2011
Fachtechnische Stellungnahme
1 Veranlassung/Beauftragung
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), Referat StB 17,
hat die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) mit obigem Erlass beauftragt, den
gegenwärtigen Stand des Anwendungsbereiches, der Einordnung in das technische
Regelwerk, der Bemessung - insbesondere der inneren Standsicherheit -, der Ausführung
sowie der Prüfung und Überwachung von Gabionen darzustellen und zu bewerten.
Die vorliegende Stellungnahme konzentriert sich im Hinblick auf die obigen Punkte auf den
Bereich deutscher Bundesfernstraßen und dort auf das Anwendungsgebiet Stützkonstruktio-
nen (Definition s. Abschnitt 4.1).
Für die Darstellung der Bemessungspraxis wurden von einzelnen Auftragsverwaltungen und
Anbietern statische Berechnungen erbeten. Es wird darauf hingewiesen, dass diese auf-
grund der geringen Anzahl exemplarischen Charakter aufweisen und daher nicht verallge-
meinert werden können.
2 Begriffsdefinition
Bei Gabionen handelt es sich um quaderförmige Behälter aus Draht, die i.d.R. mit Steinen
verfüllt werden. Die Behälter können aus Drahtgeflecht oder aus an den Knoten verschweiß-
ten Drahtgittern bestehen. Die Befüllung der Behälter kann vor Ort von Hand oder maschinell
im Werk erfolgen. Die einzelnen Bauteile der Behälter (Deckel, Boden, Wände) werden
durch Drahtelemente miteinander verbunden. Zur Aussteifung der Behälter werden system-
spezifisch je nach Abmessungen wiederum Drahtelemente und/oder Trennwände verwen-
det. Zum Schutz vor Korrosion werden die Drähte ab Werk mit einem metallischen Überzug
versehen (doppelte Feuerverzinkung oder Zink-Aluminium-Legierung).
Durch Anordnung über- und nebeneinander können durch Verbindung der Gabionen mittels
Drahtelementen Wände, wandartige Konstruktionen und Packungen verschiedenster Ab-
messungen und Form hergestellt werden.
Der Begriff „Gabione“ leitet sich aus dem oberitalienischen „gabbione“ ab, dessen Ursprung
im lateinischen „cavea“ (Käfig) liegt [1]. Im Deutschen werden die Gabionen auch als „Draht-
schotterkörbe“ oder „Drahtsteinkörbe“ bezeichnet, wobei sich im Englischen der Begriff „ga-
bions“ durchgesetzt hat.
3 Anwendungsbereich
Die Gabionenbauweise wurde um 1890 von der Firma Maccaferri (Bologna) entwickelt. In
der Folgezeit wurden Gabionen ausgehend von der südlichen Alpenregion vorwiegend im
Wasserbau, z.B. zum Erosionsschutz von Böschungen und Hängen, eingesetzt. Seit den
1970er Jahren werden mit Gabionen auch an Verkehrswegen Futtermauern und Schwerge-
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wichtsmauern hergestellt. Seit den 1980er Jahren werden Mauern aus Gabionen zusätzlich
mit Geokunststoffen oder verzinkten Stahlelementen rückverhängt, um die Aufnahme höhe-
rer Erddruckkräfte zu ermöglichen und somit größere Höhen zu realisieren. Als weitere neue-
re Anwendungen sind die Errichtung von Lärm- und Sichtschutzwänden, die Profilierung
kleinerer Geländesprünge im Landschaftsbau und die Verkleidung von Außenwänden zu
Gestaltungszwecken im Hochbau zu nennen. Für die beiden letztgenannten Bereiche wer-
den auch Gabionen angeboten, die von der Quaderform abweichen.
Als Argumente für Gabionenbauten werden u.a. eine rasche Herstellung, gute Anpassungs-
möglichkeiten an die örtliche Situation, ein gegenüber massiven Konstruktionen verbessertes
Erscheinungsbild sowie geringe Investitionskosten genannt. Das Erscheinungsbild kann z.B.
durch Variation der Verfüllung, der Behälter- und Fugenanordnung sowie deren Form und
Abmessungen wesentlich beeinflusst werden. In begrenztem Umfang bestehen Begrü-
nungsmöglichkeiten. Aufgrund ihres Verformungsvermögens können Gabionen, insbesonde-
re solche aus Drahtgeflecht, auch an Geländesprüngen eingesetzt werden, die in gewissen
Maßen Verformungen unterliegen (sog. „Kriechhänge“).
4.1 Normung
Schwergewichtsmauern aus Gabionen werden nach DIN 1054:2005-01 [R1] als „Stützbau-
werke“ bezeichnet. Die Gabionen müssen in diesem Fall in der Lage sein, ihr Eigengewicht
sowie weitere waagerechte und senkrechte Lasten, im Wesentlichen die Erddruckbelastung,
aufzunehmen und über die Sohlfuge in den Baugrund abzutragen. Im Fall einer Rückver-
hängung stellen die Gabionen die „Oberflächensicherung“ und die nicht vorgespannten Geo-
kunststoffe bzw. Stahlelemente die „Sicherungselemente“ dar. Eine derartige Konstruktion
wird nach DIN 1054:2005-01 als konstruktive Böschungssicherung bezeichnet. In DIN
1054:2005-01 wird für „konstruktive Böschungssicherung“ und „Stützbauwerk“ der über-
geordnete Begriff „Stützkonstruktion“ verwendet. DIN 1054:2005-01 [R1] gilt für die Nach-
weise der Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit bei Herstellung, Nutzung und Ände-
rung der Bauwerke (s.a. Abschnitt 5).
Bei der Errichtung einer Konstruktion aus Gabionen als Witterungsschutz und/oder zu Ge-
staltungszwecken vor einem standsicheren Geländesprung (gestützt oder ungestützt) wird in
der Praxis von einer Futtermauer (s.a. [R3]) oder auch „Verkleidungsmauer“ gesprochen. Die
Gabionen müssen dann lediglich ihr Eigengewicht aufnehmen und über die Sohlfuge in den
Baugrund abtragen. Diese Konstruktionen werden von den obigen Definitionen der DIN
1054:2005-01 [R1] nicht erfasst. Wenn allerdings, wie oft der Fall, zwischen der Futtermauer
und dem Geländesprung eine räumlich begrenzte Hinterfüllung vorhanden ist, wäre sie auf-
grund des einwirkenden Silodruckes nach dieser Norm als Stützbauwerk einzuordnen. Es
spricht demnach viel dafür, auch Futtermauern als Stützbauwerke einzuordnen.
Für Sicherungsbauweisen im Landschaftsbau zur Verhinderung bzw. Verringerung von Ero-
sion, Rutschung, Steinschlag und zur Begrünung von Flächen gilt DIN 18918:2002-08 [R 2].
In dieser Norm werden Gabionen mit Stein- und Bodenfüllung unter „Sicherung durch Bau-
weisen mit nicht lebenden Stoffen und Bauteilen, kombinierte Bauweisen“ erfasst.
Bei DIN 1054:2005-01 handelt es sich um eine Entwurfs- bzw. Bemessungsnorm und bei
DIN 18918:2002-08 um eine Ausführungsnorm. Für die Anwendung im Wasserbau und als
Lärmschutzeinrichtung konnten keine Normen recherchiert werden, in denen Gabionen ex-
plizit erfasst sind.
