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13. Oktober 2022

Notizen zu Rütger Esséns “Die


russische Gleichung” (2)
Martin Lichtmesz / 33 Kommentare

"Man sagt nicht selten, daß die Gewalt keine Probleme lösen kann", so
Rütger Essén 1941 in seiner Schlußbetrachtung zu Die russische Gleichung.

“Das ist, geschichtlich betrachtet, eine Unwahrheit”,


fährt er fort. “Die Gewalt, und vor allem die organisierte
Gewalt in ihrer höchsten Potenz, dem Krieg, hat viele
geschichtliche Probleme gelöst.”

Das ist eine harte Wahrheit, die auch in den heutigen


sogenannten westlichen Demokratien wieder in die
Martin Lichtmesz ist Mode gekommen ist. Denn der Konsens des Main-
freier Publizist und streams ist, daß das Problem Russland-Ukraine aus-
Übersetzer. schließlich mit Gewalt zu lösen sei; der bloße Gedanke an
“Verhandlungen” gilt als verpönt und wird als gefährli-
!
"
#
$
% & ches “Appeasement” abgekanzelt.

Essén sieht die Rolle der Gewalt allerdings auf einen


“operativen Eingriff” beschränkt. Sie kann keine “Werte
schaffen”, sondern nur dem “Schaffen eine neue Richtung und neue Voraus-
setzungen” geben. In dem “Riesenkampf” , der im Juni 1941 begonnen hat,
sah er die Chance, “eine Lösung des russischen Problems zu schaffen”, und
zwar eine “dauerhafte und haltbare” – also sozusagen eine “Endlösung der
Russenfrage”, allerdings keine genozidale.

Sie könne etwa so funktionieren: Das “Sowjetregime und seine Träger” müs-
se gestürzt und die Ausdehnung des Russischen Reiches beschnitten werden,
vor allem im Westen, aber auch teilweise im asiatischen Teil (insbesondere,
was die Grenzziehungen zur Mongolei und zur Mandschurei angeht, die zu
diesem Zeitpunkt unter japanischer Kontrolle war).

Der russische Bevölkerungszuwachs soll nach Osten, Richtung Ural und Sibi-
rien, abgeleitet werden, ebenso wie der “unwiderstehliche und irrationale”,
geradezu triebhafte Drang nach Expansion, der diesem “Volksdasein” eigen
sei. Das russische Volk sei überhaupt von einem starken “Nomadenzug”
gekennzeichnet, der ihm die “tiefe Verwurzelung in der Landtradition”
erschwere, “die für die europäischen Kulturvölker kennzeichnend ist.”

Das Baltikum müsse komplett von der russischen Vorherrschaft befreit wer-
den, Finnland solle “seine natürliche und strategisch gegebene Grenze vom
Finnischen Meerbusen über den Ladoga und Onega zum Weißen Meer”
erhalten. Die “Wohngebiete der russischen Volksgruppen” sollen durch
Umsiedlung verändert werden, etwa in Karelien:

Die russische Bevölkerung, die jetzt in diesen Gegenden wohnt, ist zum
größten Teil im letzten Vierteljahrhundert mit Zwangsmitteln nach dort
transportiert worden und kann deshalb auch am besten im eigenen und
allgemeinen Interesse zurücktransportiert werden.

Da die “russische Gleichung” nicht lösbar, sondern nur reduzierbar sei, wird
Rußland jedoch als geopolitischer Faktor bestehen bleiben:

Großrußland mit bedeutend über 100, bald vielleicht 150 Millionen Ein-
wohnern [heute sind es 144 Millionen. – ML ] , wird nach wie vor in seiner
gewaltigen Ausdehnung vom Finnischen Meerbusen bis zum Stillen
Ozean [Pazifik] daliegen, mit seinen fruchtbaren Ebenen, seinen Wäl-
dern, seinen reichen Rohstoffquellen aller Art und seiner geduldigen,
arbeitenden und reich begabten Bevölkerung.

Dieses Reich und dieses Volk werden nach dem engültigen Verunglücken
der verfehlten europafeindlichen Eroberungspolitik zu ihrem eigenen
Nutzen und Frommen darauf angewiesen sein, an der eigenen inneren
Entwicklung zu arbeiten.

Freilich würde eine Niederlage der Sowjetherrschaft zunächst “eine neue


Periode eines starken ausländischen Kontrolleinflusses im Dasein des russi-
schen Volkes erzwingen”, der jedoch “nicht bis in alle Ewigkeit dauern” werde
(was auch immer diese vage Angabe bedeuten soll). Das post-bolschewisti-
sche Rußland werde nach seiner Eindämmung und Befriedung einen “eigen-
artigen russischen Nationalismus” entwickeln, der “abendländische Einflüsse”
auf “positive und aufbauende Weise geltend machen könnte.”

Ideen dieser Art wären wohl auch für antibolschewistische russische Natio-
nalisten dieser Zeit unannehmbar gewesen. Zu phantastisch erscheint die
Vorstellung einer wohlwollenden “ausländischen” Kontrollmacht, die das rus-
sische Volk in einem gewaltigen, politisch umhegten eurasischen Garten
wachsen und gedeihen läßt, und sich insbesondere verkneift, sich an den
noch heute äußerst gefragten “reichen Rohstoffquellen aller Art” zu
vergreifen.

Zumal dieser ausländische Hegemon, der im Jahr 1941 nach Esséns Vorstel-
lung das bolschewistische Regime stürzen und nach dem Sieg die Eindäm-
mung Rußlands gewährleisten sollte, das Großdeutsche Reich unter natio-
nalsozialistischer Führung war. Allein würde es dieses Kunststück jedoch
nicht vollbringen können. Essén schrieb:

Die erste Voraussetzung für die europäische Sicherheit im Osten ist die
Schaffung einer europäischen Einheitsorganisation.

Mit anderen Worten eine Art Europäische Union, die zu diesem Zeitpunkt
natürlich aus mehr oder weniger faschistischen Staaten bestehen und in der
Deutschland die vorherrschende Rolle spielen würde, vielleicht mit Italien als
“Unterchef” in Süd- und Südosteuropa. Dies schreibt Essén nicht so direkt,
wie ich es hier tue, aber es geht aus seiner Argumentation klar hervor, wohin
die Reise gehen soll.

Weltanschaulich sieht er den Krieg so, wie er im wesentlichen auch heute


noch gesehen wird, wenn auch mit unterschiedlicher Wertung: Als Kampf
zwischen Bolschewismus/Kommunismus, Liberalismus/Demokratie (die als
Fassade für eine faktische “Plutokratie” gewertet wird) und eben
Faschismus/Nationalsozialismus, in Dugin’schen Begriffen zwischen erster,
zweiter und dritter “politischer Theorie”.

