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GESTALTEN DER ANTIKE

Herausgegeben von
MANFRED CLAUSS
Jörg Fündling

Sulla
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ISBN 978-3-534-15415-9
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur Reihe 7
Vorwort des Autors 9
Prolog: Ein Abschied 13
I. Der Senator 17
Unsolider Durchschnitt 17
Schlagzeilen 29
In der zweiten Reihe 43
Hohe Einsätze 54
II. Der Kriegsherr .. 69
Flucht nach vorne 69
Siege ohne Ende 78
Der Fuchs und der Löwe 95
HI. Der Konterrevolutionär 113
Ein soziales Experiment . . . . * 113
Tanz auf dem Vulkan 135
Der Lotse geht von Bord 148
Demontage 156

Anhang
Anmerkungen 167
Verzeichnis der Abkürzungen 187
Zu den Quellen 191

Literaturverzeichnis *9^
Zeittafel 199

Register 201
A b b
- , : L Cor
neliusSulla(7). P o r t r ä t 5 ü s t e ~
6
' M a r m o r R o
™ . Vatikanische Museen
Vorwort zur Reihe
„Gestalten der Antike" - die Biographien dieser Reihe stellen heraus-
ragende Frauen und Männer des politischen und kulturellen Lebens jener
Epoche vor. Ausschlaggebend für die Auswahl war, dass die Quellenlage
es erlaubt, ein individuelles Porträt der jeweiligen Personen zu entwerfen,
und sie konzentriert sich daher stärker auf politische Persönlichkeiten. Sie
ist gewiss auch subjektiv, und neben den berühmten „großen Gestalten"
stehen interessante Personen der Geschichte, deren Namen uns heute viel-
leicht weniger vertraut sind, deren Biographien aber alle ihren je spezi-
fischen Reiz haben.
Die Biographien zeichnen spannend, klar und informativ ein allgemein-
verständliches Bild der jeweiligen „Titelfigur". Kontroversen der For-
schung werden dem Leser nicht vorenthalten. So geben auch Quellenzitate
- Gesetzestexte, Inschriften, Äußerungen antiker Geschichtsschreiber,
Briefe - dem Leser Einblick in die „Werkstatt" des Historikers; sie vermit-
teln zugleich ein facettemreiches Bild der Epoche. Die Darstellungen der
Autorinnen und Autoren zeigen die Persönlichkeiten in der Gesellschaft
und Kultur ihrer Zeit* die das Leben, die Absichten und Taten der Pro-
tagonisten ebenso prägt wie diese selbst die Entwicklungen beeinflussen.
Die Lebensbeschreibungen dieser ^Gestalten der Antike" machen Ge-
schichte greifbar.
In chronologischer Reihenfolge werden dies sein:
Hatschepsut (1479-1457)+ von den vielen bedeutenden Königinnen
Ägyptens nicht nur die bekannteste, sondern auch die wichtigste, da sie
über zwei Jahrzehnte die Politik Ägyptens bestimmt hat;
RamsesIL (1279-1213), der Pharao der Rekorde, was seine lange Le-
benszeit wie die nahezu unzähligen Bauvorhaben betrifft;
Alexander (356-323), der große Makedonenkönig, dessen Rolle in der
Geschichte bis heute eine ungebrochene Faszination ausübt;
Hannibal (247-183), einer der begabtesten Militärs der Antike und
Angstgegner der Römer; seine Kriege gegen Rom haben Italien mehr ge-
prägt als manch andere Entwicklung der römischen Republik;
Sulla (138-78), von*Caesar als politischer Analphabet beschimpft, weil
er die Diktatur freiwillig niederlegte, versuchte in einem eigenständigen
Konzept, den römischen Staat zu stabilisieren;
Cicero (106-43), Philosoph, Redner und Politiker, von dem wir durch
die große Zahl der überlieferten Schriften und Briefe mehr wissen als von
jeder anderen antiken Persönlichkeit; sein Gegenpart,
8 Vorwort zur Reihe
Caesar (100-44), ein Machtmensch mit politischem Gespür und einer
ungeheuren Energie;
Merodes (73-4), der durch rigorose Anpassung an die hellenistische
Umwelt die jüdische Monarchie beinahe in den Dimensionen der Davids-
zeit wiederherstellte, dem seine Härte jedoch letzten Endes den Ruf des
„Kindesmörders" eintrug;
Kkopatra (69-30), Geliebte Caesars und Lebensgefährtin Marc An-
tons, die bekannteste Frauengestalt der Antike, die vor allem in den Dar-
stellungen ihrer Gegner unsterblich wurde;
Augustus (43 v.-14 tu Chr.), der mit unbeugsamer Härte, aber auch gro-
ßem Geschick das vollendete, was Caesar angestrebt hatte; da er den Bürger-
kriegen ein Ende setzte, wurde er für die Zeitgenossen zum Friedenskaiser;
New (54-68), der in der Erinnerung der Nachwelt als Brandstifter und
Muttermörder disqualifiziert war, auch wenn ihn die zeitgenössischen
Dichter als Gott auf Erden feierten;
Marc Aurel (161-180), der so gerne als Philosoph auf dem Thron be-
zeichnet wird und doch immer wieder ins Feld ziehen musste, als die ersten
Wellen der Völkerwanderung das Römische Reich bedrohten;
Septimius Severus (193-211), der erste „Nordafrikaner" auf dem
Thron, aufgeschlossen für orientalische Kulte; er förderte die donaulän-
dischen Truppen und unterwarf das Reich zahlreichen Veränderungen;
mit Diocletian (284-305) lässt man die Spätantike beginnen, die sich vor
allem durch konsequente Ausübung der absoluten Monarchie auszeichnet;
Athanasius (295-373), unter den großen politischen Bischöfen der
Spätantike einer der radikalsten und erfolgreichsten in dem Bemühen,
den neuen Glauben im und gegen den Staat durchzusetzen;
Konstantin der Große (306-337), der im Zeichen des Christengottes in
die Schlacht zog und siegte, hat den Lauf der Geschichte nachhaltig ver-
ändert; dem Christentum war nun der Weg zur Staatsreligion vorgezeichnet;
Julian (361-363), dessen kurze Regierungszeit vieles von seinen Plänen
unvollendet ließ und deshalb die Phantasie der Nachwelt anregte;
Theodosius der Große (379-395), von dem man sagt, er habe mit einer
rigorosen Gesetzgebung das Christentum zur Staatsreligion erhoben; er
bewegte sich mit Geschick durch eine Welt religiöser Streitigkeiten;
Theoderich der Große (474-526), der bedeutendste jener „barbari-
schen" Heerführer, die das Weströmische Reich beendeten,
und schließlich Kaiser Justinian (527-565), der zusammen mit Theo-
dora die Größe des alten Imperium Romanum wiederherstellen wollte;
die Beschreibung seiner Herrschaft kann insofern einen guten (chrono-
logischen) Abschluss bikten.
Manfred Clauss
Vorwort des Autors
Wenig über Lucius Cornelius Sulla ist in die breite Öffentlichkeit gedrun-
gen. Zuschauer des Fernsehfilms Julius Caesar von 2002 erinnern sich vage
an das ausgezehrte Gesicht eines Tyrannen, der den Titelhelden bedroht.
Leser von Robert Harris' Cicero-Trilogie stolpern über den Namen und
vergessen ihn gleich wieder - Allgemeinwissen ist Sulla nicht, man
»braucht* ihn scheinbar nicht zu kennen, wenn man die letzten Jahrzehnte
vor der Kaiserzeit als Thriller erlebt. Doch wie so oft trügt der Schein.
In Erinnerung und Handeln eines Pompeius, Cicero oder Caesar war
und blieb Sulla der Dictator höchst gegenwärtig. Sein Schatten fällt über
die letzte Generation der Republik. Man sprach ungern über ihn, während
man in seinen Spuren wandelte, seine politischen Erben ebenso wie seine
Gegner aus Überzeugung. Er hatte Rom eine Ordnung aufgezwungen, die
nach ihm zerbröckelte, als hätte niemand außer ihm sie gestützt oder ge-
wollt Der Blick auf die sozialen Konflikte wurde wieder frei, der Weg
zurück in den Bürgerkrieg lag offen - und er wurde beschritten. Damit
reduzierten sich die Ereignisse etwa zwischen den Jahren 100 und 78
v.Chr., eine Serie innerer und äußerer Krisen, die Sulla mit unerhörten
Mitteln beendet hatte, in der Sicht der Späteren auf ein grausam unnötiges
Zwischenspiel. Als Augustus und seine Nachfolger die Herrschaft über
Rom antraten, auf Waffengewalt und das Versprechen einer friedlichen
Zukunft gestützt, verdunkelte sich das Bild Sullas weiter, zum Inbegriff
der römischen Selbstzerfleischung.
Bis heute kämpft die klassische Altertumswissenschaft mit Echos und
Trugbildern einer Überlieferung, die in einer langen Serie traumatischer
Ereignisse nach Sinn, Schuld und notwendigen Ursachen suchte. Dabei
hilft es nicht, auf Quellen angewiesen zu sein, die ihr Material oft energisch
umorganisiert haben, die noch öfter bloße Fragmente sind und in den sel-
tensten Fällen zeitnah entstanden. Sogar die schärfsten Kritiker schöpfen
aus Sulla selbst, der wie niemand vor ihm Erinnerungspolitik betrieb, oder
doch aus seinen Bewunderern. AU diese Originale sind verloren. Fenster in
die Seele unserer Hauptperson sind sie nie gewesen, aber jeder Leser der
genial manipulativen Selbstdarstellungen Caesars weiß, was es ausmacht,
von Sullas Reden und Memoiren nur Zitate aus zweiter und dritter Hand
zu besitzen.1
Keine Nachzeichnung des Geschehenen auf dieser Basis darf allzu über-
zeugte Töne anschlagen. Sie leidet unter dem schnellen Wechselspiel poli-
tisch-sozialer Dynamik, innerer und äußerer Bedrohungen, das schon den
Zeitgenossen Überblick und distanzierte Analyse schwer gemacht hat-
Mehreren Krisen auf einmal gegenüberzustehen ist kein Privileg des be-
ginnenden 21. Jahrhunderts. Noch dazu hat, wer auf Sullas Scheiterhaufen
blickt, seit zweitausend1 Jahren immer schon im Auge, was danach kam -
daher die Frage, ob es sinnlos war, den Weg zum Kaisertum zu verzögern,
oder menschenverachtend, eine »demokratische* Alternative zur Senats-
herrschaft zu vereiteln.
Es empfiehlt sich, für den Anfang kein Ereignis als unausweichlich zu
betrachten. Die Geschichte Sullas wusste nicht, wie sie ausgehen würde, als
sie sich abspielte - allerdings ist Sulla der Erste gewesen, der darauf be-
stand, alles sei planvoll und mit einem festen Ziel geschehen. Seine Um-
funktionierung zum Anti-Augustus -* untadelig vor Erreichen der höchsten
Macht, blutbefleckt auf ihrem Gipfel » nach dieser Vorarbeit leicht,
schon weil Sullas Leistungsbianz,, gtmessen an ihrer Stabilität, verheerend
ausfällt. Stabilität hat schon viel Blutvergießen entschuldigen helfen.
Attraktiv ist eine Generalvertei^ so wenig wie seine Verdam-
mung zum hundertsten Mal. Er ist für IdenÄikationszwecke schlecht ver-
wertbar. Die heutigen Begriffe „Republik", „Diktatur" und „Freiheit" er-
kennt man in denen der Wende vom 2. zum 1. Jahrhundert v. Chr. nur
gewaltsam wieder, so wie umgekehrt ein Konservativer der Gegenwart
mit Grauen sieht, welche Art Elite damals seine ökologische Nische be-
setzte. Und war Sulla nun Reformer, Reaktionär, Revolutionär oder alles
zugleich?2
Gerade ihn Hebt und hasst man jedenfalls nicht ungestraft. Er half den
Bürgerkrieg entfesseln und beendete ihn einstweilen, war eine verändern-
de Kraft erster Ordnung und ein Vorkämpfer sozialer Starre, ein Ausbund
an Selbstherrlichkeit und ein versierter Schmeichler, ein unterhaltsamer
Gesellschafter und ein Techniker des Terrors, ein guter Freund, ein warm-
herziger Liebender und ein berechnender Machtmensch, der seine Rache
zu genießen wusste ... schon die Antike hat ihn mit diesen Bemerkungen
zum Prototypen eines zerrissenen Charakters aus lauter Gegensätzen stili-
siert.3 Es ist leicht, sieh auf die Feststellung dieser Gegensätzlichkeit zu-
rückzuziehen, und noch leichter, manche seiner vielen Facetten zu über-
schlagen - wir wissen nicht einmal genau, wie er aussah, und desto größer
ist die Versuchung, sich »seinen* Sulla maßzusebneidern.4
Noch am einfachsten lässt sich herausarbeiten, was der Dictator nicht
war. Vergleiche mit seinen vermeintlichen Amtsbrüdern der Moderne füh-
ren in die Irre; Sulla trat ohne Vernichtungsabsichten an, band sieh frei-
willig an die Normen jener Aristokratie, der er entwachsen war, und wurde
woht nie zum Massenphänomen. Wer sich an den „weißen Revolutionär"
Bismarck erinnert, der je nach Bedarf progressive wie restaurative Mittel
wählte, kommt der Person und ihren Folgen vielleicht näher - aber Sulla
führte Bürgerkrieg, statt mit ihm zu drohen, akzeptierte keine Autorität
über sich und schied freiwillig von der Macht.5
Ob der selbsterklärte Festiger der Republik sie mit einer tödlichen
Schwäche aus seiner Hand entließ, bildet den Gegenstand von Kontrover-
sen, die noch lange anhalten werden. Mit all jenen Feldern, auf denen sich
Roms Zukunft entschied - der Armee, den Provinzen, der Sozialstruktur,
dem Kräfteverhältnis der politischen Interessengruppen und Institutio-
nen -, stand Sulla in engem, möglicherweise entscheidendem Kontakt. Sei-
ne Wirkung auf jedem dieser Gebiete, absichtlich oder nicht, half aus sei-
ner Zeit mehr als ein bloßes Durchgangsstadium zum großen Finale der
Republik zu machen.
Seine Betrachter scheint dieser energiesprühende Charakter vorsätzlich
irrezuführen, der Denk- und Handlungsmöglichkeiten ins Ungeahnte er-
weiterte und die Rolle der eigenen Person auf die Spitze trieb. Als Projekt
einer Heimkehr zu verlorener Große begann es. In welchem Maß Sulla
seinen Traum wahrmachte, ist fast paradox; wie heimatlos er über den
Tod hinaus unter denen blieb, die er umwarb und vor den Kopf stieß, sei-
nen Vorbildern, Opfern und Richtern in der Senatsaristokratie6 - das vor
allem gibt der Geschichte seines Glückes mehr Komplexität, als sie nach
seinem Willen je haben sollte.
Chancen zum Durchdenken dieses Themas haben sich im Zuge meines
gleichnamigen Proseminars im Sommersemester 2009 geboten. Umzüge
und Presslufthämmer richten nichts aus gegen die geradezu vormoderne
soziale Tragkraft des Personenverbandes, der den Lehrstuhl für Alte Ge-
schichte am Historischen Institut der RWTH Aachen ausmacht; Prof. Dr.
Manfred Clauss (Hennef) und Dr. Jens Bartels (Zürich) verdankt es das
Manuskript, wenn es weniger fleckig aussieht als die Hauptperson. Meiner
Familie habe ich mich wieder einmal öfter entreißen dürfen, als vertretbar
war, und das in dubioserer Begleitung denn je.
Es war mir ein Herzenswunsch, das Buch einer Kennerin diktatorischer
Lebensverhältnisse zu widmen, deren Freundschaft uns in allen möglichen
und unmöglichen Lagen etwas von ihrem Glück abgegeben hat. Außerdem
war ich den Beweis schuldig, wie wenig sich „Sula" als Name weiblicher
Haustiere eignet.

Aachen, im Januar 2010 J.F.


Prolog: Ein Abschied
Der Morgen des Staatsaktes begann unter einem Himmel, der nichts
Gutes verhieß. Schwere Wolken bedrohten das Begräbnis des Mannes,
von dem sich Rom und ganz Italien heute verabschiedeten. Mit einem ver-
steckten Lächeln quittierten es jene, die alles darangesetzt hatten, den To-
ten in aller Stille in ein Grab verschwinden zu lassen und ihm sogar noch -
wie es der eine Konsul dieses Jahres 78, Marcus Aemilius Lepidus, getan
hatte - die Ehren zu verbieten, die ihm als Senator und Patrizier zustan-
den. Es gab ja durchaus Gründe, ihn so zu behandeln.1
Durchgesetzt hatte sich die Gegenposition, die vorerst noch die mächti-
gere war. Lepidus' Kollege Quintus Lutatius Catulus hatte im Senat -
einem Senat, der kaum wiederzuerkennen war, seit der, um den es ging,
seine Hand darauf gelegt hatte - die passenden Worte gesagt. Es ging das
Gerücht, seine Überzeugungskunst sei durch den jungen Gnaeus Pom-
peius gestärkt worden, der weder Bitten noch Drohungen gespart habe.
Der Tote mochte Pompeius gegen den Brauch jedes noch so kleine Ver-
mächtnis verweigert haben, aber von ihm gab es mehr zu erben als Geld
und Wertgegenstände. Pompeius Magnus selbst hatte die Verantwortung
für den denkwürdigen Leichenzug übernommen, der sich vom Sterbeort
am Golf von Neapel nach Rom bewegte, einen Menschenstrom, der die
goldüberzogene Totenbahre eines Königs, so schien es, mit sich schwemm-
te. Noch ein letztes Mal schien der schreckliche Cornelius Sulla Rom zu
erobern: Seine Feldzeichen gingen ihm voran, auch jene Legionsadler, die
der Karrierehelfer und Todfeind Marius eingeführt hatte; Liktoren trugen
die Rutenbündel des Dictators vor ihm her; Trompeter und Bewaffnete
begleiteten ihn, die Helfer seiner Kriege gegen fremde Länder und gegen
das eigene. Es gab wohl wenige in Italien, deren Leben er nicht verändert
hatte.2
Das alles drohte nun von einem Sturzregen weggespült zu werden. Die
Verantwortlichen konnten es aus vielen Gründen nicht riskieren, die Men-
schenmenge auf einen anderen Tag zu vertrösten. Motive für eine Leichen-
schändung gab es genug, auch Gelegenheiten für Lepidus und seines-
gleichen, ein andermal den Schlussakt zu durchkreuzen. Der Holzstoß,
aufgebaut wie ein Kunstwerk, stand auf dem Marsfeld bereit; die Stadt,
Gebäude und Menschen, trug ihr Festkleid. Es musste zu Ende gebracht
werden.3
Durch Rom, das für diesen Zustrom kaum Straßen genug hatte, dräng-
ten sich die freiwillig Mitwirkenden und jene, die nur ihre Rolle spielten.
14 Prolog
Einvernehmen herrschte weder in der Gruppe der Priester noch unter den
volzählig anwesenden Senatoren, die ihre purpurverzierte Standes- und
Amtskleidung angelegt hatten, und auch nicht unter den Scharen römi-
scher Ritter, die der Tote mit roher Gewalt auf den ihnen zustehenden
Platz innerhalb der Republik gestoßen hatte. Hinter ihnen folgte die ein-
schüchternde Armee der Veteranen, die um ihren Feldherrn und Wohl-
täter klagten. Fast wie am Tag seines Triumphzugs zählte man auf 210
Tragbahren zweitausend Kränze aus Gold, als würde ein frisch ins Amt
gekommener Monareh begrüßt - Spenden seiner Freunde, der Legionen,
der Städte in Italien und den Provinzen. Hur die Szenen des Übermuts
fehlten heute.4
Schließlich traf die Leiche auf dem Forum ein. Wer Grund zum Hass
hatte, sollte später erzählen, sie sei von Würmern verzehrt und von jahre-
langen Ausschweifungen entstellt gewesen. Für die Augen der Menge zeig-
te oben auf dem Sarg ein Bild des Töten* welche bestechende Schönheit er
zu Lebzeiten besessen hatte* in Zimt und Weihrauchsorten statt in gewöhn-
lichem Wachs. Auf den Rosta, de* ReiäneÄifeüne nut ihrem Schmuck aus
Schiffsschnäbeln, kam die Bahre einstweilen zur Ruhe. Nacheinander de-
filierten die Stände, die Soldaten* das übrige Volk vorbei.5
Noch entluden sieh die Wolken nicht. Eine klare, wohlgeübte Stimme
erhob sich von den Rostra hinab über den vollen Platz und brach sich an
den Säulen und Gerüstender neuen Bauten, die der Tote begonnen hatte.
Der beste Redner Roms sprang für den kleinen Faustus Sulla ein, der zu
jung und ungeübt war, die Aufgabe der Leichenrede zu schultern. Mit sei-
nen Schwestern verfolgte er, Wie die inspirierten Worte des Qumtus Hor-
tensius Hortalus - der sich seiner Rolle später nicht mehr groß rühmen
sollte - noch einmal die Ahnen der Cornelii Sullae aufriefen, soweit die
etwas Rühmliches getan hatten; ihre Wachsmasken standen vor aller Au-
gen, zu neuer Bekanntheit gebracht durch ihn, den sie aus dem Leben
abholten und dessen Taten wieder lebendig wurden auf dem Forum Ro-
manum, wo Jahre zuvor die Todeslisten angeschlagen gewesen waren, und
von dem Podest hinunter, an dem damals die Köpfe hingen.6
Der Mittag war lange vorbei, als sie mit der Bahre auf die noch kaum
bebaute Fläche des Marsfeldes kamen, wo nach Roms Königen, so hieß es,
niemand mehr begraben worden war. Um die neunte Stunde, auf halbem
Weg vom Mittag zum Sonnenuntergang, setzte man die Leiche auf den
Holzstoß, schnitt nach römischem Brauch einen Finger ab, um nicht alles
am Töten verbrannt zu begraben, und legte Feuer an. Näher denn je war
der Wolkenbruch; ein Windstoß, der ihn anzukündigen schien, fuhr hinein
und ließ die Flammen im Nu hoch emporschlagen, von den schweren Bal-
sanagetüchen der Dufthölzer und Spezereien umgeben, die vergessen
Ein Abschied 15
machten, dass darunter Fleisch verbrannte. Im Kreis schritten die Ritter
und nach ihnen die Soldaten um die Szene, wie in grauer Vorzeit.7
Der Brand kam schneller als üblich zum Ende; Teile des Scheiterhaufens
glühten noch, heißt es, während man Asche und Gebeine hastig für die
Urne zu sammeln begann. Und nun plötzlich, da alles getan war, folgte
dem Wind der lange befürchtete Regen und jagte die Trauerversammlung
auseinander. Bis die Nacht hereinbrach, strömte er herunter. Schon auf
dem Rückweg in die Stadt überhäuften Catulus und Lepidus einander mit
Schimpfworten; noch ehe das Jakt vorüber war, kämpften wieder Römer
gegen Römer.8
So begruben Senat und Volk von Rom die Überreste von Lucius Corne-
lius Sulla, genannt der Glückliehe, der auf sein Grab die Worte setzen ließ,
kein Freund habe ihm je mehr Gutes und kein Feind mehr Böses getan als
er ihnen. Nach seinem Tod wurde man nie einig, ob er das Unwetter, das
der Republik drohte, noch einmal hinausgeschoben hatte oder ob er selber
der aufziehende Sturm gewesen war.
I. Der Senator
Unsolider Durchschnitt
Für eine Patrizierfamilie im römischen Senat war der Anfang des 3. Jahr-
hunderts der schlechteste Zeitpunkt, politisch in die zweite Reihe zurück-
zufallen. Die Cornelii Rufini, Zweig eines Familienclans (einer gens), der
wie die meisten Patrizier beanspruchte, schon zur Zeit der Könige Sena-
toren gestellt zu haben, sollten das schmerzhaft erfahren. Viele Gefahren
hatten die Cornelier schon erfolgreich bestanden. Als am Ende des langen
Ringens zwischen der kleinen Zahl der Patrizierfamilien und der Ober-
schicht der Plebs, der gesamten übrigen Bevölkerung, auch Plebejern der
Zugang zu den höchsten Ämtern und sogar den meisten Priestertümern
eröffnet wurde - auf Plebejer hörten die Götter nicht, hatte es lange ge-
heißen, und ebenso wie die Gebetsformeln war das Verhalten im Amt Ge-
heimwissen gewesen -, blieben die Comelier im Rennen. Im Gegenteil
sollte keine gens der römischen Republik bis zuletzt mehr Konsuln hervor-
bringen als sie.
Von Zeit zu Zeit machte eine neue Seitenlinie von sich reden und stieg
zu höchsten Ehren auf. Publius Cornelius Rufinus - Träger eines Beina-
mens, der in den KonsuMisten bislang fehlte - brachte es so weit, von einem
Konsul im Jahr 334 zum Dictator ernannt zu werden: Für maximal sechs
Monate bildete er allein die oberste Staatsgewalt und führte die Republik
vermutlich in einen der zahlreichen Kriege, die ihren Aufstieg von der
Vormacht Mittelitaliens zur Herrin der gesamten Halbinsel bewirkten.
Leider musste Rufinus angeblich bald wegen eines Formfehlers abtreten.1
Sein Sohn hatte eine glanzvolle Karriere vor sich. 290 wurde dieser jün-
gere Rufinus Konsul, genau zur richtigen Zeit, um den langen, verlustrei-
chen Krieg gegen die Samniten, Roms alte Rivalen in den Abruzzen, sieg-
reich zu beenden; ein Triumphzug war sein Lohn. Rund fünf Jahre später
war er seinerseits Dictator. Für 277 wählte das Volk ihn ein zweites Mal
zum Konsul, und Rufinus, weiterhin so talentiert wie glückhaft, bekämpfte
erfolgreich die griechischen Städte Süditaliens, die in einem letzten Ver-
such, Roms Vordringen aufzuhalten, den gefährlichen König Pyrrhos und
seine Söldnerarmee ins Land gerufen hatten. Rufinus eroberte Kroton und
Lokroi; nur ein zweiter Triumph blieb ihm verwehrt.2
Man sagte Rufinus Raffgier nach - vielleicht erst seit dem Jahr 275, als
das Unglück die Familie traf. Von der zweiten Konsulwahl berichtet Cicero,
Rufinus' alter Feind Fabricius Luscinus habe ihm angesichts der Notlage
seine Stimme gegeben und die Dankworte des Gewählten mit der Bemer-
kung abgeschnitten: „Ich habe mich eben lieber (vor dir) ausrauben als
(vom Feind in die Sklaverei) verkaufen lassen." Inmitten ihrer sich rasch
erweiternden Macht kultivierten die führenden Kreise Roms den Anschein
spartanischer Bedürfnislosigkeit, mochte jeder von ihnen auch so reich sein
wie anderswo ein Fürst. Das Gesetz schrieb vor, niemand dürfe mehr als
zehn römische Pfund Tafelsilber besitzen, rund 3,3 Kilogramm, und dräng-
te die Oberschicht damit in Landbesitz und unauffäligeres Sachvermögen;
mit der Geldwirtschaft experimentierte man gerade erst. Später hätte man
aus zehn Pfund gerade einmal 600 Silberdenare im Wert von 2400 Sesterzen
prägen können, beileibe kein Vermögen. Aber eben darum war das Luxus-
gesetz zwar schnell zu umgehen, doch eine tödliche Waffe gegen Senatoren,
wenn die beiden Censoren das Verhalten der Aristokratie begutachteten.
Pyrrhos war 275 gerade bei Benevent vernichtend geschlagen worden, da
kam ausgerechnet Fabricius zur Censur und strich, als er und sein Kollege
die Senatsliste wie alle fünf Jahre neu zusammenstellten, mit Rufinus einen
der vornehmsten ,Väter' unter dem Beifall aller Rechtschaffenen als
schwarzes Schaf, das Silber hortete, fus Ihren Reihen.3
Wie lange Rufinus mit seiner Schande noch leben musste, ist unbekannt;
wettmachen konnte er sie nicht mehr. Im Gegenteil hielt sich sein Fall
hartnäckig als Schulbeispiel für die strenge Moral der guten alten Zeit,
noch Jahrhunderte später voft Rhetoren und Nöstälgikern gleichermaßen
aufgewärmt. Fürs Erste war dieFämiMe entehrt, Rufinus' Sohn hatte keine
Aussicht, Konsul zu werden, und stand im Abseits,, während Rom die erste
Runde seines Kampfes mit Karthago um die Vorherrschaft im westlichen
Mittelmeer austrug. Zumindest den belasteten Beinamen (das cognomen)
Rufinus wurde er los: Man legte ihm die Bezeichnung Sulla bei, der seinen
Nachkommen erhalten blieb; Sulla der Dictator sollte das selbst hervor-
heben.4
In der Ämterlaufbahn, dem cursus honorum, stieg dieser P. Cornelius
Sulla maximal bis zur Prätur auf - falls er je so weit kam. Abseits der
Politik öffnete sich ihm um 250 eine ehrenvolle Nische, die den Patriziern
reservierte Würde des Jupiterpriesters, des flamen Dialis. Doch das war
eine mit Tabus überladene Funktion aus der Bronzezeit; Eisen war eine
der vielen neumodischen Sachen, mit denen ihr Träger nichts zu tun haben
durfte. Eine Armee oder einen Leichnam durfte Rufinus' Sohn in seiner
Heiligkeit nicht einmal sehen, Rom nicht über Nacht verlassen; seine
einzige Hoffnung war es, dass der Tod seiner Frau ihn amtsunfähig machte.
Es wurde nicht viel daraus. Noch zweieinhalb Jahrhunderte nach dem ers-
ten Sulla opferten Roms Patrizierfamilien, wenn überhaupt, Söhne zweiter
Wahl für diese ungeliebte Ehre.5 Vermutlich kommt Sulla von sura,
„Wade**; man hat vermutet, hier sei das gute Aussehen des Trägers spöt-
tisch kommentiert worden, aber denkbar wäre auch, dass die Bosheit der
Zeitgenossen einen kleinen Sprachfehler nachäffte und sich dazu womög-
lich auf ein verkrüppeltes Bein bezog.
Der Cornelius Sulla der nächsten Generation hatte das Glück, Roms
katastrophale Niederlagen gegen Hannibal zu überleben, und wurde 212
praetor urbanus - also für Verwaltung Roms und Rechtsprechung zwi-
schen den Bürgern zuständig während der karthagische Stratege Italien
verheerte, von den Konsuln und den übrigen Prätoren mit Mühe in Schach
gehalten. In der verzweifelten Lage wurden die Sibyllinischen Bücher kon-
sultiert, die legendäre Orakelsammlung aus der Königszeit, und man fand
dort das Gebot, Festspiele für Apoll einzuführen und so dessen Beistand
für die bedrohte Stadt zu sichern. Der Prätor Sulla veranstaltete sie, doch
zu Kriegsruhm brachten es Aemilier, Claudier und wieder einmal die Cor-
nelii Scipiones, Roms Heldendynastie für ein halbes Jahrhundert. Sulla
„der Glückliche", unsere Hauptperson, war mit der Etymologie seines cog-
nomen nicht sehr glücklich und leitete; es lieber von „Sibyla" ab, nur hatte
der erste Sulla, der Vater des Prätors, mit der Sibylle und deren Büchern
nichts zu tun. Viele antike Autoren hat Sulla immerhin überzeugt; so ist er
in romanischen Sprachen bis heute als Sylla oder Sil(l)a bekannt.6
Der Sieg über Karthago im Zweiten Punischen Krieg und die rasche
Folge von Triumphen über die hellenistischen Mächte im Osten stürzten
Rom über Nacht in ein neues Zeitalter, und die SuUae waren nicht dabei.
Der Tod im Kampf gegen Hannibal oder das Übergewicht stärkerer Fami-
lien hinderten Sulla, den Prätor von 212, am Aufstieg ins höchste Amt. Wer
jetzt Teil der kleinen, immer fester abgeschlossenen Aristokratie der „Leu-
te, die man kennen muss", der nobiies, war, jener Gruppe von gentes, die
untereinander die Konsulate aufteilten, der bekam die Chance, Könige zu
demütigen, Schätze zu sammeln, Provinzen und Handelsmetropolen zur
Gefolgschaft seiner Familie zu machen statt wie früher Landstädtchen
oder Dörfer. Langsam zeichnete sich ab, dass das römische Volk dabei war,
sich ein Reich zu errichten.7
Damit verwandelten sich die Magistraturen einer mittelitalischen Stadt
aber in etwas anderes, das zu gewinnen viel Geld kostete - Gelder, die nur
aus reichen Provinzen oder einträglichen Kriegszügen zu beschaffen wa-
ren, nicht aus Landgütern in Latium oder von ein paar freigelassenen Ge-
folgsleuten, Das römische Volk wusste, was seine Wahl wert war, und woll-
te glanzvolle Spiele, anständige Geschenke von Kandidaten mit einer
langen Liste ruhmreicher Vorfahren. Im Haus der SuUae reihten sich die
Ahnenmasken aus Wachs, und wenn einer der Ihren begraben wurde, mar-
schierten Schauspieler voran, die sie vor dem Gesicht trugen, aber Rufinus'
Demütigung war unvergessen, und mit jedem Jahr wuchs der Rückstand
der Sullae. Sie investierten notgedrungen in Kandidaturen für die nied-
rigen Ämter, aber nur die höchsten brachten Erträge. Sie waren schon
nicht mehr zweitklassig zu nennen, als der nächste Publius Cornelius Sulla
186 wieder die Prätur erreichte, bei der für seine Linie almählich die Am-
bitionen endeten, und Statthalter der Kornkammer Sizilien wurde; 175
folgte sein jüngerer Bruder Servius als Prätor von Sardinien. Andere be-
siegten inzwischen in Makedonien und Kleinasien die Erben des Alexan-
derreiches.8
'Vielleicht traf in den folgenden Jahren ein neuer Schlag die ,herunter-
gekommene' Familie, der Sallust „Untätigkeit" - oder „Unfähigkeit" - vor-
wirft. Von einem Publius Sulla der nächsten Generation hören wir nichts;
falls der Prätor von 186 nicht aus; Modegründen den traditionswidrigen
Vornamen Lucius für seinen Erben wählte, hatte der Erstgeborene zwar
seine kostspielige Senatskarriere begonnen, wurde aber durch Krankheit
oder Feindeshand herausgerissen. Derfirsatzefbehatte nicht mehr viel zu
erwarten. Der Stammbesitz seiner gens war, in Hektar Land respektive
römischen iugera gemessen, vielleicht noch eindrucksvoll und übergenug,
um den für einen Senator nötigen Rittercensus von vermutlich 300000
Sesterzen Gesamtvermögen zu erreichen. Für die letzten Endes frucht-
losen Kandidaturen war jedoch viel Bargeld nötig - von reichen Gefolgs-
leuten oder aus Kriegsbeute, wenn man sich nicht verschulden wollte. Nur
stagnierte oder schrumpfte die Zahl der Familienklienten in den Jahrzehn-
ten des Misserfolgs unweigerlich; vielleicht verkaufte man sogar Land, und
so erschöpften sich die Möglichkeiten, dem immer ferneren Ziel des Kon-
sulats nachzujagen.9
Von Lucius Sulla dem Älteren kennen wir kein einziges Senatsamt, und
es ist realistisch, ihn sich als Hinterbänkler zu denken, der zu wenig hatte
investieren können, als es um die Bewerbungen oder eindrucksvolle Spie-
le ging. Vielleicht verschlug es ihn als Quästor oder Proquästor eines
Statthalters, dessen Finanzen er verwaltete, in den Osten - später ließ sich
König Mithridates VI. von Pontos, auf dem Thron seit 114/13, als sein
Freund bezeichnen. Seine erste Frau verlor Lucius Sulla der Ältere durch
Tod oder Scheidung; von ihr blieb ihm außer einer Tochter auch ein Sohn,
Lucius, geboren 138. Zum Glück fand Lucius der Ältere eine reiche, aber
kaum eine vornehme zweite Braut - die besten Häuser fanden bessere
Partien. Es war ein Wendepunkt der Familiengeschichte, als sein alter Na-
me neues Geld anzog, nur wusste er es nicht. Ebenso gut mochte seine
Gattin kinderlos samt ihrer Mitgift zu den Eltern zurückkehren, wenn
die Zeit kam.10
Auf Lucius Cornelius Sulla, Sohn des Lucius, wartete eine Kindheit und
Jugend, über die er später wenig Worte verlor. Die Ansprüche gaben die
Familientraditionen der Cornelii vor, Wahrheit und Legende, die Sulla so
wichtig waren, dass er sie am Ende seines Lebens stolz in seine Memoiren
aufnahm - die langen Ketten ihrer Namen in den Konsullisten, der Ge-
danke an die Liktoren mit den Rutenbündeln, die seinen Ahnen vor ihrem
Sturz vorangeschritten waren. Eine spätere Legende wollte wissen, zu sei-
ner Amme, einer Haussklavin, habe eine Frau gesprochen „Sei gegrüßt,
Knabe, der du glückbringend für dich und die Republik sein wirst"; gleich
darauf war sie verschwunden. Wirklichkeit und Zukunftsaussichten waren,
an den Ansprüchen gemessen, schäbig. Man war nach den jetzt gültigen
Maßstäben verarmter Adel. Man hatte genug Geld, um in der Senatsüste
präsent zu bleiben und sich bei der Vermögensschätzung unter den römi-
schen Rittern zu halten; man konnte dem Jungen eine gute Schulbildung
bei Privatlehrern besorgen, ihn an entfernte Verwandte empfehlen, die
sich dann eventuell erbarmten, ihn in Maßen zu protegieren. Sullas spätere
Kenntnis der griechischen Kultur könnte bedeuten, dass man auch für
einen Studienaufenthalt in Hellas die Mittel und Wege fand. Wenn der
Erbe seinen Militärdienst leistete, trieb man Pferde, Waffen und ein paar
persönliche Diener für ihn auf. Aber nichts davon hatte den nötigen Glanz,
um gesellschaftlich mithalten zu können.11
Das heißt nicht, dass für den jungen Sulla die Türen versperrt waren,
hinter denen ein gleichaltriger Claudier, ein Cornelius Scipio oder Lentu-
lus lebte, oder dass die aus der Plebs stammenden gentes der ersten Kate-
gorie wie die weitverzweigten Licinii und die kinderreichen Caecilii Me-
telli ihren Söhnen den Umgang mit ihm verboten. Was schmerzte, war der
direkte Vergleich - die jüngere Familiengeschichte, die subtile oder auf-
dringliche Zurschaustellung von Reichtum, die Begegnung mit Hausher-
ren von konsularem Rang, das Risiko, herablassend behandelt zu werden.
Die Schar der Familienklienten, die morgens im Atrium von Sullas Eltern-
haus wartete, war jämmerlich, die Landgüter der Familie ohne Komfort
oder moderne Umbauten, wie sie sich an den Villen der Glücklicheren zu
zeigen begannen: Das Geld strömte im 2. Jahrhundert noch schneller nach
Rom als die Menschen.12
Die Bildung war dort schon angekommen. Das Griechische und die auf
ihm beruhenden Künste und Wissenschaften hatten ihren Kampf um das
Eindringen in Rom lange gewonnen. Immer noch konnte ein führender
Senator zwischen Hochmut, Bewunderung und Minderwertigkeitskomple-
xen schwanken, wenn er sich mit der hellenistischen Kultur konfrontiert
sah, und immer noch kehrte er vor dem Volk, zu dem schon mancher mit
griechischer Muttersprache gehörte, den Chauvinisten heraus. Innen sah es
anders aus, gerade in jungen Senalorensöhnen, mochten sie in reiferen
Jahren auch den Cato spielen und gegen die lebensuntüchtigen „Griechel-
chen" (Graeculi) loswettern. Zahlreiche nobiles begeisterten sich für die
sprachlich geschliffene Literatur aus dem Osten; manche wie Sullas großer
Verwandter Scipio Africanus übernahmen in ihrer Freizeit den Lebensstil
der älteren Kultur. Es gab Philosophen auf der Durchreise zu hören, erbeu-
tete oder geschenkte Kunstwerke zu sehen, von Haussklaven und freiwillig
ortsansässigen Gelehrten zu lernen. All das tat Sulla mit Hingabe und Er-
folg. Sein literarisches Interesse begleitete ihn ein Leben lang, in beiden
Sprachen brillierte er, und seinen Kunstverstand schärfte der Bück auf die
Trophäen in Roms Tempeln und im einen ©der anderen Famüiensitz.13
In dieser Zeit der kulturellen Auffioljagd zum Hellenismus traf es sich
schlecht für Sulla, dass er einen kleinen Makel aufwies: Er hatte nur einen
ausgereiften Hoden. Einem akriven SepaaHeben und den für jede Patri-
zierfamilie so wichtigen Nächkommen stand das aus medizinischer Sicht
nicht im Weg; auch Sullas Erfolg bei den Frauen litt nie darunter. Auch
sah man einen Römer dan*äfe selten völlig nackt-beim Sport war das nicht
üblich, die öffentlichen Hider standen erst am Anfang. Eine Zielscheibe
für den rabiaten römischen Hüinor, der sich an körperlichen Anomalien
jeder Art entzündete, bot Sulla dennoch allemal, sobald Sklaven oder Ge-
liebte das Geheimnis ausplauderten. Eitel und empfindlich, wenn es um
sein Aussehen ging, war er ein Leben lang, und sein Schönheitsideal folgte
griechischen Vorstellungen, die Auffälligkeiten an den Genitalien hässlich
und kömisch zugleich fanden.1*
Solche Sehwachstellen konnte man über dem auffallend guten Aussehen
des jungen Mannes jedoch leicht vergessen. Die Quellen beschreiben ihn
als blond mit durchdringenden grauen Augen, deren Blick schwer aus-
zuhalten war, und einem ursprünglich sehr hellen Gesicht. Jede Stimmung
stand ihm gleich gut, und sein Verstand hätte viele besser gestellte Alters-
genossen und deren Väter für ihn einnehmen können. Doch Sulla war alles
andere als glatt; im Gegenteil pflegte er angeblich einen Lebensstil, der
wie das Stereotyp des untugendhaften römischen Jugendlichen aus gutem
Haus wirkt. Es zog ihn in die Gesellschaft von Randexistenzen, der Schau-
spieler und Komödianten, die sein Großvater abseits der Bühne keines
Blickes gewürdigt hätte; Sulla schlug zusammen mit ihnen die Zeit tot,
betrank sich, fing Liebschaften an und nutzte seine teure Bildung, um Atel-
lanen zu schreiben, populäre Typenkomödien mit lautstarker Handlung
und gepfefferten Witzen - von ernsten Stücken ist nie die Rede. Wenn
das ein Akt der Rebeilion war, dann ein dauerhafter, denn er sollte dieser
Subkultur sein Leben lang die Treue halten; jedenfalls führte es ihn in eine
Sphäre, wo er aus seiner Ausstrahlung, seinem Humor und seinem unkon-
ventionell bewegliehen Verstand Vorteile ziehen konnte. In den Augen desj
politischen Rom war er vielleicht endgültig auf den Hund gekommen.15
Die spärliche Überlieferung lässt uns im Glauben, als hätte Sulla, bis er
dreißig wurde, nichts anderes getan, als „ein von Ausschweifungen, Wein,
Liebe zur leichten Muse beflecktes Leben" zu führen. Zu Einflüssen des
Vaters, der Stiefmutter oder der Familie seiner Mutter hören wir nichts;
beide leibliche Eltern sind möglicherweise früh gestorben, was bis zur
Mündigkeit - dem Anlegen der Männertoga und dem Gang aufs Forum
mit 14 bis 16 Jahren - einen Vormund aus der Verwandtschaft zu Sullas
wichtigstem Ansprechpartner gemacht hätte. Es gab andere Zweige der
Familie, aber den Nachfahren des Großonkels Servius und den Eltern von
Sullas Vetter Publius ging es sozial und finanziell vermutlich kaum besser.
Eine Schwester Sullas hatte, als er erwachsen war, ins Haus der Nonii Su-
fenates eingeheiratet; sein jüngerer Bruder Servius würde umgekehrt auf
den Beistand des Älteren angewiesen sein.16
Falls eine kolportierte Geschichte stimmt, dann lebte der widerspenstige
Hoffnungsträger zumindest eine Zeitlang zur Miete. Das war in Rom, wo
sich nur die Reichsten ein Privathaus leisten konnten und die Ära vielstö-
ckiger Wohnbauten längst begonnen hatte, nicht unbedingt ein Zeichen
des Abstiegs. Mancher Sohn aus bester Familie machte es nicht anders,
um einen eigenen Haushalt zu gründen, aber die Bosheit der Anekdote
liegt in der Unterstellung, dass die Sullae - nach dem Tod des Vaters? -
zu guter Letzt nicht einmal ihr Stadthaus hatten halten können. Der Ver-
storbene vererbte „nichts", höhnte ein Gegner Jahre später. Sulla, Nach-
fahre des Rufinus mit über zehn Pfund Silberzeug - im Materialwert von
mittlerweile rund 2800 Sesterzen zahlte mit 3000 Sesterzen im Jahr keine
sehr hohe Miete; über ihm hatte sieh für 2000 ein Freigelassener einlogiert.
Der rasante Preisanstieg in Rom trug dazu bei, diese Episode immer schä-
biger aussehen zu lassen.17
Vom Herumsitzen in einer Wohnung - wohlgemerkt, keinem unterver-
mieteten Zimmer - oder vom Leben mit der Theaterwelt kann Sulla aber
nicht jene Fähigkeiten gelernt haben, die er später an den Tag legte. Wie
aus heiterem Himmel zeigte er sich jenseits der Dreißig als guter Reiter
mit einem besonderen Talent für die Führung von Kavallerie - und Mut
zum Risiko. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn er sich vorher nur ein
paar Tage pro Jahr in den Sattel gesetzt hätte. Offensichtlich verbrachte ei
längere Zeitabschnitte auf dem Land und hatte vor den Stadtmauern auch
ein, zwei Pferde stehen. Wir können noch einen Schritt weitergehen. Die
erste amtliche Funktion, die Sulla ausübte, war die Aushebung von Kaval-
lerie bei Roms Bundesgenossen. Dazu brauchte es mehr als einen vor-
nehmen Stammbaum, Pferdeverstand und einen Blick für geschickte Rei-
ter. Eine Voraussetzung für die Ämterlaufbahn waren zehn Jahre Dienst in
Feldzügen.18
Man hat vermutet, Sulla sei diese Bedingung erlassen worden oder er
habe sieh vor ihr gedrückt wie andere aus gutem Haus - Sallust sagt, er
sei „als blutiger Neuling und ohne Kampferfahrung" in sein erstes Amt
gekommen. Das wäre angesichts der weiteren Ereignisse ein Wunder;
Geländeritte, Jagden und Familienstolz allein machen noch keinen guten
Kavalleristen, geschweige denn einen Kommandeur. Kriegsdienst unter
standesgemäßen Bedingungen zu leisten war ungleich billiger als eine
Kandidatur. Manche römischen Ritter, die nicht reicher waren, Landadlige
sozusagen, statteten ihre Söhne ebenfalls für einige Feldzüge aus, ohne
daran bankrott zu gehen. Sulla brauchte einige Pferde, eine passable Aus-
rüstung, vernünftige Waffen und die nötigen Leibsklaven. Was ihm fehlte,
war das Geld für die Extras - spektakuläre Einladungen, Tafelservice, Spit-
zenweine, auffällig schöne Waffen und Zaumzeug, Klassepferde, sorgloses
Glücksspiel, eine vorzeigbare Geliebte.19
Rufmord wäre ein gutes Motiv, wieso Sullas Militärzeit nirgendwo er-
wähnt wird. Falls er nicht die vollen zehn Jahre ableistete - zumindest kurz
nach seiner Zeit war das möglich hatte er selbst desto mehr Grund, nicht
darüber zu reden, und konnte sich später zum Naturtalent stilisieren. Gar
nicht zu dienen stand in scharfem Widerspruch zur Famüientradition, zum
starken moralischen Appell an Roms Oberschicht, ihre Qualitäten im per-
sönlichen Einsatz für die res publica m beweisen, Geldknappheit war kein
absolutes Aufctiegshindernis, also keine Entschuldigung. Der eine halbe
Generation ältere Marcus Aemüius Scaurus hatte seinen patrizischen Va-
ter angeblich mit Kohlen handeln und erst nach langem Zögern die politi-
sche Laufbahn einschlagen sehen - eine Ausschmückung der Aussage, er
habe sechs Sklaven und ganze 35000 Sesterzen steuerpflichtiges Vermögen
geerbt Während Sulla aufwuchs, konnte er verfolgen, wie Scaurus Schritt
für Schritt das Ansehen seiner Familie wiedergewann und sie zu neuem
Glanz führte. 115 war Scaurus Konsul.20
Ein angehender Senator durfte mit 31 Quästor werden und wurde es
manchmal früher; dafür brauchte er Geld - für den Wahlkampf wie für
die unbezahlten Ämter selbst - und Unterstützung. Sulla konnte nicht fest
darauf rechnen, je so weit zu gelangen. Sein Ehrgeiz hatte kaum Chancen,
sich zu betätigen, anders als sein Scharfblick; es gab viel zu sehen im poli-
tischen Rom jener Jahre, auch von den hinteren Plätzen aus.
Alselastisches Bündel widerstandsfähiger Machtfaktoren hatte sich die
römische Republik während ihrer härtesten Prüfung gegen Hannibal dar-
gestellt. Keine hundert Jahre später glich Roms Gefüge einem Mikado-
spiel. Locker verbunden und oft über Kreuz berührten und verhakten sich
hier die amtierenden und früheren Konsuln und Prätoren, die Statthalter,
der Senat als Ganzes und der kleine Kreis der konsulatsverdächtigen Fa-
milien, der Nobilität; um sie herum die an Kraft und Einfluss wachsende
Schicht der übrigen Ritter, insbesondere der Bankiers und der publicani,
der Pächter staatlicher Aufträge und Abgaben; die freigeborenen Plebejer
aller Schattierungen, die Freigelassenen, die Landlosen, die am Rand des
Existenzminimums wirtschaftenden Bauernfamilien unter der Bürger-
schaft; die über Italien verteilten Kolonien der Bürger und der „Latiner"
mit sozusagen schlummerndem Bürgerrecht; der Flickenteppich der von
Rom abhängigen Bundesgenossen, der Städte und Ethnien des übrigen
Italien; schließlich die Provinzen, die freien Gemeinden, die verbündeten
Herrscher und Staaten rund um das Mittelmeer.
Wer immer diese schlecht balancierten Faktoren in eine Ordnung seiner
Wahl zu bringen versuchte, brachte mit jedem Stab leicht den halben Hau-
fen in Bewegung, wenn nicht zum Einsturz... und war aus dem Spiel. Eine
zweite Chance gab es fast nie. Die leichteste Antwort bestand darin, den
bloßen Bedarf nach einer neuen Ordnung zurückzuweisen, mit aller Kraft
und, wenn nötig, mit Gewalt; res novae> wörtlich „neue Verhältnisse", war
der lateinische Ausdruck für Umsturz und Anarchie. Nach dieser Lesart
genügte es, den Senat und vor allem dessen Führungsschicht wie eh und je
alles regeln zu lassen; aller Ärger kam daher, dass man sie nicht Heß. Die
„Besten", die optimi, würden es richten, das übrige Volk musste ihnen nur
vertrauen. In den Ohren der mächtigen Lokalaristokratie einer italischen
Stadt, die im Unterschied zum letzten römischen Tagelöhner kein Stimm-
recht hatte und ohne Berufungsmöglichkeit gegen Urteile und Strafen der
Magistrate vom Tiber war, klang das immer wirkhchkeitsfremder. Ebenso
- in anderer Hinsicht - für den Tagelöhner selbst, der angeblich die be-
kannte Welt regierte, wenn er Senatoren zu Beamten wählte, oder für die
reichen, geschäftstüchtigen Ritter. Die traditionsverbundenen Senatoren
wiederum waren im Begriff, ganze Landstriche und Provinzen in ihre per-
sönliche Gefolgschaft zu ziehen, und mussten sich eingestehen, wie wenig
sie mit den heutigen Bürgern verband, selbst denen, die zu ihrem Anhang
zählten. Wann immer die gute alte Zeit der Republik gewesen war, sie
schien vergangen.21
In Sullas Kinderjahren liefen die Nachbeben der ersten großen Erschüt-
terung durch Rom, die jene Idealwelt - oder Lebenslüge - der den Ton im
Senat angebenden Gruppe, der „Optimaten", getroffen hatte. Ausgerech-
net jemand aus bester Familie hatte im Amt des Volkstribuns, das sich den
engen Regeln der übrigen Magistraturen entzog, den Hebelpunkt ent-
deckt, um die Verhältnisse in Bewegung zu bringen. Was er hatte anpacken
wollen - die Verteilung des meist von Aristokraten zu Unrecht genutzten
Staatslandes an die bedrohlich wachsende Schicht der Besitzlosen - hatte
man mit Hilfe anderer Tribunen blockiert, bis dieser beunruhigende
Mann, Tiberius Sempronius Gracchus, begonnen hatte, die Verfassung zu
ignorieren, die sie zu seiner Lahmlegung gebraucht hatten, und seinen Ge-
genspieler in Senatsdiensten absetzen ließ. Auf das Ende seiner Amtszeit
und die Chance, ihn vor Gericht zu stellen, wartete der Senat nicht erst;
Tiberius Gracchus dachte an eine illegale Wiederwahl, seine Gegner mit
Schrecken an die riesige Macht, die ihm Scharen dankbarer Neubauern
bescheren würden. Eine Meute von Senatoren, geführt durch Tiberius' ei-
genen Verwandten Cornelius Scipio Nasica Serapio, schlug ihn und drei-
hundert seiner Anhänger noch im selben folgenschweren Jahr 133 tot, Son-
dergerichte brachten weitere zur Strecke.22
In diesen Sieg mischten sich Angst und vielleicht ein schlechtes Ge-
wissen. Man hatte einen potentiellen Tyrannen in Notwehr erschlagen, so
wollte man es sehen; doch der Weg für jeden Nachfolger war abgesteckt. Je
länger eine optimatische Mehrheit größere Reformen verhinderte, desto
höher wurde der politische Preis, der jenem winkte, welcher sie einklagte.
Mit der Methode, Gesetzesinitiativen unter Umgehung des Senats direkt
über das Volk durchzusetzen, einen „populären" Politikstil zu wählen -
also einen, der sich mindestens aus taktischen Gründen, oft aus Über-
zeugung volksfreundlich gab ~ sowie dem neuerdings unkontrollierbaren
Volkstribunat lag das Instrumentarium vor aller Augen bereit. Anlässe
und Argumente für seinen Gebrauch würden sich finden. Für lange Zeit
wandte das Misstrauen, mit dem die Mobilität einander beobachtet hatte,
sich von den Machtchancen jahrelanger Feldzüge ab und den Aussichten
einer aggressiven Innenpolitik zu.
Mit Tiberius' Bruder Gaius kam die Gefahr wieder; jeder Optimat er-
wartete einen Rachefeldzug für den toten Tribun, denn er hätte dasselbe
getan. Gaius hielt sich nicht mit versöhnlichen Gesten auf. Tiberius' Acker-
gesetz war nur ein Teil des Programms, mit dem er während seiner zwei
Amtsjahre als Tribun 123-122 eine Interessengruppe nach der anderen
wachrüttelte und für die nächste Zukunft zu möglichen Reformkräften -
oder Mächten der Revolution - machte. Die stadtrömische Plebs hatte
plötzlich die Aussicht auf Getreidekäufe zu subventionierten Festpreisen.
Der Ritterstand jenseits des Senats mit seiner besonders tatkräftigen Grup-
pe aus Steuerpächtern bekam das Ziel gesetzt, in den Gerichtshöfen über
die Amtsführung allzu geschäftsfeindlicher Ex-Statthalter urteilen zu kön-
nen; auf einmal begannen die Ritter politisch zu werden und sich von ihren
senatorischen Standesgenossen getrennt zu fühlen, die schon öfters gegen
ihre Wirtschaftsinteressen gehandelt hatten. Selbst ein Antrag, alle lati-
nischen Bürger zu römischen, alle sonstigen Bundespenossen in Italien zu
Latinern zu machen, kam auf den Tisch; die 1 Ungerechtigkeit, dass ein Ita-
liker wahrscheinlicher Kriegsdienst leistete als ein römischer Volhürger,
aber bei der Verteilung eroberten Landes leer ausging und vor den Beam-
ten Roms fast ein Untertan war, machte sich erstmals in der großen Politik
bemerkbar. Doch die römische Plebs hing an ihren Rcchfspnvilegion 11
Auch so war die Unterstützung überwältigend. Der Senat, im Begriff, an
den Rand des Geschehens gedrückt zu werden, konnte Gaius' Wiederwahl
für 121 nur verhindern, indem er einen konkurrierenden Tribun goldene
Berge versprechen ließ. Der Trick gelang und man machte sich an die
Aufhebung der schon getroffenen Maßnahmen; Gaius und seine Gefolg;
leute reagierten mit der Besetzung des Aventin, um die alten Zeiten des
Ständekampfes zwischen Patriziern und Plebejern unter neuen Vorzei-
chen heraufzubeschwören. Der Senat gab die Antwort mit einer Neue-
rung eigener Art, dem senatus consultum ultimum, dem „letztmöglichen
Senatsbeschluss": Den Konsuln wurde Blankovollmacht erteilt, „damit
die res publica keinen Schaden nimmt". Bogenschützen und Schläger-
trupps rucKten vor. Gaius Gracchus ließ sich auf der Bucht töten, von
seinen Parteigängernrichtetender Konsul Opimius und seine Helfer dies-
mal 3000 ohne jeden Prozess hin, um ein für allemal Schluss zu machen,
und warf sie in den Tiber. Als Symbol für das Ende der bürgerkriegsähn-
lichen Zustände gelobte der Senat einen Tempel für die personifizierte
Eintracht, die Göttin Concordia; die einen nahmen es als Bitte für die
Zukunft, andere als grausamen Zynismus. Das Gebäude war nur eins von
vielen Monumenten, die in den nächsten Jahren Roms Mitte veränderten:
Statuen, Ehrenzeichen und Zweckbauten waren Ausdrucksmittel im Wett-
kampf der prominentesten und reichsten nobiles geworden.24
Für Sulla, der 121 gerade siebzehn war, gab es genug prägende Eindrü-
cke zu sammeln. Die Seite, auf die er sich innerlich stellte, war wohl von
Anfang an die der Optimaten - es konnte kaum anders sein. Tiberius
Gracchus, dessen politische Zukunft so bedroht gewesen war wie Sullas
eigene ungewiss, bot sich dem Erben der Rufini eigentlich als Identifika-
tionsfigur an. Doch als Patrizier wäre ihm der Volkstribunat, der Schlüssel
zum populären Politikstil, ohnehin unzugänglich geblieben - erst ein Men-
schenalter später sollte ein Claudier darauf kommen, sich durch Adoption
zum Plebejer Clodius machen zu lassen. Nichts im späteren Leben Sullas
deutet an, dass er NichtSenatoren anders als mit Geringschätzung begeg-
nete, sobald sie Ansprüche stellten. Und wie er mit seinem Hang zur Sub-
kultur Unabhängigkeit vom Urteil seiner Standesgenossen bewies, so um-
gekehrt auch mit dem Festhalten an Wertvorstellungen, die zu leben er
momentan gar nicht in der Lage war. Er war für die Republik, wie sie
,schon immer4 gewesen war, und sah vielleicht schon jetzt ihren einzigen
Fehler in den Möglichkeiten, sie von innen her zu verändern oder aus den
Angeln zu heben. Darin unterschied Sulla wenig von einem Scipio Nasica
oder einem Fabius Maximus, Konsul von 121, die vor nichts zurückschreck-
ten, um die Verhältnisse, wie sie waren, zu erhalten - und eben dadurch
ganz neue Verhältnisse geschaffen hatten, in denen sich Innenpolitik als
Duell auf Leben und Tod unter bürgerkriegsähnlichen Umständen betrei-
ben ließ. Der offene Egoismus der Führungsschicht aber machte sie an-
greifbar, und Rücksichtslosigkeit ließ sich nachahmen.
Mit der Frage, wie es mit Rom weitergehen sollte, hatte der dekadente
junge Mann nichts zu tun. Er lebte sein Leben, amüsierte sich offenbar
blendend dabei und besaß sogar die Schamlosigkeit, der Liebhaber einer
bekannten Edelprostituierten zu werden, deren Name Nikopolis zumin-
dest suggerieren sollte, sie sei eine echte griechische Hetäre. Zunächst be-
suchte er sie, bald darauf wurde der Liebhaber zum Geliebten. Nun bekam
er auch noch, gutaussehend und gewinnend, wie er war, das umsonst, wofür
anständige Leute teures Geld bezahlen mussten. Und die Jahre gingen
vorbei; ein politisch ambitionierter Römer hätte die weiße Toga anlegen
und für die Quästur kandidieren sollen. Sulla, dem die Mittel, der hilfrei-
che Einfluss und der gute Ruf gleichermaßen fehlten, rührte sich nicht.25
Erst ein Todesfall schuf neue Verhältnisse. Was immer die Stiefmutter
des notorischen Taugenichts von ihm gehalten haben mochte, sie traute
ihm entweder etwas zu oder fühlte sich ihm verpflichtet. In ihrem Testa-
ment bedachte sie Sulla, „der von ihr wie ein eigener Sohn geliebt wurde".
Um dieselbe Zeit starb Nikopolis; auch sie hatte ihm ihren Besitz ver-
macht. Beides zusammen gab dem sonderbaren Glückskind ein kleines
Vermögen in die Hand, das ihm fortan ein menschenwürdiges Leben unter
seinesgleichen, wenn auch keine großen Sprünge gestatten würde. Er
konnte seine kuriosen Vorlieben weiterpflegen - oder er konnte für seine
Familie einen Neuanfang in der Politik versuchen und den eben gewonne-
nen Reichtum aufs Spiel setzen.26
Sulla zögerte nicht. Der Herbst des Jahres 108 sah ihn in einer mit Krei-
de geweißten Toga über das Forum gehen, hohen und niedrigen Bürgern
die Hände schütteln, Versprechen seiner Tatkraft geben und an die lange
vergangenen Zeiten erinnern, in denen sein Haus eins der ersten Roms
gewesen war. Geschenke wurden ausgeteilt, Spiele versprochen. Als die
Bürger, nach den 35 Stimmbezirken Roms geordnet, in den Tribut-
komitien zusammentraten und die niederen Beamten wählten, befand sich
der Hoffnungsträger der fünften Generation nach dem Sturz des Cornelius
Rufinus unter ihnen.
Schlagzeilen
Jedes Jahr zählte Rom rund ein Dutzend Quästoren, die ihren Fuß auf die
unterste Stufe der senatorischen Karriercleiter setzten. Wer ein Jahr lang
die Konsuln oder einen Provinzstatthalter von Finanz- und Verwaltungs-
routine entlastet hatte, stand praktisch schon auf der nächsten offiziellen
Senatsliste. Wer auf Höheres aus war, wünschte sich einen mächtigen Vor-
gesetzten, der bereit war, ihn auch in Zukunft zu protegieren. Darüber
entschied das Los, doch es gab notfalls Wege, dem Zufall nachzuhelfen.
Nur ein Glücksspieler hätte sich Gaius Marius ausgesucht, den ruppigen,
aggressiven Niemand vom Land - das hieß, aus einer vornehmen Ritter-
familie, die nicht in Rom lebte -, der es gegen alle Regeln und den guten
Geschmack geschafft hatte, sich 108 zum Konsul wählen zu lassen. Marius
war der Prototyp eines homo novus, eines Aufsteigers aus dem politischen
Nichts. Militärischer Ruhm war sein Startkapital gewesen: Nach vorbild-
lichen Dienstjahren, teils an der Seite des legendären jüngeren Scipio Afri-
canus, war Marius 119 Volkstribun geworden, wobei er sich so renitent
aufführte, dass er alle konservativen Senatoren daran erinnerte, was sie
an dem Amt so hassten.27
Es waren die Jahre, in denen kein Weg an der Senatorenfamilie der Cae-
cüü Metelli vorbeiführte - eine Machtballung wie die fünf Konsuln in den
Jahren 119 bis 109 hatte noch nie jemand erlebt; Triumphe und Censuren
strömten bei ihnen zusammen. Marius selbst war nicht ohne ihr Zutun
Tribun geworden und hatte einem Meteller als Quästor gedient; einmal
im Amt, drohte er einen weiteren einsperren zu lassen. Zum Dank ver-
hinderte man den nächsten Karriereschritt, seine Wahl zum Adü. Doch
Marius war zäh. Für das Jahr 115 kandidierte er gleich für das zweithöchste
Amt, als Prätor - und schaffte es. Die Quittung war ein Prozess wegen
Wahlbetrugs. Er überstand auch das.28
Die Metelli waren nicht nachtragend. Der jüngste ihrer fünf Konsuln
erhielt den Auftrag, Roms halbherzig geführten Krieg gegen Numidiens
König Jugurtha zu beenden. Der endlose Feldzug in Nordafrika begüns-
tigte lästige Rufe nach gründlichem Aufräumen - schon hatte man vier
Konsulare (Exkonsuln) verbannt. Konsul Metellus war kein geborener
Stratege, aber er wusste, wo der nötige Sachverstand zu finden war. Marius,
inzwischen mit einer Tochter der uralten, aus Jahrhunderten der Bedeu-
tungslosigkeit erwachenden Patrizierfamilie der Iulii verheiratet, stimmte
zu, wurde als Legat ein brillanter Stellvertreter, gewann die Herzen aller
Soldaten, äußerte im Folgejahr 108 den Wunsch, in Rom als Konsul zu
kandidieren - und Metellus hielt ihn angeblich unter höhnischen Bemer-
kungen zurück, bis die Wahlen vor der Tür standen. Die Gegenversion sah
den Vertrauensbruch bei Marius, der auf einer Dienstreise aus heiterem
Himmel als Kandidat aufgetreten sei.29
Der Bewerber führte einen Kurzwahlkampf gegen die eigenen Erfolge,
ließ an seinem Vorgesetzten und der ganzen Nobilität kein gutes Haar und
wurde triumphal zum Konsul für 107 gewählt. Sein Amtsbereich kraft
Volksbeschluss: der Krieg gegen Jugurtha, den er damit knapp vor dem
absehbaren Sieg dem wutschnaubenden Metellus wegnahm. Dessen Kom-
mando hatte der Senat verlängert, als Trostpreis blieben ihm nur ein Tri-
umph für seine gewonnenen Schlachten und der Beiname Numidicus, bei-
des gegen die sonstige Praxis. Das Tischtuch war zerschnitten. Marius war
nicht nur der erfolgreichste populäre Politiker seit den Gracchen gewor-
den. Wer unter ihm diente, riskierte stellvertretend für den Helden des
Tages gedemütigt, gemieden und vielleicht ruiniert zu werden, wenn sich
den Optimaten die Chance bot.30
In dieser Lage also wurde Lucius Sulla - nichtsnutzig, blaublütig, verarmt -
der nach Tradition und Gesetz engste Mitarbeiter eines neureichen Volks-
helden aus dem Ritterstand, Wieso die legendäre Feindschaft späterer Jah-
re sich nicht vom ersten Tag an entwickelte, das verblüffte die Nachwelt,
die Marius als erste Reaktion Ärger andichtete, „dass ihm, der einen er-
bitterten Krieg in Africa führte, durch das Los ein so verweichlichter Quäs-
tor in die Quere gekommen sei"*31
Eine kleine Bosheit der Optimalen, um beide zu quälen? Oder musste
Sulla schlicht nehmen, was sonst niemand haben wollte? Aber das über-
sieht den Pragmatismus Sullas. Ein Sieg war in erreichbarer Nähe. Siegte
Marius, dann fiel ein Teil des Ruhmes und der Beute für seinen Quästor ab,
damit Ansehen und größere Chancen bei der nächsten Wahl. Einen star-
ken Beschützer brauchte Sulla ebenso dringend.
Marius umgekehrt hatte keine Berührungsängste mit Patriziern - er wä-
re sonst niemals zum Onkel des berühmten Iulius Caesar geworden. Er
hatte viel Porzellan zerschlagen; am Tag nach dem Sieg musste er sich in
Rom mit oder gegen die übrigen nobiles auf Dauer einrichten. Ein Corne-
lier lieh der Kampagne einen großen Namen, der an Scipio erinnerte; das
würde aus der Mauer der Ablehnung durch die Optimaten symbolisch
einen kleinen Stein brechen.32
Der Quästor eines Konsuls im Krieg verwaltete nicht nur die Truppen-
kasse, fast immer fiel ihm auch ein Kommando zu, in dem er sich persön-
lich auszeichnen konnte. Marius gab Sulla die Kavallerie, seit je ein Tum-
melplatz der Aristokratie. Roms eigene Leistungsbilanz zu Pferde war
leider miserabel, die der italischen Bundesgenossen ungleich besser. Im
Kleinkrieg gegen die exzellente leichte Reiterei der Numider, eine ständi-
Abb. 2: Marius. Porträtbüste, Marmor. München, Glyptothek

