Goossens prüft die Äuße-
rungen Leos XIII., Pius IX., Pius X., Benedikts XV., Pius XI. Die Hauptfehler, den
538 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter S 164

die Vertreter der These bei der Interpretation der päpstlichen Äußerungen begingen,
bestünden darin, daß sie sich fast nie um den Zusammenhang kümmerten, in dem
der von ihnen angerufene Satz stehe, und daß sie den dogmatischen Wert der von
ihnen angerufenen päpstlichen Äußerungen nicht untersuchten.
Was das Schriftzeugnis angeht, so bildet die wichtigste der von den An-
hängern der These angeführten Stellen Gn 3, 15. Nach ihrer Ansicht ist mit dem
Weibe, wenn vielleicht auch nicht im wörtlichen Sinne, so doch in dem von Gott
beabsichtigten typischen Sinne Maria gemeint. Dieses Argument sei indes hinfällig.
Daß die Stelle so zu verstehen sei, könnte nur aus der Offenbarung selbst ersehen
werden. Diese schweige jedoch hierüber. Dazu komme, daß die kirchliche Über-
lieferung die mariologische Deutung dieser Stelle fast nicht kennt, daß ihr ins-
besondere die Interpretation im Sinne der These unbekannt ist. Dies hat F. Drew-
niak, Die mariologische Deutung von Gen II, 15 in der Väterzeit, Freiburg i. Br.
1934, eingehend gezeigt. Andere Stellen der Schrift kommen nicht in Betracht, weder
Lk 1, 36—38, welche zu unserer These nichts aussagt, noch Offb 12, wo erstlich
nicht von Maria, sondern von der Kirche und von Maria nur indirekt die Rede ist
(vgl. A. Wikenhauser, Die Johannesapokalypse, Regensburg 1947, 187).
Auch der Traditionsbeweis bietet nach G. keine Stütze für unsere These. Er
versucht die Bedingungen eines richtig geführten Traditionsbeweises aufzuzeigen.
Insbesondere macht er darauf aufmerksam, unter welchen Voraussetzungen von
einer moralischen Übereinstimmung der Väter gesprochen werden kann. Die Äuße-
rungen der Väter seien nicht so, daß sie diese Bedingungen erfüllen. Goossens weist
darauf hin, daß die für die unmittelbare Mitwirkung angeführten Stellen gar nicht
den gemeinten Gegenstand betreffen. Sie besagen nach ihm nur, daß Maria ihre
Zustimmung dazu gab, daß sie Mutter des Erlösers wurde, ferner daß sie mit ihrem
Sohne gelitten hat, daß sie den leidenden und sterbenden Sohn dem Vater dar-
gebracht hat, aber nicht, daß ihr Mitleiden unmittelbar zum Werk der Erlösung
so beigetragen hat, daß sie im strengen Sinne Miterlöserin heißen könnte. Vielfach
müsse man die Väterstellen als rhetorische Äußerungen betrachten, deren Gewicht
man nicht überschätzen dürfe, zumal die Väter die Streitfrage noch gar nicht vor
Augen hatten. Daß die Väter kein unmittelbares Zeugnis für die unmittelbare Mit-
wirkung zur objektiven Erlösung bieten, wird auch von manchen Verfechtern der
These zugegeben. Aber sie glauben, in der schon von Justin, Irenäus und Tertullian
gezogenen Eva-Maria-Parallele sei ihre These eingeschlossen. Auf Grund dieser
Parallele wird Maria vielfach die Ursache unseres Heiles genannt. Goossens meint
jedoch, der Zusammenhang beweise, daß damit nicht mehr gesagt sei, als daß Maria
die Mutter des Erlösers war. Auch die mittelalterlichen Theologen hätten unseren
Satz im allgemeinen nicht gekannt. Anklänge fänden sich höchstens bei Albert dem
Großen. Thomas von Aquin jedoch könne nicht für die These angeführt werden. Ja,
er scheine geradezu von Albert abzurücken. So müsse man die Ansicht als Neuerung
bezeichnen, und zwar als eine durchaus nicht von der Mehrzahl der heutigen Theo-
logen vertretene Neuerung. Sie ist, wie G. erklärt, keine opinio communis.
Zum Schlusse prüft Goossens die theologischen Überlegungen, welche die Ver-
treter der These für ihre Ansicht ins Feld führen. Sie gehen aus von der innigen
Verbundenheit zwischen Christus und Maria. Maria ist die Genossin Christi. Chri-
stus nun hat die Erlösung unmittelbar gewirkt. Also hat auch Maria unmittelbar
zur Erlösung beigetragen. Wenngleich indes die Verbundenheit mit Christus und
§ 164 Marias Teilnahme am Erlösungswerke Christi 539

Maria feststeht, so frage sich doch, welchen Umfang sie habe. Das lasse sich nicht
durch die Spekulation beantworten, sondern nur durch gläubiges Hinhören auf die
Offenbarung. Diese spreche jedoch nicht für die These. Auch aus der leiblichen
Mutterschaft Marias lasse sich ihre unmittelbare Mitwirkung zur objektiven Er-
lösung nicht beweisen. Aus der leiblichen Mutterschaft folge nicht naturhaft und
zwangsläufig die unmittelbare Teilnahme Marias am objektiven Erlösungswerk.
Wie weit die Mutter des Erlösers an seinem Werk teilnimmt, hänge vielmehr von
der freien Verfügung Gottes ab. Diese lasse sich aber nur aus der Offenbarung er-
kennen. Die Offenbarung indes schweige. Wenn man sagt, daß Maria ein Recht auf
Christus hatte und sie auf Grund ihres Rechts ihren Sohn am Kreuze opferte, so
dürfe man nicht übersehen, daß dieses „Recht“ kein strenges und eigentliches ist.
Ein solches Recht habe keine Mutter auf ihr Kind. Sie habe nur ein Recht auf den
Gehorsam ihres Sohnes. Marias Teilnahme bestehe also darin, daß sie einver-
standen war, daß ihr Sohn den Tod auf sich nahm. Christus sei aber nicht im
Gehorsam gegen seine Mutter, sondern im Gehorsam gegen den Vater im Himmel
gestorben. Maria könne daher nicht als Priesterin bezeichnet werden, die am Kreuze
mit ihrem Sohne opferte.
Goossens’ Lehre läßt sich dahin zusammenfassen, daß noch keine Beweise für
die These gefunden seien, ja daß gewichtige Gründe gegen sie sprächen, daß ins-
besondere bis heute noch nicht verständlich gemacht sei, wieso die Offenbarungs-
wahrheit von der Einzigkeit der Mittlerschaft Christi und der Erlösungsbedürftig-
keit aller Menschen nicht mit ihr in formellem Widerspruch stehe. Die Texte aus den
Vätern, den mittelalterlichen Theologen und den päpstlichen Äußerungen, welche die
Anhänger der Lehre zitieren, sprechen nach G. für die Mitwirkung zur subjektiven,
nicht zur objektiven Erlösung. In der Zuwendung zur Erlösung sei nun freilich
Marias Fürbitte von größter Wirksamkeit und Umfänglichkeit. Maria, die leibliche
Mutter des Erlösers, ist die geistliche Mutter der Erlösten.
Gegen G. wurden von vielen Seiten Einwände erhoben. Insbesondere macht
man mit Recht gegen seine Interpretation der päpstlichen Äußerungen geltend, daß
deren Häufigkeit nicht recht verständlich wäre, wenn nicht die Miterlöserschaft
Mariens gelehrt werden wollte, d.h. wenn nicht Marias unmittelbare Beteiligung an
der objektiven Erlösung gemeint wäre.
Die Theologen, die eine solche annehmen, erklären sie auf mannigfache Weise.
Folgendes sei hervorgehoben:
H. Lennerz, De cooperatione beatae Virginis in ipso opere redemptionis, in:
Gregorianum 29, 1948, 118—141 meint, man müsse die Lehre von der Miterlöser-
schaft Marias fallen lassen oder den Begriff der Erlösung anders fassen, als ihn
bisher die kirchliche Tradition verstanden hat. H. Köster, Die Magd des Herrn,
Limburg 1947, und: Unus mediator, Limburg 1950?, hält es für notwendig, daß
Maria als Haupt der Menschheit ihr Ja zum Bunde zwischen Gott und der Mensch-
heit gesprochen hat, der durch Christi Tod am Kreuze besiegelt worden ist. Das
Werk Christi, der nach K. auf Seiten Gottes steht, nicht auf Seiten der Menschen,
bleibt die einzige Ursache der Erlösung. Aber die Menschheit muß zu Christi Werk
Ja sagen. Die Menschheit ist verkörpert in Maria. Erst durch dieses Ja kommt der
Bund wirklich zustande. Das Tun Christi und das Tun Marias bilden eine Einheit.
Einleuchtender kann H. Köster seine These mit der biblischen Vorstellung von
540 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter S 164

Christus als dem Bräutigam und der Kirche als der Braut aufbauen. Maria wird
dabei als die Repräsentantin der Kirche verstanden.
O. Semmelroth, Urbild der Kirche, Würzburg 1950, versteht Maria als Typus
der Kirche. In dieser Eigenschaft habe sie unter dem Kreuze zum Werke ihres
Sohnes Ja gesagt. Auch S. hält dieses Ja für.notwendig.
A. Dillenschneider, Le mystère de la corredemption mariale, Paris 1951, ver-
tritt die Meinung, das Ja, das Maria unter dem Kreuze als Repräsentantin der Kirche
gesprochen habe, bedeute mehr als die bloße Entgegennahme des Erlösungswerkes
Christi. Es bezeichne ein aktives Mittun. Maria habe sich in den Tod Christi hinein-
gestellt. Sie habe am Sterben Christi Anteil genommen. Zur näheren Erklärung und
zur Begründung dieser These beruft sich D. auf Paulus. Nach der paulinischen
Theologie sind wir alle mit Christus gestorben (2 Kor 5, 14). In seinem Tode sind
wir gekreuzigt worden (Röm 6, 6). Paulus selbst will an seinem Leibe ergänzen,
was dem Leiden Christi noch fehlt (Kol 1, 24). Darnach ist das Leiden und der
Tod der Menschen in dem Leiden und dem Tode Christi enthalten. Das Tun Christi
kommt zu seiner Ganzheit in dem Mittun der Gläubigen. Dieses bedeutet die Inte-
gration des Todes Christi. Maria leistet in Vertretung der Menschheit mit ihrem Ja
unter dem Kreuze die von Paulus verkündete Integration. Sie nimmt an Christi
Sterben Anteil. So wird dieses Sterben das Sterben der Menschheit. Im Glauben
und in den Sakramenten nimmt jeder am Tode und an der Auferstehung Christi
teil. Maria hat diese Teilnahme für alle vorweggenommen. In diesen Überlegungen
ist das Fundament paulinisch. Über Paulus hinaus geht die Lehre, daß Maria als
Repräsentantin der Menschheit die von Paulus gelehrte Integration leistet. Es fragt
sich, wie groß ihre theologische Sicherheit ist (vgl. R. Laurentin, Le mouvement
mariologique à travers le monde, in: La vie spirituelle 88, 1952, 179—189, sowie:
Marie et l’Eglise, ebda. 86, 1952, 295—304. G. Söll, Mariologie im außerdeutschen
Raum, in: Maria in Glaube und Frömmigkeit. Vorträge des Marianischen Kongresses
der Diözese Rottenburg, 1954, 983—127. A. Fries, Die unter dem Namen des Albertus
Magnus überlieferten mariologischen Schriften. Literarkritische Untersuchung. Bei-
träge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, Münster i. W.
1954).

Zweites Kapitel

Maria in der Auswirkung des Erlösungswerkes:


Allgemeine Gnadenvermittlung
Die mittelalterliche Theologie sah die geistliche Mutterschaft
Marias in dem Worte angedeutet, das der sterbende Christus zu ihr
und zu Johannes sagte: Frau, siehe da deinen Sohn; Sohn, siehe da
deine Mutter (Jo 19, 26 f.). Der unmittelbare Sinn dieses Abschieds-
wortes Christi weist nicht auf die allgemeine Mutterschaft Marias hin.
Es wurde denn auch, abgesehen von einer flüchtigen Andeutung bei
Origenes, im christlichen Altertum nicht so verstanden. Vom 12. Jahr-
hundert an (Rupert von Deutz, Bernhard von Clairvaux) wurde es je-
§ 164 Maria in der Auswirkung des Erlösungswerkes 541

doch mehr und mehr in der heute fast allgemein üblichen Auslegung
von der allgemeinen geistlichen Mutterschaft Mariens erklärt.
Die geistliche Mutterschaft Mariens wirkt sich in ihrer Liebe und
Fürbitte aus. Darin erweist sie sich als Dienerin am Leibe Christi, wie
sie sonst Dienerin des Hauptes war. Ihr Herrschen mit Christus ist
Dienst am Leib Christi. Ihre Teilnahme an der Herrlichkeit des
Hauptes empfindet sie als Verpflichtung, allen anderen die Teilnahme
zu dieser Herrlichkeit zu erbitten. Die Macht ihrer Fürbitte über-
strahlt diejenige aller anderen Glieder am Leibe Christi.

I. Kirchliche Lehräußerungen

In der heutigen Theologie wird lebhaft die Frage erörtert, ob seit


dem Eintritt Marias in die Herrlichkeit Christi nach Gottes Anordnung
kein Mensch irgendeine Heilsgnade empfängt, die sie nicht durch eine
besondere Fürbitte erwirkt hat (allgemeine Gnadenvermittlung). Man
beruft sich für den Satz auf mehrere kirchliche Lehräußerungen.
Schon Benedikt XIV. bezeichnet Maria als den „himmlischen Strom,
durch den alle Gnadengaben in die Herzen der armen Sterblichen ge-
leitet werden“ (Bulle „Gloriosae Dominae“ v. 27. Sept. 1748). Leo XIII.
hat mehrfach von der Gnadenmittlerschaft Marias gesprochen (NR.
329 f.). Nach ihm darf man behaupten, „daß uns nichts von dem über-
großen Schatz aller Gnaden, den der Herr gebracht hat, ... zuteil
wird, außer durch Maria, da Gott es so will“ (Enzyklica vom 22. Sept.
1891). „Wie niemand zum höchsten Vater, es sei denn durch den
Sohn, gelangen kann, so etwa kann niemand zu Christus gelangen,
es sei denn durch Maria.“ Maria ist unsere himmlische Mutter; „sie
war Dienerin beim Geheimnis der Erlösung und sollte darum von da
an auf alle Zeit auch Dienerin in der Zuteilung der Gnaden sein. Fast
unendliche Macht ist ihr gegeben“ (5. Sept. 1895). In dem Rundschrei-
ben zur 50. Wiederkehr der Verkündigung des Glaubenssatzes von der
„Unbefleckten Empfängnis“ aus dem Jahre 1904 („Ad diem illum“)
heißt es (NR. 331/4): „Ist denn Maria nicht die Mutter Christi? Dann
ist sie auch unsere Mutter. Das eine steht unumstößlich fest: Jesus,
das fleischgewordene Wort, ist auch der Erlöser des Menschenge-
schlechts. Als Gottmensch hat er jenen greifbaren Leib, wie ihn die
übrigen Menschen haben, angenommen. Als Wiederhersteller des
Menschengeschlechtes aber nahm er einen geistigen, sozusagen einen
mystischen Leib an, nämlich die Gemeinschaft derer, die an Christus
glauben. »Wir, die vielen, sind ein Leib in Christus« (Röm 12,5). Nun
542 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter S 164

hat die Jungfrau nicht nur den ewigen Gottessohn geboren dazu, daß
er Mensch werde, die Menschennatur aus ihr annehmend, nein, auch
dazu, daß er durch die Natur, die er aus ihr empfangen, der Erlöser
der Sterblichen würde. Deshalb verkündete der Engel den Hirten:
‚Geboren ist euch heute der Erlöser, der da ist Christus der Herr‘
(Lk 2, 11). In dem Schoße der reinsten Mutter hat Christus Fleisch
angenommen und zugleich den geistigen Leib, gebildet aus denen, die
an ihn glauben würden. So kann man sagen: Maria trug in ihrem
Schoß den Heiland und zugleich alle, deren Leben das Leben des
Heilands umschloß. Wir alle also, die wir mit Christus verbunden
sind, die nach dem Wort des Apostels Glieder seines Leibes sind, aus
seinem Fleische und aus seinem Gebein (Eph 5, 30), wir sind hervor-
gegangen aus Marias Schoß, gleichwie ein Leib, der verbunden ist mit
dem Haupt. So dürfen wir uns in einer geistigen und geheimnisvollen
Weise Kinder Mariens nennen und sie unser aller Mutter, ‚Mutter dem
Geiste nach, aber doch in der Tat Mutter der Glieder Christi, die wir
sind‘ (Augustinus) ... Das Lob der heiligsten Gottesgebärerin erschöpft
sich nicht darin, daß sie dem einziggeborenen Gottessohn zu seiner
Geburt im menschlichen Leib ihr Fleisch darbot, auf daß das Opfer
für das Heil der Welt bereitet werde. Sondern dazu kam die Aufgabe,
dieses Opfer zu behüten, zu ernähren und es zur bestimmten Stunde
zum Altar zu bringen. So entstand die Gemeinschaft des Lebens und
Leidens zwischen Mutter und Sohn, die niemals getrennt wurde ...
Als aber das Lebensende des Sohnes nahte, da stand am Kreuze Jesu
seine Mutter, und zwar nicht schmerzverloren in diesem furchtbaren
Anblick, sondern ‚freudig, weil ihr Einziggeborener für das Heil des
Menschengeschlechtes geopfert wurde‘. So innig hat sie an seinem
Leiden Anteil genommen, daß ‚sie, wenn es möglich gewesen wäre,
viel lieber alle Qualen auf sich genommen hätte, die ihr Sohn trug‘
(Bonaventura). Durch diese Gemeinschaft in Leid und Wille zwischen
Maria und Christus verdiente sie mit Recht, Wiederherstellerin der
verlorenen Welt zu werden und somit Ausspenderin aller Güter, die
er uns durch seinen Tod und sein Blut erwarb. Das will nicht heißen,
daß die Ausspendung dieser Gaben nicht eigentlich und rechtmäßig
Christus zustehe. Durch seinen Tod allein sind sie uns ja erworben.
Er ist in ganzer Machtvollkommenheit Mittler zwischen Gott und
Menschen. Aber durch die Gemeinschaft der Leiden und Schmerzen
zwischen Mutter und Sohn, von der wir sprachen, ist es ein Vorrecht
der hehren Jungfrau geworden, bei ihrem einziggeborenen Sohn die
mächtigste Mittlerin und Versöhnerin für den ganzen Erdkreis zu
S 164 Maria in der Auswirkung des Erlösungswerkes 543

sein. Die Quelle ist also Christus, und aus seiner Fülle haben wir alle
empfangen (Jo 1, 16). Von ihm aus wird der ganze Leib zusammen-
gefügt und zusammengehalten durch jedes Band der Dienstleistung
. und wird das Wachstum des Leibes besorgt zu seinem eigenen
Aufbau in Liebe (Eph 4, 16). Maria aber ist, wie Bernhard (von
Clairvaux) passend bemerkt, der Wasserkanal oder auch der Hals,
durch den der Leib mit dem Haupte verbunden ist und das Haupt
Kraft und Wirksamkeit auf den Leib ausübt.“ Pius X. nennt Maria
„Austeilerin aller Gaben, die uns Christus durch seinen Tod und sein
Blut erworben hat“ (Enzyklica „Ad diem illum“ vom 2. Februar 1904).
Benedikt XV. betonte 1918 in einem Schreiben an die „Marianische
Sodalität vom guten Tode“, daß uns alle Gnaden aus dem Schatze der
Erlösung gleichsam aus den Händen der schmerzhaften Mutter zu-
geteilt werden. Er approbierte im Jahre 1921 das Festoffizium und die
Messe zu Ehren der allgemeinen Gnadenvermittlerin. Es ist verständ-
lich, daß auch er in seinen Briefen und Kundgebungen gelegentlich
auf diese Würde der Gottesmutter anspielte. Ähnliche Aussagen finden
sich dann auch bei seinem Nachfolger Pius XI., der Maria kurz als
„aller Gnaden Gottes Mittlerin“ bezeichnet (2. März 1922).
Im Festgebet der erwähnten Messe ist die Mittlerschaft Mariens
kurz, aber auch verhältnismäßig allgemein ausgedrückt. „Herr Jesus
Christus, Du unser Mittler beim Vater, Du hast die allerseligste Jung-
frau, Deine Mutter, auch zu unserer Mutter und Mittlerin bei Dir be-
stellt, gewähre gnädig, daß jeder, der sich Dir bittend um Wohltaten
naht, sich freuen kann, durch sie alles erlangt zu haben.“ Die Bestä-
tigung des Festes und seiner Gebete bedeuten keine unfehlbare
Glaubensentscheidung, sind aber doch dogmatisch von großer Bedeu-
tung, da die Kirche sich nicht leichtfertig zu einer Lehre bekennt, die
von solcher Bedeutung für das Glaubensbewußtsein der Gesamtkirche
ist. Für die dogmatische Wertung der kirchlichen Lehräußerungen
ist es von entscheidender Bedeutung, ob die Päpste unsere Frage
förmlich behandeln wollten, ferner ob sie eine Entscheidung oder
nur Ermahnungen zur Frömmigkeit geben wollten.