Für Essén kann das “Abendland” bzw. “Europa” bzw. “die europäische Kultur
und Zivilisation” in der weltpolitischen Lage des Jahres 1941 allein durch
autoritäre Nationalismen verteidigt werden, die auf der Grundlage eines
“gutorganisierten nationalen Wirtschaftssystems” (Korporatismus) und
eines “völkischen Zusammengehörigkeitsgefühls” (Prinzip der Volksgemein-
schaft, die den Klassenkampf aufhebt) beruhen.

Liberalismus und Parteiendemokratie seien dazu nicht imstande, und hätten


vielmehr den Zwillingen Plutokratie und Bolschewismus das Feld geebnet:

(…) ein entnationalisierter Raubkapitalismus, für den das Wirtschafts-


leben nur ein Feld der Ausbeutung darstellt, ist dagegen der nächste
Vorläufer des Bolschewismus.

Essén vollzieht nicht allerdings den in der NS-Doktrin und -Propaganda übli-
chen Schritt, “Bolschewismus” und “Plutokratie” als nur scheinbar verfeinde-
te Masken des “Weltjudentums”, das in Washington ebenso das Sagen habe
wie im Kreml, zu subsumieren.

Das Vorhaben, ein geeintes faschistisches Europa bzw. eine Art europäische
Föderation der faschistischen Staaten zu erschaffen, die imstande sei,
sowohl dem transatlantisch-kapitalistischen als auch dem östlich-bolsche-
wistischen Feind zu trotzen, wurde bekanntlich niemals verwirklicht und hät-
te unter den Bedingungen des Krieges wohl auch nicht verwirklicht werden
können.

In der NS-Propaganda tauchte zwar immer wieder das Schlagwort eines


vage definierten “Neuen Europa” auf, ein Ziel, das Teile der NS-immanenten
Opposition und etliche “Eurofaschisten” (man denke an Drieu La Rochelle)
ernsthaft anstrebten, das sich aber rasch als Deckmantel für das chauvinis-
tisch-imperialistische Streben der deutschen Führung entpuppte.

Hans Werner Neulen schreibt in seinem Standardwerk An deutscher Seite


(1985) über die internationalen Freiwilligen der Wehrmacht und Waffen-SS:

Hitler und seine Satrapen waren die besten Garanten dafür, das Ver-
trauen der europäischen Völker in eine supranationale Ordnung zu zer-
stören. Das nationalsozialistische Dogma der unterschiedlichen rassi-
schen Wertigkeit der Völker mußte jede Einheit Europas sprengen. Die
rassenbiologische Optik Berlin engte Europa auf den germanisch dekla-
rierten Raum ein. Aber selbst die germanischten Völker konnten kaum
erwarten, in Hitlers Nachkriegseuropa ihr eigenständiges und autono-
mes Staatsleben zu behalten. Holland, Belgien, Dänemark und Norwe-
gen hätten im besten Fall den Status gleichgeschalteter Vasallenstaa-
ten erhalten, wahrscheinlicher ist, daß sie Provinzen bzw. Reichsgaue
des Großgermanischen Reiches geworden wären.

Noch schlechter wäre es wahrscheinlich den slawischen und baltischen Völ-


kern ergangen:

Polen, die Tschechei, das Baltikum, die Ukraine, für sie war Platz im
Neuen Europa nur als Siedlungsgebiet der germanischen Kernvölker, ihr
nationales Volksleben sollte ausgelöscht werden. Betrachtete Hitler
Europa mithin allein als deutschen Verfügungsraum, so konnte das
Reich nie ein positives Ordnungsbild entwickeln, das bei der Mehrheit
der Europäer hätte Vertrauen erwecken können.

Eine “eurofaschistische” Allianz hätte sich aus recht heterogenen Bestand-


teilen zusammensetzten müssen: Erstens, aus Ländern, die nicht von
Deutschland besetzt waren, in denen aber ideologisch verwandte Regime
herrschten (Italien, Spanien, Rumänien, Ungarn, Portugal, Bulgarien,
Slowakei…);

zweitens aus militärisch besetzten Ländern, in denen die Besatzungsmacht


ideologisch verwandte Regime installiert oder auf andere Weise die Kontrolle
übernommen hatte (Frankreich, Norwegen, Dänemark, Belgien, Kroatien,
Niederlande…);

drittens aus Ländern, die angesichts der sowjetisch-russischen Bedrohung


keine andere Wahl hatten, als ein Bündnis mit Deutschland einzugehen
(Finnland, die baltischen Staaten, die 1940 von der Sowjetunion besetzt, 1941
von Deutschland “befreit” wurden). Hinzu kamen besetzte Länder, aus
denen praktisch nichts zu holen war, weder Verbündete noch Kriegsfreiwillige
(Polen, Tschechien, Griechenland…).

Hätten der Antibolschewismus und die Furcht vor der Eroberung durch den
Osten allein genügt, um eine “europäische Einheitsorganisation” zusammen-
zuschmieden? Mit Sicherheit nicht.

In den Ländern der zweiten Kategorie wurde die deutsche Besatzung von der
Mehrheit der Menschen als unmittelbareres Joch empfunden als die nur
potentielle Gefahr aus dem Osten; wer sich den Okkupanten anschloß, galt
in den Augen großer Teile der Bevölkerung als Landesverräter, auch wenn er
paradoxerweise aus radikalnationalistischen Motiven handelte.

Der Antibolschewismus bedeutete zudem in vielen besetzten Ländern auch


eine Bürgerkriegserklärung nach innen, denn sie waren noch nicht von Kom-
munisten und Sozialisten “gesäubert” wie das nationalsozialistische
Deutschland.

Wie sah es nun mit den Völkern der Sowjetunion aus? Essén empfahl: “Das
russische Reich kann entsprechend seinen Hauptvolksstämmen zersprengt
werden.” Eine Schlüsselrolle spiele hierbei die Ukraine:

Der Ukraine kann eine eigene staatliche Zukunft und eine neue Zielset-
zung ihrer Entwicklung gegeben werden. (…)

Überhaupt sei die Ukraine das “erste und größte Problem” der großrussi-
schen Staatsbildung, welche genau an dieser Schwachstelle sabotiert wer-
den könne:

Es ist der Sowjetherrschaft, ebenso wie der Zarenherrschaft, nicht


gelungen, aus den großrussischen und kleinrussischen Volksstämmen
eine einheitliche Nation zu bilden. Das Verhältnis der Ukraine zu Groß-
rußland erhielt besonders in der Sowjetzeit in steigendem Maß den
Charakter einer Ausbeutung. Das selbständige Dasein der ukrainischen
Nationalität auf dem sprachlichen und kulturellen Gebiet läßt sich nicht
mehr bestreiten. Es liegt im allgemeinen Interesse des ukrainischen Vol-
kes und Europas, daß die Entwicklung zu staatlicher Unabhängigkeit,
die durch die bolschewistische Eroberung 1918/19 unterbrochen wurde,
erneut aufgenommen wird.