nen ff ^ s c hw e r f ä I l i S e n Legionen und deren Nachschub, war Kon-


ten h 1 0 r g a n i s a t i o n s t a l e n t genug, um Aushebungen in Italien zu lei-
ein b ^ M a r i u s n a c h Nord afrika folgte, besaß Sulla allemal; dass in ihm
rt» fnadeter Kavalleriekommandeur steckte, initiativreich, risikofreu-
° «um einem gewissen Hang zur Theatralik, sollte sich bald zeigen.33
terni t t C l b a r b e z a h I t machte sich sein Charme. Sobald er mit seinen Rei-
entwft Ct W a r " v e r m e r k * SaUust mit dem Blick eines Todfeindes-,
wjcjcelte SuUa eine Begabung, die Sympathie einfacher Soldaten zu ge-
das r humorvoII > anspruchslos, großzügig trotz seiner Finanzlage, war er
Gegenteil des Patrizierklischees. Auch den Konsul beeindruckte, wie
sein Quästor Wache hielt und beim Lagerbau zupackte. Marius war im
Begriff, die Numidienarmee auf einen neuen Fuß zu stellen; mittellose
Freiwillige wurden auf Staatskosten bewaffnet und zwischen die Bürger-
soldaten alten Stils verteilt, die immer schwerer zu bekommen waren. Die
römische Armee stand, ohne es zu wissen, am Beginn einer neuen Zeit; sie
begann ihren zupackenden Oberkommandeur heiß zu lieben, und der un-
komplizierte Quästor mit dem spannenden Privatleben passte irgendwie
ins Bild.34
Marius brauchte gegen Jugurtha mehr Zeit, als er selber Metellus gelas-
sen hatte. Dem gejagten König genügten scheinbar nur seine Person und
der Hass auf die fremden Invasoren, um jederzeit den einen oder anderen
Stamm mobilisieren zu können; man setzte ihm nach, bestrafte die Helfer,
Jugurtha schlüpfte durch das Netz und begann das Spiel anderswo von
vorn, Marius, nun Prokonsul, hatte versprochen, den Krieg rasch zu be-
enden, und seine wichtigen Unterstützer, die geschäftlich in Nordafrika
engagierten Ritter, würden nicht ewig zusehen. Die erste größere Nieder-
lage, die sich in Rom herumsprach, konnte das Aus bedeuten. Beinahe war
es so weit, als die Armee auf dem Weg in ihre Winterquartiere an der Küste
angegriffen wurde; Jugurtha mit seinem Verbündeten und Schwiegervater
Bocchus von Mauretanien scheiterte zweimal nur knapp. Am glimpflichen
Ausgang hatte Sulla einigen Anteil.35
Kraftentfaltung allein konnte Jugurtha eindämmen, aber nicht ausschal-
ten. Marius und seine Berater verfielen darauf, es mit indirekten Metho-
den zu versuchen - mit Verrat und Druck auf die Unterstützer. Wollte man
Bocchus aus dem Krieg drängen, musste man ihm glaubhaft das Schlimms-
te androhen; und wenn er schon Jugurtha im Stich Heß, warum nicht den
Preis so hoch treiben, dass er ihn gleich auslieferte?
Schon an einer Art Vorbesprechung mit Bocchus nahm Sulla teil, der
nach Ablauf seiner Quästur nun als Proquästor mit den gleichen Kom-
petenzen wie zuvor weiterdiente. Er soll - wie ein vorweggenommener
Lawrence von Arabien - das Wort an sich gerissen und den König char-
miert haben, dem er die einmalige Gelegenheit ausmalte, in gute Bezie-
hungen mit Rom zu treten. Man trennte sich in Harmonie; eine maureta-
nische Gesandtschaft, die im Lauf des Jahres 105 über Marius' Lager nach
Rom ging, verhieß Gutes.36
Doch Bocchus wollte einen autorisierten Vertreter, an dessen Wort sich
Marius gebunden fühlte, wenn es an die eigentlichen Friedensbedingungen
ging; in einem Privatbrief forderte er Sulla an, der mit einer schnellen Es-
korte aufbrach. Ein Geleit von tausend Reitern unter dem Königssohn
Volux empfing sie auf halber Strecke. Eine filmreife Szene schloss sich an.
Auf der Route zu Bocchus' Lager wartete Jugurthas neue Streitmacht. In
Abb. 3: Denar, Faustus Cornelius Sulla, 56 v. Chr. Vs.: FAUSTUS; Diana mit Diadem und ütuus
(Krummstab als Zeichen für Sullas Augurat);
Rs.: L Cornelius Sulla (FELIX, sitzend), Bocchus links vor ihm (kniend) übergibt ihm Jugurtha
(rechts, kniend, mit gefesselten Händen)

einem kurzen Wortwechsel beteuerte Volux, kein Verräter zu sein; Sulla


sagte angeblich einige todesmutige Sätze und ritt, Volux' Vorschlag fol-
gend, mitten durch die numidischen Zelte.37
Rund um Bocchus waren die Befürworter beider Seiten schon am Werk;
auch Jugurtha war dem beargwöhnten Schwiegervater nicht zufällig näher
gerückt. Der König schwankte eine Zeitlang, ob er Jugurtha oder aber
Marius' zweiten Mann verraten und dem Todfeind ausliefern sollte; zuletzt
entschied er sich schweren Herzens für den Gast und Heß sich seine Qualen
mit dem Versprechen größerer Landgewinne auf Kosten Numidiens auf-
wiegen - was auch eingehalten wurde. Die Parteigänger Jugurthas wurden
unschädlich gemacht, der Rebell in Ketten als kleines Zeichen der Freund-
schaft überreicht.38
Marius hatte es geschafft. Aber Sulla, nicht Marius, war der gefürchtete
Numider übergeben worden. Das machte keinen Unterschied für den Ju-
bel in Rom, doch keiner der Beteiligten vergaß es. Sulla, so hieß es später,
nahm Rache im Namen der Nobilität für Marius' Diebstahl des Komman-
dos; Sulla, „von Natur aus eitel", legte sich einen Siegelring mit der Szene
der Gefangennahme zu - angeblich umgehend, um Marius zu provozieren,
wo er nur konnte.39
Nichts an den Ereignissen spricht für diese Deutung. Patrizier und popula-
ris hatten keine Zeit, miteinander zu streiten. Ob die beiden jemals Freun-
de waren, tut nichts zur Sache - ihr Arbeitsverhältnis war gut genug. Die
Konstruktion eines jahrelang mühsam unterdrückten Grolls überschätzt
Sullas Position: Der eine große Moment war noch kein Fundament eines
persönlichen Status, wie Sulla Jahre später zu seinem Schaden feststellen
musste. Das Vehikel boshafter Sticheleien der von Marius aufgebrachten
nobiles war der junge Mann zur Zeit nicht aus freien Stücken; gerade jetzt
konnten Marius und er alles andere eher brauchen als Reibereien. Die
Lage war zu ernst - und aussichtsreich.40
Marius' Wahlkampf hatte die Inkompetenz triumphgieriger Aristokra-
ten gebrandmarkt, die Kriege anfingen, aber nicht beendeten. Inzwischen
hatte sich ein Konflikt entwickelt, auf den das buchstäblich zutraf. Zwei
Stämme von der Nordseeküste, Cimbern und Teutonen, suchten auf wei-
ten Wanderungen quer durch Roms Interessengebiet nördlich der Alpen
eine neue Existenzgrundlage. Die römische Politik, die den Galliersturm
von 387 nicht vergessen hatte und mit der Eroberung der keltischen Po-
ebene kaum fertig war, wollte keine „Gallier" - von Germanen sprach man
noch nicht -, die alles durcheinanderbrachten. Für einen schnellen Tri-
umph waren die Barbaren immerhin gut. Ihn suchte der Konsul Papirius
Carbo 113 bei Noreia (Neumarkt im Süden von Klagenfurt?), und er erlitt
eine katastrophale Niederlage; ebenso erging es 109 seinem Nachfolger
Iunius Süanus. Als Marius in Numidien erschien, stellte sein Kollege Cas-
sius Longinus einen Keltenstamm, die Tiguriner, der sich den größeren
Stämmen angeschlossen hatte. Es kostete ihn das Leben, Rom war bla-
miert bis auf die Knochen, Cimbern und Teutonen verblieben in unbeque-
mer Nachbarschaft zur jungen römischen Provincia Narbonensis, der spä-
teren Provence.41
Als Rom das nächste Mal zum Schlag ausholte, bot es Armeen auf wie
gegen ein Königreich. Der Konsul des Jahres 105, Mallius Maximus, und
der Prokonsul Servilius Caepio führten jeder ein Heer; hinzu kam das des
Konsulars Aurelius Scaurus. Bei Arausio (Orange) traf man auf den Geg-
ner. Keiner der drei Feldherren war bereit, sich den anderen unterzuord-
nen. Das Ergebnis war spektakulär. Am Abend des 6. Oktober 105 exis-
tierte von den römischen Armeen vielleicht noch ein Drittel. Von 80000
Toten wurde später gesprochen, mehr als in der Katastrophe von Cannae
216 gegen Hannibal. Nach konservativen Schätzungen hatte Rom zwi-
schen 113 und 108 gut fünf Prozent seiner vielleicht 400000 männlichen
Bürger auf den Schlachtfeldern verloren. Italien lag ein zweites Mal nach
Noreia offen da. Panik brach aus; man erließ ein Ausreiseverbot für Män-
ner unter 35 Jahren.42
Und in diese Panik platzte die Nachricht, dass Jugurtha gefangen und
der Krieg in Afrika vorüber war. Gaius Marius erbat von Senat und Volk
weitere Instruktionen; ihm und der Armee gehe es gut, den Daheimgeblie-
benen hoffentlich auch - so lautet zumindest der Standard-Briefanfang
eines berichtenden Heerführers.
Die Diskussionen in der Hauptstadt waren hektisch und kurz. Der Schrei
nach Marius als neuem Oberbefehlshaber war ohrenbetäubend; „gegen
die Gallier gehe der Kampf ums Leben, nicht um den Ruhm". Mit geheu-
chelter Ruhe wandten seine Widersacher ein, das gehe nicht, er sei Pro-
konsul für Afrika und müsse jetzt erst einmal wieder Privatmann werden.
Eine überwältigende Mehrheit wählte den abwesenden Sieger zum Konsul
für 104. Erstens hätte er persönlich kandidieren müssen, zweitens nicht so
schnell einen weiteren Konsulat übernehmen dürfen - doch man sah das
Vaterland in Gefahr, und hätte der Senat die Wahl blockiert, wäre am
Ende vielleicht noch ein Konsul gewählt worden, der versprach, Marius
zum ersten Dictator seit Hannibals Zeiten zu ernennen.43
Hätte der Retter schon Zeit und Gelegenheit für innenpolitische Ambi-
tionen gehabt, wäre es schlecht um die Senatsherrschaft bestellt gewesen.
Für den Augenblick griff Marius mit beiden Händen nach der großen
Chance. Sulla ging mit. Theoretisch wäre es der Moment gewesen, sich
um das zweite Senatsamt, die Ädilität, zu bewerben; nur wäre das so un-
patriotisch wie kurzsichtig gewesen. Ob der Überbringer Jugurthas, der
nun 33 war, schon mit dem Gedanken spielte, das teure Amt zu übersprin-
gen und gleich Prätor zu werden, wissen wir nicht. Ein, zwei weitere Feld-
zugsjahre gegen diesen Feind konnten ihn wirklich reich und bekannt ma-
chen - und Sulla vertraute auf die Möglichkeiten Marius', mit der Krise
fertigzuwerden, seine eigenen nicht zu vergessen. Schon jetzt trug ihm sei-
ne Leistungsbilanz vielleicht die Wahl in eines der großen Priesterkolle-
gien ein - worauf Marius noch jahrelang warten musste.44
Es blieb Zeit genug, am 1. Januar 104 den Triumph über Numidien zu
feiern und Jugurtha zu seinem Tod im Kerker zu schleppen. Marius' neue
Feinde ahnten glücklicherweise nichts davon, dass Roms Untergang ihr
Lebensziel sei: Die Cimbern wandten sich vielmehr der Iberischen Halb-
insel zu, während die Teutonen weiterhin Gallien durchzogen. Monate ver-
gingen. Von Anfang an wollte Marius nicht weniger als einen überragen-
den Sieg. Seine Pläne sahen die Aufstellung und den Drill von fünf
Legionen vor, rund 25 000 Mann, ergänzt um ein etwa gleich großes Kon-
tingent der Bundesgenossen. Nach dem traditionellen System waren
Zwangsaushebungen der schnellste Weg, nur war der Militärdienst unpo-
pulär geworden, die Bereitschaft der Besitzer kleiner und mittlerer Ver-
mögen, auszurücken, gering - und die letzten Jahrzehnte hatten die Zahl
der Wehrpflichtigen stagnieren, ja sogar schrumpfen lassen.45
Marius dachte an Freiwillige. Was er 107 getan hatte, wollte er nun in
großem Stil wiederholen: Die für Steuerzwecke Besitzlosen unterhalb der
letzten Vermögensklasse sollten eintreten. Das war ein kostspieliger
Schritt, der für die Zukunft noch ganz andere Fragen aufwarf - der Staat
musste nun Waffen und Ausrüstung des Rekruten zahlen, dazu natürlich
seinen Sold; eines Tages, wenn er die Armee verließ, brauchte er eine
Existenzsicherung, also Geld und, falls er Bauer war, auch ein Stück Land.
Die Agrarfrage aus den Tagen der Gracchen erschien wieder am Horizont.
Für den Augenblick aber kam die Rekrutierung fast allen entgegen. Un-
zufriedene und Habenichtse versehwanden aus Italien, etablierte Städter
und Bauern brauchten nicht aus ihrer Existenz gerissen zu werden; Ritter,
die in den Gallien- und Spanienhandel investiert hatten, hofften auf bes-
sere Zeiten, die Besitzer von Waffenmanufakturen auf Staatsaufträge.
Allein die Senatselite fühlte sich überhaupt nicht wohl. Marius war dabei,
aus öffentlichen Mitteln eine Unzahl von Klienten zusammenzukaufen,
mit der das übliche Patronatssystem nicht mithalten konnte.
Für die Rekruten neuenTyps entstand eine Art Truppenschule, die das
Büd der Legionen für Jahrhunderte mitprägen sollte. Drill und Disziplin
der alten Bürgerarmee waren immer streng gewesen; jetzt steigerte Marius
noch einmal die Ansprüche. Statt an eine langsame Marschkolonne gefes-
selt zu sein, die schweres Gepäck und Beute mitschleppte, wollte er die
kämpfende Truppe gegen einen Jugurtha der Zukunft schnell bewegen
können, also lud er jedem Soldaten unerhörte Lasten auf* Statt der auf
klassische Schlachten ausgelegten Manipulartaktik wollte er eine Legion,
die bei Bedarf in Teileinheiten operieren konnte, hochkoordiniert und
gleichzeitig flexibel; so entstanden die zehn Kohorten, die sich aus der
übergeordneten Einheit lösen ließen. Das Waffentraining schaute er sich
bei den Gladiatoren ab, die aggressiver und auf den Einzelkampf aus-
gerichtet waren.46
Gemäß altem Brauch entstanden die Legionen, wenn man sie aushob,
und verschwanden samt ihren Offizieren, sobald die Kampagne beendet
war, nach einem Sommer oder nach zehn. Die Truppe gab ihre Feldzeichen
ab, zog Zivükleider an und war wieder Bürger. Die neuen Legionen - aus-
gelegt für Offensiven mit langem Atem - sollten langlebig sein, eine Iden-
tität haben und zur Identifikation einladen. Auf gewisse Weise wurden sie
mobüe Kolonien, in denen weder Dissens noch Diskussionen geduldet
wurden, unter dem Regiment ihres Feldherrn; Kontrolle und Korpsgeist
zugleich vervielfältigten sich in Gestalt des Centurio, der Bezugsperson
und des Hassobjekts der Soldaten. Viele davon waren schon wegen ihrer
Armut jahrelang an die Legion gebunden, sie gab ihnen Sicherheit und
wurde ihr Beruf; nach Verlassen der Legion war alles offen. Falls es auch
dort Sicherheit gab, erwuchs sie aus der Stärke der Kameraden - und des
Mannes an der Spitze.
Sulla stand mitten in dieser rastlösen Tätigkeit. Als Kenner der zahlrei-
chen Veränderungen und Experimente, die uns als „marianische Heeres-
reform" geläufig sind, hatte er neben Marius selbst später kaum Rivalen.
Er konnte damit rechnen, bald als Legat eine neue Legion führen zu müs-
sen; er half, die neuen Techniken und Manöver zu erproben. Und er nahm
zur Kenntnis, wie viel der Nimbus des Übernatürlichen einem Anführer
gab. Marius hatte mehr zu bieten als nur Können: Seit Jahren stand er im
Ruf, von den Göttern geführt zu sein.47
Nach dem ersten Schrecken war es leichter, die wichtigsten Stärken der
Cimbern und Teutonen zu erkennen. Wenn sie Rom immer gefährlichere
Niederlagen zugefügt hatten, dann wegen ihrer Allianzen mit gallischen
Stämmen. Also war es Zeit für Diplomatie, Sullas anderes Spezialgebiet.
So finden wir ihn in Verhandlungen mit dem Stamm der Marser, die er auf
die römische Seite zog. Umgekehrt war die Gefangennahme des Tekto-
sagenhäuptlings Copülus eine Art Kommandounternehmen, um diesen
mächtigen Stamm rund um Tolosa (Toulouse) zu schwächen oder mit einer
prorömischen Führung zu versehen.48
Marius selbst besuchte Rom vermutlieh einige Male - spätestens, um die
Wahl der Konsuln für 103 durchzuführen, weil sein Amtskollege gestorben
war. Weder stand Marius' eigener Name auf der Liste, aber aus Sorge, wie
diese irreguläre Stellung sich noch entwickeln könnte, formierte sich nun
der Widerstand. Männer der Nobilität meldeten ihre Kandidatur an. In
dieser Situation fand sich ein von den Optimalen verprellter junger Ex-
quästor, Appuleius Saturninus, der sich der populären Methode zuge-
wandt und die Wahl zum Volkstribun für 103 erkämpft hatte; Marius blieb
Konsul, gegen Gesetz und Tradition.49
Für ihn wurde es ein gutes Jahr. Wer Arausio vergessen hatte, wurde
daran erinnert, als Saturninus die überlebenden Kommandeure vor ein
Sondergericht zog, das sie verbannte. Als Damoklesschwert über erfolg-
losen Feldherren der Zukunft setzte der Tribun einen ständigen Gerichts-
hof ein - die Geschworenen waren Ritter, nicht Senatoren. Unter den ma-
rianischen Soldaten standen die ersten zur Entlassung an; ein kleineres
Aekergesetz gab dieser noch überschaubaren Gruppe Landgüter in Nord-
afrika - Werbung für die Jüngeren, ihrem Marius die Treue zu halten. Der
wiederum bekannte, er klebe nicht an seinem Amt, als rechtzeitig zu den
Konsulwahlen im Herbst - und seiner nächsten Wiederwahl - die Nach-
richt eintraf, die Cimbern seien wieder nach Gallien gekommen. Zusam-
men mit den Teutonen fassten sie den Plan, im Frühjahr 102 auf zwei
Wegen ins beutereiche Italien einzufallen.50
Wann genau die Absicht bekannt wurde, wäre interessant zu wissen. Im
Winter 103/102 gab es eine personelle Veränderung. Sulla, der dieses Jahr
als Militärtribun statt als Legat diente, vielleicht nach einer Wahl durch das
Volk, würde 102 den designierten zweiten Konsul begleiten, den bis ins
Mark optimatischen Quintus Lutatius Catulus.51
Einen Oberbefehlshaber im Unfrieden zu verlassen grenzte an Verrat. Sul-
las Erklärung für die Nachwelt war, dass Marius ihm jede Gelegenheit zum
Aufstieg vorenthalten und ihn zum Tribunat abgestuft habe; deshalb die
Trennung. Es war jedoch so, dass Catulus - der drei Anläufe bis zum Kon-
sulat gebraucht hatte - mindestens im Moment seiner Wahl noch beste
Beziehungen zu Marius unterhielt, der ihn gerettet hatte. Die folgenden
zwei Jahre sollten das ändern, aber einstweilen war Catulus als Schildarm,
Marius mit dem Gros der neuen Armee als Schwertarm der Operationen
für 102 vorgesehen. Ihr Erfolg bedingte einander, und Catulus, „ein würdi-
ger Mann, aber zu träge fürs Kämpfen", wie Sulla selbst ihn später abwer-
tete, brauchte militärische Expertise; Sulla hatte einiges davon und kannte
Marius, Methoden, konnte Catulus aber nicht in den Schatten stellen. Mit
dem schöngeistigen Konsul, der Liebesgedichte auf einen jungen Komö-
dianten aus Lanuvium schrieb, verband ihn viel; er war ein ideales Ge-
schenk.52
Immerhin wurde der Coraelier in gewissem Sinne abgeworben, von der
Seite, zu der er innerlich gehörte. Auch die Optimaten hatten für Marius
gute Worte, solange der Krieg dauerte.53 Danach würde er zu Hause kämp-
fen müssen und nicht unbedingt imstande sein, Sulla bei künftigen Wahlen
zu unterstützen. Hinter Catulus dagegen würde sich das senatorische
Establishment beim ersten kleinen Sieg stellen, der Marius' Monopol der
letzten Jahre brach. Diese Gruppe, in die Sulla zurückzukehren wünschte,
konnte nach wie vor Karrieren beflügeln oder zerstören. Sie war - auf mitt-
lere Sicht - selbst einen Bruch mit Marius wert.
Als das Frühjahr kam, waren die römischen Vorbereitungen getroffen. Die
Teutonen und Ambrcmen, die entlang der Rhone und dann über die Meer-
alpen oder die Küstenstraße ziehen wollten, erwartete Marius mit vier Le-
gionen in einem Lager an der Isere, das die Bergroute versperrte.54 Catulus
sollte sich den Cimbern und ihren Verbündeten - die Hauptmacht rückte
über den Reschenpass oder den Brenner an - mit nur zwei Legionen und
den Bundesgenossen entgegenstellen, rund 25000 Mann. Aufhalten konn-
te man die Barbaren mit diesen Mitteln durchaus, vernichten kaum.
Catulus entschied sich, die Cimbern durch die Bergpässe zu lassen, aber
noch in den südlichen Voralpen abzufangen; gleichzeitig rückten kleinere
Stämme, die Tiguriner und eventuell die Tougener, auf anderen Wegen an,
und man durfte die knappen römischen Kräfte weder verzetteln noch eine
Umgehung riskieren. Möglicherweise war es Sullas Aufgabe, die Marsch-
routen auszukundschaften. Beide Hauptstraßen führten ins Tal des Atesis
(der Etsch); nach einem Erfolg an dieser Stelle konnte Catulus die gerin-
geren Gegner einholen.55
Etwa beim späteren Bozen stoppte er den Vormarsch, dann wurde ihm
nach einem verlorenen Kavalleriegefecht beinahe der Rückzug abge-
schnitten. Als Operationsbasis errichtete er ein Lager bei Trient, wohl süd-
lich der Stadt in der Veroneser Klause bei Rivoli. Eine Brücke verband das
Hauptlager auf dem Westufer mit einem starken Kastell, das den Weg
durch die eigentliche Schlucht verlegte. Hier wollte man die Cimbern ent-
weder aufreiben oder durch blutige Verluste zur Umkehr bringen.56
Noch die erhaltene, massiv beschönigende Version verrät, wie nahe
Catulus einer Katastrophe kam. Ein kluger Kopf unter den vermeintlich
Primitiven erkannte die Möglichkeit, einen eigenen Flussübergang zu
schaffen, und komplettierte sie durch die Idee, Baumstämme gegen die
römische Brücke treiben zu lassen - Plutarch berichtet davon, als wären
Giganten der Urzeit am Werk. Unter den Truppen im Hauptlager brach
Panik aus, Catulus ließ seine Vorhut im Stich und nahm Reißaus bis zum
Po; die im Kastell Alleingelassenen, etwa eine Legion, kapitulierten auf
freien Abzug. Da am Ende alles gut ausging, sah man in Rom über das
Debakel hinweg; zum Sündenbock wurde ein defätistischer Tribun, der
Abzug in Teilen der Überlieferung zum heldenhaften Ausbruch.57
Catulus' Umgebung verbreitete später die Version, aus Verantwortungs-
gefühl habe der Konsul sich an die Spitze der Flüchtenden gesetzt - die er,
wenn die Dinge so standen, bei nächster Gelegenheit hätte dezimieren
müssen.58 Die Frage, wo Sulla sieh an diesem Tag befand, ist selten gestellt
worden - ziemlich sicher bei den Davongelaufenen. Nach Rom meldete
Catulus, er benötige Verstärkung und hoffe, den Po halten zu können.
Der dünn bemäntelte Hilferuf soll den großen Rivalen wenige Tage er-
reicht haben, nachdem er soeben die Teutonen auf dem Schlachtfeld von
Aquae Sextiae (Aix-en-Provence) vernichtet hatte, wo angeblich 150000
Tote oder mehr lagen. Der Jubel war ungeheuer; inzwischen hatte Satur-
ninus in Rom für Marius' fünfte Konsulwahl gesorgt, und die Unterstellung
ist erlaubt, dass beide von vornherein mit einem zweiten Feldzugsjahr ge-
rechnet hatten. Catulus* reparable Blamage konnte nicht gelegener kom-
men. Kurz zuvor hatte im Sinne der Optimaten ausgerechnet Marius' alter
Vorgesetzter und Feind Metellus Numidicus versucht, im Amt des Censors
den gefährlichen Saturninus und seine rechte Hand Servilius Glaucia, eine
Bezugsperson für die politisch aktiven Ritter, aus dem Senat zu werfen.
Straßenkrawale hatten das verhindert. Bereitwillig dirigierte Marius seine
Armee nach Oberitalien, während er selber in Rom vorbeisah, um den
zähneknirschenden Senat zu beruhigen.59
Bis in den Sommer 101 plünderten die Cimbern die Poebene. Marius
baute seine Streitmacht, 33000 Mann zuzüglich der 20000 des Catulus, in
aller Ruhe auf. Sulla hatte seit dem Abschied von 103 keine anderen Groß-
taten vorzuweisen als Strafaktionen gegen feindselige Alpenstämme und
eine überaus erfolgreiche Getreideversorgung für die Truppe, reine Quäs-
torenarbeit. Nicht er würde etwas von Catulus' Ruhm abbekommen, son-
dern Catulus musste um den eigenen zittern.60
Selten ist über eine Entscheidungsschlacht so schief berichtet worden wie
in der sullanischen Version dessen, was auf den Raudischen Feldern bei
Vercellae, irgendwo nahe dem heutigen Rovigo, am 30. Juli 101 vor sich
ging. Gleich vor der Behauptung, die Cimbern seien durch die glühende
Sonne entkräftet worden, lassen Berichte sie in einer Staubwolke ver-
schwinden, die offenbar nur sichtbares Licht, aber keine Hitze absorbierte,
so dass Marius' Truppen an den Flügeln die angeblich in sechsstelliger
Zahl, also kilometerbreit, aufmarschierten Gegner verfehlten und ins
Nichts Hefen. Catulus' Armee im Zentrum habe damit die Hauptarbeit
gehabt, unter ihr auch SuUa. Er befehligte anscheinend ein paar Kohorten
ohne besondere RoUe.61
Als Rückübersetzung dieser Polemik ergibt sich wohl, dass Catulus in der
Mitte die Cimbern auf sich ziehen, aber den direkten ZusammenpraU mög-
lichst lange verzögern sollte, während Marius sie mit der stärkeren GalHen-
armee auf beiden Flügeln packte; Catulus gab gern zu, dass seine Soldaten
vorzeitig auf den Feind losstürmten. Der Ausgang war eindeutig, die Ver-
luste vertretbar, der Sieg spektakulär genug, um von 120000 Gefaüenen
und schauerHchen Szenen unter den Besiegten zu fabulieren. Gleich da-
nach begann angeblich der Streit um die Lorbeeren, und als Schiedsrichter
soHen Anwohner über das Feld geführt worden sein. Nach exakter Evalua-
tion wählten sie Marius, während die Catulus-Fraktion von Betrug sprach:
Sie hätten die meisten Speere geworfen und mehr Feldzeichen erbeutet.62
Vom Prokonsul Catulus, mit dem Marius großzügig den zweiten seiner
beiden Germanentriumphe teilte, sprach keiner. Nie hat sich der Eindruck
dieses Momentes ganz verloren. Marius hatte Rom gerettet; pater patriae
nannte man ihn, den Vater des Vaterlandes, und die Familien der Haupt-
stadt sollen ihm vom Festessen einen Teil dargebracht haben wie einem
Gott. Nun musste dieser Gott Wahlkampf machen, seine Veteranen versor-
gen und beispiellosen Ruhm in eine dauerhafte politische Stellung überfüh-
ren. Der Senat war noch nie dafür berühmt gewesen, sich großen Feldher-
ren wilHg unterzuordnen; schon saß Catulus an einer giftigen Beschreibung
seines denkwürdigen Sieges über die Cimbern, stiftete eine Portikus und
baute der Fortuna einen Tempel, um seinen Triumph zu verewigen.63
Gleich in den Tagen nach dem Sieg hatte Marius Wohltaten verteilt, die
gar nicht in seiner Kompetenz lagen: das römische Bürgerrecht an tausend
treue Italiker aus Camerinum (der Senat verlieh es sonst geizig und ein-
zeln), große von den Cimbern zurückeroberte Landstücke wie herrenlose
Beute an die Staatskasse. Um alle Erwartungen erfüllen zu können, be-
warb er sich um den Konsulat; sein Verbündeter Saturninus wollte aber-
mals Volkstribun werden, Glaucia Prätor. Beim einzigen Römer, der je
zuvor angeblich sechsfacher Konsul gewesen war, handelte es sich um Mar-
cus Valerius Maximus Corvus, eine legendenumwobene Gestalt. Die nobi-
les boten einen Gegenkandidaten auf, niemand anderen als Metellus
Numidicus, Marius' Intimfeind. Er verlor einen Wahlkampf voller Straßen-
terror und Demagogie, der durch Saturninus' destruktive Talente ebenso
geprägt war wie durch ehrliche Bewunderung für Marius' frischen Glanz.
Alle drei Verbündeten wurden gewählt; Saturninus' Leute ermordeten den
designierten Volkstribun Nunnius (oder Nonius), der lästig zu werden ver-
sprach.64
Erst einmal stieß sich Marius nicht an den Methoden seiner Koalitions-
partner. Saturninus brachte ein Ackergesetz ein, das die konfiszierten
Landstriche der Poebene an die marianischen Veteranen vergab, eng ver-
knüpft mit der Errichtung neuer Kolonien in den älteren Provinzen rund
um Italien; ein Gesetz über Getreidezuteilungen kam wohl hinzu. Wenn
der Senat dies nicht bestätigte, war alles umsonst; falls er unter Druck zu-
stimmte, konnte er hinterher immer noch eine Kehrtwendung machen. So
fiel Saturninus - gestützt auf die Ritter, die Veteranen und große Teile der
einfachen Stadtbevölkerung - die drohend-geniale Klausel ein, jeder ein-
zelne Senator müsse binnen fünf Tagen nach Vorlage auf das Gesetz
schwören oder aber in die Verbannung gehen. Spöttische Augen richteten
sich auf Metellus, den Vorkämpfer der Optimaten, sobald die Abstimmung
vorüber war. Was würde er tun?65
Die Vorlage des Gesetzes im Senat - zu dessen Reihen nun auch Sulla
zählte - übernahm der Konsul Gaius Marius. Seine Glaubwürdigkeit war
dahin, wenn er das Gesetz nicht durchbrachte, sein Ansehen als Senator,
wenn er sich mit den Methoden von Saturninus und Glaucia identifizierte.
In einer ersten Rede zur Vorlage erklärte Marius, er begrüße das Gesetz,
werde aber nur unter Zwang schwören - das klang nach einem Politik-
wechsel; Metellus stellte ihn in den Schatten und erklärte, niemals ein un-
wirksames Gesetz beeiden zu wollen. Draußen begann der geprellte Satur-
ninus auf die Veteranen einzureden, an Marius drohe ihre Zukunft zu
scheitern.66
Man trat am letzten der fünf Tage wieder zusammen. Ein unglücklicher
Marius erklärte unter dem Jubel des Volkes, er werde mit dem Vorbehalt
schwören, dass das Gesetz rechtsgültig sei. Nach ihm leisteten alle außer
Metellus den Eid, der Rom verließ; wer nicht denselben Mut gehabt hatte,
sah sich gedemütigt. Saturninus und sein Anhang vergaßen Marius die
Zweifel nicht, die er am Gesetz geäußert hatte, die Veteranen waren ver-
unsichert, friedliehe Einwohner durch das Unrecht abgestoßen; die Opti-
malen behaupteten, Marius habe Metellus durch eine Lüge in die Falle
gelockt.67
Das blutige Jahr 100 war noch nicht zu Ende. Neue Wahlen standen an;
Marius war chancenlos, Saturninus dagegen ließ sich - so regelwidrig wie
einst Gaius Gracchus, nur ohne dessen Integrität - zum Volkstribun wie-
derwählen, und Glaucia versuchte gar den Griff aus der Prätur zum Kon-
sulat. Nun raffte sich der Senat auf, die letzte Waffe einzusetzen, das sena-
tus consultum ultimum. Der Appel an die Konsuln, Schaden vom Staat
abzuwenden, er ging ausgerechnet än Marius; der hochbetagte Aemilius
Scaurus trug ihn vor.68
Der Konsul entschied sÄ für die Legalität, gegen seine früheren Helfer,
gegen die kurzfristigen Interessen seiner Anhänger und alles, wofür er seit
zwei Jahrzehnten gearbeitet hatte; die Wahl war spät, ehrenhaft, zwingend
und eine Selbstverstümmelung. Es blieb Sullas Parteigängern vorbehalten,
Marius für käuflich zu erMären. Senat und Ritterschaft bewaffneten sich,
nun wieder einig. Saturninus und Glaucia verschanzten sich mit ihren Fana-
tikern auf dem Kapitol; gegen eine ganze Stadt und die Taktik eines Marius
hatten sie keine Chance. An Saturninus' erstem Amtstag, dem 10. Dezem-
ber 100, ergaben sie sieh ihrem einstigen Partner. Der Konsul ließ sie, wäh-
rend alles nach Rache schrie, hinter die dicken Mauern der Kurie mit ihren
hohen Fenstern schaffen. Er hatte Opiniius nicht vergessen; später sollte es
ein Verfahren geben. Andere sahen dafür keinen Bedarf. Ein Mob aus no-
biles und verängstigten Städtern schaffte es, aufs Dach des Senatsgebäudes
zu klettern, hob die Ziegel von den Dachbalken und schleuderte sie auf die
Gefangenen. Marius' Ehrenwort hatte sie nicht geschützt.69
Sulla hatte mit Sicherheit Waffen getragen; ob er auch unter den Mör-
dern war, kann niemand sagen. Rom war zerrissener denn je. Die Senats-
mehrheit war sich einig im Gefühl, die gerechte Ordnung verteidigt zu
haben, und zeigte angeblich Saturninus' Kopf beim Abendessen herum;
Teile des Volkes sahen es so, dass die Optimalen zum wiederholten Male
Verbrechermethoden eingesetzt hatten. Der Exkonsul Marius sträubte
sich 99 gegen jenes Gesetz, das Metellus heimberief, und verlor auch die-
sen Kampf. Er begab sich auf eine lange Reise in die östlichen Provinzen
und die mit Rom verbündeten Staaten.70
Man deckte die Kurie neu ein und ließ die Blutflecken wegwischen. Nur
die Gewalt verschwand fortan nicht mehr aus dem politischen Leben - so
sahen es zumindest Spätere.71 Es war höchste Zeit, dass mit Sulla ein Be-
fürworter der Stabilität und ein Kriegsheld seinen Weg machte.

