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Anwendung von linearen

Strukturen auf partielle


Differentialgleichungen

Relja Glisic
Klasse 4h
MNG Rämibühl

Eine Maturitätsarbeit im Fach Mathematik


Betreut von Anh Huy Truong
0.1. METRISCHE RÄUME

0.1 Metrische Räume


Der Beginn des XX Jahrhunderts sieht in der Mathematik die Entwicklung der
Funktionentheorie, welcher diese Arbeit zugrunde liegt. Es stellte sich den dama-
ligen Forschern das Bedürfnis vor, stetige Funktionen in einer Veränderlichen zu
definieren, deren Argument beliebiger Art ist (Punkte, Zahlen, Kurven, usw). So
betrachteten die Forscher damals für jede dieser Arten von Argumenten den Begriff
des Grenzwertes (dieser ist nämlich zentral für den Begriff der stetigen Funktion)
und gaben ihm verschiedene Definitionen je nach Bedarf. Um diese mathematische
Unannehmlichkeit zu überwinden, verachtet Maurice Fréchet in seiner Arbeit Sur
quelques points du calcul fonctionnel [Fré06] die Art der Veränderlichen. Er redet
von abstrakten Mengen, deren Elemente willkürlicher Natur sind (nature quelcon-
que). Dabei kommt er auf die Idee, jedem Elementenpaar (A, B) einer Menge E
eine nichtnegative Zahl d(A, B) zuzuschreiben. Sie besitzt folgende Eigenschaften:
B und A sind gleich wenn d(A, B) = 0 ist; B strebt nach A, falls d(A, B) nach 0
strebt. Diese Quantität d(A, B) wirkt dabei wie ein Abstand zwischen A und B.
Somit erlaubte sich Fréchet, über Grenzwerte und Stetigkeit auf eine räumliche Art
zu denken. Unterdessen führt Fréchet metrische Räume ein. Die heutige Definition
eines metrischen Raumes lautet wie folgt.

Definition 1 (Metrischer Raum). Sei X eine Menge und d : X 2 → R eine Funktion.


Das Paar (X, d) nennen wir einen metrischen Raum, wenn d folgende 3 Eigenschaf-
ten besitzt:

1. Positivdefiniertheit: Für alle x, y ∈ X gilt d(x, y) ≥ 0. Es gilt nur dann


d(x, y) = 0, wenn x = y.

2. Symmetrie: Für alle x, y ∈ X gilt d(x, y) = d(y, x).

3. Es gilt die Dreiecksungleichung d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z) für in alle Tripel


x, y, z ∈ X.

Wir nennen d eine Metrik über X. Auf dem RN wird üblicherweise die euklid’sche
Metrik benutzt.

0.1.1 Die euklid’sche Metrik


Seien x = (x1 , ..., xN ) und y = (y1 , ..., yN ) zwei Vektoren in RN .

Behauptung 1. Folgende Funktion dE : RN × RN → R ist eine Metrik über RN :


v
u N
uX
dE (x, y) := t (xi − yi )2 . (1)
i=1

Umgangssprachlich benutzen wir für dE den Namen Euklid’sche Metrik oder Eu-
klid’sche Distanz. Sie ist diejenige Distanzfunktion, welche Abstände in unserer
dreidimensionalen Welt angibt. Wir beweisen an dieser Stelle, dass sie mit RN einen
metrischen Raum bildet.

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0.1. METRISCHE RÄUME

Beweis. Es wird an dieser Stelle die Dreiecksungleichung bewiesen, da die ersten


beiden Bedingungen offensichtlich sind. Wir betrachten also drei Vektoren x, y, und
z. Zu beweisen ist nun folgende Ungleichung:
v v v
u N u N u N
uX uX uX
t (x − z )2 ≤ t (x − y )2 + t (y − z )2 . (2)
i i i i i i
i=1 i=1 i=1

Nun ersetzen wir die Ausdrücke xi − yi und yi − zi mit si und ti . Durch Einsetzen,
Quadrieren und Ausmultiplizieren (...) auf beiden Seiten erhalten wir:
v
XN u N
uX N
X
2
si ti ≤ t si · t2i . (3)
i=1 i=1 i=1

Dies ist einfach die Cauchy-Schwarz’sche Ungleichung 1 .