Die Ukraine scheint zu diesem Zeitpunkt für so manchen Sympathisanten


des Nationalsozialismus und des Deutschen Reichs eine große Anziehungs-
kraft gehabt zu haben. Etwa zur selben Zeit wie Essén, im Juli 1941, geriet
zum Beispiel der französische Faschist Jacques Benoist-Méchin in einen
“Slava Ukraina”-Taumel und träumte von einer unabhängigen Ukraine, die
zum Schmuckstück einer neuen europäischen Ordnung werden könne.

Im Vorwort zu seinem 1939 verfaßten, 1941 publizierten schwärmerisch-


schwülstigen Pamphlet L’Ukraine des origines à Stalin (Die Ukraine von ihren
Anfängen bis Stalin) schrieb er:

Die Ukraine, Land der Krieger und Dichter, der “Hetmans” und der
Ackerbauern, in dem die Musik und der Heroismus ebenso zur Land-
schaft gehören wie die Weite der Erde und des Himmels, das Land von
Stenka Rasin und Nestor Machno, das Land des bewundernswerten
Gogol, des Autors der “Toten Seelen”, der uns unter diesem Titel das
Porträt einiger der lebendigsten Seelen überhaupt hinterlassen hat. (…)

Wieder taucht am Horizont die begehrte Ukraine auf, deren Erntefelder


wie Jasons Goldenes Vlies durch einen Vorhang aus Feuer und Blut
leuchten. Und dieses Mal ist es nicht das geschlossene Getrampel der
mongolischen Horden, die aus den Tiefen der asiatischen Steppe heran-
strömen, sondern das mächtige Dröhnen der Panzerdivisionen der
Wehrmacht, die den großen Kreuzzug des Abendlandes ankündigen.

Essén sieht ebenfalls einen schicksalshaften Wendepunkt in der abendländi-


schen Geschichte gekommen, drückt dies allerdings viel nüchterner aus. Ein
befreite, staatlich unabhängige Ukraine

… wird eine bedeutende Veränderung im europäischen Dasein mit sich


bringen. Die Ukraine ist ihrer ganzen Natur nach europäischer als es
das bisherige russische Reich im großen und ganzen gewesen ist. Hier
sind die Voraussetzungen für eine neue und positive Entwicklung von
größter Bedeutung vorhanden. Aber nur Rußlands Niederlage hat diese
Möglichkeit eröffnen können.

Nicht anders als Jahrzehnte später der amerikanisch-polnische Geostratege


Zbigniew Brzeziński, erblickt Essén in der Ukraine den entscheidenden Riegel,
mit dem Europa vor dem Zugriff Rußlands abgesichert und mit dem Ruß-
lands imperiales Streben eingedämmt werden kann. In seinem vielzitierten
Buch Die einzige Weltmacht (The Grand Chessboard) schrieb er 1997:

Allein schon die Existenz einer unabhängigen Ukraine hilft, Russland zu


verändern. Ohne die Ukraine hört Russland auf, ein eurasisches Imperi-
um zu sein. Es kann zwar immer noch imperialen Status beanspruchen,
würde dann aber in Konflikte mit den zentralasiatischen Staaten verwi-
ckelt. Auch China würde sich erneuter russischer Dominanz in Zentral-
asien entgegenstellen. Wenn Russland aber die Kontrolle über die
Ukraine zurückgewinnt, wäre es wieder eine Imperialmacht.

Fortsetzung folgt.

–––

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Kommentare (33)

Adler und Drache 13. Oktober 2022 21:47

Spannende Lektion, auch weil man an diesem Beispiel (vor allem im Vergleich mit heute)
beobachten kann, wie die drei politischen "Großideologien" (vermutlich seit 1789) immer
wieder aktualisiert, vermischt, geremixt, gerelectured, neu angeordnet und neu einander
zugeordnet werden, um auf der einen Seite "Identität" und auf der anderen ein
Feindbild zu erzeugen. Dieses Vorgehen scheint mir zum Kern des "Zeitalters des
Politischen" zu gehören, wie es sich in Europa und der europäisch dominierten Welt nach
Abschaffung des Reichs und des Kaisertums darstellt. Ich nehme an, das wird auch so
weitergehen, und es würde auch "unter rechts" so weitergehen, mit all den
Schwierigkeiten und prinzipiell unlösbaren politischen Problemen (zumindest solange
diese Tradition des politischen Bewusstseins nicht ebenso abgebrochen wird wie das
Bewusstsein, welches die Reichsidee hervorbrachte und durch die Jahrhunderte trug).

Nebenfrage @ Lichtmesz: Ich las mal irgendwo, das der Nationalsozialismus keineswegs
durchgehend rassenideologisch geprägt gewesen wäre, dass es auch scharf kritische
Stimmen gegeben hätte. Wissen Sie Näheres dazu?

ML: Es gab jedenfalls interne kritische Stimmen zur Ostpolitik (etwa von Dwinger,
Werner Best). Die Rassendoktrin bleibt halt bis zuletzt unscharf ohne einheitliche
dogmatische Fassung, kann man nachlesen in meinem Ethnopluralismus-Buch. L. F.
Clauss stufe ich als "Ethnopluralist" unter den Rassekundlern ein.

ede 13. Oktober 2022 22:42

Nun, als Brzeziński sein Schachbuch schrieb, wurde China aber auch noch herablassend
als verlängerte Werkbank bezeichnet. Die Indochinakriege steckten noch in den Knochen.
Und niemand hätte gedacht, dass Kalifornien den Weg nach unten einschlägt.

Multipolarität dürfte auf längere Sicht im Interesse aller Beteiligten sein.

Gracchus 13. Oktober 2022 23:00

Das ist eine in der Tat interessante, sehr anregende Artikelfolge. Spontan: Wie die Zeiten
sich spiegeln, natürlich nicht 1:1. Und es ist natürlich ein Unterschied, wer was aus
welchem Interesse schreibt. Eine eigenständige Ukraine läge auch im europäischen
Interesse, als Pufferzone, zugleich aber als Brücke für eine gedeihliche Verbindung zu
Russland. Dies von Europa aus unter der vermittelnden Vormacht Deutschlands.
"Dienende Führungsrolle" - so hat es Habeck beschrieben, nur leider vergessen, zu sagen,
wem er dient. Um es pathetisch, aber hoffentlich nicht allzu schwülstig zu formulieren:
Das ist die Aufgabe, die das Schicksal oder die Vorsehung Deutschland und der Ukraine
zugedacht hat. Beide kommen aus teils nicht teils nachvollziehbaren Gründen dieser
Aufgabe nicht nach - und Europa steht vor einer Katastrophe (ohne damit Russland aus
der Verantwortung zu lassen). Beide Länder lassen sich von den USA verheizen, das eine
militärisch, das andere wirtschaftlich.

