PLANSPIELE IM FREMDSPRACHEN-UNTERRICHT
Schüler*innen und ihre Lehrkraft versammeln sich um einen Tisch
Schüler*innen und ihre Lehrkraft bei der Durchführung des Planspiels „Klimaneutrale Stadt“ |
Laura Frolovaite
Wie motiviert man Jugendliche beim Fremdsprachenlernen am Ball zu bleiben? Wie kann Schule
zur Persönlichkeitsbildung beitragen? Erfahrungen mit der Durchführung von Planspielen zeigen:
Planspiele bieten Lösungen für beide Fragen und können außerdem das Verständnis für
demokratische Abläufe stärken.
„Du musst in der Lage sein, die Gedanken anderer zu verstehen. Den anderen wirklich zuhören. Die
Entscheidungen müssen gut analysiert und diskutiert werden, bevor sie getroffen werden“, fasst die
17-jährige Anna Helēna Markova vom Englischen Gymnasium Riga ihre Eindrücke vom Online-
Planspiel "Klimaneutrale Stadt" zusammen, das das Goethe-Institut 2021 an 15 Schulen in Mittel-
und Osteuropa sowie in Russland durchgeführt hat.
Planspiele ermöglichen erfahrungsbasiertes Lernen, das heißt Lernen über die Auseinandersetzung
mit (und Lösung von) realen Problemstellungen. Die Lernenden übernehmen dabei eine aktive
Rolle. Erfahrungsbasiertes Lernen gilt als besonders nachhaltig, d.h. besonders wirkungsvoll.
Jugendliche machen in Planspielen Erfahrungen und entwickeln Kompetenzen, die im regulären
Unterricht in der Regel nicht so zum Tragen kommen, aber fürs Erwachsenwerden sehr wichtig sind
wie z.B. eigene Meinungen und Positionen entwickeln, Interessen vertreten, konstruktiv mit
Konflikten umgehen, diskutieren, Verhandlungsgeschick entwickeln, sich in andere hineinversetzen
und Entscheidungen treffen. In einem Planspiel erfahren Jugendliche wie schwierig und zugleich
wie wichtig es ist, in einer demokratischen Gesellschaft, unterschiedliche Interessen zu
berücksichtigen und Kompromisse zu erarbeiten.
Die Teilnehmenden schlüpfen in die Rollen von Interessenvertreter*innen und betrachten die
Herausforderung aus verschiedenen Blickwinkeln. Sie präsentieren ihre Lösungsvorschläge und
diskutieren diese. Das Ergebnis des Spiels ist nicht vorgegeben. Daher können die Teilnehmenden
verschiedene Lösungen suchen, an einem Runden Tisch zusammenkommen um zu einem Ergebnis
zu gelangen, das alle akzeptieren. Sie arbeiten sich daher nicht nur in eine Thematik ein und
sprechen nur ÜBER diese und die damit verbundenen Herausforderungen, sondern erleben und
gestalten sie selbst.
An einem Planspiel sollten mindestens 10 Personen teilnehmen, damit verschiedenen Rollen mit
gegensätzlichen Interessens entwickelt werden und eine lebendige Diskussion entstehen kann.
Planspiele sind geeignet für Jugendliche ab 14 Jahren.
POTENTIALE VON PLANSPIELEN FÜR DEN FREMDSPRACHENUNTERRICHT
Die Erfahrung, sich in der Fremdsprache nicht altersadäquat und entsprechend den Kenntnissen,
über die man verfügt, ausdrücken zu können, ist für viele Jugendliche frustrierend. Sie zu
motivieren, sich auf diese Erfahrung dennoch einzulassen, fordert Lehrkräfte besonders heraus.
Planspiele sind eine Methode, mit der man Schüler*innen dafür gewinnen kann, ihr Deutsch zu
verbessern, – selbst wenn sie das Spiel nicht (durchweg) auf Deutsch spielen.
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Der Stadtplan der fiktiven Stadt Fonta aus dem Planspiel „Klimaneutrale Stadt“ enthält Angaben
zur Infrastruktur und Maßnahmen für den Klimaschutz auf Deutsch. | Planpolitik.de
1. Die Rolle der Fremdsprache
Um wirklich diskutieren zu können, muss man eine (Fremd)-Sprache auf Niveau B2 beherrschen.
Sind Planspiele also für DaF-Lernende mit einem niedrigeren Sprachniveau gar nicht geeignet?
Doch! Man kann sie in der Landessprache durchführen und fremdsprachliche Elemente einbauen.
So können die Schüler*innen zum Beispiel die Ergebnisse der Diskussion auf Deutsch präsentieren.
Dafür reicht bereits das Niveau A2 aus.
Wer die Schüler*innen die auf Deutsch gesprochene Präsentation auf Video aufzeichnen lässt, wie
im Planspiel-Wettbewerb "Klimaneutrale Stadt", ermöglicht ihnen zudem ihre Medienkompetenzen
auszubauen und kreativ zu werden. Das so entstandene "Produkt" hält die Ergebnisse des Spiels fest
und lässt sich gut sichtbar auf der Homepage der Schule und in den sozialen Medien präsentieren.