1
Seien s1 , . . . , sn und t1 , . . . , tn reelle Zahlen. Gemäss Cauchy-Schwarz gilt folgende Unglei-
chung: (s1 t1 + . . . sn tn )2 ≤ (s21 + . . . s2n )(t21 + . . . t2n ).

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0.1. METRISCHE RÄUME

An dieser Stelle ermitteln wir den Fixpunktsatz von Banach. Es handelt sich um
einen wichtigen Satz über eine Klasse von metrischen Räumen.

Theorem 1 (Banach). Sei (X, dX ) ein vollständiger2 metrischer Raum und µ :


X → X eine Kontraktion3 . Dann hat µ in jeder abgeschlossenen Untermenge M
von X einen Fixpunkt.

Beweis. Wir nehmen einen beliebigen Wert x0 ∈ M und definieren die Folge (xn ):

xn = µ(xn−1 ).

Nun betrachten wir µ. Es gilt folgendes für eine gewisse Zahl k ∈ [0, 1):

dX (µ(x1 ), µ(x0 )) ≤ k · d(x1 , x0 );


dX (µ(x2 ), µ(x1 )) ≤ k · d(x2 , x1 );
..
.
dX (µ(xn+1 ), µ(xn )) ≤ k · d(xn , xn−1 ).

Wir sehen direkt, dass der Abstand zwischen xn und xn−1 nach 0 strebt. Dies bedeu-
tet, dass die Folge (xn ) einen Grenzwert x besitzt. Dieser Grenzwert ist tatsächlich
der Fixpunkt von µ, weil der Abstand zwischen x und µ(x) null beträgt.

2
Es heissen diejenigen Mengen vollständig, in welchen jede Cauchyfolge konvergiert.
3
Eine Abbildung µ : X → X heisst eine Kontraktion, wenn der Abstand zweier Abbildungen
in X stets kleiner ist als derjenige ihrer Urbilder.

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0.2. VEKTORRÄUME

0.2 Vektorräume
Den zentralen Gegenstand in der linearen Theorie bildet der Vektorraum. Vek-
torräume (oder besser lineare Räume) sind lediglich Mengen, deren Elemente additiv
und skalierbar sind. Sie sind besonders wichtig für diese Arbeit, weil tatsächlich auch
Funktionen lineare Räume bilden - somit ist zu erahnen, dass lineare Räume (und
vor allem komplexere Strukturen, welche auf ihnen aufbauen) im Rahmen der Dif-
ferentialprobleme Anwendung finden.
Sei V eine Menge und + (Addition) und · (Skalarmultiplikation) zwei Verknüpfungen.
Das Tripel (V, +, ·) ist ein Vektorraum über dem Körper4 R, wenn für alle v, w, u ∈ V
und α, β ∈ R folgendes gilt:

1. v + w ∈ V (Geschlossenheit unter Addition);

2. v + w = w + v (Kommutativität)

3. (v + w) + u = v + (w + u);

4. Es gibt ein 0 ∈ V sodass v + 0 = v (Neutrales Element 0 unter Addition);

5. Es gibt ein w ∈ V sodass v + w = 0 (Inverses Element);

6. α · v ∈ V (Geschlossenheit unter Skalarmultiplikation);

7. (α + β) = α · v + β · v (Distributivität unter Skalaraddition);

8. α · (v + w) = α · v + α · w (Distributivität unter V - Addition);

9. (α · β) · v = α · (β · v);

10. Es gibt ein 1 ∈ R sodass 1 · v = v (Neutrales Element unter Skalarmultiplika-


tion).

Die Elemente von V nennen wir Vektoren.

0.2.1 Bijektive lineare Abbildungen zwischen Vektorräumen


Definition 2 (Lineare Abbildung). Eine Abbildung f von einem Vektorraum V
auf einen anderen Vektorraum W (über den Körper K) nennen wir eine lineare
Abbildung, oder auch Homöomorphismus, wenn sie für alle v, w ∈ V und für alle
α ∈ K folgende zwei Eigenschaften besitzt:

1. f (v + w) = f (v) + f (w);

2. α · f (v) = f (α · v).