Gracchus 13. Oktober 2022 23:18

Ich meine auch, dass Russland geistig vom Westen profitieren kann. Individuelles
Verantwortungsefühl, wie Essen es nennt, zu entwickeln, wird dem "Russen" nicht
erspart bleiben. Fraglich ist auch, ob die Frontlinie zwischen Kollektivismus und
Individualismus verläuft. Der mystisch, wachträumerische Zug zeigt eine stärkere
Verankerung im Seelenleben, und im Seelischen herrscht eine weitaus stärkere
Verbundenheit zwischen allen Lebewesen. Die egoistische Durchsetzung der eigenen
materialistischen Interessen, wie sie den angelsächsischen Kapitalismus kennzeichnet, -
so, als ginge mich mein Bruder nichts an - ist aus dieser Perspektive sinnlos, ja
schmerzhaft. Auch die Atomisierung wird so als viel grausamer erlebt. Es gilt eben
beides: man ist Individuum und Teil eines größeren Ganzen. Man muss aber Individuation
und Atomisierung unterscheiden.

Laurenz 14. Oktober 2022 07:53

@ML (1)

Was Essén 1941 schrieb, war vollkommen realitätsfern.

ML: Was denn genau jetzt?

1940 wurde das Baltikum okkupiert, Finnland angegriffen, Karelien okkupiert. Auch
Hitler sah sich gezwungen, dem zuzustimmen, ähnlich dem Preis für den italienischen
Kriegsbeitritt in 1915, Südtirol. Kein Europäer (& auch kein Amerikaner) wurde
tatsächlich bereits wach als die Rote Armee unter Schukow, 1939, die Japaner am
Chalchin Gol besiegte. Die sowjetischen Planung zum Einmarsch in Aserbaidschan (Iran)
inklusive der Besetzung der Iranischen Ölfelder begann bereits 1939. Auch die Briten
planten die Invasion des Iran, welche gemeinsam August1941 mit der Roten Armee
vonstatten ging. Auch die Briten unterlagen einem Größenwahn in der Wahrnehmung
der Sowjetunion. Mit Barbarossa überschritten gut 3.000 schlechte deutsche Panzer
den Njemen, noch kein Jahr später mußte Hitler Mannerheim gestehen, daß man bereits
30.000 sowjetische Tanks vernichtet hatte. Bereits 1939 besaß Stalin mehr Panzer als
der restliche Planet zusammen. Das verlustreiche Vorankommen der Roten Armee im
finnischen Winterkrieg, war mit Ursache für die Unterschätzung der Sowjetischen
Militärmacht. Im militärischen Bezug zu heute, kann man nur die
Geschichtsvergessenheit europäischer Politiker bedauern.

Hajo Blaschke 14. Oktober 2022 08:42

Man sollte immer den Unterschied zwischen Nationalsozialismus und Faschismus


berücksichtigen und beides nicht vermischen.

ML: In dem Kontext ist der Unterschied nun wirklich gering, wenn ich von der Formel
ausgehe Faschismus = Korporatismus + Volksgemeinschaftsstaat.

Man sollte auf keinen Fall auf die Stalin-Propaganda hereinfallen, der den
Nationalsozialismus mit dem Faschismus gleichgesetzt hat, damit niemand auf die Idee
käme, einen "westlichen" Sozialismus mit seinem Bolschewismus gleichzusetzen.

deutscheridentitaerer 14. Oktober 2022 09:11

Aus Russlands Sicht besteht (bestand?) die deutsche Gleichung darin, zu verhindern,
dass Deutschland die Seewege gegenüber den Angloflotten freihalten kann.

Denn dann wäre Russland einer etwaigen deutschen Aggression alleinstehend


ausgeliefert.

Umgekehrt galt es für die Anglos, einen deutschen Sieg über Russland und damit die
Schaffung eines blockadefesten Raumes zu verhindern.

Im Zweifel lag es also stets im Interesse der beiden Flügelmächte, sich gegen
Deutschland zusammenzutun. Lediglich in Zeiten der Schwäche, wie jetzt gerade, bietet
Russland seine Freundschaft an. Wenn es aber seine Schäfchen ins Trockene gebracht
hat, ist damit auch schnell wieder Schluss.

Insofern liefert das der Scheil-Fraktion durchaus ein Argument, dass ein Sieg der Ukraine
und ein Zerbrechen des russischen Reiches teilweise auch im geopolitischen Interesse
Deutschlands liegt.

Laurenz 14. Oktober 2022 10:34

@ML

Das “Sowjetregime und seine Träger” müsse gestürzt und die Ausdehnung des
Russischen Reiches beschnitten werden, vor allem im Westen, aber auch teilweise im
asiatischen Teil (insbesondere, was die Grenzziehungen zur Mongolei und zur
Mandschurei angeht, die zu diesem Zeitpunkt unter japanischer Kontrolle war).

Der russische Bevölkerungszuwachs soll nach Osten, Richtung Ural und Sibirien,
abgeleitet werden, ebenso wie der “unwiderstehliche und irrationale”, geradezu
triebhafte Drang nach Expansion, der diesem “Volksdasein” eigen sei. Das russische Volk
sei überhaupt von einem starken “Nomadenzug” gekennzeichnet, der ihm die “tiefe
Verwurzelung in der Landtradition” erschwere, “die für die europäischen Kulturvölker
kennzeichnend ist.”

Welchen Willen zur Eindämmung der Sowjetunion/Rußlands können Sie denn bei den
Europäern bis 2014 nachweisen?

ML: Die NATO-Einkreisung im Osten nicht mitbekommen?

Hajo Blaschke 14. Oktober 2022 11:11

@ ML, bezüglich des wahren Charakters des Nationalsozialismus und den Unterschied
zum Faschismus lesen Die gerne mal bei Klonovsky. Der hat das vor kurzem sehr
eindeutig dargestellt.

ML: Ich glaube nicht, dass Klonovsky hierfür die richtige Adresse ist. Da schau ich lieber
bei Nolte nach. Man soll den
Unterschied auch nicht übertreiben, in der Praxis war das alles sehr fließend, und die
Stoßrichtung im wesentlichen dieselbe.

MARCEL 14. Oktober 2022 11:22

Kleine ergänzende Glosse:

Wilhelm von Habsburg-Lothringen (1895-1948), von den Ukrainern liebevoll Vasyl


Vyshyvaniy, "der Bestickte", genannt, wollte mit einer k.u.k.- ukrainischen Legion im Zuge
des Ersten Weltkriegs sogar König der Ukraine werden. Eine schillernde Gestalt der
Donaumonarchie, fast eine Art "Agha Khan" der Ukrainer....

