Sind Lügen in
der Politik ein
legitimes Mittel?
Von Matheo Hattendorf 11.7
IGS Langenhagen
21.5.2022
Politikessay: Sind Lügen in der Politik ein legitimes Mittel? Matheo Hattendorf
Die letzten Jahre der globalen Politik wurden durch einige der
einflussreichsten und größten Politiker unserer Zeit geprägt und verändert.
Die Art, wie Politik sich darstellt, ist schon immer abhängig von der Zeit, in
der sie gemacht wird und in den vergangenen Jahren hat sich die Politik zu
einem Minenfeld aus Lügen und falschen Versprechungen entwickelt. Donald
Trump, ehemaliger Präsident der USA, hat in seiner Wahlkampagne den
Begriff Fake News stark publiziert. Damit gemeint sind Falschwahrheiten, die
von der Presse oder Politikern veröffentlicht werden, um sich selbst in ein
besseres Licht zu stellen, oder um andere zu diffamieren. Solche Fake News
reichen von Trump, der die Besucherzahl seiner Vereidigung falsch
publiziert, bis zu der russischen Regierung, die den Abschuss eines
Passagierflugzeugs leugnet1. Durch diese aufgekommene Welle an
politischen Unwahrheiten stellt sich die Frage, ob Lügen in der Politik ein
legitimes Mittel sind oder ob Lügen in der Politik nur dann legitim sind, wenn
sie auch der Gesellschaft nutzen.
Einige Bereiche der Politik sind stärker von politischen Lügen betroffen als
andere. Gerade der Wahlkampf einer Partei, strotzt regelrecht vor Lügen, da
es das Ziel einer Partei ist, einen möglich guten Eindruck bis zu den Wahlen
zu machen und ihre Fähigkeit, durch Belege unter Beweis zu stellen. Statt
also offen mit Statistiken und Untersuchungen umzugehen, wird im
Wahlkampf häufig einiges verschwiegen und ein möglichst reines Image
bewahrt. Natürlich gibt es auch Parteien und Menschen, die das Gegenteil
machen und auch schon während des Wahlkampfes ihre Fehler
1
Politikessay: Sind Lügen in der Politik ein legitimes Mittel? Matheo Hattendorf
Nun stellt sich die Frage, warum man trotz solcher Risiken eine Lüge in der
Politik auf sich nehmen sollte. Um dies jetzt zu erläutern, werde ich die Frage
in zwei Bereiche aufteilen, in politische Lügen aus parteiinternen &
wirtschaftlichen Interessen und eigennützigen Gründen, sowie politische
Lügen aus gesellschaftlichen Interessen, um den Staat international besser
zu vertreten7. Eine Partei zielt immer darauf ab, möglichst gut bei der breiten
Masse anzukommen, sei es im Wahlkampf oder im generellen politischen
Leben. Um also das Image einer kompetenten und ordentlich geführten
Partei zu wahren, bietet es sich an, die Wähler zufriedenzustellen und statt
mit der Wahrheit, mit dem zu versorgen, was sie hören wollen 4. Diese Lügen
sind es auch, die häufig öffentlich als unmoralisch und falsch angesehen
werden. Den Ruf einer einzelnen Partei durch Lügen retten zu wollen, führt
zu den eben erwähnten Skandal Kreislauf und sorgt damit zur regelrechten
Zerstörung einer Partei oder eines Politikers8.
Politische Lügen im Interesse der Gesellschaft werden im Gegensatz dazu
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Politikessay: Sind Lügen in der Politik ein legitimes Mittel? Matheo Hattendorf
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Politikessay: Sind Lügen in der Politik ein legitimes Mittel? Matheo Hattendorf
zielen häufig darauf ab, einen Kompromiss zu finden, der die Interessen
beider Parteien gleichermaßen vertritt 12. Eine Strategie dies zu erreichen ist,
sich schwächer darzustellen, als man ist. Ein Kompromiss fällt dann gerecht
aus, wenn beide Parteien gleichermaßen beteiligt sind und von diesem
profitieren, sich also schwächer zu verkaufen, bringt Vorteile mit sich.
Behauptet die Regierung eines Landes, das Land würde nicht genug
Ressourcen und Möglichkeiten für eine gerechte Zusammenarbeit haben, so
wird der Verhandlungspartner auf einen zukommen und den Kompromiss
angenehmer auslegen müssen13. Mögliche negativen Folgen einer solchen
Verhandlung fallen also geringer aus und die Gesellschaft wird weniger
belastet.