Definition 3 (Isomorphismus). Isomorphismen sind bijektive lineare Abbildungen.


Zwei Vektorräume nennen wir isomorph, wenn zwischen ihnen ein5 Isomorphismus
existiert.

4
Diese Arbeit handelt nur mit R als Körper.
5
Für einen Isomorphismus f in gewissen Räumen existiert mindestens noch ein anderer, nämlich
f −1 .

5
0.3. NORMIERTE RÄUME

0.3 Normierte Räume


Es ist aus verschiedensten Gründen nutzvoll, Vektoren ein Konzept der Länge zu-
zuordnen. Ein linearer Raum V heisst normiert, falls eine Funktion ∥ · ∥ : V → R+
existiert, eine Norm benannt, welche für t ∈ R und x, y ∈ V folgende Kriterien
erfüllt:

• ∥x∥ = 0 =⇒ x = 0; ∥x + y∥ ≤ ∥x∥ + ∥y∥;

• ∥t · x∥ = |t| · ∥x∥.

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0.4. INNERE PRODUKTRÄUME, BANACHRÄUME UND HILBERTRÄUME

0.4 Innere Produkträume, Banachräume und Hil-


berträume
IP-Räume Banachräume

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0.5. PARTIELLE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN

hier beginnt real talk

0.5 Partielle Differentialgleichungen


Nun handelt der Leser bequem mit den Grundlagen der Linearen Algebra und Funk-
tionenräumen (wie wir gesehen haben, Funktionenräume wurden aus linearen Struk-
turen geboren) und hat sich mit der Idee bekannt gemacht, dass diese eine zentrale
Anwendung finden im Rahmen der Differentialgleichungen, ob gewöhnlich oder par-
tiell.
Der Funktionentheoretiker hat sich durch die Geschichte weniger dafür interessiert,
partikuläre Lösungen eines Problems zu finden - dies findet er nämlich unsauber,
sogar unterwürfig. Der Grund dafür ist, dass z.B. in der mathematischen Physik
mit der Zeit immer öfter Probleme auftauchten, dessen partikuläre Lösung (prak-
tisch) unmöglich ist aufzuschreiben - vergleichbar mit elliptischen Integralen in der
gewöhnlichen Analysis. Anstattdessen versuchte der Funktionentheoretiker zu ermit-
teln, ob ein Problem eine Lösung hat, welche in einem gewählten Raum enthalten
ist.

0.5.1 Die Poisson-Gleichung


In der Elektrodynamik und der Newton’schen Mechanik trifft man auf zwei de-
ckungsgleiche Partialdifferentialgleichungen, welche folgende Form einnehmen: Ge-
sucht wird jeweils ein Potential u, dessen Laplace auf einem offenen (streng genom-
men auch beschränkten) Gebiet D ⊆ Rd einer gegebenen Funktion f entspricht
(−∆u = f auf D). Dazu ist weit verbreitet, dass eine Randbedingung vorliegt. Wir
untersuchen sogenannte Dirichlet’sche Randbedingungen. Sie können homogen oder
inhomogen sein:
(
∆u = f auf D, f ∈ L2 (D)
homogen (4)
u = 0 auf ∂D

(
∆u = f auf D, f ∈ L2 (D)
inhomogen (5)
u=g auf ∂D, g ∈ C(∂D)

Diese Art von PDG wird auch Poisson’sche Gleichung genannt. Im Rahmen dieser
Arbeit suchen wir nach der Existenz einer schwachen Lösung von (1) und (2), und
zwar einer solchen Lösung, die im Funktionenraum H01 (D) := W01,2 (D) enthalten ist
(grund dafür - bei H01 (D) bieten sich Hilbertraummethoden an). Für (2) nehmen wir
dazu an, dass g eine H01 (D)-Erweiterung annimmt, in anderen Worten, es existiert
eine Funktion g̃ ∈ H01 (D) ∩ C(DC ), sodass g̃ = g auf ∂D.