In der zweiten Reihe


Mit dem Ausgang des Krisenjahres 100 konnte Sulla sich identifizieren;
diese Republik war die, der er dienen wollte. Doch er musste vorsichtig
auftreten. An den Empfindlichkeiten der um viele Hoffnungen geprellten
Plebs konnte man nicht vorbeigehen. Auch unter den italischen Gemein-
den wurde es unruhiger, aber sie hatten kein Bürgerrecht, konnten es sich
nur wünschen und durften also ungestraft ignoriert werden. Der Wahl-
kampf fand in und für Rom statt.
Als Patrizier stand dem nicht mehr ganz jungen Mann - er war 38, als
Saturninus umkam und Marius' Stern sank - das Amt des kurulischen Ädils
offen, das nächste im hergebrachten cursus honorum. Attraktiv fand Sulla
es nicht. Ädil sein hieß neben der Markt- und Straßenaufsicht vor allem
Spiele ausrichten, eine ruinöse Angelegenheit selbst für finanzstarke junge
Senatoren oder für den Besitzer frisch eroberter Kriegsbeute, der Sulla nun
war. Die meisten hatten keine Wahl, als sich zu verschulden - das Geld kam
teils von reichen Gönnern, zum größeren Teil von professionellen Gläubi-
gern, also Bankiers und Händlern. Marius konnte Sulla schlecht fragen; im
Umkreis der Metelli lobte man vielleicht seinen Schwenk zu Catulus, erin-
nerte sich aber zweifellos an Sullas Dienste für Marius; Catulus selbst hatte
weder Ruhm abzugeben noch Geld zu verschenken.72
Das waren gute Gründe, sich um die Ädilität zu drücken, die rein recht-
lich kein Muss war und den dritten Schritt, die Prätur, durch die zwei amt-
losen Jahre, die das Gesetz nach der Ädilität vorsah, hinausgezögert hätte.
Ein weiterer mag Sullas Abscheu vor dem Gedanken gewesen sein, sich
ein Amt zu ,erkaufen', auf das er durch Vorfahren wie persönliche Leis-
tungen für die res publica ein Recht hatte. Dass Ämter ein Geschenk des
römischen Volkes waren und dass für solche Geschenke - auch das gut
römisch gedacht - eine Gegenleistung anfiel, war nur ein Lippenbekennt-
nis in Volksreden. So kandidierte Sulla im Jahr 99 für eine Prätur des Fol-
gejahres, sobald sein Alter dies erlaubte.73
Zu bieten hatte er seine Tradition - es war ein gewichtiges Argument,
dass Sullas Großvater und dessen Vater schon Prätoren gewesen waren -
und vor allem militärische Verdienste, die richtig formuliert sein wollten:
Er hatte gegen die Numider gekämpft und Jugurtha unter Lebensgefahr in
Roms Hand gebracht; er hatte gallische Bergstämme besiegt, die Cimbern
aus Italien ferngehalten - die aufgegebene Poebene zählte als „Galia
Transpadana" nicht dazu - und bei Vercellae tapfer im dichtesten Getüm-
mel gestanden. Der eine oder andere Veteran, den er aus der Menge griff,
und der große Catulus konnten es bestätigen. Vielleicht ließ Catulus sich
herab, das zu tun, vielleicht auch nicht. Mit dem Namen Marius war auf
keiner Seite etwas auszurichten. Hätte Sulla eine Frau aus großer Familie
gehabt, wäre auf mehr Rückhalt zu hoffen gewesen, doch seine ersten
Ehen waren relativ glanzlos. Plutarch überliefert die Namen Ilia und Aelia,
und bis heute ist unklar, ob beide Frauen nicht identisch sind; es folgte zu
einem unbekannten Zeitpunkt die Verbindung mit der Patrizierin Cloelia.
Sollte hinter „Ilia", wie oft vermutet, eine Iuüa zu suchen sein, fiele diese
Ehe in Sullas Zeit als ,Marianer' und hätte ihn mit Personen wie Gaius Iu-
lius Caesar Strabo verbunden, mit dem er wenig später - nach dem Ende
der Heiratsverbindung? - Wortgefechte austrug.74
Alles in allem war das in diesen friedlichen Zeiten zu wenig. Die Bürger
hörten es sich an, lobten seinen Diensteifer und hatten, wenn sie auf der
Senatsseite standen, Hintergedanken wegen der Zeit vor 102, wenn sie den
Senatskurs ablehnten, wegen der Kehrtwendung danach. Seit Jugurtha war
zu viel geschehen; jeder wusste, dass Marius den König besiegt hatte, eben-
so die Barbaren - was immer man über Marius sonst leider sagen konnte.
Gerade in den oberen Vermögensklassen, die den Ausgang der Konsul-
und Prätorenwahlen entschieden, galt Sulla vielleicht noch als Helfer des
gestürzten Emporkömmlings. Sicher war er ganz tüchtig, und wenn er sich
wie ein normaler Kandidat als Ädil bewarb und Geld springen ließ, konnte
man ihn nächstes Jahr wählen. Sulla fiel durch.75
Im nächsten Jahr, 98, war Metellus Numidicus zurück in Rom, ein ande-
rer Metellus Konsul und der Sieg der Optimaten perfekt. Nach bewährter
Methode wurde mit überlebenden Anhängern des Saturninus abgerech-
net; den Volkstribun Furius Philus, der Metellus ein Jahr länger im Exil
gehalten hatte, schlug eine wütende Menge einfach tot. Man lancierte ein
Gesetz, das jedes künftige Reformvorhaben in Paketform verbot und in
Debatten über jeden Einzelpunkt ersticken würde. Sulla stand abermals
auf dem Forum, drückte Hände und rief sich in Erinnerung. Er kandidierte
für 97 - als Prätor. Wer ihn warnte, bekam ergänzende Informationen.
Sulla wünsche sich keineswegs aus der Verantwortung zu ziehen. Sollte
man ihn wählen und das Los es wollen, dass er praetor urbanus werde statt
Provinzstatthalter, dann sei es für ihn eine Ehrensache, die durch seinen
Urgroßvater in diesem Amt eingeführten Spiele in allem Glanz abzuhal-
ten. Zwanzig Jahre später schrieb er amüsiert oder verärgert, das Volk
habe von seiner Freundschaft mit Bocchus gewusst und wilde Tiere sehen
wollen, damals noch eine Rarität.76
Nicht nur hatte Sulla eine kreideweiße Toga angelegt, er hatte auch
Kreide gefressen. Vor den einfachen Plebejern gab er sich als Bittsteller;
zusätzlich flössen angeblich hohe Beträge in das Netzwerk der Spenden-
verteiler und örtlichen Wahlkomitees. In Senatskreisen war dieser Schritt
als Bestechung unbeliebt; die anständige Methode war jene, seine Klienten
und die seiner Freunde zu mobilisieren, Stimmen, die man mit Protektion
statt in bar kaufte. Nach der Restauration von 100 funktionierte das Klien-
telsystem wieder einigermaßen, und anscheinend war Sulla - politisch in
letzter Zeit ein zuverlässiger Mann - gegen die richtigen Konkurrenten
angetreten, so dass viele nobiles ihn dem eigenen Anhang empfehlen
konnten. Dass sie sich so offen und selbstzufrieden ihrer Macht bedienten,
Sulla aber auf der Straße den Bescheidenen gab, konnte ihn umgekehrt
fast populär wirken lassen. Die eine oder andere Veteranenstimme bekam
er sowieso.77
Diesmal wurde er gewählt - wie deutlich, geht aus unseren spärlichen
Quellen nicht hervor. Ein bemerkenswertes Losglück spielte ihm aus-
gerechnet das Wunschamt des praetor urbanus zu - was ihn deutlich mehr
kostete als die Spiele, denen er mit der Ädilität entgangen war. Die mehr-
tägigen ludi Apollinares bis zum 13. Juli waren eine teure Abwechslung
vom Gerichtsalltag der Prätur. Bocchus hatte seinen Freund nicht verges-
sen. Sage und schreibe hundert Löwen, die ersten, die in Rom frei durch
die Arena liefen, begeisterten die Zuschauer, eine würdige Geste an den
göttlichen Schützen Apollo. Die Bestien waren gratis, kaum aber deren
Transport, und hinzu kamen die Wagenrennen - Antrittsgelder der Ge-
spanne, Preissummen, Extras für die Zuschauer - samt Rahmenpro-
gramm aus Theaterstücken und öffentlichen Imbissen. Wir wüssten gern,
wer ihm das Geld gab. Mit einer Teilsumme unterstützte ihn eventuell die
Familie seiner Frau; Spannungen blieben aber nicht aus. Dem schlagfer-
tigen Gerichtsredner Caesar Strabo drohte Sulla mit „meiner Amts-
gewalt". „Deine ist gut gesagt, schließlich hast du sie gekauft", versetzte
Strabo. Jedenfalls kam das Jahr wohl immer noch billiger als die kom-
binierten Kosten einer Prätur ohne Spiele und einer Ädilität. Das Glück
stand Sulla bei.78
Viel hing davon ab, welche Provinz er für die Zeit ab 96 als Proprätor
erhalten würde - als ein Prätor-Ersatz mit fortgeltenden Kompetenzen,
voran dem imperium und damit der Befähigung, Armeen zu führen, An-
ordnungen zu treffen und mit den Göttern zu verhandeln. Ein reiches Ge-
biet oder aber eines mit leicht zu besiegenden Nachbarn war ideal. Noch
dazu wurde von dem Punkt aus, wo Sulla jetzt angekommen war, die Luft
dünn. Natürlich wollte er den Konsulat, doch jedes Jahr gab es genau zwei
Konsuln, die Konkurrenz war stark und unfair, die absehbaren Kosten ent-
mutigend - und wahrscheinlich verlorenes Geld. Die Nobilität wehrte
Neuzugänge nach Kräften ab. Sie wartete auch nicht auf die Rückkehr
verblasster Herrlichkeit nach bald zweihundert Jahren.
Als die Provinzen verteilt wurden, bekam er Cilicia zugewiesen. Glücks-
fälle sahen anders aus, Das war kein fest umschriebenes Gebiet, sondern
provincia im klassischen Sinn, ein bloßer Zuständigkeitsbereich, den man
sechs Jahre zuvor ins Leben gerufen hatte. Das eigentliche Kilikien, das
östliche Stück der Südküste Kleinasiens, war das Somalia der Antike - eine
Serie von Buchten und felsigen Schlupfwinkeln, von der Landseite her
unzugänglich, in kleine Stammesgebiete zersplittert und ein Sprungbrett
für haupt- und nebenberufliche Piraten, die von hier aus alle Handelsrou-
ten in der Osthälfte des Mittelmeeres erreichten. Der Auftrag des römi-
schen Statthalters, der sich auf die zugänglichere Landschaft Pamphylien
westlich der Problemzone stützen konnte, bestand darin, mit geliehenen
Schiffen der Anrainer und einer begrenzten Landarmee, auch sie zum
Großteil von den verbündeten Mächten gestellt, für Sicherheit zu sorgen
oder wenigstens symbolisch einige Piratennester auszuräuchern.79
Es gab viel zu tun für einen Kenner flexibler Kriegführung und Diplo-
matie; ein Triumph konnte dabei herausspringen, reiche Beute jedoch
kaum. Viel Zeit verbrachte der Ex-Prätor - der ungeachtet seines „Dienst-
alters" vermutlich die höheren Befugnisse eines Prokonsuls übertragen
bekam - mit Kontakten zu Verbündeten wie der Inselrepublik Rhodos,
die von der Sicherheit der Meere lebte, Die Aufregung Sullas muss groß
gewesen sein, als ihn kurz nach seinem Eintreffen der Befehl des Senats
erreichte, seine Routineaufgaben zurückzustelen und den Freund und
Verbündeten des römischen Volkes, König Ariobarzanes von Kappado-
kien, zurück in sein Reich zu bringen, aus dem er zu Unrecht und gegen
den Willen Roms vertrieben worden war.80
Die politischen Verhältnisse im Inneren Kleinasiens waren, euphemistisch
gesagt, explosiv. Schuld daran war nicht zuletzt Rom, das 133 das immens
reiche Königreich Pergamön vererbt bekommen und dieses schöne Erb-
stück als Provinz Asia eingerichtet hatte. Jenseits dieser Region ganz im
Westen - eines Paradieses für Unternehmer und Abgabenpächter aus dem
Ritterstand, einer sprudelnden Steuerquelle für die Republik - war es gute
römische Politik, keine Veränderungen in Richtung einer lokalen Hege-
monie zu dulden. Der einstige Herr der meisten Gebiete, das Seleukiden-
reieh, war mit Roms Zutun auf sein syrisches Kernland geschrumpft und
lag in Agonie. Nördlich des Taurusgebirges hatte sich die prekäre Lage
eingestellt, dass inmitten einer kleinen Anzahl mittelgroßer, ehrgeiziger
Staaten diverse kleine Nachbarn, Fürstentümer, Tcmpefstaaten oder freie
Städte, um ihre relative Unabhängigkeit zittern mti&sten.
Die aufstrebende Macht unter den vier, fünf größeren Territorien war
das Königreich Pontos, korrekter ,.Kappadokien am Meer", das sich ent-
lang der Schwarzmeerküste formiert hatte. Seit 114/13 hatte es einen
jungen, beunruhigend tatkräftigen Herrscher, Mithridatcs VI. Eupator.
Während der Regentschaft seiner Mutter hatte Rom die Herausgahe
Großphrygiens erzwungen, des wichtigsten Landerwerbs der Dynastie bis
dahin; das hatte der König nicht vergessen, wohl aber der Senat. Anfangs
profitierte Mithridates von Roms Daumenregel, dem jeweils engsten Ver-
bündeten zu misstrauen. Diese Rolle fiel inzwischen Bithynien zu. das im
Westen an Asia, im Osten an Pontos grenzte und Roms Argwohn nicht
mehr wie früher zum eigenen Vorteil auf Pergamon lenken konnte. So
war Mithridates zunächst in der Lage, sich nach Nordosten bis an den
Kaukasus auszudehnen und Kleinarmenien im Südosten zu schlucken; so-
gar auf der heutigen Krim setzte er sich fest. Das Schwarze Meer war bei-
nahe ein Binnenmeer des Pontischen Reiches geworden. Damit aber war
die Liste der Gebiete außerhalb von Roms Schutz- und Interessensphäre
so ziemlich erschöpft.81
Im Windschatten der aufziehenden Cimbernkrise verleibten Mithridates
und sein Freundfeind Nikomedes III. von Bithynien sich gemeinsam die
kleine Bergregion Paphlagonien ein. Roms Untersuchungskommission
ließ sich mit Höflichkeiten abspeisen. Eine weit fettere Beute war Kappa-
dokien, das strategische Wegekreuz im östlichen Zentrum der Halbinsel,
das im Norden an Pontos grenzte. Nikomedes heiratete die Königin der
Landschaft; Mithridates wollte die letzte Expansionsmöglichkeit, die nicht
schnurgerade auf die römische Provinzgrenze zielte, nicht aufgeben, ver-
jagte die Bithynier und setzte einen eigenen Sohn unter der Lenkung des
königlichen Vertrauten Gordios auf den Thron.
Nun eüten Gesandte beider Rivalen nach Rom, das endlich den Kopf für
solche Bagatellen frei hatte, und denunzierten einander im Jahr 98. Der
Senat entdeckte seinen Abscheu vor Königen jeder Art wieder und befahl
den Rückzug aus beiden annektierten Gebieten; sie sollten in Zukunft
„frei", lies: ohne König sein. Die Kappadokier, eingefleischte Monarchis-
ten, wählten statt dessen 97 Ariobarzanes, einen Gegner des Mithridates,
zum Herrscher. Gleich darauf wurde er offenbar verjagt - vom vorgeblich
ganz eigenmächtig handelnden Gordios. In Rom war man nicht bereit,
diesen Trick hinzunehmen; so erging die Instruktion an den Kappadokien
am nächsten stehenden Militärkommandeur, eben Lucius Sulla, den Ver-
jagten gütlich oder mit Gewalt zurückzubringen.82
Sulla quittierte den Auftrag nicht unbedingt mit Begeisterung. Wenn die
Pontier und ihre kappadokischen Sympathisanten so freundlich waren,
kampflos davonzulaufen, genügte eine kleine Expedition im Kolonialstil.
Wenn nicht, hatte er als Ausgangsbasis ein paar Städte an einer sonst feind-
seligen Küste, als Operationsgebiet eine beliebig große Anzahl steiler Päs-
se und Hochebenen, wo der ortskundige Feind Gelegenheiten im Dutzend
hatte, ihn aufzuhalten, zu umgehen, vom Nachschub abzuschneiden ... Für
einen Erfolg winkte ihm vielleicht ein Triumph, aber im für Viehzucht und
Wollprodukte bekannten Kappadokien sicher keine Jahrhundertbeute.
Übrigens konnte ein Krieg in diesem Stil Jahre kosten.
Es half nichts. Die viel zu dürftige Kerntruppe aus Legionären wurde
durch Aufgebote der Verbündeten erweitert; Sulla kümmerte sich um die
Logistik, befragte Spione und las sich - wie jeder antike Feldherr - durch
die verfügbare Literatur über Land, Leute und Kampagnen. Dann mar-
schierte er nach Norden - und verschwindet für mehrere Jahre im Zwie-
licht der Überlieferung.
Plutarchs wohlwollende Darstellung fand an Sullas eigenen Memoiren
lediglich den guten Ausgang erwähnenswert. Bis es so weit kam, stand der
Repräsentant Roms mit dem Rücken zur Wand. Im unerklärten Krieg mit
Mithridates war auf der Gegenseite ein versierter Stratege tätig, der grie-
chische Söldnerführer Archelaos. Aus einer Anekdote erfahren wir, dass
er Sulla gründlich in die Enge trieb. Der Römer ersuchte kleinlaut um
Waffenstillstand für Friedensverhandlungen. Archelaos stimmte zufrieden
zu - worauf sein durchtriebener Gegner die Atempause nutzte, um samt
seiner Armee zu verschwinden. Sulla kämpfte zudem gegen eine frustrie-
rend große Zahl pontosfreundlicher Kappadokier, die Verstärkungen aus
Armenien erhielten, wo König Tigranes regierte, der nicht lange danach
zufällig Mithridates' Schwiegersohn wurde. Doch am Ende dieses Stellver-
treterkrieges saß Ariobarzanes wieder auf seinem Thron, und Sulla konnte
sich nach erfolgreichem Kampf anscheinend mit dem Titel Imperator
schmücken - das höchste Kompliment der Armee für erfolgreiche Feld-
herren, das ihnen ein Leben lang blieb. Der kappadokischen Kriegsgöttin
Ma, die man mit Roms heimischer, spät importierter Bellona identifizierte,
wusste er sich fortan verpflichtet - und sie war ihm offenkundig wohl-
gesinnt gewesen.83
Für den in Prestigefragen empfindlichen Senat gab es eine weitere er-
freuliche Nachricht. Längst drang eine neue Macht im Orient vor, geför-
dert durch den Zerfall des Seleukidenreiches und nicht zuletzt Roms de-
struktive Außenpolitik in Kleinasien. Mittlerweile hatte das dynamische
Großreich der Parther den Euphrat erreicht. Für Sullas Feldzug war dieser
Druck auf die feindseligen Armenier eine willkommene Hilfe. Noch besser
traf es sich, dass die Vertreter des parthLschen Großkönigs eine Zusam-
menkunft wünschten, um die Absichten Roms auszuloten. Sulla und Ario-
barzanes befanden sich in bequemer Nähe; am Ufer des Euphrat, offenbar
auf der .römischen* Seite, trafen beide auf Orobazos, den Abgesandten des
Großkönigs Mithridates II. Als Erster verhandelte Sulla also mit dem
Reich, das zur Konstante und zum Albtraum der römischen Orientpolitik
werden sollte. Das materielle Ergebnis gefiel beiden Seiten: Der Euphrat
wurde als Grenze der Interessengebiete fixiert, eine historische Entschei-
dung, die drei Jahrhunderte lang Bestand haben sollte. Damit blieb dem
Arsakidenreich Gelegenheit, sich um ganz Armenien zu erweitern, wäh-
rend Roms eigenes Territorium noch mehrere hundert Kilometer vom
Euphrat trennte und die Kontrolle der dazwischenliegenden Gebiete als
Vasallenstaaten auf absehbare Zukunft alles war, was man sich wünschen
konnte - sowie ein Mittelmeer als mare nostrum ohne große Rivalen.84
Wichtiger für Sullas Ruf daheim war sein diplomatischer Coup bei der
Sitzordnung. An einen runden Tisch für die drei Teilnehmer dachte er
nicht; gegenüber von Orobazos zu sitzen, den Klientelkönig neben sich,
verwarf er auch. Stattdessen ließ er sich von den beiden anderen in die
Mitte nehmen. Orobazos ging darauf ein - und akzeptierte damit die Sym-
bolsprache, er vertrete eine untergeordnete Macht. Der wütende Groß-
könig ließ den Gesandten hinrichten. In Rom dagegen löste diese Geste,
die mit den besten Traditionen prokonsularer Arroganz gegenüber deka-
denten Orientalen übereinstimmte, zweifellos Beifall und patriotische
Selbstzufriedenheit aus: So sprang ein richtiger Republikaner mit Königen
um. Die überlieferte Kritik, solcher Hochmut hätte schlimme Folgen ha-
ben können, stammt wohl von neidischen Rivalen.85
Im Gefolge des parthischen Emissärs befand sich unter anderem ein
„Chaldäer" - in der Sprache der Zeit ein in Astrologie und anderen Wahr-
sagetechniken versierter Mann, für die vor allem Mesopotamien berühmt
war. Der Weise fixierte Sulla lange und soll dann kundgetan haben, hier
stehe ein Mann, der unweigerlich „sehr groß" (oder „der Größte") werden
müsse, „und er könne nur staunen, wie Sulla es jetzt aushalten könne, nicht
der Erste von allen zu sein". Der Repräsentant Roms war geneigt, es für
mehr als eine Schmeichelei zu halten, er werde - mindestens - Konsul
werden; Sulla zweifelte sein Leben lang weder daran, mit besonderem
Glück gesegnet zu sein, noch am Wunsch der Götter, in Träumen und Vor-
zeichen zu ihm zu sprechen. Er sah sich zu Großem bestimmt, was auch
geschah.86
Mit solchen Hoffnungen hielt die Heimkehr nach Rom trotz allem nicht
Schritt. Das genaue Datum wird meistens zwischen Ende 95 und dem Jahr
93 gesucht. Routineaufgaben wie die Piratenbekämpfung blieben Sulla
kaum erspart; für kleinere Provinzen ließ man sich mit dem Entsenden von
Nachfolgern meist viel Zeit. Zu Hause wartete der erste Dämpfer in Ge-
stalt eines sehr jungen Anklägers, Gaius Marcius Censorinus, der Sulla die
Erpressung des Ariobarzanes vorwarf. Dass große Geldsummen den Be-
sitzer gewechselt hatten, ist plausibel genug, der Grad der Freiwilligkeit
eine Sache der Spekulation. Beim Verfahren ging es hauptsächlich um
Rufschädigung, nicht so sehr um Moral. Schon am ersten Verhandlungstag
fehlte der Ankläger, in späteren Jahren ein treuer Gefolgsmann des Marius
- dass der deklassierte Held ihn vorgeschickt hatte, ist gut möglich, und der
Verdacht ist geäußert worden, Marius habe den kappadokischen Auftrag
für sich gewollt. Doch für die hohen Standards eines Marius dürfte der
Feldzug, ehe er gewonnen wwykmm sehr verlockend gewesen sein; eini-
ges spricht für Censorinus als ,Ein2eltäter* auf der Suche nach Ruhm. Sul-
las Ansehen schädigte auch ein geplatzter Prozess, Rivalen hatte er im
»befreundeten* Lager der Optinaaten genug, und käufliche Denunzianten
zählten almählich zu den harmloseren Mitteln der römischen Politik.87
Sulla hielt sich erst einmal so still, „dass er an eine Bewerbung um den
Konsulat nicht zu denken schien". Die Wunde des Beinahe-Prozesses
musste erst heilen* Kandidaten aus den besten Familien meldeten sich an,
und die politische Bühne hatte sich in seiner Abwesenheit in ein Minenfeld
verwandelt. Die Bürgerrechtsfrage war durch die plumpe, populistische
Maßnahme der Konsuln von 95 vergiftet worden, mit ihrer lex Licinia
Mucia den überschaubaren Kreis italischer Neubürger, den Einzelverlei-
hungen wie die im Cimhernkrieg erweitert hatten, auf Betrugsfälle über-
prüfen zu lassen und die in Rom ansässigen Bundesgenossen auszuweisen,
unter denen sich viele in die Volksversammlungen einschlichen - eine
Schmeichelei für jeden Römer, ein Stich gegen die Klienten des heimge-
kehrten Marius, eine Ohrfeige gerade für die romfreundlichsten socii, die
dieses Misstrauensvotum nicht vergaßen, und eine Bestätigung der wach-
senden Zahl Unzufriedener, die sich entrechtet fühlte. Wie ohnmächtig ein
Nichtbürger vor der Wilkür eines römischen Magistrats blieb, traf gerade
die italischen Oberschichten besonders hart. In den Provinzen erschienen
italische und römische Händler, die zum Reichtum der Halbinsel und zur
Expansion der römischen Herrschaft entscheidend beitrugen, ohne Unter-
schied als „Römer" und wurden entsprechend ehrerbietig behandelt, zu
Hause fühlten sieh die Herren ganzer Städte selber wie Untertanen.88
Nun meldeten sich im Jahr 92 auch noch die Ritter als politische Kraft
zurück, indem sie - mit Unterstützung des Marius, heißt es - die Provinz-
verwaltung eines der Urheber dieser Maßnahme, den pontifex maximus
Mucius Scaevola, indirekt angriffen und Seaevolas Legaten Rutilius Rufus
als vorgebliehen Blutsauger vor Gerieht zerrten und ins Exil schickten.
Tatsächlich hatten Scaevola und sein Helfer die Steuerpächter, die publi-
cum, beim Herauspressen der üblichen Extraprofite gestört; kommentar-
los ging Rutilius nach Asia zu seinen ,Opfern' und beendete dort sein Le-
ben. Drohte jetzt ein Bündnis der Italiker mit dem Gros des Ritterstandes?
Dann fehlte nur noch die Frage der Landverteilung, um die Situation ex-
plosiv werden zu lassen. Im Senat sammelten sich die Kräfte zu dem Plan,
die Gerichte wieder ausschließlich mit Senatoren zu besetzen. Die Ego-
ismen beider Gruppen standen vor einem Zusammenprall.89
Das Risiko - oder die Chance - einer Veränderung wurde auf allen Sei-
ten gesehen. Ein Wortführer der Unzufriedenen fehlte einstweilen. Das
war die Gelegenheit für einen Mann aus dem Kreis der gemäßigten Sena-
toren, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen und umzulenken. Marcus
Livius Drusus, ein Neffe des Rutüius, war ein ebenso reicher wie weitsich-
tiger Mann, der das Glück hatte, als Volkstribun für 91 neben der Unter-
stützung seiner Amtskollegen auf starke Fürsprecher im Senat zählen zu
können, so auf Aemilius Scaurus und Licinius Crassus, den zweiten Konsul
von 95 und einen der besten Redner seiner Zeit. Ein popularis war Drusus
beüeibe nicht, aber auch kein Reaktionär. Sein Ziel war es anscheinend,
die Republik mit einem Minimum an Veränderungen zukunftsfähig zu ma-
chen - doch was er darunter verstand, löste sämtliche Abwehrreflexe der
Optimalen aus: „gerade bei dem, was er dem Senat zuliebe in Angriff
nahm, hatte er den Senat zum Gegner".90
Drusus präsentierte zunächst lauter Herzensanliegen der Plebs - billiges
Getreide, gegenfinanziert durch schlechtere Münzen, dazu Landverteilun-
gen, neue Kolonien. Die Gesetze gingen in Volksversammlung und Senat
durch, so brisant sie waren. Gestärkt stellte sich der ungewöhnliche Tribun
dem Problem der Ritter und der Italiker. Die Zeit drängte mehr, als die
meisten wussten. Unter den Verbündeten reiften Umsturzpläne, deren Ur-
heber Drusus durch riskante Geheimverhandlungen zum Warten zu bewe-
gen, aber auch in ein eigenes Druckmittel zu verwandeln suchte - angeb-
lich nahm er ihnen einen Eid auf seine Person ab. Inzwischen glückte ihm
mit knapper Not ein weiteres Gesetz, das die Geschworenengerichte ge-
mischt besetzte, um eine Senatsjustiz ebenso zu vermeiden wie eine Wie-
derholung des Scaevola-Skandals; umgekehrt sollte offenbar eine massive
Senatserweiterung, vielleicht eine Verdoppelung auf rund 600, durch die
einmalige Aufnahme führender Ritter folgen. Drusus' Kalkül war wohl,
der Corpsgeist des Senats werde die Neuzugänge assimilieren und damit
den Mitwirkungsanspruch der Ritter erledigen - genau vor dieser JFalle4
und vor dem Verlust der juristischen Druckmittel fürchteten sich führende
equites. Die bisherigen Senatoren kämpften mit Wutausbrüchen angesichts
der Gefahr, majorisiert zu werden, und der drohenden Konkurrenz um die
dann zu kleine Zahl der Ämter.91
Noch war nichts von all dem umgesetzt. Auf den Straßen formierten sich
Schlägerbanden der Befürworter und Gegner; Letztere - voran der Konsul
Marcius Philippus, mit dem der Tribun sich ein Handgemenge geliefert
haben soll, und Drusus' einstiger Freund Servilius Caepio - unterstellten
Drusus Terrormethoden. Nun sickerten Details über seine konspirativen
Treffen durch. Der Reformer erfuhr von einem Mordplan seiner ,Freunde'
gegen Philippus, warnte diesen und geriet dadurch erst recht in den Ver-
dacht, Komplize der Italiker zu sein. Diese letzte Zumutung war eine zu
viel. Kein römischer Bürger war bereit, seine Privilegien mit den Bundes-
genossen zu teilen, und die wenigsten sahen die Unvermeidlichkeit einer
Rechteausweitung ein; selbst in Italien stellten sich Etrusker und Umbrer
gegen die Initiative, die als Bürger ohne Boden zu enden fürchteten, wäh-
rend die Unzufriedenen sicher waren, das volle Bürgerrecht sei das abso-
lute Minimum - aber vielleicht immer noch nicht genug - für erträgliche
Verhältnisse. Die Ritter wollten die Gerichte nicht hergeben. Drusus' Un-
terstützung schmolz; das war die Chance für Philippus, der erklärte, er
werde die Annullierung sämtlicher bisheriger Reformgesetze als formal
unzulässige En-bloc-Maßnahmen beantragen. Die juristische Notbremse
der Optimatenherrschaft war gezogen.92
Als letzter Ausweg wäre Drusus die Gewalt geblieben, ein Umsturz mit
Hilfe der italischen Partner. Das lief seinen Überzeugungen zuwider und
hätte die weiteren Ereignisse unkontrollierbar gemacht. Er duldete bra-
chiale Proteste seiner Anhänger, blieb aber auf dem Boden der (unge-
schriebenen) Verfassung, die ein weiteres Mal zur Verhinderung des ver-
meintlich Unerträglichen missbraucht worden war. Im Herbst 91 zerriss
der Senat seine Gesetze. Drusus war ein Ausgestoßener, der nach dem
Ende seiner Amtszeit um sein Leben würde fürchten müssen.93
In diesen Monaten der Krise setzte ein aufstrebender Politiker provokante
Zeichen. Mit Billigung des Senats schenkte Roms Verbündeter und
Freund, Mauretaniens König Bocchus, der Stadt im Herbst 91 eine Statu-
engruppe, in der mehrere Siegesgöttinnen, die Trophäen hielten, drei ver-
goldete Figuren einrahmten: Der demütige Bocchus übergab den knien-
den, gefesselten Jugurtha dem siegreichen Abgesandten Roms, der
erwartungsvoll vor ihm saß - natürlich Sulla, nicht Marius. Der Vater des
Vaterlandes ließ es sich nicht gefallen, auf dem Kapitol seinen ersten gro-
ßen Sieg gestohlen zu bekommen. Mit Metellus und anderen lag er längst
im Streit, wer denn Jugurtha besiegt habe, mit Catulus wegen Vercellae;
nun wollte also Sulla allen verbleibenden Ruhm für Numidien. Marius sah
sich, im Senat und vielleicht auch auf der Straße, nach Unterstützern um;
Sulla seinerseits war nicht gewillt, den Schritt zurückzunehmen. Die Stadt
„entzündete sich" an dieser Frage, die in offene Gewalt auszuarten ver
sprach - so behauptet zumindest Plutarch.94
Wie genau der Statuenskandal mit der großen Politik rund um Livius
Drusus synchronisiert war, ist nicht mehr auszumachen. Solche Statuen
anzufertigen hatte zumindest Monate gedauert - frei wählbar war der
exakte Moment, in dem Bocchus sie anbot. Falls Sulla nicht die Auf-
regung der ersten livianischen Gesetze nutzte, um sich unbemerkt aufs
Kapitol schmuggeln zu lassen, ist es am wahrscheinlichsten, dass er um-
gekehrt den Moment wählte, in dem er ein Maximum an Aufmerksam-
keit bekam. Sulla bot den führenden Optimaten die Chance, mitten in
ihrer Offensive die Gegenseite im weitesten Sinn - Marius, den engen
Verbündeten der politisch ehrgeizigen Ritter - mit einer Extrademüti-
gung heimzusuchen; gleichzeitig war das ein Zeichen, wo er zu stehen
wünschte.
Aus Kappadokien konnte er nicht mehr viel Kapital schlagen - im Lauf
des Jahres 91 war ein verzweifelter Ariobarzanes in Rom eingetroffen, der
vor dem Senat Anklagen gegen den ruchlosen Mithridates erhob. Sullas
Erfolg war damit annulliert. Bald gesellte sich der erst seit 94 regierende
Nikomedes IV. von Bithynien als Flüchtling hinzu - um Pontos würde man
sich bald kümmern müssen. Sonst aber standen die Zeichen für Sulla güns-
tig wie selten; es war Optimatenzeit. Erfahrungsgemäß sollte solch ein
Aufwind noch ein, zwei Jahre anhalten, mit Prozessen, Strafmaßnahmen,
Druck auf die vom Senat unabhängigen Kräfte. Wenn er je auf den Kon-
sulat hoffen durfte, dann jetzt, sofern er sich loyal genug zeigte. Eine glatte,
kühle Rechnung.95
Das Haus eines Volkstribunen darf nie verschlossen sein, damit Bittstel-
ler jederzeit zu ihm gelangen können. Nur einige Tage nach dem Scheitern
seiner Politik stach ein Unbekannter den zur Tatenlosigkeit verdammten
Livius Drusus nieder, der seinen Verletzungen bald darauf erlag. Der
Mord wurde niemals aufgeklärt. Enttäuschten Radikalen war er ebenso
zuzutrauen wie bürgerstolzen Plebejern oder ungeduldigen Handlangern
der Optimaten, die sich nicht bis zu einer Anklage im Dezember gedulden
wollten. Erst die Nachwelt sah in Drusus einen selbstlosen Staatsmann; im
Senat war an der Suche nach dem Täter eigentlich niemand interessiert.
Stattdessen war man in der richtigen Stimmung für eine Hexenjagd auf
die »Verräter', die an Drusus' Seite mit den Italikern konspiriert hatten.
Noch im Dezember 91 kreierte einer der neuen Volkstribunen, Q. Varius
Hibrida, per Gesetz ein Sondergericht aus Rittern, das in rascher Folge
Verbannungsurteile gegen moderate Senatoren fällte. Tribunen, die der
Anwendung der lex Varia in den Weg traten, wurden angeblich mit Dol*
chen in Schach gehalten.96
Bis dahin hatte Rom alle Beweise für einen großangelegten Verrat, die
es sich wünschen konnte. Der daheim fast gleichmütig aufgenommene
Mord an Drusus hatte den Städten Italiens den einzigen Unterstützer
ihres Rufs nach Gleichberechtigung genommen. In großen Teilen der
Halbinsel, voran bei den Samniten, traute man den Römern alles Böse
zu; auch die Marser waren entschlossen, sich nicht länger hinhalten zu
lassen. Argwöhnische Beamte der Hauptstadt durchstreiften Italien zu In-
spektions- und Überwachungszwecken. In dieser Lage erhielt der Prätor
Q. Servilius die Nachricht, in der nahen Stadt Asculum im Picenum (As-
coli Piceno) gehe Verdächtiges vor. Servilius überschüttete die Städter mit
Anklagen, aus denen Drohungen wurden. Die wütenden Picenter schlu-
gen ihn, seinen Legaten und alle anwesenden Römer tot. Nicht lange nach
der Nachricht traf in Rom eine Delegation zorniger Bundesgenossen ein,
die endlich Besserung und mehr Respekt forderte. Man weigerte sich kalt,
mit ihnen zu sprechen; sie sollten ihr Bedauern wegen Asculum erklären,
sonst gäbe es nichts mehr zu sagen. Die nächsten Meldungen, die den
Senat nach diesem geschickten Manöver erreichten, formten sich zu dem
Bild, dass halb Italien im offenen Aufruhr war und Heere gegen Rom
aufstellte.97

Hohe Einsätze

Der Bundesgenossenkrieg, das ungewollte Kind der Reformkontroverse


des Jahres 91, erledigte schnell und gründlich alle Hoffnungen, zur Tages-
ordnung überzugehen. Nachrichten vom Abfall ganzer Landschaften häuf-
ten sich, mit denen man weder verhandeln wollte noch konnte. Der Winter
verging, indem beide Seiten sich rüsteten, einen Krieg zu gewinnen, für
den es keine Pläne gab.
In konventionelle Kriege entsandten Senat und Volk von Rom eine
Streitmacht römischer Bürger und ein mindestens gleich großes Kontin-
gent der italischen Bundesgenossen, die ihre eigenen Offiziere hatten, mi-
litärisch vergleichbar trainiert und mit der römischen Taktik völlig vertraut
waren. Ein Konflikt mit diesen socii war ein Bürgerkrieg, ausgenommen
nur den Rechtsstatus des Gegners. Fielen sie alle ab, dann war Rom in
absoluten Zahlen überlegen, stand aber strategisch am Abgrund. Außer
der Hauptstadt und den wenigen zum vollen Bürgerrecht gelangten Ge-
meinden gab es dann nur noch die verstreut angesiedelten Kolonien römi-
schen und latinischen Rechts, die auf zeitweiliges Standhalten gegen feind-
liehe Nachbarn, nicht aber gegen die ganze Halbinsel berechnet waren -
aufgeben konnte man sie jedoch auch nicht.98
In Corfinium, ein paar Tagesmärsche östlich der Metropole am Tiber,
hatten die Aufständischen ihre Gegenhauptstadt gegründet, mit einem
Gegensenatuixdiiejm Stadtnainen tofia; die Botschaft war klar - man woll-
te eine Form politischer Einheit behalten, aber auf der Basis von Rechts-
gleichheit im Innern der Halbinsel, und das je nachdem auch ohne Rom,
das besiegt draußenbleiben oder vernichtet werden mochte. Die vielen
Gegensätze, etwa zwischen Marsern und Samniten, den beiden mächtigs-
ten Gruppen, waren vertagt. Es war ernst.99
Gegen eine energisch geführte Koalitionsarmee aller Italiker würde die
Republik fallen. Stellte man ihr alles entgegen, was man hatte, bedeutete
das den Rückruf der Truppen aus allen Provinzen, die dann nur der Res-
pekt vor der römischen Stärke verteidigte. Die großen und kleinen Un-
ruhestifter würden die Nachrichten aufmerksam verfolgen. Aber das war
eine Sorge für Überlebende.
Ein Beobachter der Kämpfe der römischen InnenpoHtik, kleinlich und
hasserfüllt, ist versucht, das Lob auf die Eintracht in Existenzkrisen zu
singen oder zumindest den Sinn für Prioritäten zu rühmen, wenn er sieht,
wie geschlossen die Bürger die Toga ablegten und zum Zeichen der Gefahr
den Militärmantel, das sagum, umwarfen. Ganz so war es nicht. Die Ritter
im Sondergericht nach der lex Varia schleuderten nur noch verbissener
ihre Verbannungsdekrete gegen echte und angebliche Unterstützer der
Italiker, um so viele Senatoren wie möglich zu treffen. Aemilius Scaurus,
die gealterte Verkörperung des Optimatentums, hatte sich des Tribunen
Varius selber zu erwehren, der ihm vorwarf, mit seiner starren Haltung
die Bundesgenossen in den Krieg getrieben zu haben.100
Die Konsulwahlen allerdings brachten zwei Moderate ins Amt, Marius'
Vetter Rutilius Lupus und Iulius Caesar Strabo - das war unumgänglich,
denn diese beiden würden nun eine Auswahl erfahrener Militärs vom ver-
bitterten Marius bis hin zu Sulla befehligen, von denen trotz aller Erfah-
rung und Eitelkeit Gehorsam verlangt wurde.101
Der Gegner konnte bedrohlich fähige Anführer aufbieten. Was er nicht
zustande brachte, war ein allgemeiner Aufstand. Die nächste Umgebung
Roms, vor allem Latium und Etrurien, blieb einstweilen loyal, dazu die
Nordhälfte Kampaniens. Daraus ergab sich die Chance, die beiden Kern-
gebiete des Feindes, Samnium und das Land der Marser, voneinander zu
trennen, und vor allem behielt Rom offene Land- und Seewege. Man nutz-
te sie für den Rückruf aller greifbaren Kontingente und setzte große Men-
gen Hilfstruppen aus den Provinzen oder von Verbündeten wie Bocchus
ein. Sie brachten die römische Armee auf vielleicht 170000 bis 200000
Mann, gegen die zunächst etwa 100000 Italiker standen, später womöglich
mehr. Rein numerisch sah es für die Republik gut aus, solange der Auf-
stand nicht weiter um sich griff.102
Ein konzentrierter Einsatz der Übermacht war jedoch ausgeschlossen.
Der Schutz Roms und der im Feindesland verstreuten Kolonien war zwin-
gend. Noch dazu war eine Strafaktion des Prätoriers Gnaeus Pompeius
Strabo gegen den dortigen Krisenherd Asculum gründlich missglückt.
Strabo war in Firmum Picenum eingeschlossen, seine Befreiung die Haupt-
aufgabe für den Konsul Rutilius und dessen Helfer Marius. Im Südosten
operierte Caesar Strabo gegen Samnium, und hier fand sich auch Sulla
wieder. Schon gab es junge Römer, die seine Protektion suchten, voran
ein junger nobilis der dritten Generation, Lucius Licinius Lucullus. Wie
Sulla hatte er einen Schandfleck auf dem Familiennamen gutzumachen,
interessierte sich für Kunst und Literatur, schrieb elegant - und erwies sich
militärisch wie diplomatisch als überaus brauchbar. Nichts soll Sulla mehr
für ihn eingenommen haben als Lucullus' „Beständigkeit und Sanftmut",
etwa wenn Sulla einen seiner spektakulären Temperamentsausbrüche hat-
te.103
Genauer denn je registrierten Priester und Bürger die Vorzeichen dieses
Jahres. Als sich bei Laverna die Erde auftat und Feuer hervorschlug, hieß
es, „ein tapferer Mann, ausgesprochen gutaussehend und über die anderen
herausragend, werde die Macht erhalten und die Republik von ihrer jetzi-
gen Zerrissenheit erlösen". Wer das sein würde, blieb zunächst offen.104
Wer glanzvolle Siege oder doch eindrucksvolle Strafaktionen erwartet hat-
te, den enttäuschte das Jahr 90. Pompeius in Firmum konnte ausbrechen
und belagerte nun endlich Asculum; im Marsergebiet fiel Rutilius bei einer
Flussüberquerung, kurz darauf dessen Nachfolger, so dass Marius als
Oberbefehlshaber übrig blieb. Das Jahr verging mit Gefechten wechseln-
den Ausgangs, in denen er die Marser auf ihrer Seite des Liris (Garigliano)
hielt; die römischen Verluste addierten sich zu erschreckenden Zahlen.105
Sulla hatte die dynamischere Seite der Ereignisse erwischt, nur hatte er
wenig davon. Papius Mutilus, der samnitische Feldherr, nahm in Kampa-
nien eine römische Stadt nach der anderen, bis er sich vor Acerrae festbiss,
von dem Caesars Heer ihn vergebens abzudrängen suchte. Sullas Aufgabe
war es anscheinend, marsischen Verstärkungen den Weg dorthin zu ver-
legen; dabei kämpfte er angeblich einmal Seite an Seite mit Marius' Ar-
mee, und sie schlugen den gemeinsamen Feind. Dafür ging nach langer
Belagerung Aesernia an die Marser verloren; Sulla hatte während der
Kämpfe, heißt es, seinen kappadokischen Verhandlungstrick wiederholt
und seine eingeschlossenen 24 Kohorten dadurch aus einer Schlucht be-
freit. Vielleicht war das der Augenblick, in dem die Soldaten ihrem Anfüh-
rer eine so unscheinbare wie außergewöhnliche Ehre erwiesen: Das Heer
verlieh ihm einen Kranz aus Gras, die corona obsidionalis, für das Ver-
dienst, sie aus einer Belagerung gerettet zu haben. Die Szene, der gegen-
über eine Ausrufung zum Imperator fast alltäglich war, bedeutete Sulla so
viel, dass er sie als Wandgemälde in seiner Villa in Tusculum (Frascati)
festhalten ließ.106
Zwar konnten die Italiker den Erfolg vor Aesernia nicht für einen Vor-
stoß auf Latium ausnutzen, aber die militärische Lage war bedrohlich aus-
geglichen und der Unmut weniger zusätzlicher Bundesgenossen - oder
feindliche Erfolge - konnte alles aus der Balance bringen. Schon jetzt si-
cherten lediglich Freigelassene die Meeresküsten; man war so weit, wie
zuletzt unter Hannibal Sklaven bewaffnen zu müssen. Die Befehlshaber
verliehen einzelnen Helfern bereits illegal das Bürgerrecht, Sulla unter
anderem an neun Einwohner des spanischen Gades (Cädiz) sowie einen
Griechen aus Massilia (Marseille). Immerhin fühlte Rom sich so sicher,
dass die Bürger nicht mehr den Kriegsmantel trugen.107
Am Ende der Feldzugssaison kehrte der überlebende Konsul Caesar
zurück, um seine Nachfolger wählen zu lassen, und legte der zusammen-
geschrumpften Volksversammlung ein Gesetz vor, das auf ein Geständnis
der römischen Kurzsichtigkeit hinauslief. Sämtlichen loyal gebliebenen
Gemeinden der Bundesgenossen verlieh diese lex Iulia de civitate sociis
danda für alle Bürger das volle römische Bürgerrecht. Besorgt um die Zu-
verlässigkeit der fremden Soldaten fügte sie die Erlaubnis hinzu, ganze
Einheiten ebenso zu belohnen. Leer gingen Loyalisten aus abtrünnigen
Städten aus. Die Neubürger übersahen vielleicht die »kleine4 Disbiminie-
rung, die sie in frisch errichtete Tribus einwies, welche ihre Stimme ganz
zuletzt abgaben - und das nur, falls nicht schon eine Mehrheit erreicht war.
Nicht verhindern ließ sich der Aufstieg reicher Italiker in die obersten
Stimm- und Vermögensklassen, doch die Romhasser unter ihnen waren
im Aufstand, die Ehrgeizigen hatten ohne die Stimmen ihrer Klienten in
den Tribus nur wenige Druckmittel.108
Ein Verlierer dieses Jahres war Marius. Es kann sein, dass man sich wei-
gerte, sein Kommando zu verlängern - auf den siebten Konsulat, den ihm
angeblich eine Prophezeiung versprach, hatte er allen Kriegstaten zum
Trotz keinerlei Aussicht. Der fast beleidigende Hinweis auf seine schwin-
denden Kräfte kam von der Konkurrenz.109
Das Jahr 89 begann mit Pompeius Strabo, dem Helden von Picenum, und
dem in Etrurien erfolgreichen Porcius Cato als Konsuln. Man setzte jetzt
alles daran, vor dem nächsten Winter die Entscheidung herbeizuführen.
Unerwartet schnell griff jedoch die Einsicht um sich, dass ein bloßer mili-
tärischer Sieg langfristig einer Niederlage gleichkam. Romohne Bundes-
genossen hatte nur etwa die halbe Kr#ftvein Rom, das ein unterworfenes
Italien mit starken Garnisonen bewachen musste, noch weniger als das.
Der Marser, den man heute totschlug, würde morgen fehlen, um die Pro-
vinzen zu schützen; auch ein geschlagener Italiker, dessen Stadt man dem
Erdboden gleichgemacht hatte, würde keine Hilfe sein. Letzten Endes
konnte Rom sich ein umfassendes Strafgericht gar nicht leisten - es waren
einfach zu viele Rebellen; an zweiter Stelle mochte manchen Senator die
späte Einsicht beunruhigen, dass der Ruf nach dem Bürgerrecht so unbe-
rechtigt nicht gewesen war.110
Ein unnötiger Krieg also? Aus der Rückschau gewiss. Nur handelte es
sich beim Widerstand fast aller Altbürger nicht einfach um Herrenmenta-
lität; dem Bürgerrecht kam tatsächlich ein hoher Wert zu, den der Aufstieg
Roms immer weiter gesteigert hatte. Doch durch die restriktive Ver-
gabepolitik hatte man sich in die Zwangslage versetzt, das Staatsvolk nun
auf ejjien,Schlag.zu verdoppehx^ ein Schritt, der im indirekten römischen
Abstimmungsverfahren - eine Stimme pro Tribus oder Zenturie, nur inner-
halb dieser Einheiten eine pro Bürger - unkalkulierbare neue Mehrheiten
schaffen oder große Zahlen vornehmer Italiker in die Ämter bringen
konnte. Dennoch führte an der großen Erweiterung kein Weg mehr vorbei.
Fast zeitgleich mit dem Beginn der neuen Feldzugssaison brachten zwei
Volkstribune im Frühjahr die lex Plautia Papiria ein; sie öffnete jedem
einzelnen Bundesgenossen das Vollbürgerrecht, falls er es binnen sechzig
Tagen persönlich in Rom beantragte. Deserteure aus dem italischen Heer
und Kriegsgefangene hatten sicher praktische Probleme damit, aber zu-
mindest die romtreuen Einzelpersonen wurden nun belohnt.
Sulla hatte den Winter vielleicht im Feld verbracht; zu den Konsulwah-
len war er wohl nicht angetreten. Der Mann der Stunde hieß im Norden
Pompeius Strabo; mit großer Energie verhinderte er den Einbruch einer
Armee nach Etrurien, warf sich auf die Marser und brachte deren Gebiet
unter Kontrolle, ehe der nächste Winter kam. Sulla seinerseits konnte den
Marsern nur danken, die seinen neuen Oberbefehlshaber Cato nach kur-
zer Amtszeit im Kampf töteten - später gab er Marius' Sohn die Schuld.
Für eine Nachwahl hatte Pompeius keine Zeit, und so übertrug der Senat
Sulla das Kommando, vielleicht als Prokonsul.111
Am dringendsten brauchte Rom die reiche kampanische Küstenebene
zurück. Neben deren Südhälfte - durch die gemeinsame oskische Sprache
eng mit den Samniten verbunden - waren mehrere loyale Städte des Nor-
dens verlorengegangen. Wenn es gelang, die Gegner zurück ins Gebirge zu
drängen, brach den Italikern einer ihrer Hauptpfeiler weg. Sulla eröffnete
die Kampagne, indem er Pompeji belagerte, damals eine mittelgroße, gut
befestigte Hafenstadt. Hinter ihr wartete Nola am Ostrand der Ebene, ein
weiteres Zentrum des Widerstandes; danach konnte man an die Eroberung
des hirpinischen Berglandes im Nordosten gehen, das seinerseits wie eine
Vorburg das Kernland der Samniten beschützte, und entlang der wichtigen
Via Appia die Aufstandsgebiete in Süditalien vom härtesten Gegner dieses
Kriegsschauplatzes abschneiden.
Doch der Weg bis dahin würde lang sein. Pompeji widerstand viele Wo-
chen lang hartnäckig dem Druck einer kleinen Flottenabteilung und einer
Legion aus loyalen Hirpinern. Das Kommando führte der Konsul des Jah-
res 99, Aulus Postumius Albinus, während Sulla sich vielleicht schon Nola
zugewandt hatte. In einer Revolte vor Pompeji wurde Albinus von auf-
gebrachten Soldaten getötet - aus Angst vor Verrat oder aber Wut wegen
herablassender Behandlung. Misstrauen des Legaten gegen die Italiker auf
seiner Seite, die theoretisch jederzeit ins feindliche Lager wechseln konn-
ten, wäre ebenso möglich.112
Bemerkenswert war Sullas Reaktion. Er hatte jeden Grund, die Mörder
exemplarisch zu bestrafen - die Disziplin der römischen Armee ließ ihm
keine Wahl. Stattdessen ließ er verkünden, er erwarte die Untat durch
noch mehr Tapferkeit gesühnt zu sehen. Aus der Rückschau war es ein
flagrantes Beispiel für die Neigung des Corneliers, „sich zum Diener seiner
Soldaten zu machen". Die Motive mögen komplizierter gewesen sein.
Möglicherweise war das Verhältnis des Prätoriers Sulla zu seinem eigent-
lich ranghöheren Untergebenen nicht das beste gewesen. Pragmatismus
war ein weiterer Grund. Sulla hatte ein Gespür dafür, was er sich jeweils
leisten konnte. Legaten waren in Rom zu haben, erfahrene Kämpfer aus
einer Gegend, in die er demnächst vorzustoßen plante, dagegen ein knap-
pes Gut - und sie konnten aufrührerische Hirpiner auf seine Seite ziehen.
Schon jetzt handelte Sulla als Bürgerkriegsgeneral. „Man könnte urtei-
len", schreibt Plutarch, „daß er von Natur aus zu heftigem Zorn neigte
und rachsüchtig war, aber aus Berechnung seines eigenen Vorteils weniger
hart sein konnte."113
Bald darauf versuchte Lucius Cluentius, Feldherr der Italiker auf dem
südlichen Kriegsschauplatz, die Belagerung von Pompeji zu durchbrechen.
Sulla griff in den Vorbergen des Vesuv frontal an, ohne auch nur auf seine
zur Proviantbeschaffung ausgesandten Truppen - vielleicht ein Drittel der
Gesamtstärke - zu warten; eine Schlange sei unter dem Altar vor seinem
Zelt hervorgeglitten, laut dem Opferdeuter Postumius das Zeichen, sofort
handeln zu müssen. Ein junger Offizier in Sullas Begleitung, Marcus Tul-
lius Cicero, war Zeuge des Vorfalls. Nur die Rückkehr der Fouragetrupps
konnte eine römische Niederlage verhindern. Keltische Verstärkungen er-
mutigten die Italiker, erneut die Schlacht anzubieten; im Stil einer Livius-
Anekdote aus der Vorzeit wird erzählt, der siegreiche Zweikampf eines
Mauren mit einem riesigen Gallier habe alles entschieden. Cluentius' Ar-
mee floh und wurde unter den Mauern von Nola aufgerieben. Auch der
Feldherr fiel; mit der zeittypischen Prahlsucht meldete Sulla 50000 tote
Feinde, was, wenn es wahr gewesen wäre, den Krieg auf diesem Schauplatz
beendet hätte. Noch schöner ist die Behauptung, genau ein Römer sei ge-
fallen.114
Jedenfalls bedeutete es das Ende der Hoffnungen für Pompeji. Bis auf
Nola, das sich zäh verteidigte, war Kampanien nun sicher. Sulla rückte
einen Tagesmarsch nach Osten auf Aeclanum (beim heutigen Mirabella
Eclano), eine Hirpinerstadt an der Via Appia. Die Einwohner blickten
nach Süden; aus Lukanien war ihnen Hilfe versprochen. Ob Sulla ihnen
wohl einen Tag Bedenkzeit geben würde? Der Meister des Zeitschindens
gewährte ihnen eine Stunde; inzwischen ließ er Reisig vor der Palisaden-
mauer aufhäufen und pünktlich zum Ablauf der Frist anzünden. Die Städ-
ter hatten genug und kapitulierten. Das Land der Hirpiner lag offen vor
ihm, und zahlreiche Städte übergab man kampflos.115
Die Samniten warteten auf eigenem Boden. Schon war die Hauptstadt
Corfinium im Norden gefallen; provisorischer Sitz des italischen Bundes
war nun die entlegene Festung Bovianum Undecimanorum (Popoli) in
Samnium selbst, womit sich das politische Gewicht deutlich verschoben
hatte. Sulla stand bereit, von Südosten einzufallen. Papius Mutilus, der
vielleicht beste Feldherr der Italiker, hatte sich ihm in den Weg gestellt,
mit guten Verteidigungschancen in einer ausgebauten Stellung. Sulla woll-
te die Schlacht, aber nicht zu diesen Bedingungen. So zog der Römer seine
Truppen nach Kampanien zurück, marschierte über Capua nach Nordwes-
ten und rückte dann von der Via Latina her über Venafrum gegen das
südwestliche Ende des Samnitengebietes - auf Aesernia, das er im letzten
Jahr verloren hatte. Den aus seiner Stellung manövrierten Papius über-
raschte er auf dem Marsch und zerstreute dessen Truppen; Papius entkam
verwundet mit wenigen Begleitern, die Römer rückten auf das starke
Bovianum vor.116
Überall wandten sich die Dinge zum Schlechten für die Italiker. Nicht
unwahrscheinlich ist, dass die Sechzigtagefrist der lex Plautia Papiria un-
bürokratisch gehandhabt wurde und über den Sommer hinweg immer wie-
der kleine und große Gruppen die Seite wechselten. Pompeius Strabo zog
vom Fuciner See zur Adria; über die von Sulla freigekämpfte Via Appia
rückte der Exprätor Cosconius auf den Absatz des italischen Stiefels zu
und schloss ein Samnitenheer unter Trebatius in Canusium (Canosa) ein.
Rasch zog sich das Kriegsgeschehen auf den samnitischen Teil des Apen-
nins und auf das ähnlich zerklüftete Lukanien zusammen.117
Es war der richtige Moment, vor der Hauptstadt des Feindes zu erschei-
nen, als das Feldzugsjahr sich dem Ende näherte. Sulla hatte keine Zeit zu
verschenken. Das eigentliche Bovianum lag im Schutz dreier Bergfestun-
gen. Gut sichtbar postierte er das Gros seiner Armee vor einer davon;
inzwischen marschierte ein Korps, dessen Anführer ein eifersüchtiger
Feldherr uns verheimlicht hat* in weitem Bogen auf die Gegenseite, mit
dem Auftrag, nach eigenem Ermessen eine der zwei anderen Zitadellen
im Handstreich zu nehmen. Ein Rauchzeichen verkündete den Erfolg.
Nun attackierte Sulla frontal die Stadtmauer, wo der Wegfall der einen
Festung sie angreifbar machte; nach drei Stunden schwerer Kämpfe saßen
die Samniten noch in den verbliebenen Zitadellen, aber für die Begriffe
der römischen Öffentlichkeit war das Rebellennest erobert.118
Konsul Pompeius begab sich nach Rom, um Wahlen abzuhalten und am
25. Dezember seinen Triumph über Asculum zu feiern, dessen Einwohner
er exekutiert oder versklavt hatte; nur die Kinder sollen splitternackt ent-
lassen worden sein. Gleich darauf schickte der Senat Strabo wegen seiner
expansiven Bürgerrechtspölitik einen Ankläger auf den Hals. Der Stern
des Kriegshelden sank ein wenig - zum Vorteil des Corneliers. In seiner
ersten Nacht nach der Heimikehr will Sulla aus Siegesfreude kein Auge
zugetan haben; Vorfreude wäre auch eine Erklärung. Er kandidierte zum
Konsulat - in erleichterter, ja euphorischer Stimmung. Der Krieg war auf
ein paar Städte und zwei relativ entlegene Regionen der Halbinsel zurück-
gedrängt. Ein Großteil der Rebellen hatte die Waffen niedergelegt, die
anderen hielt man bis auf weiteres im rechtlosen Status von Unterworfe-
nen (deditkü). Über 300000 Gefallene soll Italien betrauert haben. Hie
stand nun Sulla, der Sieger über den gefürchteten Papius, der Eroberer von
Bovianum, der Nachfahre des Samnitenbezwingers Rufinus. Neben ihm
bewarb sich Lucullus um die Quästur und fand angeblich noch die Zeit, in
einem Gesellschaftsspiel zum Verfassen eines griechischen Geschichts-
werks über den Krieg verurteilt zu werden.119
Es war nicht mehr als angemessen, Cornelius Sulla den Konsulat zu
überlassen; mehr noch, es war klug. Mit Bergbarbaren aller Art kannte
Sulla, ein schlauer Kopf, sich aus. Wenn er stattdessen die Verhältnisse in
Rom ordnen konnte, umso besser für alle. Italien, kriegszerstört, arm und
von Kriminellen heimgesucht, brauchte eine Ruhepause.120
Ganz würde der Krieg nicht aufhören, im Gegenteil. Mithridates' Rückzug
aus Bithynien hatte ein Nachspiel. Tonangebend in der Senatsdelegation,
die den Portier bedroht hatte, war Manius Aquillius gewesen, Konsul des
Jahres 101, der Sohn jenes Mannes, der die Provinz Asia aufgebaut hatte.
Zu gern hätte er mehr erreicht, nur fehlte ihm neben einer offiziellen
Kriegserklärung auch die Armee; der Krieg zu Hause hatte nur ein Mini-
mum an Truppen im Osten gelassen. Was tun, solange man in der Initiative
war?
König Nikomedes hatten seine Flucht und das teure Umwerben der Ret-
ter in Rom viel Geld gekostet; jetzt präsentierten die Gläubiger die Rech-
nung, möglicherweise auch Aquillius. Im Dienst der genialen Idee, der er-
wünschte Krieg lasse sich ,outsourcen*, drängte er Nikomedes - und
Ariobarzanes gleich mit ~ in eine Plünderungsaktion gegen Pontos. Die
Könige sperrten sich, zuletzt aber war der Druck auf Nikomedes über-
mächtig. Die römischen Geldverleiher sahen im erwarteten Landgewinn
die beste Sicherheit, Aquillius konnte einen leichten Sieg erhoffen; ob er
für weitere Kampagnen wirklich an seinen alten Patron aus dem Cimbern-
krieg dachte oder lieber selbst die Lorbeeren ernten würde, muss offen-
bleiben.121
Mithridates sandte eine Protestnote an Aquillius; Rom solle Nikomedes
bestrafen oder ihm selbst das erlauben:* Einzugestehen, dass man einen
eigenen Stellvertreterkrieg angezeÄlttettte,wäre blamabel gewesen, ein
offener Krieg kam zu früh. Aquillius, Mitwoxtete vage, Mithridates mar-
schierte daraufhin - wo sonst! ^ il Üappadokien ein und warnte, auch
Roms Provinzen seien nicht uma^tastbar. Per römische Legat wies die
pontischen Gesandten empört aus, und der Krieg war da. Nur gut, dass
bald die ersten Legionen für den ©stein frei werden würden. Schon die
Aussicht musste Mithridates zittern lassen.122
Es war geschafft, der Traum „mit den Stimmen fast aller Bürger" wahr
geworden. Sulla, ein Held für das Volk, hatte den Platz der Seinen unter
den nobiles zurückerobert, „da er ja> Dinge vollbracht hatte wie selten ein
anderer vor dem Konsulat". Auch ins Priesterkollegium der Auguren war
er anscheinend bereits eingerückt. Er konnte seine Familie wieder fest in
der großen Politik verankern und war allmählich so weit, eine eigene
Macht darzustellen. Das sahen auch andere. Sulla war jemand für die
mächtige gens der Metelli, erst recht da ihre nächste Generation - wie
Metellus Pius, Sohn des Numidicus - noch einige Jahre zum Konsulat brau-
chen würde. Es gab ein probates Mittel, sich mit ihm zu verbünden; nur
musste Sulla dafür seine Frau verstoßen.123
Die Liebesehe war in Roms Oberschicht ein seltener Glücksfall, der sich
fast immer aus einer arrangierten Heirat ergab. Die Mädchen und Frauen
der großen gentes waren zwar mehr als gefügige Gebärmaschinen, die sich
Vater und Gatten unterordneten; es gab willensstarke, gründlieh gebüdete
Abb. 4: Denar des Sulla-Enkels Pompeius Rufus, 54 v. Chr. Vs.: Sulla (SVLLA [CONS(VL]);
Rs.: Q. Pompeius Rufus (RVFUS COS/Q POM[Peii] RVFI)