Für Gabionen existiert derzeit keine (harmonisierte) europäische Produktnorm und auch kei-
ne nationale Norm, auf deren Grundlage eine Kennzeichnung mit dem CE-Zeichen bzw. dem
Übereinstimmungszeichen möglich wäre. Durch die Dienste der EU-Kommission wurden
allerdings die Drahtbehälter für Gabionen (mit geflochtenen und geschweißten Drähten) zur
Erteilung europäisch technischer Zulassungen (ETAs) ohne Leitlinie freigegeben [2]. Das
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bedeutet, dass die Zulassungsstelle, bei der ein ETA-Antrag gestellt worden ist, die hierfür
erforderliche Beurteilungsgrundlage - das „Common Understanding of Assessment Procedu-
re“ (CUAP) - erarbeitet, über die zwischen den im Technical Board der EOTA vertretenen
Zulassungsstellen Einvernehmen zu erzielen ist (s.a. [3]). Ein Hersteller von Drahtbehältern
darf das CE-Kennzeichen führen, wenn dafür eine ETA erteilt wurde und die Konformität der
Produkte mit den Bestimmungen der ETA nachgewiesen wurde. Eine generelle Verpflichtung
zur Erlangung des CE-Kennzeichens besteht nicht. Die Hersteller haben die Möglichkeit,
zwischen dem europäischen und dem nationalen Zulassungsverfahren zu wählen. Anzumer-
ken ist, dass die Füllung der Behälter sowie die Bemessung und die Ausführung der Gabio-
nen nicht durch das europäische Zulassungsverfahren abgedeckt werden. Hierfür sind ggf.
vorhandene weitere Regelungen und Anforderungen anzuwenden (s.a. Abschnitt 4.2.4).
Derzeit existieren mehrere CUAPs und eine wachsende Zahl von ETAs.
4.2.1 Allgemeines
In den einzelnen bauaufsichtlichen Bereichen existieren unterschiedliche Anforderungen an
den Anwendungsbereich sowie die Bemessung und die Ausführung von Gabionen. Im Fol-
genden wird ein kurzer Überblick gegeben. Für nähere Erläuterungen zur Bemessung wird
auf Abschnitt 6 und zur Prüfung/Überwachung auf Abschnitt 7 verwiesen.
4.2.2 Bundesfernstraßen
Im Bereich deutscher Bundesfernstraßen gelten für die Ausführung von Stützkonstruktionen
(Definition s. Abschnitt 4.1) die „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtli-
nien für Ingenieurbauten“ (ZTV-ING) Teil 2 „Grundbau“ Abschnitt 4 „Stützkonstruktionen“
[R3]. Im Ende 2007 erstmals herausgegebenen Abschnitt 4 sind Gabionen gemeinsam mit
Blockschichtungen und Betonelementen als „gestapelte Konstruktionen“ erfasst. Darin wird
das „Merkblatt über Stützkonstruktionen aus Betonelementen, Blockschichtungen und Ga-
bionen“ [R4] als mitgeltendes Regelwerk vereinbart. Das Merkblatt [R4] wurde für den Ent-
wurf, die Berechnung und die Herstellung von Stützkonstruktionen erarbeitet, die aus gesta-
pelten Elementen bestehen. Das Merkblatt [R4] unterscheidet nach Gabionen aus Drahtgef-
lechtbehältern (6-Eck-Drahtgeflecht, mehrfach verdrillt) und Drahtgitterbehältern (punktge-
schweißte Drahtgittermatten). Nach den ZTV-ING Teil 2-4 [R3] sind nur Drahtgitterbehälter
zugelassen. Für die Anforderungen an die Bauteile bzw. die Baustoffe von Gabionen wird
auf Abschnitt 5 verwiesen. Für Stützkonstruktionen wird nach den ZTV-ING Teil 2-4 keine
Zulassung (ETA oder abZ) o.ä. verlangt. Weiterhin wird keine allgemeine Höhenbegrenzung
vorgegeben. In einzelnen Ländern bestehen jedoch entsprechende Begrenzungen. Z.B. ist in
Hessen die Höhe auf 5 m begrenzt, weshalb dort für höhere Stützkonstruktionen eine Zu-
stimmung im Einzelfall (ZiE) erforderlich ist. In Thüringen sollte die Höhe der Gabionen 5 m
ebenfalls nicht übersteigen [R11].
Futtermauern werden ebenfalls in den ZTV-ING Teil 2-4 [R3] erfasst, ohne dass Gabionen
explizit aufgeführt werden. Aufgrund dieser Regelung wird es jedoch für sinnvoll gehalten,
diese Konstruktionen auch als „Stützkonstruktionen“ zu bezeichnen, obwohl dies nicht durch
die in DIN 1054:2005-01 enthaltenen Definitionen abgedeckt ist.
Weiterhin sind Gabionen von den „Empfehlungen für die landschaftsgerechte Gestaltung von
Stützbauwerken“ [R5] und dem „Merkblatt für einfache landschaftgerechte Sicherungsbau-
weisen“ [R6] erfasst. Die Empfehlungen [R5] sind in den ZTV-ING Teil 10 [R3] aufgeführt.
Das Merkblatt [R6] ist nicht in den ZTV-ING [R3] berücksichtigt und damit für den Brücken-
und Ingenieurbau im Bundesfernstraßenbereich nicht bindend. Die Empfehlungen [R5] sind
auf die gestalterische Einpassung von Stützbauwerken in die Umgebung ausgerichtet, wäh-
rend das Merkblatt [R6] einen Überblick über konstruktive Böschungssicherungen gibt und
die Auswahl einer im Anwendungsfall geeigneten Bauweise unterstützen soll.
Für die Ausführung von Gabionen allein zu Lärmschutzzwecken gelten im Bundesfernstra-
ßenbereich die „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für die Aus-
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führung von Lärmschutzwänden an Straßen“ (ZTV-Lsw) [R7]. In den ZTV-Lsw sind Gabionen
nicht explizit erfasst. Freistehende Lärmschutzwände aus Gabionen können jedoch ohne
Zulassung o.ä. ausgeführt werden, wenn die in den ZTV-Lsw aufgeführten Anforderungen an
die Baustoffe (z.B. Zusammensetzung, Güte, akustische Eigenschaften, Dauerhaftigkeit) und
die Konstruktion (z.B. grundsätzliche Ausbildung, Standsicherheit und Gebrauchstauglich-
keit, Verkehrssicherheit) eingehalten werden.
In einzelnen Ländern, wie in Thüringen [R11] und Bayern [R12], existieren Regelungen für
die Auswahl und die Prüfung des Verfüllmaterials (s.a. Abschnitt 5).
4.2.3 Bundeswasserstraßen
Für die Ausführung von Stützkonstruktionen mit Gabionen gelten im Bereich der Bundes-
wasserstraßen ebenfalls die ZTV-ING Teil 2-4 [R3] (s. Abschnitt 4.2.2).
Für die Ausführung von Böschungs- und Sohlensicherungen bei Wasserstraßen gelten die
„Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen – Wasserbau“ (ZTV-W) für Böschungs-
und Sohlensicherungen (Leistungsbereich 210) [R9]. Darin werden Mindestanforderungen
an die Drähte (Beschichtung, Zugfestigkeit), die Verfüllung (nur Wasserbausteine nach den
TLW [R10]), die Anordnung sowie die Qualitätssicherung von Gabionen vorgegeben.
4.2.4 Deutsche Bahn AG
Bei der DB AG sind Gabionen als Stützkonstruktionen in Modul 836.4303 [R8] als „flexible
Stützbauwerke“ erfasst. Flexible Stützbauwerke im Sinne dieses Moduls sind Stützbauwerke
und konstruktive Böschungssicherungen, die aus einer Kombination einzelner künstlicher
Tragelemente mit dem umgebenden Boden bestehen und miteinander verformungsabhängig
(flexibel) verbunden sind. Bei der DB AG dürfen nur Gabionensysteme eingesetzt werden,
für die im Unternehmen Referenzen hinsichtlich Tragverhalten und Instandsetzungsaufwen-
dungen vorliegen. Anderenfalls ist eine Unternehmensinterne Genehmigung (UiG) erforder-
lich. Im Modul gilt das Merkblatt [R4] mit. Die Behälter der Gabionen sollen als Drahtgitterbe-
hälter gem. [R4] ausgebildet sein. Für den Einsatz von Drahtgeflechtbehältern soll für „sta-
tisch wirksame Zwecke“ ein Nachweis der Bewährung an vergleichbaren Objekten vorgelegt
werden.