II. Die Schrift und die Überlieferung


In der Schrift ist die Lehre von der allgemeinen Gnadenvermitt-
lung Marias nicht ausdrücklich enthalten. Keimhaft sehen sie die
Theologen in der von der Schrift gelehrten innigen Verbundenheit
Marias mit Christus und seinem Werke ausgesprochen. Die Grund-
544 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter S 164

lage der theologischen Überlegung bildet die Bereitschaft Marias zur


Mutterschaft (Lk 1, 38). Sie stellt sich für den Erlöserwillen Gottes
zur Verfügung und bejaht darin das göttliche Erlöserwirken, um so
mehr, weil sie mit ihrem Sohn nicht nur eins im Leibe ist, sondern
eins im Geiste bzw. im Heiligen Geiste (Mk 3, 31—35). Sie wünscht
daher im Heiligen Geist die Auswirkung des Todes und der Auf-
erstehung Christi an allen Menschen und betet um die Erfüllung des
Erlöserwillens Gottes.
Was die mündliche Überlieferung angeht, so ist in der älteren
Zeit der Gedanke einer allgemeinen Gnadenvermittlung Marias nicht
zu sehen. In der abendländischen Kirche tritt er deutlich bei Bern-
hard von Clairvaux (gest. 1153) in Erscheinung.
Die vielfach unter dem Namen des heiligen Anselm (gest. 1109) als Zeugnisse
angeführten Gebetstexte entstammen nicht der Feder dieses Kirchenlehrers. Der
heilige Bernhard sagt: „Betrachte, o Mensch, den Plan Gottes, erkenne den Plan
seiner Weisheit, den Plan seiner Güte. Er wollte mit himmlischem Tau das Land
benetzen, ließ ihn jedoch zunächst auf das Vlies sich herabsenken (Ri 6, 37—40).
Er, der das ganze Menschengeschlecht erlösen wollte, legte in Maria den gesamten
Lösepreis nieder. Warum dies? Vielleicht, damit Evas Schuld durch ihre Tochter
wiedergutgemacht werde und die Klage des Mannes wider die Frau in Zukunft
zur Ruhe käme. Fürder sollst du, Adam, nicht mehr sagen: Das Weib, das du mir
gabst, hat mir vom verbotenen Baum gegeben; sag’ vielmehr: Das Weib, das du
mir gabst, hat mich mit Segensspeise genährt! Wahrlich, ein weiser Plan, aber
vielleicht verbirgt sich noch ein anderer, und dieser erste sagt noch nicht alles ...
Schauet also höher hinauf; mit welcher Inbrunst wollte er, daß sie von uns ver-
ehrt würde, da er die Fülle alles Guten in Maria niederlegte. Wenn also Hoffnung,
Gnade, Heil in uns ist, sollen wir wissen, daß es von ihr ausströmt, die, von Wonne
erfüllt, hinaufsteigt. Nimm die Sonne hinweg, die die Welt erhellt, — wo bleibt
der Tag? Nimm Maria hinweg, diesen Meeresstern des weiten, großen Meeres, was
bleibt, als Dunkelheit umher, Todesschatten und dichteste Finsternis? Mit innerstem
Herzen, mit allen unseren Kräften und ganzem Verlangen wollen wir diese Maria
verehren. So ist es der Wille dessen, der da wollte, daß wir alles durch Maria
haben sollten ... Jesum gab er dir zum Mittler. Was könnte dieser Sohn bei diesem
Vater nicht erlangen? ... Diesen hat dir Maria zum Bruder gegeben. Aber viel-
leicht scheust du seine göttliche Majestät, der zwar Mensch wurde, aber dennoch
Gott blieb. Willst du auch einen Fürsprecher bei ihm haben? Eile zu Maria“ (in
Nat. B.M.V. 6, 7; vgl. auch die vierte Predigt zur Weihnachtsvigil).
Der heilige Bonaventura wiederholt Bernhards Worte. Im 17. Jahrhundert
mehren sich die Stimmen, welche die allgemeine Gnadenvermittlung bejahen, schnell
und stark. F. Suarez (gest. 1617) betont, daß wir Maria mehr als andere Heilige an-
rufen müssen, „weil ihr Gebet allgemeiner ist; was immer die anderen erbitten, er-
bitten sie in irgendeiner Weise durch die Jungfrau. Sie ist, wie der hl. Bernhard sagt,
Mittlerin zum Mittler und gleichsam der Hals, durch den, was immer vom Haupte
kommt, zum Leib hinabsteigt ...“ (Suarez, In 3. partem q. 27 a. 4 sect. 3). Con-
tenson (gest. 1674) deutet das Wort des sterbenden Heilandes „Siehe da deine
S 164 Maria in der Auswirkung des Erlösungswerkes 545

Mutter“ so: „Als wenn er ausdrücklich habe sagen wollen, wie niemand gerettet
werden kann, es sei denn durch das Verdienst meines Kreuzes und meines Todes,
so kann niemand dieses Blutes teilhaft werden, es sei denn durch die Fürsprache
meiner Mutter ... Die Wunden sind ewig offene Quellen der Gnaden, zu keinem
aber werden die Rinnsale hinabgelangen ohne Maria als Kanal und Aquädukt“
(Theologia mentis et cordis, lib. X, diss. 4 c. 1). Von größerer Bedeutung für die
Lehre von der allgemeinen Gnadenvermittlung ist der heilige Grignion de Montfort
(gest. 1716) geworden. Er sagt in deutlichen Anklängen an den hl. Bernhard: „Gott
Sohn hat seiner Mutter alles gegeben, was er durch sein Leben und seinen Tod
erworben hat. Er hat sie zur Schatzmeisterin alles dessen gemacht, was ihm der
Vater als Erbe gab. Durch sie schenkt er seine Verdienste den Gliedern seines Leibes,
teilt er die Tugenden aus und vergibt er seine Gnaden. Sie ist ein geheimnisvoller
Aquädukt, durch den er reichlich seine Barmherzigkeit verströmen läßt. Gott Heiliger
Geist hat Maria, seiner getreuen Braut, seine unaussprechlichen Gaben mitgeteilt, er
hat sie zur Austeilerin erwählt alles dessen, was er besitzt, so daß sie alle seine
Gaben und Gnaden schenkt, wem sie will, soviel sie will, wie sie will; es gibt keine
himmlische Gnade, die nicht durch ihre jungfräulichen Hände ging. So will Gott es,
der wollte, daß wir alles durch Maria besäßen“ (Die vollkommene Andacht zu Maria
1, 1). Hier ist die allgemeine Gnadenvermittlung eindeutig ausgesprochen und zu-
gleich als Grund dafür der freie Willensentschluß Gottes bezeichnet. In dieser Form
hat unsere Lehre von da an weiteste Verbreitung und freudigen Widerhall im christ-
lichen Volke gefunden.
Alfons von Liguori (gest. 1787) bezeichnet sie zu seiner Zeit als allgemein
angenommen. Die Notwendigkeit der Fürbitte Mariens für unsere Rettung ergibt
sich nach ihm „aus dem Beschluß des Willens Gottes, daß alle uns zu spendenden
Gnaden durch Mariä Hände gehen. Das ist die Lehre des hl. Bernhard, die man
von den Gottesgelehrten der Gegenwart als allgemein angenommen bezeichnen
kann“ (Die Herrlichkeiten Mariä, 1, 5, 1). Er beweist diese Behauptung mit einigen
Väterzitaten und Belegen aus zeitgenössischen Theologen. L. A. Muratori freilich
lehnt die Lehre als fromme Übertreibung ab. Auf seine Einwände nimmt der
hl. Alfons Rücksicht. Er betont, daß Mariens Mittlerschaft das Mittleramt
Christi nicht beeinträchtige: „Etwas anderes ist die Mittlerschaft, die jemand zu
Recht zukommt und die sich auf sein Verdienst stützt, ewas anderes die Mittler-
schaft, die aus Gnade verliehen wird und die durch Bitte wirkt. Etwas anderes ist
es auch zu sagen, Gott könne, etwas anderes, Gott wolle keine Gnade ohne Mariens
Fürbitte verleihen. Wir bekennen wohl, daß Gott die Quelle alles Guten ist und
unbedingter Herr aller Gnade. Ferner bekennen wir, daß Maria nichts anderes ist
als ein Geschöpf, das alles von Gott als Gnadengeschenk erhält. Wer aber kann
leugnen, es sei durchaus vernünftig und angemessen, daß Gott diese hohe Kreatur
verherrlichen wollte, die ihn mehr als jede andere in ihrem Leben geehrt und ge-
liebt hat, die er zur Mutter seines Sohnes und Retters aller Menschen erwählt
hatte, und daß er zu diesem Zweck wollte, daß alle Gnaden, die den erlösten
Seelen zukommen sollen, durch ihre Hände gehen und von ihr ausgeteilt werden?
Wir bekennen wohl, daß Christus der einzige Mittler ist, dem, wie oben gesagt,
dieses Amt zu Recht zukommt, und der uns mit seinen Verdiensten Gnade und
Heil erwirbt. Aber wir behaupten auch, Maria sei aus Gnade zur Mittlerin bestellt,
und wenn sie etwas erhält, so erhält sie es auf Grund der Verdienste Jesu Christi

35 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter S 164
546

sie im Namen Jesu Christi bittet und fleht. Jedoch welche Gnaden auch
und, weil
immer wir suchen, alle kommen uns durch ihre Fürbitte zu“ (1, 4, 1). Alf. v. Liguori
betont jedoch zugleich, daß es nicht notwendig sei, sich zum Erhalt einer Gnade
jedesmal ausdrücklich an Maria zu wenden.
In der morgenländischen Kirche beginnen die Zeugnisse mit dem achten Jahr-
hundert. Von Bedeutung ist die Tatsache, daß die Hymnen in der ostkirchlichen
Liturgie regelmäßig mit einer Anrufung der Fürbitte Marias schließen. Vgl. K. Kirch-
hoff, Die Ostkirche betet. Hymnen aus den Tagzeiten der byzantinischen Kirche,
4 Bde., Leipzig 1934—37.
Die Lehre von der allgemeinen Gnadenvermittlung Mariens blieb in neuester
Zeit nicht ohne Widerspruch (vgl. B. Poschmann, in: Theol. Revue [1938] 265);
allerdings war dieser weder sehr heftig, noch vermochte er andere Gründe geltend
zu machen, als diejenigen, die der hl. Alfons bereits widerlegt hat. Die Frage wird
heute wohl von der Mehrzahl der Dogmatiker bejaht. Sie wirkt sich zunehmend
auch in der Frömmigkeit aus, die ihrerseits der Theologie wieder Impulse gibt.

III. Der Modus der Vermittlung


Die so gelehrte Gnadenvermittlung ist eine fürbittende (moralische Vermittlung),
keine physische im eigentlichen Sinne. Die moralische Vermittlung Marias bewegt
sich im Rahmen der Fürbitte der Heiligen. Die bereits in der Seligkeit weilenden
Glieder der Kirche sind mit den zurückgebliebenen Brüdern und Schwestern in
ständiger Liebe und Sorge verbunden, da ja das Werk Christi nicht nur eine
Angelegenheit des einzelnen, sondern der Gesamtkirche ist. Sie beten stets für die
Vollendung des Gesamtwerkes und die Heimkehr der Brüder. Von Maria gilt dies
in besonderer, ihr allein eigener Intensität. „Auch Maria wurde schon früh als
Heilige in der Kirche verehrt und um Fürsprache angerufen. Eine besondere Ent-
wicklung nahm der Marienkult, als das asketische Lebensideal und die Jungfräu-
lichkeit an Bedeutung in der Kirche gewannen. Jungfräulichkeit und Martyrium
wurden oft auf die gleiche Stufe gesetzt, weil man in der Übung der ständigen
Jungfräulichkeit eine unblutige Art des Martyriums sah. Zu dem fürbittenden Chor
der Märtyrer gesellte sich der der heiligen Jungfrauen. Daraus erklärt sich die Vor-
zugsstelle, die Maria als jungfräuliche Mutter Christi auch in der Lehre der Für-
bitte erhielt. Sie war Vorbild der Jungfrauen und damit gewissermaßen Königin
der Märtyrer, jener besonderen Fürbitter für die Kirche am Throne Gottes. Ihre
besondere Stellung als Mutter des Erlösers zur Gesamtkirche kommt noch hinzu.
So wurde sie zur Fürbitterin, zur größten Fürbitterin der Kirche, ja zur Vermitt-
lerin aller Gnaden. Darum wird sie neben die Gesamtheit aller übrigen fürbittenden
Heiligen gestellt. Besonders deutlich kommt dies in den liturgischen Gebeten aller
Kirchen zum Ausdruck. Nach der heiligen Kommunion betet z.B. der Priester in
der Chrysostomusliturgie: »Wir danken Dir, Meister, Menschenfreund, Wohltäter
unserer Seelen, daß Du uns gewürdigt hast, heute an Deinen himmlischen und un-
sterblichen Mysterien teilzunehmen. Mach gerade unseren Weg, befestige uns in
Deiner Furcht, wache über unser Leben, leite unsere Schritte im Hinblick auf die
Gebete und Fürsprache der glorreichen Mutter Gottes und allzeit jungfräulichen
Maria und aller Deiner Heiligen.< Die Entlassungsformel sagt: »Christus, unser
wahrer Gott, erbarme sich unser und errette uns durch die Gebete seiner aller-
heiligsten Mutter und aller Heiligen.«< Auch in der römischen Liturgie wird in den
S 164 Maria in der Auswirkung des Erlösungswerkes 547

Fürbittgebeten Maria neben allen übrigen Heiligen eigens genannt, Das deutet deut-
lich auf eine Sonderstellung Mariens auch in der Fürbitte hin. Diese Sonderstellung
kann nur in der besonderen Kraft und Weite ihrer Fürsprache liegen, die der Für-
sprache aller anderen Heiligen zusammengenommen entspricht, mit anderen Worten,
sie ist allgemein. So läßt sich aus der Lehre der Kirche über die Fürbitte der Hei-
ligen und die Sonderstellung Mariens in etwa auch ihre allgemeine Gnadenvermitt-
lung ableiten, zum mindesten als angemessen erweisen.
Diese Ableitung der allgemeinen Gnadenvermittlung Mariens hat den Vorzug,
erkennen zu lassen, wie natürlich sie im Grunde ist, wie selbstverständlich das
christliche Glaubensbewußtsein vom Begriff der Fürsprache der Heiligen und der
Sonderstellung Mariens her auf sie stoßen mußte. Daher die von jeher starke Be-
tonung der Fürsprache Mariens in den offiziellen Gebeten der Kirche, daher der
schnelle Siegeszug, den die Lehre von der allgemeinen Gnadenvermittlung in der
Kirche antreten konnte, nachdem sie einmal klar ausgesprochen war, so daß sie
auch bald Ausdruck in den päpstlichen Erlassen fand. Es ist auch begreiflich, daß
man sich, von der Lehre der Fürsprache der Heiligen herkommend, die allgemeine
Gnadenvermittlung nur als eine Vermittlung durch Fürbitte vorstellte. Weder der
hl. Bernhard noch der hl. Alfons haben jemals an eine andere Art der Gnaden-
vermittlung gedacht“ (A. Stolz, Die Mittlerin aller Gnaden, in: P. Sträter, Kath.
Marienkunde II, Paderborn 1952?, 241—271).
So wenig eine physische Gnadenvermittlung Marias (nach Art eines Sakra-
mentes) erweisbar ist, so läßt sich doch das Anliegen der Vertreter einer derartigen
Form von Gnadenvermittlung verstehen und vertreten, insofern Maria das Glied des
mystischen Leibes Christi ist. Diese Art der Vermittlung geht über die Fürbitte
hinaus, sie kommt aber in gemindertem Maße allen Heiligen zu, insofern sie alle
Glieder des mystischen Leibes sind. A. Stolz sagt hierzu (a. a. O., 267—271): „Die Aus-
sagen besonders älterer christlicher Schriftsteller über die Kirche als Mutter sind be-
kannt. Sie besagen, daß unsere Begnadung keineswegs eine Sache ist, die sich zwischen
Gott und der begnadeten Seele allein abspielt, sondern Angelegenheit der ganzen
Kirche, an der die Gesamtheit der Gläubigen als gebärende Mutter beteiligt ist. Es
geht nicht an, die Tätigkeit der Kirche bei der Weitergabe des übernatürlichen Lebens
auf die Funktionen des Amtspriestertums zu beschränken. Es handelt sich dabei
vielmehr um eine Teilnahme der Gesamtheit der Gläubigen. Aber auch wieder nicht
nur im Sinne einer Förderung durch Gebet und gutes Beispiel; der Gedanke ist
ganz konkret zu fassen von der Lehre des mystischen Leibes Christi aus. Die
Christen bilden mit Christus zusammen eine lebendige Einheit, die, einem lebendigen
Organismus gleich, das eigene Leben auch weiterzugeben mächtig ist. Die Gläubigen
sind also, wie der hl. Augustinus sich ausdrückt, als Glieder der Kirche zugleich
Kinder und Mutter; wenn sie einen Täufling zur Taufe bringen und diesem das
übernatürliche Leben gespendet wird, werden die Gläubigen selbst zur Mutter.
Darum urteilt K. Hofmann über den Kirchenbegriff des hl. Augustinus: »Die sancta
mater ecclesia ist für Augustinus nicht eine rein dingliche, unpersönliche Größe, nicht
der sakramentale Apparat, in dem sie sich nach außen betätigt, nicht die kirchliche
Hierarchie, die in ihrem Dienste steht, auch nicht die sichtbar empirische Kirche,
insofern sie Heilige und Sünder in ihrer Gemeinschaft umschließt; sondern die sponsa
Christi sine macula et ruga ... ist in anderer Hinsicht die Ecclesia mater; deren
Eigenart besteht gerade darin, daß sie sich aus den nämlichen bildet, die sie vorher