Frauen mit weitem politischem Horizont unter ihnen. Sie hatten über ihre
Zukunft mitzureden, nach wie vor aber nur selten zu entscheiden.
Unter ihnen war Caecilia Metella, Tochter eines Triumphators, Censors
und pontifex maximus sowie Schwester mehrerer Konsuln. Sie hatte vor
kurzem ihren Mann begraben, Aemilius Scaurus - den Helden eines Wie-
deraufstiegs zu Ruhm und beispiellosem Luxus. Sulla war nicht der Mann,
sich die beste Partie Roms entgehen zu lassen. Er teüte seiner - vermutlich
- dritten Frau Cloelia die Scheidung wegen erwiesener Unfruchtbarkeit
mit, ein formloser Akt aus einem ganz üblichen Grund, dessen einzige
Komplikation im Normalfall die korrekte Rückerstattung der Mitgift war.
Was weiter aus Cloelia wurde, wissen wir nicht. Ihr bisheriger Mann entließ
sie unter Lobesworten für ihre hohe Moralität und beschenkte sie reich.
Übrigens hinderten seine Liebschaften ihn nicht daran, in allem Anstand
zu leben - Affären mit ledigen Personen, die nicht aus gutem Haus waren,
galten nicht als Ehebruch -, so, wie „er nie zuließ, dass die Lust ihn vom
Geschäft abhielt".124
Ein beträchtliches Stück vom Reichtum der Meteller wechselte nun in
Sullas Haus. Gleichzeitig waren sich die höchsten Kreise Roms einig, dass
Metella viel zu gut für ihn - im Gegensatz zu ihnen - war, und auf der
Straße wurden Spottlieder gesungen. Ein Parvenü wie Sulla hatte so viel
Glück einfach nicht verdient; wer konnte wissen, was er sich im Konsulat
erlauben würde, wenn es ihm zu Kopf stieg? Sein alter Vorgesetzter Caesar
Strabo, Konsul des Jahres 90, bewarb sich gesetzwidrig und drohte Sulla
ein unbequemer Kollege zu werden. Die Erleichterung des Corneliers, als
der Senat Strabos Ansprüche zurückwies, war enorm. Gewählt wurde
Quintus Pompeius Rufus, ein unauffälliger Optimat - spätestens beim An-
tritt des Konsulats war sein Sohn der Schwiegersohn Sullas geworden.125
Für die Begriffe aller versprach das Jahr 88 eine Zeit der Beruhigung und
der Konsolidierung zu werden. Metellus Pius beendete den Krieg in Apu-
lien; von seinem Legaten Cornelius Cinna sollte Rom noch hören. Nola
wurde noch belagert, in Gebieten wie Samnium gab es Kämpfe, aber die
Hauntgefahr war vorbei. Rom hatte neben furchtbaren Verlusten an Le-
ben und Eigentum eine riesige Zahl neuer Bürger zu verkraften, und die
Zeit musste zeigen, wie sich das bei Wahlen und Gesetzesinitiativen aus-
wirken würde.126
Dann kamen die Nachrichten aus Kleinasien. Mithridates war auf dem
Vormarsch - eine Viertelmillion Mann zu Fuß, 40000 Reiter und 130 zu-
mindest optisch furchtbare Streitwagen mit Sicheln schrieb man ihm später
zu. Es waren jedenfalls exzellent geführte Truppen, die aus allen Ländern
seines jungen Reiches kamen, aber gut miteinander harmonierten. Aquil-
lius konnte nur zusehen, wie die vorgeschickten vier Heere mit knapp
180000 Mann, doch nur wenigen Römern durch ganz Bithynien zurück-
geworfen wurden und die politische Armeesieh über die römische Pro-
vinzgrenze wälzte» Halb im Triumphzug rückte Mithridates nach Westen
vor, bejubelt von den meisten Einheimischen, denen er weniger barbarisch
vorkam als die Zwingherren aus Italien. Freiheit versprach der neue Ale-
xander und den Schutz aller Hellenen; ganze Landschaften fielen ihm in
den Schoß. Ehe das Jahr um war, beschränkte sich Roms Zugriff auf einige
isolierte Küstenfestungen und die vorgelagerten Inseln. Die Prokonsuln
flohen von Ort zu Ort, eine pontische Flotte von gut 400 Schiffen war in
Aktion getreten - und Schwarzseher fürchteten für die Sicherheit Grie-
chenlands.127
Die Schatten aus dem Ostenfielenumgehend auf die Innenpolitik. Noch in
diesem Jahr musste man vor den Winterstürmen eine Armee übersetzen;
es bot sich an, Sulla mit dem Kampf gegen seinen alten Gegner zu betrau-
en - das Los fiel wieder einmal nach Wunsch. Das Expeditionskorps sam-
melte sich vor dem immer noch nicht eroberten Nola. Aber in der Haupt-
stadt gingen ganz andere Sorgen um. Riesige Schäden waren entstanden,
riesige Staatsschulden für die Ausrüstung der Armeen zu begleichen. Wo-
her hätte das Geld kommen sollen? Aus Asia. Die Zinssätze schnellten
empor, die Kreditgeber suchten von ihren lokalen Schuldnern wieder-
zubekommen, was sie nur konnten. Die wiederum saßen auf verwüsteten
Landgütern und auftragslosen Werkstätten; sie verlangten Aufschub oder
zahlten gar nicht. Der Senat wertete den As auf die Hälfte ab, mit ihm alle
Schulden. Sullas Kriegskasse konnte nur dürftig gefüllt werden, indem
man den Verkauf der ältesten Opfergerätschaften und Weihgaben an-
kündigte.128
Streitende Geschäftspartner belagerten den praetor urbanus Sempro-
nius Asellio, klagten auf Zahlung, auf Stundung, einige sogar auf Be-
strafung aller, die jemals Zinsen verlangt hatten. Asellio ließ die Muster-
klagen zu; damit stand das Vermögen aller Gläubiger auf dem Spiel. Neue
Kredite waren kaum mehr zu bekommen. Als Asellio eines Morgens auf
dem Forum opferte, flog ein Stein aus der Menge; der Magistrat suchte
Schutz im Vestatempel, erreichte ihn nicht, wurde von seinen Verfolgern
in eine Kneipe abgedrängt und dort ermordet. Der Senat setzte eine Be-
lohnung für Hinweise auf die Täter aus; niemand meldete sich.129
In die Unruhen hinein drang eine neue Stimme. Sulpicius Rufus, Volks-
tribun des Jahres 88, kam aus dem Umkreis des unvergessenen Livius Dru-
sus, verstand sich mit den Konsuln anfangs durchaus gut und hatte sich
gegen Caesar Strabos Bewerbung gewehrt; doch mit Zurückhaltung, so
schloss er bald enttäuscht aus dem Widerstand der Magistrate, würde er
nicht weit kommen, wenn es um die noch ausstehenden Punkte des Pro-
gramms von 91 ging. Die meisten Italiker hatten jetzt zwar das Stimmrecht
- aber was war das für ein Recht!130
Sulpicius begann sich interessant zu machen. Er rekrutierte eine bewaff-
nete Schlägertruppe von 3000 Mann; er verriet seine ,Liebe' zum Senat
durch die Bildung eines Anti-Senats aus jungen Mitgliedern des Ritter-
standes. In einem Moment, da die finanziell aktiven Ritter sich zwischen
Mithridates und der Pro-Schuldner-Politik der Senatoren gefangen sahen,
war das ein Signal. Sulpicius verstärkte es durch eine wohlorchestrierte
Serie von Gesetzesanträgen.131
Der erste bedrohte jeden Senator, der Schulden von mehr als 2000 De-
naren hatte, mit dem Ausschluss aus der Senatsliste. Angesichts der hor-
rend gestiegenen Wahlkosten und der Kriegsfolgen machte das einen
Großteil des Senats erpressbar für Gläubiger aus Ritterfamilien. Gesetz
Nr. 2 wollte alle gemäß der lex Varia von 91 Verbannten zurückrufen. Auf
einen Streich hätte Sulpicius, der neulich noch das Gegenteil vertreten
hatte, damit zahlreiche Anhänger der Drusus-Partei zurückgewonnen.
Zahlreiche Plebejer, aber auch die italischen Neubürger würden sich eine
Freude daraus machen, mit Ja zu stimmen, den einstigen Richtern lag
nichts mehr an einem Nein.132
Die eigentliche Kampfansage aber war das dritte Gesetz. Nach dem En-
de des Krieges hatten die Neubürger Zeit gehabt, die Fußangel an ihrem
frisch errungenen Rechtsstatus zu finden. Die Gesetzgebung lief seit Jahr-
hunderten fast ausschließlich über das concilium plebis ab, die Versamm-
lung der Plebs - aller Bürger außer den wenigen Patriziern wie Sulla die
wie ihr Gegenstück, die »richtige4 Volksversammlung der comitia tributa,
nach Tribus abstimmte. Alle Freigelassenen fanden sich seit langem in
einem der vier städtischen Wahlbezirke wieder; da jede Tribus nur eine
Stimme besaß, lag die Mehrheit in den 31 ländlichen, die bei Abstimmun-
gen sparsam vertreten und durch die Klientel einzelner nobiles mit regio-
nalem Hintergrund gut kontrollierbar waren. Der Zustrom an Neubürgern
hätte dieses System aus der Balance gebracht, hätte man nicht die Italiker
in zehn neue Tribus abgeschoben. Selbst im idealen Zusammenspiel mit
den Plebejern aus der Hauptstadt fehlten ihnen neun ländliche Tribus für
eine Mehrheit - also änderte sich nichts. Die Altbürger konnten weiter
Geschenke für ihre Stimmen verlangen, die Senatsfamilien waren vor ita-
lischen Konkurrenten um die Ämter weithin sicher.133
Sulpicius' Antrag sah schlicht vor, alle Freigelassenen und Neubürger
auf sämtliche 35 Tribus zu verteilen. Ging das durch, hatte er nicht nur
die Mehrheitsverhältnisse umgeworfen, sondern drohte auch Roms mäch-
tigster Mann zu werden. Verwarf ihn der Senat, dann riskierte er den Auf-
stand einer sechsstelligen Personenzahl. Die besseren Kreise verbreiteten,
Sulpicius verkaufe das Bürgerrecht an einem Bankierstisch auf dem Fo-
rum; man beobachtete schreckliche Vorzeichen. Straßenkämpfe brachen
aus. Alle Augen waren auf die Konsuln gerichtet.134
Sulla und Pompeius Rufus bedienten sich des Repertoires optimatischer
Politik eher schonend. Einen eigenen Volkstribun vorzuschieben versuch-
ten sie nicht erst, wohl weil das Totschlagen von Tribunen ziemlich alltäg-
lich geworden war. Vielmehr betrieben sie Obstruktion und schufen Ab-
stimmungshindernisse. Zuletzt erklärten sie, es gebe leider ein Problem
mit dem Bundesfest der Latiner vom Frühjahr: Es müsse wiederholt wer-
den, was die Anwesenheit aller Beamten in den Albaner Bergen erzwinge.
In dieser Zeit konnte es keine gültigen Volksversammlungen geben - Rom
würde einen Rechtsstillstand erleben, ein iustitium.135
Ob die vierte Vorlage zu dieser Zeit schon auf dem Tisch lag, ist umstrit-
ten. Sulpicius hatte ein Problem - in Rom konnte er allein mit den Unter-
privilegierten nicht gegen den brachialen Widerstand der Senatsmehrheit
und der Altbürger vorankommen. Aber es gab einen Block aus - kampf-
kräftigen - Bürgern, der sich aus der Front herauslösen ließ: die Veteranen
des Marius. Es zeichnete sich ab, dass der Krieg gegen Mithridates riesige
Ausmaße annehmen würde und die Gefahr wuchs. Inzwischen standen
sechs Legionen vor Nola. In den Händen eines anderen, der an die Rolle
gewöhnt war, die Republik zu retten, würde diese Armee ein wunderbares
Werkzeug sein; auch große Teile der Ritter sympathisierten mit ihm. Gaius
Marius hatte große und bittere Träume; er träumte davon, wie er einst
einem Konsul einen Krieg abgenommen hatte. Auf einmal wurde in Rom
wieder über ihn geredet. Man sah den alten Feldherrn auf dem Marsfeld
trainieren. In Marius steckte noch Kraft, und er zeigte es. Wie weit Sulpi-
cius' Verhandlungen mit ihm gekommen waren, als die Dinge in Bewe-
gung gerieten, steht nicht fest.136
Die Konsuln hatten eine Aussprache vor dem Volk, eine contio, auf dem
Forum anberaumt, in der sie ihre Maßnahme erklären wollten. Sulpicius
beorderte seine Anhänger herbei; dann befahl er als Tribun, Sulla und
Pompeius sollten augenblicklich das iustitium aufheben. Sie verweigerten
es, die Dolche wurden gezückt, ein Gemetzel begann. Während Pompeius
entkam, wurde hinter ihm sein Sohn ermordet, der die Angreifer noch
provoziert hatte. Sulla selbst verbarg sich, sagen ihm gewogene Quellen
einsilbig; sie hatten Grund, den Ort nicht zu nennen - das nahe Haus des
Marius.137
Was dort vorging, ist ein Rätsel. Marius' Sympathisanten erklärten, er
habe Sulla aktiv beschützt. Man verhandelte wohl; vielleicht bot Sulla Ma-
rius - und Sulpicius? - einen Preis für seine Sicherheit an, gewiss unter
Druck. Dass bald darauf Pompeius, aber nur ihm, der Konsulat aberkannt
wurde, ist verdächtig. Sulla kehrte auf das Forum zurück, verkündete
knapp die Aufhebung des Geschäftsstillstandes und verschwand aus der
Stadt, die er sich selbst und den siegreichen Gegnern Überheß, was viel-
leicht Teil des Abkommens war. Eilig reiste er der wartenden Armee ent-
gegen.138
Hinter ihm spielte Sulpicius den letzten Trumpf aus. Es ist so gut wie
ausgeschlossen, dass er mit Sulla auch diesen Schritt besprochen hatte.
Denn nun stellte der Tribun den Antrag, Sulla das Kommando gegen
Mithridates zu entziehen, das er noch gar nicht übernommen hatte - der-
gleichen war nie zuvor geschehen -, und es Marius zu übertragen; Pom-
peius verlor sein Amt. Das Gesetz ging glatt durch, ebenso die Wahl-
reform.139
Erst bei den Truppen im Lager vor Nola erfuhr Sulla wohl davon. Er war
noch Konsul bis zum Ende des Jahres 88, danach schützte ihn kein öffent-
liches Amt mehr. Die neuen Konsuln in Rom würden nach neuem Wahl-
recht gekürt werden; gut möglich, dass Marius einer von ihnen war. Ver-
bündete, um die Verhältnisse noch einmal umzukehren, gab es nicht.
Asellio, den Prätor, hatte man wegen Geldes totgeschlagen. Wenn sich
Sulla im Vertrauen auf die Würde seines Amtes zurück in die Stadt begab,
war er Freiwild für alle, die von ihm Rache oder eine Verschlechterung
ihres Rechtsstatus zu befürchten hatten.
Sulla hatte noch ziemlich genau zehn Jahre zu leben, was er natürlich
nicht wusste. Er hätte abwarten, bis sein Amt auslief, und das Privatleben
wählen oder - bis bessere Zeiten kamen - eine Zuflucht in den Provinzen
suchen können. Das war riskant genug. Doch selbst wenn Sulla lebend
entkam, war er politisch so ruiniert wie Marius vor zwölf Jahren - oder
noch gründlicher. Was er gerade erst gegen alle Wahrscheinlichkeit er-
reicht hatte, sein Ansehen und das seiner Familie, stand auf dem Spiel
wenn er nicht irgendeinen Ausweg fand wie schon aus so vielen Fallen
Tatsächlichfielihm etwas ein: das Undenkbare.
II. Der Kriegsherr
Flucht nach vorne
In einer Zeit, die auf zahlreiche Staatsstreiche und Militärputsche zurück-
blickt, fällt es leicht, den fatalen Fehler in Sullas Entmachtung zu sehen.
Wir sollten Marius und Sulpicius deswegen nicht für naiv halten. Dass sie
den letzten amtierenden Konsul nicht gleich ermordeten, spricht für sie; es
verrät Traditionsverbundenheit und den Glauben an die von Senat und
Volk übertragene Autorität.1 Dem aus Rom geflohenen, erneut gedemü-
tigten Sulla dagegen blieb eine Möglichkeit, die er nur sehen konnte, weil
er in diesem entscheidenden Punkt kein guter Römer war.
Man schickte Sulla zwei - wohl frisch vom Volk ernannte - Militärtribu-
ne nach. Sie sollten das Kommando übernehmen, bis der neue Ober-
befehlshaber selbst eintraf. Wäre Marius gleich aufgebrochen, hätte das
viel verändert - aber es hätte wie Krieg ausgesehen und für Unruhe in
Rom gesorgt.2
So hatte Sulla genug Zeit, seinen Plan zu fassen - wenn „Plan" nicht zu
viel gesagt ist. Er musste auf jene Armee setzen, die ihm aus den Kriegs-
jahren seit 90 vertraut war; sie hatte er aus Gefahren gerettet und zum Sieg
geführt. Anscheinend war er auch in diesem Jahr länger bei ihr gewesen.
Die Soldaten kannten und respektierten ihn, viele mögen ihn verehrt ha-
ben. Es lag nahe, an siazu appellieren - als rechtmäßiger Konsul, als Im-
perator, als Verteidiger seiner Bhre, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.
Von Nola bis Rom sind es in Luftlinie gut 200 Kilometer, auf der Via
Latina noch einiges mehr. Ehe die Tribunen eintrafen, hatte Sulla die Stim-
mung im Lager sondiert und eine Heeresversarnmlung einberufen. Falls
spätere Ereignisse dieser Art irgendein Maßstab sind, trat er gut vorberei-
tet vor die Soldaten der sechs Legionen und hatte Mitspieler im Publikum,
wahrscheirüich viele Centurionen. Sulla erklärte, man habe ihm das Kom-
mando gerauot, Sulpicius und Marius hätten ihn in seiner dignitas, seiner
persönlichen - und lebenswichtigen - Ehre, verletzt. Seinen Zuhörern ka-
men verdächtig schnell Sorgen, ob Marius nicht auch sie entlassen und
neue Truppen - aus seinen Veteranen? - aufstellen werde. Der Krieg, in
den es ging, versprach Reichtümer und leichten Erfolg gegen dekadente
Barbaren. Sollten andere reich werden? Es liegt nahe, den Ursprung dieser
Gedanken in Sullas Feldherrnzelt zu sehen. 3
Prompt erhob sich der Schrei, sie müssten auf nach Rom. Sulla selbst
hätte ihn nie erheben können, einfach weil es ein Ding der Unmöglichkeit
war. Er konnte, wenn der Senat es gebot, cjie Ordnung in Rom mit Gewalt
{lerstellei^- das heißt, er konnte Söldner einsetzen wie gegen die Gracchen
oder die oberen Stände auffordern, sich zu bewaffnen. Aber zwischen der
Armee und der Bürgerwelt erhob sich eine durch Tradition wie Religion
heilige Grenze; die Legionen über sie hinwegzuführen war Verrat und Fre-
vel zugleich, riss die Trennlinie zwischen „zu Hause" (domi) und dem
Draußen „im Krieg" (militiae) ein. Nur in der Legende hatte dies jemand
probiert, der Abtrünnige Coriolan, jedoch mit einer Armee aus Fremden -
und er kehrte um. Die Maße Absicht stieß Sulla aus der römischen Ge-
meinschaft aus; „als Erster betrat er in Waffen die Stadt RonT.?
Zweifellos sah er die Ungeheuerlichkeit mit anderen Augen. Er war kein
Aufrührer, sondern der Je|itirne Konsul Das Volk - irregeleitet - lieferte
ihn der Wilkür seiner Feinde aus, der Senat - betäubt oder eingeschüch-
tert - hatte in der Eile nicht daran gedacht, ihm Vollmachten zu erteilen.
Hier vor Nola aber stand ein beachtlicher Teil des Volkes. Wenn es nicht
anders ging, konnten diese Bürger im Krieg ihm bestätigen, dass er das
Recht vertrat. Das hatten sie getan, und Sulla war geneigt, ihrem Drängen
zu folgen - um seine Vatexstaolt von ihren Tyrannen zu befreien, wie er
unterwegs wiederholt erklären sollte. Er war kein Coriolan, er war, wenn
überhaupt, ein zweiter Camillus, der nach der Gallierkatastrophe die Rö-
mer nicht nur befreit, sondern auch daran gehindert hatte, sich selbst zu
verraten und ihre niedergebrannte Stadt zu verlassen. Nun stand Rom mo-
ralisch in Rammen.5
Mitten hinein platzten die Militärtribunen. Ob sie dazu kamen, ihre Mis-
sion zu verkünden, ist nicht bekannt; sie brachen in einem Steinhagel zu-
sammen. Besser konnte es für Sulla nicht kommen - selbst wenn den Sol-
daten verspätet Zweifel kamen, soeben hatten sie vom Volk autorisierte
Abgesandte der Marianer ermordet. Nun blieb auch ihnen nur die Flucht
nach vorn. Die Armee machte sich marschfertig und begab sich auf ihren
Weg von sieben oder acht Tagen. Mit ihr bewegte sich ein soeben gebore-
ner Gedanke: dass die Legitimation, die Macht im Staat zu vergeben, sich
von der Versammlung des ganzen Volkes unter Senatskontrolle lösen und
auf Soldaten übertragen ließ. Eines Tages würde dies, mit der Ausrufung
zum Imperator vereint, die Methode ergeben, wie man Kaiser machte.
Den Rebellen voraus eilten die verschreckten Offiziere, die sich geweigert
hatten, Sulla zu dem, was er plante, die Hand zu reichen; nur ein Quästor
soll geblieben sein, in dem man Lucullus erkannt hat. Eine neue Elite aus
überwiegend jungen Männern begann sich um den verstörenden Impera-
tor zu formieren - sie sollte ihm zahlreiche Schlachten schlagen helfen.6
In Rom konnte man verständlicherweise nicht glauben, was auf die Stadt
zukam. Qegen Sullas Anhänger kam es zu Racheakten, im Senat erhob
sich keine Stimme für ihn. Allein der abgesetzte Pompeius Rufus begab
sich zu den Umstürzlern. Sulla selbst war nicht wohl bei dem, was er tat.
Beim Aufbruch erkundete er wie üblich den Willen der Götter durch ein
Opfer. Sein haruspex Postumius bestürmte ihn nach wenigen Blicken auf
die Eingeweide, in völliger Zuversicht fortzufahren. Weiteren Beistand
verhieß ein Traum: Sullas alte Alliierte Bellona aus Kappadokien lieh ihm
Jupiters Blitz, nannte einzeln seine Feinde und rief ihn auf, sie strafend zu
zerschmettern. Unerhört war, dass ein Magistrat sich überhaupt auf Träu-
me berief; unkontrollierbare Privatkanäle zu den Göttern zu beanspru-
chen, passte besser zu einem König als zu einem Konsul und sprengte den
Rahmen des Gewohnten so sehr wie jener Schritt, den der Traum auto-
risieren sollte.7
Einen anderen Konsul hatte man in Rom nicht; zwei Prätoren begaben
sich, deshalb der Armee, entgegen und geboten Sulla in scharfen Worten,
von seinem Vorhaben abzulassen. Wütende Soldaten stürzten sich auf sie,
ohne dass der Konsul einschritt, und rissen ihnen die Amtskleider herun-
ter; die Rutenbündel brachen sie in Stücke, und endlich Heß man die miss-
handelten Magistrate abziehen. Das Heer, das unter der Devise marschier-
te, Respekt vor der rechtmäßigen Ordnung herzustellen, hatte sie selbst
demonstrativ mit Füßen getreten. Spätere Chronisten vergaßen den Zwi-
schenfall gern.8
Je näher die Legionen der Hauptstadt kamen, desto hektischer wurden
die Versuche, sie aufzuhalten. Von mindestens drei Gesandtschaften ist die
Rede. Keine erreichte etwas; jede brachte die Erklärung heim, Sulla kom-
me als Befreier. Im Schatten der Albaner Berge, bei einem Ort ad Pictas
nahe Praeneste (Palestrina), traf eine vierte und letzte Delegation ein, nun
als Bittsteller. Der Senat habe beschlossen, Sulla sein Recht zuteil werden
zu lassen, er möge auf einen Angriff verzichten und Rom nicht zu nahe,
rücken, um ein Missverständnis zu vermeiden.9
Das ließ sich hören; ein Grund mehr für Sulla, nicht darauf einzugehen.
Er konnte es nicht riskieren, hingehalten zu werden, den Feinden Rüstun-
gen und Appelle ans Gewissen der Soldaten zu erlauben. So versprach er,
was die Boten hören wollten, ließ sie abreisen und folgte ihnen auf dem
Fuß. Bis Rom waren es noch 30 Kilometer, nur ein langer Tagesmarsch für
einen Legionär.10
Auf eine systematische Verteidigung war die Stadt nicht vorbereitet, re-
guläre Truppen fehlten, die Bürger waren unsicher und nicht einig; darin \
lag Sullas Chance. Eine Legion war vermutlich vor Nola geblieben; die
Vorhut der verbliebenen fünf setzte er sofort auf die Porta Esquilina an,
das Osttor am Ende der Straße, die ihn von Nola heraufgeführt hatte. Hier
war das Gelände am leichtesten zu überwinden. Pompeius schwenkte mit
einer weiteren nach rechts aus, gegen die Porta Collina im Norden, die auf
den Quirinal führte. Eine andere Legion umging die Stadtmauern im Sü-
den und marschierte auf den Pons Sublicius, die hölzerne Tiberbrücke, um
den Marianern den Rückzug abzuschneiden.11
Der Handstreich gelang, die nordöstlichen Mauerabschnitte wurden be-
setzt, und die Vorhut drängte in die Straßen. Von den Dächern hagelte es
Ziegel und Steinbrocken; die Soldaten, leichte Ziele ohne Chancen zur
Gegenwehr, zogen sich zu den Mauern zurück. Sulla war nun eingetroffen
und befahl, alle Häuser anzuzünden, von denen aus Widerstand geleistet
werde - ein Zornausbruch, wie Plutarch es später entschuldigte. Mit der
Brandfackel in der Hand ging der Konsul des römischen Volkes gegen die
zu befreiende Stadt vor; Feuerpfeile regneten auf die Dächer. Die Legio-
näre drangen einige hundert Meter vor.12
Am FoTum des Esquilin warteten Marius und Sulpicius, die nach dem
ersten Schreck ihre eigenen Truppen gesammelt hatten, nicht zuletzt die
3000 Straßenkämpfer, die nun in ihrem Element waren. Auf dem offenen
Platz wichen die Sullaner anfangs zurück. Ihr Imperator persönlich, heißt
es, griff sich ein Feldzeichen und wies den Weg; nun siegte der militärische
Instinkt der Aufständischen. Verstärkungen trafen ein, Sulla setzte gut
sichtbar eine Abteüung in Marsch, die den Gegner umgehen sollte. Marius
sah sich vom Hügel hinabgedrängt und suchte beim Tempel der Tellus,
nahe beim Forum, seine Männer zum Stehen zu bringen. Wie ein verzwei-
felter Demagoge ließ er angeblich ausrufen, alle Sklaven, die ihm helfen
wollten, sollten frei sein, und zeigte eine Freiheitsmütze wie ein Feldzei-
chen. Es kamen ganze drei Sklaven. Ehe die Zange sich um die Marianer
schließen konnte, flohen sie und eine Reihe ihrer Unterstützer aus den
oberen Ständen.13
Rom war in der Hand der römischen Armee. Wachen wurden postiert,
eine Reihe Plünderer auf der Via Sacra, der Heiligen Straße - die Sulla im
Triumph als Sieger über Mithridates hatte entlangziehen wollen - bestrafte
man augenblicklich. Eine unruhige Nacht lang machten Sulla und Pompe-
ius die Runde; ein irrtümliches Massaker konnten sie nicht brauchen - und
die ganze Stadt hätte abbrennen können, obwohl das Feuer auf dem Es-
quilin sie verschont hatte.14
Am nächsten Morgen sprach der Eroberer erst zum Senat, dann zum
Volk. Die um einige Mitglieder geschrumpften Väter distanzierten sich
gern von den Flüchtigen; Sulpicius hatte die Grenzen des Zulässigen als
Erster gesprengt, das erleichterte es ihnen, Maßnahmen von unerhörter
Härte zu treffen. Sie beschlossen, den Tribun, den abgedankten Retter
Roms und andere, insgesamt gut ein Dutzend, aus der Bürgergemeinschaft
auszustoßen und auswärtigen Feinden (hostes) gleichzustellen - so entfiel
die unerwünschte Eigenart der traditionellen Ächtung, dass die Flucht ins
Exil Sicherheit vor dem Tod verhieß. Die Volksversammlung - soweit die
Bürger sich ins Freie wagten - verlieh unter den Augen der Legionäre
dieser neuen Strafe Gesetzeskraft. Marius und sein Sohn, die ersten
„Staatsfeinde" der Republik, entkamen unter romanhaften Umständen
nach Afrika, wo sie auf die Hilfe der örtlichen Machthaber und nicht zu-
letzt der Veteranen des großen Feldherrn rechnen konnten. Sulpicius, von
einem Sklaven verraten, wurde in den Sümpfen bei Laurentum umge-
bracht - andere Tote gab es diesmal anscheinend nicht. Den Denunzianten
ließ man zur Belohnung frei, anschließend stürzte man ihn als Verräter an
seinem Herrn und Frevler an einem Tribun vom Tarpejischen Felsen. Alle
Maßnahmen der Konsuln wurden gebilligt, alle seit Sullas Kapitulation
und fluchtartigem Verschwinden getroffenen für nichtig erklärt; Sulla war
also immer der Anführer gegen Mithridates geblieben.15
Nebenbei war er faktisch Alleinherrscher. Wie er dem Volk erklärte,
hatte er keine Absicht, mehr mit der notgedrungen gewonnenen Macht
anzufangen. Sulla wollte den Spielregeln folgen, mochte er das Spielbrett
auch so erschüttert haben, dass alle Figuren umfielen. Er würde in den
Osten aufbrechen, sobald die Lage in Rom das zuließ. Das Quasi-Kriegs-
recht musste enden; tatsächlich schickte er die Truppen nach einer unbe-
kannten Zeitspanne zurück in die Stellung vor Nola, wo sie abermals auf
ihn warten sollten.16
Sofort aufbrechen konnte und wollte er nicht. Eine Reihe von Maßnah-
men wurde, vielleicht noch unter dem Druck der Waffen, dem Volk prä-
sentiert. Sie ähneln dem, was auf Rom sechs Jahre später zukam, so sehr,
dass leicht an eine Verwechslung zu denken ist - man kann kaum glauben,
dass Sulla auf die Schnelle große Teile der geltenden Staatsordnung um-
formte und dann hoffte, alle würden sich daran halten. Andererseits war
die Schockwirkung nach dem Staatsstreich auf seiner Seite - und die Pom-
peius und Sulla zugeschriebenen Gesetze (leges Corneliae Pompeiae) wa-
ren dermaßen angetan, die Senatsmacht zu stärken, dass die Optimaten sie
mit Zähnen und Klauen hätten verteidigen sollen.17
Gesetz wurde die ungeschriebene, seit der Gracchenzeit ignorierte Re-
gel, dass kein Antrag vor die Volksversammlung durfte, den der Senat
nicht dazu freigegeben hatte; die Chance der Volkstribunen, politische Ei-
geninitiative zu entfalten, war damit beendet. Auch ein weiteres Gesetz
traf die Tribüne, die seit der lex Hortensia von 287 die Möglichkeit gehabt
hatten, statt der Volksversammlung der comitia tributa die analog nach
Tribus gegliederte Versammlung der Plebs als Legislative zu verwenden.
Sullas Verfassungsrevision beendete zugleich die Angst, die Italiker - ob
nun auf die neuen Zusatztribus beschränkt oder nicht - könnten die Mehr-
heiten verändern. Denn die Gesetze sollte künftig jenes nach Vermögens-
klassen aufgebaute Gremium beschließen, das auch die Konsuln und Prä-
toren wählte, die fiktive Heeresversammlung des Volkes in den comitia
centuriata. Von den 193 Centurien mit je einer Stimme entfielen allein 18
auf den Ritterstand und weitere 70 auf die ihm folgende erste Vermögens-
klasse; stimmten diese Reichsten - eine vergleichsweise winzige Bevölke-
rungsschicht - relativ einheitlich ab und gewannen Teile der wohlhaben-
den zweiten Klasse hinzu, waren die Ärmeren schon überstimmt. Das war
die Timokratie älterer Spielart, für Sulla vermutlich eine Rückkehr zur
guten alten Zeit. Zusätzliche Bestimmungen, von denen wir im Detail
nichts wissen - wahrscheinlich zählte eine empfindliche Einschränkung
des Vetorechts dazu -, rundeten den Abstieg des Tribunats ab.18
Die Ritter mit ihrem neuerwachten politischen Ehrgeiz konnten sich
hierin wiederfinden. An die heikle Frage der Gerichtszusammensetzung
rührte Sulla anscheinend nicht - im Gegenteil, er schnitt sich wie in vielen
Punkten eine Scheibe von Livius Drusus ab und plante die Verdoppelung
des Senats. War das nicht die beste Garantie, dass auch die Ritter den
neuen, durchaus vorteilhaften Zustand verteidigen und das - aus Sullas
Sicht - unnatürliche Bündnis mit dem einfachen Volk aufgeben würden,
um zu suchen, was Cicero, damals ein Achtzehnjähriger, eine Generation
später als concordia ordinum, Einigkeit unter den maßgeblichen Ständen,
anpreisen sollte? Den Gläubigern missfiel Sullas Gesetz, das den Höchst-
zinssatz auf zwölf Prozent im Jahr fixierte, aber der verbleibende Gewinn
lag noch etwa im Bereich des Handelsüblichen; damit konnte man leben.19
Dass der Senat seine Eingriffe stützen würde, stand für Sulla offenbar
außer Zweifel. Bei nüchterner Überlegung war es selbstzerstörerisch, etwas
anderes zu tun. Die Optimaten unter den Vätern konnten sich am Ziel ihrer
Wünsche seit 133 sehen, als Gewinner einer Restauration, die sie unter nor-
malen Umständen nie hätten durchsetzen können, die nun aber sogar das
Volk bestätigt hatte. Auch dem moderaten Rest und selbst denjenigen Re-
formern, denen Sulpicius zu radikal agiert hatte, war auf den zweiten Blick
gedient: Tribunen und Senat konnten einander nun nicht mehr lahmlegen,
da die eine Seite waffenlos war; jetzt konnte also reformiert werden, was
reformiert gehörte, natürlich in behutsamen Schritten und von oben her.
Wie in alten Zeiten würde die Nobilität als Ganzes ihre Interessen verteidi-
gen, die mit denen Roms automatisch zusammenfielen. Eine Mehrheit der
Bürger dachte vermutlich anders, aber Mehrheiten zählten in diesem Den-
ken nicht; die römische Republik war keine Demokratie.
Der Fehler, der Sulla bei seiner Einschätzung unterlief, war so kapital,
dass man leicht vermuten kann, das gesamte Regelwerk von 88 sei nur eine
hastige Improvisation für die nähere Zukunft gewesen. An der Eile ist
nicht zu zweifeln, doch der Fehler sollte sich in Sullas zweitem Anlauf der
Jahre ab 82 wiederholen. Es handelt sich um eine Mixtur aus Selbstzufrie-
denheit und Idealismus gegenüber der Nobilität als Ganzem wie gegen-
über den Optimalen, Sullas Gesinnungsgenossen. Sulla hätte es besser wis-
sen können. Der Erfolg, den er erzielt hatte, galt der Senatsherrschaft - vor
allem aber war er Sullas persönlicher Erfolg. Ihn zu stützen, verteidigte
langfristig die Position aller, doch vom ersten Moment an jene Position,
die sich der Konsul erarbeitet hatte. Er hatte Marius und Sulpicius beim
bisher gefährlichsten Versuch aufgehalten, als Einzelne die gesamte res
publica zu kontrollieren; sie waren im Begriff gewesen, der innenpoliti-
schen Macht die militärische Macht hinzuzufügen. Sullas Handeln hatte
ihm selber beides tatsächlich verschafft; für die Zeit nach 88 verzichtete
er jetzt auf die Machtausübung nach innen, brachte sich aber in die Aus-
gangsposition für einen erfolgreichen Krieg großen Stils und ließ den ge-
samten Senat als Nutznießer einer von ihm persönlich vorgegebenen Ord-
nung zurück, innerhalb deren nun wie in alten Zeiten die aristokratische
Gleichheit herrschen sollte.
Sulla war blind dafür, dass er selbst diese Gleichheit durchbrach, solange
er sich in irgendeiner Stellung befand, auf eigene Faust das politische Sys-
tem zu verändern. Schlimmer noch, er hatte fundamentale Regeln verletzt.
Was er für unumgänglich hielt, weckte vom ersten Moment an Wider-
stand - der betagte, hochgeachtete Augur Mucius Scaevola widersetzte
sich gleich in der ersten Senatssitzung der Ächtung der zwölf Widersacher
Sullas, als Großvater einer Schwiegertochter des Marius, als stoischer Phi-
losoph mit strikten Moralvorstellungen und am meisten als erfahrener
Staatsmann. Jeder politische Instinkt musste die Optimaten dazu treiben,
Sullas Macht, wo es nur ging, zu schwächen, bis er wieder von ihrem Kon-
sens abhing. Was passieren konnte, wenn man Sullas Person angriff, hatte
man erlebt; man schwächte ihn aber wesentlich risikoloser, wenn man den
Neuerungen des Tabubrechers die Unterstützung vorenthielt, mochte das
für den Moment auch unangenehme Folgen haben. Die einfache Plebs
sollte weder revoltieren noch herrschen, doch ein in Maßen populärer
Konsul konnte jetzt und hier als Gegengewicht zu Sulla - der noch dazu
einen Religionsfrevel begangen und die Stadt verunreinigt hatte - nütz-
liche Dienste leisten. Niemand mochte den selbsternannten Retter. „Zeig
mir ruhig die Marschkolonnen, mit denen du die Kurie umstellt hast", rief
Scaevola, „droh mir immer wieder den Tod an, aber nie wirst du es schaf-
fen, dass ich alter Mann meinem bisschen Blut zuliebe Marius zum Feind
erkläre, von dem die Stadt und Italien gerettet wurden." Auf den Straßen
herrschte eine Meinung, die noch verheerender war und Sullas Entschul-
digungen nicht gelten ließ.20
Es sieht ganz so aus, als sei auf Senatsseite unterlassene Hilfeleistung prak-
tiziert worden. Der Konsul verbrachte ein unbequemes restliches Amts-
jahr. Dass die vergewaltigte Stadt in dieser Zeit entsühnt wurde, ist aus
sakralrechtlichen Gründen zwingend anzunehmen, aber nicht überliefert
worden. Die Legionen, die Rom entweiht hatten, standen immer noch in
Kampanien, Mithridates der Große, König der Könige, für seine Feinde
„der Kappadokier", war der Herr Kleinasiens. Und Roms Demütigung
hatte den Gipfel noch nicht erreicht. Im Herbst 88 landeten pontische
Kontingente auf den Inseln der Ägäis; nur Rhodos mit seiner starken Flot-
te hielt stand. In Ephesos, bislang Hauptstadt der römischen Provinz Asia,
erließ Mithridates während der ersten Jahreshälfte 88 den Befehl, an
einem Stichtag jeden einzelnen Römer und Italiker innerhalb seines
Machtbereichs zu töten, vom Kind bis zum Greis, und die Leichen verfau-
len zu lassen. Selbst die Heiligkeit der Tempel rettete nur wenigen das
Leben, als die griechischen Städter an die Arbeit gingen. Ihr Hass auf die
Ausbeuter aus dem Westen und ihr Bedürfnis, mit ihrer Vergangenheit als
Kollaborateure* zu brechen, brauchte wenig Nachhilfe.21
Lange ist es unter Althistorikern Mode gewesen, keine Mühe beim
Brandmarken dieses „Pogroms" zu sparen, „wie es nur im Hirne eines
asiatischen Barbaren erdacht werden konnte", ehe die europäischen
Massenmorde sie Lügen straften und die Welt der Gegenwart an ganz
andere Zahlen gewöhnten; mancher Parteigenosse a.D. ließ das noch
lange Jahre nachdrucken. Gleichwohl war der Blutbefehl von Ephesos,
dem angeblich 80000 Menschen zum Opfer fielen, mit seiner gezielten,
zweckmäßig eingesetzten Pogromstimmung etwas Neues; nicht einmal
Sklaven schonte man, also kam es auf den finanziellen Gewinn nicht so
an. Den nach Mytilene auf Lesbos geflohenen Aquillius hatte Mithrida-
tes, der nicht ganz grundlos gegen ihn aufgebracht war, nach seiner Aus-
lieferung bereits zu Tode foltern lassen - als bildliche Strafe seiner Gier
soll ihm flüssiges Gold in den Rachen gegossen worden sein. Jetzt aber
standen, von Rom aus gesehen, fast alle Provinzbewohner mit blutigen
Händen da.22
Auf Delos, dem großen Handelszentrum und Sklavenmarkt, wehrten
sich die Einwohner und zahlreiche römisch-italische Flüchtlinge; abermals
20000 sollen ums Leben gekommen sein. Die reiche Beute ging zum Teil
an eine unerwartete Adresse - nach Athen, wo die arme Bevölkerungs-
mehrheit einen antirömischen Demagogen namens Aristion an die Macht
gebracht hatte. Pontische Truppen unter dem kampferprobten Archelaos
stiegen im Piräus von den Schiffen, und damit gehörte der Kriegshafen, der
im westlichen Mittelmeer nicht seinesgleichen hatte, dem Todfeind Roms.
Während Sulla sich in Rom freie Hand für den Osten zu verschaffen such-
te, sah es beinahe so aus, als könnte Mithridates schneller über die Adria
kommen als er. Die Thraker bedrängten den Statthalter von Makedonien,
Städte und Landschaften der Provinz Achaia, wo keine römischen Garni-
sonen standen, erhoben sich. Am Verlust ganz Griechenlands fehlte nicht
viel.23
Sulla musste um jeden Preis in die Gegenoffensive, ehe seine Soldaten
die Geduld verloren. In Italien wurde noch gekämpft, aber dafür standen
Truppen bereit. Eine Legion würde Nola belagern; dann war da die Armee
des Pompeius Strabo, der mit den letzten Rebellen im Picenum rang. Wie
der Mann sich zu Sulla verhalten würde, wusste er nicht; es wäre unklug
gewesen, ihn in seinem Rücken zu lassen. Pompeius Rufus konnte diese
Armee übernehmen - das würde auch die Umtriebe in Rom beenden, wo
auf einmal Fürsprecher der Geflohenen auftraten, die Sulla nie erwartet
hätte, „besonders Reiche und viele begüterte Frauen". Selbst ein Mord-
komplott gegen die Konsuln soll es gegeben haben. Rufus und Rom wür-
den im Schutz der Soldaten sicherer sein.24
Quintus Pompeius Rufus überlebte seine Ankunft nicht lange. Am Tag
nach der formellen Übergabe stand Pompeius Strabo ganz zufällig dabei,
als die Soldaten sich um den Konsul drängten und ihn totschlugen. Wie
man solche Untaten »bestrafte', hatte Sulla vor Pompeji demonstriert: Stra-
bo verurteilte den Mord schärfstens, stellte fest, sämtliche direkt Beteilig-
ten seien auf der Flucht, und behielt unter tiefstem Bedauern bis auf wei-
teres das Kommando.25
Sulla tat, als die Nachricht ihn erreichte, angeblich keinen Schritt mehr
ohne Leibwache. Die Chance, die Militärgewalt in Italien zu monopolisie-
ren, war dahin. Im Senat fand er sich sonderbar alleingelassen; schon
wandte sich die Plebs mit der Forderung nach dem Rückruf der Verbann-
ten an Sullas Frau Metella. Die Kandidaten des Konsuls bei den Beamten-
wahlen fielen durch, darunter sein Neffe Nonius Sufenas; gewählt wurde
neben dem als sympathisch, aber energielos beschriebenen Optimaten
Octavius ein Patrizier aus Sullas eigener gens, Lucius Cornelius Cinna,
der nichts anderes versprach als eine diametral entgegengesetzte Politik,
darunter die Gleichstellung der Neubürger. Die Politik eines Mannes, der
seinen Feinden Zwang und Rechtsbrüche vorgeworfen hatte, war der An-
klage, selbst nichts anderes zu sein, wehrlos ausgesetzt.26
Der vormalige Militärmachthaber und angehende Prokonsul nahm es
hin. In die Wahl Cinnas griff er nicht ein, obwohl er dessen Kandidatur
hätte zurückweisen können; mit dem üblichen Selbstbewusstsein erklär
er, das Volk übe eine Freiheit aus, die er ihm verschafft habe. Wohl aber
nahm er Cinna den Eid ab, die Gesetze des Jahres 88 unangetastet zu las-
sen. Cinna rief an heiligster Stelle, auf dem Kapitol, die schrecklichsten
Strafen auf sich hinab, wenn er gegenüber Sulla keine guten Absichten
verfolgen sollte. Dieser gab sich damit zufrieden.27
Den Jahreswechsel verbrachte er vermutlich noch in Rom; Anfang 87
soll ein von China vorgeschickter Volkstribun Anklage gegen ihn erhoben
haben. Als Konsul war Sulla immun, als Prokonsul erst dann, wenn er die
heilige Stadtgrenze überschritt und den roten Feldherrnumhang anlegte.
Weiter als bis zur Aufforderung, vor Gericht zu erscheinen, kam die Sache
nicht; Cinna wollte Sulla bloßstellen, nicht zum Äußersten treiben. Roms
Prokonsul missachtete ungehindert den Ruf und kehrte dem Hass Roms
den Rücken zu.28
In Italien war wenig zu tun, ehe die Jahreszeit eine Überfahrt erlaubte.
Sulla wählte unter den sechs Legionen jene aus, die ohne Hoffnung auf
Beute vor Nola bleiben sollte, und setzte die übrigen Truppen entlang der
Via Appia in Bewegung, zu den Kais von Brundisium. Später wurde
erzählt, um die Zeit seines Aufbruchs sei bei einer Huldigungsfeier für
Mithridates in Pergamon eine ominöse Panne unterlaufen: Eine Theater-
maschine, die Siegesgöttin darstellend, setzte ihren Goldkranz nicht dem
König auf, sondern schleuderte ihn Ins Publikum, wo er in Stücke ging. In
Italien hatte man im Vorjahr den Klang einer unsichtbaren Trompete ge-
hört - das, so erklärten weise Etrusker, bedeute das Ende einer Genera-
tion. Acht seien schon vorüber, und nun beginne eine, die den Göttern
wenig am Herzen hege.29