Für freistehende Gabionenwände (Anm.: eigentlich keine Stützkonstruktion), rückverhängte
oder rückverankerte Gabionenwände sowie Gabionenwände mit Höhen über 4 m sind eine
UiG und eine ZiE erforderlich. Zusätzlich unterliegt die Anordnung von Gabionen zur Stüt-
zung des Unterbaus von Dämmen räumlichen Begrenzungen nach definierten Lasteinlei-
tungsbereichen und der Leitgeschwindigkeit der Strecke. In Einschnitten bestehen Begren-
zungen der Anordnung dahingehend, dass im Versagensfall je nach Leitgeschwindigkeit der
Strecke bezeichnete Bereiche von Massen freizuhalten sind. Nach Aussage der Fa. GEPRO
Ingenieurgesellschaft ließ sich die DB AG bei diesen Festlegungen auch von möglichen Be-
schädigungen infolge Vandalismus leiten.
4.2.5 Geltungsbereich der Landesbauordnungen
Im Geltungsbereich der Landesbauordnungen ist für die Verwendung von Drahtbehältern für
Gabionen eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) erforderlich, wenn bei einer
Verwendung als Stützelemente die Höhe des Geländesprungs größer als 1 m ist [2].
Für Drahtbehälter, für die bereits eine ETA vorliegt, sind zusätzlich die Verwendung der Be-
hälter zur Herstellung von Gabionen inkl. Verfüllung und Bemessung sowie die Beschreibung
der Herstellung vor Ort zu regeln (s.a. Abschnitt 4.1). Für den Fall, dass keine ETA vorliegt,
sind für die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung darüber hinaus noch die Drahtbehälter zu
regeln. Dies führt dann zur Kennzeichnung mit dem Übereinstimmungszeichen. Momentan
liegt für Gabionen keine einzige allgemeine bauaufsichtliche Zulassung vor.
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5 Ausführung
5.1 Allgemeines
In den folgenden Abschnitten werden die Praxis und die gegenwärtigen Anforderungen zur
Ausführung von Stützkonstruktionen aus Gabionen beschrieben und beurteilt. Vorwegzu-
nehmen ist, dass die Sorgfalt bei der Ausführung wesentlichen Einfluss auf die Dauerhaftig-
keit sowie die Standsicherheit und die Gebrauchstauglichkeit der Konstruktionen nimmt.
5.2 Behälter
Nach den ZTV-ING Teil 2-4 [R3] werden an die Behälter von Gabionen für Stützkonstruktio-
nen folgende Anforderungen gestellt:
- Elektrisch punktgeschweißte Drahtgittermatten mit Regelmaschenweite von 50 mm
bis 100 mm,
- Drahtdurchmesser mind. 3,5 mm, Mindestzugfestigkeit des Drahtes 450 N/mm²,
- Verzinkung mit mind. 350 g/m² Zink-Aluminium-Legierung (Galfanverfahren).
Die Entscheidung lediglich Drahtgitterbehälter zuzulassen, wurde bei der Erarbeitung des
Abschnittes 4 getroffen, da nach der Beschreibung im Merkblatt [R4] von Drahtgitterbehäl-
tern aufgrund des größeren Drahtdurchmessers und der Knotenausbildung ein steiferes Ver-
formungsverhalten als bei Drahtgeflechtbehältern erwartet wird. Dieses wird im Hinblick auf
die Eigenverformungen der Konstruktionen (s.a. Abschnitt 5.4.1) und deren Widerstand ge-
genüber Vandalismus als vorteilhafter eingeschätzt. In Verbindung mit dem größeren Draht-
durchmesser, der höherwertigeren Beschichtung und dem höheren Beschichtungsgewicht
wird unter Annahme gleicher Umgebungsbedingungen von den Drahtgitterbehältern gege-
nüber den Drahtgeflechtbehältern außerdem eine längere Nutzungsdauer erwartet. Die Er-
wartung eines verbesserten Korrosionsverhaltens der Zink-Aluminium-Legierung der Draht-
gitterbehälter (mind. 350 g/m²) gegenüber der doppelten Feuerverzinkung von Drahtgeflech-
tbehältern (mind. 250 g/m²) stützt sich auf die Veröffentlichungen [4, 5], die von der Fa. Roth-
fuss als Sonderdruck zur Verfügung gestellt wurden. Andererseits wird hingenommen, dass
durch die Begrenzung des Regelfalls auf Drahtgitterbehälter bei Stützkonstruktionen die Fä-
higkeit verringert wird, auf begrenzte Verformungsraten von Hängen (sog. „Kriechhänge“)
flexibel zu reagieren. Hierauf wäre bei Erfordernis im Einzelfall entsprechend zu reagieren.
In [1] wird nach Erfahrungen aus rd. 30 Jahren Anwendung die mögliche Nutzungsdauer der
Drahtbehälter an Standorten mit normalen Umgebungsbedingungen, d.h. außerhalb des
Sprühnebelbereiches von Straßen (Feuchtigkeit, Tausalz) oder an Meeresküsten, bei einer
sorgfältigen Verzinkung mit mehreren Jahrzehnten angegeben. Diese Angabe stimmt mit
den telefonisch erfragten Erfahrungen von Prüfinstituten und Ingenieurbüros überein. Bei
einer Zink-Aluminium-Legierung kann demnach unter den normalen Umgebungsbedingun-
gen von einer nochmals deutlich verlängerten Nutzungsdauer ausgegangen werden. Im
Hinblick auf die Korrosion wird die Erdseite als anspruchsvoller als die Vorderseite angese-
hen, da dort ggf. aggressive Medien einwirken können, während an der einsehbaren Vorder-
seite Feuchtigkeit abtrocknen kann. In einigen Ländern werden in bestimmten Fällen Drähte
aus nicht rostendem Stahl verwendet, wie z.B. in Bayern Werkstoff-Nr. 1.4571 (s. [R13]).
Diese Drähte sind einerseits deutlich teurer als die Drähte mit Zink-Aluminium-Legierung.
Andererseits kann Edelstahl, wie Schäden an Konstruktionen aus Bewehrter Erde in den
1990ern zeigten, bei Bodeneinbettung zu Lochfraß neigen, so dass dessen Vorteil insgesamt
fraglich erscheint. Seit jüngerer Zeit ist auf dem Markt auch eine Zink-Aluminium-
Magnesium-Legierung der Drähte erhältlich, über deren Bewährung hier allerdings keine
Informationen vorliegen.
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5.3 Gründung
Für die Gründung der Stützkonstruktionen werden im Merkblatt [R4] Möglichkeiten, wie eine
Ausgleichs- oder Tragschicht aus abgestuften Gesteinskörnungen bzw. mind. Beton B10
(mind. C8/10) in ausreichender Dicke bei einem gleichzeitigem Überstand von mind. 10 cm
aufgezeigt. Ein statisch erforderliches Fundament ist mind. aus Beton B15 (mind. C12/15)
herzustellen. Anforderungen an die Verdichtung der Tragschicht und ggf. des Untergrundes
werden nicht angegeben. Es erscheint jedoch sinnvoll, hierfür im Geotechnischen Bericht
unter Beachtung der örtlichen Randbedingungen (z.B. Zusammensetzung, Eigenschaften
und Schichtung des Untergrundes, benachbarte bauliche Anlagen) und der Ansprüche an
das jeweilige Bauwerk (z.B. Setzungsunterschiede, Maßhaltigkeit/Formstabilität) Empfehlun-
gen zu geben.