338
548 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter S 164

als Kinder gezeugt hat, indem alle von ihr Wiedergeborenen dazu mithelfen, nun
anderen das neue Leben mitzuteilen« (Der Kirchenbegriff des hl. Augustinus, München
1933, S. 266). Die Priester sind die gottbestellten Organe, durch die allein das Leben
des Gesamtorganismus sich mitteilen kann; Subjekt des Lebensprozesses ist aber die
Gesamtheit des Leibes. Augustinus, den wir als besonders charakteristischen Vertreter
dieser Auffassung herausgegriffen haben,, wird nicht müde, diesen Begriff der
Ecclesia mater zu beleuchten. Er liegt auch seinem Vergleich zwischen Maria und
der Kirche zugrunde: Maria ist Mutter des gottmenschlichen Hauptes der Kirche, die
Kirche ist Mutter der Glieder des mystischen Christusleibes. Maria ist jungfräuliche
Mutter, die Kirche ist jungfräulich in ihrem unverbrüchlichen Glauben an Christus.
In dieser Auffassung kommt also allen Gliedern des mystischen Leibes eine
gewisse Gnadenvermittlung zu, insofern sie in der Einheit die sponsa sine macula
et ruga sind, die in den Gliedern des mystischen Christus zur Mutter wird. Diese
Mutterschaft der Kirche mit der Mutterschaft Mariens verglichen ergibt, daß Maria
Jungfrau und zugleich Mutter Christi dem Fleische nach war. Sie war auch dem
Geiste nach Mutter, insofern sie als tätiges Glied des Leibes Christi andere mitgebar:
»Jene eine Frau ist nicht nur dem Geiste, sondern auch dem Körper nach sowohl
Mutter als Jungfrau. Geistige Mutter ist sie nicht hinsichtlich unseres Hauptes, des
Erlösers, sondern seiner Glieder, die wir sind. Denn sie hat mitgewirkt durch ihre
Liebe, daß Gläubige in der Kirche geboren werden, die jenes Hauptes Glieder sind.
Dem Fleische nach aber ist sie Mutter des Hauptes selber« (De Virg. 6). Man möchte
versucht sein, aus dieser Stelle eine allgemeine geistige Mutterschaft Mariens abzu-
leiten. Augustinus hat jedenfalls diesen Schluß nicht gezogen. Es scheint, daß Augu-
stinus keinen wesentlichen Unterschied zwischen der geistigen Mutterschaft, die jedem
Christen zukommen kann, insofern er Glied der Mater Ecclesia ist, und jener
Mariens hat aufstellen wollen. Sein vorwiegendes Interesse galt der Herausarbeitung
der geistigen Mutterschaft der Kirche, die für ihn darum auch in höherem Sinn
Mittlerin ist als Maria, die selbst auch immer ein Glied der Kirche bleiben muß:
»Heilig ist Maria, selig ist Maria, aber höher steht die Kirche als die Jungfrau
Maria. Warum? Weil Maria ein Teil der Kirche ist; sie ist ein heiliges Glied, ein be-
deutendes Glied, ein hervorragendes Glied, aber immer ein Glied am ganzen Leibe.
Ist sie aber ein Glied am Leibe, dann ist der Leib mehr als das Glied« (Sermones,
ed. Morin, Rom 1930, 163). Aber gerade diese hervorragende Stellung Mariens als
Glied des Leibes Christi kann Grundlage für eine eigene Auffassung ihrer allge-
meinen Gnadenvermittlung sein. Wenn es wahr ist, was Augustinus mit solcher
Eindringlichkeit betont, daß der Heilige Geist in der Kirche, in der Gemeinschaft
der Heiligen wie in einem Tempel wohnt, und daß er in der Begnadung neuer
Christen durch die Heiligen wirkt (natürlich durch eigens dafür bestellte Glieder
des Leibes, Vollzieher des sakramentalen Aktes), dann muß man mit ihm bekennen:
»Dieses alles tut die Kirche als Mutter, die in den Heiligen ist; sie gebiert als Ganzes
alle (tota omnes) und jeden einzelnen« (Ep. 98, 5). Unter dieser Voraussetzung hat
jedes Glied des Leibes an jeder Begnadung seinen Anteil, es wirkt mit und ver-
mittelt die Gnade nicht nur durch eine persönliche Fürbitte, sondern physisch durch
die Betätigung der in ihm wohnenden Lebenskraft, die den ganzen Organismus be-
seelt und das Leben weitergibt. So kommt auch Maria eine allgemeine Gnadenver-
mittlung zu, welche der Art nach nicht verschieden ist von der aller anderen leben-
digen Glieder der Mater Ecclesia, dem Grade nach aber alle anderen überragt, weil
S 164 Maria in der Auswirkung des Erlösungswerkes 549

Maria auf Grund ihrer einzigartigen Heiligkeit auch in der Ecclesia sine macula et
ruga eine besondere Stellung einnimmt.
In diesem Sinne läßt sich also von einer allgemeinen Gnadenvermittlung Mariens
reden, die mehr ist als eine fürbittende Vermittlung und insofern dem Anliegen
derer, die eine physische Vermittlung der Gnaden durch Maria annehmen möchten,
entgegenkommt. Andererseits ist diese Art allgemeiner Gnadenvermittlung nicht ein
besonderer Gnadenvorzug der Gottesmutter, während die Verteidiger einer physi-
schen Vermittlung diese als eine Besonderheit der Mittlerschaft Mariens betrachten.
Insofern kann man die hier vorgetragene Auffassung nicht ohne weiteres mit jener
Meinung identifizieren. Aber es wird jetzt sinnvoll, von einem »Sakrament« oder
»Übersakrament« zu reden, ist doch in alter wie in neuer Zeit die Kirche als Sakra-
ment bezeichnet worden. Die Kirche ist, so sagt z.B. E. Commer, »zwar nicht ein
besonderes Sakrament unter den sieben in ihr hinterlegten Sakramenten, aber sie
ist Sakrament im großen, ein ‚Übersakrament‘, nämlich sinnlich wahrnehmbares
Zeichen, d.h. sichtbare Gemeinschaft mit Christus, welche das bewirkt, was sie be-
deutet, nämlich die Hervorbringung der Gnade in den Seelen der Menschen« (Die
Kirche in ihrem Leben und Wesen dargestellt, Wien 1904, S. 76). Also nicht nur die
Vorstellung einer mehr als fürbittenden Gnadenvermittlung, sondern auch die Be-
zeichnung »Übersakrament« weist auf die Lehre von der Kirche hin und bestärkt
die Annahme, daß die Ansicht von der physischen Gnadenvermittlung Mariens von
der Gnadenvermittlung der Kirche her beeinflußt ist und auf Grund des Parallelis-
mus zwischen Maria und der Kirche in Maria die allgemeine Gnadenvermittlung der
Kirche darstellen will.
So läßt sich also auch in der zweiten Auffassung der Gnadenvermittlung
Mariens ein guter Sinn finden. Allerdings bedarf sie dann verschiedener Einschrän-
kungen. Erstens kommt in diesem Sinne allen Heiligen eine allgemeine Gnaden-
vermittlung zu, wenn auch die Anteilnahme Mariens ihrer Stellung im Corpus Christi
entsprechend größer und tiefgreifender ist. Zweitens geht es nicht an, Maria für sich
genommen als Sakrament zu bezeichnen, wohl aber kann die Gesamtheit der Gläu-
bigen so genannt werden.
Andererseits bietet die so verstandene Lehre nicht geringe Ergänzungen für die
gewöhnlichere Auffassung von der fürbittenden Gnadenvermittlung: sie kann leichter
Übertreibungen im Marienkult entgegenwirken, weil sie deutlich werden läßt, daß
auch Maria nur als Glied des mystischen Leibes wirkt, daß sie selbst von Christus
abhängig ist, dessen Mutter sie nur im fleischlichen, nicht aber im geistigen Sinne
sein kann, daß Maria nicht über der Kirche steht, sondern daß sie Tochter der
Kirche ist, wenn auch ihre bevorzugte und größte, die in jeder Beziehung der Mutter
am nächsten steht. Auch insofern bietet diese Auffassung eine nicht zu unter-
schätzende Ergänzung, als sie auch im Lehrstück von der Gnadenvermittlung die
Parallele Maria — Kirche deutlich hervortreten läßt. Die allgemeine Gnadenvermitt-
lung Mariens wäre somit zugleich ein Symbol und ein Hinweis auf die größte und
höchste Gnadenvermiittlerin, die Mater-Ecclesia.“

Wenn man Marias Gnadenvermittlung mit jener der übrigen Heiligen vergleicht,
darf man nicht übersehen, daß ihre Vermittlung zwar von der Mittlerschaft Christi
wesentlich und radikal verschieden ist, daß sie sich aber von allen sonstigen Ver-
mittlungen tiefgreifend unterscheidet.
550 Die volle Auswirkung des Erlösungswerkes an Christi Mutter § 164

Die letzte Entscheidung über die Frage steht dem kirchlichen


Lehramt zu. Auch wenn sich für die Lehre von der allgemeinen
Gnadenvermittlung Marias sichere theologische Beweise anführen
lassen, so bleibt doch bestehen, daß das Heil aller Menschen dem
gnädigen Erbarmungswillen Gottes zu verdanken ist. Menschliche Mit-
wirkung zum Heil gibt es nur in der Kraft der Gnade Gottes. Wenn
alle Gnaden durch die Liebe und Fürbitte Marias gehen, dann beruht
das auf der freien Verfügung Gottes, der diesen Weg festgelegt hat
und Marias Liebe und Fürbitte in die Gesamtordnung des Heils ein-
gefügt hat. Es wird weder die Wirksamkeit der Sakramente noch jene
der guten Werke noch auch die Fürbitte der anderen Heiligen be-
einträchtigt. Maria bittet nicht, daß die Heilseinrichtungen Gottes
wirksam seien — sie haben ihre Wirksamkeit infolge göttlicher Ver-
fügung aus sich selbst —, sondern daß uns Gottes Gnade dazu bewege,
sie zu verwenden. Ch. Pesch erklärt: „Maria in ihrer himmlischen
Herrlichkeit erlangt den Menschen alle Gnaden des Beistandes in der
weitesten Bedeutung dieses Wortes; und keine Gnade wird den Men-
schen gewährt ohne Marias Fürbitte“ (Die selige Jungfrau Maria die
Vermittlerin aller Gnaden, Freiburg i. Br. 1923, 56).
Die Einzigkeit des Mittlertums Christi wird durch die Mittler-
schaft Marias nicht angetastet. Es bleibt bei dem eindeutigen, klaren
und blanken Schriftzeugnis, daß Christus der einzige Mittler ist zwi-
schen Gott und den Menschen. Marias Mittlertum ist Mittlertum beim
Mittler Christus, insofern ihre Fürbitte Christi Mittlertum fruchtbar
macht. Ihre Fürbitte wird gewissermaßen als ein Zwischenglied ein-
geschaltet.

Dritter Artikel

Verehrung Marias

Wegen ihrer Muttergotteswürde und ihrer Gnadenfülle gebührt


Maria eine höhere Verehrung als allen Engeln und Heiligen (Hyper-
dulie. Vgl. Lk 1, 28. 43. 48). Die erste Anrufung Marias ist bezeugt
bei Gregor von Nazianz. Sehr entwickelt erscheint die Marienver-
ehrung bei Ephräm dem Syrer. Doch weist gerade er den Kult der
Anbetung, den die Kollyridianerinnen Maria erweisen, entschieden
zurück. Einen großen Aufschwung nahm die Marienverehrung im
Mittelalter, ohne daß von der Theologie jemals die rechte Grenze
überschritten worden wäre. Nachdem schon Bernardin von Siena Aus-
§ 164 Verehrung Marias 551

wüchse der Volksfrömmigkeit bekämpft hatte, wurden sie vom Tri-


dentinum autoritativ abgeschafft. Das Vertrauen zur „fürbittenden
Allmacht“, zur „Zuflucht der Sünder“, zur „Trösterin der Betrübten“,
zur „Königin des Himmels“, welche die zu ihr Betenden von jeder
„Irübsal, Angst und Not“ befreien wird, drückt sich in den Gebeten
Memorare, Sub tuum praesidium und Salve regina (Gedenke, Unter
deinem Schutz und Schirm, Gegrüßt seist du, Königin) aus (vgl. auch
die zahlreichen Marienhymnen, wie sie z.B. in der Übersetzung von
R. Zoozmann, Lobet den Herrn, Altchristliche Kirchenlieder und
geistliche Gedichte, lateinisch und deutsch, Berlin 1928, zugänglich
gemacht werden).

An den Schluß der Erlösungslehre sei ein Text aus einem deut-
schen Mystiker gesetzt:
Tauler mahnt in der Predigt über Mt 6, 33 (W. Oehl, Deutsche Mystiker, Mün-
chen 1919, IV: Tauler 112f.): „Suche denn zuerst das Reich Gottes, das ist: einzig bloß
Gott und nichts anderes! Wenn die Neigungen alle abgeworfen werden, so geschieht
der Wille Gottes auf Erden wie im Himmel, so wie der Vater ewiglich Gewalt hat im
Himmel, das ist in seinem Sohne. Wenn der Mensch hierin steht, nichts anderes
zu meinen noch zu wollen noch zu begehren als eben dieses, so wird er selber
Gottes Reich, und Gott herrscht in ihm: Da sitzt der ewige König herrlich auf
seinem Throne und gebietet und regiert in dem Menschen. Dieses Reich, das ist
vor allem im Allerinnersten des Grundes: wenn der Mensch mit allen Übungen den
äußersten Menschen in den inwendigen geistigen Menschen zieht; und wenn dann
diese zwei niederen Menschen, das sind die sinnlichen Kräfte und die geistigen
Kräfte, sich gänzlich hinauftragen in den allerinwendigsten Menschen, in die Ver-
borgenheit des Geistes, in der das wahre Bild Gottes liegt; und wenn sich dieses
dann völlig in den göttlichen Abgrund erschwingt, in dem der Mensch ewiglich war
in seiner Ungeschaffenheit, — dann, wenn Gott den Menschen so in Lauterkeit und
in Bloßheit sich zugekehrt findet, dann neigt sich der göttliche Abgrund und sinkt
in den lauteren, zugekehrten Grund und überformt den geschaffenen Grund und
zieht ihn durch die Überformung in die Ungeschaffenheit, so daß der Geist ganz
eins mit ihm wird. Könnte sich der Mensch in diesem Zustande sehen, er sähe sich
so edel, daß er völlig glaubte, er wäre Gott, und sähe sich hunderttausendmal edeler,
denn er an sich selbst ist, und sähe alle Gedanken und Meinungen, alle Worte und
Werke und Weisen von ihm selbst und von allen Menschen; alles, was je geschah,
das würdest du von Grund aus erkennen, wenn du in dies Reich kommen könntest,
und in diesem Adel wäre alle Sorge aus- und abgefallen. Dies ist das Reich, das
man zuerst suchen soll, und seine Gerechtigkeit: Das ist dies, daß man Gott allein
ohne alles andere als rechtes Endziel setze für all unsere Meinung in all unseren
Werken und ihm vertraue. Wie Gott nie zuviel Menschen gewinnen kann, so kann
ein Mensch niemals Gott zuviel vertrauen.“
552 Literaturangaben

Literaturangaben

Aus den Literaturangaben der 5. Auflage (1955) wurden für die Neuauflage
nur die wichtigsten Werke ausgewählt, so daß für ein intensives Studium auch
weiterhin die Literaturangaben der 5. Auflage herangezogen werden müssen. Die
Literatur ab 1955 ist in dieser Neuauflage ergänzend aufgeführt.