Volksdeutscher 14. Oktober 2022 11:43

@deutschidentitärer - "Insofern liefert das der Scheil-Fraktion durchaus ein Argument,


dass ein Sieg der Ukraine und ein Zerbrechen des russischen Reiches teilweise auch im
geopolitischen Interesse Deutschlands liegt."

Deutschland vertritt gegenwärtig keine deutschen Interessen, wenn es so handet, wie


sie handelt, sondern amerikanische Interessen. Der Sieg der Ukraine würde nur den
Atlantikern nutzen und die sagen es auch selber: Es müsse verhindert werden, daß
zwischen Deutschland und Russland eine Annäherung zustandekomme. Denn würde das
Wirklichkeit werden, könnten die Cowboys ihre Pferde satteln und verschwinden und
Europa hätte sie endlich los. Übrigens führt hier nicht die Ukraine Krieg gegen Russland,
sondern die Amerikaner, für die die Ukraine bloß ein Vorwand ist.

Niekisch 14. Oktober 2022 12:01

"der Nationalsozialismus keineswegs durchgehend rassenideologisch geprägt gewesen"

@ Adler und Drache 13.10. 21:47: das ist selbst an Aussagen des Anführers festzustellen,
wie bei Otto Wagener, Hitler aus nächster Nähe, nachzulesen ist.

"ML: Es gab jedenfalls interne kritische Stimmen zur Ostpolitik (etwa von Dwinger,
Werner Best)."

Schärfer noch Alfred Rosenberg im Zusammenhang mit dem sog. Ukraine-


Schwarzmeer"-Plan sowie Dr. Peter Kleist und Helmut Sündermann in Das Erbe des
falschen Propheten, Moskaus Kampf um Deutschland - Von Lenin bis heute - und
morgen?, Druffel 1957, S. 257ff, 261: "Wie anders wird es um die Russen und um die
Deutschen bestellt sein, wenn die germanische und die slawische Kraft sich nicht mehr
im sinnlosen Beherrschungsversuch gegenseitig abstoßen, sondern im rechtzeitigen
Bewußtsein der heranreifenden letzten Phase einer in ihrem tieferen Sinn vielleicht doch
großartigen Weltreform erneut miteinander verbinden."

ML "Die Rassendoktrin bleibt halt bis zuletzt unscharf ohne einheitliche dogmatische
Fassung"

Für das Gegenteil verweise ich auf Beck, Friedrich Alfred, Aufgang des germanischen
Weltalters, Feldmüller Verlag Bochum 1944, S.152-188. Es kann auch auf Steding,
Christoph, Das Reich und die Krankheit der europäischen Kultur, zurückgegriffen werden.
( ohne nähere Angaben, da gerade verlegt. )

ML: Was heißt "für das Gegenteil"?

Niekisch 14. Oktober 2022 12:20

"Eine eigenständige Ukraine läge auch im europäischen Interesse, als Pufferzone,


zugleich aber als Brücke für eine gedeihliche Verbindung zu Russland."

@ Gracchus 13.10. 23:00: Wobei immer zu bedenken ist, daß Rußland die Ukraine quasi
als "Flugzeugmutterschiff" des Westens betrachten wird, weil die Ostgrenze der
Ukraine vom Längengrad her gesehen bereits auf der Höhe von Moskau liegt. So sah es
das Deutsche Reich in den 30iger Jahren des 20. Jh. ganauso gegenüber der CSSR.

"Auch Hitler sah sich gezwungen, dem zuzustimmen, ähnlich dem Preis für den
italienischen Kriegsbeitritt in 1915, Südtirol."

@ Laurenz 14.10. 7:53: Die Fälle sind nicht vergleichbar: 1940 Interessenspären, Ende der
30iger Jahre Stahlpakt mit Italien mit Zugeständnis Hitlers an Mussolini unter Verrat an
Südtirol. 1915 war Italien Gegnerin des Zweibundes Deutschland - Österreich. Da liegen
Sie schief.

Maiordomus 14. Oktober 2022 12:23

Ich halte diesen Artikel wie überhaupt Hinweise auf Bücher aus der Vergangenheit, die
einerseits grundlegende Bedeutung behalten, andererseits Geheimtipps bleiben, für im
unentbehrlichen Sinne alternativ. Auf dem Felde des Internet-Essays, bei dem es nicht
genügt, jenseits des Mainstreams zu sein, sondern es auf analytisches Niveau ankommt,
was selbst erfahrene Leser weiterbringt, scheint mir ML im Moment auf dem ganzen
intellektuellen Sektor rechts der Mitte ziemlich Spitze. Das hat er sich jahrelang
erarbeitet.

Wertvoll am Krankenbett zu lesen die neueste Nummer des gedruckten Heftes mit dem
Schwerpunktthema Geopolitik. Persönlich ziehe ich indes grosse Historiker wie Fernand
Braudel den vorgestellten Autoren noch vor. Haushofer und Ratzel bleiben aber von
hohem Interesse mit dem geleisteten Differenzierungsbedarf. Der beste und
grundlegendste Artikel im Heft war aber für mich "Nachkriegsliteratur 4 - Säuberungen
bei Inneren Emigranten" v. G. Scholdt. Bemerkenswert, dass EK auf ihrer (nicht
gedruckten) Hürlimann-Besprechung offenbar nicht beharrt. Schliesse einen nicht
unkritischen Nachtrag auf jene Debatte nicht aus.

Niekisch 14. Oktober 2022 12:42

"Mit Barbarossa überschritten gut 3.000 schlechte deutsche Panzer den Njemen"

@ Laurenz 14.10. 7:53: Falsch: Es war hauptsächlich der Bug, es waren weniger als 3000
und sie waren weit überwiegen auch nicht schlecht, also technisch mangelhaft oder der
Roten Armee gegenüber im Panzerkampf unterlegen. erst später war der T 34
überlegen. Aber das ist ein Spezialthema.

"Man sollte immer den Unterschied zwischen Nationalsozialismus und Faschismus


berücksichtigen und beides nicht vermischen."

@ Hajo Blaschke 8:42: Das sehe auch ich so. Immer scharf zu trennen ist schon aus
geschichtspolitischen Gründen wichtig. Es dient auch dem Klarstellen eigener
Positionen.

@ ML:"der französische Faschist Jacques Benoist-Méchin"

Ich habe von ihm einige Bücher gelesen, aber "Faschist"? Woran genau soll sich das
festmachen?

ML: Während Kriegszeit war er dezidierter Faschist und Hitleranhänger.

"ML: In dem Kontext ist der Unterschied nun wirklich gering, wenn ich von der Formel
ausgehe Faschismus = Korporatismus + Volksgemeinschaftsstaat."