2. Die Durchführungsform: Online oder analog?
Von der didaktischen Konzeption her unterscheiden sich Online-Planspiele und analoge-Planspiele
nicht grundsätzlich voneinander. Online-Planspiele können rein online durchgeführt werden (auch
von zuhause aus) oder hybrid, z.B. auf digitalen Endgeräten in der Schule. Sie erfordern eine
entsprechende Ausstattung und eine stabile Internetverbindung. Online-Planspiele können die
Medienkompetenz von Lernenden fördern. Untersuchungen haben ergeben, dass Teilnehmende
analoger Planspiele die direkte, persönliche Interaktion als besonders motivierend hervorheben. Bei
analogen bzw. hybrid durchgeführten Online-Planspiele kann man sich zudem eher spontan äußern,
was wiederum zu lebendigeren und emotionaleren Diskussionen führt.
Zwei Mädchen sitzen nebeneinander auf dem Boden und halten Tablets in ihren Händen.
Zwei Schülerinnen bei der Durchführung des Planspiels „Klimaneutrale Stadt“ | Petra Vachalova
3. Die Themenauswahl
Eigentlich eignet sich jedes Problem, für dessen nachhaltige Lösung Akteure mit divergierenden
Interessen einbezogen werden müssen, als Thema für ein Planspiel. Die Themenvielfalt von
Planspiel-Szenarien ist dementsprechend sehr groß. Die Nähe des Themas zur unmittelbaren
Alltagswelt der Schüler*innen ist dabei nicht unbedingt entscheidend. Gerade die Möglichkeit, in
eine Rolle zu schlüpfen und eine Welt einzutauchen, die mit der eigenen Lebenswirklichkeit nicht
unmittelbar zu tun hat und sich in dieser zu entfalten, kann sehr attraktiv sein. Um Schüler*innen
für eine Teilnahme gewinnen, ist natürlich wichtig, dass sie selbst das Thema als relevant
wahrnehmen. Sie in die Themenauswahl einzubeziehen, empfiehlt sich daher. Auf diese Weise
bereitet man sie auch schon auf das im Planspiel praktizierte Verfahren der Partizipation vor.
4. Der Durchführungszeitraum
So variabel die Themen, so unterschiedlich lang können Planspiele sein. Es gibt Planspiele, die
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zwei Stunden dauern, andere eine Woche. Die Entscheidung, ob ein Planspiel "zu lang" ist, steht
und fällt mit der Wirkung, die man mit einem Planspiel erreichen möchte und für wie relevant man
diese Wirkung erachtet.
Wählt man ein für die gesamte Schule interessantes Thema und führt es in wesentlichen Teilen in
der Landessprache durch, eignen sich Planspiele sehr gut für die fächerübergreifende
Zusammenarbeit, zum Beispiel im Rahmen einer Projektwoche
WIRKSAMKEIT VON PLANSPIELEN
„Ich habe gelernt und verstanden, dass es mir gefällt, an der Macht zu sein“ – antwortete ein
Schüler auf die Frage, was er beim Planspiel „Klimaneutrale Stadt“ gelernt habe. Die Antwort
dieses Teilnehmers ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. Offenbar spielte das Thema des
Planspiels für diesen Schüler keine so zentrale Rolle. Er reflektiert vielmehr, dass die Teilnahme für
ihn sowohl mit einer kognitiven als auch einer positiven emotionalen Selbsterfahrung verbunden
war. Die Freude, im Spiel "Macht" gehabt zu haben, mag eine indirekte Reaktion auf die
Lebenswirklichkeit von Jugendlichen sein, die in ihrem Alltag sehr wenige Handlungsspielräume
erleben. Die Aussage dieses Schülers führt vor Augen, wie wichtig es ist, mit den Teilnehmenden
nach dem Planspiel über ihre Erfahrungen und Eindrücke zu sprechen. Macht, Machtmissbrauch
und Verantwortung sind wichtige Themen in jeder Gesellschaft. Demokratie steht und fällt mit dem
verantwortungsbewussten Umgang mit Macht.
89 Prozent der Schüler*innen, die teilgenommen haben, würden wieder an einem Planspiel
teilnehmen. 77 % konnten sich vorstellen, ihre Deutschkenntnisse so zu verbessern, dass sie in der
Lage wären, an einem Planspiel auf Deutsch teilzunehmen. Das Planspiel hat sich demnach sehr
positiv auf ihre Motivation ausgewirkt, diese Sprache zu lernen. Fast 90% erklärten, sie könnten
sich vorstellen, an einem realen Runden Tisch teilzunehmen, d.h. sich gesellschaftlich-politisch zu
engagieren. In Zeiten sinkender Wahlbeteiligungen und schwindenden Vertrauens in das System der
repräsentativen Demokratie ist das Feedback der Schüler*innen ein hoffnungsvolles Zeichen.
AUTORIN
Dr. Katharina L. Ochse ist Referentin für Jugendbildungsprogramme, in der Zentrale des Goethe-
Instituts in München