Trotz der positiven Auswirkungen, die politische Lügen haben können, bleibt
die Frage nach der Legitimität. Die Politik ist kein vorgeschriebener Apparat,
sie wird vom aktuellen Zeitgeist geprägt und von den großen Politikern
bestimmt, was vielleicht vor 300 Jahren noch denkbar war, würde heute
möglicherweise völlig verachtet werden 14. Dementsprechend verändert sich
auch die Einstellung zur Lüge in der Politik. Philosophen wie Kant oder von
Aquin waren sich sicher, „[Lügen würden] die Verständigung und das
Vertrauen unter den Menschen zerstören“ 15 und seien in keinem Fall zu
gebrauchen, im Gegensatz dazu sind Lügen heutzutage im täglichen
Gebrauch normal.
Diese Verschiebung der Sicht lässt sich auch auf modernere Ansichten
zurückführen. Mittlerweile gibt es viele Vertreter, die der Meinung sind, Lügen
sei eine Kunst. Es sei ein Teil der Rhetorik und ein Talent, das man sich
aneignen kann, wie jedes andere 16. Statt also auf die Tatsache zu schauen,
dass gelogen wurde, solle man in Zukunft eher auf den Zweck der Lüge
schauen. Um dies weiter zu erläutern, knüpfe ich nochmal an meine
Unterscheidung der politischen Lüge an, politischen Lüge aus
wirtschaftlichen und aus eigennützigen Gründen sollte man demnach
verurteilen, da der Zweck der Lüge ein moralisch fragwürdiger ist. Eine
politische Lüge aus gesellschaftlichem Interesse, mit guten moralischen
Zielen, sei der These nach nicht zu verurteilen.‘
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Politikessay: Sind Lügen in der Politik ein legitimes Mittel? Matheo Hattendorf
Persönlich bin ich kein direkter Vertreter beider Ansichten, ich denke, die
Politik passt sich dem Zeitgeist an. Sollte die politische Konkurrenz über ihre
Zahlen lügen, um sich damit besonders gut darzustellen, dann ist man als
Partei auch gezwungen, zumindest ein wenig die Realität zu verzerren, um
nicht zurückzubleiben. Das heißt nicht, dass ich politische Lügen gutheiße,
ganz im Gegenteil. Ich bin der Meinung, dass man gerade in der Politik
besonders ehrlich sein sollte, da eine Partei die Verantwortung für ein
ganzes Land und Millionen Menschen trägt und eine Vorbildfunktion für eine
Gesellschaft hat. Insbesondere als föderalistisches Land, sollte man eine
ehrliche Politik führen, da gerade hier, die direkte Zusammenarbeit noch viel
wichtiger ist. Falls sich jedoch Lügen nicht vermeiden lassen, sollten es
ausschließlich welche sein, die auch der Gesellschaft dienen.
Aufbauend auf meine Stellungnahme, möchte ich ein Fazit schließen. Die
Hypothese, „sind Lügen in der Politik ein legitimes Mittel?“, lässt sich
bestätigen. Was in der Politik erlaubt ist und was nicht, bestimmt die Politik
selbst, sie verändert sich ständig und ihre Regeln auch. In unserer heutigen
Zeit sind Lügen in der Politik, durchaus zum Alltag geworden, gerade durch
die großen Mächte, unter Anführern wie Trump, Putin und Jinping haben
sich Lügen immer stärker etabliert. Der zweite Teil meiner Hypothese, lässt
sich dadurch widerlegen, Lügen sind nicht nur legitim, „wenn sie auch der
Gesellschaft dienen“. Lügen werden zwar nicht erst legitimiert, wenn sie der
Gesellschaft dienen, aber häufig erst dann akzeptiert. Eine gemeinnützige
Lüge wird in der Regel eher toleriert als eine eigennützige, gerade die
Medien präsentieren hier die Meinung der breiten Masse und sollte eine
Lüge gegen den Konsens der Gesellschaft vorgehen, so wird diese stark
kritisiert. Die Zukunft der Politik ist unklar, ob wir weiterhin Lügen, oder zur
strengen Ehrlichkeit übergehen, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, die
Politik als Entität können wir nur schwierig kontrollieren. Ein wenig mehr
direkte Ehrlichkeit unter den größten Staaten würde aber mit Sicherheit nicht
schaden.