Der italienische Faschistenstaat war aber nun euinmal kein Volksgemeinschaftsstaat,


sondern auch Monarchie, damit von der nationalsozialistischen Idee der klassenlosen
Volksgemeinschaft himmelweit entfernt. Nicht umsonst hat sich Hitler bei seinem
Italienbesuch 1938 alles andere als wohlgefühlt, als er im feudalen Bett schlafen mußte.

ML: Der Idee nach sollte es durchaus "Volksgemeinschaftsstaat" sein, das einleitende
Kapitel von Italo Balbo, "Marsch auf Rom" zB ist diesbezüglich sehr deutlich. Der
Monarch hatte in der Zeit der Mussoliniherrschaft wenig Bedeutung.

Niekisch 14. Oktober 2022 13:00


"ML zu Laurenz 11:11: Ich glaube nicht, dass Klonovsky hierfür die richtige Adresse ist. Da
schau ich lieber bei Nolte nach. Man soll den
Unterschied auch nicht übertreiben, in der Praxis war das alles sehr fließend, und die
Stoßrichtung im wesentlichen dieselbe."

@ ML: Ja, Nolte schon eher, aber auch Zitelmann und Syring z.B. Nein, die Stoßrichtung
war eine wesentlich unterschiedliche: Faschismus= etatistische Kraftbündelung mit
imperialistischer Tendenz, Nationalsozialismus= Volksverbesserung auf rassischer
Grundlage, Fernziel: sozialistisches Weltbündnis der Staaten mit jeweils eigener
rassisch- völkischer Grundlage, wobei das später pervertiert und ins Gegenteil verkehrt
wurde.

"ML: Was heißt "für das Gegenteil"?"

@ ML: Es heißt, daß auch die Rassendoktrin im Weltanschauungsgefüge dogmatisch


klar umrissen und in die sonstigen Hauptbegriffe wie Volk, Staat, Sozialismus, Kultur
usw. stufig und zugleich vertikal eingefügt war. Beck schildert es in sonst nicht
auffindbarer Weise. Mich wundert immer, daß dieses Werk bei den Bearbeitern dieses
Themas entweder völlig unbekannt ist oder bewußt negiert wird.

ML: Das ist einfach falsch. Weder Beck noch Steding waren maßgebliche Ideologen, die
Dogmen setzen konnten. Beck habe ich via Internet-Archive gefunden, und die von Ihnen
angegebenen Seiten nachgeschaut. Das steht keine spezifische Rassenlehre drinnen.

Niekisch 14. Oktober 2022 13:21

"ML: Das ist einfach falsch. Weder Beck noch Steding waren maßgebliche Ideologen, die
Dogmen setzen konnten. Beck habe ich via Internet-Archive gefunden, und die von Ihnen
angegebenen Seiten nachgeschaut. Das steht keine spezifische Rassenlehre drinnen."

@ ML: Wer war denn Ihrer Ansicht nach in diesem disparaten und sich wandelnden
System in welchem Zeitabschnitt jeweils maßgeblich zum Setzen von Dogmen?

ML: Niemand, das ist doch mein Punkt.

Unter Rassenlehre verstehe ich nicht die Günthers oder Schädelvermesser, sondern
Nationalsozialisten, die den ihnen eigenen Rassenbegriff in die Weltanschaung
einzuflechten wußten.

ML: Ohne eine Rassenlehre kann es auch keinen eigenen definierten Rassenbegriff
geben.

Gerade auch Alfred Rosenberg hat Rückgriff genommen, nicht selber eine Rassentheorie
aufgestellt.

Vielleicht reden wir ein wenig aneinander vorbei.

Niekisch 14. Oktober 2022 14:18

Ich, Niekisch, fasse einmal zusammen:

ML "Die Rassendoktrin bleibt halt bis zuletzt unscharf ohne einheitliche dogmatische
Fassung,.."

Niek. "das ist selbst an Aussagen des Anführers festzustellen, wie bei Otto Wagener,
Hitler aus nächster Nähe, nachzulesen ist."

"Für das Gegenteil (Unschärfe, ohne dogm. Fassung) verweise ich auf Beck, Friedrich
Alfred, Aufgang des germanischen Weltalters, Feldmüller Verlag Bochum 1944, S.152-
188. Es kann auch auf Steding, Christoph, Das Reich und die Krankheit der europäischen
Kultur, zurückgegriffen werden. ( ohne nähere Angaben, da gerade verlegt. )"

"ML: Was heißt "für das Gegenteil"?"

Es heißt, daß auch die Rassendoktrin im Weltanschauungsgefüge dogmatisch klar


umrissen und in die sonstigen Hauptbegriffe wie Volk, Staat, Sozialismus, Kultur usw.
stufig und zugleich vertikal eingefügt war. Beck schildert es in sonst nicht auffindbarer
Weise. Mich wundert immer, daß dieses Werk bei den Bearbeitern dieses Themas
entweder völlig unbekannt ist oder bewußt negiert wird.

ML: Das ist einfach falsch. Weder Beck noch Steding waren maßgebliche Ideologen, die
Dogmen setzen konnten. Beck habe ich via Internet-Archive gefunden, und die von Ihnen
angegebenen Seiten nachgeschaut. Das steht keine spezifische Rassenlehre drinnen.

weiter II.

Niekisch 14. Oktober 2022 14:34

II.

"@ ML: Wer war denn Ihrer Ansicht nach in diesem disparaten und sich wandelnden
System in welchem Zeitabschnitt jeweils maßgeblich zum Setzen von Dogmen?"

"ML: Niemand, das ist doch mein Punkt."

"Unter Rassenlehre verstehe ich nicht die Günthers oder Schädelvermesser, sondern
Nationalsozialisten, die den ihnen eigenen Rassenbegriff in die Weltanschaung
einzuflechten wußten."

"ML: Ohne eine Rassenlehre kann es auch keinen eigenen definierten Rassenbegriff
geben."

"auch Alfred Rosenberg hat Rückgriff genommen, nicht selber eine Rassentheorie
aufgestellt.

Vielleicht reden wir ein wenig aneinander vorbei."

Werter Herr Lichtmesz, wenn es keine maßgeblichen Dogmensetzer im NS zum


Rassischen gab, wieso sind dann Beck und Steding unmaßgeblich und nicht stützend
zitabel?

Vielleicht können wir unseren Dissenz überwinden, indem wir schlicht feststellen, daß es
vor und im NS Rasse- und Rassenforscher gab, die selber Rassenlehren -teils
wissenschaftlich- formulierten, auf die dann den NS vertretende oder mit ihm
sympathisierende, in der Parteihierachie bedeutende oder unbedeutende Personen
Elemente einer Rassendokrin - politisch-weltanschaulich - festlegten und mehr oder
weniger wirksam in die damalige Öffentlichkeit trugen.

deutscheridentitaerer 14. Oktober 2022 14:35

Der Unterschied zwischen Nationalsozialismus und anderen Faschismen ist nur der des
Grades, in dem der Versuch der Mythenschöpfung im NS erfolgreicher war als in den
faschistischen Projekten anderer Nationen.