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Schriftstellenregister 581

Schriftstellenregister
Seitenzahlen in Fettdruck verweisen auf Textzitate

19, 3 ff. 21—22


338 3—23 330
392 20, 19 330
340. 387 24, 1—11 404
9—14 400 1—28 330
14 f. 6. 18 28, 41 247
14—24 372 29, 7 247
15 18. 216. 521 f. 538 43—46 22
16 ff. 387 32, 84
8, 20 ff. 19 11 ff. 331
21 f. 75 33, 11 331
9, 8—15 18 12 ff. 331
12—25 19 34, 10 22
(Els 19 40, 247
14—18 19
13, 8 211 Lv
14, 14 211 8, 12 247
17, 1—8 19 25, Sf 96
49, 8—12 85
10 94
247
bas 86
22—27 22
18 20
10 84
50, 22—26 20
84
27L. 331
4, 22 f. 267 21, 330
6, 6 ff. 20 23, 7—10 22
13,21. 20 18—22 22
14, 10—14 20 24, 22 f.
11 21 12—19 87
14 21
31 21
15, 1—6 21 3, 23—28 331
10 f. 21 5—30 330
16 ff. 21 24 330
17, 4 84 81
18, 10 21 8 f. 331
582 Schriftstellenregister

23—29 331 14, 4 28


49 18, 28 28
13, 4 8 32 28
18, 15 330 23, 1—7 88
28, 66 406
30, 1—4 23 1 (3) Kg
32, 3 f. 23 17,1 30
10 ff. 23 21—45 30
32, 26 f. 23 19, 2—18 84
39 f. 23 9—14 31
33, 2—29 24 16 247
23 18 31
94
331 2 (4) Kg
2, 11 464

24f. 1 Chr
16, 8—36 29
17, 11—14 88
26 22, 9 f. 88. 497
27 23, 22 211
86 29, 10—19 28 f.
27 12 49
90
544 2 Chr
86 36, 16 84

Job
85 19, 25 49
27
85
20 28 81
9, 16 28 88
10, 1 28 85. 247
27 28 496
11, 6 90 179. 284. 436
12, 3 85 267
16, 1—23 89 94
23 247 28
17, 12 93 49
20, 6 93 278
24, 7 247 439
26, 9 247 436
17, 51 247
2 Sam 19, 8
3, 18 28 20, 9—13 28
2,9 28 24, 7—10 496
12—16 88. 479 24, 22 49
Schriftstellenregister 583

28 48 Sir
30, 49 43, 94
39, 49 46, 85
44, 28 48, 31
45, e]
oO
CO 247 31
47 28 49, 49
70, 23 49
71, 11 Is
94
72, 8—12 496 1,
73, 13 21
78, 52 497 2,
80, 2 497 35
86, LI 5f. 93
28
88, 10 21—29 511
21
10—16 22—3, 12 34
28
20—38 2—6 36
88
23 f. 1EfE: 36
28
39 91
85
89, 21 247 6
36—52 497 91
92 93 . 204 f. 267
28
267
28
9f. 36
93 496
94 10 93
28
11—9, 6 91 ff.
28
5f. 267
95, 7 497
10 6 88. 90. 497
28
13 6 f. 496
49
11 381
96 28
11, 90
97 28
250
28
98 496
28
106, 2 49
49
12, 36
109, 2—7 28
14, 87
110 382
18, 36
440. 463 ff.
24, 37
119, 14 81
25, 37
31 81
86
127, 3 414
129, 8 87
49
26, 38
131, 11—18 89
28,
132, 17 247
30,
144 28

Spr 31,
8, 22 54 32,
22—35 218
151 33,
584 Schriftstellenregister

34, 5—15 87 3—22 511


35, 49 61, 1 123
37, 22—35 39 tf. 274
40 84 (es 97
En 40 4 248
10 49 62, 11 49
41, SEN 98 12 49
8 ff. 40 63, 1 87
14 49 65, 2 407
17—20 40 17—25 43. 76
42, E 98 66, 5 f. 43
10—14 43
10—17 511
18—43, 7 40
43, 49 3, 15 497
98 6, 10 84
44, 41 7, 20—34 34
49 9, 25 84
49 11, 9—12 34
98 19 84
98 23, Dt 381
44, 41 5—8 93
98 30, 1—31, 37 43 ff.
45, 14—25 511 9 94
23 297 31, 31 ff. 403
46, 3 90 31—34 383
48, 1 90 33 45
49, 1—9 99 15 94
6 93 44, 17 24
9—11 496 f. 50, 54 49
50, 4—9 99
51, 4 ff. 41 Kigl
9 ff. 21 3, 21—38 45
12—16 41 5, 19—22 45
52, 7—10 41
13-53, 12 100 Ez
53 386 17922 497
297 22 ff. 381
4f. 411 32, 24 f. 381
6f. 364 33—39 47
297 34, 23 497
9—11 254 23 f. 94.
12 365 35 87
55, 179. 436 37, 1—14 48
59, 20 49 21—28 48
60, 49 24 f. 94
1—61, 3 42 38, 21—29 48
Schriftstellenregister Or Or

Dn Hab
T, 9—14 276 3, 3—19 48
13 49. 463
Soph
13 f. 267. 381
14
3, 14—20 48
89. 496 f.
18
17—21 48
277
21 È 277 Agg
22 49 2,8 49
25 277
27 277 Zach
K- 24—27
3 248 2, 14—17 48
3,8 49. 94
9, 9 49. 86. 94
1 35 9 f. 94
20 f. 35 10, 2 497
5 93 f. 14, 5 49
nenn
Ei 4f. 89 9 49
13—6, 3 35 Mal
il, 8 f. 35 Se 49
13, 4 35 2 In, 32
(EA 33
14, 2—10 35 2 Makk
6, 12—17 363
Joel T al f: 363
28 ff. 481
18 86 4 Makk
at 363

2f. 33 Mt
gif. 33 1, 1—17 180. 205
1—3 33 18 212
8—15 35 18—21 200
11 93 f. 18—25 203. 214
11—15 497 20 479
13 86 25 SEL E
26 379
181
48
181
87
1 ff. 381. 498
1—18 502
45 11—18 498
45. 497 3, 2—12 379
45 12 379
89. 496 f. 15 284
93. 381 16 284
4, 1—11 255. 257
46 8—10 500
T, 46 10 360
586 Schriftstellenregister

16 93 41 f. 286
23 510 46—50 201
284 50 208. 284
5, 16 284 13, 13 112
21—48 286 16 £. 274. 505
45 265. 284 24 f. 505
48 284 41 282. 489
28. 252 41 f. 279
13 275 47 ff. 505
33 252 . 266. 551 53—58 123. 274. 287
7, 21 284 54 ff. 511
21 ff. 255 55 205. 211
8, 2 f. 344 14, 21 80
5—13 511 14, 22—36 401
10 239 23 264
Iri. 283 15, 24 219. 510
20 273 32—39 401
23—27 401 16, 13—16 275
383 18 £. 284
13 382 23 255. 360
15 208 27 381
28 240. 282. 499
10, 16 286
17, 455
20 481
32
23 381
IEE 32
26 f. 483
12 32
27 492
24—27 284
28 304
18 284
32 278. 413
286
32 f. 284
34 386
34 ff. 402
19, 17 256
11, 2—5 288
23—26 51
386
20, 21 499
282
18 28 100. 361
41—44 94
383
20 ff. 256 21, 1—9 279
20—24 283 1—11 94
25 264 381
25 f. 264 33—39 284
25 ff. 285 42 278
27 263 22, 23—30 452
36 291 23. 32 427
12, 1 386 22, 24 466
286 32 387
13 278 41—46 94
28 281 23, 1—39 283
38 ff. 511 10 492
Schriftstellenregister 587

24, 30 381 24 210. 255


34 241 24 f. 275
48 ff. 241 34 275
25, 241 44 f. 275
19 241 1—12 288
31 279 286 f. 383. 489
31—34 381 CH 278
34 ff. 507 15 £. 383
26, 18 182 18 £. 274
26 ff. 361 28 278. 286
26—29 404 189
"28 97. 100. 514 11 f: 275
29 390 23 256
30 242 23—27 281
36—46 242 27 281
39 260. 263 f. 3L fi. 544
63 50 31—35 201. 211
63 f. 285 34 189
64 463. 466 10 ff. 284
27, 284 IE: 493
11—38 498 12 112
19 284 26 f. 486. 504
27, 24 284 28 505
45 152 34—44 401
46 32 36—41 401
51 152 41 386
51 ff. 390 1—13 255
56 211 12£. 400
57—61 422 189
28, 1—20 441 287
441 275
453 123
11—15 441 181. 200. 211
12—15 430 287
18 472. 474 239
18 ff. 284. 441 270
19 492. 514 239
20 286. 484 401
Mk 286
379 510
1,
DK 285 511
12 £. 255 491
13 257 344
14 f. 281 35 f. 275
15 28. 177. 180. 275. 281. 401
283 23 344
22 491 27—30 275
Schriftstellenregister
588

275 22 ff. 361


8, 29 f.
31 182 . 252. 360 22—25 404
31 ff. 255. 426 24 100 . 282. 514
33 189 25 390
35 f. 283 26 242
38 279 32—42 242
285 33—42 182
275 34 411
13 f. 386 36 260. 403
20 239 41 182
21 286 61 f. 279. 285
31 252. 360 62 463
32 ff. 382 15, 2—18 498
33—36 500 26 498
42 283 28 79
10, 1—12 286 40 211
23—27 51 42—47 422
27 266 16 441
29 283 441
33 f. 361 445
35—45 275 441
382 9—20 464
100. 278. 332. 361. 366. 14—20 441
382. 411 16 515
287 19 474
11, 279 Lk
381 1, 437
239 26—38 52. 200. 203
264. 266 28 217. 521. 550
12, 177 3—33 497
84 32 205. 210. 284. 381
284 32 f. 94. 174
275 33 223. 282. 499
453 34 212
210 35 254. 284. 287. 342. 369.
94. 278. 286. 382 479
381 35 ff. 538
13, 514 38 211. 544
286 43 200. 550
14—27 242 46 220
26 279 46—55 50
28—37 242 47 f. 219
13, 31 286 48 214. 550
32 237. 240. 241. 284 49 222
14, 254 53 181
19 79 54 79
21 279. 386 68—79 50
Schriftstellenregister 589

69—79 380 18—23 123


402 EES 381
180 28 84
200 34 383
94. 180 36—50 274
180. 211 19 ff. 201
274. 542 23—35 401
402 43 f. 344
22—35 223 46 345
25 f. 275 28 278
26 50 58 273
34 122. 278
10, 1—16 286
39 232
381
40—52 181
18 281
41—50 223
alt 285
41—52 287 SO? 274
49 263 24 79
52 237. 250
30—37 51
IH. 180 f.
11, 20 256. 281
10 £f. 373
22i. 281
15 274
D 202
21er 263
29 ff. 83. 511
23 205
49—52 84
23—38 180. 205
50 84
1—13 255. 257
12, 6—31 266
10 344
278
14—21 274
12 481
16 ff. 511
49—53 402
16—30 123
50 262
18 489
54 ff. 282
dee 100
13, SLE 182
21 248
31—35 52
22 205
33 279. 386
34 210
45 84
40 344
42 f. 182 14, 12 f. 274
383 15 274
30 383 51
32 71 16 274
274 17, 282
12 f. 263 279
18 f. 344 381
19 345 18, 274
20%. 274 286
22 f. 278 283
274 182. 386
T, 13
16 210 31 ff. 252. 279
590 Schriftstellenregister

19, (Lg 383 34 441


2—10 274 36 451
182 39 453
278 43 458
HE 182 43—49 441
10 uk 278. 382 45 273. 279
28—38 279 46 422. 441
41 342 48 f. 437
21, 12 286 49 481
34 279 50—53 464
22, 15 254 51 474
15—20 404 52 324
16 390
282. 361. 514 Joh
19 f.
29 f. 499 153
32 264 312
37 80 . 100. 252. 279. 386 312
39—46 242 6. 342
42 260 12f. 210
53 182 13 52. 273
69 466 14 151 f. 158. 160. 186 f.
70 285 249. 251. 298. 462
23, 2f. 498 15—27 187
6—12 273 15—34 312
Sta 498 16 249. 251. 298. 411. 501.
31 255 543
35 50 18 232. 487
42 282. 499 27 505
43 274. 424. 472 29 254. 312. 364. 514
44 255 33 f. 312
46 255. 263 41 80. 312
50—56 422 41 f. 265
44 f. 274
24 441
45 80. 205. 312
279
49 498
13—35 441
51 300
13—49 441
16 113 1—11 314
16—32 453 53. 201
19 ff. 429 11 312
22 ff. 444 12 211
24—28 432 16 301
25 273. 279 18—22 361
25—31 80 19 159
26 100 . 422. 458. 472. 519 53, 312
30 458 11 232. 237. 488. 492
EM 453 IIe 300
32 f. 453 14 83. 472
Schriftstellenregister 591

15 385 6, 1—15 314


16 53. 370. 404 SfE 83
16 f. 382 5—15 401
16 ff. 300 KI 403
16—19 67 14 313
17 71. 212. 368 14 f. 381. 498
17—21 303. 507 15—21 401
18 300 16—21 214
19 £. 32 301
21 53. 492 33 259
.27—30 84 35 198. 515
31 299 35 ff. 302
31 f. 232. 312 38 260
32 492 38 ff. 299
34 299 42 205
34 f. 232 44 124
35 300 54 ff. 345
36 300 61E: 300
4—42 511 62 462. 472. 474
23 103. 511 62 f. 462
25 f. 298 68 f. 313
32 ff. 270 T, 3f. 299
34 252. 263. 299 3 ff. 211
42 313 16 299
46—54 314 16 f. 492
1—15 314 18 299
10 ff. 314 25 80
10—23 53 27 313
17 265. 301 28 299
VOTS: 301 29 232
18 313 38 53
TOE, 232 39 479. 481
19—47 264 46 491
21 359 12 487. 492
22—30 507 14 232,
23 54. 301. 324 16 265. 299
26 301 19 301
27 300 21 187
30 232. 260. 299 23 279
33 489 25 403
36 53 28 300
36 f. 299 29 263
38 299 31—59 6
39 80 f. 32 492
43 53. 301. 334 33 361
44 122 33—37 275
45 ff. 80 34 393. 396
592 Schriftstellenregister

38 232. 492 12, 12T. 298 f.


40 489 12—19 278
42 299 17 318
43 f. 123. 272 20—23 511. 514
44 491 23 300
45 489 23—28 472
46 254 23—32 388
48 275 25 403
49 301 27 182. 262
54 301 31 103. 389. 395
55 232 32 334. 472
57 159 34 300
58 301 35 f. 403
14 314 41 80
3 ff. 314 44 f. 299
182. 299 44—50 53
35 ff. 298 47 383
35—38 313 49 299
10, 334 13, 325
10 359 299. 474
11 334. 368 13 492
14 299 31 300
15 232 14, 254. 266. 304
16 182. 252 1—11 301
17 334 462
LOT. 261. 368 2E 305. 462
18 359 4f. 306
24 f. 298 DER, 323
27 299 54. 302. 334. 487
30 152. 301 345
33 313 10 263
39 54. 313 10 ff. 314
11, 1—46 314 137. 324
8f. 182. 252. 386 16 264
22 265 24 299
25 302. 459 26 f. 481
27 313 28 152. 294. 462
34 239 30 254 ff. 294. 389
35 242 30 f. 368
38 242 EM 261. 294
39 152 15, 301. 422. 489
41 264 10 261. 383
41 f. 264 f. 13 368
43 152 15 223
49 f. 381 18 £. 273
50 103 20 232
52 103 21 299
Schriftstellenregister 593

25 273 22 156. 472


26 268. 491 23 441
26 f. 481 27 f. 345
16, 5—15 481 28 156. 313
SS 462 30 f. 186
Sit 479 31 298
8-11 484 21, 15—23 441
11 389. 395 24 298
12 £. 483 25 186
13 116. 491
15 232. 264
52. 437
16 484
471
28 462
441
32 263
178. 437
33 399 382
17 302. 334 271
54. 264 463
492 52
159. 301. 376. 462 177. 268. 433. 492
If. 492 52
19 334. 422 474
20 480 52
24 264 211
55 232 437
18, 14 103 437
33 ff. 299 21 f. 178. 427. 433. 437. 446.
33—40 381. 498 451. 467
36 500. 502 22 52. 178. 318. 433
37 489. 491. 507 1—21 482
19, 7 313 13 486
12 498 14—36 318. 426
126 502 21—36 179
25 211 22 51. 287. 426
26 f. 211. 540 22 ff. 318
27 202 22—36 439
30 342 22—40 427
34 325 23 52
36 365 24 52. 437
38—42 422 30 381
20, 1—15 445 30 ff. 382
1—18 453 31 441
1—23 441 32 52. 178. 433. 437. 441
5 468 32—36 465
17 301. 453. 462. 474 33 ff. 474
19 ff. 441 33—36 52. 179
19—23 453 36 50. 247. 292
20—27 453 38 f. 434

38 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


594 Schriftstellenregister

3, 12—16 160. 440 TEE. 439


12—26 447 10 135
13 51. 100. 278. 441 26 135
15 52. 178. 433. 437. 441 f. 34 ff. 318
511 34—43 179. 440
16 431 36 51. 100
17 ff. 434 36—38 287
18 51 f. 37—39 426
18—21 465 37—41 178
19—25 80 38 100. 247. 249
20 51 38 f. 51
20 f. 52 40 52. 178 . 437. 441 f.
21 471 40 f. 437
26 51. 278 41 178. 427 . 433. 471
434 43 178. 433
8—12 427. 440 12, 20—23 135
10 52. 441 f. 13 436. 438
19 £. 431 22 178. 433
24 100 23 51. 381
24—30 324 23—41 427
25 f. 88 24 f. 287
26 433 26—37 179
26 f. 51 26—38 435
27 51. 247. 278. 502 29 ff. 318
27 f. 52 441 f.
30 51. 100. 278 178. 433. 437
33 178. 427. 433. 441 441 f. 459
22 178. 433 434
29—32 440 433
30 92. 441 f. 14, 178. 433
30 ff. 467 136
31 f. 466 106
32 178. 437 76
42 51 15, 178. 433
84 178. 433
44 178. 433 16, 178. 433
52 274 17, 80
55 f. 457. 466 106
56 486 372
59 f. 324. 447 433. 441
5—40 100 31 f. 427
30—35 427. 440 18, 444
32 365 20, 28 160. 361
32 f. 100 22, 4 ff. 455
LEF 455 12—16 439
4f. 457 14 274
14 324 15 178. 433
Schriftstellenregister 595
Kar. 444 13—16 396
20 178. 433 23 f.
23, 11 178. 433. 444 24 f. 52. 362
26, 2 80 25 363
178. 433 521
tt, 455 193. 402
16 178 278. 368
19 433 325
23 441 371. 403
28, 23 80 363
296
Röm 370
1, rff. 200. 433 402
292 103
80 323
Wi 160. 174. 296. 381 103
136. 296. 439 16. 390
441. 466. 472 12 ff. 333
52 12—21 82
323 14 79. 82
296
o»rww%MmM
om 14 f. 103
13 f. 492 18 f. 368
52. 124. 271 18 ff. 514
17 52 18—21 394
18—25 136 261. 422
20 76 396
21 395 416
21£. 488 393
23 77 412
24 106 447
24—31 395 292. 515
7—13 395 518
395 184
15 £. 103 441
19 393 394. 540
20 52 394
21 80. 103 394
21—26 394 293. 394. 399
21—28 515 393
21—31 52. 296 393. 396 f.
23 ff. 362 393
23—26 412 393. 396
24 422 7, 398
25 97 7—11 396
82 7—13 395
1—25 296 8 ff. 395
396 10 395

38*
596 Schriftstellenregister

12 395 11 103
14 393 14, 4—14 293
24 f. 323 10 f. 136. 296
25 422 363
bier 393 15, 368
395. 460 81
158. 296. 363. 387. 521 403
5f. 390
16, 293
460
gff. 293
460
11 10—16 293
447
12 18 292
400
12—17 20 402
324
16 ff. 22 293
486
17 25 327
410
18 395 25 ff. 433
18—22 26 433
339
18—23 27 323
400
19—22 517
19—23 334 1 Kor
20 365 1, (bag 433
28—30 403 402
28—39 306 dt: 478
29 214. 251 . 296. 338. 388. 293
402. 518 296
31 f. 371 ee 491
31—39 323 17—29 488
363. 402. 404 18 ff. 394
466. 472 22—25 124. 271
368 23 361
104 23 f. 488
160. 296. 381 27—30 402
59 488
16
361
10, 80 488
395 488. 491
423 6—12 160
292 7—11 488
11, 510 160
327 10 488
12, 67 3, 19 f. 488
251 20 365
251. 541 293
292 455
13, 398 20 488
395 362 f. 365
Schriftstellenregister 597