Im Merkblatt [R4] heißt es: „Stützwände aus starren Elementen müssen nicht generell frost-
sicher gegründet werden.“ Eine Definition „starrer Elemente“ erfolgt dort nicht. Generell
könnten hierunter Blockschichtungen und Betonelemente subsummiert werden, nicht jedoch
Gabionen. Zur Klarstellung ist in den ZTV-ING Teil 2-4 [R3] die Forderung enthalten, dass
die Gründung tragfähig (s.a. Abschnitt 6) und frostsicher erfolgen muss. Hierbei können die
im Merkblatt [R4] empfohlenen frostsicheren Gründungstiefen Orientierung geben. Die For-
derung nach Frostsicherheit wird als bedeutend erachtet, da in der Vergangenheit in einzel-
nen Fällen, so z.B. am Zubringer zum Flughafen Leipzig, Schäden an Gabionen durch Ver-
formungen infolge Frosteinwirkung auftraten.
5.4 Einbau
5.4.1 Verfüllung/Begrünung
Üblicherweise werden die Gabionen mit Steinen aus natürlichen Vorkommen verfüllt. Die
Steine sollten eine deutlich größere Kantenlänge bzw. Kleinstkorngröße als die kleinste Ma-
schenweite der Behälter aufweisen. Die Angaben variieren hierzu je nach Bauherrn bzw.
Anbieter zwischen dem 1,2-fachen des Kleinstkorndurchmessers [R12] und dem 1,5-fachen
der Kantenlänge. Für die Ausführung der Verfüllung bestehen im Hinblick auf die Gesteinsar-
ten und die Anordnung zahlreiche Variationsmöglichkeiten. Außer einer vollständigen Verfül-
lung mit Schotter können an den Ansichtsflächen Steinschichtungen aus regionalen Vor-
kommen erstellt werden, während der Zwischenraum mit Schotter verfüllt wird. Zur Verbes-
serung der schalltechnischen Eigenschaften können bei Lärmschutzkonstruktionen mithilfe
von Geokunststoffen auch Sandkerne integriert werden.
In der Regel werden die Behälter zusammengefaltet auf die Baustelle geliefert, dort ausge-
packt, auf der Ausgleichs- bzw. Tragschicht aufgestellt, durch Drahtelemente mit benachbar-
ten Behältern verbunden, von Hand verfüllt, evtl. mit leichtem Handgerät verdichtet und mit
Drahtelementen verschlossen. Hiernach erfolgt ggf. die Hinterfüllung der ersten Lage Gabio-
nen, wobei die ZTV E-StB [R14] berücksichtigt werden sollten. Hinter den Gabionen sollte
dabei bis zu einem Abstand von mind. 1 m die Verdichtung nur mit leichtem Gerät erfolgen
[R4]. Aufbauend auf der ersten Lage wird anschließend mit einem Versatz der Stoßfugen
und ggf. mit horizontalem Versatz in der Lagerfuge die nächste Gabionenlage erstellt usw.
bis die endgültige Höhe der Konstruktion erreicht ist. Sofern erforderlich können in der ober-
sten Gabionenlage mittels Kunststoffrohren o.ä. Aussparungen für Absturzsicherungen,
Lichtmasten und dgl. vorgenommen werden. Einige Anbieter von Gabionen bieten eine
werksmäßige Verfüllung und Verdichtung der Gabionen (i.d.R. mit Schotter 60/140) an. Die-
se erfolgt im Werk mittels Rütteltisch. Die derart verfüllten Gabionen werden auf die Baustel-
le geliefert und dort mit einem Hebezeug, einem Montagebügel sowie am Behälter angeb-
rachten Anschlagmitteln versetzt. Insgesamt sind den Verdichtungsmöglichkeiten im Zuge
der Verfüllung Grenzen gesetzt, da die Behälter hierdurch Ausbauchen. Dieser Tendenz
kann durch die Verwendung von zusätzlichen Aussteifungselementen in den Behältern
und/oder die vorherige Befestigung von Holzplanken. Leitern o.ä. an den Längsseiten der
Behälter begrenzt entgegengewirkt werden. Drahtgitterbehälter verhalten sich hier steifer als
Drahtgeflechtbehälter [1].
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Im Hinblick auf die Standsicherheit (s. Abschnitt 6) sollte die Verfüllung möglichst schwer
sein und die Behälter nach dem Prinzip der Hohlraumminimierung vollständig ausfüllen. Die
Wichten der Verfüllung schwanken i.d.R. von 15 kN/m³ für hohlraumreiche Schotterfüllungen
und 22 kN/m³ für dichte Steinschichtungen [1]. Im Merkblatt [R4] wird die werksmäßige Ver-
füllung und Verdichtung positiv im Hinblick auf die innere Standsicherheit und das (Eigen-)
Verformungsverhalten beurteilt. Ob eine sorgfältige Verfüllung von Hand oder eine werks-
mäßige Verfüllung und Verdichtung vorteilhafter sind, kann hier nicht abschließend beurteilt
werden. Im Einzelfall sollten die regionalen und systemspezifischen Erfahrungen mit den
ausführenden Firmen und den Anbietern der Behälter berücksichtigt werden.
Die Auswahl der Gesteine für die Verfüllung und deren petrografische und mechanische Ei-
genschaften sowie die Dauerhaftigkeitseigenschaften, insbes. der Widerstand gegen Frost-
und ggf. Frost-Tausalzeinwirkungen, stellen einen bedeutenden Aspekt für die Dauerhaftig-
keit und die innere Standsicherheit dar, da sich die Konstruktionen bei deren fortschreiten-
dem Zerfall infolge mechanischer und klimatischer Einwirkungen verformen und schließlich,
z.B. durch Kippen in den Lagerfugen, versagen können. Thüringen und Bayern stellen daher
über die allgemeine Anforderung in [R3, R4] nach Frost- und Witterungsbeständigkeit hinaus
im Sinne Technischer Lieferbedingungen weitergehende Anforderungen an das Verfüllmate-
rial, dessen Prüfung und die Gütesicherung (s. [R11, R12]). Nach Aussage von Herrn Pfiste-
rer, Fa. Rothfuss, zerfallen nicht frost- bzw. nicht frost-tausalzbeständige Gesteine i.d.R. im
Verlauf weniger Winter und somit noch innerhalb der Gewährleistungsfrist.
Die mit Steinen verfüllten Gabionen bieten i.d.R. keine Grundlage für Pflanzenwachstum. Im
Merkblatt [R4] wird aufgezeigt, wie auf der Luftseite der Gabionen unter Verwendung von
Erosionsschutzmatten und Oberboden bzw. Substrat eine Bepflanzung vorgenommen wer-
den kann. Da der Erfolg der Bepflanzung vor allem vom Wasserdargebot abhängig ist, wird
in [1] jedoch für eine dauerhafte Begrünung empfohlen, Rankpflanzen vor dem luftseitigen
Gabionenfuß anzupflanzen.