Niekisch 14. Oktober 2022 17:15

Adler und Drache +ML: Es gab jedenfalls interne kritische Stimmen zur Ostpolitik (etwa
von Dwinger, Werner Best)

Darf ich zu gegen Hitlers Programm und seine Person eingestellten Personen empfehlen:
Meinl, Susanne, Nationalsozialisten gegen Hitler, Siedler Berlin 2000, 447 Seiten? Da
steht auch einiges zu dem Juristen Dr. Werner Best.

"Der Unterschied zwischen Nationalsozialismus und anderen Faschismen ist nur der des
Grades, in dem der Versuch der Mythenschöpfung im NS erfolgreicher war als in den
faschistischen Projekten anderer Nationen."

@ deutscher identitaerer 14:35: So einfach stellt sich das Ganze nicht dar. Ich vertröste
auf etwas später.

Hajo Blaschke 14. Oktober 2022 17:40

ML, ob Klonovsky die richtige Adresse ist oder nicht, ist überhaupt nicht die Frage. Er hat
jedenfalls anhand von Belegen nachgewiesen, dass sich die Apologeten der 12 Jahre als
Sozialisten angesehen und den Gesellschaftsaufbau nach sozialistischen Regeln
aufgebaut hatten. Vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht.

ML: Na und? Aus dieser Tatsache werden zuverlässig irrige Schlüsse gezogen, und aus
Rhetorik und Absichtserklärungen auf die damalige Realität geschlossen. In
"wirtschaftlicher Hinsicht" wäre der "Sozialismus" des Dritten Reichs nichts anderes als
ein nationaler Wirtschaftskorporatismus wie im italienischer Faschismus gewesen, mit
sozialstaatlichen Komponenten.

Niekisch 14. Oktober 2022 18:24

@ ML + deutscher identitaerer: Zur Differenz von italienischem Faschismus und


deutschem Nationalsozialismus hat Augusto del Noce einen auf den ersten Blick
unscheinbaren, aber als Obersatz tauglichen Text veröffentlicht: "Die Verschiedenheiten
sind größer als jene, die zwischen den liberalen, katholischen, sozialistischen oder
kommunistischen Parteien verschiedener Nationen bestehen, da ja der Nationalismus (
für Faschismus und NS kennzeichnend und Kernmerkmal, Niekisch ) durch einen Mangel
an Universalität gekennzeichnet ist." ( Nolte, Ernst (Hg.), Theorien über den Faschismus,
Neue Wissenschaftliche Bibliothek Geschichte, Athenäum 5. Aufl. 1979, S. 419)

Diese Differenz steht noch über derjenigen von Volk/Rasse beim NS und Etatismus beim
ital. Faschismus, weil ohne den Nationalismus als Willen zur geeinten Nation (
Faschismus ) und der geeinten, rassisch zu vervollkommnenden Nation ( NS) alle
anderen Säulen zusammenbrechen.

zu Italo Balbo später.

Laurenz 14. Oktober 2022 18:41

@Deutscheridentitaerer

Der Unterschied zwischen Nationalsozialismus und anderen Faschismen ist nur der des
Grades, in dem der Versuch der Mythenschöpfung im NS erfolgreicher war als in den
faschistischen Projekten anderer Nationen.

Heute werden die Ultranationalisten der Ukraine gerne, nicht nur von den Russen, als
Nazis bezeichnet, vor allem wegen der Nutzung bestimmter Symbolik. So soll auch, sagt
das russische Narrativ, die Ukraine entnazifiziert werden.

Das ist natürlich historisch & faktisch falsch. Das entscheidende Momentum, den
Nationalsozialismus zu bekämpfen, war der beispielhafte, systemisch wirtschaftliche
Erfolg zu einer Zeit, als der Rest der Welt unter Rezession litt.

Weder ist damit der historische Faschismus vergleichbar, noch der ukrainische
Ultranationalismus. Die Ukraine ist trotz der vielen Pseudo-Nazis ökonomisch ein Failed
State.

Generell wird auf der SiN die Ökonomie unterschätzt, wie unterbelichtet.

Mitleser 14. Oktober 2022 20:56

"Eine “eurofaschistische” Allianz hätte sich aus recht heterogenen Bestandteilen


zusammensetzten müssen..."

Ja, aber aus weniger als sie denken.

Die Groß-Niederlande, Polen und Tschechien wären als Teil des großdeutschen Reiches
Teil dieser Konföderation gewesen, nicht als separate Staaten.

https://www.unz.com/gdurocher/the-nazi-plans-for-a-united-europe/

"In March 1943, Foreign Minister Joachim von Ribbentrop proposed the creation of a
“European Confederation” including virtually all European states....The possible
members of the Confederation would initially include “Germany, Italy, France, Denmark,
Norway, Finland, Slovakia, Hungary, Romania, Bulgaria, Croatia, Serbia, Greece, and
Spain (? [sic])."

ML: Die habe ich doch alle erwähnt!

Niekisch 15. Oktober 2022 13:32

"ML: Der Idee nach sollte es durchaus "Volksgemeinschaftsstaat" sein, das einleitende
Kapitel von Italo Balbo, "Marsch auf Rom" zB ist diesbezüglich sehr deutlich."

@ ML: Zu Italo Balbo, der wohl kaum die Idee eines dem Nationalsozialismus
vergleichbaren "Volksgemeinschaftsstaates" verkörpert Ernst Nolte: "...Republikaner,
Freimaurer, Redakteur der " Voce Mazziniana" ( Mazzini war Hochgradfreimaurer,
Niekisch ), promoviert über das soziale Denken Mazzinis, Generalissimus der Miliz,...
scharfer Gegner des deutschfreundlichen Kurses, trat beinahe als einziger im Großrat
für die Juden ein." ( Nolte Ernst, Der Faschismus in seiner Epoche, Sonderausgabe 1979,
S. 579, 580 )

"...faßte der junge Squadristenführer ( Balbo, Niekisch ) den Entschluß zu einer


unerhörten Herausforderung der Staatsautorität. Er zog mit einigen tausend Masnn
brennend und sengend zu dem Vorort der sozialistischen Kooperativbewegung und
vernichtete in einer Nacht das Werk ganzer Generationen...( Nolte, Ernst, Die
faschistischen Bewegungen, dtv- Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, Band IV,
originalausgabe 1966, S. 62 )

Das sind nur Mosaiksteinchen, die aber alleine schon die Unvergleichbarkeit des
Faschistischen und des nationalsozialistischen Gedankenguts widerspiegeln.

weiter II zu Mussolini.

Niekisch 15. Oktober 2022 13:44

II.