Siege ohne Ende


Griechenland, seit Jahrhunderten Roms kultureller Bezugspunkt, zählte
im Augenblick der Ankunft Sullas nur aus strategischer Sicht. Ein Gegner,
der sich hier festsetzte, konnte Rom vom Verkehr mit dem östlichen Mit-
telmeerraum abschneiden und jeden Punkt der italischen Adriaküste be-
drohen; auch Nordafrika war gefährdet. Von einem energischen Feind wie
Mithridates VI. war jede dieser Aktionen zu befürchten. Solange er die
griechische Halbinsel hielt, war die Wiedergewinnung der Provinz Asia
undenkbar; das aber hieß, dass das Ausbluten der römischen Staatskasse
sich fortsetzen würde, verschlimmert durch die Unterbrechung des Han-
dels. Nur die schwache Provinzgarnison in Makedonien störte den König
noch bei der Festigung seines Zugriffs.
Der Kriegsschauplatz, den Sulla betrat, begünstigte lange Kampagnen.
Das griechische Festland mit seinen vielen Berg- und Hügelketten zerfiel
in Dutzende kleiner Territorien. Es vollständig zu kontrollieren erforderte
Verhandlungen mit den Bundesstaaten, Städten und Städtchen, dann das
Herausmanövrieren der Gegner aus so vielen Positionen, dass am Ende
der Weg zu einem der wenigen entscheidenden Punkte frei war - nach
Athen oder Korinth, in die für Feldschlachten wie geschaffene böotische
Ebene oder ins noch weitläufigere Thessalien. Das ging nicht ohne Flotte;
Athen ließ sich über den Piräus beherrschen und versorgen, Korinth war
ahnlich aufs Meer orientiert, Böotien wurde durch die Festung Chalkis auf
der vorgelagerten Insel Euböa dominiert. Wer über die Seeherrschaft ver-
fügte, konnte vor den Augen seines hilflosen Widersachers zwischen meh-
reren Positionen einer Zwickmühle entlang der Küste hin und her wech-
seln.
Der probate Ausweg lag auf der Hand. Ein Feind mit einer großen Ar-
mee konnte sich auf einen festen Punkt konzentrieren und gleichzeitig die
Küsten sichern. Der Schönheitsfehler lag darin, dass Griechenland durch
jahrhundertelange Konflikte für große Armeen zu verarmt war. Sulla hat-
te, so betrachtet, nichts von dem, was er brauchte. Eine römische Flotte
gab es nicht, dafür eine große pontische. Die Armee des Prokonsuls erwar-
tete schnelle Siege. Ihre Beweglichkeit entsprach dem neuen marianischen
Standard, das heißt, sie konnte sich einige Tage hochmobiler Kampftätig-
keit leisten, bis sie wieder an ihren Nachschub »andockte', brauchte aber
immer noch Maultiere und Ochsenkarren. Ihre Ausrüstung wurde von
Spezialwerkstätten geliefert und war aus lokalen Quellen nur teilweise zu
ergänzen. Den Weg nach Italien aber, wo die Stimmung sich gegen Sulla
kehrte, bedrohte der Feind, und die Kriegskasse war fast leer. Die finan-
zielle Bedrängnis wiederum stand dem Ziel entgegen, die Führungsschicht
der noch loyalen oder schwankenden Griechen wieder fester an Rom zu
binden.30 Wenn die verbleibenden Partner jetzt neue Lasten zu tragen be-
kamen, was dann?
Als Sullas fünf Legionen in Epirus an Land gesetzt wurden, sah es be-
drohlich aus. Der Legat Bruttius - oder Braetius - Sura kämpfte verbissen
um einen Teil Böotiens, war aber durch die Pontier und ihre Verbündeten
gleich von drei Seiten bedroht. Ein Korridor in diesen letzten Vorposten
römischer Macht ergab sich dadurch, dass die Aitoler im Nordwesten des
Golfe von Korinth weiter zu Rom hielten, im Gegensatz zum Achaiischen
Bund auf der Peloponnes. Andere Regionen waren unentschlossen. Wenn
Sulla durch Epirus und Ätolien vorstieß, konnte er an Delphi vorbei in
Böotien eindringen. Der Schachzug wäre eindrucksvoll, nur würde er lei-
der das Risiko der völligen Vernichtung mit sich bringen. Von Norden her
war Mithridates' Hauptmacht zu erwarten, die den Landweg rund um die
Ägäis nahm. Archelaos konnte zusätzlich Verstärkung über See anfordern
und im Rücken der römischen Armee landen.31
Die Chance, Hilfe aus Italien zu bekommen, verkehrte sich zur selben Zeit
in eine neue Bedrohung. Cinna war aktiv geworden und erneuerte den
Sulpicius-Antrag vom Vorjahr, alle Neubürger auf alle Tribus zu verteilen.
Der zweite Konsul Octavius widersetzte sich augenblicklich; die italischen
Cinnaner besetzten das Forum, um den Antrag gewaltsam durchzusetzen.
Ein Überraschungsangriff des konservativen Mobs, von Octavius geführt,
schlug sie in die Flucht, von 10000 Opfern dieses Tages ist die Rede. Cinna
verließ Rom mit einigen Begleitern, darunter sechs der zehn Volkstribune.
Octavius Heß ihm in einem völlig illegalen Schritt die Konsulwürde vom
Senat aberkennen und Cinna ächten. Nachgewählt wurde derflamenDia-
Iis Cornelius Merula, ein integrer Außenseiter. Cinna begab sich auf einen
Weg, den Sulla vorgezeichnet hatte - nach Nola. Die Legion der Belagerer
war unzufrieden, als einzige vom großen Krieg ausgeschlossen zu sein.
Cinnas Hilfegesuch fiel auf fruchtbaren Boden, die Legion marschierte;
Sullas Methoden funktionierten nicht nur in Sullas Interesse.32
Diesmal wollte man in Rom besser gewappnet sein. Die Armee des
Pompeius Strabo wurde herbeigerufen und kam verdächtig langsam -
Pompeius hatte nicht vergessen, wie die Nobilität mit ihm umgesprungen
war. Nachrichten über die Hilfe zahlreicher italischer Gemeinden für Cin-
na trafen ein, während bedrohlich viele Unzufriedene die Stadt verließen;
dann kam die Meldung, in Etrurien sei Marius gelandet und sammle die
Sklaven der Verbannten. Nach kurzer Verständigung rückten der Konsul
und der Geächtete von zwei Seiten auf die Hauptstadt vor. Entsetzt forder-
te man die Hilfe von Metellus Pius an, der in Samnium kämpfte; selbst mit
ihm würde man den Rebellen weit unterlegen sein. Bei Pius' Versuch,
einen hastigen Frieden mit den Samniten zu schließen, überbot Cinna alle
Offerten, um sich diese kampfstarken Verbündeten zu sichern. Beinahe
nahm Marius Rom vom Westufer her durch Verrat, aber noch einmal
drängte man ihn aus der Stadt.33
Jetzt zeigte der gealterte Feldherr, was in ihm steckte, und nahm eine
Nachbarstadt nach der anderen ein - die letzten Nahrungsquellen für die
Hunderttausende hinter den Mauern, die er schon von der Küste ab-
geschnitten hatte. In Rom regierte der Hunger, mit ihm kamen die Krank-
heiten. Von einem Blitzschlag wurde erzählt, als nach Tausenden seiner
Soldaten auch Pompeius Strabo starb, dem viele Sabotage nachsagten;
wütende Plebejer schändeten beim Begräbnis die Leiche. Octavius wagte
gegen die immer stärkeren Gegner keine Schlacht. Die Armee dieses
Bürgerkrieges war unberechenbar geworden - sie folgte nicht jedem, stell-
te eigene Forderungen und konnte sich weigern, gegen Kameraden zu
kämpfen.34
Mit der Armee, die man gebraucht hätte, stand Sulla jenseits des Meeres.
Ohne den italischen Nachschub drohte ihm die Vernichtung. Das Geld
ging aus. Einen Abnutzungskrieg aus der Defensive konnte er weder sich
noch den Soldaten zumuten; er brauchte schnelle Siege, die dem Gegner
wieder Respekt vor Legionen einflößten. Sobald er in der Hand hatte, was
Aitoler und Thessaler ihm an Truppen schicken konnten, zog er nach Os-
ten, die Augen auf ein politisches und kulturelles Symbol gerichtet: Wer
Athen hielt, erschien als Herr über Hellas.35
In Böotien stieß er auf Bruttius Sura, den Legaten des makedonischen
Statthalters Sentius, der den weit überlegenen Archelaos auf dem berühm-
ten Schlachtfeld von Chaironeia besiegt hatte. Statt die Leistung zu würdi-
gen, befahl Sulla ihm durch Lucullus barsch, zu verschwinden. Eifersucht
paarte sich hier mit Sicherheitsdenken - über Bruttius' politische Ausrich-
tung ist wenig bekannt. Was, wenn er zu Cinna hielt? Besser sollte er in
Makedonien beim Aufhalten der Thraker und des pontischen Haupthee-
res helfen. Sulla stellte beim Vormarsch mit Freude fest, wie leicht fast alle
Städte, das große Theben voran, dank Bruttius' Vorarbeit zur Rückkehr an
Roms Seite gewillt waren.36
Über das Gebirge ging der Marsch - unbeirrt auf Athen zu. Die Idee,
sich ohne Flotte auf einer Halbinsel in die Belagerung einer Stadt und
eines schwer befestigten Hafens zu verbeißen, während hinter den Rö-
mern irgendwann eine riesige Armee auftauchen würde, war mindestens
eigenwillig. Athen konnte man nicht in Tagen oder Wochen nehmen; den
Piräus verteidigte Archelaos. Damit hatte Sulla zwei Festungen zu bela-
gern, die einander unterstützen konnten, auch wenn die berühmten „Lan-
gen Mauern" des Perikles in Trümmern lagen. Vom Hafen ging die Haupt-
gefahr aus; Sullas eigene Flotte bestand bis auf weiteres allein aus Lucullus,
der von Roms Verbündeten im Osten Schiffe zusammenbetteln sollte; aus
dem bedrängten Rhodos waren keine zu bekommen. So wurde Athen mit
schwachen Kräften eingeschlossen und der Piräus von Sullas Hauptmacht
attackiert. Ein Sturmangriff schlug fehl; nur die Belagerung büeb. Der
Gegner war zahlreicher als die Angreifer, also kam es ständig zu Ausfällen.
Aus Theben holte Sulla Katapulte, die Steine der Langen Mauern und das
Holz der heiligen Haine verbaute man in eine Belagerungsrampe.37
Der Krieg ernährte sich aus einem Land, das im Sterben zu liegen
schien. Sullas Plünderkommandos arbeiteten systematisch die großen Hei-
ligtümer ab. Tempelraub unter der Maske einer Anleihe bei den Göttern
war in Griechenland nichts Neues, aber man hatte sich meist nur in Maßen
bedient. Jetzt wurden aus Epidauros und Olympia die kostbarsten Ge-
schenke abtransportiert - und dann schickte Sulla seinen griechischen Ver-
trauten Kaphis nach Delphi, der unglücklich den Auftrag übermittelte, er
solle alle Wertgegenstände nach Gewicht registrieren. An aktiven Wider-
stand dachte niemand, doch meldete Kaphis nach Attika, eine Kithara sei
im Heiligtum zu hören gewesen. Sulla stand auf bestem Fuß mit den Göt-
tern; heiter schrieb er zurück, das müsse Apollons Beifall zu seinen Ab-
sichten sein. Delphi wurde ausgeräumt.38
Der wichtigste Austausch mit dem Gott war zu dieser Zeit vielleicht
schon vollzogen. Wie es heißt, hatte sich Sulla in Delphi nach seinen Zu-
kunftsaussichten erkundigt - als Privatmann, nicht wie alle Römer vor ihm
in staatlichem Auftrag. Die Antwort enthielt verwertbares Material -
einen Hinweis auf die trojanische Abstammung der Römer und den Rat,
in einem kleinasiatischen Heiligtum der Aphrodite ein Beil zu stiften, dann
werde Sulla „große Macht erwerben", Der Prokonsul erklärte gar, er habe
die Göttin für seine Sache kämpfen gesehen; nicht zufällig begann er sich
während seines Feldzuges Epaphroditos nennen zu lassen, „der, mit dem
Aphrodite ist" oder „der Faszinierende".39
Der Winter stand vor der Tür; Lüculus brach in der schlimmsten Jahres-
zeit mit sechs kleinen Schiffen nach Kreta auf. Sulla ließ ein Hauptlager in
Eleusis errichten. Aus Italien trafen nur noch Schreckensmeldungen ein,
während es hier kaum vorwärtsging, China, der sich nun angeblich auf 300
Kohorten italischer Helfer stützen konnte, stürzte Unterhändler aus dem
hungernden Rom in die Verlegenheit, ob er für sie der Konsul sei oder
nicht. Der verzweifelte Senat beschloss sich zu erniedrigen. Merula wurde
der Konsulat wieder abgenommen, worüber sich Octavius und Metellus -
dessen Soldaten sich mit den Cinnanera zu verbrüdern drohten - restlos
zerstritten; neue Boten stellten nur noch eine Bedingung: den Schwur,
Konsul Cinna möge in der Stadt kein Massaker anrichten. Cinna war aber
nicht einmal zu einem neuen Meineid bereit, sondern beließ es bei der
Lüge, er wolle niemanden vorsätzlich zu Tode bringen. Das Gesicht d
Marius, der ungepflegt mit wirren Haaren dastand wie ein Angeklagter,
der auf Freispruch wartete, verhieß das Gegenteil. Der Senat fügte sich.
Unterwürfig und angstvoll lud man die Sieger in die Stadt ein - da plötzlich
»erinnerte* sich Marius höhnisch, dorthin dürfe er als Staatsfeind ja nicht...
Eine Volksversammlung hob hastig die sullanischen Beschlüsse auf. Dann
endlich war es so weit.40
Gleich begann eine Serie von Morden, aus denen die spätere Überliefe-
rung ein riesiges Gemetzel machte; sogar die Erfindung der Proskriptionen
wollte man Marius und Cinna später in die Schuhe schieben. Wer unter
den führenden Senatoren mit Sulla in Verbindung stand, sollte sterben;
das rettete eine Reihe gemäßigter nobiles nicht, die aus Stolz oder reinem
Gewissen geblieben waren. Sullas Frau Caecilia Metella konnte fliehen
und fand mit den Kindern des Prokonsuls den Weg zu ihm. Eine makabre
Szene vollzog sich jenseits des Tiber, auf dem Janiculum. Dort setzte sich
der Konsul Octavius auf seinen Amtssessel, ignorierte jede Aufforderung
zur Flucht und erwartete das Mordkommando seines Kollegen. So hatten
es 387 die Patrizier gemacht, als die Gallier das wehrlose Rom überflute-
ten. Octavius' Kopf ließ Cinna an die Rostra hängen. Bald füllte sich die
Rednertribüne mit den sterblichen Überresten mehrerer anderer Sena-
toren; die noch junge Praxis des römischen Bürgerkrieges war um eine
Tradition reicher. Hier sollte einst Antonius der Triumvir das Haupt Cice-
ros aufhängen; hier hing jetzt das Haupt des großen Redners, der Anto-
nius' Großvater war. Die Rümpfe warf man auf die Müllhalden des Esqui-
lin. Marius und Cinna hatten Sulla an Härte übertroffen; Sulla und den
Seinen blieb die nächste Steigerung vorbehalten.41
Später begannen einige Scheinprozesse nach Optimatenart. Der ferne
Sulla wurde ebenso zum Staatsfeind erklärt, wie er es mit Marius getan
hatte. Der angeklagte Merula schnitt sich vor dem Altar des kapitoli-
nischen Jupiter die Pulsadern auf, ehe man ihn vor Gericht zerren konnte.
Sein stummer Racheschrei an den Gott, dem er gedient hatte, sollte reich-
lich Gehör finden. Zum Nachfolger bestimmt wurde der junge Gaius Iulius
Caesar, Chinas angehender Schwiegersohn; zwei seiner engsten Verwand-
ten kamen gleichzeitig um. Marius nahm seinen alten Ex-Kollegen Catulus
als Opfer, erwiderte auf ein Gnadengesuch angeblich nur „Er soll ster-
ben!" - und Catulus erstickte sich. Die römische Welt füllte sich mit hoch-
stehenden Flüchtlingen, die Ähnliches für sich befürchteten.42
Das Jahr 86 begann schlecht für Rom. Zwei der gewählten Prätoren
flohen umgehend nach Griechenland. Die Konsuln hießen Cinna und Ma-
rius; so erfüllte sich die Prophezeiung, der greise Feldherr werde siebenmal
das höchste Amt übernehmen. Am 13. Januar starb er im Fieber, angeblich
bis zuletzt voller Mordgedanken, je nach Erzähler auch voller Angst vor
der gerechten Rache Sullas, die ihn in den Alkohol flüchten ließ, oder in
Phantasien, er führe den Krieg gegen Mithridates. Cinna bestimmte Vale-
rius Flaccus zum Nachfolger, einen Patrizier; gewählt wurde vorläufig
nicht mehr.43
Das war der Anfang der Alleinherrschaft, dominatio, des anderen Cor-
nelius. Sie ist zur Schreckensherrschaft stilisiert worden; wer zu Sulla hielt,
sah Cinna sowieso als Todfeind an, die konservative Mehrheit betrachtete
ihn im Rückblick als Statthalter des Pöbels und der Anarchie, während er
den Radikalen nicht radikal genug war. Doch ein großer Teil des Senats,
voran die wenigen überlebenden Konsulare, arrangierte sich. Die ita-
lischen Neubürger hatten Aussichten, wie versprochen auf die Tribus ver-
teilt zu werden, aber Cinna ließ sich Zeit, um die Altbürger nicht zu ver-
prellen; die Samniten wurden wohl faktisch sich selbst überlassen. Noch
einmal wertete Cinna die Währung ab, wie das die Optimaten 88 auch
getan hatten; wichtiger als die Gläubigerinteressen war es ihm, den Umlauf
von Not- und Biligmünzen zu beenden, um Vertrauen zu schaffen. In ähn-
licher Absicht ließ er entlaufene Sklaven massakrieren, die „Bardyäer",
die unter Marius gedient hatten und als Terrortruppe galten.44
Allein mit Sulla konnte es keinen Kompromiss geben. Cinna brauchte
die Steuereinnahmen aus Asia für die taumelnde Wirtschaft Roms, also
brauchte er Sullas Armee, wozu der Weg nur über Sullas Leiche führte.
Damit herrschte weiterhin Bürgerkrieg, nur fehlte momentan die Möglich-
keit, ihn auszutragen. Cinnas Kollege Flaccus sollte bei nächster Gelegen-
heit mit ganzen zwei Legionen Präsenz auf dem griechischen Kriegsschau-
platz zeigen. Vielleicht liefen Sullas Truppen ja über; sonst waren Feinde
genug für alle Römer da. Viele Senatoren dachten ähnlich und blieben in
Rom; andere - voran Metellus Pius - wählten den Rückzug in eine Pro-
vinz, wohl weil ihnen beide Extrempositionen nicht gefielen und ihnen die
Kräfte fehlten, allein aktiv zu werden. Kein einziger Konsular fand den
Weg ins Lager des problematischen Prokonsuls, der später prahlte, die
meisten nobiles, ja „der ganze Senat" hätten sich ihm anvertraut.45
Die Lage des Geächteten und seiner Handvoll Führungsoffiziere war nun
noch verfahrener. Wieder und wieder schickte er seine Truppen gegen den
Piräus vor, anscheinend ohne zu merken, wie Athen nebenan immer
schwächer wurde. In Makedonien war inzwischen die lange befürchtete
Armee aus Pontos aufgetaucht; der römische Widerstand brach dort zu-
sammen. 'Sulla dachte nicht an Abzug. In Minengängen und Mauerbre-
schen kam es zu einem erbitterten Krieg ohne Fortschritte. Sulla trieb sei-
ne Männer unerbittlich an, steckte hohe Verluste ein - und brach eines
Tages den Angriff ab.46
Endlich hatte er bemerkt, welche Chance sich in Athen bot, wo die Not
wuchs - nicht genug, um Aristion von exzentrischen Auftritten abzuhalten,
bei denen er auf der Mauer tanzte und Details über das Sexualleben von
Metella zum Besten gab. Auch sonst wurden die spitzzüngigen Athener
persönlich, noch als sie Suppe aus Leder kochten und in einigen Fällen
beim Kannibalismus Zuflucht suchten; ein Spottvers verglich Sullas rot-
weiß geflecktes Gesicht mit einer mehlbestäubten Maulbeere. Woher die-
ser Ausschlag kam und seit wann er Sulla plagte, weiß man nicht; auch
beim Prokonsul hinterließen die Ungewissheit und die Mühen der Belage-
rung jedenfalls Spuren.47
Selbst Aristion sah zuletzt ein, dass es Zeit zum Verhandeln war. Eine
Gesandtschaft trat vor den Belagerer und begann mit einem Rundgang
durch die erhabene athenische Geschichte, wie er andere Eroberer einst
besänftigt hatte. „Verschwindet, ihr Einfaltspinsel", fuhr Sulla dazwischen,
„und nehmt eure Reden gleich mit. Mich haben die Römer nicht auf Stu-
dienreise nach Athen geschickt, sondern um Aufrührer niederzuwerfen."
Für die Ohren seiner Truppen kehrte er den Prokonsul heraus.48
Kurz darauf kamen die Römer bei Nacht über eine schlecht bewachte
Mauerstelle im Nordwesten der Stadt; gleichzeitig schlugen Rammböcke
eine Bresche. Den Legionären war befohlen, jeden Menschen zu töten,
den sie antrafen. Es ging darum, dem Rest Griechenlands eine klare Bot-
schaft zu übermitteln. So waren Roms Truppen schon hundert Jahre zuvor
verfahren, um den Widerstandswillen der noch verbliebenen Gegner zu
brechen. Erst am Morgen jenes 1. März 86 ließ Sulla sich von athenischen
Verbannten zur Schonung überreden und erklärte, er vergebe wegen der
vielen Toten die Schuld der wenigen Lebenden - er meinte die Athener
der Glanzzeit. Vellerns' Bemerkung, mit dem Herzen sei Athen auf römi-
scher Seite gewesen, irritiert angesichts seiner eigenen Bilanz von 200000
Toten in und um beide Städte. Von den vielen Gefangenen und seiner
Milde sprach Sulla erst später.49
Aristion auf der Akropolis wurde ausgehungert, dann hingerichtet.
Griechenlands vormals glänzendste Stadt trug noch zwei Jahrhunderte
später die Narben Sullas und konnte erst seit Augustus ernsthaft an den
Wiederaufbau gehen. Auch ihr reichster Besitz, Delos, war ein Trümmer-
haufen. In der Hand prorömischer Aristokraten war Athen nun ein nützli-
ches Quartier für die eigentliche Aufgabe, den Piräus. Archelaos verwan-
delte die Festung in eine Wabenstruktur aus Behelfswällen, in der die
Angreifer nur schrittweise vorankamen. Über die römischen Opfer hören
wir nichts, nur über die Erschöpfung der Soldaten, denen ihr Imperator
einhämmerte, ohne den Piräus sei alles umsonst gewesen. Zuletzt siegte
der Druck, vielleicht die psychologische Wirkung, jederzeit Hunderte ver-
bissener Römer an der Arbeit zu sehen. Archelaos hatte Sulla Menschen,
Zeit und Material gekostet; jetzt lieferte er einen mustergültigen Rückzug
und räumte über Nacht die Festung bis auf ihre Zitadelle, den meer-
umschlossenen Hafen Munychia. Hier würde er immer noch Truppen bin-
den - und konnte, falls Sulla abzog, den gesamten Piräus wieder an sich
bringen.50
Lucullus befand sich auf der Reise von Kreta nach Ägypten, bei der er
von seinen wenigen Schiffen den Großteil an Piraten verlor. Archelaos
hatte Sulla eine wertlose Beute überlassen, die aufzugeben aber lebens-
gefährlich war. Kurzentschlossen ließ der Prokonsul alle Hafeneinrichtun-
gen dem Erdboden gleichmachen. Der beste Flottenstützpunkt weit und
breit wurde unbrauchbar für Freund und Feind. Eine solche Taktik war die
Waffe eines Unterlegenen, der wenig Hoffnung hatte, das Meer zu erobern
oder auch nur Athen zu halten.51
Strategisch gesehen Heß die Zerstörung des Piräus frösteln, taktisch war sie
richtig; Sulla musste die Entscheidung so weit wie möglich aufs Land ver-
lagern. Einstweilen verlor Archelaos jede Hoffnung, aus dem ruinierten
Hafen Gewinn ziehen zu können. Unbehindert schiffte er seine Truppen
ein, noch während Sulla die Docks verwüstete, und verlegte sie ans Süd-
ende Thessaliens, wo die große Armee des Mithridates stand - ein, zwei
Monate zu spät, um die römischen Belagerer in Attika vernichten zu kön-
nen, aber in einer Zahl, die ihr eine entscheidende Überlegenheit verlieh.52
Über die genaue Abfolge der Bewegungen widersprechen sich die Quel-
len. So oder so konnte Sulla nicht im leergefressenen Attika bleiben. Er-
staunlich schnell bewegte er seine strapazierten Truppen nach Böotien, um
es zu decken. Dennoch lag er kostbare Tage hinter Archelaos, der mit
angeblich 120000 Mann durch den berühmten Engpass der Thermopylen
nach Phokis, ins nördliche Vorfeld Böotiens, vorrückte, als Sulla - für den
unter 40000 angegeben werden, davon ein beträchtlicher Anteil Griechen
- sich am Südostende der Ebene zeigte,53
Von den Pontiern gejagt, entkam eine kleine römische Truppe aus Thes-
salien, geführt durch der* unflllcÄhea Tempelplünderer Kaphis - die
Vorhut des rechtmäßigen Konsuls Valerius Flaccus, hinter der ein politi-
sches Geschwader die Transporter verbrannt hatte. Die Gestrandeten un-
ter Führung des Lucius Hortensius brauchten wenig Überredung, um die
Seite zu wechseln. Sulla nahm sie auf und bezog eine feste Position bei
Elateia, vorwitzig nahe am Gegner. Nach dem Lehrbuch war der Kampf
gegen weit überlegene Kavallerie und die abschreckenden Streitwagen in
einer Ebene reiner Selbstmord. Sulla wagte es nicht, mit seinem verängs-
tigten Heer die Schlacht anzunehmen, selbst als die Pontier Stadt für Stadt
verwüsteten und ihn im Süden zu umgehen drohten. Getarnt durch eine
Beschäftigungstherapie für die Soldaten tastete er sich entlang des Flusses
Kephisos langsam zurück.54
Jenseits der Stadt und Akropolis von Chaironeia, die eine Legion im
letzten Moment sicherte, war so nicht weiterzukommen; es ging mindes-
tens zehn Kilometer durch die offene Ebene -r Kavalleriegelände. Hier
konnte Archelaos mühelos eine Schlacht erzwingen, indem er Sulla, der
seine Kräfte geteilt hatte, entweder in die Stadt drängte oder zwischen
Fluss und Gebirge unter hohen Verlusten in den nächsten Pass hineinjagte.
Die Falle stand bereit.55
Sulla wartete einen ganzen Tag, dann brach er auf. Eine Nachhut unter
Licinius Murena sollte Archelaos beim Aufmarsch behindern, während
Sulla sich mit Aulus Gabinius in Chaironeia, rechts vor ihm, vereinigte.
Erst nachträglich pries man die Weisheit, ein Gelände mit verstreuten Fel-
sen zu ,wählen\ die Wagen und Kavallerie behinderten; unterlegene Infan-
terie war hier ebenso in Gefahr. Archelaos entfaltete seine Truppen unge-
hindert und überschritt den Kephisos, der vor seinem Lager entlangfloss.
Sulla sah sich zum Kampf gezwungen, schwenkte nach links, stellte sich mit
der Stadt im Rücken auf und sammelte Reserven unter Hortensias und
Sulpicius Galba auf den Hügeln hinter ihm.56
Ein Überraschungsangriff auf eine pontische Vorausabteilung, die zwi-
schen Sulla und Chaironeia lauerte, sorgte in Archelaos' Hauptarmee für
Konfusion. Sulla nutzte diesen Moment, um nahe an den Feind zu rücken.
Dann endlich trafen die Legionäre, mit dem linken Flügel unter Murena
angefangen, auf die pontische Phalanx. Eine hastige Folge von Manövern
begann. Archelaos sah die Chance, Murena zu umfassen. Hortensius' fünf
Kohorten wurden beim Versuch, zu helfen, selbst umzingelt. Sulla, in die-
sem Moment mit seiner Kavallerie auf dem rechten Flügel, hastete hinter
der Front hinüber zur Linken. Dort gerieten nun die Pontier unter Druck.57
Archelaos zog die richtigen Schlüsse. Er setzte weitere Infanterie auf
Hortensius an, dann zielte er mit seinen Reitern auf den römischen rechten
Flügel, der nun ohne Kavalleriedeckung kämpfte. Sulla, der gleich um zwei
kritische Punkte fürchten musste, hetzte auf den rechten Flügel zurück und
zog eine Kohorte des Hortensius nach - vor Marius' Zeit ein unmögliches
Manöver. Wider Erwarten hielt Galba die Lage stabil; die Verstärkung
genügte, den feindlichen Flügel in die Flucht zu schlagen. Sulla hielt plötz-
lich den Sieg in der Hand. Ein letztes Mal trieb er seine Kavallerie auf die
Linke - und fand Murenas Truppen bereits siegreich. Die Panik im feind-
lichen Zentrum, dem nun eine Einkreisung drohte, war unvermeidlich. In
wilder Flucht zogen sich die Pontier auf ihr Lager zurück; Archelaos, der
schon dort war, entkam mit rund 10000 Mann, dem harten Kern seiner
verlorenen Armee, zum Meer. Dahinter wartete die für Sulla unerreich-
bare Festung Chalkis.58
Der Sieger gab zu Protokoll, er habe nur 13 Römer verloren. Zum einen
markierte dieses Jägerlatein - wie das vom symbolisch riesigen Gegner -
den Stellenwert der Schlacht und die Tradition, in der sie stand. Er hatte
,ganz Asien' aufgehalten und dabei einen schier göttlichen Erfolg erzielt.
Zum anderen servierte der Spieler Sulla seinen Zeit- und Standesgenossen
damit eine kalte, dreiste, provokante Lüge. Selbst die erhaltenen Histori-
ker, darunter Plutarch - der seine Kindheit in Sichtweite des Schauplatzes
verbracht hatte -, waren offenbar zu sprachlos, um die absurde Zahl direkt
anzugreifen. Ein Siegeszeichen für die üblichen Götter - Victoria, Mars
und Venus - entstand auf dem Schlachtfeld, dazu ein eigenes für die Bür-
ger von Chaironeia. Siegesspiele fanden in Theben statt, weil es auf dem
Weg lag - Sulla, den seine Truppen erneut zum Imperator ausgerufen hat-
ten, zeigte sich gegenüber den Städten bedrohlich kalt. Man erinnerte sich
lebhaft an jene andere Schlacht bei Chaironeia, als Philipp II. von Make-
donien 338 Thebens Macht gebrochen hatte. Die Thebaner sollten Sulla
bald zeigen, wie wenig sie aus der Geschichte gelernt hatten.59
Was der Sieg wert war, ließ sich schwer beurteilen. Nach etwas über einem
Jahr - der Sommer 86 stand vor der Tür - hatte Sulla trotz Hortensias'
Seitenwechsel kaum mehr vier vollständige Legionen, eher weniger, dazu
die begrenzt wertvollen Verbündeten. Die Ausrüstung war teils verschlis-
sen, das Geld weiter knapp. Archelaos saß jenseits des Euripos, des Mee-
resarms zwischen Euböa und dem griechischen Festland, überfiel die Küs-
ten und hielt Sullas Alliierte in Atem. Hinter dem Horizont sammelten
sich neue pontische Truppen. Von Lucullus und der Flotte keine Spur, aus
Italien nicht ein Sesterz und kein Wort der Anerkennung. Im Gegenteil,
man schickte eine Armee, che ihn verdrängen sollte. Valerius Flaccus war
zu guter Letzt mit ganzen zwei Legionen diesseits der Adria angekommen.
Sulla wandte dem lästigen Chalkis den Rücken und marschierte rund um
den Golf von Euböa. Flaccus sollte das fruchtbare Thessalien fest unter
Kontrolle finden.60
An den Grenzen Thessaliens erreichte ihn eine Katastrophenmeldung.
Archelaos war wieder gelandet, hinter sich seine geretteten Truppen und
eine frische Armee von angeblich 80000 Mann, die der königliche Feldherr
Dorylaos über See gebracht hatte. Diesmal stand die Elite des pontischen
Heeres in Mittelgriechenland. Über Nacht war Böotien besetzt, die meis-
ten Städte auf die pontische Seite zurückgekehrt. Mit dem Tod im Rücken
konnte Sulla Flaccus weder als Diplomat noch als Militär entgegentreten.
Seine Lage war schlimmer als zuvor; auf seine griechischen Helfer konnte
er nicht mehr sicher rechnen, und ohne neuen Erfolg lief er Gefahr, die
eigenen Legionen zu Flaccus überwechseln zu sehen.61
Die Pontier litten unter dem üblichen Gerangel innerhalb der Führung.
Wie so oft nach Niederlagen hatten sich Verratsgerüchte ausgebreitet, die
zumindest für Mithridates plausibel genug klangen. Der König begann
eine Serie präventiver Morde an den Fürsten der mit ihm verbündeten
Galater und suchte seine Position an der Ägäisküste mit Gewaltdrohun-
gen, Hinrichtungen und Deportationen zu stärken, was Rebellionen nach
sich zog. In Städten und Gemeinden setzten die alten Parteienkämpfe wie-
der ein.62
Diese frischen Eindrücke nahm Dorylaos mit nach Böotien. Er hatte
keine Absicht, durch ein Spiel auf Zeit Mithridates' Ungnade zu riskieren.
Soerzwafig er zunächst einen offensiven Versuch, der kläglich scheiterte.
Archelatis ietzte sich durch; die kontier bezogen eine ideale Stellung um
Oreh€B»eftos, kaum fünf Kilometer vom iJngHtcksort Oiaironeta. Der
Bergabhattg mit der Stadt selbst beherrschte eine Ebene, die ins Sumpf-
plände rund um den seichten KopaftSee auslief, Ilm nicht im oberen Tal
des Kephisos zu verhungern, musste Sulla sich auf dieses ungeschützte Ge-
lände hinauswagen, ohne Archelaos gegen dessen Willen zur Schlacht
zwingen zu können.6*
Wieder einmal kombinierte der Prokonsul römische Tradition mit Un-
berechenbarkeit. Wenn das Gelände gegen ihn war, baute er es eben um.
Er ließ die Armee ihr Lager errichten, dann rückten Arbeitskommandos
aus, die tiefe Gräben über die Ebene ziehen sollten - wenn sie fertig waren,
würde die pontische Reiterei entweder untätig bleiben oder sich in die
Sümpfe wagen müssen. Arehelaos reagierte sofort und befahl den Gene-
ralangriff.64
Theoretisch waren die Römer sofort kampfbereit, praktisch aber völlig
überrumpelt Statt sich wie vorgesehen hinter den Feldwachen zu sam-
meln, nahmen Arbeiter und Wachen Reißaus. Sulla sprengte in die sich
anbahnende Katastrophe hinein, sprang vom Pferd, griff eines der schwe-
ren Feldzeichen und rannte, gefolgt v#n seiner Leibwache, den anstürmen-
den Feinden entgegen. „Hier ist gut stmfoem für mich, Römer", will er nach
diesem Sprint geschrien und die Standarte aufgepflanzt haben; „ihr aber,
wenn euch jemand fragt* wo> £hf euren Imperator im Stich gelassen habt,
denkt daran, m sagen: bei OrehßffienosJ" Auch sein Lungenvolumen er-
freute steh demnach göttlichen Beistamdes.65
Der Schutz des Feldzeichens wurde jedem Legionär eingedrillt, der An-
führer - der sich ostentativ seiner Fluchtmöglichkeit beraubt hatte - war
seine beste LebensversiGherung. Bin kurzes Zögern beim Weglaufen ent-
schied den Tag. Die Schlachtlinieformiertesich wieder, vom rechten Flü-
gel rückten zwei Kohorte® zu Sullas Position vor; schon jetzt hatten die
Pontier aufgegeben, und der Prokonsul setzte ihnen kurz nach, um den
Feind vorerst in sei® Lager zu scheuchen. Sulla spürte Aufwind, Erst ließ
er die Männer essen, dann schickte er sie wieder an die Arbeit, in der
festen Erwartung einer neuen Attacke. Die Pontier kamen, die Legionen
drängten so aggressiv auf die gegnerische Kavallerie los, dass deren Schüt-
zen kein Platz zum Bogenspannen blieb. Lange hielten beide Seiten stand,
dann bMefc Archete? Truppen abermals nur der Rückzug. Vor dem Lager
waren angeblich 15000 Tote verstreut, zwei Drittel davon Reiter; der pon-
tiüie Feldherr hatte seinen Stiefsohn verloren.66
Mim mmM$gß Nacht schloss sich an. Am nächsten Morgen ware
Römer wiederfammGräbenziehen - in Bogenschussweite vor Arehelaos'
Wällen. Einen dritten Zusammenprall der strapazierten Legionen mit dem
pontischen Heerführer durfte Sulla nicht mehr wagen. Zuletzt sah er sich
genötigt, mit den Gräben im Rücken ~ eine lebensgefährliche Situation -
bis unter die Lagerwäle vorzudringen. Den Ausschlag gab ein römischer
Einbruch in eine demolierte Ecke der Befestigung; der Anblick löste eine
Massenpanik aus. Viele Flüchtlinge starben in den Sümpfen; Archelaos
und Fragmente seiner Armee erreichten das rettende Chalkis.67
In seinen Erinnerungen schrieb Sulla später, die größten Erfolge habe er
erzielt, wenn er impulsiv handelte; das schließe manchen scheinbar gut
durchdachten Schritt ein. Die Schlacht von Orchomenos, ein Kind dieses
Glücks, war geschlagen, das griechische Festland wieder in römischer
Hand. Sulla sah einem ruhigen Kriegswinter entgegen - doch er traute
dem Frieden nicht. Im Zuge seiner Strafmaßnahmen für die übergelaufe-
nen Böoter - Theben büßte die Hälfte seines Landes ein, dessen Pacht-
zinsen die geplünderten Tempel entschädigen sollten - ließ er drei kleine
Hafenstädte vernichten, die einer von Chalkis kommenden Flotte Lande-
möglichkeiten geboten hätten. Noch immer bestand Gefahr vom Wasser
her, erst recht, da Sulla nicht bleiben konnte, um Mittelgriechenland zu
decken. Die Kiellegung einiger Schiffe diente als Beruhigung für seine
Verbündeten, die er sich selbst überließ. Als Winterlager kam nur Thessa-
lien in Frage; zog Sulla nicht hin, Würde es Flaecus tun.68
Das Quartier von 86/85 erwies sich als ruhiger Hafen für die übel zugerich-
tete Armee, ihren Tross aus Flüchtlingen* Sklaven, gut verkäuflichen
Kriegsgefangenen und Händlern. Mit zwei großen Siegen im Rücken
konnte Sulla beruhigt dem schwächeren Rivalen gegenübertreten. Doch
Flaecus war nicht in Thessalien. Vom Abfall seiner Vorhut entmutigt, hatte
er sich auf den Marsch zum Hellespont gemacht. Vielleicht würden die
griechischen Städte am Bosporus Schiffe für die Überfahrt stellen, wenn
man dort war. Bis es dazu kam, stand der Konsul schon im Ruf, als Feldherr
vom Rat seines ungleich erfahreneren Begleiters Flavius Fimbria abhängig
zu sein. Während Flaecus zu Verhandlungen mit den Bürgern von Chalke-
don abwesend war, riss Fimbria das Kommando an sich und ließ Flaecus
den Kopf abschlagen. Offenbar war er es, der die Armee auf kleinasiati-
schen Boden brachte; jedenfalls erkannten die Soldaten seinen Oberbefehl
an. Der Senat bestätigte den rabiaten Kommandowechsel.69
Die verlorene Truppe mit ihren vielleicht anderthalb Legionen über-
raschte Mithridates, den neuen Alexander, in einem ungünstigen Moment.
Seine verfügbaren Soldaten belagerten Rebellenstädte, hielten die Galater
in Schach oder unterstützten Arme und Personen minderen Rechtsstatus
gegen die Reichen, in denen er lauter Romfreunde witterte. Nach der neu-
en Katastrophe in Griechenland sah sich Mithridates, der von Pergamon
aus das Geschehen verfolgte, plötzlich selbst einer römischen Offensive
ausgesetzt. Nikomedia, die Hauptstadl Bithynicns, wurde geplündert, Fim-
bria gewann mehrere Schlachten und schnitt dem König sogar den Rück-
zug ins Landesinnere ab. Gerade noch konnte sich Mithridates aus Per-
gamon in die Küstenfestung Pitanc retten, wo ihn Fimbria ohne Schiffe
nicht zu fassen bekam.70
In diesem Moment erschien eine Flotte, die niemand anders als Lucullus
kommandierte. In Ägypten hatte er den jungen König Ptolemaios VIII.
überredet, zu Sulla statt zu Cinna zu halten, im Winter hatte er durch List
und Geschick Rhodos erreicht, und jetzt begann er die Inseln von Pontiern
zu säubern. Fimbria schickte ein Ersuchen um Kooperation, versprach eine
glänzende Zukunft in Rom - und Lucullus weigerte sich. Diese Beute ge-
hörte Sulla oder keinem. Nüchtern betrachtet handelte es sich um Verrat
an den römischen Interessen, doch für Lucullus war Rom, wo sich Sulla
befand. Von Umstürzlern und Mördern nahm er keine Befehle entgegen;
hinzu kam die Gefahr durch die starke Seemacht des Königs. Mithridates
entkam nach Lesbos.71
Fimbria wandte sich Strafexpeditionen gegen die Städte in seiner Reich-
weite zu. Was er inzwischen von Sulla hielt, bekam Ilion zu spüren, das den
Fehler begangen hatte, ein Hilfeersuchen an den fernen Sulla zu senden.
Nicht ohne Zynismus hatte dieser die Erben Trojas an Fimbria verwiesen,
dem sie bestellen sollten, Sulla sei ihr Beschützer. Fimbria brannte die
Stadt nieder.72
Der blutrünstige Schlächter Mithridates war ein Politiker, der rechnen
konnte. Griechenland war verloren; wenn Sulla nach Kleinasien kam, wohl
auch Mithridates. Beide hatten gute Gründe, jetzt Frieden zu machen -
Sullas Ziel, der König wusste es, war letzten Endes Rom. Mit einer weiter
geschwächten Armee konnte er Cinna nicht entgegentreten; andererseits
konnte er Fimbria nicht die Beendigung des Krieges überlassen, wonach es
allmählich aussah.73
In Chalkis trafen Instruktionen ein, die Archelaos zu Verhandlungen
ermächtigten. Sulla stimmte eilig zu. Wohl im Frühjahr 85 trafen sich beide
Feldherren an der böotischen Küste, beim Apollontempel nahe Delion.
Archelaos eröffnete mit einem, wie er meinte, verlockenden Angebot: Sul-
la sollte Asien vergessen und sich Rom zuwenden; der König würde ihm
Schiffe, Truppen und vor allem Geld dazu geben. Warum, antwortete Sulla
mit böser Hilfsbereitschaft, wollte Archelaos nicht seinerseits Mithridates
stürzen? Der General fuhr auf: Solch ein Verräter sei er nicht. Sulla über-
tönte ihn mit der vorbereiteten Erwiderung: „Mir, der ich ein römischer
Anführer und Sulla bin, wagst du einen Vortrag über Verrat zu halten?"
Für die Ohren des Publikums - auftrumpfende Römer und Archelaos'
hellhörige Rivalen - ergänzte er, Archelaos sei nur ein Sklave, übrigens
ein erfolgloser mit einer langen Verlustrechnung.74
Die Verhandlungen selbst liefen auf die Rückkehr zum Zustand vor 88
hinaus. Sulla forderte Asia zurück, dazu die Landschaft Paphlagonien; in
Bithynien und Kappadokien sollten die von Rom anerkannten Könige re-
gieren. Weiter musste Mithridates 70 voll besetzte Kriegsschiffe samt Un-
terhalt stellen, eine wertvolle Verstärkung gegen Cinna. Für eine Entschä-
digungszahlung von 2000 Talenten blieben Pontos die angestammten
Gebiete und die Freundschaft Roms. Dieses Angebot konnte ohne Mithri-
dates nicht ratifiziert werden. Den Waffenstillstand, der bis dahin herr-
schen sollte, ließ Sulla sich so teuer bezahlen, dass eine Wiederaufnahme
des Krieges in Europa unmöglich war. Archelaos hatte sämtliche Garniso-
nen und die Flotte unter seinem Kommando ersatzlos auszuliefern. Der
Grieche ging darauf ein; für Sulla ein Zeichen, wie unverhofft nahe Mith-
ridates einem Zusammenbruch sein musste.75
Um dazu nach Kräften beizutragen, ließ der Prokonsul Mithridates' bes-
ten General nicht von seiner Seite. Archelaos selbst hatte es vielleicht
nicht eilig, seinem misstrauischen Herrn unter die Augen zu treten. Die
Zeit ließ sich für einige Polizeiaktionen nutzen, die den Stämmen an der
Nordgrenze Makedoniens Respekt beibrachten und den Legionären leich-
te Gewinne eintrugen. Ganz nebenbei bewegte die Armee sich natürlich
näher an Dardanellen und Bosporus heran. Im thessalischen Larissa lag
Archelaos einige Tage lang krank; rücksichtsvoll unterbrach Sulla den
Marsch und säte Zwietracht zwischen dem König und seinem Feldherrn.
Mithridates stimmte fast allem zu, nur Paphlagonien wünschte er zu behal-
ten - und erst recht seine Flotte. Mit Fimbria, so sagten die Boten angeb-
lich entschuldigend, hätte man billiger Frieden bekommen können. Sulla
hatte nicht die Absicht, seine Chancen zur See aus der Hand zu geben;
endlich war Lucullus in der Nähe und hatte erste Gefechte gewonnen.
Außerdem schien dieser Mithridates ihm immer noch nicht genug zuzu-
trauen. Fimbria zu erwähnen war eine Dreistigkeit. Es war Zeit für einen
diplomatischen Wutanfall.76
„Was sagt ihr? Mithridates beansprucht also Paphlagonien, und das mit
den Schiffen schlägt er auch ab? Und ich dachte, er würde mir zu Füßen
fallen, wenn ich ihm nur seine rechte Hand lasse, mit der er so viele Römer
umgebracht hat! Aber wenn schon, er wird andere Töne anschlagen, so-
bald ich nach Asien übergesetzt habe. Jetzt sitzt er ja in Pergamon und
führt einen Krieg, den er gar nicht gesehen hat." Fimbria, versprach Sulla
am Rande, werde seine Strafe noch bekommen.77
Archelaos demonstrierte jene Unterwürfigkeit, die Sulla zu sehen
wünschte, flehte unter Tränen um Geduld und versicherte, er selber werde
Mithridates den Frieden abhandeln. Der Prokonsul ließ seine Ouasi-Gei-
sel ziehen und wandte sich der Strafexpedition gegen die thrakisehen Mai-
der zu. Es war nicht ihr erster Zusammenstoß mit Rom; manche von ihnen
verschlug es in den nächsten Jahren als Hilfstruppen in die römische Ar-
mee, darunter jenen berühmtesten Thraker, Spartacus, der Italien ab 73 in
Schrecken versetzen sollte.78
Bei der Rückkehr nach Philippi fand Sulla einen glücklichen Archelaos
vor. Mithridates hatte allerdings seine Erfahrungen mit dem Wert römi-
scher Versprechen gemacht; er wünschte Sulla persönlich zu treffen. Für
die Konferenz einigte man sich auf die asiatische Seite des Hellespont.
Sulla zog die Hauptmasse seiner Truppen bis Kypsela am Hebros vor, nur
wenige Tagesmärsche von den Häfen entfernt, und stach mit vier Kohorten
und 200 Reitern, an die 2000 Mann, in See. Ihr Ziel war der befestigte
Hafen Abydos, den Lucullus besetzt hatte; von dort waren es kaum zehn
Küometer bis Dardanos (Akhisar), wo Mithridates wartete - nicht zu weit
für einen geordneten Rückzug, falls Verrat im Spiel war.79
Der Großkönig kam mit 200 Schiffen, 200000 Mann Infanterie und 6000
Reitern. Mithridates hatte alles aufgeboten, um Stärke zu zeigen; die
Angst vor Fimbria, der nicht allzu weit von ihnen wütete, büdete zweifellos
auch ein Motiv. Zwischen den ungleichen Heeren trafen sich die Anführer
mit kleinem Gefolge. Der Pontier ging dem stolz wartenden Sulla ent-
gegen, dann streckte er die Hand aus. Sulla, ganz Prokonsul, fragte über
sie hinweg, ob der König Frieden zu den festgesetzten Bedingungen schlie-
ßen wolle. Schweigen war die Antwort; ohne Nachbesserungen gedachte
Mithridates nicht aufzugeben. „Es ist ja wohl Sache der Bittsteller, als erste
zu sprechen", versetzte Sulla, „die Sieger begnügen sich mit Schweigen."80
Mithridates, der sich weder einschüchtern noch provozieren lassen woll-
te, begann eine lange Verteidigungsrede, in der alle römischen Schand-
taten bis hin zu Aquillius vorkamen. Ansonsten sei der Krieg ein göttliches
Verhängnis gewesen. Sulla unterbrach ihn nach einer Weile und gratulierte
spöttisch zu der rhetorischen Glanzleistung, die eigene Schlechtigkeit so
geschickt untermauert zu haben. Nach einem Überblick über die ponti-
schen Verbrechen wiederholte er seine Frage: Stimmte Mithridates zu?
Sein Gegenüber gab die Hoffnung auf und sagte Ja. Sulla küsste und
umarmte ihn. Es war ein magischer Kuss; er machte aus dem Römer-
schlächter von Ephesos und Räuber ganzer Provinzen König Mithridates,
den Freund und Verbündeten des römischen Volkes. Dieser durfte sich
nun entfernen - Armee und Flotte segelten heim nach Pontos. Siebzig
Schiffe allerdings gehörten ab sofort Sulla; als symbolischen Kriegsbeitrag
ließ der König 500 Bogenschützen zurück.81
Asia, die Geldquelle Roms, war wieder in den Händen der Republik -
oder, je nach Rechtsposition, des Geächteten Sulla und seiner illegalen
Armee. Nur Fimbria störte das Bild noch. Und der Kuss von Dardanos
unter den Augen Tausender Legionäre war nicht das Kriegsende, das ihnen
vorgeschwebt hatte, auch nicht der freie Abzug des Oberverbrechers mit
dem Raubgold aller toten Italiker im Gepäck. Im Rest des Heeres sprach
sich die Szene rasch herum. Jetzt holte er die Legionen übers Meer, um sie
in einen Bruderkrieg gegen die tapferen Kameraden zu führen, die Mith-
ridates' Reich erschüttert hatten?
Sulla hatte einiges zu erklären, schon weil das Leben eines Feldherrn
neuerdings stark im Preis gesunken war. Seine Lösung waren simple Halb-
wahrheiten: Gegen Mithridates und Fimbria auf einmal hätte er nicht
kämpfen können. Dass der Pontier noch genug Soldaten und Energie für
einen langen, teuren Krieg hatte, war eine Tatsache. Umgekehrt wäre die
sullanische Armee ohne die mageren Reparationen aus der königlichen
Kasse in schlimmere Geldnöte als je zuvor gekommen, hätte Stadt auf
Stadt belagern müssen und neue Verluste erlitten. Auch den Unversehrten
ging nach über zwei Jahren Krieg ohne größere Ruhepausen vermutlich
die Kraft aus; sie brauchten saubere Quartiere, frische Ausrüstung, Sicher-
heit - und eine handfeste Belohnung. Das alles winkte in Asia auf Kosten
von Schuldigen, die weniger Widerstandskraft besaßen als Mithridates.82
Inzwischen machte sich wohl auch das Unbehagen bemerkbar, von zu
Hause abgeschnitten und - schlimmer noch - in den Augen der Heimat
Verräter zu sein. Weder die Cinnaner noch die pontische Flotte konnten
einen undurchlässigen Vorhang rund um Italien ziehen; ab und zu kamen
Nachrichten durch oder gelang es, Beute und ersparten Sold an die Ange-
hörigen zu schicken. Aber das Gefühl der Trennung wuchs mit jedem Jahr.
Sulla musste die Soldaten relativ bald heimführen, um Desertionen oder
Schlimmerem zuvorzukommen - nämlich einer Konsolidierung Italiens
unter Cinna, die Sulla selbst zum einzigen Unruhestifter degradierte.
Einen Trost für erzürnte Patrioten gab es, den Sulla nicht laut erwähnen
konnte. Rein rechtlich bestand zwischen ihm persönlich und Mithridates
eine mündliche Vereinbarung; zum Friedensvertrag würde sie erst dann
werden, wenn der Senat in Rom sie ratifizierte. Im Augenblick standen
dem gewisse innenpolitische Verwerfungen entgegen - hinterher, wenn
Sulla überlebte und gewann, würde man sehen, ob es opportun war, die
Abmachung schriftlich zu fixieren. Doch dieser Friede brachte einstweilen
nur die Möglichkeit, mit dem immer gleichen hohen Einsatz eine weitere
Runde des großen Spiels zu bestreiten.
Der Fuchs und der Löwe
Sulla hatte den Krieg, dem zuliebe er die Grundfesten der römischen Ord-
nung erschüttert hatte, gewonnen: eine Entschuldigung für jeden, der ihm
sein Handeln vor drei Jahren vorwarf - und die beste Ausgangsbasis für
eine Abrechnung.
Noch zog ein Rivale durch seine Provinz. Vom Hellespont aus nahm
Sulla die Spur auf; bei Thyateira, kaum fünfzig Kilometer östlich von Per-
gamon, stieß er auf Fimbrias Lager. Beide forderten einander auf, ihr
rechtswidriges Kommando aufzugeben, dann ließ Sulla rund um Fimbrias
Lager einen Belagerungswall errichten. Dieses Signal der Entschlossenheit
begleiteten Verbrüderungsgesten zwischen den Soldaten. Hastig berief
Fimbria eine Heeresversammlung ein; sein Appell an das Pflichtgefühl
stieß auf Unmut, die Desertionen häuften sich. Im nächsten Anlauf ver-
langte er einen Treueeid. Keiner wollte der Erste sein. Nicht einmal Fim-
brias Selbstmorddrohung änderte die Lage; sullanische Quellen unterstel-
len ihm gleich noch einen Mordversuch an seinem Gegner. Fimbria begrub
seine Hoffnungen und bat um eine Unterredung mit Sulla. Er bekam einen
Untergebenen zu sprechen, Rutilius Rufus, der freien Abzug aus Klein-
asien anbot.83
Ob Sulla sein Wort hielt, ist allerdings fraglich. Fimbria beging - aus
Verzweiflung, sollen wir denken - im Asklepiosheüigtum von Pergamon
Selbstmord. Das hätte er auch im Lager tun können, wo Plutarch ihn ster-
ben lässt. Möglicherweise floh Fimbria, von Sullanern oder seinen orts-
ansässigen Opfern verfolgt, in die Asylstätte und entzog sich dort ihrer
Rache, indem er - wie zwei Jahre zuvor Cornelius Merula - den Gott gegen
sie aufbrachte, so gut er konnte. Sulla gestattete mit der selbstgefälligen
Bemerkung, er wolle sich nicht wie Marius oder Cinna benehmen, die
Beisetzung des Toten. Wenigen seiner Gegner sollte es später so gut erge-
hen.84
Fimbrias Truppen schlössen sich gern ihren siegreichen Kameraden an,
da Sulla den Mord an Flaccus und die Plünderung loyaler Städte zu ver-
gessen schien. Selbst die Offiziere empfing er vermutlich entgegenkom-
mend. Erstmals überstieg Sullas Heeresstärke die Zahl, mit der er Anfang
87 Italien verlassen hatte.85
Der Abzug der Pontier aus Asia und den Nachbargebieten ließ dort das
Chaos ausbrechen. Ariobarzanes und Nikomedes, die Scribonius Curio
wieder in ihren Reichen installierte, würden harte Arbeit haben; viele
Städte führten eigene Bürgerkriege, bis römische Truppen einmarschier-
ten. Andere Städte gingen gleich zur offenen Rebellion über, vor allem
wenn ärmere Schichten die Oberhand hatten, darunter die Sklaven, deren
Freilassung durch Mithridates Sulla widerrief.86
Der Prokonsul zitierte Vertreter aller Städte und Inseln in die Provinz-
hauptstadt Ephesos. Ruhigen Gewissens kommen konnten nur unbeirrt
loyale Verbündete wie Rhodos oder Fimbrias Opfer in Ilion. Anders stand
die große Mehrheit der Provinzgemeinden da, und Königsgegner der letz-
ten Stunde wie die Epheser erfuhren, dass nichts vergessen war.87
Der Friede für die Provinz wurde fürchterlich. Als Kriegskosten hatte
ganz Asia - mit Ausnahme der Loyalen, aber einschließlich der vormals
freien Städte - die Unsumme von 20000 Talenten zu tragen, zehnmal mehr
als Mithridates selbst. Die Eintreibung tiberwachte Lucullus, dem später
bescheinigt wurde, seine Arbeit rechtschaffen und tadellos verrichtet zu
haben; will sagen, der Proquästor presste korrekt, aber in der Sache scho-
nungslos jede Drachme heraus, um die Rückeroberung Italiens zu finan-
zieren.88
Zu den Forderungen gehörte die Nachzahlung aller Abgaben der letzten
fünf Jahre, eine Summe, die auf 12000 Talente geschätzt wird. Ob sie in den
20000 schon enthalten war oder nicht, kann an der Katastrophe wenig
geändert haben. Die Städte - die von Mithridates bereits gründlich zur
Kasse gebeten worden waren - konnten das Geld nur als Darlehen be-
schaffen, besonders wenn - wie bei Ephesos - ihr Gemeindeland strafwei-
se verkleinert wurde. Die einzigen Leihgeber größeren Stils, die in Frage
kamen, waren jene italischen Geschäftsleute, deren Kollegen man 88 mit
Wonne massakriert hatte. Ritter und sicher auch Senatoren in Sullas Ge-
folge konnten sich die Hände reiben. Binnen fünfzehn Jahren schuldeten
die Städte ihren Gläubigern 120000 Talente; erst ein Erlass, durch den es
sich Lucullus auf ewig mit den Rittern verdarb, rettete seine Untertanen
vor dem Ruin. Nur im unbedingten Gehorsam gegen Rom lag, wie Sullas
Härte demonstrierte, die Aussicht auf eine erträgliche Zukunft.89
Die wohlhabenden Stadtbürger konnten in Asias Stunde Null kaum hel-
fen. Langfristig setzte Sullas Politik auf die Reicheren als Stabilitätsfaktor,
erst einmal würde er ihnen eine Lektion erteilen. Für den Winter 85/84
quartierte er seine Soldaten einzeln bei ansässigen Familien ein. Der »Gast-
geber4 stellte das Essen sowie je eine Garnitur Kleider für den täglichen
Gebrauch und einen Satz gute Garderobe für Besuche - und auch eine
Einladung ging auf seine Kosten. Hinzu kam ein »Taschengeld' in Höhe
von 16 Drachmen pro Tag, bei Centurionen 50, ein Vielfaches des regulä-
ren Soldes.90
Dies alles geschah in einer Lage, in der Bargeld fast nur durch Notver-
käufe von Hausgerät oder Naturalien zu beschaffen war. Auch die Ober-
schicht würde jahrelang an diesen Winter denken, während römische Wu-
cherer zwanzig und mehr Prozent von den Städten kassierten und die Bür-
ger bei Verzug aus Theatern, Gymnasien oder gar dem Hafen aussperren
konnten. Vor Honoratioren wie Diodoros Pasparos, der mittels viel Reise-
diplomatie in Rom den Spielraum des in Ungnade gefallenen Pergamon
erweiterte, lag unendlich viel Arbeit.91
Eine neue Plage kündigte sich bereits an. Während sich Sulla auf der Insel
Samothrake aufhielt, wurde sie von kilikischen Piraten überfallen. Die ver-
sierten Seeleute hatten bislang in Mithridates1 Flotte gedient; jetzt bestand
keine Verwendung mehr für sie, die römischen Schiffe waren dabei, die
Region zu verlassen, und der Schutz bestrafter Verräter gehörte nicht zu
Sullas Prioritäten. Dank ihm begannen für die Piraterie goldene Jahre.92
Sullas Soldaten lebten wie die Maden im Speck, ihr Oberbefehlshaber
zahlte keinen As Sold an sie und füllte zugleich seine Kriegskasse mit
nachgezahlten Steuern. Wenn Cinna Krieg wollte, war Sulla jetzt finanziell
bereit dazu. Die Flotte stand entweder schon in der Adria oder konnte
dorthin verlegt werden, sobald die Sturmsaison endete.
Der Osten wäre aus Cinnas Sicht besser bei Mithridates geblieben. Ita-
lien hatte zu einer brüchigen Ruhe gefunden. Die ältesten Provinzen, Sizi-
lien und Sardinien, waren sicher, Nordafrika erst seit kurzer Zeit - Metel-
lus Pius hatte hier unter den Klienten seiner Familie für beträchtlichen
Widerstand gesorgt.93
Mitten in Cinnas Nöte platzte Ende 85 ein Bericht, verfasst vom Staats-
feind Lucius Cornelius Sulla. In aller Unbefangenheit informierte der Ab-
sender den Senat, die Könige Ariobarzanes und Nikomedes seien wieder
eingesetzt, die Provinzen Asia, Cilicia und Achaia dem römischen Volk
wiedergewonnen worden, eine Reihe freier und verbündeter Städte der
Hand des Mithridates entrissen, den er zum Frieden gezwungen habe. Sein
Auftrag sei damit ausgeführt. Cinna und Papirius Carbo, der Nachfolger
des ermordeten Flaccus, hatten sich schon vorweg zu Konsuln für 84 er-
nannt; jetzt sammelten sie eifriger denn je Rekruten und Geld und verbrei-
teten, Sulla plane in Wahrheit die Entrechtung aller Neubürger.94
Sulla wechselte den Ton, als er davon erfuhr. Es befinde sich bei ihm
eine größere Zahl vornehmer Personen, die aus Rom hättenfliehenmüs-
sen; schlimm, dass seine Hilfe für die Unglücklichen ihm übel gedankt
worden sei. Wie er höre, seien seine Besitztümer zerstört oder enteignet,
er selbst absurderweise zum Feind erklärt und viele seiner Freunde lebten
nicht mehr. Jetzt werde er zurückkehren und Vergeltung an seinen persön-
lichen Feinden üben, nicht zuletzt im Interesse der gesamten res publica;
alle übrigen Bürger, einschließlich der jüngst hinzugekommenen, hätten
nichts zu fürchten. Sulla empfahl sich in Erwartung einer Antwort.95
Das Echo im Senat übertraf Cinnas schlimmste Befürchtungen. Die Mo
deraten meldeten sich zu Wort und drängten, eine Delegation solle zwi-
schen den Feinden vermitteln. Valerius Flaccus, Konsul von 100 und Bru-
der des Statthalters beider spanischer Provinzen, spielte als Doyen des
Senats (princeps senatus) eine entscheidende Rolle - wie er vermutlich
schon bei den defensiven Befehlen für seinen ermordeten Vetter die Hand
im Spiel gehabt hatte. Wenn Sulla wirklich den Italikern entgegenkam,
drohte ein Arrangement auf Cinnas Kosten.96
Die Gesandten gingen auf ihre lange Reise; Appelle an die Machthaber
in Rom, inzwischen keine feindseligen Akte zu begehen, verhallten.
Gleich im Frühjahr 84 wollte Cinna übersetzen. Ein Feldzug in Illyrien
hätte ihm eine gut trainierte, loyale Armee verschafft. Doch die Einschif-
fung in Brundisium scheiterte; Sullas Flotte zeigte sich bereits in der Adria.
Cinna verlegte Truppen und Transporter weit nach Norden und wollte von
Ancona aus das unwegsame Dalmatien erreichen. Ein Vorauskommando
landete; die erste Welle dahinter, durch einen Sturm zurückgetrieben, ver-
weigerte die Überfahrt. Cinna berief wütend eine Heeresversammlung ein;
es kam zum Handgemenge einiger Soldaten mit seinen Liktoren, Cinna
wollte an den Schuldigen ein Exempel statuieren und wurde kurzerhand
erstochen. Der verwaiste Konsul Cärboriefhastig die Vorhut zurück. Mo-
natelang mied er Rom, bis die Völkstribunen ihm mit Absetzung drohten,
falls er nicht Konsulwahlen für 83 abhalte. Eine Serie böser Vorzeichen
verschob die Versammlung weiter und weiter, wie es Carbo sehr recht war.
Seine Schwäche konnte das nur unterstreichen, nicht bemänteln.97
Die Senatsdelegation fand Sulla wohl noch in Kleinasien. Er würde mit
dem Großteil seines Heeres wiederkommen, das war unvermeidlich, aber
ob im Stil von 88 oder ob er wie ein guter Feldherr und Statthalter seine
Armee entließ, ehe er die Grenze Roms überschritt, das war die Frage. Er
möge doch schreiben, was man ihm an Sicherheiten bieten solle.98
Münzen, die der Prokonsul geprägt hatte, waren längst aus den Taschen
seiner Soldaten über die Händler nach Westen gewandert: IMPER(ATOR)
ITER(UM), zum zweiten Mal Imperator, verkündeten sie, und neben dem
Symbol der ihm geraubten Priesterwürde zeigte ein Typ den von Victoria
gekrönten Sieger auf seinem Triumphwagen. Das genau erwartete er offi-
ziell von Rom. Was Sullas persönliche Absichten anging: Nie könne er der
Freund von Kriminellen sein, werde aber deren Begnadigung respektieren.
In Fragen der Sicherheit vertraue er auf den Schutz seiner Soldaten, die
ihm ergeben seien und sowohl Sullas Schützlinge als auch den Senat weit-
aus effektiver verteidigen könnten als dieser selbst.99
Anders gesagt: Sulla dachte nicht daran, die Armee aufzulösen, und
Abb. 5: Denar, L. Sulla, 85/84 (?) v. Chr. Vs.: Venus mit Diadem und Palmzweig (L SVLLA);
Rs.: Opferkanne und Lituus zwischen zwei Trophäen (IMPER[ATOR] ITERVM)