Aufgrund der begrenzten Begrünungsmöglichkeiten der mit Steinen verfüllten Gabionen
werden seit einiger Zeit auch mit Boden verfüllbare Gabionen angeboten. Als zusätzliches
Argument wird für diese Produkte auch die Möglichkeit genannt, dass für die Verfüllung vor
Ort anfallendes Aushubmaterial verwendet werden kann. Zumeist kommen Behälter ohne
Boden und Deckel zum Einsatz, die zur Aufnahme und zum Rückhalt des Verfüllbodens mit
Geokunststoffen bzw. Matten aus Pflanzenfasern ausgekleidet sind. Der Verfüllboden wird
vor Ort eingebaut und verdichtet. In der Regel werden mehrere Gabionen übereinander ge-
stapelt, deren Breite nach oben hin abnimmt, so dass Bermen zur Aufnahme der Pflanzen
entstehen. Zumeist dienen die derart erstellen Konstruktionen Lärm- und Sichtschutzzwe-
cken. Denkbar ist jedoch auch eine Anwendung als Stützkonstruktion. Aufgrund von Erfah-
rungen werden in [1] die Standsicherheit, der Begrünungserfolg und die Dauerhaftigkeit die-
ser Konstruktionen skeptisch beurteilt. Die für die Standsicherheit erforderliche Verdichtung
des Verfüllbodens wird durch die Aussteifungselemente der Behälter behindert und kann
zum Ausbauchen führen, wobei eine zu starke Verdichtung auch dem Pflanzenwachstum
abträglich ist. Ohne bzw. ohne ausreichende Verdichtung können sich, insbesondere bei
bindigen Verfüllböden, Sackungen mit Auswirkungen auf die (innere) Standsicherheit einstel-
len. Die Konstruktionen stellen für Pflanzen aufgrund Sonneneinstrahlung, Frost, Wandnei-
gung usw. Extremstandorte dar, so dass eine erfolgreiche Begrünung u.U. einen hohen Auf-
wand auffordert (ggf. Bewässerung). Genauerer Beachtung bedarf auch die Auswahl der
Auskleidung, da nicht alle Geokunststoffe unter den genannten Witterungsbedingungen (UV-
Licht!) beständig sind und Matten aus Pflanzenfasern nach einigen Jahren verrottet sind.
Ohne funktionsfähige Auskleidung kann die Verfüllung nicht mehr zurückgehalten werden,
womit Gebrauchstauglichkeit und Standsicherheit gefährdet werden. Zusätzlich sollte die
Möglichkeit einer Brandeinwirkung auf die Auskleidung, z.B. durch ein brennendes Fahr-
zeug, eine Zigarettenkippe, Funkenflug o.ä., berücksichtigt werden. Die Konstruktionen soll-
ten daher so angeordnet bzw. ausgeführt werden, dass sie von den genannten Einwirkungen
nicht erreicht bzw. nicht entzündet werden können (s.a. ZTV-Lsw [R7]).
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5.4.2 Bewehrungselemente
Die Bewehrung der Hinterfüllung stellt eine Möglichkeit dar, mit Stützbauwerken aus Gabio-
nen größere Erddruckkräfte, z.B. infolge Verkehrseinwirkung oder größerer Höhen, aufzu-
nehmen und/oder die Konstruktionsbreite im Fußbereich zu verringern. Dieses Vorgehen
wird gelegentlich auch „Rückverhängen“ genannt (s.a. [R3]). Die Gabionen erhalten dadurch
die Funktion einer Oberflächensicherung, die nur ihr Eigengewicht abträgt, während die
Konstruktion insgesamt als „konstruktive Böschungssicherung“ zu bezeichnen ist (Definition
s. Abschnitt 4.1).
Auf der Erdseite der Gabionen werden jeweils flächenhaft Geokunststoffe, i.d.R. Geogitter,
angeschlossen, auf der vorhandenen Sohle bzw. dem vorhandenen Hinterfüllniveau ausge-
rollt und in die Hinterfüllung eingebettet. Dabei sollte beachtet werden, dass sich der An-
schluss für den Geokunststoff an der Gabione und das vorhandene, verdichtete Hinterfüllni-
veau stets auf gleicher Höhe befinden. Anderenfalls entsteht, solange bis sich die Geo-
kunststoffe gestrafft haben und den Erddruck aufnehmen, ein gewisser „Schlupf“, der sich in
Verformungen äußert. In Merkblatt [R4] wird empfohlen, die Verdichtung der Hinterfüllung im
Nahbereich der Außenhaut (hier: Gabionen) zu beginnen und in erdseitiger Richtung wand-
parallel fortzusetzen, um die Bewehrung zu straffen. Bei der Auswahl und dem Einbau der
Geokunststoffe sollten die Hinweise des Merkblattes [R15] beachtet werden. Für die kons-
truktive Durchbildung der bewehrten Hinterfüllung wird auf die EBGEO [R17] verwiesen. Der
Anschluss der Geokunststoffe an die Gabionen ist anbieter- bzw. systemspezifisch gestaltet.
Grundsätzlich ist auch eine Bewehrung durch das Anschließen von Stahlbändern/-gittern mit
doppelter Feuerverzinkung oder Zink-Aluminium-Legierung und deren Einbetten in die Hin-
terfüllung möglich. Die Ausführung mit Stahlbändern ähnelt dem Bauverfahren „Bewehrte
Erde“, das auch in den ZTV-ING Teil 2-4 [R3] erfasst ist. Zu diesem Bauverfahren ist aktuell
ein neues Merkblatt [R16] erschienen, das noch nicht in den ZTV-ING Teil 2-4 berücksichtigt
ist.
6.1 Allgemeines
Im Merkblatt [R4] wird im Hinblick auf die zu führenden Nachweise nach der „äußeren“ und
der „inneren Standsicherheit“ unterschieden. Unter der „äußeren Standsicherheit“ wird dabei
ein Versagen des Baugrundes bzw. ein Verlust der Lagesicherheit in der Gründungssohle
verstanden, während unter der „inneren Standsicherheit“ ein Materialversagen bzw. eine
Überbeanspruchung innerhalb der Konstruktion verstanden wird. In der Normung [R1], die
nach Herausgabe des Merkblattes [R4], umgesetzt wurde, werden diese Begriffe nicht mehr
verfolgt. Die Nachweise der „äußeren“ und der „inneren Standsicherheit“ sind in den Nach-
weisen für den Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZ 1) bzw. den Grenzzustand der Ge-
brauchstauglichkeit (GZ 2) aufgegangen. Da die Begriffe „innere“ und „äußere Standsicher-
heit“ in der Praxis noch häufig benutzt werden, werden hier in der Gliederung die Begriffe der
gültigen Normung [R1] verwendet und Hinweise auf die Systematik des Merkblattes [R4]
gegeben.
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6.2.1 Konzept
Stützbauwerke aus Gabionen ohne Bewehrung der Hinterfüllung wirken über ihr Eigenge-
wicht als „Schwergewichtsmauern“, d.h. sie tragen die Beanspruchungen über die Sohlfuge
in den Baugrund ab.
6.3.1 Konzept
Zur Aufnahme größerer Erddruckkräfte, z.B. infolge Verkehrseinwirkungen und/oder größe-
rer Konstruktionshöhen, kann die Hinterfüllung bewehrt werden (Ausführung s. Abschnitt
5.4.2). Bei diesen Konstruktionen handelt es sich um bewehrte Stützkonstruktionen im Sinne
von [R4, R14, R15, R17 u. evtl. R16], die aus dem bewehrten Erdkörper (Hinterfüllung) und
der Außenhaut (Gabionen) bestehen. Diese Konstruktionen stellen dann eine konstruktive
Böschungssicherung nach DIN 1054:2005-01 (s. Abschnitt 4.1) dar. Im Rahmen der Bemes-
sung sind Nachweise für den bewehrten Erdkörper und die Außenhaut zu führen.
Die Ausführungen zur Bemessung werden auf Bewehrungselemente aus Geokunststoffen
ausgerichtet. Grundsätzlich können auch Stahlbänder/-gitter als Bewehrungselemente ver-
wendet werden, womit die entstehenden Konstruktionen dem Bauverfahren Bewehrte Erde
ähneln. Der Entwurf und die Berechnung für dieses Bauverfahren werden im neu erschienen
Merkblatt [R16] behandelt. Die Anwendbarkeit des Merkblattes [R16] wäre für diese Kons-
truktionen allerdings genauer zu überprüfen.