11 403 25 f. 466
12—20 293. 507 25—28 506
20 365. 402. 416 26 392
23 402 27 f. 461
32 ff. 211 28 282. 292. 296. 340
293 35—51 454
427. 455 45 82
211 45 ff. 333
9f. 81 45—49 337
12 492 51 328. 452
16 431 54 f. 521
10, 79. 82 55 82
11 81 E 1 6, 19 293
14—22 507
11, 23—25 404 2 Kor
363. 514 1, 3 16
362 12 488
292 17 293
12, 507 19 f. 296
292. 484 20 81
292 21 412
293 P U ag, 328
251 17 293
15 437 f. 472 20 323
431 3, 6—9 395
427. 435 13 ff. 81
TIT: 362 17 293. 447 . 455. 457
117 . 318. 438. 451 18 488
432 4, 4 455
184 4f. 292
184 5 292. 492
472 6 455
363 8—12 393
361 10 344. 519
184 5, 4 460
455 14 363. 368. 514
388 14 f. 83. 103. 363
441 15 514
446 16 176
441 17—21 371
104 18 £. 412
459 18 ff. 402
21 f. 82 254. 386 . 410. 411
22 f. 460 103
24 467 on
o ws 159. 296. 368
24 f. 521 enyN 444
24—28 292 kä
sl
ooN 444
598 Schriftstellenregister

324 16 402
344 17 117

Gal Eph
1, 3f. 364 1, 1—12 52. 71
296. 362 f. 3 401. 422
4f. 412 3—12 74. 328
12 455 3—14 493
15 £. 117 296
16 296. 455 401
18: 439 E 416
19 211 10 16. 78. 232. 334. 338. 516
318 15 292
15—21 396 20 467
19 £. 368 20 ff. 292
20 143. 197. 292. 296. 362 f. 23 78
403. 460 2, 1—10 53. 467
82 467
pa D 361 16
83 5—10 422
10 117. 395 460. 477. 518
12 395 13 103
13 386. 397 13 ff. 472
13 £. 412 15 402
14 83 18 296. 323. 325 f. 403
16 79 343
19 80 3—12 327
(Ee 332 f. 103
21 393 8 ff. 343
21—25 397 14 296
23 ff. 397 14 f. 324
24 81 19 343
28 193. 492 293
78. 117 . 160. 174. 177. Ge 423
184. 200 . 291. 296 10 467
4f. 403 14 365
6 f. 403 16 411. 543
21—31 83. 397 29 351
22—31 82 362
398 CH 499
396 103
13 398 14 439
14 295. 298 19 f. 323
18 197 25 362. 368
399 25 f. 362
14 293. 295. 361. 399 30 542
15 402 31 156
Schriftstellenregister 599

402 6 f. 293
13 292 9 160
19 343 9f. 296
23 402 10 338. 517
12 184. 461
Phil 12 f. 460
2, 5—8 245. 368 14 387. 389
5—11 160 15 387. 467. 472
6 ff. 159 17 79
6—11 136 . 296. 297. 439. 458 3, 4 334. 460
158 16 f. 323
“7—11 501 24 292
261 4, 3 343
BE 422
Thess
8—11 292
13 296
NEE 466 f. 476
9 f. 433
10 296
10£. 10 296. 472
322. 324
2, 19 292, 296
352
293 Thess
293 455
293 447
441 455
459 292
410 447
447

296. 499
401 137
388 292
15:7; 334 71
15 ff. 71 506
15—22 517 59
16 338 151. 537
16 f. 502 332. 333
17 338 362. 514
18 54 . 251. 338. 388 439. 467
18 ff. 71 137
19 334 296
20 71 . 334. 402. 516 498
20 ff. 371
22 402 422
24 392 . 411. 515. 540 390
25—28 343 460
26 103 499
y” BB 327. 343 431
488 137
Owm 292 293. 499
600 Schriftstellenregister

Tit 26 f. 357
2, 10 492 26 ff. 474
11-14 236 27 356. 358

Ze RE 53 8,1 324. 359


1—7 359
Hebr 5 79
1,1%. 78 6 332. 333
DE 466. 488 13 357
1—4 84 9 97
3 160. 297 1—10 357
5—14 298 D 359
6 324 8 359. 424
9 247 9 359
13 466 11 359
2, 3 108. 492 TIF 356. 459. 466
SES 287 12 358
9 53. 422 14 358 f.
10 71. 297. 388 15 359
10—18 185 21 184
1ER, 298 22 355
14 390. 521 227. 359
15 390 23 KT. 474
16 ff. 356 24 340. 359. 449. 459. 466
17 298 25—28 359
3, 1—6 297 28 356
s ANE 491 10, 1 79
12 144 1—4 357
14 356. 459. 474 HEN: 358
14 f. 297 Dt 342
14 ff. 356 10 356. 358 f.
15 149. 186. 254 21 356
16 53. 324 11 f. 84
5, 1—10 356 8—16 19 f.
7—10 368 22 20
8 260 13, 8 174
Sf. 261 12 184
9 422 20 402. 423
6, 19 f. 359
20 449. 474 Jak
7 83 1, 25 399
laut: 511
7—20 7T 1 Petr
11—25 358 1, 3 441
17 376 10 ff. 82
24 174. 376 17—21 365
25 324. 356 18 363
18 £. 416
26 254
Schriftstellenregister 601

18—21 402 2 Joh


377. 508 492
103 187
254
366. 394
394. 402 492
423
467 Apk
441 1, 4 ff. 508
423 388
324 12—18 316
486 13 300
15 499
2 Petr 17 £. 300
18 390
1 i 499
467
16 137
21 461. 476. 499. 506. 508
334
1 Joh
5, 1—14 317
TARER 186. 262
381
120
367
193. 487. 490. 518
365
492
12 365
334
12 ff. 324
217. 492
324
272
334. 340
12 538
16. 334. 365. 514 MoE 211
371 14 300
254. 382
14 ff. 317
394 18, 21—24 391
382 19, 11—16 317. 498
394 20, 4 531
67. 370 SEHR 76
67 23 501
365. 370 22, 16 87
371 17—20 478
399 21 317
602 Personenregister

Personenregister
Seitenzahlen in Fettdruck verweisen auf Textzitate

Abaelard 165. 166. 232 Bauer Br. 131


Adam K. 115. 117f. 189. 193. 195£. Becker W. 483
197 f. 239 f. 241. 254. 319. 324. 430. Benedikt XIV. 541
445 f. 491 Benedikt XV. 537. 543
Aelred v. Rieval 56 Bernardin v. Siena 550
Albert d. Gr. 71. 218 Bernhard 218. 325. 540. 543. 544. 545.
Alexander v. Hales 71. 234 547
Alfons v. Lig. 545. 546. 547 Berruyer 171
Altaner B. 522. 523 Berz A. 102
Althaus P. 146 Billot L. 168. 169. 170. 241. 261. 537
Ambrosius 161. 350. 518. 536 Bittremieux J. 536
Andreas v. Kreta 524 Boëthius 165
Andreas v. Samosata 150 Bonaventura 71. 107. 236. 325. 542. 544
Anselm v. Canterb. 69. 70. 350. 378. 418 Bousset W. 116
Anwander Anton 207. 426 Brahma 10
Apollinaris v. Laodizea 129. 162 Breme M.Th. 55. 102. 165. 406. 407.
Apollonius v. Tyana 189 408. 413. 414
Aristoteles 126. 130. 351. 352 Broemser H. 107
Arius 126. 161. 322 Bross J. 178
Arno v. Reichersberg 350. 351 Brox N. 427. 467
Athanasius 54. 60 f. 146. 147. 162. 334 f. Brunner E. 146
347 f. 350. 352. 369 f. 405 f. 448 f. Buber M. 74
481 Buchheim K. 214. 280
Augustinus 82. 106. 140. 161. 162. 167. Buddha 10. 11. 106. 109
174. 176. 208 f. 212. 217 f. 231. 235. Bultmann R. 15. 116. 136. 137. 265. 391.
243. 335—337. 350. 352. 385. 414. 399. 431. 450. 488
475. 481. 504. 509. 533. 542. 547. 548 Buri K. 138. 431

Bacht H. 130. 146. 230 Cajetan 169


Baius 60. 218 Calvin 146. 425
Balthasar, Hans Urs v., 61. 422. 448 Campenhausen, H. v., 438
Bardenhewer O. 522 Cattin P. 520
Barth K. 15. 95. 146 Celsus 504
Bartmann B. 206. 207 Ceuppens F. 100
Bartsch H. W. 15 Chamberlain H. St. 132 f.
Basilides 129 Christmann H. M. 141
Personenregister 603

Ciappi L. 171 Eustathius 163


Claudel P. 197 Eutyches 129 f.
Clemens VIII. 203 Euthymius Zigabenus 350
Clemens v. Alex. 162. 350
Clemens v. Rom 100. 320 Faller O. 522
Commer E. 549 Feine P. 368. 393
Congar Y.M. J. 102. 107. 537 Feldmann Fr. 100. 204
Conrad-Martius Hedw. 546. 474 Felix v. Urgel 174
Contenson 544 f. Feuerbach L. 131. 142
Conus H. Th. 520 Feuling D. 169. 235. 237. 238. 240. 250.
Cullmann O. 102 260 f. 376 f. 414—416
Cyprian 418 Fichte G. 131
Cyrill v. Alex. 62. 129. 147—149. 150 Firmicus Maternus 470
151. 156. 157. 163. 207 f. 348 f. 480 £ Fischer J. 93. 100. 204
Cyrill v. Jerus. 413. 423. 448. 534 Flabian v. Konstantinopel 150. 163
Florit E. 120
Damasus 161
Förster W. 292. 297
Dander Fr. 453
Franz v. Sales 71
Daniélou J. 102. 107. 509
Franzelin J. 261
Dante 456
Freundorfer J. 363
Delitzsch 20
Fries A. 540
Deneffe A. 536
Fries H. 15
Déodat de Basly 171
Frietthoff C. 536
Dettloff W. 421
Dibelius O. 159
Gaechter J. 213
Diekamp Fr. 521. 537
Galtier P. 171. 172. 226. 227. 228. 230
Diepen H. 169. 170. 171. 172. 227. 230
Gaugler E. 187. 488
Dieringer Fr. X. 232
Geiselmann J.R. 177. 179. 433 f. 436.
Dillenschneider A. 540
437. 438. 524
Diodor v. Tarsus 126. 163
Geldern A. H. 102. 107
Diognet 499
Gerho 350
Dionysius 351
Germanus v. Konst. 524
Dobmeyer M. 232
Gewieß J. 100. 108
Dölger Fr. J. 105
Gilg A. 320. 321 f.
Drewniak F. 538
Goettsberger J. 277
Dürr L. 27. 85. 86. 87. 100
Goossens W. 537. 538. 539
Eadmer 217 Gößmann E. 234
Eckhart 55 Gottschalk 510
Egenter R. 56 Grégoire A. 14
Eichrodt W. 95. 330 Gregor d. Gr. 505
Elipandus v. Toledo 174 Gregor v. Nazianz 163. 550
Ephräm v. Antioch. 151. 165. 217 Gregor v. Nyssa 61 f. 83. 340. 348
Ephräm d. Syr. 550 Gregor v. Tours 524
Epiphanius 522. 523 Gregor v. Valencia 261
Erhard Alb. 130. 313 Grignion 545
Eusebius v. Caes. 347. 350. 412 f. Grillmeier A. 130. 146. 151. 164. 230.
Eusebius v. Emesa 163 424. 426
604 Personenregister

Johannes v. Damaskus 350. 351. 423.


Grosche R. 197. 199. 216. 281f. 324.
456. 457. 477. 484. 485. 486. 493. 449 f. 458. 470. 524
494. 504 f. Josephus Flavius 188
Groß H. 100 Jugie 522
Guardini R. 11. 51. 123. 145. 202. 224. Jung C.G. 141
240. 253. 315. 317. 325. 377. 384 f. Jungmann J.A. 195. 198. 325
390 f. 417. 429 f. 459. 483 Junker H. 86
Günther A. 232 Justinus 125. 126. 161. 207. 534
Gutwenger E. 173. 229. 230. 234. 236 f.
244 f. Kaiser J. 60
Kant 13
Hahn Tr. 185. 319. 364 Kautsky K. 132
Hanslik R. 190 Keller H. 408
Harbsmeier G. 15 Kerinth 125
Hardouin 171. 525 Kierkegaard 303
Harnack, A.v., 132 Kirchhoff K. 546
Hartmann B. 537 Kittel 286. 292. 297. 314. 333. 334. 391.
Hartmann, Ed. v., 12. 132 399. 488
Hartmann N. 56 Klee H. 232
Haubst R. 170. 174. 237 Kleutgen J. 261
Haugg D. 213 Koep E.L. 136
Hegel G.W.F. 131 Köster H. 539
Heidegger 13. 14 Kroll J. 426
Heiler Fr. 183 Küng H. 110. 480
Heinisch P. 86. 87. 95 Künneth W. 184
Hengstenberg E. 474 Kuss O. 298. 333. 356. 357. 363. 364.
Hermes G. 232
368. 466. 467
Hieronymus 208. 212
Hilarius 350
Laktanz 82
Hillmann W. 478
Landgraf A. 166. 351
Hippolyt 161
Laurentin R. 540
Hochgrebe Fr. 15
Lavater 266
Höfer J. 113. 246
Lebon J. 536
Hofmann Fr. 481. 485. 547 f.
Leist Fr. 31. 32
Hoskyns E.C. 332
Lennerz H. 537. 539
Hugo v. St. Cher 107
Leo d. Gr. 54f. 59. 61. 102. 130. 150.
Hugo v. St. Viktor 165. 166. 231
151—153. 164 f. 260. 337. 406—408.

Ibas v. Edessa 153. 156 413 f. 450. 468—470. 479. 508 f. 533
Ignatius v. Ant. 164. 191 f. 321. 346. 405. Leo IX. 146
412 Leo XIII. 537. 541
Irenäus 77. 78. 79. 105. 122. 128. 129. Leontius v. Byzanz 165
161. 192. 207. 339. 346f. 405. 423. Lessius 261
534 Lippert P. opt 420 f.
Isidor v. Pelusium 150 Lohmeyer E. 15. 51
Lösch St. 136. 206
Jaspers 13. 14. 137. 138 Lubac, H. de, 60
Johannes Chrysostomus 195. 484. 485 Lukian 190
Personenregister 605

Lukian v. Antioch. 126 Paulus G. 131


Lutz O. 453 Paulus H. 189
Luyckx B.A. 537 Pelagius 60
Perego A. 171. 173
Mai A. 522 Pesch Chr. 550
Malevez L. 348 Petavius 261
Mansi 453 Peterson E. 497. 511
Marcion 105. 156. 186 Petrus Lomb. 166
Margareta v. Alacoque 325 Philo 83
Marheinike F. 131 Pinsk Joh. 328. 338. 345. 388. 456.
Martin I. 257 476 f. 478. 479. 484. 500 f.
Marx K. 131 Pius V. 218
Maximus Conf. 165. 349 Pius IX. 520. 537
Mechthild 325 Pius X. 411. 537. 543
Meinertz M. 100. 108. 383. 395. 399. Pius XI. 147. 410 f. 495. 537. 543
441. 472. 474. 514 Pius XII. 147. 231. 234. 411. 520. 526.
Meister Fr. 262 f. 527. 530 f.
Methodius 339. 347 Plato 12. 109. 130. 156. 331
Michel O. 298 Plinius 188
Michi J. 121. 134. 182 Ploeg, S. van der, 100
Modestus v. Jerus. 523. 524. 525 Plotin 12
Mohlberg Kunibert 526 Polykarp 100. 499
Morin 548 Poschmann B. 536. 546
Muratori L. A. 545 Proklos v. Konst. 150. 163
Mussner F. 100 Prümm K. 105. 207. 426
Przywara E. 380
Nachod H. 351. 353 Pseudo-Albert 525
Nestorius 126. 127. 147. 148. 150. 154. Pseudo-Clemens 320
156. 157. 162. 168.169. 322 Pseudo-Dionysius 260
Nietzsche Fr. 13. 132
Nötscher Fr. 33. 34. 35. 277 Rahner H. 128. 130. 176 f. 489
Novatian 480 Ratzinger J. 173. 468. 478
Nygren A. 402 Reimarus H.S. 131. 430
Reuss J. 467
Odo 166 Richard L. 501
Oehl W. 551 Rilke R.M. 14
Oepke A. 332f. 334 Rintelen Fr. M. 483
Olivier P. 15 Ritschl, A.v., 132. 134
Origenes 61. 162. 189. 202. 350. 408. Riviere J. 537
422. 448. 499 f. 540 Rohrbasser Anton 520
Osbert 218 Rudloff, Leo v., 153. 208. 209. 217. 408.
449. 480
Quint J. 55 Rupert v. Deutz 71. 82. 540
Rusticus Diaconus 165
Pannenberg W. 146
Parente P. 168. 171. 172. 227. 228 Sartre J.P. 14
Paul IV. 203 Sasse H. 185
Paulus v. Antioch. 126 Saturnil 128. 129
606 Personenregister

Sauter H. 15 Tacitus 188


Scheeben 71. 112 f. 246 f. 261. 291 Taille, de la, 170. 537
Schelkle K.H. 100. 119. 424. 467 Tannhof Chr. 107
Schell H. 65. 69. 71. 108. 232. 262 Tannhof R. 107
Schelling 12 Tauler 551
Schick E. 54. 120 Ternus J. 170. 171. 173
Schierse J. 468 Tertullian 150. 161. 248. 418
Schleiermacher F. 132. 134 Theodor v. Mopsvestia 126. 153. 154.
Schlier H. 399. 401. 467 159. 156.2157
Schmaus M. 164. 183. 317. 453. 489. 491 Theodoret v. Cyrus 153. 156. 163
Schmid J. 180. 187. 205. 207. 213. 242. Theodot v. Byzanz 126
275. 280. 291. 360. 426. 429. 430. Theophylakt v. Achr. 350
444. 445. 510. 511 Thiel R. 332
Schnackenberg R. 119. 120. 179. 404 Thielicke H. 15
Schniewind J. 15 Thomas v. Aquin 63. 71. 141. 166. 169.
Schopenhauer 12 17082182 227. 1228.1236.1239. 2427:
Schumann F.K. 15 251. 256. 351. 352 f. 418. 471. 475.
Schumpp M. 48 538
Schüth F.H. 536 Timotheus v. Jerus. 522
Schweitzer A. 132. 332 Tschipke Th. 353
Scotus Joh. Duns 70. 71. 170. 218. 261. Tyciak J. 196. 495 f.
421
Seiller L. 171 Ude J. 537
Semmelroth G. 489. 540 Vagaggini C. 102
Sergius v. Konst. 257 Vasquez 261
Siewerth G. 14 Vigilius, Papst, 153
Sixtus V. 218 Vischer W. 24
Smulders P. 60 Vögtle A. 181
Söderblom N. 183 Volk H. 146. 249
Söhngen G. 328. 343 f. 359. 438. 488.
491. 492 Weichert Konst. 351
Sokrates 12. 109. 253
Weiger J. 225
Söll G. 540
Welte B. 14
Soucek J.B. 15
Wikenhauser A. 298 f. 441. 466. 480.
Spinoza 12
538
Stattler B. 232
Wilhelm v. Ware 218
Stauffer E. 84. 101. 255. 278. 286. 300.
Winkel E. 332
314. 488. 514
Winterswyl L. A. 54. 61. 153. 405. 406.
Steinbüchel Th. 9
448. 449. 481
Stern P. 351. 353
Wolff H.W. 49. 50. 95
Stiesch J. 328
Stolz A. 547
Xiberta B. 168. 171. 227. 230
Sträter P. 536. 547
Strauß D. Fr. 131. 429
Suarez F. 71. 170. 525. 544 Ziegler J. 32. 93. 100. 204
Sueton 188 Zoozmann R. 501. 505. 551
Sachregister 607