würde sie zur Sicherung seiner Ziele einsetzen, eventuell ohne Kampf. Nur
wenn die Väter eine Rückkehr Sullas und aller Geflohenen in ihre alten
Rechte durchsetzen konnten - was nicht wahrscheinlich war - würde auch
Sulla Frieden halten; dies setzte die Begnadigung der Cinnaner, also erst
einmal deren Verurteüung voraus, und damit ihren Ausschluss von der
Politik. Ein Ding der Unmöglichkeit.100
Natürlich wusste Sulla, wie diese Botschaft wirken musste. Wenn es ihm
auf die Senatsherrschaft als Prinzip ankam, hätte man erwarten sollen, dass
er das Risiko für die in Rom verbliebenen Moderaten so klein wie möglich
hielt. Tatsächlich sendete er Signale, die Cinna und die Seinen provozieren
sollten und die Lage der Vermittlerpartei sicher nicht besserten. Offenbar
waren ihre Vertreter in Sullas Augen notfalls entbehrlich, falls sie nicht
endlich für ihn persönlich Partei ergriffen, statt ihn zu Konzessionen zu
drängen. Solange es keine festen Fronten gab, drohte er geschwächt oder
gar überflüssig zu werden.101
Mit den Gesandten reisten einige Sullaner zurück - ein Zeichen, wie
unscharf die Trennlinien zwischen den Lagern nach wie vor verliefen. Sie
kamen nur bis Brundisium, wo sie von Cinnas Ende erfuhren; augenblick-
lich machten die Vertreter des Prokonsuls kehrt. Eventuell war das die
erhoffte militärische Gelegenheit. Schon hatte Sulla die Armee nach Grie-
chenland zurückbefördert; nur Fimbrias Truppen blieben als Garnison in
Asia, befehligt von Licinius Murena. Fünf Legionen und 6000 Reiter gin-
gen nach drei Tagen Reise im verwüsteten Piräus von Bord.102
Einen langen Sommer hindurch fragte sich Italien, wann Sulla kommen
werde. Doch der Marschbefehl zu den Häfen der griechischen Westküste
blieb aus. Unter Carbos Führung begannen sich die Verhältnisse wieder zu
festigen - das war ein Motiv, aber sicher nicht das einzige. Sullas Gesund-
heit zeigte ernste Schwächen. Er litt an Taubheitsgefühl und schweren Bei-
nen und verließ Athen, um sich in den heißen Quellen von Aidepsos auf
Euböa zu kurieren. Zuvor hatte er sich in Eleusis in die Mysterien der
Demeter und Persephone einweihen lassen, die ihren Adepten persönliche
Unsterblichkeit versprachen - wer eine Blutschuld auf sich geladen hatte,
durfte nicht teilnehmen, aber das nahmen die Priester im Fall des Prokon-
suls nicht genau. Athen veranstaltete zu Ehren des Siegers Spiele, die sei-
nen Namen trugen; eine Inschrift pries bei dieser Gelegenheit Sullas Wohl-
wollen.103
Auch fand der Freund griechischer Kultur die Zeit, mit dem reichen jun-
gen Philhellenen Pomponius Atticus zu plaudern, dem es bestimmt war, in
seiner athenischen Wahlheimat alle Kriegsstürme und die Republik selbst
zu überleben; an offener Parteinahme verriet Atticus jetzt wie später kein
Interesse. Sulla gelang es auch, einen geistigen Schatz erster Güte zu he-
ben. Er beschlagnahmte die Bibliothek des Apellikon von Teos, eines in die
Politik gegangenen Phüosophen, darunter Originalmanuskripte des Aris-
toteles und Theophrast. Ihre relativ vergessenen Werke wanderten als
Beutekunst nach Rom und erreichten erst von dort aus die hellenistische
Kultursphäre. So schickte Sulla die aristotelischen Schriften unwissentlich
auf den weiten Weg zu den arabischen Gelehrten und zur Scholastik.104
In Aidepsos bekam der Kurgast am Strand ein paar Fische verehrt und
erfuhr, die Fischer stammten aus einem von ihm zerstörten Ort. „Ach, von
denen aus Halai lebt noch jemand!", bemerkte Sulla aufgeräumt und ent-
ließ die verängstigten Männer mit der Bemerkung an die Adresse der
Fische, sie hätten sich dierichtigenFürsprecher mitgebracht. Im übrigen
habe er seine Tage in Gesellschaft von Mitgliedern der Dionysischen
Techniten verlebt, der organisierten Theaterkünstler, lies, mit Gelagen
und Sex. Und so verging dieser ganze Sommer in Wohlleben und Müßig-
gang.105
Das Klischee führt in die Irre. Die Schiffe des Prokonsuls beherrschten
das Meer, Nachrichten aus Italien erreichten Athen in höchstens zwei Wo-
chen. Sulla sammelte Informationen, wie es Carbos Regime ging - etwa
dass der Senat einen Plan vereitelte, aus allen Städten Italiens Geiseln zu
fordern -, und schickte heimlich eigene Abgesandte. Er wollte und würde
kommen, wenn nötig, mit Gewalt; doch ein Empfang als Held und Ord-
nungsstifter entsprach seinen Vorstellungen am ehesten. Sein Weg nach
Rom würde durch Gebiete führen, die vor 88 auf der Seite der aufstän-
dischen Italiker gestanden hatten; also lohnte es sich, persönliche Zusagen
zu geben und eventuell sogar Geschäfte zu tätigen. Wenn für die Truppen
Vorräte bereitstanden, wurde die Aufgabe leichter.106
Umgekehrt war sicher, dass Carbo nicht kampflos aufgeben würde. Sulla
musste Helfer in Italien und den Provinzen kontaktieren oder erst finden.
Die Aristokratie der mittleren und kleinen Städte war zu sondieren; Waf-
fen für lokale Auseinandersetzungen hatten bereitzuliegen. Nur drei römi-
sche Anführer waren je auf Rom marschiert, nur einer davon lebte noch,
und selbst für ihn war die Aufgabe neu, quer durch Italien zu ziehen.
So badete Sulla seine Füße. Erste Folgen seiner speziellen Form von Un-
tätigkeit zeigten sich, ehe das Jahr zu Ende war. In Spanien erneuerte der
junge Marcus Crassus seinen Kleinkrieg gegen die Cinnaner, in Africa er-
hob sich Metellus Pius von neuem. Militär aus Italien zu schicken konnte
sich Carbo nicht leisten. Wahrscheinlich marschierte Sullas Armee gerade
jetzt nach Westen und bezog ihren Startpunkt für die Auseinandersetzung;
der gefürchtete Moment stand bevor - oder würde nach den Wintermona-
ten folgen. Wenn nicht Carbo sie aufhalten musste, dann die Konsuln für
83, deren Wahl man ihm aufgezwungen hatte: Gaius Norbanus, ein Neu-
bürger und Helfer des Saturninus von 103, und Cornelius Scipio Asiagenes,
der mit seinem Verwandten Sulla einen wahren Bruderkrieg führte.107
Eine Flotte von angeblich 1200 Kriegs- und Transportschiffen stand be-
reit, Sullas Kämpfer zu befördern; er selbst nahm von Athen aus den Weg
über Patrai (Patras) am Golf von Korinth. Plutarch spricht vom Hafen von
Dyrrhachium (Dürres in Albanien), der in Caesars Bürgerkrieg zum
Schlüsselpunkt werden sollte; die Überfahrt von der Peloponnes nach Ka-
labrien war deutlich kürzer, also attraktiver, wenn jemand Griechenland
fest in der Hand hatte und den Startzeitpunkt frei wählen konnte. Ein
kleines Kontingent blieb vielleicht zum Schutz der Halbinsel zurück.108
Nahe Dyrrhachium siedelt Plutarch einen bizarren Vorfall an. Ein Satyr
sei vor Sulla gebracht worden, und der erschrockene Feldherr ließ ihn be-
seitigen - falls das Ereignis authentisch ist, nahm Sulla irgendeinen Un-
glücklichen mit massiven Körperbehinderungen als prodigium wahr, als
Warnung der Götter. Der Bericht verknüpft dies mit einer Ansprache an
die Armee, zu der Sulla angeblich die Furcht trieb, nach der Landung könn-
ten die Soldaten ihren Dienst als beendet betrachten und - aus Angst und
Gewissenskonflikten? - einfach nach Hause gehen. Wie viele Imperatoren
nach ihm erklärte er, samt seiner persönlichen Ehre und seiner Familie sei
er, Sulla, nun ganz in ihrer Hand. Jedenfalls boten die Soldaten einen Eid
an, ihm beizustehen; ein vorausschauender Helfer des Feldherrn erweiterte
ihn um das Versprechen, ohne Befehl keine Schäden in Italien anzurichten.
Von Desertionen nach der Landung hören wir nichts; neben materiellen
Vorteilen hielt diese Männer auch die Ausstrahlung ihres Anführers bei
der Stange, der nicht nur siegen konnte, sondern den richtigen Ton traf.109
So machten sich im Frühjahr 83 römische Legionen auf den Weg, Italien
zu besetzen oder kämpfend zu erobern. Ihr Kommandeur, der rechtmäßige
Prokonsul Roms, zählte 15 Befehlshaber mit 450 Kohorten auf der Gegen-
seite; nie bekam er diese angeblich 225000 Mann jemals versammelt zu
Gesicht, und viele von ihnen trugen das erste Mal im Leben eine Waffe.
Dennoch war offen, ob Sullas größtes Abenteuer ihn erhöhen oder er-
drücken würde.110
Das Glück fuhr im ersten Schiff mit. Ohne Widerstand landeten Truppen
im befestigten Hafen von Brundisium - möglicherweise war Verrat der
Garnison im Spiel, vielleicht hatten die Einwohner auch nachgeholfen,
die Sulla später vom Hafenzoll befreite. Sulla selbst legte in Tarentum an,
einige Stationen weiter auf der Via Appia. Gleich nach der Landung opfer-
te er, und auf der Leber fand sich eine Struktur, die dem Abdruck eines
Lorbeerkranzes glich. Schon nach Chaironeia hatte ein Orakel eine sieg-
reiche Heimkehr verheißen. Nun war er entschlossen, die Götter beim
Wort zu nehmen.111
Der Gegner überließ den Sullanern fast kampflos Kalabrien und Apu-
lien; die Einwohner begrüßten sie mit nervöser Zurückhaltung oder
Freundlichkeit. Die Soldaten hielten Disziplin und konnten sich bald über
Zuzug freuen - wie abgesprochen landeten die Aufständischen der äuße-
ren Provinzen, Crassus und der Prokonsul Metellus Pius, mit ihrem Gefol-
ge in Süditalien. Münzen versprachen Italien Frieden und die Rückkehr
des Goldenen Zeitalters.112
Carbo und die Konsuln, die von diesem Defätismus in gut marianischen
Landstrichen entsetzt sein mussten, bereiteten den Zusammenstoß in
Kampanien vor. Eine Hiobsbotschaft schwächte ihre Kräfte: Das Picenum
war im Aufstand, geführt von einem Sohn des unvergessenen Pompeius
Strabo. Der junge Gnaeus Pompeius, weder ein natürlicher Verbündeter
Sullas noch ein Freund der Cinnaner, bewaffnete alte Freunde und Klien-
ten, erschien an der Spitze einer ,Legiön' und sagte den Machthabern in
Rom den Kampf an. Eine eigene Armee musste gegen ihn in Marsch ge-
setzt werden. Sulla rückte vor, um etwas Druck von Pompeius zu nehmen,
traf ihn aber als Siqger an. Der entzückte Oberbefehlshaber redete den
zweiundzwanzigjährigen Freischärler mit „Imperator" an - mit dem Titel,
kommentierte Plutarch erstaunt, „um dessentwillen er mit Scipio und Ma-
rius im Krieg war".113
Das Lager der Gegner von Cinnas Republik nahm so unwahrscheinliche
Personen auf wie einen der Geächteten von 88, Cornelius Cethegus. Doch
Rekrutierungsschwierigkeiten hatten Carbo, Scipio und Norbanus nicht -
Sullas Ruf trieb viele Freiwillige aus Rom und Italien zu den Waffen. Die
Marianer alten Schlages lockte der Name des jungen Gaius Marius, der
nun mit 26 unter die Kommandeure der neuen Armee trat. Vorzeichen
wie ein Erdbeben, bei dem mehrere Tempel Roms einstürzten, verstärkten
die Alarmstimmung.114
Über jene Straße, die er 89 freigekämpft hatte, rückte Sulla mit Metellus
auf Capua vor. Noch vor der Stadt suchte Norbanus ihn aufzuhalten; Sulla
wich aus und näherte sich Capua über die Hänge des Berges Tifata. Bei
Erreichen der Ebene musste er feststellen, dass Norbanus nicht umgangen
war, sondern ihn mit Marius am Übergang über den Fluss Volturnus erwar-
tete. Verhandlungen endeten damit, dass die Abgesandten Sullas so grob
misshandelt wurden wie fünf Jahre zuvor nicht weit von hier die des Senats.
Der Flussübergang wurde erzwungen, Norbanus unter Verlust von angeb-
lich 6000 Mann nach Capua zurückgeworfen; sich selbst rechnete Sulla
ganze 70 Gefallene an. Der Göttin Diana vom Tifata dankte er mit reichen
Geschenken.115
Sofort rückte das Heer der Prokonsuln auf die Armee Scipios los, die
einige Stunden nordwestlich in Teanum Sidicinum (Teano) wartete. Das
getrennte Operieren schuf eine Schwäche, die es auszunutzen galt. Sullas
Ziel war es wohl, auch diesen Gegner entscheidend zu schwächen, ehe
beide Armeen gegen ihn zusammenwirken konnten. Doch auch hier op-
ferte er vorab Zeit für Verhandlungen, sei es auch nur zu Propaganda-
zwecken.116
Anders als Norbanus willigte Scipio in Gespräche ein. Seine Männer
wollten Frieden und trauten sich den Sieg anscheinend nicht zu. Wenn es
wahr ist, dass ihr Konsul auf Versöhnung hoffte, erklärt das, wieso es zu
einer vertraulichen Aussprache kam und ein Waffenstillstand für die Dau-
er der Gespräche geschlossen wurde. Aus Korrektheit verständigte Scipio
den nahen Norbanus darüber; falls der eine Konsul mit Sulla über die po-
litische Zukunft einig wurde, musste der andere sich zumindest fügen. Zur
Debatte stand besonders die für Sulla so problematische Verteilung der
Neubürger auf alle Tribus.117
Als Überbringer der Nachricht wählte Scipio ausgerechnet den ent-
schlossenen Cinnaner Quintus Sertorius, einen der Prätoren. Sertorius leg-
te seine Mission so aus, dass er unterwegs nach Capua mit seiner Eskorte
einen Umweg in die zu Sulla übergegangene Stadt Suessa Aurunca (Sossa)
machte und sie besetzte - das war die Quittung für Sullas Sabotage von
Sertorius' Kandidatur als Volkstribun 88. Zugleich brach er damit den
Waffenstillstand. Eine Protestnote Sullas ging bei Scipio ein; der versuchte
Sertorius nicht einmal einen Gegenbefehl zu erteilen und schickte die Gei-
seln der sullanischen Seite zurück.118
Sulla war nicht untätig gewesen. Schon hatten Scipios Männer und ihre
Kameraden einander gratuliert, das Morden vermieden zu haben. Jetzt
warf ihr Konsul sie scheinbar wieder in den Bruderkrieg. Sie waren reif
für Sullas Plan B - der Invasor rückte in Unterzahl auf sie zu. Die Sullaner
schrien Grüße hinüber, Scipios Leute rannten ihnen wie ein Mann ent-
gegen, und binnen Minuten war das Lager eine Geisterstadt, Scipio ein
Gefangener. Auf seine Seite ziehen konnte Sulla den verzweifelten Konsul
jedoch nicht. Am Ende entließ er ihn.119
Auf einmal besaß Sullas Heer neun Legionen statt fünf. Er ließ Norba-
nus links liegen und rückte weiter auf Rom vor. Indirekt manövrierte er
den besiegten Konsul dadurch aus Capua hinaus; Norbanus zog sich bis auf
Praeneste zurück, um dem Feind den Weg nach Latium zu verlegen. Ser-
torius, der Mann der Stunde, zerstritt sich mit seinen Vorgesetzten und
ging nach Etrurien, von wo aus er - wohl erst 82 - in seine spanische Pro-
vinz aufbrach. Er sollte Sullas ausdauerndster Feind bleiben.120
Ein neuer Ton kam in den Krieg. Seit dem Aufbruch von Capua begannen
Sullas Soldaten zu plündern; jeder, der nach dem Vertrauensbruch von
Teanum noch Waffen gegen ihn trug, sollte als Feind behandelt werden,
erklärte er. Der Anlass für diesen Strategiewechsel war propagandistisch
ideal. Zur gleichen Zeit verwandelte sich am 6. Quinctilis - Juli hieß der
Monat erst nach Caesar - der Tempel für Roms Schutzgott Jupiter Opti-
mus Maximus auf dem Kapitol durch die Unaufmerksamkeit eines Nacht-
wächters in rauchende Trümmer. Sulla, den seine Feinde zweifellos ver-
dächtigten, will schon zuvor eine Warnung erhalten haben ... und
beschuldigte indirekt die Samniten als Brandstifter.121
Carbo soll das Uberlaufen der vier Legionen mit den Worten quittiert
haben, in Sullas Verstand wohnten ein Löwe und ein Fuchs zugleich - und
schlimmer sei der Fuchs. Zumindest nutzte er das Debakel seiner Rivalen,
um in Rom für klare Verhältnisse zu sorgen. Auch Metellus und alle Sena-
toren, die sich bei Sulla aufhielten - inzwischen zählten Moderate wie der
princeps senatus Flaccus dazu -, wurden nun als Staatsfeinde geächtet; egal
wer gewann, schon jetzt waren viele Hinrichtungen gewiss. Als Konsul für
82 setzte sich Carbo durch, flankiert vom magischen Namen Marius, der
sogar gegen die zahlreichen Desertionen wirkte.122
Trügerische Ruhe breitete sich im Spätsommer 83 aus. Beide Seiten ver-
mieden einen großen Zusammenstoß. Carbo und die Seinen stellten neue
Truppen in der Poebene, Latium und dem noch gehaltenen Teil Kampa-
niens auf, die Angreifer taten im Süden dasselbe. Pompeius kehrte nach
Picenum zurück, umgekehrt ging Sertorius nach Spanien. Mit Kriegs-
müdigkeit hatte dieses Verschieben der Spielfiguren nichts zu tun. Falls
die überlieferten Zahlen stimmen, waren einige Prozent der Bevölkerung
Italiens mobilisiert - wer sollte die Ernte einbringen? Beide Seiten muss-
ten zwischen Hungersnöten und militärischen Zielen balancieren; es stand
fest, dass die Entscheidung erst im Frühjahr 82 fallen konnte.123
Ein strenger Winter trug dazu bei, den Krieg im Großen einschlafen zu
lassen. Anders sah es wohl in den Städten aus; alte Familien- und Nach-
barschaftsrivalitäten richteten sich im Magnetfeld des großen Konflikts aus
und fanden neue Energie. Man diskutierte in Stadträten und Bürgerver-
sammlungen, man traf sich heimlich, überdachte Angebote, Versprechen
und Chancen; zahlreiche italische Repräsentanten schlössen in diesem
Winter einen Vertrag mit Sulla, der ihnen die neuerworbenen Rechte ga-
rantierte, während andere - voran die Veteranen des Marius - die Seite
Roms wählten.124
Mit dem Ende des Winters war die Zeit des Nachdenkens vorbei. Italien
wurde zum Schauplatz verlustreicher Schlachten, die sich mit nichts in der
jüngeren Geschichte vergleichen ließen. 23 Legionen standen nun auf der
Seite der Sullaner. Metellus war bereit, vom Picenum aus im Zusammen-
spiel mit Pompeius in die Poebene einzubrechen. Carbo, der gegen sie
kommandierte, schloss Metellus, der am Apenninabhang auf Ariminum
(Rimini) vorrücken wollte, ein. Zur Schlacht kam es nicht; alle blickten
nach Süden.125
Sulla marschierte, siegessicher genug, um klagende Prozessparteien
schon einmal nach Rom zu bestellen, wo er bald richten werde. Marius'
Truppen gaben Ort um Ort preis, während ihr junger Konsul seine Gele-
genheit suchte; Sulla rückte auf seiner Schicksalsstraße, der Via Latina,
nach, seinen linken Flügel sicherte zum Meer hin ein Korps unter Corne-
lius Dolabella, das sich auf der Via Appia die Küstenebene entlangbeweg-
te.126
Die Bergkette des Lepinus, die sich jetzt zwischen Sulla und Dolabella
schob, gab Marius einen Vorteil. Am Oberlauf des Liris, an einem Ort
namens Sacriportus oder Portus sacer in der Gegend des heutigen Porta
Piombinara bei Signia (Segni), löste er sich ein letztes Mal von Sulla und
stellte seine Armee schlachtbereit hinter Verschanzungen auf. Selbst wenn
Dolabella jetzt auf die Via Latina hinüberschwenkte, kam er vielleicht zu
spät. 85 Kohorten erwarteten die anrückenden Sullaner. Dichter Regen
fiel auf die müden Legionäre. Die ersten warfen ihre Schilde in den
Schlamm und legten sich kraftlos darauf. Bestürzte Militärtribunen dräng-
ten Sulla, den Kampf abzubrechen und ein Lager aufzuschlagen; widerwil-
lig gab er nach. Diesen Moment wählte Marius für einen Generalangriff.
Sullas Veteranen aber warfen ihre Schanzwerkzeuge hin und gingen mit
dem blanken Schwert zum Nahkampf über. Der Sieg des Löwen war voll-
kommen, und nur noch an einem Seil konnte der konsternierte Marius sich
hinter den Mauern von Praeneste in Sicherheit bringen ...127
Wie sich die Bilder gleichen: Das Gemetzel von Sacriportus erinnert
verdächtig an den Ausgang von Chaironeia, mit einer Prise Orchomenos
beim Angriff auf die Legionäre; sogar der Strick, an dem sich Archelaos
hochzog, lag zum Klettern für Marius bereit. Viel vom tatsächlichen Ver-
lauf ist damit durch eine Propagandawolke verhüllt; ob Sulla es wirklich
riskierte, zu Tode erschöpfte Legionäre in schwerem, regennassem Boden
graben zu lassen, bleibt sein Geheimnis. Plutarch und Appian haben nur
die größte Lügengeschichte ausgeschieden, Marius habe seine Niederlage
verschlafen. Interessanter ist das Detail, dass auf Marius' linkem Flügel -
der starke rechte trennte Sulla von Dolabella - beim ersten Zeichen eines
Rückschlags fünf Kohorten und zwei alae Kavallerie ihre Feldzeichen weg-
warfen und geschlossen überliefen. Das wirkt wie sorgfältige Vorarbeit -
also Verrat. Es war wirklich ein geschäftiger Winter gewesen.128
Zumindest die Vernichtung von drei Vierteln der marianischen Armee -
20000 Tote, 8000 Gefangene, 3500 Überläufer - muss überzeichnet sein.
Die Festung Praeneste sollte sich zum Schlüssel des Krieges entwickeln.
Nur wegen des über die Mauer gezogenen Marius? Plausibler ist, dass sich
der harte Kern seiner Armee in die Stadt rettete, der, wenn befreit, den
Ausschlag geben konnte - sicher 10000 bis 12000 Kämpfer, vielleicht noch
mehr. Sulla blieb nichts übrig, als sie durch ein Korps unter dem Komman-
do des Lucretius Ofella, eines abtrünnigen Marianers, einzuschließen. Sei-
ne Unzufriedenheit zeigt sich vielleicht in der Grausamkeit, mit der er alle
gefangenen Samniten hinrichten ließ - sie seien unverbesserliche Feinde
der Römer. Mit ihm würde es für diesen Teil Italiens keinen Ausgleich
geben.129
Der Sieg war knapp, seine Folgen dramatisch. Als ihn die Nachricht er-
reichte, gab Carbo die Einschließung von Metellus auf. Seinen geordneten
Rückzug in die Festung Ariminum belästigte Pompeius' Freischärlertrup-
pe; fünf Kohorten desertierten zu Metellus, obendrein besiegte Lucullus'
Bruder Marcus etwa zur selben Zeit einen weiteren Teil von Carbos Ar-
mee.130
Sobald Praeneste eingeschlossen war, lag der Weg nach Rom offen.
Angesichts der Rückschläge und unter dem Eindruck des Verrats kam
Marius der Gedanke, die Schuldigen oder doch Leute, die sie begünstig-
ten, säßen im Senat. Ein Kurier erreichte den praetor urbanus Iunius Bru-
tus Damasippus. Brutus berief den Senat ein und führte vor, wie nun mit
unsicheren Kantonisten umgesprungen wurde. Bewaffnete stürmten in die
Kurie und machten Carbos leiblichen Bruder nieder - Verwandtschaft
zählte nicht, nur die richtige Einstellung. An der Tür erstach man Domi-
nus Ahenobarbus, Konsul von 94, wenige Schritte weiter den Pontifex
maximus Mucius Scaevola. Kurz nach dieser Amtshandlung gaben Brutus
und die Seinen die Hauptstadt auf. Die Tempelschätze hatte man nach
Praeneste geschafft.131
Die letzten unentschlossenen Mitglieder der Vermittlerfraktion hatten
die Rache Sullas riskiert, nun tötete man sie als Sullas Fünfte Kolonne.
Den einzigen Gewinn hatte Sulla: Brutus lieferte ihm den Beweis, dass
den Cinnanern nichts heilig war, und die Rechtfertigung für jede Art Ver-
geltung. Gerade deswegen ist die Version, welche Marius die Schuld gibt,
nicht über jeden Zweifel erhaben.132
Natürlich zog Sulla in Rom nicht ein. Der Prokonsul hielt sich peinlich
genau an die Form. Der überlieferte Befehl an seine Legionen lautete,
Roms Tore zu besetzen, falls das kampflos möglich sei, und ansonsten auf
Ostia vorzurücken. Das Aushungern der Großstadt war das bequemste
Mittel, um die Übernahme der Verantwortung gebeten zu werden. Appian
lässt ihn Rom selbst betreten, ein Rechtsbruch, der immerhin die großen
Lücken bei Plutarch erklären könnte, aber unnötig war. Hätte er die heili-
ge Grenzlinie des pomerium überschritten, wäre sein Kommando formal
erloschen. Es war viel eleganter, Senat und Volk nacheinander auf dem
Marsfeld einzuberufen und ihnen seinen Standpunkt vorzutragen. Sulla
verlor keine Zeit, sich bei den Cinnanern zu revanchieren, und Heß deren
Besitz versteigern. Dem Volk erklärte er, wie sehr er die gegenwärtige
Unsicherheit bedaure; bald werde jetzt Stabilität in der Republik einkeh-
ren. Parteigänger, über die wir leider nichts Näheres wissen, übernahmen
die Kontrolle in Rom, wohl gestützt auf Straßenbanden und vielleicht eine
Auswahl schlagkräftiger Soldaten. Unter den Blicken der Bürger mar-
schierten ihre neuen Beschützer nach Norden davon.133
Noch war der Krieg nicht gewonnen; Rom würde als Kampfpreis auf den
Sieger warten. Metellus kam nicht gegen Ariminum voran und setzte des-
wegen Truppen in Ravenna an Land, die Carbo jede Verstärkung aus den
Provinzen abschneiden sollten. Im Süden hielten sich cinnanische Enkla-
ven wie Neapolis, das den Vorteil seiner Mauern und einer eigenen Flotte
hatte; Sullas Truppen drangen bei Nacht ein und richteten unter den Ein-
wohnern ein Massaker an.134
Carbos Plan war anscheinend, auf mehreren Wegen über Rom vorzusto-
ßen und so die Eingeschlossenen in Praeneste zu erreichen. Seine Haupt-
macht traf mit Sullas Truppen ohne klares Ergebnis bei Clusium (Chiusi)
auf der Via Cassia zusammen. Etwa gleichzeitig hatte sich Carbos Legat
Carrinas über den Apennin bewegt; ihm folgten Pompeius und Crassus,
besiegten ihn bei Spoletium (Spoleto) und schlössen ihn dort zeitweise ein.
Jetzt entschied Carbo sich zu einem Kraftakt und suchte Sullas Truppen zu
binden, während er acht Legionen unter Marcius Censorinus an ihm vor-
beischickte, um Praeneste freizukämpfen. Ein Überfall des Pompeius jagte
sie auseinander. Ganze sieben Kohorten zeigten sich wieder bei Carbo, der
nun auf Sulla und Metellus gleichzeitig achten musste.135
Weitaus gefährlicher wurde der Anmarsch einer Armee, die angeblich
aus 70000 Mann bestand, darunter etwa 40000 Samniten unter Pontius
Telesinus, einem Feldherrn des Bundesgenossenkrieges. Verstärkt durch
Kontingente aus Lukanien und Capua drangen sie auf Praeneste vor. Sulla
in Etrurien löste sich hastig von Carbo und kam in Eilmärschen recht-
zeitig auf die andere Seite Roms, um den Anmarschweg zu sperren und
unterwegs Carrinas zu besiegen, dessen Route er bei Volsinii (Bolsena)
kreuzte.136
Carbo nutzte Sullas Abwesenheit, um sich den schwächeren Metellus
vorzunehmen. Kurz vor Ravenna überfielen er und Norbanus das Lager
des Prokonsuls bei Faventia (Faenza); für die Angreifer ging es katastro-
phal aus. Albinovanus Pedo, Führer einer Legion aus Lukanern, kam ohne
Männer zu Norbanus zurück und erntete Vorwürfe. Um zumindest bei
Sulla gut angeschrieben zu sein, lud Pedo - einer der zwölf Geächteten
von 88 - alle hohen Offiziere zum Abendessen ein und ließ sie nieder-
machen. Dieser Schlag führte zur Kapitulation mehrerer Städte, darunter
des so hart verteidigten Ariminum. Norbanus beschloss, alles sei aus, und
floh übers Meer. Metellus konnte die desorganisierten Reste der Nord-
armee in Ruhe unschädlich machen.137
Damit ruhte die schwindende Hoffnung der Cinnaner auf Carbo und
Praeneste. Ein Teil von Carbos Truppen wandte sich nach Norden, um dort
zu retten, was zu retten war; Marcus Lucullus besiegte sie bei Placentia
(Piacenza). Mit zwei Legionen sollte Brutus Damasippus den Vorstoß auf
Praeneste wiederholen. Doch Sulla hielt, halb selbst belagert, gegen die
vereinten Kräfte der Samniten und ihrer Verstärkung aus. Entmutigt kehr-
te Brutus zu Carbo zurück, der nun auch vom Debakel bei Placentia er-
fuhr. Die Cisalpina war verloren, Metellus' Marsch nach Süden nur eine
Frage von Wochen. In diesem Moment ließ der Konsul seine Armee im
Stich und floh mit seinen Ratgebern nach Nordafrika. Selbst wenn er die
ehrliche Absicht hatte, dort weiterzukämpfen, waren die Aussichten mise-
rabel, und Carbo musste das wissen.138
Die Verlassenen sahen sich plötzlich den Truppen des Pompeius gegen-
über. Der selbsternannte Feldherr richtete ein Blutbad an. Carrinas, Bru-
tus und Censorinus sammelten die Überreste, stießen zu Telesinus und
warfen sich noch einmal vergebens auf Sullas Riegel vor Praeneste - wie-
der traten viele verzweifelte Soldaten auf eigene Faust den Heimweg an.
Ihr Konsul war entlaufen, Marius eingeschlossen, Scipio hatte sich seit Tea-
num aus der Kriegführung verabschiedet.139
Die Lebenserwartung der letzten cinnanischen Armee bemaß sich maxi-
mal an der Marschdauer von Metellus' Truppen; möglich, dass schon das
Nachsetzen des Pompeius ihnen den Garaus machen würde. Für dritte und
vierte Durchbruchsversuche fehlte ihnen die Zeit. In dieser verzweifelten
Lage kam ihnen der Gedanke an Rom. Die Stadt lag, wie sie wussten,
praktisch offen da. Was sie damit wollten, ist eine ebenso offene Frage.
Ein Marsch auf Rom konnte, ja musste Sulla aus seiner Stellung manövrie-
ren; das war ihre Chance, ihn entweder zu besiegen, falls sie sich noch stark
genug fühlten, oder aber den Ring um Praeneste zu durchbrechen. In Rom
selbst ließ sich zumindest ihr Leben verlängern, bis vielleicht Verstärkun-
gen bei Ostia landeten oder ein anderes Wunder geschah.140
Die Version der Sieger sieht anders aus. Vellerns Paterculus, Nachfahre
italischer »Kolaborateure* auf Sullas Seite, lässt Pontius Telesinus eine
Hasspredigt gegen Rom als Nest jener Wölfe halten, die Italien verheert
hätten; es sei an der Zeit, das Nest auszuräuchern. Die Brandstifter wären
in diesem Fall am Tatort oder in dessen Nähe massakriert worden. Dass
Rachewünsche unter den Samniten umgingen, ist immerhin denkbar, die
Cinnaner insgesamt aber waren keine Sozialdarwinisten und keine Vor-
denker des totalitären Staates; sie waren eine unterlegene Bürgerkriegs-
partei mit dem Rücken zur Wand, die Auswege suchte. Die Beobachter in
der Stadt jedoch konnten fürchten, jetzt endlich komme in Gestalt des
gefürchteten Telesinus der Bundesgenossenkrieg nach Rom. Diese Angst
wurde später das Sinnangebot auch für alle überlebenden Römer, die in-
nerlich auf der unterlegenen Seite gestanden hatten. Der Tod näherte sich
der Stadt, die absolute Zerstörung, ein neuer Galliersturm; nur ein Wunder
konnte ihn aufhalten.141
Von der Blockadestellung nach Rom war es ein Tagesmarsch, je nach
Wegstrecke höchstens zwei. Bei Nacht verließ die Armee der Cinnaner -
oder der Italiker oder der Republik, je nachdem, wen man fragte - ihr
Lager und marschierte um die Albaner Berge herum. Pompeius, der sich
von Nordwesten näherte, würde ins Nichts laufen, Sulla bemerkte ihr Ab-
rücken erst nach Stunden und fand ihre neue Position noch später heraus.
Tagsüber - es war der 31. Oktober 82 - lagerten die angeblich 70000 Mann
am Albaner See. Bei Nacht rückten sie bis unter die Mauern Roms vor und
verschanzten sich.142
Was im Lager des Prokonsuls vorging, erfahren wir nicht. Sulla rührte
sich den ganzen Tag nicht von der Stelle, weil er den Gegner bei Alba zwar
endlich ausgemacht hatte, aber - wie zwei Kinder, die Nachlaufen rund um
einen Baum spielen - darauf gefasst war, die Cinnaner würden, egal in
welcher Richtung er das Bergmassiv umkreiste, die andere wählen. Erst
in der Nacht, wohl kurz vor der Dämmerung, traf die Nachricht ein, der
Feind stehe vor Rom. Jetzt wusste Sulla, dass er sie nicht verfehlen konnte,
und setzte alles in Bewegung. Wäre es ihm von Anfang an um den Schutz
Roms gegangen, hätte er doppelt so schnell da sein können wie die Cinna-
ner auf ihrem Umweg; doch er wollte allein die Armee.
Eine Nacht der Ungewissheit endete für Rom. Am Morgen des 1. Novem-
ber attackierte eine improvisierte Reitertruppe aus der Stadt vergebens die
potentiellen Belagerer. Stundenlang herrschte Panik, als käme der wieder-
geborene Hannibal zum Frühstück vorbei. Plötzlich sorgten Reiter für
neue Aufregung, eine Vorausabteilung von gerade 700 Mann unter Octa-
vius Baibus. Er legte eine kurze Atempause ein, dann attackierte er - eher
symbolisch - die ihm nächsten Feinde. Sein weiteres Schicksal ist unbe-
kannt.143
Sullas gesamte Kavallerie muss weit größer gewesen sein; vermutlich
hatte er sie auf die verschiedenen denkbaren Marschrouten des Feindes
verteilt. Er selbst erschien mit der Vorhut, offenbar ein oder zwei Legionen,
und Heß sie gegen Mittag ein eigenes Lager beim Tempel der Venus Eryci-
na nördlich der Porta Collina errichten, an der Via Salaria. Danach schickte
Sulla alle zum Essen - ein sicheres Zeichen, dass er den Kampf erwartete.
Seine weiteren Truppen konnten noch nicht vollständig heran, geschweige
denn aufmarschiert sein; bald brach die zehnte Stunde des antiken Sonnen-
tages an, also blieben nach unserer Rechnung noch zweieinhalb oder drei
Stunden Tageslicht. Sullas Offiziere bestürmten ihn, nicht mit erschöpften
Männern in die Schlacht zu ziehen. Er ließ zum Angriff blasen.144
Die Schlacht an der Porta Collina führte ein überrumpelter, offenkundig
wütender Sulla gegen einen Feind, der einen Tag Ruhe gehabt hatte. Seine
Nachhut war wohl noch auf der Via Labicana unterwegs. Der taktische
Sinn des Vabanquespiels konnte höchstens darin bestehen, die Cinnaner
am Rückzug durch Rom auf das westliche Tiberufer zu hindern; jede an-
dere Bewegung hätte Sulla auch nachts zumindest stark behindern kön-
nen, und Pompeius war höchstens Tage entfernt. Sulla aber wollte um je-
den Preis Schluss machen.
Im abnehmenden Herbstlicht entwickelte sich der Albtraum eines
Strategen. Der Kampf, wild, hart und unübersichtlich, brach in zwei Ein-
zelgefechte auseinander; die Entkräftung der Sullaner begünstigte das
Aufreißen der Lücke. Beide Seiten scheinen anfangs etwa parallel zur
Stadtmauer gestanden zu haben. Crassus auf dem rechten Flügel, wohl
mit den vom Marsch ,erholten' Lagerbauern der Vorhut, drang schnell und
erfolgreich vor; die Linke dagegen drohte zu unterliegen. Sulla wäre fast
aus dem Sattel geschossen worden. Verzweifelt zog er eine Statuette des
Apollon heraus und bedeckte sie mit Küssen. „Pythischer Apoll, du hast
Cornelius Sulla den Glücklichen in so vielen Auseinandersetzungen ruhm-
reich und groß gemacht, und jetzt hast du ihn vor die Tore seiner Heimat
geführt, nur um ihn niederzustürzen, dass er schmählich mit seinen Lands-
leuten zugrunde geht?" So gab er später - als er sich schon Felix nennen
ließ - sein Gebet wieder.145
Der linke Flügel löste sich auf; was nach Rom durchkam, stürzte in die
Stadttore. Sulla selbst floh ins Lager, ohne zu wissen, ob er es halten konn-
te. Als Zuschauer sah er die Reste seiner Legionen gegen die Stadt ge-
drängt im Abenddunkel verschwinden. Versprengte bestürmten Ofella
vor Praeneste, schleunigst zu fliehen; alles sei verloren. Ofella rührte sich
nicht vom Fleck. Er war einer von zwei Männern, die den Ausgang ent-
schieden. Der andere war Crassus.146
Die Nacht schritt langsam voran. Unter den Mauern hatten die Sullaner
dank ihrer Kampferfahrung die Oberhand gewonnen, drängten die Cinna-
ner zurück und brachen zuletzt in deren nahes Lager ein; dort fiel Telesi-
nus. Noch früher erreichten Boten den verschanzten Sulla. Crassus ließ
melden, er habe mit dem rechten Flügel in der Tiberschleife, drei Kilo-
meter nördlich, die besiegten Feinde in Antemnae (Monte Antenne) ein-
geschlossen. Sulla, nach dessen Wissen die fehlende Hälfte der Cinnaner
ebenso gut auf dem Weg nach Praeneste hätte sein können, war zweifellos
zufrieden.147
Der Imperator, gegen den sein Heer die Schlacht gewonnen hatte,
schwang sich aufs Pferd und erschien in der Frühe des 2. November vor
Antemnae. Einwohner baten um Gnade; Sulla ließ erwidern, sie sollten
erst die Besatzung erledigen. Nach dem Gemetzel wurden alle Überleben-
den nach Rom getrieben. Kavallerie schwärmte aus, um die Nachricht zu
Pompeius und, wichtiger, nach Praeneste zu bringen. Sulla wandte sich
nach zwei schlaflosen Nächten und sechs Jahren Abwesenheit der Stadt
zu, die seinen Willen erwartete. Unterwegs kreuzte er die unsichtbare Li-
nie, welche die antike Nachwelt - die in Charakterfragen keine Grautöne
kennen wollte - zwischen Sulla dem Guten und Sulla dem Bösen zog.148
III. Der Konterrevolutionär
Ein soziales Experiment
Das Wetter am Morgen des 2. November 81 hat niemand überliefert. Ob
Nebel, Sonne oder Wolken, der Sieger nahm einen Weg weitab vom
Schlachtfeld, wo angeblich 50000 oder mehr Leichen auf einigen Quadrat-
kilometern verstreut lagen. Noch immer konnte Sulla Rom nicht betreten,
also ließ er den Senat zu sich aufs Marsfeld kommen, in den Tempel der
Bellona, errichtet in den Samnitenkriegen. Gleich nebenan trieb man alle
gefangenen Cinnaner in die Villa publica, das Gästequartier für Staats-
besucher. Offenbar war das Gelände - andere nennen den Circus Flami-
nius - ummauert und gut zu bewachen.1
Dass Sulla sich diesen Augenblick anders vorgestellt hatte, ist sicher.
Beinahe hätte sein Kopf auf einer samnitischen Lanze gesteckt, und er
musste wissen, dass das seine Schuld gewesen wäre. Vor dem Betreten des
Tempels gab er einige kurze, gewiss nicht ganz kaltblütige Befehle.
In Sullas Eröffnung mischten sich nach wenigen Worten Schreie, deren
Art und Zahl nur so zu verstehen war, dass man große Teile der Gefange-
nen systematisch abschlachtete. Unter sie flogen Speere, wohl in Salven
geworfen wie in einer Schlacht. Mehrere tausend Menschen sterben nicht
schnell, auch nicht unter dem antiken Äquivalent von Maschinengewehr-
garben. Die Senatoren waren vor Entsetzen außer sich; ihre Ausrufe über-
tönte Sullas gleichmütige Stimme: „Zur Sache, versammelte Väter; man
tötet auf meinen Befehl einige wenige Aufrührer." Dann fuhr er in seiner
Rede fort, während viele Zuhörer - so stellte ein Autor der Kaiserzeit sich
das vor - die Sterbenden draußen beneideten.2
Die einfachste antike Rubrik für den Vorfall war „Grausamkeit", crude-
Utas. Sulla rächte sich an seinen Feinden, das war üblich und angekündigt.
Doch er übertrieb es. Auf dem Schlachtfeld hätte man die Cinnaner um-
bringen können, das wäre „streng", aber nicht „grausam" gewesen. Oder
weidete sich Sulla sadistisch, wie wir sagen würden, an den Schreien seiner
Opfer und zugleich am Anblick der Senatoren, die nicht wussten, was noch
geschehen würde? So verhielten sich Tyrannen. Man hätte demnach den
Machthaber gewechselt, nicht die Freiheit wiederbekommen.3
Kinder des 20. Jahrhunderts - das seine Opfer vor dem Massenmord
oder der Deportation gern in Sportstadien zusammentrieb - suchen eher
nach einem rationalen Grund. Der Senat kommt in den Blick. Zuverlässi-
ge, spät Übergelaufene und jene, die nicht auffallen durften, saßen hier
Seite an Seite, und Sulla wollte, dass sie Zeugen des Vorgangs wurden. Es
ergab guten Sinn, gleich klarzustellen, was „böse Menschen" zu erwarten
hatten. Aber die Geste erfüllte auch gute Sullaner mit Angst. Sie hatten
vielleicht in jungen Jahren Dachziegel auf die Saturninus-Anhänger ge
schleudert oder 87 mit Octavius das Forum gestürmt; im Krieg getötet
hatten die meisten - doch so nicht. Auf einmal schien ein Menschenleben
billig. Sullas nächster Schritt, die - anachronistisch gesprochen - Säube-
rung der Oberschichten Roms, lag damit in der Luft.4
Ein anderes Motiv, kalkulierter Völkermord, ist schon im 19. Jahrhun-
dert erwogen worden. Zwar schwanken die Opferzahlen, aber fest steht,
dass alle gefangenen Samniten unter den Ermordeten waren. Noch Velle-
rns glaubte die Version, es sei ihnen vor der Porta Collina um die physische
Vernichtung Roms gegangen. Die Samniten waren „böse" und wurden
später als die einzigen Italiker hingestellt, die den Kampf nicht aufgegeben
hatten - ideale Sündenböcke also. Doch es seheint, als wäre bloße Aus-
grenzung Sulla zu wenig gewesen; Rom werde keine Ruhe haben, solange
nur ein Samnit lebe, wird er zitiert. Wenn er jetzt Tausende töten ließ,
verschwand dieses Volk für zehn, zwanzig Jahre von der politischen Land-
karte, wurden Tausende Familien zu Bettlern, denen der Hungertod droh-
te. Es hat seitdem keinen samnitischen Beitrag zu den römischen Bürger-
kriegen gegeben. Insofern ging das unterstellte Kalkül auf.5
Einen Bück wert sind diejenigen, die das Massaker ausführten. Auch
Sullas Soldaten waren der Vernichtung selten näher gewesen; eine
Schlacht im Dunkeln, damals die große Ausnahme, hatte die Todesangst
auf die Spitze getrieben, von den körperlichen Strapazen zu schweigen.
Mit den Samniten hatten viele Sullaner seit 91 Kämpfe ausgestanden -
die übrigen Gefangenen scheinen in der antiken Wahrnehmung verblasst
zu sein - und nach Sacriportus hatte man diese Leute schon einmal aus-
sortiert und liquidiert. Das Zögern, dem Tötungsbefehl zu folgen, wird
gering gewesen sein.
Was sich weiter an diesem ersten Tag abspielte, ist im Einzelnen so umstrit-
ten, wie es wegweisend für die spätere.Fntwicklung wurde. Fest steht nur
der Terminplan, die in Schrecken 4|iUroh>Senatssitzung, der zweifellos
eine Volksversammlung folgte. ProfonsteSulla stand vor der Aufgabe,
aus einer Funktion heraus Rom zu tegiere^ die dafür nicht gedacht war;
er brauchte förmliche wie moralische Legitimation, die Stadt wartete auf
Andeutungen, wie es weitergehen sollte. Und Sulla hatte seine Verspre-
chen einzulösen, Ordnung und Rache.
Die Bilanz der Amtshandlungen (acta) Sullas in den letzten sechs Jahren
bildete das Vorspiel zu zwei Akten, um die der dezimierte Senat nicht
Abb. 6: L Cornelius Sulla (?). Porträtbüste, Marmor. München, Glyptothek