Bundesanstalt für Straßenwesen Seite 11
6.3.3 Außenhaut
In den EBGEO [R17] sind mit Ausnahme der Anschlüsse der Bewehrungselemente (s. Ab-
schnitt 6.3.2, Nachweis h) keine Vorgaben oder Empfehlungen zur Bemessung der Außen-
haut enthalten. Nach dem Merkblatt [R4] sind für die Gabionen mit Ausnahme des Nachwei-
ses der Gesamtstandsicherheit (s. Abschnitt 6.2.1, Nachweis d) konsequenterweise alle
Nachweise zu führen, die auch für Konstruktionen ohne Bewehrung der Hinterfüllung erfor-
derlich sind, so dass auf Abschnitt 6.2 verwiesen wird.
Für die Ermittlung der zur Nachweisführung erforderlichen Schnittgrößen wird im Merkblatt
[R4] ein Nachweiskonzept vorgeschlagen, dass sich in der Vergangenheit als sinnvoll erwie-
sen hat. Im Hinblick auf die Ermittlung des Erdruckes auf die Außenhaut sind allerdings in
Bundesanstalt für Straßenwesen Seite 12
den EBGEO [R17] und im Merkblatt [R4] Unterschiede festzustellen (s. Abschnitt 6.3.2). Es
ist zu anzunehmen, dass diese auf dem unterschiedlichen Erkenntnisstand zum Zeitpunkt
der Herausgabe beider Regelwerke beruhen. Nach Auskunft von Herrn Prof. Wichter, Ob-
mann der zuständigen FGSV-AG 5.6 „Grundbau“, wird das Merkblatt [R4] gegenwärtig über-
arbeitet.
6.4.1 Allgemeines
In DIN 1054:2005-01 [R1] wird für Stützkonstruktionen zum Nachweis gegenüber Material-
versagen von Bauteilen (GZ 1B) auf die „geltenden bauartspezifischen Regeln“ verwiesen,
mit denen nachzuweisen ist, dass die Bemessungswerte der Einwirkungen kleiner als die der
Widerstände sind. Hinweise werden dort lediglich für den Nachweis der Gleitsicherheit gege-
ben (s.a. Abschnitt 6.2.2). In den EBGEO [R17] sind ebenfalls keine Hinweise auf die Erfor-
dernis und die Führung dieses Nachweises enthalten. Zum Erfordernis des Nachweises ge-
genüber Materialversagen bei Gabionen heißt es in der aktuellen Ausgabe des Grundbauta-
schenbuches [7]:
Der Nachweis der inneren Stabilität erübrigt sich erfahrungsgemäß; vorauszusetzen ist aller-
dings eine dichte Verfüllung der Gabionen“.
Hinweise zur Führung des Nachweises gegenüber Materialversagen werden dagegen im
Merkblatt [R4] unter „innere Standsicherheit der Gabionen/der Außenhaut“ gegeben.
Das Merkblatt [R4] gibt als einzige recherchierte und öffentlich verfügbare Quelle Hinweise
wie der Nachweis gegenüber Materialversagen bei Gabionen zu führen ist. Die Hinweise des
Merkblattes [R4] beruhen auf dem Ansatz, dass die nach dem Prinzip der Hohlraumminimie-
rung verfüllten Gabionen quasi einen monolithischen Körper („Schwergewichtsmauer“) dar-
stellen und somit vom Tragverhalten näherungsweise einem unbewehrten Betonbauteil ent-
sprechen. Dieser Ansatz ist grundsätzlich konsistent mit dem Vorgehen für die Nachweise im
Grenzzustand der Tragfähigkeit GZ 1A und 1B für Konstruktionen ohne Bewehrung der Hin-
terfüllung (s. Nachweise (a) bis (c) in Abschnitt 6.2.2), da als relevantes Kriterium die Lage
der Resultierenden berücksichtigt wird. Außerdem erscheint es plausibel, dieses Vorgehen
auch näherungsweise auf Konstruktionen mit Bewehrung der Hinterfüllung zu übertragen, da
die Gabionen gegenüber anderen üblichen Außenhautelementen (s. z.B. [R17]) eine erhebli-
che Dicke aufweisen. Das Merkblatt enthält keine Hinweise zu den Festlegungen der DIN
1045:1988-07 [R18], dass Bauteile aus Beton einer Druckfestigkeitsklasse niedriger als B10
maximal bis zu einer Schlankheit von 20 realisiert werden dürfen und die ungewollte Ausmit-
te unter der „Gebrauchslast“ (d.h. Resultierende aus ständigen und veränderlichen Einwir-
kungen) zu ermitteln ist.
Das mündlich eingeholte Meinungsbild aus der für das Merkblatt zuständigen FGSV-AG 5.6
„Grundbau“ ist hierzu wie folgt wiederzugeben:
Nach Auskunft von Herrn Prof. Wichter, Obmann der FGSV-AG ist angedacht, das derzeit
aufgezeigte Näherungsverfahren für den Nachweis auch nach der laufenden Überarbeitung
des Merkblattes [R4] grundsätzlich beizubehalten, da nach seiner Kenntnis kein geeignete-
res Verfahren vorliege. Auf der nächsten Sitzung des FGSV-Gremiums im September 2011
soll hierüber auf der Grundlage aktuell ausgeführter Belastungsversuche verfüllter Gabionen
beraten werden.
Nach Auskunft von Herrn Prof. Placzek, Mitglied der FGSV-AG und der BASt-AG 2.1
„Grundbau“, basieren die gesamten Empfehlungen und Hinweise des Merkblattes [R4], und
somit auch das Näherungsverfahren, auf der Bewertung schadensfreier Konstruktionen. Die
Ausführung von Belastungsversuchen erfordert seiner Ansicht nach eine flächige Belastung
der Gabionen, wie sie für die gestapelten Elemente auch real existiert. Unter diesen Bedin-
gungen hätten sich z.T. auch äquivalente Werte der Druckfestigkeit über 0,3 MN/m² ergeben.
Insgesamt hätte sich jedoch gezeigt, dass die Versuchsergebnisse aufgrund der möglichen
Variationen bei der Verfüllung sehr schwer reproduzierbar sind.
Herr Müller, GEPRO Ingenieurgesellschaft, verweist hinsichtlich des gesicherten, schadens-
freien Erfahrungsbereiches auf den Anhang 4 des Merkblattes [R4], in dem exemplarisch,
vorbehaltlich der statischen Nachweise, freistehende Gabionenmauern und Stützbauwerke
bis max. 6 m Höhe zusammengestellt sind. Die monolithische Idealisierung der Konstruktio-
nen beurteilt er skeptisch, da die Drahtbehälter bei größeren Verformungen systemspezi-
fisch, z.B. durch Nachgeben der Verbindungen zwischen einzelnen Gittermatten, versagen
können. Dies könne durch die Näherungslösung nicht erfasst werden, sondern eher durch
Belastungsversuche. Der Nachweis gegenüber Materialversagen werde übrigens von Bau-
herrn nach seiner Erfahrung selten nachgefragt.
Herr Pfisterer, Fa. Rothfuss, sieht die Realitätsnähe von Belastungsversuchen eher skep-
tisch, da sich unbewehrter Beton gegenüber Gabionen unter Druckbelastung nur in geringem
Umfang verformen würde. Außerdem seien Belastungsversuche an Gabionen üblicher Ab-
messungen (z.B. 2 m x 1 m x 1 m) aufwendig, während sich bei Gabionen geringerer Ab-
messungen die Frage des Maßstabsfaktors ergebe. Bei der Fa. Rothfuss würde daher eine
andere Nachweisführung bevorzugt (s. Abschnitt 6.4.3). Der Nachweis gegenüber Material-
versagen werde von den Straßenbauverwaltungen aktuell oft abgefordert, was gegenüber
der Praxis der Vorjahre eine deutliche Verbesserung sei.
6.4.3 Nachweis über die Zugfestigkeit des Drahtes
Nach Auskunft von Herrn Pfisterer, Fa. Rothfuss, wird der Nachweis gegenüber Materialver-
sagen als Näherung häufig auch in der Weise geführt, dass der auf die unterste Gabionenla-
ge der Stützkonstruktion wirkende, horizontale aktive Erddruck im Lastfall 1 ermittelt wird.