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Politikessay: Sind Lügen in der Politik ein legitimes Mittel? Matheo Hattendorf
Anhang:
1
Vgl. Helmut König (2020), Lügen und Täuschungen in den Zeiten von Putin,
Trump& co., 1. Aufl., Bielefeld, S.1: „Wladimir Putin ist seit August 1999 bis
heute entweder als Präsident oder als Premierminister der maßgebliche
Mann in Russland, und der von ihm praktizierte Regierungsstil wird von
vielen Beobachtern mit der durchaus fragwürdigen Ehre eines eigenen
Begriffs bezeichnet, als Putinismus. Donald Trump wurde am 8. November
2016 zum Präsidenten der USA gewählt und am 20. Januar 2017 in sein
Amt eingeführt. So unterschiedlich diese beiden Männer und die
Regierungen, denen sie vorstehen, in vielem sind, so ähneln sie einander
doch zweifellos darin, dass sie es — um das mindeste zu sagen — mit der
Wahrheit nicht sonderlich genau nehmen.“
2
Vgl.
https://openscience.ub.unimainz.de/bitstream/20.500.12030/4619/1/1000006
83.pdf [aufgerufen: 18.05.2022 17:40] S.18
3
Vgl. https://www.tagesschau.de/investigativ/br-recherche/maskenaffaere-
keine-prioritaet-101.html [aufgerufen: 17.05.2022 15:33]
4
Vgl.
https://openscience.ub.unimainz.de/bitstream/20.500.12030/4619/1/1000006
83.pdf [aufgerufen: 18.05.2022 17:40] S.110
5
Vgl.
https://openscience.ub.unimainz.de/bitstream/20.500.12030/4619/1/1000006
83.pdf [aufgerufen: 18.05.2022 17:40] S. 113
6
Vgl.
https://openscience.ub.unimainz.de/bitstream/20.500.12030/4619/1/1000006
6
Politikessay: Sind Lügen in der Politik ein legitimes Mittel? Matheo Hattendorf
8
Vgl. https://www.spiegel.de/thema/wissenschaftsplagiate/ [aufgerufen:
21.05.2022 20:00]: Als Beispiel für die zerstörte Karriere eines Politikers,
nach Vorwürfen und seinen Lügen.
9
Vgl. https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/245217/luegen-und-politik-
im-postfaktischen-zeitalter/ [aufgerufen: 17.05.2022 16:00]
10
Vgl. Buchners Kolleg Geschichte (2018), 1. Aufl., Bamberg, S. 163: „Die
Propaganda übertönte jede Kritik, selbst innerhalb der SED. Sie wirkte nicht
zuletzt im westlichen Ausland, wo man die Missstände in der DDR kaum
wahrnahm. Dabei halfen populäre Maßnahmen und Inszenierungen wie die
Einweihung des modernen Sport- und Erholungszentrums in Ost-Berlin
(1981) oder der Wiederaufbau der Semperoper in Dresden.“
11
Vgl.
https://openscience.ub.unimainz.de/bitstream/20.500.12030/4619/1/1000006
83.pdf [aufgerufen: 18.05.2022 17:40] S. 126
12
Vgl.
https://openscience.ub.unimainz.de/bitstream/20.500.12030/4619/1/1000006
83.pdf [aufgerufen: 18.05.2022 17:40] S. 115
13
Vgl.
https://openscience.ub.unimainz.de/bitstream/20.500.12030/4619/1/1000006
83.pdf [aufgerufen: 18.05.2022 17:40] S. 116
14
Vgl. Hannah Arendt (1972), Wahrheit und Lügen in der Politik, 1. Aufl. dt.,
München, S. 10: „[…] Herrscher, […] in ihre Fähigkeit, die Geschichte immer
wieder umzuschreiben, um die Vergangenheit der ‚politischen Linie‘ des
Augenblicks anzupassen; oder in ihre Möglichkeit, Fakten auszumerzen, die
wie etwa Arbeitslosigkeit in einer sozialistischen Wirtschaft nicht zu ihrer
Ideologie passen, indem sie einfach deren Vorhandensein leugnen.“
15
Vgl. https://brill.com/view/book/edcoll/9783846762486/BP000022.xml
[aufgerufen: 18.05.2022 17:20] S. 1
16
Vgl. https://brill.com/view/book/edcoll/9783846762486/BP000022.xml
[aufgerufen: 18.05.2022 17:20] S. 84
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