herumkam: Er hatte besagte Handlungen zu billigen; dem entsprach die


Aufhebung der hostis-Erkläw^ durch Cinna und Carbo. Jetzt erst wa
Sulla der Rebell wieder für al 'er z u 1 er Prokonsul.6
Ein logischer nächster Sehn g e n Striesen, nun die Cinnaner zu Staats-
feinden zu erklären. Einen ^ sein Op;atsbeschluss aber gab es nie. Zwei
Motive dafür werden dis^utie,: mit dfiiZl auf die geteilte Überlieferung zu
dem, was folgte. Laut Plutarch una anderen begann mit dem Sieg eine Zeit,
in der ungestraft alles Mögliche geschah. Glauben wir ihnen, dann hätte
Sulla absichtlich keine Erklärung verlangt, um seinen Spielraum nicht ein-
zuschränken. Erst später reagierte er zögernd und unwillig.7
Konkurrierend berichtet Appian, schon in der Volksversammlung vom
3. November habe Sulla Details zu dem angekündigt, was wir als Proskrip-
tionen kennen. In diesem Fall hätte schon der Senat erfahren, dass Sulla
über die 88 kreierte hostis-Erklämng noch deutlich hinausgehen w
Laut der modernen Deutung einer Bemerkung Ciceros hätten die Sena-
toren sich daraufhin geweigert, unter solchen Umständen die strafende
Instanz zu spielen. So habe Sulla seine Racheakte auf die eigenen Schul-
tern als Prokonsul genommen.8
Offener Widerstand der Senatoren erscheint aber schlicht unwahr-
scheinlich; wer sich in die Kurie gewagt hatte, zählte zu denen, die kürzlich
von den Cinnanern mit dem Tod bedroht worden waren - »radikaler' Sul-
laner oder nicht - oder musste gerade, weil er suspekt war, jetzt Härte
zeigen. Die Allianz der Sieger war nicht mehr der Senat von 88 oder selbst
84. Sulla wiederum, der im Krieg durch Unberechenbarkeit Erfolge gefei-
ert hatte, konnte sich durch eine frühzeitige Festlegung auf bestimmte Ra-
chepläne nur die Hände binden. Auch politisch scheint er nicht mit einem
fertigen Maßnahmenpaket in der Tasche erschienen zu sein, sondern nahm
sich tagelang Zeit, um seine Möglichkeiten auszuloten.
So beließ er es vermutlich bei allgemeinen, aber drohenden Bemerkun-
gen. Die Plebs sah sich wie ein auf Bewährung Verurteilter angesprochen.
Sulla werde in ihr einen Wandel zum Guten herbeiführen, wenn sie ihm
gehorche. Von seinen Feinden habe kein Einziger mit Schonung zu rech-
nen - im Gegenteil, er versprach strengste Strafen. Das schließe jeden
Einzelnen ein, der seit dem Waffenstillstand von Teanum noch seinen
Feinden gedient hatte: Magistrate, Soldaten und andere.9
Noch an diesem Tag fassten die Verfolger zwei cinnanische Anführer,
Marcius Censorinus und Carrinas. Sulla befahl umgehend ihre Hinrich-
tung; dass er Carrinas die Kehle durchschnitt, ist ein späteres Märchen.
Die Rutenbündel seiner Liktoren, in denen Beile steckten, waren nicht
rein symbolisch gemeint; wie gewöhnliche Kapitalverbrecher wurden die
beiden erst blutig geschlagen, dann enthauptet.10
Einige Tage lang „konnte man ungestraft Menschen töten", klagte Cicero
noch zu Sullas Lebzeiten; die vagerj,I^ror/ungen hatten zur Selbstjustiz
geradezu ermutigt. Soldaten, Parte' ojfemsifi|rofiteure des Chaos beglichen
ihre Rechnungen; wer Cinnaner ^|e,gief^gterben, wen man töten woll-
te, nannte man einen Cinnaner.11 V^e>Li$g£
Die Zustände auf den Straßen wurb^n bald sogar den Anhängern Sullas
zu viel. Hetzjagden auf römische Bürger - auch Unschuldige, ja Sullaner -
in den Grenzen der Hauptstadt waren ein Bruch mit allen Prinzipien. Man
war im Namen der Ordnung nach Italien gekommen; es wurde Zeit, Ord-
nung herzustellen, ehe die Stadt unregierbar wurde. Schon begann sich die
spätere Ansicht zu formen: Sulla vollzog die Rache für den grausamen Sieg
der Cinnaner, aber unter furchtbaren Verlusten und in einer Weise, die der
Republik verhängnisvoll war.12
Der Prokonsul gab dem Drängen nach und versammelte den Senat. Ein
Senator fragte angeblich, wann man mit Details rechnen könne; „denn wir
bitten dich nicht, die Strafe derer aufzuheben, deren Tod, sondern die Un-
gewissheit derer zu beenden, deren Überleben du beschlossen hast". Wenn
die zur Schau gestellte Ohnmacht des Sprechers - wie gegenüber einem
Tyrannen - keine spätere Zutat ist, packte er damit den alten Optimaten
an seiner Ehre. Hatte er nicht die Senatsherrschaft wiederherstellen wol-
len?13
Sulla wollte sich weiter nicht festlegen lassen; er könne noch nicht abse-
hen, wen er verschonen werde, erwiderte er. Er hatte lediglich eine klare
Vorstellung, was für Leute auf jeden Fall sterben sollten; bei Grenzfälen
oder Kriterien war er noch nicht. „Dann teile die mit, die du bestrafen
wirst", forderte der Fragesteller. Das versprach Sulla. Der Senat war be-
rechtigt, Erleichterung zu empfinden: man würde eine Art »Positivliste4
bekommen, ein Ende mit Schrecken statt eines Schreckens ohne Ende.
Ein Sondergericht oder einige letzte Liquidierungen würden wie gewohnt
diesen Rest abarbeiten.14
Was geschah, war Folgendes: Eine Liste mit achtzig Personen, Teü einer
längeren Bekanntmachung des Prokonsuls, wurde angeschlagen - proscri-
bere war der Ausdruck für diesen Vorgang. Außer den Namen - darunter
Marius der Jüngere, Carbo und Norbanus - enthielt das Edikt die Erklä-
rung, jeder der Aufgeführten habe sein Bürgerrecht verwirkt und könne
von jedermann straflos getötet werden. Wer sie anzeigte oder ihren Tod
nachwies, hatte die enorme Summe von 12000 Denaren aus ihrem Ver-
mögen zu erwarten, das natürlich verfallen war, denunzierende Sklaven
der Opfer außerdem die Freilassung. Personen, die Gesuchte versteckten,
drohte umgekehrt dieselbe Strafe wie den so Beschützten.15
Zwei Tage später hing neben dem alten Anschlag ein neuer mit 220
Namen. Am dritten gesellte sich ein weiterer in gleicher Länge hinzu.
Wenn aber die Gesamtzahl der zu Tötenden weiterhin offen war, gab es
jetzt die Möglichkeit, sich gegen Strafverfolgung abzusichern und sogar
Geld zu kassieren, indem man sein Opfer auf die Liste setzen ließ, eventu-
ell auch nachträglich. Was also mit den Listen an Rechtssicherheit gewon-
nen war, beschränkte sich auf die Mörder. Aus den oberen Stockwerken
der Häuser warf man dem vorübergehenden Sulla Leichen vor die Füße,
um den Nachweis zu liefern; tote und noch lebende Proskribierte wurden
in den Straßen herumgezerrt - so zumindest wurde später behauptet. Die
Verwirrung ging weiter; Sulla reagierte nach einiger Zeit mit einer Rede
vor dem Volk. Nach der Logik des Verfahrens gefragt, erklärte er - aus-
weichend oder boshaft? er proskribiere so viel, wie ihm gerade einfielen,
und wessen Name ihm augenblicklich entfallen sei, den werde er ein an-
dermal proskribieren. Zu guter Letzt tauchte dann doch ein Datum auf
und Sulla legte fest, die Liste solle am 1. Juni 81 geschlossen werden. Bis
dahin war es lang.16
Den hungernden Verteidigern in Praeneste zeigte man gleich nach dem
Sieg die Köpfe von Carrinas und Damasippus, auf Lanzen gespießt, zusam-
men mit dem des Telesinus. Die Stadt kapitulierte nach kurzer Zeit. Um-
gehend richtete Ofella die meisten gefangenen Senatoren hin, wie es der
Proklamation entsprach. Marius, der Meistgesuchte, soll sich den Tod ge-
geben haben, als er bei der Flucht durch einen Geheimgang gestellt wurde.
Unter Spottworten, er hätte sein Handwerk erst gründlich lernen sollen,
betrachtete Sulla den abgeschnittenen Kopf.17
Das Schicksal der Übrigen entschied er selbst in Praeneste. Als Erstes
ließ er die restlichen Senatoren, angeblieh nach kurzer Anhörung, exe-
kutieren, dann befahl er, die Übrigen nach Herkunft getrennt auf freies
Feld zu treiben. Den Römern verkündete ein Herold, Sulla schenke ihnen
das Leben. Unter den Praenestinern wollte der Richter nur seinen Gast-
freund schonen, der aber bestand darauf, das Schicksal seiner Landsleute
zu teüen - kein Mann blieb übrig, Frauen und Kinder wurden aus der Stadt
vertrieben. Niemand hatte Gnade für die Samniten erwartet. Die angeb-
lich 12000 Leichen überließ man den Aasfressern, die Stadt den Soldaten
zur Plünderung.18
In den übrigen cinnanischen Städten brach der Widerstand almählich
zusammen. Einwohner und Garnison von Norba oberhalb der Via Appia
wählten den Massenselbstmord, und sie zündeten ihre Stadt über sich an.
Die Kohorten halfen in den Winterquartieren die Strafaktionen fortsetzen.
Über Italien verteilten sich Sonderkommissionen, deren Besetzung Sulla
bestimmt hatte. Beurteilt wurde das Verhalten von Gemeinden wie Indivi-
duen. Schuldig befundenen Städten drohten die Schleifung ihrer Mauern,
Geldbußen oder der Verlust von Gemeindeland; Personen wurden hinge-
richtet oder schlicht totgeschlagen. Teils vollzogen ortsansässige Sullaner
wie Statius Abbius Oppianicus in Larinum die »Selbstreinigung4; unter dem
Schutz eines Begleitkommandos übernahm dieser Mann die Amtsgeschäf-
te, verkündete und vollzog Proskriptionen. Sulla hatte eine Armee zu ver-
sorgen und wollte zugleich für die Zukunft vorbauen. Jedem sollte der
Appetit auf partikularistische Bestrebungen ausgetrieben werden; die ei-
gennützigen Rachefeldzüge der örtlichen Loyalisten stellten besser, als
Sulla es von Rom aus je gekonnt hätte, die künftige Zuverlässigkeit ihrer
Gemeinden sicher.19
Zweckdenken und persönliche Motive gingen auch in prominenteren Fäl-
len ineinander über. Weit oben auf Sullas Liste rangierten jene, die ihm
tatsächlich jemals große oder kleine Schäden zugefügt hatten. Verschont
blieb anscheinend Scipio Asiagenes, der unglückliche Verhandlungs-
partner, der sich nach Massilia gerettet hatte. Anders Norbanus, der sich
auf Rhodos tötete, ehe er ausgeliefert werden konnte, oder die „Ein-
sacker", die saccularii, Ritter, die feindliche Staatsaufträge angenommen
hatten. Aber Sulla hatte ein langes Gedächtnis. Papius Mutilus, der Nola
gegen ihn verteidigt hatte, lebte noch, und Sulla änderte das. Seine An-
hänger machten ebenfalls Rechte geltend; den in Catulus' Tod verwickel-
ten Marius Gratidianus prügelte man durch die Stadt zum Grab des Kon-
suls und schnitt ihn dort samt zwei Komplizen bei lebendigem Leib in
Stücke.20
Dass es in zahllosen Fällen gar nicht um Rache ging, fiel unvermeidlich
auf. Selbst die Mörder verwiesen in vielen Fällen auf das Privatvermögen,
häufig sogar auf bestimmte Objekte; die Habgier einer großen Zahl be-
nannte Sallust als Triebfeder des ganzen Geschehens. „Ich Unglücklicher,
meine Albaner Villa klagt mich an!", soll ein apolitischer Landbesitzer,
Quintus Aurelius, beim Lesen der letzten Todesliste gerufen haben; einige
Schritte weiter wurde er umgebracht.21
Der Empfänger des beschlagnahmten Vermögens war zunächst nicht die
römische Staatskasse, sondern Sulla persönlich - als stünde er in irgend-
einem Feindesland. Es wurde anschließend zu Bargeld gemacht, in Form
von Versteigerungen. Hier wartete der zweite Anreiz für Menschenjäger
aller Stände: die Gelegenheit, sich zu Schleuderpreisen zu bereichern. Be-
sonders Sullas Familienmitglieder und engste Vertraute kamen zum Zug;
der Ertrag wanderte dann in der Tat in den Staatsschatz und soll noch die
Summe von 350 Millionen Sesterzen ergeben haben. Die »Verluste4 auf
dem Weg dorthin genügten, um Sullas persönlichen Reichtum mindestens
zeitweise ins Unvorstellbare wachsen zu lassen. Sein Helfer Crassus besaß
später Land im Wert von 200 Millionen; Sulla hatte mehr, deutlich mehr.22
Nach der Hinrichtung auf dem Marsfeld - oder dem formlosen Mord
anderswo - wurde der Rumpf des Toten an einem Haken zum Tiber ge-
schleift und hineingeworfen, der Kopf auf dem Forum ausgestellt, an den
Rostra oder an einem Teich. Sulla mochte das Massenereignis so ansehen,
als habe er wie viele Generationen vornehmer Römer seine Feinde im
Zweikampf zur Strecke gebracht - diesmal nahmen verlängerte Arme an
seiner Stelle die Trophäen. Außer dem persönlichen Leid und der öffent-
liehen Schande für die Hinterbliebenen kam noch die religiöse Seite dazu-
verstümmelte Leichen konnte man nicht ordnungsgemäß bestatten, ihr
Schatten würde keine Ruhe finden.23
Die Bilanz der Proskriptionen ist schwer zu ziehen. Appians klassische
Zahl von 90 Senatoren und rund 1600 Rittern, davon 520 auf den drei
^originalen* Listen, findet sich in vielen modernen Schätzungen wieder.
Das kann sich aber nur auf diejenigen beziehen, die prominent oder reich
genug waren, es auf einen Listenplatz zu bringen. Geächtete Frauen und
sonstige Verwandte dürften nicht gezählt sein, ebenso die Opfer , wilden4
Mordens vor der ersten Liste und Personen der unteren Bevölkerungs-
schichten, die Ziele halbprivater Abrechnungen von Kriegsheimkehrern,
Nachbarn oder Verwandten.24
Zahlreicher waren die indirekten Opfer, und hierin lag die besondere
Perfidie der Maßnahme. Söhne und Enkel der Proskribierten wurden auf
Lebenszeit von allen politischen Ämtern ausgeschlossen, hatten jedoch
sehr wohl die ihrem Vermögens- und Sozialstatus entsprechenden Lasten
zu tragen. Sie konnten nur noch von der Mitgift ihrer Mütter oder Frauen
leben und auf spätere Erbschaften hoffen; aller Besitz der väterlichen Li-
nie war verloren. Damit berechnete Sulla die Erniedrigung seiner Gegner
von vornherein auf Jahrzehnte; die Hinterbliebenen sollten daran leiden,
zu leben. Was er ihnen auflud, konnte Sulla, der Nachkomme eines in
Schande Geratenen, besser als jeder andere abschätzen. Sein Erfindungs-
reichtum in der Rache wuchs dadurch, so wie ein Folterer sich von den
eigenen Ängsten inspirieren lässt.25
Das Jahr 82 drohte für römische Begriffe in Anarchie zu enden. Es gab
keine Konsuln: Marius war tot, Carbo geflohen. Damit konnte niemand
Konsulwahlen leiten. Solange Carbo lebte, zögerte man, sein Privileg zu
verletzen, selbst wenn er zum Staatsfeind erklärt war. Als sein Tod gemel-
det wurde, atmete man auf. Für diesen Fall stand ein uraltes Mittel zur
Verfügung, die Ernennung eines Patriziers in ein auf Lebenserhaltungs-
zwecke reduziertes Königtum. Ein solcher „Zwischenkönig" (interrex)
konnte neben der Führung der laufenden Amtsgeschäfte ausdrücklich nur
eins tun: den nächsten ernennen, der dann die Kompetenz besaß, Konsul-
wahlen abzuhalten. Da seine Amtszeit ganze fünf Tage betrug, war seine
Macht minimal.26
Für 82 noch Konsuln wählen zu lassen war misslich. Wenn Sulla antrat,
hatte er nur Wochen im Amt und konnte höchstens im Stil eines Cinna
auch für 81 kandidieren. Ließ er andere vor, gab er sich ihnen in die Hand,
was die Personalentscheidungen für 81 betraf, und lief Gefahr, die Kon-
trolle zu verlieren. So oder so musste er sich mit einem Kollegen arrangie-
Abb. 7: Denar, Faustus Cornelius Sulla, 56 v. Chr. Vs.: Venus mit Diadem, Lorbeerkranz
und Zepter. Rs.: Drei Trophäen (für Sullas drei Feldzüge, vgl. S. 150), Kanne und ütuus

rert: andererseits war sein Prokonsulat keine Basis für politische Eingriffe
in Rom. Er benötigte eine Plattform, die ihm alle Freiheiten zum Handeln
ließ, nur war so etwas im republikanischen »Normalbetrieb4 nicht vorgese-
hen. Es zeichnete sich ab, dass der Sieger einen festen Punkt brauchte, der
außerhalb der republikanischen Mechanismen stand, aber in ihrer Sprac
und Gedankenwelt zu beschreiben war.27
Sullas Lösung war eigenwillig, traditionsverbunden und radikal - so ra-
dikal, dass er sich vermutlich weigerte, ihr ganzes revolutionäres Potential
zu sehen. Die Tradition lenkte seinen Blick auf das einzige Amt, in dem er
keinen Kollegen hätte - das Ausnahmeamt des Dictators. Der Dictator
war allen amtierenden Magistraten übergeordnet und schuldete Rechen-
schaft erst nach dem Ende seiner Amtszeit; er befahl inner- wie außerhalb
Roms, anders als ein Prokonsul. Der gewaltige Nachteil lag nur darin, dass
ein Magistrat mit imperium, üblicherweise ein Konsul, auf Instruktion des
Senats den Dictator ernennen musste. Den gab es nicht, und Sulla hatte
nicht vor, sich von einem abhängig zu machen.28
So erfand und ertrotzte er einen Ausweg, der den Traditionen Gewalt
antat. Im Senat schlug er zunächst den angesehensten Senator, Valerius
Flaccus, als interrex vor - sonst wurde der gelost, nicht gewählt, aber Sulla
selbst wollte gerade nicht in dieses Amt. Man folgte dem Vorschlag.
Prompt gab Flaccus einen Brief bekannt, den Sulla an ihn gerichtet hatte.
Konsulwahlen, stand darin, könnten unter den augenblicklichen Umstän-
den nicht viel helfen. Sulla halte es persönlich für angezeigt, die seit rund
120 Jahren nicht vergebene Dictatur aufzugreifen - jedoch mit einigen Än-
derungen. Um die Auswahl zu vereinfachen, schlug Sulla sich selber für
dieses schwere Amt vor. Der Senat war so frei, ihm beizupflichten.29
Als Nächstes berief Flaccus die Volksversammlung ein - was kein ande-
rer uns bekannter interrex je getan hat. Nach Bekanntgabe des Briefes
forderte er den entsprechenden Auftrag des Volkes. Ein vorbereitetes Ge-
setz wurde beschlossen, das Sulla zum Dictator zu ernennen befahl, ihm
eine Amtszeit nach seinem eigenen Ermessen, aber nicht auf Lcbens/cji
gab, ihm die Vollmacht verlieh, Gesetze zu erlassen und die öffentlichen
Angelegenheiten neu zu ordnen. Beispiellos - und bis heute umstritten
ist die Aufhebung der Möglichkeit auch innerhalb des Stadtbereichs, gegen
Sullas Strafen Berufung vor der Volksversammlung (provocatio) einzule-
gen. Der Titel, den diese lex Valeria für ihn vorsah, dictator legibus scribun-
dis et rei publicae constituendae, sagte aus, dass Sulla außer „zum Geben
von Gesetzen" auch „zur (Neu-)Ordnung" oder „zur Wiederherstellung
der Republik" berufen war.30
Als Flaccus Sulla wie befohlen ernannte, war es die Geburtsstunde des
ersten Phänomens, das sich als Diktatur im modernen Sinn bezeichnen
ließe. Ein Verfahren, dessen Ergebnis den Intentionen aller dafür benutz-
ten Gesetze und Institutionen zuwiderlief, hatte einem Machthaber fak-
tisch unumschränkte Befugnisse verliehen. Er stützte sich immerhin auf
eine förmliche Einsetzung, eine Art plebiszitärer Zustimmung und frühere
außergewöhnliche Interpretationen der an sich schon außergewöhnlichen
Dictatur, schien insofern also ins politische Gefüge eingebunden.31
Tatsächlich war Sulla nichts von alldem. Ein erster interrex wie Flaccus
durfte dem Brauch gemäß nicht einmal wählen lassen. Gesetze vorzulegen
sprengte seine Kompetenzen endgültig, von der Ernennung eines Dicta-
tors zu schweigen, es sei denn, man zog sich darauf zurück, erlaubt sei alles,
was nicht ausdrücklich verboten sei. Der Senat, nicht das Volk bestimmte
traditionsgemäß, wer ernannt werden sollte; was aber Tradition war, be-
stimmte jetzt Sulla in einer so brillanten wie skrupellosen Umdeutung.
Völlige Sicherheit erzielte er, indem er gleich anschließend Flaccus zu sei-
nem Stellvertreter, dem magister equitum, ernannte. Nun hatte er Flaccus
als Magistrat „gemacht" und konnte - noch über das Befehlsverhältnis
hinaus - auf dessen Dank und Gehorsam pochen; es gab sozusagen keinen
mehr, der Sulla ernannt hatte. Vom Volk war er benannt, aber nicht ge-
wählt worden wie einst Fabius Maximus gegen Hannibal; es konnte keine
Ansprüche daraus ableiten.32
Damit war Sulla jeder Kontrolle entzogen. Ein Senatsbeschluss hätte
ihm die Amtsniederlegung nur nahelegen, nicht befehlen können. Aller-
dings hätte ein Augur ihn mit einem Wort entmachtet: Ein Dictator konnte
gültig nur gegen Ende der Nacht in tiefer Stille ernannt werden; Sulla -
selbst ein Augur oder im Begriff, es zu werden, also bestens informiert -
war fehlerhaft ernannt. Aber Roms Auguren lächelten womöglich, doch
sie schwiegen; im Gegenteil erklärten die Uberreste des Kollegiums das
Geschehen vielleicht vorab für rechtens.33
Die Stimmen, die von einer Tyrannis sprachen, begannen vermutlich
schon im Moment dieser Wahl zu flüstern. Niemals seit den zehn Decem-
viri von 451-449, unter ihnen ein Cornelier, hatte eine Instanz von solcher
Machtfüle bestanden. Genau auf den Decemvirat scheint der Prokonsul
geblickt zu haben, als er sich eine von Zeitvorgaben unabhängige Dictatur
verleihen ließ. Was damals laut der Legende geschah, das Ausarten einer
Schlichtungsinstanz in eine verkappte Monarchie, die erst die Plebs, dann
den Senat unterjochte, Bürger ohne Urteil tötete und die Volkstribunen
gegen ihren Willen zuletzt sogar stärkte, berichtet Livius in Worten, die
ohne das Jahr 82 so nicht geschrieben worden wären ... als abschreckendes
Beispiel.34
Sulla amtierte von vornherein mit der Absicht, die vorgefundenen Ge-
wichte zu verschieben. Wie frühere Dictatoren sollte er in begrenzter Zeit
eine Notsituation beheben; anders als bei ihnen war ganz in sein Ermessen
gestellt, was er darunter verstand. Die Republik war angehalten und konn-
te sich aus eigener Kraft nicht mehr in Gang setzen. Was an ihr in welcher
Konstellation wiederauflebte, entschied nur er, das aber hieß: Wenn und
solange Sulla es wünschte, war sie tot. Seine modernen Verteidiger sind so
weit gegangen, von einem Krebsgeschwür entarteter Verfassungsorgane
zu sprechen, das er habe entfernen müssen - ein von zu vielen Regimes
der Neuzeit erhobener Anspruch. Sulla verfuhr schon seit 88 je nach Situa-
tion legal, paralegal, scheinlegal oder schreiend illegal, alles in einer Ab-
sicht, die nicht egoistisch, aber selbstherrlich war. Jetzt hetzte er Sklaven
gegen ihre Herren auf, um eine Welt zu schaffen, in der nie wieder ein
Sklave seinen Herrn verraten konnte. Nichts als Sullas Überzeugung ga-
rantierte, dass die vorübergehende Perversion der von ihm selbst vertrete-
nen Werte das Wunschergebnis produzieren werde.35
Der Form nach kehrte bald Normalität ein. Sulla leitete die Konsulwahlen
für das Jahr 81, aus denen sein Offizier und Gentile Dolabella samt dem
Plebejer Tullius Decula hervorging. Doch über die Machtverhältnisse
konnte sich niemand täuschen. Sulla trat mit einer Eskorte von 24 Likto-
ren auf, so viel wie beide Konsuln zusammen - oder wie ein König der
Frühzeit. Nie zuvor habe ein Dictator dergleichen getan, behaupteten Spä-
tere gegen die Tatsachen.36
Interessant ist, dass er die ihm verliehene Macht nicht ausschöpfte. Die
Gesetze, die er einzubringen begann, durchliefen, soweit wir wissen, die
Beratung im Senat und die Abstimmung in der Volksversammlung. Falls
er also durch die lex Valeria ermächtigt war, allein Gesetze zu geben oder
zumindest den Senat zu umgehen, unterließ er es. Damit machte er die
eingebundenen Instanzen - negativ gesprochen - zu Komplizen der Ge-
waltakte, verpflichtete sie aber auch - durchaus positiv - als Mithelfer, mit
denen er in Konsens und Harmonie, concordia, bleiben wollte.37
Diesen Weg konnte Sulla natürlich auch gehen, weil seine Einschüchte-
rungstaktik so extrem erfolgreich war. Andererseits half ihm zweifellos der
verbreitete Wunsch nach Stabilität in irgendeiner Form. Wer für Sullas
Gesetze stimmte, war ein Kind der Saturninus-Unruhen von 100, des Bun-
desgenossenkrieges, der Staatsstreiche von 88 und 87 sowie eines zweijäh-
rigen Bürgerkrieges. Die Sehnsucht nach einer anderen Perspektive für die
Zukunft kann kaum überraschen. Sulla hatte dafür gesorgt, dass es in die-
sem Moment keine Perspektive außer der seinen gab.
Über die Blutgier eines Mannes, der in jungen Jahren angeblich leicht zu
Mitleidstränen neigte, ist viel geschrieben worden. Hundert Jahre später
wurde bereits behauptet, Sulla habe sich die abgeschlagenen Köpfe als
Trophäen ins Atrium gehängt - alle 1600? Ob sie regelmäßig ausgetauscht
wurden, wenn sie zu stinken begannen? Kein Märchen ist aber die Nied-
rigkeit, dass Sulla Marius' Überreste aus dem Grab reißen und in den Fluss
Anio (Aniene) werfen ließ, der sie in den Tiber und an Rom vorbei zum
Meer trug.38
Das aristokratische Standesethos sah persönliche Racheakte durchaus
positiv, und ein römischer Magistrat war gewohnt, Widerstand zu brechen;
innere Unruhen zogen, wie wir sahen, seit 133 gerade bei Siegen der opti-
matischen Seite regelmäßig blutige Vergeltung nach sich. Auch Zorn über
die ausgeschlagenen Versöhnungsangebote bis 83 ist bemüht worden. Ra-
che schuldete Sulla seinen von den Cinnanern geschädigten politischen
Freunden; er hätte sonst Unverständnis, wenn nicht Feindschaft geerntet.
Die Abrechnung mit manchen konnte nur Beifall eintragen; Sallust lässt
selbst den Ex-Cinnaner Caesar sagen, über den Tod von Brutus Damasip-
pus und „dergleichen anderen, die durch das Elend der Republik groß
geworden waren", habe sich niemand beschwert.39
Wenn Sulla Senatoren im Dutzend und Angehörige der übrigen Bevöl-
kerungsschichten zu Tausenden tötete, dann einmal mit dem Anspruch,
Böse zu bestrafen. Hellhörig macht aber, dass er schon am ersten Tag an-
gekündigt haben soll, wenn das Volk ihn lasse, werde er es zum Besseren
wandeln. Wir hätten in Appians Lesart eine „Erziehungsdiktatur" vor uns,
wie wir heute gern sagen, wenn wir die Spätfolgen autoritärer Herrschaft
als positiv empfinden. Unerklärt - außer in Taten - blieb Sullas Absicht mit
dem Senat. Um wieder in seine , wahre' Rolle einzutreten, hatte auch die-
ser Veränderungen über sich ergehen zu lassen, nur wäre es respektlos und
kontraproduktiv gewesen, das zu sagen. Der populus Romanus sollte am
Zügel der Väter gehen; der Senat der Vergangenheit hatte im Gegenteil
Cinna geholfen, den Zügel zu zerschneiden.40
Gerechtigkeitsvorstellungen, persönlich ausgekostete Rachsucht und
der Wunsch, für eigene Zwecke und die seiner Helfer schnell an flüssiges
Kapital und Vermögen zu kommen, erklären aber nicht alles. Wir unter-
schätzen bis heute Sullas Lernfähigkeit. Eindeutig zog er Konsequenzen
aus seinem ersten Anlauf von 88 und dem Undank jener, für die er alles
getan hatte. Sulla verehrte den Senat, doch nicht jeder Senator war für ihn
ein höheres Wesen - der Senat, wie er sein sollte, war wichtiger als der
Senat, wie er war. Als sicherster Weg zum Ziel war ihm 88 erschienen, die
gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen und von da an auf das gesunde
Eigeninteresse des Senats zu vertrauen. Aus der Sicht des Jahres 82 war es
nötig, dies um die passenden sozialen Voraussetzungen zu erweitern. Sulla
selbst war dabei, den richtigen Senat und das richtige Volk zu schaffen.
Die Gewalt und Unsicherheit, mit der er Rom überzog, erwiesen sich als
wirksame Werkzeuge dabei. Die Drohung mit dem Tod verstand jeder, die
mit dem Prestigeverlust bis in die Enkelgeneration verstanden die Ober-
schichten - auch alle, die nicht persönlich getroffen waren. Gerade die
abschreckenden Beispiele halfen die Fügsamkeit gegenüber Sullas Refor-
men schaffen, die sie mit dem Status ganz normaler Gesetze durchgehen
ließ. Ab einer bestimmten Schwelle zugefügter Schmerzen hört der Wider-
stand auf und das Opfer ist bereit, alles mit sieh geschehen zu lassen.
Womit solche Formen des sozialen Ingenieurwesens nicht rechnen wol-
len, sind die Spätfolgen. Gerade dem antiken Denken lag es aber nahe, sie
abzusehen und einen verrohenden Einfluss auf das Volk als Ganzes zu
fürchten. Der Rechtsschutz, den gerade römische Bürger genossen, war
über Monate suspendiert, die ganz gewöhnliche Sicherheit, dass es irgend-
wie weitergehen werde, aufgehoben. Wirklich sicher waren nur Sullas
erklärte Parteigänger und seine Soldaten - diejenigen, die selber Gewalt
ausübten. Das würde man sich merken. Eine erwünschte Lektion war
licherweise der Abscheu vor jedem Bürgerkrieg - falls man die vergange-
nen Jahre offen so nennen durfte. Deren Wiederkehr sollten Sullas Geset-
ze verhindern.41
Schon bald nach Beginn seiner Dictatur gab Sulla den Proskriptionen Ge-
setzesform. Jene lex Cornelia, die man später gern de proscriptione nannte,
schrieb den Stichtag des Waffenstillstandes vom Frühjahr 83 fest. Den Tod
verdiente, wer seitdem gegen Sulla Offizier oder Soldat gewesen war. Den
Tod verdiente, wer Unterstützung durch Geld- oder Sachleistungen ge-
währt hatte. Den Tod verdiente, wer einen Proskribierten unterstützte
oder Sulla feindlich gesinnt war. Den Tod verdiente schließlich jeder, der
mit Beschuldigten in Geschäftsbeziehungen, Freundschaft oder sonstigen
Kontakten stand; hierfür genügten in Einzelfällen gemeinsame Reisen
oder Nachbarschaftshilfe. Parallelen zu den Kaugummiparagraphen mo-
derner Diktaturen sind unverkennbar, gerade was die Ausdehnung des
Schuldbegriffs bis ins Unsinnige angeht - und die gesteigerte Vernich-
tungsabsicht. Sie äußert sich in den Bestimmungen, die den Mördern Straf-
freiheit zusicherten und andererseits das Andenken der Proskribierten
auszulöschen trachteten - den Angehörigen wurde untersagt, um sie zu
trauern, Denkmäler und Bilder der Umgekommenen wurden ebenso ver-
nichtet, wie man verbot, Wachsmasken der Senatoren unter ihnen bei Be-
gräbnissen mitzuführen. Einige tausend Söhne und Enkel der Opfer wur-
den, wie es scheint, in die Verbannung getrieben, wenn auch nicht aktiv
verfolgt; das Eigentum ihrer Vorfahren verloren sie sowieso.42
Was hatte das Wohl der Republik nach Sullas Lesart in der Vergangen-
heit am stärksten behindert? Die Offensiven des Volkstribunats, unter-
stützt durch den politischen Ehrgeiz der Ritter. Beides galt es unmöglich
zu machen. Das Druckmittel der Italiker hatte sich seit 88 erledigt und eine
Agrarreform würde durch Sullas Landverteilung an die Veteranen für
einige Zeit von der Tagesordnung verschwinden. Damit waren die Haupt-
wege für den Einbruch populärer Politikmethoden versperrt. Eine andere
Sorge konnte der Dictator nicht laut aussprechen: Er selbst hatte einen
anderen, höchst erfolgreichen Weg gewiesen, sich eine Machtstellung zu
verschaffen.
Relativ leicht war mit dem Tribunat fertigzuwerden. Entstanden war er
als Schutzmacht für wehrlose Plebejer, und indem Sulla verfügte, niemand,
der einmal Volkstribun gewesen sei, dürfe danach ein Amt bekleiden, war
er fortan nur noch etwas für Idealisten, die ihre Senatskarriere begruben.
Abschaffen konnte Sulla ihn nicht - ein Gesetz von 449 bedrohte dies mit
dem Tod -, aber er zog eine Trennmauer, die alle Tribunen in Zuschauer
verwandelte. Senatssitzungen einberufen und leiten durften sie wohl eben-
falls nicht mehr. Wenn sie vor die Plebs traten, dann nur im Rahmen einer
bloßen Informationsveranstaltung; das Recht zur Gesetzesinitiative wurde
ihnen höchstwahrscheinlich genommen. Die Unantastbarkeit und das
Recht, bedrohte Bürger zu schützen, blieben ihnen; gefährlich wurde es
mit dem Vetorecht oder dem Versuch, einen Magistrat zu einem bestimm-
ten Verhalten zu zwingen - versuchen konnten sie es, aber das Risiko war
gestiegen.43
Denn ausgerechnet von Saturninus hatte sich Sulla - konservativ in der
Zielsetzung, aber keineswegs in den Mitteln - anregen lassen. Eine lex
Cornelia de maiestate bestrafte nicht mehr Verstöße gegen die Würde des
Volkes oder seiner Tribunen, sondern sah diese maiestas im Senat und den
jeweils amtierenden Magistraten verkörpert. Wer ihnen zu wenig Respekt
zeigte, sollte vor Gericht kommen. So hängte Sulla ein Damoklessschwert
über jeden, der den Vorrang des Senats angriff, und die Position eines Tri-
buns, der sich im Zuge seiner Aufgabe einem Magistrat widersetzte, war
auf einmal heikel geworden.44
Die Gerichte in der bisherigen Form bestanden aus Rittern und hätten
die Würde des Senats vielleicht nicht hoch genug gehalten. Sulla übergab
die Gerichtshöfe wieder ausschließlich den Senatoren - aber er tat mehr
als das: Er hob die Zahl dieser Gremien spürbar an. Acht ständige Gerich-
te sollten sich in Zukunft um die wichtigsten Deliktfelder kümmern. Ne-
ben dem politisch heiklen Gerichtshof de repetundis gab es jetzt eine
quaestio de ambitu für Unregelmäßigkeiten bei der Wahlkandidatur, ein
Gericht de maiestate für die frisch umdefinierten Staatsdelikte und eines
de peculatu für Unterschlagung von Staatsgeldern, dazu für die klassische
Kriminalität wie Meuchel- und Giftmord (de sicariis et veneficiis), Körper-
verletzung (de vi) oder Fälschungsdelikte, eine wichtige Frage im testa-
mentsfixierten Rom (de falsis). Eine so spezialisierte Gerichtsbarkeit mit
genauen Verfahrensregeln hatte es noch nie gegeben. Sie überlebte Jahr-
hunderte und sollte lediglich modifiziert, durch die Gerichtsbarkeit der
Kaiser teüweise überbaut und umgangen, aber nicht abgeschafft werden.
Sullas Anspruch, etwas dauerhaft Haltbares zu schaffen, ist an wenigen
Stellen besser eingelöst worden.45
Vor allem jedoch war die RückÜberweisung der gesamten Justiz an den
Senat ein politischer Akt, der jeden Senator privilegierte - eine Krähe
hackt der anderen kein Auge aus, und angeklagte Senatoren durften aus
der Liste für die Jury mindestens fünf Kandidaten verwerfen, gewöhnliche
Menschen lediglich drei. Wenig entzückt waren kurioserweise auch man-
che Senatoren - würden sie jemals wieder aus den Sitzungen herauskom-
men, in die Sulla sie nun wochenlang schickte?46
Der Dictator selbst musste das Problem eingestehen. Die kombinierten
Folgen von Krieg und Proskription hatten den Senat auf vielleicht die
Hälfte seiner normalerweise gut 300 Mitglieder schrumpfen lassen. Eutrop
und Orosius zählen in den Jahren seit 91 rund 200 tote Senatoren, davon
allein 24 Konsulare. Sulla wollte aber einen Senat, der schnellstmöglich
richten, beraten und regieren konnte. Er verfiel auf eine Kombination
zweier Möglichkeiten - der natürliche Zuwachs über die Ämter sollte sich
beschleunigen, doch außerdem war er zu einer einmaligen Maßnahme be-
reit.47
Sulla schwebte nicht weniger vor als - wie schon Livius Drusus - eine
Verdopplung des Senats. Eine erste Ergänzung auf die übliche Zahl
scheint er persönlich vorgenommen zu haben - hier kamen seine treuesten
Parteigänger zum Zug. Den zweiten Schritt sollte eine Zuwahl von Neu-
mitgliedern bringen. Als eine Art Über-Censor erstellte der Machthaber
selbst die Liste der Kandidaten, vermutlich acht oder neun aus jeder Tri-
bus, und legte sie dann den comitia tributa zur Wahl vor, so als hätte das
Volk 300 Quästoren außer der Reihe wählen müssen. Ob irgendwer durch-
fiel, ist nicht überliefert.48
Die alten Senatsfamilien allein - abzüglich der geächteten - hatten so
viele junge Männer niemals zu bieten. Was an politisch ambitionierten
Rittern auf der sullanischen Seite stand, erhielt jetzt die einmalige Chance,
in den Senat aufzurücken. Sulla konnte dabei auf den zeitlosen psychologi-
schen Effekt bauen, dass Arrivierte ihren Standesvorteil noch stärker ab-
zusichern suchen als die Alteingesessenen. Ein junger Senator wie Cicero
identifizierte sich voll und ganz mit den Idealen und dem Traditionsstolz,
die dabei waren, den Senat in einen wirklichen Stand zu verwandeln. Seine
Abgrenzung von den übrigen Rittern kam durch Sullas Expansion para-
doxerweise eher voran.49
Eine zweite Gruppe war als Nutznießer des sullanischen Systems auf
den ersten Bück ganz unwahrscheinlich: Vornehme Italiker, die sich ein-
zeln oder in Gruppen auf Sullas Seite geschlagen hatten, fanden erstmals in
größerer Zahl den Weg in die Kurie und folgten so den ersten Neuzugän-
gen unter Cinna. Es war eine Entwicklung, gegen die der Konsul von 88
alles aufgeboten hätte. Die gemeinsame Kriegsteilnahme gab seinen Un-
terstützern nun Anspruch auf Sullas persönliche Dankbarkeit. Sein Prag-
matismus half ihm vermutlich, die Kröte zu schlucken.50
Versöhnen konnten ihn aber die Umstände, unter denen das geschah.
Ein Neu-Senator trat nicht als eine Art »Abgeordneter des Wahlkreises
Reate' auf. Im Gegenteil würden er und seine Familie als Sullas Stellver-
treter in Reate erscheinen - das hob ihn heraus, isolierte ihn aber auch
gewissermaßen und verlegte seine neue soziale Heimat in den Kreis der
Senatoren. Nach Hause würde er Befehle und Wohltaten gleichermaßen
weitergeben. Dies in Verbindung mit der brachialen Umbildung der Loka-
leliten zeigte Wirkung: Italien wurde damit ein ganzes Stück traditions-
loser; die Tage der militanten Autonomiegedanken in den Einzelvölkern
waren vorbei, eine neue, flächendeckende Verwaltungsstruktur half die
Unterschiede verwischen. Fünf Jahrzehnte später war der Punkt erreicht,
an dem der angehende Augustus die Begriffe Italiens und Roms für die
Herrin des Weltreiches geschickt gegeneinander austauschen konnte. Das
Kernland des Imperiums brachte es aber nie über ein Dasein als Umland
der Hauptstadt hinaus und sollte mit der Zeit zu einem Status als Quasi-
Provinz abrutschen.51
Die Empfindlichkeiten der ,alten' Senatoren richteten sich besonders
auf eine kleine Gruppe. Sulla hatte nicht gezögert, einige seiner Soldaten
zu Senatoren zu machen, wie es schon 216 nach dem Aderlass der Schlacht
bei Cannae ein Dictator getan hatte. Der Abscheu gegen Emporkömm-
linge aus dem »einfachsten Volk* - oft sicher aus Ritter- oder Lokalaristo-
kratenfamilien - war ein Ventil für vieles, was man nicht ungefährdet hätte
ausdrücken können, den Widerwillen gegen die auf Schwert und Gewalt
gegründete Neuordnung. Der Centurio in der Kurie war ungehobelt, ge-
horsam, vulgär und gewaltbereit - ein Symbol, die chaotischen Zustände
könnten sich jederzeit wiederholen, und eine Verkörperung der langfristig
berechtigten Furcht vor der Militärmonarchie.52
Die Auffülung hätte nur vorübergehend gewirkt, wenn ihr nicht eine Re-
form der regulären Zugangswege entsprochen hätte. Über die Mitglied-
schaft im Senat entschieden die Censoren, geleitet durch das Gewohn-
heitsrecht, eine Quästur qualifiziere für einen Sitz unter den Vätern. Um
dauerhaft auf rund 600 Köpfe zu kommen, benötigte man viel mehr Quäs-
toren als bisher, und mindestens die Prätur musste - der neuen Gerichte
wegen - ebenfalls erweitert werden.
So kam es zur lex Cornelia de magistratibus. Jedes Jahr würde es künftig
volle 20 Quästoren geben, die außerdem bereits als Dreißigjährige amtie-
ren konnten, wie es sich schon eingebürgert hatte; gleichzeitig sollte das
Amt automatisch äquivalent mit der Aufnahme in den Senat werden. Auch
die Zahl der Ädüe wurde gesteigert, Prätoren gab es künftig gleich acht.
Eingeschärft wurde die Reihenfolge - das Überspringen eines Amtes soll-
te weniger denn je möglich sein.53
Woran sich überhaupt nichts änderte, war die Zweizahl der Konsuln.
Damit blieb der Grundpfeiler des Senats nach wie vor der kleine Kreis
der konsularen Machtelite - kaum mehr als dreißig bis vierzig auf einmal.
Damit konnte sich umgekehrt das Volk auf einen noch heftigeren Wahl-
kampf von mindestens vier Prätoriern um jede Konsulstelle gefasst ma-
chen; der Dictator verlegte den Wahltermin vom Oktober in den heißen
Juli vor, um die Gefahr eines Jahresbeginns ohne Konsuln zu minimieren.
Gegenüber den Senatoren insgesamt war ihre relative Position nur noch
gestärkt worden; wenige würden es über die unteren Ämter und ihre Rich-
tertätigkeit hinausbringen. Ein gewisser Ausgleich bot sich in den prestige-
reichen Priesterkollegien; Sulla vergrößerte Pontifices und Auguren auf je
15 Köpfe, ebenso wohl die als Hüter der Sibyllinischen Bücher und Auf-
seher weiterer Kulte fungierende Körperschaft, die dank ihm als XVviri
sacris faciundis bekannt ist. Seit einem Gesetz von 104 hatte das Volk die
einzelnen Priester gewählt; Sulla, ganz Optimat, ordnete die Rückkehr zur
Selbstergänzung der Kollegien an.54
Entwertet fand sich die Censur. Sie hatte viel von ihrem Spielraum beim
Aufstellen der Senatsliste verloren. Noch Jahre nach Sulla wurden folge-
richtig keine Censoren mehr bestimmt; das Amt ausdrücklich abzuschaffen
wäre pietätlos gewesen, aber es sollte vielleicht aus der Übung kommen wie
- vor Sulla - die Dictatur. Zwei unter sich einige Censoren waren bedroh-
lich stark, zwei uneinige, die einander paralysierten, schadeten dagegen
dem Prestige der Senatsaristokratie - die Ausreißer aus dem Konsens nach
Sullas Ideal kollektiv selbst bestrafen sollte. Wer in Zukunft die Staatsauf-
träge vergab, ist unklar; die Funktion einer moralischen Aufsichtsinstanz
übernahm für den Augenblick Sulla selbst, der unter anderem ein Gesetz
über Höchstgrenzen für demonstrativen Konsum erließ. Übrigens waren,
solange niemand einen Census abhielt, alle seit Cinna aufgenommenen
Neubürger nicht vollständig in die Bürgerschaft integriert.. .55
Sulla, der als Fünfzigjähriger Konsul geworden war, sah vor, in Zukunft
solle ein Prätor mindestens 39, ein Konsul 42 Jahre alt sein, und auf diese
Grenzen bewegte sieh das tatsächliche Amtsalter nun auch von oben zu.
Hier lag eine Achillesferse seiner Restauration - die Nobilität konnte nur
um ein bis zwei Köpfe pro Jahr wachsen und würde lange brauchen, bis sie
den Stand von 91 wieder erreicht hatte. Um dem Senat und der ganzen res
publica die Richtung zu geben, brauchte sie eine kritische Masse an Per-
sonen, an Autorität und Respekt. Je kleiner sie war, desto anfälliger war sie
erstens für Cliquenbildungen (factiones), zweitens - das war viel gefähr-
licher - für die Vorstöße starker Einzelner. Die Aufgabe, einen zweiten
Sulla strukturell unmöglich zu machen, führte zur Frage, wie das Amt des
Konsuls künftig zu interpretieren war; die Lehre von 88 und 87 war, dass
ein Konsul mit der ihm legal zugeteilten Militärmacht ins Zivile einbre-
chen konnte, wenn er stark genug war, Amtsenthebungsversuche zu igno-
rieren. Zweitens bestand das nie gelöste Problem der Promagistrate. Diese
Aushilfs-Amtsträger konnten jahrelang Macht und die Loyaütät ihrer
Truppen erwerben, im schlimmsten Fall - die Lektion von 82 - Rom von
außen her beherrschen.
Sullas Ausweg hatte - wie die Mehrheit der Forschung annimmt - die
Form der lex Cornelia de provinciis ordinandis, „über die Ordnung der
Provinzen". Erstmals in der römischen Geschichte waren alle Magistrate,
auch Konsuln und Prätoren, prinzipiell an Rom gebunden, solange ihre
Amtszeit dauerte. Mit Ablauf des Amtsjahres, also vom 1. Januar des Fol-
gejahres an, wurden sie automatisch zu Promagistraten - zwei Prokonsuln,
acht Proprätoren. Gleichzeitig traten sie ihr Kommando in einer Provinz
an, von denen Sulla genau zehn einrichtete, einschließlich der Gallia Cis-
alpina, die vielleicht jetzt erst in der Poebene entstand. Dieses Kommando
aber dauerte wieder nur ein Jahr. Italien selbst würde - außer in Notfällen
oder bei der Neuaufstellung ausrückender Heere - entmilitarisiert sein.
Kein Promagistrat durfte außerdem eigenmächtig mit der Armee seine
Provinzgrenze überschreiten, nach der Übergabe in der Provinz bleiben,
Kriege mit fremden Mächten beginnen oder in befreundete Staaten ein-
rücken. Sonst hatte er vor dem maiestas-Gerichtshof mit der Todesstrafe
zu rechnen.56
Theoretisch löste der Automatismus viele Probleme. Nur funktionierte
dieses System genau so lange, wie auf zehn scheidende Magistrate exakt
zehn Provinzen kamen und alle zehn willens und in der Lage waren, ihre
Provinz auch zu übernehmen. Zwingende Regeln, um Abweichungen zu
befristen oder durch automatische Zusatzmagistrate ganz zu vermeiden,
gab es nicht. Vielmehr bestand anscheinend stärker als zuvor die Möglich-
keit, die Reihen der Statthalter durch privati cum imperio aufzufüllen, also
Personen, die nicht aus einem vorausliegenden Amt ihre Funktion aufnah-
men. So hing alles wiederum von den nobiles ab, die zwar jeden, Ausreißer'
durch Ablösung, politischen Druck oder notfalls die Aufstellung eines
Heeres eindämmen konnten, nur leider auch persönliche Gründe haben
mochten, eine Sonderstellung zu unterstützen.
Wer heutzutage die römische Ämterlaufbahn auswendig lernt, memo-
riert die sullanischen Ämterzahlen und Altersbestimmungen; der Senat
der Kaiserzeit war - nach einer Aufblähung unter Caesar - numerisch der
Senat Sullas. Bezeichnenderweise fehlt in dieser Aufzählung - auch die
Gerichtshöfe wären zu nennen - die Rolle der Nobilität. Für sie war das
sullanische Gebäude geschaffen; sie verschwand in den Katastrophen der
folgenden Jahrzehnte. Für den Augenblick aber war sie, und durch sie der
Senat, formal so mächtig wie nie zuvor.
Der Ritterstand - mit Ausnahme seiner glücklichen Aufsteiger - hatte da-
gegen die meisten Gewinne der letzten Jahre eingebüßt. Aus den Gerich-
ten war er vertrieben, seine Wortführer waren zum kleineren Teil in den
Senat entrückt, zum größeren tot oder geflüchtet. Hunderte Ritter waren
den Proskriptionen zum Opfer gefallen, einige dem sprunghaften Aufstieg
des Mithridates. Keine Bevölkerungsschicht hatte solche Schläge ein-
stecken müssen.
Dabei wollte Sulla keineswegs das Ausbluten der Ritter, die er nur laut
Cicero geschlossen „hasste". Er fand sie unverzichtbar - an ihrem ,natür-
lichen' Platz. Sie sollten den Geldmarkt bedienen, die Kultur fördern und
Italiens Wohlstand sichern - nur politisch mitreden sollten sie höchstens in
den Stadträten, es sei denn, ein Einzelner wechselte in den Senat.57
Hierin hatte Sulla bemerkenswerten Erfolg. Das Ideal des eques Roma-
nus, der vielleicht als Offizier dient, sonst aber in einem Leben fern der
großen Politik aufgeht, blieb bei den Überlebenden fest verwurzelt. Die
finanzstarke, dank ihrem latenten Gegensatz zu den Statthaltern nie un-
politische Spitzengruppe der publicani ließ nicht ganz von ihren Ein-
mischungen ab, doch das Gros des Standes war so wenig zu mobilisieren,
dass selbst konservative Senatoren wie Cicero daran mitunter verzweifel-
ten. Dem alten Drang nach Mitsprache als geschlossene Gruppe hatte
Sulla das Rückgrat gebrochen.58
Zwiespältig fiel auch die Bilanz für die Plebs aus, soweit sie nicht in
Sullas Armee gedient hatte. Stillschweigend war der radikale Plan von 88
aufgegeben worden, alle Gesetze nur noch durch die Zenturien beschlie-
ßen zu lassen; das Abebben des Straßenterrors kam den meisten Plebejern
entgegen. Rechtlose Opfer sullanischer Gewalt jedoch fanden sich im Volk
genug, vor allem Landvertriebene aus Italien. Die Ausweitung des Bürger-
rechts hatte den Wert der einzelnen Wählerstimme sinken lassen; ob die
Vermehrung der Magistrate dies ausgleichen konnte, ist nicht gut abzu-
schätzen. Land war verteilt worden, aber höchst selektiv; die populäre Po-
litik war auf absehbare Zeit tot, ihre wichtigsten Vertreter sowieso. Man
musste Soldat oder der Klient eines Mächtigen sein, um in diesen Zeiten
vorwärtszukommen, wenn man zu den Ärmeren zählte.
Italien, jetzt voll mit römischen Bürgern, war ein zersplittertes Land. Es
büdete ein Mosaik aus denen, die ihre neuen Rechte ebenso wie ihren
Besitz gerettet hatten; aus vom Krieg gezeichneten, aber von Sulla be-
günstigten Zonen; aus bestraften Landstrichen, die schwer an ihren Lasten
trugen; schließlich aus teils entvölkerten Quasi-Besatzungsgebieten wie
Samnium, die eine flächendeckende Enteignung nicht lohnten, und Ein-
zelstädten, die mit Gewalt in Zwingburgen der Sullaner umfunktioniert
worden waren. Die Siedlungspläne seit 133 kehrten bis zur Unkenntlich-
keit verändert wieder: Veteranen, nicht verarmte Städter waren die Sied-
ler, von Haus und Hof verdrängte Italiker mussten ihnen Platz machen.
Ein Ort wie das zum Teil entvölkerte Praeneste wurde mit seinen sulla-
nischen Kolonisten eine ganz andere Stadt. Woanders kam es lediglich zu
Landzuweisungen an einzelne Sullaner, aber nicht zur Koloniegründung.59
So war die junge Republik ursprünglich verfahren, um sich gegen unter-
worfene Stämme und unsichere Verbündete zu sichern. Sulla konzentrier-
te sich auf wenige Regionen, an deren Einstellung zu ihm nicht mehr viel
zu verderben war. Wäre jemand politisch oder militärisch gegen seine Neu-
ordnung vorgegangen, hätte der Dictator ganze Legionen zurück in den
Dienst rufen können. Die Abschreckung gegen jede Änderung an diesem
Teil seiner Verfügungen wirkte über Sullas Tod hinaus, und ihr Erfolg
konnte spätere Machthaber nur zur Nachahmung ermutigen. Die Kolo-
nien mochten Hass wecken, aber diesem Hass fehlten die Mittel - er hin-
terließ Regionen, die sich entweder wie die kampanischen Städte mit der
Zeit anpassten oder wie Samnium dauerhaft zurückblieben. Mit einzelnen
Abb. 8: Denar, L. Cornelius Sulla, L. Manlius Torquatus, 85/84 (?) v. Chr. Vs.: Roma mit
geflügeltem Helm (L MANU - PRO Q[VAESTORE]); Rs.: Sulla mit Triumphalquadriga
(L SVLLA IMP[ERATOR])