Dabei wird davon ausgegangen, dass es sich bei der untersten Gabionenlage i.d.R. um die
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am höchsten belastete handelt. Aus der horizontalen Erddruckkraft wird eine einwirkende
Zugbeanspruchung ermittelt, die von den entsprechenden Drähten im Deckel und im Boden
der Gabione, vergleichbar einem Zugstab, aufgenommen werden muss. Als Widerstand wird
die aus Zugversuchen ermittelte Zugfestigkeit eines Drahtes verwendet. Als Nachweisbedin-
gung wird ein Ausnutzungsgrad als Quotient von Einwirkung und Widerstand definiert, der
maximal „1“ betragen darf. Bei der Nachweisführung ergeben sich Variationsmöglichkeiten
durch den Erddruckansatz und die systemspezifischen Parameter des Anbieters, wie die
Anzahl der mitwirkenden Drähte im Boden/Deckel, deren Zugfestigkeit und Durchmesser.
Bei dieser Näherungslösung wird i.d.R. davon ausgegangen, dass die Einwirkung der verti-
kalen Erddruckkomponente durch die Nachweise der „äußeren Standsicherheit“ abgedeckt
wird.
Ein ähnliches Vorgehen für diesen Nachweis wird in einem Bericht der FMPA der Universität
Stuttgart für die Fa. Adolf Uher [8] angewandt. Basierend auf der bei diesem Anbieter übli-
chen Anordnung und der Durchmesser aussteifender Zugdrähte werden maximal realisierba-
re Konstruktionshöhen von 6,5 m bzw. 8 m (ohne Bewehrung der Hinterfüllung) ermittelt.
Sofern in den übersandten statischen Berechnungen der Nachweis gegenüber Materialver-
sagen einer Gabione geführt wurde, erfolgte dieser in der von Herrn Pfisterer geschilderten
Weise unter Ansatz des Erdruhedrucks. In einer übersandten Vorstatik für eine 8,5 m hohe
Stützkonstruktion wurde zusätzlich für die Nutzungsdauer, die die angenommene Wirksam-
keit der Zink-Aluminium-Beschichtung übersteigt, eine „Abrostrate“ für die Drähte berücksich-
tigt. Hierdurch wird allerdings eine Genauigkeit vorgegeben, deren Abdeckung durch die
Näherung fraglich erscheint.
Die Anwendung der Näherung setzt voraus, dass bereits im Zuge der Planung der Anbieter
für die Behälter festgelegt wird, da für die Ermittlung des Widerstands die systemspezifi-
schen Parameter des Gabionenbehälters erforderlich sind. Bemerkenswert erscheint, dass
die Nachweisführung über die Drahtfestigkeit bewusst der in Abschnitt 6.4.2 beschriebenen
Nachweisführung als unbewehrtes Betonbauteil vorgezogen wurde, obwohl sie nicht in ein
Merkblatt und ein Rechenprogramm implementiert ist und somit eigene Überlegungen erfor-
dern.
6.4.4 Fazit
Zur Bedeutung des Nachweises gegenüber Materialversagen bei den Bauherren existieren
unterschiedliche Einschätzungen. Die Nachweisführung als unbewehrtes Betonbauteil und
über die Zugfestigkeit des Drahtes stellen jeweils Näherungen dar, die seit Jahren angewen-
det werden. Ein genauerer rechnerischer Nachweis sollte die Interaktion zwischen Verfüllma-
terial und Drahtbehälter/Aussteifung angemessen berücksichtigen (s.a. [R4]). Dies können
bisher nur aufwendige Versuche leisten, deren Reproduzierbarkeit jedoch begrenzt ist. Hin-
sichtlich der Ableitung eines genaueren rechnerischen Nachweises besteht somit For-
schungsbedarf. Eine Entscheidung, welche der beiden Näherungen der Realität an ehesten
entspricht, kann somit vom heutigen Standpunkt aus nicht getroffen werden.
Bis zu einer sinnvollen Klärung des aufgezeigten Forschungsbedarfes wird folgendes Vorge-
hen empfohlen:
Konstruktionen aus Gabionen sollten nur bis zu einer sichtbaren Höhe von 6 m unter Beach-
tung der gültigen technischen Regelwerke (insbes. [R1, R3, R4, R17]) und Erfüllung der er-
forderlichen statischen Nachweise (s. Abschnitt 6.2 und 6.3) ausgeführt werden. Der Nach-
weis gegenüber Materialversagen sollte näherungsweise wie für unbewehrte Betonbauteile
nach DIN 1045:1988-07 [R18] geführt werden, da dieses Vorgehen durch das Merkblatt [R4],
das in den ZTV-ING Teil 2-4 [R3] mitgilt, aufgezeigt wird. Die Näherungslösung unterliegt
somit der fachlichen Aufsicht und ggf. Fortschreibung durch die FGSV-AG 5.6 „Grundbau“
als Expertengremium. Außerdem erfordert die Nachweisführung als unbewehrtes Betonbau-
teil keine Festlegung auf die systemspezifischen Parameter eines Anbieters von Gabionen-
behältern, was im Hinblick auf Ausschreibungen von Vorteil sein kann.
Bundesanstalt für Straßenwesen Seite 15
Bei einer sichtbaren Höhe der Konstruktion von mehr als 6 m sollte eine Zulassung im Ein-
zelfall (ZiE) gefordert werden. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens sollten die statischen
Nachweise, mit Ausnahme des Nachweises gegenüber Materialversagen, wie zuvor genannt
geführt werden. Der Nachweis gegenüber Materialversagen sollte auf der Basis von Belas-
tungsversuchen geführt werden. Über das Vorgehen bei der Durchführung und der Auswer-
tung der Belastungsversuche sollte ein geotechnischer Sachverständiger entscheiden, der
über langjährige Erfahrung mit der Bemessung und der Ausführung dieser Konstruktionen
verfügt. Sofern bereits Ergebnisse von Belastungsversuchen vorliegen, sollten diese bei ver-
gleichbaren örtlichen Randbedingungen auf den aktuellen Fall übertragen werden können.
Über die Übertragbarkeit sollte in jedem Einzelfall der geotechnische Sachverständige ent-
scheiden. Außerdem wird eine Einbindung des geotechnischen Sachverständigen in die
Bauüberwachung und ggf. vorzunehmende Messungen nach Fertigstellung empfohlen.
Die vorgeschlagene Vorgehensweise orientiert sich am Anhang 4 des Merkblattes [R4], in
dem (exemplarisch) unter Berücksichtigung des schadensfreien Erfahrungsbereichs freiste-
hende Konstruktionen und Stützbauwerke von maximal 6 m Höhe bei ebenem Gelände zu-
sammengestellt sind. Weiterhin kann sich auf dem in [1] angegebenen „unproblematischen
Einsatzbereich“ der Konstruktionen zwischen 1 m und 6 m Höhe gestützt werden, während
höhere Konstruktionen „viel Sorgfalt beim Entwurf, der Bemessung und der Herstellung“ er-
fordern.
dazu anhand ihrer Funktion nach DIN 1076:1999-11 [R19] erfolgen, somit würden „Stütz-
bauwerke“ (inkl. Futtermauern) aus Gabionen ab einer sichtbaren Höhe von 1,50 m und
„Lärmschutzbauwerke“ aus Gabionen ab einer sichtbaren Höhe von 2,00 m der Prüfung und
Überwachung unterliegen. Konstruktive Böschungssicherungen aus Gabionen können den
„sonstigen Ingenieurbauwerken“ zugeordnet werden. Zusätzlich ist zu empfehlen, alle Kons-
truktionen in die Prüfung und Überwachung einzubeziehen, die im Versagensfall den Ver-
kehrsweg beeinträchtigen können. Dieses Vorgehen würde eine konsequente Umsetzung
der ZTV-ING Teil 2-4 [R3] darstellen, in denen bereits Stützkonstruktionen aus Gabionen
sowie Futtermauern allgemein geregelt und somit quasi als „Ingenieurbauwerke“ eingestuft
sind.