Sachregister

Abendmahl, letztes 311, 361 Arianismus 150, 161f., 194f., 322, 326
siehe auch Eucharistie Armut 124
Aberglaube 6, 188, 490 ascensio siehe Himmelfahrt
Abfall von Gott 27, 280 Asketismus 194
siehe auch Mensch, Sünde, Sündenfall assumptio B.M.V. 518ff., 523, 529 ff.
Absolute, das 12, 131 assumptus homo 162, 171
Abstammung siehe Genealogie siehe auch Hypostatische Union
actus purus 139 Atheismus 9, 134, 280
siehe auch Gott Auferstehung
Adoptianismus 284 — Christi 15, 50, 52, 55, 96, 103, 118£.,
Aktzentrum 228 133, 178, 187, 198, 222, 269, 292,
Altarssakrament siehe Eucharistie 318 ff., 333, 341, 343, 361, 374, 376,
amor intellectualis 12 387, 421, 426 ff., 432 ff., 451, 458 f.,
Amt 83, 247, 282, 293, 330 472 f., 480, 501, 506, 519, 528 f., 544
siehe auch Christus — des Menschen 128, 185, 427, 503, 530
Analogie 162, 285, 479 siehe auch Vollendung
Anbetung 68, 197, 272, 313, 322 ff., 344, — ihre Funktion 459 ff.
488 — ihre Glaubwürdigkeit 445
Angst 221, 244, 255, 387, 490 siehe auch Erscheinungen Christi
anima forma corporis 529 — ihr Verhältnis zur Auferweckung
siehe auch Seele 441 ff.
Anspruch — in der Lehre der Väter 448 ff.
— der Apostel 433 Auferstehungsberichte 443 ff.
— Christi 284, 289, 313, 384, 499, 510 Auferstehungshypothesen 318, 429 f.
— Gottes 395, 399
Auferstehungslehre 454, 478
Anthroposophie 12
Aufklärung 131, 134
Antichrist 187
Auftrag
Antike 101, 135, 138, 184, 280, 319
— Christi 224, 241, 248, 255, 263, 299,
Antwort des Menschen an Gott 57, 60
342, 355, 360, 386
Apokalyptik, jüdische 181
— des Menschen 502
Apokryphen 177, 221, 277
— im AT 20, 24, 49f., 74, 76
Apollinarismus 150, 162 f.
siehe auch Verantwortung
Apostel 135, 319, 324, 426, 430, 467,
472, 483, 512, 524
Apotheose 134 f., 293 470 Barmherzigkeit, göttliche 17, 35, 47, 53,
Appropriation 203, 442 59, 61, 63, 66, 79, 102, 119, 210, 293,
siehe auch Trinität 370, 382, 514
Ärgernis 121ff., 183, 185, 291, 357 Begegnung, personale 122, 198, 492
608 Sachregister

Bekehrung siehe Umkehr Bundesherr 75


— Pauli 319 siehe auch Gott
Bekenntnis 80, 275, 278, 292, 295, 312 Bundeslade 20, 27 f.
siehe auch Zeugnis Bundesordnung 75
Bekenntnisformel 438, 451
Bundespflichten 23, 50
siehe auch Symbolum Bundesschließung 512
Beleidigung 69 f., 418 Bundesvolk 24

Berufung 52, 95, 98, 124, 211, 282, 292f., siehe auch Israel

319, 356, 362, 491, 496, 513 Buße 46, 61, 66, 108, 254, 379, 519
— Abrahams 19, 76f£. Brahmanismus 10
— Elias’ 31
— Isaias’ 36 causa
— der Jünger 492 — efficiens 228, 442
— Marias 213f. — formalis 158, 228, 442
— Pauli 271, 291 f., 438 Christentum 7, 109, 135 f.
siehe auch Erwählung Christus
Besessenheit 255 f., 281, 287, 290, 391 — als Bürge des Heils 11, 90, 272, 290,
siehe auch Dämonie, Wunder 328, 339, 376, 382, 514
Besitz 26, 88, 142 — als Erstgeborener 71, 233, 334, 388,
siehe auch Eigentum, Erbe, Güter 402, 427, 508, 519
Bewußtsein 7, 141, 144, 171, 235, 239, — als Gesalbter 87, 125, 178, 247 f., 267,
357 297, 377 siehe auch Gott, Messias
Bischof 196, 528 — als Haupt der Engel 233, 516
Blut Christi 16, 67, 71, 73, 98, 101, 108, — als Haupt der Kirche 54, 196 f., 251
siehe auch Kirche
145, 164, 282, 325, 327, 342, 345,
361 f., 374, 393, 404, 508 — als Haupt der Schöpfung 12, 68f.,
ai 73: 7184, 109f., 168. 2322518
Blutregel 355
292, 312, 328, 334, 338, 372f£., 409,
Böse, das 63, 68, 72, 186, 194
422, 461, 467, 479 f., 517
Botschaft siehe Evangelium, Predigt, — als Hirte 494 ff.
Verkündigung
— als historischer Jesus 50, 116, 118,
Buddhismus 14, 106, 109, 332 120, 132$., 138, 168, 174 177E£.,
Bulla 180 ff., 186, 498
— Cantate Domino 254 — als Hoherpriester 186, 193, 197, 297,
— Ex omnibus afflictionibus 218 324, 353 ff., 358 ff., 376 f., 498, 500 f.,
— Gloriosae Dominae 541 532
— Ineffabilis Deus 215 f., 218 — als kerygmatischer Christus 116,
— Iniunctum nobis 147 132 f.
— Unigenitus Dei Filius 411 — als Knecht Gottes 51, 100, 369, 376
siehe auch Lehramt — als König 79, 283, 381, 476, 497 ff.,
Bund, Alter und Neuer 34, 44, 47 f., 74, 500, 507 siehe auch Königtum, Reich
80, 97, 379, 404, 513 Gottes
— mit Abraham 19, 75 ff., 97 — als Kyrios 113, 118, 270, 333, 340,
— mit Moses 21 f., 50, 95, 97 459, 462 ff., 466, 471 ff.
— mit Noe 18, 75 f., 97 — als Lamm Gottes 187, 312, 315, 366 f.,
Bundesbruch 22, 26, 31 514
siehe auch Abfall von Gott — als Lehrer 492, 500, 507
Sachregister 609

— als Menschensohn 101, 240, 275 ff., — Cum quorundam 203, 358
477 siehe auch Inkarnation — Munificentissimus Deus 520, 524,
— als Mittler 65, 146, 193, 224, 324, 526 ff., 530
326 ff., 337 ff., 341 ff., 344 ff., 479, siehe auch Lehramt
517, 532 creatio
— als Pantokrator 195 — continua 137
— als Person 140, 145 — ex nihilo 476
— als Richter 293 siehe auch Gericht, — mundi 60, 62, 299, 427
Parusie siehe auch Schöpfung
— als Sohn Gottes 109 ff., 133, 267,
283 ff. siehe auch Inkarnation
Dämonie 182, 282, 290, 383, 465, 503
— als Urbild 338, 476, 489 siehe auch siehe auch Besessenheit, Wunder
Ebenbildlichkeit Decretum
— als Ursakrament 346, 354, 474, 491 — Gratiani 523
— als Urwort 354, 474, 489, 491
— Lamentabili 147, 233, 358, 426
— als Zeichen, dem widersprochen — pro Jacobitis 254, 329
wird 122 — S. Officii vom 5. 6. 1918 231, 233
— in uns 198, 403, 484 Demut 393
— sein Amt 146 siehe auch Christus
Dienst
als Hirte, Hoherpriester, König — Marias 535
— seine Erhabenheit 294, 300, 500 — des Menschen 88, 292, 490, 503 f.
— seine Gemütsbewegungen 61, 119, — der Schöpfung 69
239, 242 f., 254, 260, 265, 342 siehe auch Gehorsam
— seine göttliche Natur 101, 127, 320 ff. Dogma 532
siehe auch Inkarnation, Monophysi- siehe auch Lehramt
tismus, Nestorianismus Dogmengeschichte 125, 145, 157
— seine menschliche Natur 54, 112, 127, siehe auch Lehramt
129 f., 140, 145, 158, 164, 167, 177, Doketismus 150
180 ff., 186, 189 ff., 199 ff., 235, 246, Dreifaltigkeit siehe Trinität
251, 256, 344, 376, 422, 452, 457, 513
Drohwort 34
— sein Selbstbewußtsein 226 ff.
Dualismus 186f., 329
— seine Vorbereitung, biblisch und
außerbiblisch 6, 79, 89, 101 ff., 104,
179, 217, 280, 514 siehe auch Ver- Ebenbildlichkeit
heißung — Christi mit Gott 487
— seine Werke und sein Tun 2, 101, — Marias mit Christus 214, 518
— des Menschen mit Gott und Christus
114, 116, 124, 250, 282, 425, 474, 491,
494, 515 siehe auch Wunder
1, 53, 60, 73, 249, 427, 468, 503
— sein Wissen 225ff. siehe auch — der Wirklichkeit mit Gott 67, 70, 233
scientia siehe auch Christus als Urbild, Typus
siehe auch Freiheit, Logos Ebioniten 125

consecratio mundi 339 f. siehe auch Ehe 209, 211


Verwandlung, Vollendung Ehre
siehe auch Liturgie — Christi 218, 301
Constitutio — Gottes 60 ff., 209, 252, 265, 419
— Auctorem fidei 322 Eigentum 35, 131, 142, 214
— Cum praeexcelsa 218 siehe auch Besitz, Erbe, Güter

39 Schmaus, Dogmatik II, 2. 6. Aufl.


610 Sachregister

Einheit Erfahrung 58, 175, 214, 233, 270 f., 290,


— der drei göttlichen Personen 161, ` 419, 427, 458, 465
457, 517 Erfüllung
— des Menschen mit Christus 110, 121 — des Menschen durch die Erlösung 5,
siehe auch Christus in uns, Mensch 14, 58, 168, 210 siehe auch Verklä-
seine Gottverbundenheit rung, Vollendung
— der beiden Naturen in Christus 125, — der atl. Verheißung 19, 27, 77, 82,
127, 129, 131, 159, 163, 166, 248, 338 123, 178, 513
siehe auch Hypostatische Union Erhöhung siehe Christus als Kyrios
Einsicht, menschliche 8, 40 Erkenntnis, Erkennen
Endlichkeit siehe Tod, Vergänglichkeit — Christi 93, 225 ff., 285 siehe auch
Endzeit siehe Eschatologie Christus sein Wissen
Engel 18, 25, 49, 62 f., 94, 135, 199, 204, — Gottes 90, 285
210, 212 f., 221, 223, 233, 297, 300, siehe auch scientia
330, 445, 497, 516, 550 — des Menschen 9 f., 12, 30, 33, 40, 44,
Entäußerung siehe Kenosis 62, 68, 105, 114, 138, 166, 194, 225,
Entmythologisierung 15, 132, 136 ff., 450 233, 298, 320, 330, 383, 488, 494, 528
Entscheidung
Erlösungssehnsucht siehe Sehnsucht
— Marias 221
Erlösungsversuche 5, 7, 9
— des Menschen 64, 182, 286, 484, 486,
516 Erniedrigung siehe Kenosis
siehe auch Glaube Erscheinungen Christi nach Ostern 181,

Entwicklung des Menschen 131, 238 318, 463, 475


Enzyklika Erwählung 78, 98
— Ad diem illum 411, 541 ff. — Christi 248, 332
— Divino afflante Spiritu 15 — Israels 23, 49, 95, 97, 280, 379, 512 f.
— Fidentem 541 — Marias 217, 221 f.
— Haurietis aquas 231, 411 — des Menschen 73, 187, 327, 401, 475
— Humani generis 411 siehe auch Berufung
— Magnae Dei matris 541 Erwartung siehe Heilserwartung, Hoff-
— Mediator Dei 453 nung, Sehnsucht
— Miserentissimus Redemptor 147, Eschatologie 49, 83, 86 f., 241, 328, 380,
358, 410 475
— Mystici Corporis Christi 147, 231, siehe auch Erfüllung, Vollendung
453 Essener 181
— Octobri mense 541
Eucharistie 195, 248, 311, 324, 453, 475
— Pascendi dominici gregis 147, 426
siehe auch Abendmahl
— Quas primas 495
Evangelium 51, 83, 96, 116, 182, 268,
— Sempiternus Rex 147
528
Epistola
siehe auch Heilsbotschaft, Predigt, Ver-
— Eius exemplo 146
kündigung
— dogmatica Lectis dilectionis tuae
130, 146, 150 ff., 164, 329 Exemplarismus 79
Erbe, Erbteil 19, 26, 73, 88, 328, 403 Existentialismus 75
siehe auch Besitz
Erbsünde 63, 218 f., 254, 409, 519 Fegfeuer siehe Läuterungszustand
siehe auch Sündenfall felix culpa 57, 72
Sachregister 611

fides qua und quae 137 — des Heils siehe Heilsmysterium


siehe auch Glaube — der Jungfräulichkeit 203, 209, 529
Finsternis 33, 52, 59, 92, 186 f. — des Menschen 225, 244, 360
Fluch 22f., 36, 66, 75, 387, 396, 400, — der Schöpfung 476
412, 513, 517, 535 siehe auch mysterium
siehe auch Sünde, Sündenfall, Zorn Gehorsam
Flucht Marias 223 — Christi 68, 159, 255, 260, 266, 341,
Formgeschichte 118f. siehe auch 366, 376, 474
Schriftinterpretation — Marias 213, 220, 222, 533
Franziskanerschule siehe Theologie — des Menschen 59, 76, 81, 109, 185,
Frau 10 253, 341, 369, 380, 393, 492, 507, 515
Freier Wille 16 Geist 7 f., 49
siehe auch Freiheit, Wille siehe auch Heiliger Geist
Freiheit 20 Gelübde 212
— Christi von der Sünde 129, 252, Gemeinschaft
254 ff., 492 — der Jünger 485
— Gottes 63f., 97, 477 — menschliche 294
— der Kinder Gottes 6, 220 — des Menschen mit Christus 121, 202,
— Marias von der (Erb)sünde 214 ff., 484 f., 490 siehe auch Christus in uns,
219 Einheit, Mensch seine Gottverbun-
— des Menschen 3, 17, 23, 281, 396, 515 denheit
Fremderlösung 8 Gemeinde 31, 47, 49, 131, 133, 160, 284,
siehe auch Erlösungsversuche 292, 317, 323, 361, 432, 439
siehe auch Urgemeinde
Freude 1, 41, 44, 81, 92, 105, 264,
Genealogien 78 f., 180, 199, 202, 205, 212
280 f., 327, 391
siehe auch Christus seine Gemüts- Genugtuung 65, 68 ff., 378, 408 ff., 418,

bewegungen 461, 515


Friede 27, 52, 71, 402 Gerechtigkeit
— Christi 286, 357, 373 f., 416, 501
Frömmigkeit 52, 193 ff., 197, 212 f.,
— Gottes 16, 63f., 66f., 93, 107, 224,
248, 363
386 f.
Frühscholastik siehe Theologie
— des Menschen 503
Fülle der Zeit 16, 73, 78 ff., 103, 177,
Gericht 17f., 20, 32f., 36, 45f., 66, 75,
200, 274, 327
85, 91, 104, 108, 122, 137, 187, 240,
Fürbittgebet 198, 365 276, 279f., 283, 293, 299, 315, 344,
siehe auch Gebet 357, 367, 372ff., 379, 409, 484, 506 f.,
Furcht Jahwes 88, 90 512f., 519
siehe auch Christus als Richter,
Gebet 83, 193, 264 f., 323, 512, 541 Parusie, Strafe, Zorn
siehe auch Fürbittgebet Geschichte, menschliche 2 ff., 15, 18, 21,
Gegenwärtigkeit siehe praesentia 45, 49f., 64, 66, 68, 73, 77, 82, 101,
Geheimnis 109, 120, 131, 138, 160, 178, 207, 218,
— Christi 82, 102, 112ff., 121, 124, 144, 251, 253, 281, 286, 299, 370, 373, 375,
146, 168, 176, 183, 193, 269, 377, 446, 399, 418, 461, 466
481, 483, 485, 489 f. siehe auch Heilsgeschichte
— Gottes 23, 35, 56, 66, 73, 268, 416, Geschichtstheologie 446
452 Gesellschaft 13, 131

39*
612 Sachregister

Gesetz, alttestamentliches 15 f., 18, 23, Gottesknecht 31, 49, 88, 331
44, 78, 80f., 83, 102, 104, 266, 277, siehe auch Christus
286, 291, 330, 364, 395 ff., 412, 461, Gottesnähe 220f., 223, 249
506, 512 Götzen 27, 34
Gesetzgebung Christi 506 f. gratia
— creata 249
Gespräch 494
— de congruo 214
Gewissen 81, 106, 395
siehe auch Gnade
Glaube x
Gute, das 63, 65, 68, 72, 286, 315, 387,
— als alttestamentlicher 16, 19f., 35,
507
76, 83, 91, 366
Güte, göttliche 59, 61, 66 f., 75, 81
— als christlicher 6, 11, 52, 56, 58, 67,
Güter 9, 33, 51
82 f., 88, 112 ff., 114, 118, 121 f., 137,
siehe auch Besitz, Eigentum
146, 159, 164, 168, 178, 186, 193, 202,
207, 239, 281, 287 ff., 292, 297, 301,
314, 332, 353, 365, 370, 377, 391, 404, Habitustheorie 166
416, 419, 425, 428, 431 f., 450, 452, Häresie 125 ff., 129 ff., 166, 453, 532
460, 463, 471, 484, 486, 490, 492 f., siehe auch Lehramt
506, 511 ff., 5löf., 527, 531 Haß 53, 122, 256, 389, 419, 503
— als Fortschrittsglaube 9, 75 Heiden 15, 29, 32, 48 ff., 92, 124, 183,
— Marias 223, 225, 533 188, 223, 271, 279, 296, 320, 361,
— der Zeitgenossen Jesu 113, 265 388f., 412, 425 f., 433, 510 ff., 514
Gliedschaft 485 Heil 7, 11, 16, 20 f., 27, 34, 44 f., 48 ff.,
Gnade 16, 18, 44, 48, 52 f., 57, 60f., 73, 58, 60, 80, 85, 167, 182, 491, 507,
81, 144, 210, 327, 357, 370, 480, 499 513 u.ö.
Gnostizismus 12, 116, 120, 125, 128, 186, Heilige 197, 208, 216, 546, 550
194, 209, 221, 269, 271f., 329, 425, Heiliger Geist 53, 63, 71f., 121, 126,
510 160, 177, 196 f., 221, 248, 268, 285,
Gott 354, 358, 362, 377, 403, 419, 457 f.,
— als Schöpfer 115, 158 480, 483 ff., 490 f., 503 f.
— seine Allwissenheit 61f., 72, 231 siehe auch Sendung
— seine Erhabenheit 372 Heiligkeit
— sein Gesalbter 29, 49f., 88, 93, 96 — Christi 246 ff., 252 f., 373
siehe auch Messias — Gottes 1, 6, 21, 36, 60, 68, 77, 104,
— sein geschichtsmäßiges Handeln 18, 113, 367, 372, 386, 419, 477
28, 57ff., 74, 474 siehe auch Ge- — des Menschen 51 siehe auch Heili-
schichte gung
— sein Name 31, 36 f. Heiligtum 27, 29
— sein Schweigen 221 Heiligung 2, 111, 485
— sein Schwur 89 siehe auch Ver- siehe auch Verklärung, Vollendung
heißung Heilsbotschaft 48, 82
— sein Zögern mit der Erlösung 107 siehe auch Evangelium, Predigt, Ver-
Gottesdienst 109, 320, 330 siehe auch kündigung
Kult, Liturgie Heilserwartung 27, 73, 274, 295, 380
Gottesferne 1f., 4, 63, 69, 103, 218£., siehe auch Hoffnung
286, 289, 372, 382, 391, 393, 519 Heilsgeschichte 74, 84, 157, 161 f., 178,
Gotteskindschaft siehe Kindschaft 180, 284, 436, 466, 513, 524
Sachregister 613