Definition 4 (Schwache Lösung der Poisson-Gleichung mit homogener Randbedin-


gung). Ein u ∈ H01 (D) wird eine schwache Lösung von (1) genannt, wenn für jedes
ϕ ∈ Cc∞ (D) folgendes erfüllt ist:
Z Z
∇u∇ϕdx = ϕf dx.
D D

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0.5. PARTIELLE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN

Definition 5 (Schwache Lösung der Poisson-Gleichung mit inhomogener Randbe-


dingung). Ein u ∈ H01 (D) wird eine schwache Lösung von (2) genannt, wenn für
jedes ϕ ∈ Cc∞ (D) folgendes erfüllt ist:
Z Z
∇u∇ϕdx = f ϕdx;
D D
u − g̃ ∈ H01 (D).
Um zu beweisen, dass (1) und (2) schwache Lösungen besitzen, brauchen wir
ein grundlegendes Lemma von Poincaré, das die p−Norm von W01,p -Funktionen
abschätzt.
Lemma 1 (Poincaré). Sei D ⊆ Rd beschränkt und sei 1 ≤ p < ∞. Es existiert eine
von D und p abhängige positive Konstante C sodass für jede Funktion f ∈ W01,p (D)
folgende Ungleichung der Normen gilt:
∥f ∥p ≤ C∥∇f ∥p .
Dazu definiert ∥|f |∥ := ∥∇f ∥2 eine zu ∥ · ∥2 äquivalente Norm.
An dieser Stelle weisen wir auf einen Beweis dieses Lemmas hin, sowie auf den
Beweis des Theorems 1 ([?], Th. 11.34, Th. 11.35). Wie wir gleich sehen werden, folgt
der Beweis des Theorems 2 ziemlich nahe an den Anweisungen aus dem Theorem 1
- aus diesem Grund führen wir Theorem 1 hier vollständig durch.
Theorem 2 (Poisson-Gleichung, homogene Randbedingungen). Für beschränkte
D ⊆ Rd besitzt (1) eine schwache Lösung.
R
Beweis. Als erster Schritt möchten wir zeigen, dass der Operator L : h 7→ D hf dx
ein beschränkter Funktional von H01 (D) nach R ist. Mittels Cauchy-Schwarz und
Poincaré sehen wir direkt:
|L(h)| ≤ ∥h∥2 ∥f ∥2 (Cauchy-Schwarz)

≤ C∥∇h∥2 ∥f ∥2 (Poincaré)


= C ∥|h|∥ · ∥f ∥2 .

Aufgrund des Riesz’schen Darstellungssatzes existiert nun ein eindeutiges u ∈ H01 (D)
sodass
h ∈ H01 (D) ⇒ L(h) = ⟨h, u⟩H01 (D) .
Anschliesslich überprüfen wir ob der Rieszpunkt u von L eine schwache Lösung von
(1) ist. Dafür schreiben wir das innere Produkt explizit aus.
Z Z
1
h ∈ H0 (D) ⇒ ∇h∇udx = hf dx.
D D

Insbesondere gilt dies für Testfunktionen, beziehungsweise für h in Cc∞ (D), da Cc∞ ⊆
H01 (D). Daher ist der Rieszpunkt u tatsächlich eine schwache Lösung von (1). Nun
nehmen wir an, es gäbe eine andere schwache Lösung v ∈ H01 (D) von (1). Dann
erhalten wir wiederum
Z Z

h ∈ Cc (D) ⇒ (∇u − ∇v)∇hdx = (f − f )hdx
D D
= 0.

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0.5. PARTIELLE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN

R
Wir wenden dieses Resultat auf das innere Produkt ⟨a, b⟩H01 (D) := D
∇a∇bdx an:

h ∈ Cc∞ (D) ⇒ ⟨(u − v), h⟩H01 (D) = 0


⇒ u = v.

Dies vervollständigt den Beweis.

Theorem 3 (Poisson-Gleichung, inhomogene Randbedingungen). Für beschränkte


D ⊆ Rd besitzt (2) eine schwache Lösung.

Beweis. Wir definieren den Operator H :

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Literaturverzeichnis

[Fré06] M Maurice Fréchet. Sur quelques points du calcul fonctionnel. Rendiconti


del Circolo Matematico di Palermo (1884-1940), 22(1):1–72, 1906.

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