4 Zusammenfassung/Empfehlungen
Konstruktionen aus Gabionen haben in den letzten Jahren starke Verbreitung gefunden. Mit
Gabionen können ansprechende und anspruchsvolle Konstruktionen errichtet werden, die
vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten bieten, im Vergleich zu Massivkonstruktionen rasch und
kostengünstig errichtet werden und bei Einhaltung einiger grundlegender Voraussetzungen
über mehrere Jahrzehnte genutzt werden können.
Der Anwendungsbereich von Konstruktionen aus Gabionen ist aufgrund der Vielzahl der in
Literatur und Praxis verwendeten Begriffe nicht ohne Weiteres zu überblicken. Nach einer
Recherche in „SIB-Bauwerke“ stellen Stützkonstruktionen im Bundesfernstraßenbereich den
überwiegenden Anwendungsbereich dar. Stützkonstruktionen sind nach DIN 1054:2005-01
[R1] in Stützbauwerke und konstruktive Böschungssicherungen zu untergliedern. Ein weite-
rer Anwendungsbereich sind Lärmschutzwände, die in den ZTV-Lsw [R7] definiert sind. Der
Schwerpunkt dieser Stellungnahme liegt auf dem Anwendungsbereich „Stützkonstruktionen“.
Im Hinblick auf die Fragestellungen des vorliegenden Auftrages werden folgende Schlussfol-
gerungen bzw. Empfehlungen mitgeteilt:
Anwendungsbereich: Der Anwendungsbereich von Gabionen sollte aufgrund des scha-
densfreien Erfahrungsbereiches nach dem FGSV-Merkblatt [R4] auf eine sichtbare Höhe
von 6 m begrenzt werden. Über 6 m sichtbare Höhe hinaus sollten Gabionen nur mit zu-
sätzlichen Maßnahmen (s. Nachweis der „inneren Standsicherheit“) ausgeführt werden.
Mit Boden verfüllte Gabionen sollten grundsätzlich so angeordnet werden, dass sie den
Verkehrsweg im Versagensfall nicht beeinträchtigen. Für den Fall, dass Gabionen plan-
mäßig ständig oder vorübergehend in ein Gewässer einbinden, sollten die ZTV-W [R9]
berücksichtigt werden.
Technisches Regelwerk: Für den Entwurf und die Berechnung von Gabionen werden die
Regelungen der DIN 1054:2005-01 [R1] in Verbindung mit dem Merkblatt der FGSV [R4]
mit Ausnahme des Nachweises der „inneren Standsicherheit“ als ausreichend einge-
schätzt. Wünschenswert wäre eine Aussage in DIN 1054:2005-01 zur systematischen
Einordnung von Futtermauern. Für Gabionen mit Bewehrung der Hinterfüllung sind zu-
sätzlich die EBGEO [R17] zu beachten. Nach der aktuell begonnenen Überarbeitung des
FGSV-Merkblattes [R4] darf erwartet werden, dass dieses wiederum als Darstellung des
erfolgreichen Erfahrungsschatzes für Gabionen angesehen werden kann. Aufgrund feh-
lender harmonisierter Produktnorm existiert eine zunehmende Zahl von europäisch tech-
nischen Zulassungen, in denen jedoch allein die Drahtbehälter geregelt sind.
Nachweis der „inneren Standsicherheit“ (Materialversagen): Für die rechnerische Nach-
weisführung existieren bisher lediglich zwei Nährungslösungen, die das Systemtragver-
halten nicht umfänglich abbilden. Die Durchführung realitätsnaher Belastungsversuche ist
aufwendig, bietet jedoch die Möglichkeit, die Interaktion zwischen Drahtbehältern und
Verfüllmaterial besser zu erfassen. Für die Ableitung einer sinnvollen rechnerischen
Nachweisführung wird Forschungsbedarf gesehen, dessen Abklärung angesichts der
vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Gabionen und des wirtschaftlichen Vorteils gege-
nüber Massivkonstruktionen erfolgversprechend erscheint. Die Erkenntnisse aus der
Bundesanstalt für Straßenwesen Seite 17
6 Literatur
6.1 Regelwerke
[R1] DIN 1054: Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau. Ausgabe Januar
2005 sowie Berichtigungen 1 bis 4
Bundesanstalt für Straßenwesen Seite 18
[R18] Beton und Stahlbeton – Bemessung und Ausführung. Ausgabe Juli 1988
[R19] DIN 1076: Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen – Überwachung und
Prüfung. Ausgabe November 1999
[R20] RVS 13.03.61: Qualitätssicherung bauliche Erhaltung – Überwachung, Kontrolle und
Prüfung von Kunstbauten - Nicht geankerte Stützbauwerke. Österreichische For-
schungsgesellschaft Strasse – Schiene – Verkehr (FSV). Ausgabe 1. März 2010
[R21] DIN 4085: Baugrund – Berechnung des Erddrucks. Ausgabe Oktober 2007 sowie
Berichtigung 1. November 2008
6.2 Sonstige
[1] Wichter, L.: Bauweisen mit Stützelementen. In: Vorträge der FGSV-Tagung „Erd- und
Grundbau“ am 12. und 13. März 2003 in Stade, S. 56 – 61, Forschungsgesellschaft
für Straßen- und Verkehrswesen e.V., FGSV C 9, Köln, November 2003
[2] Teil II der Liste der Technischen Baubestimmungen – Anwendungsregeln für Baupro-
dukte und Bausätze nach europäisch technischen Zulassungen und harmonisierten
Normen nach der Bauproduktenrichtlinie – Ausgabe September 2008, DIBt-
Mitteilungen 2/2009, S. 43 - 65
[3] Jasch, E.: Die Aufgaben des DIBt im Rahmen der europäischen Harmonisierung.
DIBt-Mitteilungen 5/2005, S. 134 – 143
[4] Nünninghoff, R. u. Sczepanski, K.: Galfan, ein neuartiger, verbesserter Korrosions-
schutz für Stahldrähte. Sonderdruck aus der Fachzeitschrift „Draht“ Jg. 38 (1987),
Hefte 1 und 2, Meisenbach GmbH, Bamberg (erhalten von der Fa. Rothfuss im April
2006)
[5] Nünninghoff, R. u. Hagebölling, V.: Metallkundliche Untersuchung der Diffusionsvor-
gänge/des Korrosionsmechanismus einer Zn/Al 5 Gew.-%-Legierung. Sonderdruck
aus der Fachzeitschrift „Draht“ Jg. 46 (1995), Hefte 3 und 4, Meisenbach GmbH,
Bamberg (erhalten von der Fa. Rothfuss im April 2006)
[6] Eibl, J. [Schriftleiter]: Betonkalender – Taschenbuch für Beton-, Stahlbeton und
Spannbetonbau sowie die verwandten Fächer – Teil I. Verlag Ernst & Sohn, 83. Jahr-
gang, S. 455 – 457, Berlin 1994
[7] Witt, K.-J. [Hrsg.]: Grundbau-Taschenbuch – Teil 3: Gründungen und geotechnische
Bauwerke. Verlag Ernst & Sohn, 7. Auflage, S. 845 – 847, Berlin 2009
[8] Steinkörbe (Gabionen) Innere Tragfähigkeit. Bericht für die Drahtwarenfabrik Adolf
Uher, Siegsdorf, Otto – Graf – Institut (FMPA), Abteilung 4: Geotechnik, Universität
Stuttgart, Nr. 40/901377 vom 15.10.01 (unveröffentlicht)