..." er ( Mussolini, Niekisch ) gewinnt die Kapitalisten durch das Versprechen, dem Staat
alle ökonomischen Funktionen zu nehmen..., er gibt dem Vatikan die loyalsten
Zusicherungen; er beruhigt vor allem das Heer und die Monarchie durch
Loyalitätserklärungen: "Man muß den Mut haben, monarchistisch zu sein". In einer Reihe
von großen Reden trägt er der Nation seine Gedanken vor, die am besten in dem
berühmten Satz der Rede von udine zusammengefaßt sind : "Unser Programm ist
einfach: wir wollen Italien regieren" ( Nolte, Ernst, Der Faschismus in seiner Epoche,
Piper 1963, S. 271 ) ..Mussolini...ließ die Miliz auf den König vereidigen" ( ebenda S. 425 )

So nebensächlich, werter Herr Lichtmesz, war der monarchische Gedanke und im


wahren italienischen Leben der damaligen Zeit vielleicht doch nicht.

Niekisch 15. Oktober 2022 14:33

III.

Noch einmal Ernst Nolte zur Differenz zwischen Faschismus und NS: "...Schließlich war
der Nationalsozialismus sehr viel stärker im deutschen Erdreich verwurzelt als der
Faschismus im italienischen und die Eiderne Garde im rumänischen Boden ( Nolte, Die
faschistischen Bewegungen, S. 265 )

..ging sie ( die NS-bewegung, Niekisch ) über die Denkmöglichkeiten aller bloß
faschistischen Bewegungen weit hinaus. Es erwies sich, daß es nur in Deutschland einen
perfekten Antimarxismus geben konnte, der dem Gegner zugleich ganz entgegengesetzt
und ganz benachbart war; statt des Kapitalismus prangerte die NSDAP das Judentum
an, statt an die Proletarier appellierte sie zunächst an die Deutschen Europas und dann
die Arier der Welt...( ebenda, S. 264 )

Der Nationalsozialismus in manchen Elementen vergleichbar, aber dem Faschismus


nicht gleichzusetzen.

Maiordomus 15. Oktober 2022 18:13

Mein Kompliment betreffend den bedeutenden Buchhinweis verlängert sich nicht an die
Debatten unten, zum Beispiel Polen betreffend sowie allerlei Rückblicke auf das 3. Reich
mit der mühsamen Diskussion um Faschismus und nationalen Sozialismus. Fürwahr
nicht biertischtauglich. Ich sage dies als Liebhaber der Kultur und Literatur
Schlesiens. Auf eine "eurofaschistische Allianz" hätte ich unter diesem Titel nie
gewartet!

Volksdeutscher 16. Oktober 2022 12:20

1. "Die Ukraine scheint zu diesem Zeitpunkt für so manchen Sympathisanten des


Nationalsozialismus und des Deutschen Reichs eine große Anziehungskraft gehabt zu
haben."

Das ist wahr, bekannt sind auch jene zeitgenössischen Photos, auf denen Ukrainer in
feierliche Volkstracht gekleidet an der deutschen Militär vorbeimarschierend den
römischen Gruß erwiedern. Bekannt ist auch, daß Stepan Bandera einmal davon sprach,
daß, wenn das Dritte Reich den Krieg gwonnen habe, es gegen die "deutschen
Schweinen" gehen müsse. Ich finde die Quelle leider nicht mehr, um diese Aussage zu
belegen, dies erlaubt jedoch die Annahme, daß dieser Bündnis ein Zweckbündnis war und
daß man die "Sympathie" der ukrainischen nationalistischen Milizen für Deutsche und
deutsche Streitkräfte nicht so hochhängen darf. Daß Bandera in Sachsenhausen
einsitzen mußte, hatte sehr viel mit den ukrainischen Unabhängigkeitsbestrebungen zu
tun gehabt, so auch gegen die deutsche Besatzung, wenn es darauf ankommen sollte.

Volksdeutscher 16. Oktober 2022 12:21

2.

Ich finde daher richtig, daß man auf SiN auch solche nicht "biertischtauglichen" Themen
diskutieren kann, schließlich ist SiN keine Kneipe und das Thema ist nicht für Prolls. Im
Spannungsfeld Konservatismus - Faschismus - Nazionalsozialismus hat das Thema
sogar Sinn und Berechtigung, diskutiert zu werden. Es geht doch darum, seine Position
zu finden, d.h. Zäune aufzustellen und auch Tore zu öffnen. Kenntnisse und Positionen
müssen angesichts der veränderten politischen Lage in der Welt aktualisiert und neu
justiert werden.

Volksdeutscher 16. Oktober 2022 12:45

3.

Übrigens wird der römische Gruß in der aus ominösen Gründen EU-reifen Ukraine auch in
der Öffentlichkeit präsentiert. Wer dagegen eine Aversion hat, kann er sie upgraden,
wenn er sich dieses Video anschaut. Es handelt sich dabei um die auch bei uns bekannte
Sendung der Talentsuche, die sich in der Ukraine etwas anders gestaltet als bei den hoch
wohlanständigen Deutschen der Bundesrepublik, Österreichs und der Schweiz: Das eine
weibliche Mitglied der Jurie reißt bei 3:51 den Arm zum römischen Gruß hoch.

https://www.youtube.com/watch?v=Ljlvkqi3T9A

Und oh Schrecken, weder die Juriemitglieder noch das Publikum empört sich darüber!
Ukraine. Im Jahre 2015 des Herren. Direktsendung. Das von dem ukrainischen
Bauernjungen gesungene Lied "Ich bin frei - Я свободен" stammt übrigens von der
russischen Rockgruppe Aria -Ария. Der Titel dürfte von mehr als bloß symbolischer
Bedeutung sein, das Publikum klatscht bei dem Refrain "Ich bin frei" - Я свободен",
(phonetisch: ja swabodjen) frenetischen Beifall. Auch der Name der Gruppe könnte bei
der Wahl eine bestimmte Rolle gespielt haben, schließlich kann man dabei sowohl an den
musikalischen Begriff Aria - Ария als auch auf den antropologisch-soziologischen Begriff
Aria - mask. Арий/fem. Ария denken. Belegbar ist diese Deutung jedoch nicht.

Niekisch 16. Oktober 2022 18:04

"Stepan Bandera einmal davon sprach, daß, wenn das Dritte Reich den Krieg gwonnen
habe, es gegen die "deutschen Schweine" gehen müsse"

@ Volksdeutscher: das ging auch ohne Sieg: Erst Salz und Brot für die deutschen
Befreier vom Sowjetjoch, dann Erfrierenlassen deutscher Schwerverwundeter am
Strand von Feodosia...

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Autoren
Benedikt Kaiser, Caroline Sommerfeld, Daniel Fiß, Ellen Kositza, Erik Lehnert, Götz Kubitschek, Heino Bosselmann, Jonas
Schick, Martin Lichtmesz, Martin Sellner, Nils Wegner

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