Heilsgestalten 32, 49 — des Menschen zu den Dingen 309


siehe auch Offenbarungsträger Hoffnung 7, 18, 20, 27, 30, 44, 46, 51,
Heilsmysterium 111, 185, 193, 209, 219, 73, 83, 88, 205, 220, 275, 290, 363,
223, 327 f., 340, 342 f., 354, 358, 378, 381, 400, 402, 428, 447, 460, 478,
409, 446, 459, 493 513 f., 530
Heilsordnung 71 Hoherpriester siehe Christus, Priester-
Heilsplan 52, 73, 78, 90, 103, 107, 150, tum
200, 222, 327, 340, 474 f., 493, 513f., Hölle 63, 108, 110, 419, 516
533 Höllenabstieg Christi 101, 422ff., 450
Heilstaten Gottes, alttestamentliche 74 Huld siehe Gnade
siehe auch Gott, Wunder Humanismus 13
Heilsuniversalismus 27, 59, 77, 241, 333, Hyliker 12
497, 511, 515£. Hymnen 467, 501, 551
Heilswille, göttlicher 17, 28, 53, 73, 75, siehe auch Liturgie
104, 222, 333, 512 Hypostase 129, 150, 163, 165
Heilszeit 35 Hypostatische Union 112, 139 ff., 170 ff.,
siehe auch Eschatologie, Fülle der Zeit 174 ff., 226, 228f., 419, 443, 452
Hellenismus 116, 126, 128, 134, 138, siehe auch Christus
162, 183, 189f., 206, 287
Herrlichkeit
Idealismus 9, 131 f.
— Christi 120, 160, 186, 223, 291, 342, Ideen 12, 120, 130, 134, 184
387, 471, 475 Identifizierungstheologie siehe Mono-
— Gottes 31, 41, 59, 66, 68, 159, 244, physitismus
271, 291, 362, 382, 400, 455, 462, Idiomenkommunikation 145 ff., 162,
466, 470, 477, 493, 519 165, 176, 202, 227, 340, 345
Himmel 465 siehe auch Christus seine göttliche und
Himmelfahrt 2, 15, 116, 178, 222, 271, menschliche Natur, Hypostatische
324, 341, 343, 374, 376, 421, 438, Union
462 ff., 468 ff., 475, 480, 482, 485, Imago siehe Ebenbildlichkeit
501 Immaculata conceptio siehe Maria
Himmelskörper 517 Immanenz 8, 122, 162, 295, 380
Himmelsmensch 333 Individuum 131
Hingabe Inkarnation 2, 50, 55, 61 f., 65f., 68 ff.,
— Christi 65, 68, 266, 333, 362, 368, 79, 105, 107, 124, 126, 133, 139, 141,
387, 418, 461 siehe auch Kreuzestod, 144 f., 150, 158f., 163, 166£., 177,
Opfer 185, 187, 193, 210, 223, 268 f., 196,
— Marias 221, 533 302, 315, 319, 321, 328, 339, 355,
— des Menschen 142, 211, 213, 222, 362, 372f., 418, 428, 443, 462, 470,
253, 283, 397, 399, 516 479, 487, 491, 493, 501, 506, 535
Hinordnung des Menschen Inspiration 71, 103, 116, 118, 121, 190,
— zu Gott 5 268
— zum Du 143 Intuition 235
Hinwendung Irrtum, religiöser 432, 494
— Gottes zum Menschen 122 Irrtumslosigkeit
— des Logos zum Vater 158 — Christi 233, 240 f.
— des Menschen zu Gott 64 f., 111, 515 — des kirchlichen Lehramtes 268, 432
siehe auch Hingabe, Liebe Islam 106, 332
614 Sachregister

Israel 22, 74, 76, 81, 89, 95 f., 98, 269, Konkupiszenz 10, 53, 65, 203, 219,
277, 497, 511, 513 ` 395f., 521
Konsekration siehe consecratio,
Jansenisten 510 Liturgie, Verwandlung
Jubeljahr 96 Konzil
Judaisten 510 — von Chalzedon 130, 146f., 149 f.,
Juden 15f., 80f., 104, 118, 122, 124, 160, 163, 167, 176, 199, 254
179, 183, 188, 202, 205, 243, 271, 284, — von Ephesus 127, 145 ff., 162, 167,
292, 299, 312, 342, 361, 380, 430, 433, 176, 199, 254, 322, 326, 355, 358
498, 502, 511 ff. — von Florenz 254
Jünger 116, 119, 181, 254, 269, 271f., — von Jerusalem 525
275, 283, 285, 294, 301, 311f., 314, — von Konstantinopel I 129, 151, 167,
360, 380 f., 388, 426, 428, 430, 457, 176, 510
462, 465, 471, 475, 479, 483, 486, 492 — von Konstantinopel II 146, 151, 199,
Jungfrauengeburt 52, 131, 133, 164, 174, 256 f., 322, 326
199, 202 f., 211 ff., 287, 344, 479 — von Konstantinopel III 199, 258 f.
Jungfräulichkeit 546 — von Lateran IV 423

Jüngster Tag 460 — von Lyon 176


siehe auch Eschatologie, Gericht — von Nicaea I 126, 129, 160f., 167,
510
— von Nicaea II 452£.
Karfreitag 97, 343 — von Trient 15f., 147, 219, 329, 358,
Kenosis 113, 118, 124, 131, 142, 159, 387, 410, 420, 453, 506, 510
175, 189, 268, 297, 343, 368, 387, 421 — von Vienne 176
Kerygma 113, 147, 438, 446 siehe auch Lehramt
siehe auch Verkündigung Kreuzestod Christi 50, 52ff., 60, 66f.,
Kindschaft 73, 192, 327, 395, 403, 486 83f., 124, 133, 137, 159, 178, 198,
Kirche 2, 65, 81, 102, 119, 146, 157, 160, 220, 224, 261, 271, 291, 293, 295,
196, 282, 320f., 344, 362, 392, 441, 300, 318, 334, 370 ff., 375, 385, 387,
474, 479f., 486, 489, 527, 531 f., 546f. 390, 403, 416, 418, 421, 452, 459,
— als mystischer Leib Christi 196, 251, 471f., 501, 503, 514
346, 354, 479, 484 Kult
— als Universalsakrament 346, 354, 474 — als Baalskult 25, 30
— als Universalwort 354, 474, 489 — als christlicher Kult 134, 278, 297,
— als Volk Gottes 2, 479 f., 484, 513 326 siehe auch Gottesdienst, Litur-
— und Maria 535 f. gie, Meßopfer
— und Reich Christi 506 — als Fruchtbarkeitskult 24, 30
Kirchengeschichte 68 — als Kaiserkult 135 f., 320
Knecht Gottes siehe Christus, Gottes- — als Kult im AT 76, 355, 363
knecht — als Mysterienkult 14, 134
Konfuzianismus 13 Kultur 24, 106, 294f., 315, 425, 439,
König, alttestamentlich 280, 330 502 f.

Königtum, göttliches 17, 21 ff., 28 f., 35,


37, 49 f., 52, 56, 58, 83, 88, 180, 211, Laie 117
253, 255, 379, 386, 388 Lästerung 285, 289, 313
siehe auch Christus als König, Reich Lauretanische Litanei 225, 533
Gottes Läuterungszustand 424
Sachregister 615

Leben, ewiges und übernatürliches 56, — Gottes 31, 33, 51, 203, 209, 244, 291,
122, 300, 310, 314f., 378ff., 465, 372, 477
487, 491 siehe auch Wunder
siehe auch Gnade, visio beatifica Mächte, widergöttliche 103
Legende 180, 182, 184, 189, 429, 529 siehe auch Satan
siehe auch Schriftinterpretation Magnificat 219, 224, 494
Lehramt, kirchliches 157, 410, 484, Manichäismus 12, 329, 510
487 ff., 507, 521, 527, 531 Märchen 189, 315
siehe auch Bulla, Constitutio, Decretum, siehe auch Schriftinterpretation
Enzyklika, Epistola, Konzil, Respon- Maria 101, 123, 213, 215, 223
sio, Symbolum, Synode — als Gottesgebärerin 145, 158, 162,
Leib siehe Christus, Maria Mensch 199 ff., 214, 266, 5321f., 540
Leibverachtung 128 — als mediatrix 532 ff., 546 ff.
Leiden 1, 59, 61, 80, 82, 102, 118, 164, — ihre Aufnahme in den Himmel
331, 368, 390 ff. siehe assumptio
Leidensweissagungen 360, 387, 428 — ihre Gottverbundenheit 214 ff., 531
Leistung 52, 58, 396, 418, 504 — ihre Jungfräulichkeit siehe Jung-
Liberalismus 9
frauengeburt
— ihre Leiblichkeit 519
Libertinismus 128
— ihre unbefleckte Empfängnis 215 f.,
Licht 6, 12, 41, 52, 113, 186 f., 298, 389,
427
416, 455
Martyrer 294, 363, 404, 546
siehe auch Finsternis, Gnostizismus
Marxismus 9, 75, 131
Liebe
Materie, Materialismus 12, 128, 381,
— Christi 255, 263 ff., 366
474, 476f., 529, 531 f.
— göttliche 1, 5, 35, 47, 51, 56ff., 60,
62 f., 65, 111, 133, 203, 214, 249, 285, Mensch

300, 342, 365, 382, 386, 399, 479, 480, — als Geschöpf 4, 9f., 54, 57, 62, 142,
158, 419
490, 515
— als Person 9, 11, 309
— Marias 213, 220, 535
— des Menschen 53, 56f., 112, 122, 164, — als Sünder 1, 4, 7, 56, 60, 65, 225
292, 369, 398, 503 siehe auch Sünde, Sündenfall
siehe auch Hingabe, Opfer — als Übermensch 4, 309
Liturgie, liturgischer Beweis, liturgische — seine Aktivität 16, 58f., 62, 65, 70,
Feste 102, 194, 198, 219, 223 f., 274, 492, 516
325 f., 339, 343, 388, 477 f., 481, 484, — seine Auflehnung gegen Gott 5, 17,
494 f., 498, 502, 509, 512, 522f., 67, 123, 182, 273, 375, 391, 400, 503,
525 f., 533, 543, 546, 551 516 siehe auch Abfall

Logos 54, 62, 120, 127, 129 f., 139, 141, — seine Auflehnung gegen sich selbst5
145, 150, 161, 167, 175£., 210, 225, — seine Christusverbundenheit 110,
227 f., 240, 256, 321, 345 f., 443, 472 185, 198, 403, 447, 484 siehe auch
siehe auch Christus, Inkarnation Christus in uns
Lohn 40, 44 — seine Flucht vor Gott 1, 374
Lüge 256, 384, 492, 503 — seine Flucht vor der Welt 10
— seine Gottverbundenheit 1, 56, 75,
Macht 115, 289, 397
— Christi 179, 466, 471 — seine Herkunft 5, 142
616 Sachregister

— seine Leiblichkeit 62, 65, 90, 290, Natur 8, 66f., 164, 219, 294, 400, 517
293, 484 Naturgesetz 137
— seine Selbstherrlichkeit 8, 55, 65, 77, Naturrecht 503
110, 225, 252, 309, 341, 367, 393, Naturreligion 19, 75, 77, 185
399, 490, 492, 516 Naturwissenschaft 115, 136
— seine Verantwortung siehe dort naturalistisch 182, 318
— seine Ungeborgenheit 1, 6, 64, 67 Nestorianismus 125 ff., 129 f., 147, 150,
— seine Vergänglichkeit 231 siehe auch 162 f., 168, 175, 322
Tod Neuer Himmel und Neue Erde 54, 76,
Menschenbild 146 96, 216, 317, 401 ff., 460, 501, 503
Menschwerdung siehe Inkarnation siehe auch Verklärung, Verwandlung,
Meßopfer 196, 361, 378, 535 Vollendung
siehe auch Liturgie Neuplatonismus 4, 106, 128
Messias 49f., 52, 80f., 84, 90, 97, 116, Neupythagoräismus 128
125, 178, 188, 201, 210, 213, 267, Nichtchristen 530
273 ff., 313, 363, 365, 379, 442, 446, Nichts 11, 14, 61, 235
463, 497 f., 510, 514 Nihilismus 417
Metaphysik 131, 140, 162, 169, 187 Notwendigkeit, innergöttliche 59
Mission(spredigt) 121, 177, 188, 318, numinos 293
436 f., 511
Offenbarung, göttliche 8, 15, 31 f., 58 f.,
Mittler 329 ff.
66, 68, 73, 78, 82, 105 f., 112 f., 116,
siehe auch Christus, Offenbarungs-
129 f., 157, 160, 166, 185, 209, 213,
träger
250, 296, 382, 386, 401, 426, 448,
Modernismus 233
457, 473, 475, 487 ff., 507, 529
Monismus 10
— als Privatoffenbarung 177, 315
Monophysitismus 125, 128 ff., 150, 162,
— als Selbstoffenbarung 78, 136, 233,
194, 197, 234, 257, 322
441, 489
Monotheismus 76, 128, 160
— als Uroffenbarung 74
Monotheletismus 130, 257 ff., 261
Offenbarungsträger 78, 104, 144, 280,
Moral 418
492
Moseslied 21, 23
siehe auch Heilsgestalten, Prophet
Mysterienfeier, christliche 102
Offenbarungszeugnis 366
siehe auch Kult, Meßopfer, Liturgie
siehe auch Zeugnis
Mysterienreligionen 364
Ontologie 136, 160, 225 f., 232, 329, 375
mysterium
Opfer 65, 365, 367, 393
— fidei 427 f. siehe auch Glaube
— Christi 282, 298, 353 ff., 375, 418,
— iniquitatis 66
459, 487, 501, 535 siehe auch Hin-
siehe auch Geheimnis
gabe, Kreuzestod
Mystik 55, 128, 144, 235 — im AT 26, 30, 34, 67, 77, 83, 102,
Mythos 14 f., 24, 81, 101, 109, 116, 120, 355, 363, 366
127, 131 f., 134, 136 ff., 180, 183 ff., Ordnung 4f., 7, 45, 55, 70, 418, 502
199, 206, 209, 285, 287, 293 f., 333,
359, 389, 425, 431, 433, 450 ff., 473, Pantheismus 4, 12, 199, 294, 329, 333
475 Papst 196
Paradies 4, 18, 56, 96, 101, 400, 472,
Nachahmung 164 524
Nachfolge 54, 109, 283, 354, 490 Parsismus 329
Sachregister 617

participatio Presbyter 160


— Christi am Vater 249, 285, 292£., Priestertum 21, 36, 76f., 83, 247, 279,
463 330, 378, 547
— Marias an Christus 509, 518 Prophet 18, 30, 74, 83, 97, 187, 224,
— des Menschen am dreipersönlichen 247, 280, 291, 330
Leben Gottes 2, 5, 56, 490 siehe auch Offenbarungsträger
— des Menschen an Christus 2, 11, 57, Prophetie 34, 46, 101, 104, 178, 291
61, 69, 72, 109%8., 121, 193, 197, 292, siehe auch Leidensweissagung, Weis-
296, 328, 333, 377 f., 392, 403 f., 440, sagung
447, 461, 476 f., 504, 508 ff., 515, 531 Proskynesis 135
— platonisch 227 Protoevangelium 216
Parusie 2, 76, 80, 105, 136, 179, 240, Psychiker 12
279, 292, 296, 300, 311, 328, 362, Psychologie 12, 132, 140f., 214, 226,
392, 403, 419, 427, 432, 446, 460, 375
475, 478, 485, 502, 504, 507, 514, 518
Pascha 365 Qumran 181
siehe auch Kreuzestod
Patriarch 280 Rabbinen 248
Perichorese 246 Rache 380
siehe auch Hypostatische Union Rationalismus 125, 127, 131, 183, 318
Person 122, 141, 150 Raum und Zeit 452, 465, 470, 472 ff.,
Pessimismus 75 484
Phänomenologie 230 Rechtfertigung 16, 52, 83, 164, 371, 394,
Pharisäer 125, 275, 291 409
Philosophie 9 f., 13, 52, 106, 109, 114£., Reformation 16, 137, 145
120, 126, 129, 134, 137, 157, 160, Reich, Herrschaft Gottes 1f., (E. 47,
163, 428 49, 51, 57, 65, 74, 94, 101, 104, 123,
Pilgerschaft 210, 307, 311, 344, 468, 136, 176, 179, 232, 252, 276 f., 279,
473, 478, 486, 531 281 f., 290, 333, 373, 376, 379 ff.,
Platonismus 130 400 f., 409, 473, 485, 489 f., 498
siehe auch participatio, Philosophie Rekapitulationstheorie 339
Pneumatiker 12 Religion, Religiösität 77, 106, 108, 131,
Politik 502 134, 185, 329
Prädestinatianer 510 Religionsgeschichte 134, 366, 425, 470
Prädestination Renaissance 13

— der Apostel 441 Responsio der Bibelkommission vom


— Christi 342 29. 6. 1908: 32
— Marias 219, 528 — 1. 5. 1910: 88
— des Menschen 53f., 73, 327 Rest, heiliger 34, 39, 44 ff., 93, 513
siehe auch Berufung, Erwählung Testrictio mentalis 237
Präexistenz 118, 136, 159, 162, 167, 186, Reue 56, 64f., 254, 379
193, 284, 296f., 299 ff., 314, 365, Richter 18, 24, 280
489 Ruhe, alttestamentlich 44
praesentia 2, 28, 74, 77, 83, 109, 452 f.,
471 ff., 474, 484, 489, 506 Sabbat 286, 313
Predigt 82, 254, 292, 318, 364, 379, 430, Sadduzäer 427, 452
433, 446, 455, 465, 507, 510 Sage 189, 206
618 Sachregister

Sakramente 2, 193, 196, 198, 215, 346, — der Jünger 119, 285
353, 370, 377, 391 f., 404, 410, 474, — der atl Könige 85
509, 515 f, — Marias 224
siehe auch Eucharistie, Taufe Septuaginta 247, 292
Satan 6, 16, i8, 33, 52£., 65, 221,1253 f., Sintflut 18, 75
280 f., 285 f., 308, 324, 342, 360, 369, Sozialismus 132
380, 383, 385, 389 ff., 401, 412, 417, Sozianer 131
486, 490, 492, 501, 503f., 514, 521, Spekulation 165, 433
528 Spiritualismus 9, 138
Schicksal 66, 139, 220, 253, 286, 294, Staat 131, 503
300, 385 Stammeltern 215
Schisma 197, 257 Stellvertretung 331, 363, 404, 408 ff.
Schizophrenie 236 Stoff 9, 126, 194, 529
Schöpfung 59, 63, 65, 68, 78, 139, 167, Stoiker 253
432 Strafe 1, 39, 43, 212, 367, 519
siehe auch creatio ; siehe auch Gericht
Schöpfungsplan 3, 60, 68, 71, 237, 502 Subordinatianismus 161 f., 195, 321
siehe auch Heilsplan Sühne 15, 56, 68, 70, 99, 108, 334, 342,
Schriftinterpretation 102, 113ff., 132, 362, 367, 378, 393, 403, 409, 418
134, 204 ff., 216, 267, 277, 290, 442, siehe auch Blut, Opfer
465, 521, 526 Sünde 1, 4.15f.. 25, 33 LE EE
Schuld 7, 17, 33, 44, 85, 105, 107, 283, 60, 64, 68£., 77, 107, 168, 215, 286,
294, 309 339, 363, 372, 375, 383, 393 ff., 401,
scientia 432, 461, 479, 490, 501, 512, 514, 528,
— acquisita 237 535
— infusa 232 Sündenbewußtsein 81
siehe auch Christus sein Wissen, Wissen siehe auch Gewissen
Seele Sündenfall 54f., 57, 71, 101, 219, 366,
— Christi 129, 165, 230, 232, 242, 422 385, 387, 503, 535
— Marias 519, 529
Symbol 34, 71, 127, 131, 184, 198, 280,
— des Menschen 83, 290
465, 473
siehe auch anima
Symbolum
Seelenfünklein 144f.
— Athanasianum (Quicunque) 146f.,
Segen 19f., 85 ff., 464, 513
165, 174, 352, 423, 426, 462, 494
Sehnsucht, menschliche 2, 6, 14, 28, 81, — Apostolicum 146f., 174, 184, 203,
106 f., 131, 145, 164, 190, 212, 254, 423, 426, 462
264, 281, 333, 379, 400, 425, 478 — Nicaeno-Konstantinopolitanum 146,
Sein 70, 122, 130, 169, 417 150, 174, 423, 426, 462, 491, 494
Selbsterschließung siehe Offenbarung Synedrium 181
Seligkeit, ewige siehe Leben, visio Synode
Sendung — von Alexandrien 129
— Christi 53, 158, 237, 252, 254, 263, — von Lateran 151, 203, 257
265, 279, 287 f., 290, 368, 373, 386, — von Quiercy 510
487, 500 — von Rom 129
— des Heiligen Geistes 65, 116, 136, — von Sens 423
271, 462, 472, 478 ff., 481 f., 501, 518 — von Toledo 203
Sachregister 619

Synoptiker 118 Trinität 106, 126, 160 f., 163 f., 166, 203,
Synoptische Frage 117 216, 230, 268, 312, 442, 477, 490, 492
Trost 97, 315, 462
Typos
Tag Jahwes siehe Gericht, Parusie
— Adam—-Christus 82f., 196, 333, 337,
Taufbewegung 181
368, 409, 528
Taufe 11, 53, 119, 164, 174, 178, 187,
— Abraham—-Christus 8%f.
235, 310, 324, 333, 344, 346, 355, 364,
— Auferstehung Christi—Auferstehung
377, 392, 438, 440, 460, 477 f., 509
des Menschen 436, 438, 461, 468
siehe auch Sakramente
— Moses Christus 330
Technik 9
— Gottesknecht— Christus 330
Teilhabe siehe participatio
— Alter Bund— Neuer Bund 84, 101f.,
Tempel 286
248, 355
Testament siehe Bund
— König im AT—Christus 84
Textgeschichte 86
— Eva-Maria 18, 207, 528, 534
Theologie
— alexandrinische 129
— liberale 15, 132, 256, 425, 429, 450, Überlieferung 117f., 120, 137, 157, 176 £.,
453 205, 277, 297, 330, 362, 435, 437, 439,
— mittelalterliche 69f., 71f., 107, 165 f., 522, 524f., 529, 532, 544
231, 236, 248, 325, 378, 412, 516, 540 siehe auch Liturgie, Traditionsbeweis
— neuere 71, 110, 226, 231. Übertretung 54, 61
— patristische 101, 106f., 129f., 162, siehe auch Sünde, Sündenfall
248 Unbefleckte Empfängnis siehe Maria
— der Urgemeinde 101, 119f., 441 Universum 461
Theologiegeschichte 231 Umkehr 17, 23, 30, 34 f., 46, 48, 65, 71,
siehe auch Dogmengeschichte, Lehramt 75, 89, 93, 179, 281, 375, 379, 493,
Theosophie 12 498, 513
Thomismus 168f., 227, 345 Ungehorsam 53, 81, 185, 225, 283, 290
siehe auch Philosophie, Theologie Unglaube 289, 298, 507, 511, 513
Tod 1, 17, 52, 54, 60f., 70, 103, 122, Unheil 4, 9, 17, 34, 46, 48, 107, 280, 507
167, 193, 225, 253, 309, 391, 461, 486, Unruhe 81
490, 501, 514, 519, 528
Unsterblichkeit(slehre) 454, 471
siehe auch Kreuzestod
iehe auch Auferstehung
Torheit 401, 488
Urbild siehe Christus, Ebenbildlichkeit,
Traditionsbeweis 516
Typos
siehe auch Liturgie, Überlieferung
Urgemeinde 117f., 119, 136, 268, 278,
Transparenz 496, 503, 529
324, 332, 438, 451
Transzendenz 14, 83, 128, 138, 141, 380,
Urkirche 197, 247, 295
458, 472, 497
Urmensch 329, 333
Trennungstheologie siehe Nestorianis-
mus
Treue Verantwortung
— Gottes 19, 47, 88, 386 — Christi 254
— Marias 220 — des Menschen 13, 63, 68, 107, 115,
siehe auch Heilsgeschichte, Wunder 211, 398, 509, 515 f.
— des Menschen 50 siehe auch Auftrag
620 Sachregister

Verborgenheit, göttliche 4, 66, 112f., — der Schöpfung 4, 7, 248, 388, 400,


146, 159, 221, 282, 456, 475 427, 479
Verdammung 108, 424, 507 siehe auch Verklärung, Vollendung
Verdienst 215 f., 408 ff., 421 f. Verzweiflung 187, 428
Verehrung 292, 325, 550 visio beatifica Dei 17, 82, 226 f., 230 ff.,
siehe auch Anbetung, Proskynesis 237, 239 f., 244, 249, 260, 429, 443,
Verfolgung 188, 342 454, 476, 486

Vergänglichkeit 61, 297, 399 ff. . Volk Gottes 94 ff., 99, 105, 473
siehe auch Mensch, Tod, Welt siehe auch Israel, Kirche
Vergebung 65, 73, 80, 83, 179, 187, 254, Vollendung
286, 288, 327, 371, 385, 401, 489, 512 — Christi 179, 251, 340, 354, 454
Vergeltung 40 — Marias 220, 225, 518, 532

Verheißung 6, 17, 19f., 22, 46, 49f., —- des Menschen 5, 57, 70, 210, 310,

52, 55, 65, 74 ff., 82 f., 84, 88, 94, 367, 385, 475, 531
96, 101, 103, 105, 116, 118, 178, 204, — der Schöpfung 2, 52, 65, 284, 317,
224, 248, 267, 269, 310, 379, 381 f., 436, 468, 473, 476 f., 513, 515
428, 436 f., 463, 484, 510, 513 f., 530 Vorsehung 61 f., 106, 377
siehe auch Erfüllung
Verherrlichung
Wahrheit 58, 116, 167, 253, 321, 364,
— Christi 54, 483, 485 382, 486 f., 492, 503, 507, 528
— Gottes 54, 477
Weg, als Heilsweg zu Gott 11, 26, 34 f.,
siehe auch Verklärung, Vollendung
51, 54, 76, 80, 118, 122, 179, 194,
Verklärung
252, 286, 306, 315, 328, 334, 342,
— Christi 270, 344, 373, 432, 443, 386, 442, 447, 501
452 ff., 457 f., 473 f., 479 f., 484, 501,
Weisheit 66, 72, 90, 218, 238, 330, 389,
517
401, 488, 491
— Marias 476, 519 f., 529
Weissagungen 35, 80, 82, 86f., 89, 100,
— des Menschen 530
364, 436, 497
— der Welt 461
siehe auch Prophetie
Verkündigung 2, 27, 39, 80, 84, 136,
Welt 11, 15, 59, 69, 136, 168, 182f£.,
138, 177, 182, 198, 327, 331, 380 f.,
399, 424, 452, 464f., 467, 473, 486
391, 431, 433, 474, 483, 489, 491, 493,
511 siehe auch Evangelium, Predigt — ihre Vergänglichkeit 2ff., 16, 53, 137,
— an Maria 224, 497 242, 315, 419, 473, 478, 503, 517
Vernunft 13, 62 Wert 9, 122, 418

Versöhnung 55, 70f., 96f., 103, 133, Wesensgleichheit 55, 126, 130, 136, 150,
193, 323, 402 161, 195, 267, 284, 326
Verstockung 287, 342 Wiedergeburt siehe Taufe
Versuchung 125, 219 Wille, göttlicher 31, 49, 52, 213, 222,
— Christi 186, 255, 274, 360, 389 224, 252 f., 255, 263, 265, 316, 386,
— menschliche 62, 396 397, 490, 502
Verwandlung siehe auch Freier Wille
— Christi 455, 480 Wirtschaft 503
— des Menschen 2, 64, 68, 143, 388, Wissen 10, 308 f.
427, 490 Wissenschaft 9, 114, 502, 517
— eines Opfers 367, 376 Wollen, menschliches 122
Sachregister 621

Wort, göttliches 73, 78, 116, 144, 214, Zeit und Raum 452, 465, 470, 472 ff.,
282, 287, 456, 487, 491 484
Wunder 21, 51, 111, 123, 159, 178, 193, Zeuge, Zeugnis 15, 17f., 30, 50, 76, 80,
201, 221 f., 249, 265, 282, 287 f., 290, 117 f., 120, 177ff., 268, 285, 291,
311, 313, 318, 383 ff., 390 f., 401, 439, 298, 314, 400, 426f., 431, 441, 465,
476, 498, 510 467, 483, 486, 492, 507, 530
siehe auch Besessenheit Zeugung, göttliche 167
Würde siehe auch Inkarnation
— Christi 112, 158, 209, 218, 248, 314 Zorn, göttlicher 16, 23, 26, 36, 44, 53,
— Marias 214 87 f., 91, 103, 371, 402
— des Menschen 58 Zulassung 62, 70, 254, 261
MICHAEL SCHMAUS

Katholische Dogmatik
Band I: Gott der Dreieinige
6. Auflage, XXVIII, 742 Seiten, brosch. DM 29.—,
Ln. DM 32.80
Band un: Gott der Schöpfer
6. Auflage, XXIV, 612 Seiten, brosch. DM 26.—,
Ln. DM 29.80
Band IU2: Gott der Erlöser
6. Auflage, XXII, 621 Seiten, brosch. DM 28.80,
Ln. DM 31.80

Band IIV/1: Die Kirche `


3./5. erweiterte Auflage, XVI, 934 Seiten, brosch. DM 34.—,
Ln. DM 37.50
Band IIV2: Die göttliche Gnade
5. Auflage, XII, 488 Seiten, brosch. DM 20.80,
Ln. DM 23.80
Band IV/1: Die Lehre von den Sakramenten
5. Auflage, XII, 804 Seiten, brosch DM 24.80,
Ln. DM 27.80

Band IV/2: Von den letzten Dingen


5. Auflage, XX, 747 Seiten, brosch DM 26.—,
Ln. DM 29.80
Band V: Mariologie
2. erw. Auflage, XVI, 502 Seiten, brosch DM 19.—,
Ln. DM 22.80

Übersetzungen ins Italienische und Spanische

„Eine Dogmatik, die nun schon in 6. Auflage erscheinen kann, hat ihre
Brauchbarkeit schon dadurch bewiesen. Diese Dogmatik ist vor allem wegen
ihrer guten Lesbarkeit, wegen der Stoffülle und des Eingehens auf die
aktuellen Fragen der Zeit ein für den Seelsorger geradezu ideales Werk. —
Sie bedarf keiner Empfehlung mehr, sie ist die Dogmatik unserer Zeit.“
Anzeiger für die katholische Geistlichkeit

MAX HUEBER VERLAG


Der Kult und der heutige Mensch
Herausgegeben von Michael Schmaus und Karl Forster
356 Seiten, Leinen DM 18.—

„In einer Zeit, in der Magie — offen und versteckt — den Menschen
bannt, ist die Frage nach dem Kult dringlich. Es entspricht dem
Menschen als leiblich-seelischem Wesen, Gott sinnfällig zu verehren.
Magie versucht die unheimlichen, unmenschlichen Mächte abzuwehren,
zu beschwichtigen oder für einen Zweck dienstbar zu machen. Kult
. dagegen ist zwecklos aber sinngefüllt.
Die beiden Herausgeber legen hier nun eine Sammlung von Bei-
trägen namhafter Fachleute vor, über nichtchristliche Kulte, den
christlichen Kult und über das Thema ‚Der Kult in der Welt‘. Der
Band unterrichtet nicht nur, er kann auch hilfreich für ein wesent-
liches Leben sein.“ Hessischer Rundfunk, Kirchenfunk
Wichtige Beiträge:
I. Einführungsvortrag: Sinn und Probleme des Kultes (Jungmann)
II. Von den nichtchristlichen Kulten: Die Bedeutung des Kultes im
Buddhismus — Cultural elements in confucianism — Der Kult im
Hinduismus — Kult in japanischen Religionen — Kult und Medi-
tation im Zen — Buddhismus — Das Kultische im japanischen Volks-
leben — Der Kult im Islam — Die kultischen Elemente in den afri-
kanischen Stammesreligionen — Nichtchristlicher Kult in Mexiko
III. Der christliche Kult: Darstellungsmittel und kultische Typik in
der Eucharistiefeier — Gewissen und Kult in tiefenpsychologischer
Sicht — La conscience religieuse et le culte — Der Kult in der Sicht
evangelischer Theologie — Kult und südamerikanisches Lebensgefühl
— Der Sinn des Kultes im orthodoxen Christentum
IV. Der Kult und die Welt: Der Kult im profanen Bereich und der
profanierte Kult — Psychologie des Kultes als Herrschaftsinstrument
totalitärer Systeme — Gefahren und Möglichkeiten für den religiösen
Kult in der modernen Gesellschaft — Förderung und Gefährdung des
Kultes durch die Technik — Gesellschaftliche Voraussetzungen des
Kultes
V. Schluß: Der Kult als Erfüllung echten Menschentums (Schmaus)
VI. Diskussionsbeiträge

MAX HUEBER VERLAG


Aktuelle Fragen zur Eucharistie
Herausgegeben von Michael Schmaus
196 Seiten, Leinen DM 12.80

Hier werden grundlegende Fragen aus dem Bereich der Eucharistie heraus-
gegriffen. Führende Theologen bieten in den vielverzweigten Fragen zu-
verlässige Orientierung: Johannes Auer, Klaus Mörsdorf, Karl Rahner,
Leo Scheffezyk, Michael Schmaus und Alois Winklhofer. Die Arbeiten
entwickeln einen Durchblick durch die innerste Lebensmitte der Kirche.
Da sich in der Eucharistie das Leben der Kirche am intensivsten vollzieht,
bedeuten die Aufsätze auch Antwort auf drängende Fragen des heutigen
Kirchenverständnisses.
„Wendet sich die Publikation zunächst auch an den Fachtheologen, so
interessiert sie gerade aber auch die Priester ‚an der Front‘, da sie zuver-
lässig über den Fortschritt der gegenwärtigen Theologie orientiert werden.
Exegese, Dogmengeschichte und die liturgische Erneuerung konnten nicht
ohne Einfluß auf das Problemfeld der Eucharistie bleiben. — Die Ver-
öffentlichung regt zu fruchtbarer Besinnung an.“ Klerusblatt
„Dieser Sammelband ist vor allem deshalb wertvoll, weil er aus einer
lebensnahen Theologie heraus viele Anregungen für eine echt katholische,
sakramentale Frömmigkeit geben kann.“ Die Sendung

Die mündliche Überlieferung


Beiträge zum Begriff der Tradition
Herausgegeben von Michael Schmaus
210 Seiten, Leinen DM 12.80

Inhalt: Vorwort — Tradition und Lehramt in der Diskussion um das


Assumpta-Dogma (Heinrich Bacht) — J. H. Newmans Beitrag zum Ver-
ständnis der Tradition (Heinrich Fries) — Das Konzil von Trient über das
Verhältnis der Heiligen Schrift und der nicht geschriebenen Traditionen
(Josef Rupert Geiselmann) — Register.
„Die drei Aufsätze bringen viele wertvolle Gedanken und geben dem
Dogmatiker reiches Material in die Hand, das noch seiner systematischen
und spekulativen Verarbeitung harrt.“ Stimmen der Zeit

MAX HUEBER VERLAG


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1960 SV, in 8, 25cm. 32540
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Contentss= Bde 1, Gott der Dreieinige, 6. erw. Aufl. 1960.-
Bd. 2, Halbbd, lẹ Gott der Schopfer, Ge Aufl, 1962,= Bd, 2,
Halbbd, 2, Gott der Erlöser, 6. verme Aufl, 19630» Bd. 3,
Helbbd, lə Die Lehre von der Kirche, 3.-5. vollig umgearb, Aufls
1958% Bd, 3, Halbbd. Ze Christi Fortleben und
Fortwirken in der Welt bis zu seiner Wiederkunfts 2, Tes Die
göttliche .Gnade, Bea Gite Aufle 1956,» Bde Kä Halbbd, łe Die
Lehre von den Sakramenten, 6. umgearbe und derw, Aufl, 1964”
Bde Zen Halbbd, Ze von den letzten Dingen, 5. stark verme
und umgearb, Aufl. 195% = Bde Be Mariologie, Ze erw. Aufls
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