Gemeinden wie Arretium wollte der Dictator noch härter verfahren; ein
Gesetz entzog ihnen das römische Bürgerrecht.60
Rom wünschte Ruhe, Sulla war mehr als bereit, sie ihm zu verschaffen.
Umgekehrt hatte er begonnen, endlich für seine verdiente Anerkennung
zu sorgen. Noch in der schicksalhaften Sitzung vom 2. November 82 hatte
der Senat offenbar den Titel bestätigt, den Sulla sich in Griechenland bei-
gelegt hatte - Epaphroditos. Nicht lange danach wurde dem Dictator der
Triumph über Mithridates zuerkannt. Er legte ihn auf den 29. Januar 81, so
dass die Anwesenheit einer vollen Zahl römischer Magistrate die Würde
der Zeremonie steigern konnte. Ob die Proskriptionen im Publikum wei-
ter wüteten, als der Triumphator an der Spitze seiner legal in die Stadt
marschierten Truppen zum ausgebrannten Kapitol zog? Hier endlich war
er der Sieger, als der er hatte heimkehren wollen, der Eroberer Athens und
Vernichter zweier Armeen. Gewaltige Schätze wurden mitgeführt, 15000
römische Pfund Gold und 115000 Pfund Silber - der Großteil stammte aus
den unterworfenen Städten Kleinasiens.61
Am nächsten Tag folgte eine andere Feier. Der jüngere Marius hatte die
Tempelschätze in Praeneste deponiert; Sulla überführte sie nun feierlich
als wiedererobertes Diebesgut. Dem frommen Finder und den 20000
Pfund Edelmetall zog nicht die Armee hinterher, sondern eine Prozession
hochgestellter Bürger, bekränzt wie zu einem Götterfest und von ihren
Frauen und Kindern begleitet. Es waren die Verbannten und Flüchtlinge,
die Sullas Sieg ihre Heimkehr verdankten; sogar einige alte Opfer der lex
Varia waren darunter. Jubelnd priesen sie ihn als ihren Vater und Retter
wie einen neuen Romulus - ob diese Stimmung auf die Zuschauer über-
sprang, wissen wir nicht, aber der Anstoß, sich zu freuen, war groß. Nur
wurde die Parade durch die Kopplung mit der Siegesfeier am Vortag zu
einem zweiten Triumph, der die Geschmacklosigkeit hatte, getötete Bür-
ger zu behandeln, als wären sie auswärtige Feinde. Wer Sulla Vater nennen
hörte, musste an jenen Vater des Vaterlandes denken, dessen Gebeine man
ins Wasser geworfen hatte. Diesen Titel mied Sulla wohlweislich.62
Dafür griff er nach Abschluss der Feierlichkeiten zu einem anderen. Vor
dem Volk sprach der Dictator rückblickend über seine Siege. Am Ende
seiner Bilanz ordnete er an, dass ihm künftig offiziell das Attribut Felix
zukomme. Das heißt „der Glückhafte" und meint den, der durch gezielten
göttlichen Beistand verdientermaßen Glück hat - ausdrücklich nicht durch
reinen Zufall, der ja ,mehr Glück als Verstand* wäre; seit 142 verehrte
Rom die personifizierte Felicitas als Göttin. Die Götter waren mit Sulla:
Apollo, Bellona, Roms Beschützerin Venus, und sie überschütteten ihn
geradezu mit Wegweisungen; diesen Titel trug er nicht als Belohnung wie
irgendein Numidicus, sondern weil er war, was das Wort ausdrückte. Sulla
Felix hatte sich einen Namen gemacht unter den Römern.63
Kleinere, gleichwohl unerhörte Ehrungen rundeten ihn ab. Reste des
neuerrichteten Bocchus-Monuments, das 91 für Aufsehen gesorgt hatte,
sind möglicherweise erhalten. Neben dem Graskranz aus dem Bundes-
genossenkrieg prangt auf diesen Matten vielleicht derselbe Kranz aus
Eichenlaub, den Augustus, selfesterklärter Retter aller Bürger, später auf
unübertroffene Art ins Zentrum seiner Bildersprache rücken sollte.64
Auf dem Forum errichtete man rieben den Rostra eine Reiterstatue, wie
sie den wenigsten Römern je zuerkannt worden war. Vergoldet war bisher
keine einzige gewesen. Die Ehreninschrift lautete „Für Lucius Cornelius.
Sohn des Lucius, Sulla Felix" und nannte noch einen Titel, dessen Überset-
zung „Anführer" bei Appian Rätsel aufgibt. Das Standbild erhob sich in
Sichtweite der Bronzestatuen von Marcius Tremulus, Sieger über die Sam-
niten, und Furius Camillus, Retter Roms von 387, auch er ein Dictator mit
überlanger Amtszeit. Sulla, der Samnitenvernichter, hatte es nicht so weit
kommen lassen wie Camillus, der ein abgebranntes Rom vorgefunden hat-
te. Tatsächlich verschleierte die Statue Sullas neues Amt - ein Dictator
durfte grundsätzlich kein Pferd besteigen, weil ihn das zu sehr den alten
Königen angenähert hätte, und genau deshalb verschaffte sich Caesar im
Jahr 44 eine Sondergenehmigung.65
So gab der Standort die Interpretation seiner Taten bereits vor: Rom war
gerettet worden am Abend des 1. November 82, und als Retter wollte Sulla
über den Tod hinaus vor Augen stehen. Das gleiche Datum feierten Ge-
denkspiele, die jedes Jahr vom 26. Oktober bis zum 1. November stattfin-
den sollten, ludi Victoriae Sullanae, wie man sie später nannte - sie feierten
Sieg und Beistand der Siegesgöttin zugleich. Sullas Neffe Nonius Sufenas
tete sie als Prätor zum ersten Mal aus, der Beginn einer Tradition, die
en Kernbestand der römischen Monarchie eingehen sollte. Ein kleine-
Monument, der Tempel des Hercules Sullanus auf dem Esquilin, erin-
te wohl an denfrüherenSieg von 88; zudem näherte es den Stifter mit
lern tatenreichen Leben dem unermüdlichen Halbgott und Kämpfer
fßü das Böse an. Diese hohe Kunst der Selbstdarstellung sollten die
sbsten beiden Generationen aufnehmen und überbieten.66
Jo begann - oder sollte beginnen - die Zeit der Rückbesinnung auf ein
«a, wie es früher gewesen war und sicher immer hätte bleiben sollen. Es
Ute so sehr mit sich in Einklang kommen, wie sich sein Neugründer
isentierte. Doch Sulla, „gewissermaßen unausgeglichen und im Wider-
ruch mit sich selbst", und die Gesellschaft, an deren Spitze er stand,
aren vtefceyehtiger.67

Tanz auf dem Vulkan


Julias kurze Herrschaft teilt ein Paradox mit der vieler späterer Macht-
Laber: Bei aller restaurativen Absicht wirbelte sie erst einmal die römische
Sozialstruktur durcheinander. Zugleich entwirft das hundertfache „Sulla
setzte durch..." ein zwangsläufig schiefes Bild. Auch ein Alleinherrscher
tut nichts allein; wer ihn beim Zuschnitt der D-ictatur oder der vielen leges
Cernelwe beriet, wissen wir nur nicht. Im Fall Sullas haben wir es überdies
mit dem Phänomen zu tun, dass „Sullaner" nach dem Tod des Dictators
beinahe ein Schimpfwort wurde. „Sullaner" waren hauptsächlich Verbre-
cher und Profiteure, Emporkömmlinge, gemeines Volk und herunter-
gekommene nobiles - und außerdem natürlich Sulla selbst, was immer
man sonst von ihm hielt. Wie komplex die sullanische Gesellschaft tatsäch-
lich war, verschwand seit 78 hinter dem Willen, nach vorn zu schauen und
die für Rom traumatischen Jahre hinter sich zu lassen, abgesehen von ihren
Vorteilen und dem Fingerzeig auf einige schwarze Schafe.68
Was die Nachwelt mit diesen Jahren verband, spiegelt der Skandal am
Rande einer der vielen Versteigerungen proskribierten Eigentums. Ein
Freund Sullas bot einen Spottpreis, worauf der Dictator befahl, ihm den
Zuschlag zu erteilen. Ein Zuschauer bot mehr; der Auktionator, mehr rou-
tiniert als klug, rief die Erhöhung aus - worauf Sulla am Rande der Selbst-
beherrschung gerufen haben soll: „Man tut mir ungeheures, tyrannisches
Unrecht, liebe Bürger, wenn ich meine persönliche Beute nicht verteilen
imi, wie ich will!"69
DerAnspruch Sullas lautete im Gegenteil, Roms Gesellschaft zu bessern.
Mm^mk untermauert wurde er durch den Erlass von Gesetzesbestimmun-
gen gegen übertriebenen Konsum (sumptus) etwa bei Begräbnissen, aber
auch bei privaten Festen und Einladungen. Die Geschichte solcher sump-
te-Gesetze, über die Sullas Urahn Rufinus gestolpert war, ist lang, der von
ihnen eingeräumte Bewegungsspielraum - Sulla erlaubte für Festessen 300
Sesterzen, sonst 30 - war notorisch zu eng und wie auf ein permanentes
schlechtes Gewissen der oberen Kreise berechnet, die ihr Geld behalten
statt an die Händler von Luxusgütern verlieren sollten. Weitere Bestim-
mungen betrafen den Ehebruch und sogar die verrufene Praxis des Würfel-
spiels. Erstmals schrieb jemand dem ersten Stand aus eigener Machtvoll-
kommenheit vor, wie er sich in ganz unterschiedlichen Bereichen zu
verhalten habe. Sulla misstraute offensichtlich den alten Formen der Selbst-
kontrolle.70
An der Tatsache großer sozialer Umschichtungen kam er nicht vorbei.
Über 150000 Römer waren zwischen 91 und 82 gefallen, weitere Zehntau-
sende verloren ihren Besitz; in Positionen und Eigentum rückten andere
ein. Die mit Abstand größte Gruppe der Gewinner bildeten die Soldaten
Sullas und seiner Parteigänger, während es ein todeswürdiges Verbrechen
geworden war, auf der Gegenseite gekämpft zu haben. Nur ein Bruchteil
der Mobilisierten wurde jetzt noch benötigt, vor allem für die letzten
Kämpfe auf Sizüien, in Africa und Spanien. Die Mehrheit kehrte ins Zivil-
leben zurück und erwartete - voran die Gruppe der Langgedienten, die
seit Mithridates oder dem Bundesgenossenkrieg kämpften - eine Abfin-
dung in Geld oder Land. Männer aus 23 Legionen wurden auf prinzipiell
unverkäuflichem Staatsland angesiedelt, wo sie eine Drohung gegen Fein-
de der sullanischen Ordnung bildeten, vielleicht sogar die Väter neuer Re-
kruten werden sollten.71
Solche Unsummen gab die Staatskasse nicht her, und der Landhunger
überstieg alles, was man unter den Gracchen oder Marius je ins Auge ge-
fasst hatte. Jemand anders musste zahlen, und das waren nach Lage der
Dinge die Verlierer. Geld erbrachten zu grotesken Verlustraten die Pro-
skriptionen mit ihren Versteigerungen; das Land besorgte Sulla sich in den
Gebieten, die ihm widerstanden hatten. Der Gemeindebesitz reichte nicht
aus; allein bei den Einwohnern waren die nötigen Flächen zu holen. Die
Vorbesitzer wurden ohne Verfahren davongejagt; einige bauten sich müh-
sam ein neues Leben auf, mancher endete vielleicht als Mitglied einer
Räuberbande. Andererseits wurden einige Regionen auffällig verschont:
Rund um Capua wäre noch Staatsland im Staatsbesitz zu haben gewesen,
aber Sulla verteilte es nicht - eventuell zugunsten jener Senatoren, die sich
des Landes seit langem bedienten.72
Ein Ex-Centurio der Bürgerkriegsarmee zählte nach Vermögen wie Ein-
fluss automatisch zu den wichtigsten Männern seiner neuen Gemeinde, ein
schlichter Soldat konnte sich immer noch gute Chancen ausrechnen, in den
Stadtrat zu kommen. Ihre Talente im Verwalten des Besitzes standen auf
einem anderen Blatt; das hatten zumindest die Langgedienten unter ihnen
verlernt. Kluge Veteranen holten sich die nötige Expertise anderswo, nicht
selten in Gestalt vertriebener Eigentümer, die jetzt Pächter oder Gutsver-
walter der neuen Herren wurden. Nach Jahren, in denen die Soldaten ihren
Bedarf entweder gratis gedeckt oder notgedrungen Kriegspreise bezahlt
hatten, waren sie miserabel für ein monotones Leben mit konstanter
Knappheit an Bargeld und harter Arbeit ohne Ruhepausen gerüstet. Der
italische Markt für Agrarprodukte war durch den Tod mehrerer hundert-
tausend Menschen und die Verarmung einer siebenstelligen Zahl so ge-
schrumpft, dass jeder Bauer es schwer hatte, selbst wenn sein Grundstück
- was nicht immer der Fall war - etwas taugte. Auch dann war es ab 78
durch neue Kriege und Verwüstungen bedroht. So verkauften viele rasch
ihre Parzellen - selten an Einheimische, meistens an reiche Großgrund-
besitzer. Sullas Erbe war in vielen Regionen wie Samnium, Lukanien oder
Bruttium ein weiter entvölkertes Land, obendrein eine Schicht entrechte-
ter Altbesitzer und entwurzelter Exsoldaten, denen sich außer der Armee
- aber hier herrschte ein Überangebot an Freiwilligen - kaum eine Per-
spektive bot, es sei denn Raub und Revolte. Ein Mitverschwörer Catilinas,
der Ex-Centurio Manlius, konnte 63 nicht zufällig nahe Faesulae den Kern
einer Armee aus einstigen Sullanern bilden.73
Eine Gegenfigur zu Manlius wäre der Centurio Lucius Luscius, ein
Mann, der die Profitspannen dieser Zeit brillant zu nutzen verstand. Für
drei Proskribierte kassierte er je 48000 Sesterzen und ging mit diesem
Startkapital ans Güterkaufen - auf Sullas Auktionen, wo das Land billig
zu haben war. Zwanzig Jahre später schätzte man Luscius* Vermögen auf
10 Millionen Sesterzen; zu seinem Unglück war Sulla so indiskret gewesen,
die Empfänger seiner Kopfgelder zu verbuchen, und Caesar klagte Luscius
an. Ateius Capito, ein geachteter Jurist der frühen Kaiserzeit, hatte einen
Großvater unter Sullas Centurionen: Dessen Sohn brachte es schon bis
zum Prätor im Senat. Nicht so lange wartete der Prätor und angebüche
Ex-Centurio „Fufidius, die Sklavenschlampe (ancilla turpis), die Schande
jedes Amtes", wie der Konsul Lepidus 78 wetterte.74
Nicht zu vergessen sind an die 10000 neue römische Bürger, deren Ur-
sprung mit Sullas Überzeugungen unvereinbar scheint. Es handelte sich
umfrühereSklaven seiner proskribierten Opfer, die er freiließ - laut
Appian, damit sie seine Interessen unter der Plebs vertraten. Um die feind-
seligen Plebejer in die Unterzahl zu bringen, hätte er allerdings zwanzig-,
dreißigmal mehr Freilassungen benötigt. Sinn und Zweck dieses Schach-
zugs war es wohl auch, von sich abzulenken: Sullas Freigelassene waren das
nähere, also attraktivere Feindbild als Sulla. Jedenfalls bewirkte der Zu-
strom ein gigantisches Anwachsen von Sullas persönlicher Klientel. Even-
tuell gelang es ihm, umgekehrt Gegner aus der Stadt zu vertreiben, indem
er die Verteilung von Gratisgetreide beendete, sicher keine Marktregulie-
rung, sondern ein Schritt gegen jene Schichten der Plebs, die er niemals für
sich hätte gewinnen können. Die 10000 Cornelii organisierten sich umge-
hend in einem Verein (collegium), der noch zwei Jahrzehnte später aktiv
war und das Andenken ihres Patrons pflegte.75
Auch viele Freigelassene aus Sullas eigenem Haushalt profitierten. Ne-
ben Proskriptionsgewinnlern wie Lucius Cornelius Chrysogonus, der es zu
einem Stadtpalais auf dem Palatin brachte, zählte zur Prominenz unter
ihnen auch Tarula, der nahe Brundisium zwei Manufakturen für Ampho-
ren betrieb und wie sein Schicksalsgenosse Scirtus besondere Abneigung
wachrief. Dazu kamen Sklaven und Ex-Sklaven der politischen Verbünde-
ten - Amphion, Freigelassener des Catulus, oder Lucullus' libertus Hektor,
aber auch Gefolgsleute des Pompeius gediehen „am Blut der Bürger und
der Wilkür der Proskriptionen". Niemand war so abhängig von der Gnade
seines Patrons wie diese vormals als Objekte behandelten Aufsteiger, nie-
mand so darauf angewiesen, mit Loyalität, Energie und Rücksichtslosig-
keit seine geringen sozialen Chancen zu nutzen. Roms Senatoren sollten
deswegen in der Kaiserzeit noch viel mit den Zähnen knirschen müssen.76
Die Femwirkung der Erschütterungen - nicht nur in den Unterschichten
- war auch auf religiösem Gebiet spürbar. „Zur Zeit Sullas", so die letzten
Worte der Metamorphosen des Apuleius, wurde ein führendes Kollegium
des Isiskultes in Rom gegründet. Die griechisch überprägte Erlösungsreli-
gion aus Ägypten profitierte vom sprunghaft gestiegenen Mittelmeerhan-
del, aber mindestens ebenso sehr von Umbrüchen und enttäuschten Hoff-
nungen, die auf Rettung von unerwarteter Seite hoffen ließen.77
Plutarch ließ sich von seinen Vorgängern versichern, Sullas Umgang mit
dem Geld habe die Gemüter tiefer erregt als die Art, wie es geraubt wurde
- „hübsche Frauen, Lyraspieler, Theaterleute und der Abschaum unter den
Freigelassenen" hätten ganze Länder und die Jahreseinkünfte unterworfe-
ner Städte geschenkt bekommen, Frauen - wohl aus reicher Familie - habe
man zur Ehe mit solchen Männern gezwungen. Sogar ein schlechter Dich-
ter wurde aus dem Proskriptionstopf beschenkt, allerdings unter der Be-
dingung, künftig nichts mehr zu schreiben. Inmitten all seiner Tätigkeit
fand Sulla „täglich" Zeit für seine Freunde vom Theater. Es wurde getrun-
ken, der Ton war locker; „wenn er bei Tisch war, kümmerte er sich um
keine ernste Sache, sondern während er sonst tatkräftig und von grimmi-
gem Aussehen war, machte er einen vollständigen Wandel durch, sobald er
sich der Geselligkeit und dem Trinken überließ". Bittsteller hätten dann
leichtes Spiel bei ihm gehabt, darunter vielleicht der Lyraspieler Alexan-
dras aus Laodikeia, in dessen Angelegenheit sogar ein Senatsbeschluss er-
ging. Man kam mit den zwei Gesichtern des Lucius Sulla nicht zurecht: bis
zum frühen Nachmittag ein Regent von bestürzender Energie, dann plötz-
lich ein entspannter Lebenskünstler, den nicht einmal seine Rache mehr zu
kümmern schien.78
Auch jetzt noch verweigerte der optimatischste aller Optimaten den
nüchternen, etwas langweiligen Stil, den ihm seine Rolle vorschrieb. Rufi-
nus der Dictator war über die selektive Regelanwendung der Censoren
gestürzt; Sulla der Dictator schärfte neue Moralvorschriften ein und brach
sie gleich selber. Diese späte Genugtuung karikierte geradezu jenen Wech-
sel von Arbeitsfleiß und produktiver Freizeit, negotium und otium, die das
Lebensideal prominenter Römer bildeten: In seiner Geschäftszeit war mit
Sulla nicht, in der Freizeit ausschließlich zu spaßen.
. So traf man hier zum Beispiel Roscius Gallus, den berühmtesten Schau-
spieler seiner Epoche, den Sulla ohne Bedenken in den Ritterstand auf-
nahm und zum reichen Mann machen half, außerdem Sorex oder Sorix,
den Chef einer Theaterkompanie, die sich der kürzlich importierten komi-
schen Gattung des Mimus annahm. Weitaus heikler war das langjährige
Verhältnis zu Metrobius, einem Spezialisten für Frauenrollen, das Sulla of-
fen als Liebe bezeichnete. Besonders verstörte es, dass er noch „wie ein
junger Mann" dasselbe für Metrobius empfand, als dieser seine Schönheit
überlebt hatte; hier zeigt sich der sexuelle ,Mainstream' der Zeit. Hetero-
oder Homosexualität als Konzepte gab es nicht; wer mit Frauen schlief,
konnte sich parallel für Jugendliche und sogar erwachsene Männer interes-
sieren - wo ein Mann sich allerdings auf als , weiblich' und ,passiv' empfun-
dene Rollen und Praktiken einließ, begann aus der Zeitsicht die Perversion.
Sexuelle Bedürfnisse mit Gefühlen zu verbinden und in fortgeschrittenem
Alter offen auszuleben, nannte Plutarch „krankhaft", „Hang zu Liebe-
leien" und „Vergnügungssucht"; der Dictator hätte schließlich ganz diskret
an attraktivere Objekte in beliebiger Zahl kommen können. Sulla hielt sich
- warum nur? - an den in die Jahre gekommenen Metrobius.79
Auf solche Personen wurde gezeigt, aber bekamen sie wirklich den Löwen-
anteil von Sullas Beute? Die Hauptgewinner müssen wir unter den Stan-
desgenossen der Opfer suchen. Nichts konnte Sullas Ordnung und deren
Fortbestand besser stabilisieren, als wenn auch Senatoren bei Auktionen
Zugriffen, die Einwände gegen das Verfahren hatten. Genau diese Gruppe
der Nutznießer - zu unterteilen in Sullas langjährige Gefolgsleute, prag-
matische Unterstützer aus den Reihen der Optimaten und eine ganze An-
zahl ehemaliger Unentschlossener oder Feinde - ist in der senatorisch do-
minierten Literatur natürlich unterrepräsentiert, und das umso mehr, je
höher ihr Ansehen war. Doch gerade das durch Sulla freigesetzte und ver-
teilte Vermögen sollte Personen wie Catulus, Crassus, Marcius Philippus
und Domitius Ahenobarbus, aber auch Pompeius und Lucullus in eine
ganz neue Stufe des Reichtums heben. Die Möglichkeit, ihn einzusetzen,
sollte weite Teile der nachsullanischen Geschichte bestimmen, solange es
noch eine Republik gab - der Stabilität der neuen Ordnung wirkte sie dia-
metral entgegen.80
Nur den besonders Skrupellosen hing die Art nach, wie sie ihr Ver-
mögen gemehrt hatten. Der zum Legaten aufgestiegene Rebell Crassus
bereiste nach dem Sieg mit einer Strafkommission Bruttium und verurteil-
te dort unter anderem einen Eigentümer attraktiven Grundbesitzes. Was
den Fall empörender gemacht haben soll als so viele andere, wissen wir
nicht; jedenfalls verurteilte Sulla die Handlungsweise seines Beauftragten.
Nie wieder soll er Crassus in öffentlicher Funktion beschäftigt haben -
daran, ihm die Beute wegzunehmen, dachte Sulla eindeutig nicht. Ein
Zweck seiner Aktionen war es ja, die Vermögensschäden cinnanischer Op-
fer mehr als auszugleichen; Crassus hatte Vater und Bruder verloren.81
Unter den Kommissionschefs befand sich auch Gaius Verres, den Cicero
Jahre später anprangern sollte und der ursprünglich auf cinnanischer Seite
gestanden hatte. Als Quästor des Konsuls Carbo brachte er es fertig, von
Ariminum aus ins siegreiche Lager zu wechseln, und ließ die Kriegskasse
verschwinden - vielleicht als Begrüßungsgeld für die Gegenseite. Sehr weit
traute Sulla ihm nicht; Verres leitete nur die »Säuberungen' im abgelege-
nen Benevent und füllte dabei natürlich seine Taschen. Noch im Jahr 70
blieb Cicero über diese Zeit seines Angeklagten sehr wortkarg, um keine
anderen Profiteure gegen sich aufzubringen.82
Notorisch ist der Fall des Patriziers Sergius Catilina, den Sallust zum
amoralischen Meisterschüler Sullas stilisiert hat. Der nicht sehr reiche Ca-
tilina hatte lange auf der falschen Seite gestanden. Aus persönlichem Inte-
resse tötete er seinen Schwager Quintus Caecilius, einen politikfernen Rit-
ter, sorgte für dessen nachträgliche Proskription und machte Jagd auf
andere reiche Opfer. Ein echter Feind Sullas fehlte allerdings in seiner
Sammlung; vielleicht machte sich Catilina Gedanken, er könnte selbst de-
nunziert werden. Am Ende hatte er das Glück, an den Prätorier Marius
Gratidianus zu geraten, dem man den Tod des Catulus anrechnete, und
inszenierte dessen qualvolles Ende; als Höhepunkt wusch er sich die bluti-
gen Hände angeblich in einer heiligen Quelle.83
Sullas Loyalität gegenüber Freunden und Unterstützern ist oft hervor-
gehoben worden; Crassus ist der einzige, von dessen - milder - Zurecht-
weisung wir hören. Der andere Held des 2. November, Lucretius Ofella,
sah Mitte 81 seine Zeit gekommen, den verdienten Lohn einzufordern,
und beschloss aus dem Ritterstand heraus als Konsul für das Jahr 80 zu
kandidieren. Sulla wies ihn zurück. Ofella ließ es auf eine offene Macht-
probe ankommen und begab sich mit großem Gefolge aufs Forum, um
Sulla seine Kandidatur offiziell zu melden. Der schickte seinen Centurio
Bellienus aus, welcher Ofella ohne Umschweife tötete. Die Menge stürzte
sich schon auf den Mörder, als Sulla sie zum Schweigen brachte: Er selbst
habe die Tat befohlen, man möge den Mann gehen lassen. Zur Begrün-
dung soll er die Fabel erzählt haben, wie ein Bauer seine Tunika verbrann-
te, als die Röhe darin nicht herauszubekommen waren; so werde es allen
gehen, die ihm nicht gehorchten.84
Die Zeitgenossen betrachteten diesen Akt als schlichten Undank. Ofella
hatte wichtige Dienste geleistet, dafür konnte er etwas erwarten - dass
Sulla, der so vielen Vorteile zugeschanzt hatte, ausgerechnet bei ihm Härte
zeigte, erstaunte. Ein positiver Präzedenzfall der Regeltreue? Der Fall
Ofella erscheint nicht ganz unabhängig von Ofellas Rolle im November
82; Crassus' Kaltstellung unter einem Vorwurf, der auf viele andere ebenso
zutraf, passt gut dazu. Für den letzten Sieg stand Sulla in der Schuld der
Armee - eine Schuld gegenüber Tausenden, die sich pauschal abtragen
ließ. Crassus und Ofella als Einzelpersonen aber konnte er den Gefallen,
ihn gerettet zu haben, nie vergelten. Ofella war so unklug, offen auf diese
Schuld zu spekulieren; schon vorher war er lästig gewesen, jetzt machte er
sich als Aufrührer gegen die neue Ordnung entbehrlich. In diesem Fall war
Sulla gerne streng.
Noch herrschte diese Ordnung nicht überall. Carbo war tot, aber zwei Wi-
derstandsherde zogen mutige Unzufriedene an und konnten auf die Dauer
auch in Rom Unruhe verbreiten. Sorgen bereiteten Ende 82 zunächst Sizi-
lien und Nordafrika, während sich im abgelegenen Spanien der Proprätor
Sertorius hielt, Sullas alter Feind aus den Tagen von Teanum, Den Auftrag,
Schluss mit ihm zu machen, bekam zunächst Annius Luscus, der Sertorius
im Lauf des Jahres 81 kurzzeitig vertrieb - schon 80 war die Lage für die
Sullaner aber so schlecht geworden, dass der Spanienkenner Metellus Pius
selbst aufbrach, um ihrer Herr zu werden.85
Wenig hatte sich dagegen an Roms Politikstil in Kleinasien geändert.
Licinius Murena hatte nicht die Absicht, seine Zeit zu verschwenden. Wäh-
rend Sulla 83 den Bürgerkrieg eröffnete, traf bei Murena Archelaos ein,
der Mithridates nun endgültig suspekt geworden war. Seine Berichte über
Kriegsvorbereitungen gegen Aufständische am Nordufer des Schwarzen
Meeres lieferten Murena den willkommenen Vorwand, darin eine Dro-
hung gegen Rom zu sehen. Der empörte König berief sich, als die beiden
Fimbria-Legionen ihn überfielen, auf den Frieden von Dardanos - dreist
erklärte Murena, er habe keinen Vertrag in seinen Unterlagen. Mündliche
Absprachen sollten ihn auf dem Weg zum Erfolg nicht stören. Wutent-
brannt schickte Mithridates nach Rom. Schließlich kam eine Antwort des
mittlerweile installierten Sulla - im Stil der guten alten Senatsherrschaft.
Der Gesandte, Quintus Calidius, erklärte mündlich, der Senat gebiete,
Mithridates zu respektieren; dass er Murena noch einiges unter vier Augen
mitzuteilen hatte, weckte den Verdacht der Pontier - und stimmte Murena
nicht friedfertiger.86
Mithridates hatte es satt. Ein Angriff verjagte Murena im Lauf des Jah-
res 81 aus seiner kappadokischen Operationsbasis. Auch Sulla war es zu
viel geworden; ein neuer Gesandter gebot Murena die Einstellung der
Kämpfe und wurde Zeuge, wie Mithridates von Ariobarzanes im Tausch
für seine Tochter einen Teil Kappadokiens bekam. Der Kriegsprovokateur
erhielt seinen verdienten Lohn: keinen maiestas-Fxozess, sondern einen
Triumphzug durch die Straßert der Hauptstadt. Nicht lange nach dem
Hochzeitsfest klagte Ariobarzanes, die pontische Armee räume sein Land
nicht; parallel Heß Mithridates ausrichten, es sei Zeit, den Vertrag von
Dardanos schriftlich niederzulegen, Sulla wartete erst einmal auf den Ab-
zug; als die nächste Delegation höflich um den Vertrag bat, lebte der Cor-
nelier nicht mehr und der Senat ließ ausrichten, er sei sehr beschäftigt. Das
Spiel der beiderseitigen Treuebrüche konnte weitergehen; es sollte erst mit
dem Tod des umtriebigen Königs enden.87
Die Neuordnung der Welt hatte auch sonst ihre kleinen Rückschläge. In
Ägypten wurde ein Thronfolger gesucht; bei Sulla hielt sich seit Jahren ein
Ptolemäerprinz auf, der aus Mithridates' Gefangenschaft entkommen war.
Als Ptolemaios XL zog er in Alexandria ein, nur um nach ganzen 19 Tagen
umgebracht zu werden, weil er „zu hochmütig" war und durch den Mord
an seiner Frau Berenike nicht sympathischer wurde. Schade war es vor
allem um die Geldgeschenke, die der dankbare König in die römischen
Kassen gezahlt hätte.88
Für Erfolge sorgte der strahlende junge Sieger Gnaeus Pompeius, der nun
seit zwei Jahren ein Heer führte, ohne auch nur alt genug für ein Amt zu
sein. Einen Präzedenzfall für diese - traditionell gesprochen - Verfalls-
erscheinung gab es nicht; sie war ein Kind des Bürgerkrieges. Der Senat
autorisierte die Selbstbezeichnung eines Imperators, der sich die legale
Basis nachträglich würde erarbeiten müssen, und gab damit ein Stück sei-
ner Wächterfunktion auf. Armee und Heerführer konnten also für sich
allein vollendete Tatsachen schaffen.
Pompeius machte in dieser Zeit nicht gerade den Eindruck eines rabi-
aten Kriegsherrn. Wenn das möglich ist, übertraf er Sulla an Charme; man
sagte ihm eine Kombination aus einnehmendem Wesen, Fingerspitzen-
gefühl und Tüchtigkeit nach, die Roms schönste Prostituierte Flora für
ihn begeisterte. Zum Opfer der Tyrannenwilkür stilisierte man ihn später
wegen einer politischen Transaktion besonderer Art. Metella, die Frau des
Dictators, hatte aus erster Ehe eine Tochter, Aemilia, die seit kurzer Zeit
verheiratet war. Sulla sprach mit Pompeius ab, dieser solle sich von seiner
Frau Antistia, der Tochter eines 82 von Damasippus ermordeten Prätors,
scheiden lassen und die schwangere Aemilia heiraten - die im Kindbett
starb, wohl zusammen mit dem Kind, das Pompeius sonst an den Vater
Acilius Glabrio gesandt hätte, wie es der spätere Augustus nach seiner
analogen Ehe mit der hochschwangeren Livia tat. Die Episode ließ die
Moral der Sieger nicht gerade in hellen Farben erstrahlen. Als Mittel,
Pompeius enger an Sulla zu binden - oder Sulla an die anderen nobiles,
denen er weit enteilt war? -, hatte sie versagt.89
Gleich nach dem Sieg vor Rom wurde Pompeius als offizieller Proprätor
auf Sizilien und in Africa eingesetzt. Bald landeten die Legionen auf der
Insel, die wenig Widerstand leistete; Marcus Perpema, der dortige Statt-
halter, floh nach Spanien, aber der flüchtige Konsul Carbo fiel in die Hän-
de der Sullaner. Pompeius machte in einer demütigenden Szene kurzen
Prozess mit ihm, wozu er aufgrund seiner niedrigeren Amtsgewalt keiner-
lei Befugnis hatte, und ließ alle gefangenen Soldaten summarisch hinrich-
ten. Die Exekution Carbos - der seinerseits nach 87 Pompeius' Leben und
Besitz geschont hatte - öffnete Sulla den Weg zur Dictatur.90
Sizilien war nur das Sprungbrett nach Africa, wo die Cinnaner größere
Mittel und ein weites Terrain zur Verfügung hatten. Ein Senatsbeschluss,
dem ein Schreiben Sullas beilag, beorderte die erfolgreiche Armee gegen
Cinnas Schwiegersohn Domitius Ahenobarbus, dem eine weit überlegene
Streitmacht gehorchte. Pompeius besiegte ihn gewissermaßen schon vor
der Landung. Das Organisationstalent des jungen Mannes stellte sechs Le-
gionen bereit, die in über 900 Transport- und Geleitschiffen, vollgepackt
mit Vorräten für Monate, überraschend bei Utica und Karthago anlegten.
Pompeius verfolgte und stellte die Cinnaner im Landesinnern, überrannte
sie während einer Rückzugsbewegung und exekutierte Domitius in dessen
Lager. Anschließend drang er nach Numidien ein, angeblich alles in vierzig
Tagen, ebenso vielen, wie er für seine Piratenkampagne von 67 gebraucht
haben soll. Dabei habe er noch Zeit gehabt, Löwen und Elefanten zu
jagen... 91
Anfang 81 traf Pompeius' Armee wieder in Utica ein; dort wartete die
Anweisung, fünf der sechs Legionen seien mangels Verwendung augen-
blicklich zu entlassen. Für den Bürgerkrieg brauchte sie Sulla nicht mehr;
Sertorius konnte ein anderer niederwerfen. Was würde Pompeius über-
haupt bekommen, wenn er die letzte Legion dem angekündigten Nachfol-
ger übergeben hatte? Die Stimmen seiner Veteranen für die Quästur?
Pompeius berief eine echt sullanische Heeresversammlung ein und ver-
kündete bedauernd den Befehl aus Rom - worauf es laut wurde. Empört
erklärten die Legionäre, ohne Pompeius täten sie keinen Schritt, und
drängten ihn zurück auf sein Feldherrntribunal. Er sei untröstlich, meldete
der Imperator, aber die Armee wolle nicht.92
Sulla hätte explodieren können wie so oft, soll aber bloß geklagt haben,
all die jungen Leute - erst Marius junior, jetzt Pompeius junior - ließen
ihm keine Ruhe. Die dünn bemäntelte Drohung klingt authentisch. Doch
niemand wusste besser als Lucius Sulla, dass man in so ein Lager nicht
einfach Militärtribune schicken konnte; die brachiale Lösung, mit acht bis
zehn Legionen in Africa zu landen und höflich um den Kommandowechsel
zu bitten, hätte mehr geschadet als genutzt;, und niemand außer Sulla hätte
es wagen können. Er entschied sich, gute Miene zum bösen Spiel zu ma-
chen und den jungen Mann samt Legionen herzlich zu begrüßen. Pompeius
hörte sich mit Freuden von Sulla als Magnus angeredet werden; so zog er
mit dem Dictator im Besitz eines einmaligen Beinamens gleich. Sogar vom
Pferd, das er gar nicht besteigen durfte, sei Sulla geklettert und habe das
Haupt entblößt.93
Der Moment schien günstig, eine weitere Frage zu klären - Pompeius
wollte einen Triumph. Sulla beherrschte sich auch jetzt und begann mit
der römischen Tradition zu argumentieren; seit Romulus hatte niemand
Triumphe gefeiert, ohne Magistrat oder Promagistrat zu sein. Dem habe
sich selbst der große Scipio Africanus gefügt - das zur Entschuldigung von
Pompeius' Sonderstellung noch am ehesten zitierbare Beispiel. Nur half
das Zureden nicht; Plutarch legt Pompeius das erlesen unverschämte Wort
in den Mund, das Volk verehre die aufgehende Sonne nun einmal instän-
diger als die sinkende, und darauf möge Sulla besser Rücksicht nehmen.
„Soll er doch triumphieren!", rief Sulla angeblich; seine ungewohnte Ruhe
wird mit Schwerhörigkeit erklärt.94
Man suchte sich einen Anlass heraus, der nicht nach Bürgerkrieg
schmeckte, und am 12. März 81 feierte der Privatmann Pompeius Magnus
den Sieg über Iarbas, der sich in den Kriegswirren zum König Numidiens
aufgeschwungen hatte. Bescheiden wie immer stieg er auf einen Triumph-
wagen, den statt der Pferde vier Elefanten zogen - wie man sie nach ihm
vor Götterstatuen spannte -, nur war das Stadttor doch zu eng. Mit den
Provokationen war es aber noch lange nicht vorbei. Ungeniert lehnte es
der Imperator ab, sich rasch um seinen Eintritt in den Senat zu kümmern
und so den irregulären Zustand kaschieren zu helfen; Er wollte nicht un-
angemessen normal erscheinen. Pompeius blieb römischer Ritter, was gro-
ße Teile der Bürger begeisterte - es widersprach dem, wofür Sulla stand.95
Vielleicht zog der Dictator schon jetzt seine Schlüsse und strich Pompe-
ius stillschweigend aus seinem Testament. Die Freundschaft zwischen
beiden kühlte ab, ohne dass dies Pompeius' Platz in der besten Gesellschaft
stärker gefährdet hätte als seine zahlreichen Affären. Der Triumph des
jungen Magnus war die erste Probe auf Sullas neues System. Nicht einmal
der Cornelier selbst hatte den Imperator bremsen können oder wollen.96
Über die Eifersucht der anderen Stützen des Regimes hören wir wenig.
Sie lebten unspektakulär, voran Lutatius Catulus, Jahrgang 121, der Sohn
von Sullas einstigem Vorgesetzten. Gleich nach dem Sieg wurde Catulus
zu einem der Prätoren für 81 gewählt; entsprechend dem Minimalinter-
vall führte ihn sein Weg zum Konsulat von 78. Zumindest laut seiner
Selbstdarstellung war er eine gemäßigte Kraft und stellte sich den fana-
tisch rachedurstigen Sullanern entgegen; mit der Abschlachtung des Gra-
tidianus am Grab seines Vaters konnte oder wollte ihn keine Quelle in
Verbindung bringen. Allein seine Rolle als Erbe gleich zweier monumen-
taler Bauprojekte macht deutlich, auf welche Geldsummen Catulus zu-
rückgreifen konnte, von der Nähe zu Sulla - den er darin beerbte - abge-
sehen. Ebenso zeigte sich sein Einfluss in kleineren Vergünstigungen wie
der Verleihung des Bürgerrechts an einen Lokalaristokraten auf Sizilien,
die er erwirkte.97
Etwas anders standen die Dinge im Fall von Lucius Lucullus, 117 gebo-
ren, der Ende des Jahres 80 seinen Posten als Quasi-Statthalter in Asia
aufgab. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Marcus wurde er 79 Ädil,
schon im Folgejahr Prätor - eine Verletzung der überlieferten Regel des
amtsfreien Jahres, in der man mit gleichem Recht Günstlingswirtschaft
oder den Ausgleich für die im Osten verlorenen Jahre sehen konnte. Rom
staunte über die Spiele der Brüder, die Elefanten und Stiere gegeneinan-
der antreten ließen; der baldige Konsulat war Lucullus sicher, die Sym-
pathie Sullas unverkennbar. Pompeius registrierte es ohne große Begeiste-
rung. Zwischen beiden Helfern des Glücklichen begann eine Konkurrenz,
die sich zwei Jahrzehnte lang fortsetzen und Lucullus die Krönung seiner
politischen Laufbahn kosten sollte. Jedenfalls war er im Begriff, zu den
reichsten Männern Roms zu gehören, und das, ohne sich die Hände an
den Proskriptionen schmutzig gemacht zu haben - aus deren Erträgen Sul-
la ihn zweifellos beschenkte.98
Am unsicheren Rand der Nobilität behaupteten sich einige erstaunliche
Figuren. Dabei arbeitete mindestens Gaius Iulius Caesar, Jahrgang 100
und Spross einer stark ausgedünnten Patrizierfamilie, aktiv gegen sein
Überleben. Einige Zeit lang entging er der Aufmerksamkeit des Diktators,
bis man Sulla darauf hinwies, eine von Cinnas Töchtern sei immer noch
verheiratet. Kurz und bündig forderte Sulla Caesar auf, sich von Cornelia
scheiden zu lassen; Caesar, der dem ermordeten Merula alsflamenDialis
hatte folgen sollen und schon deshalb in Gefahr schwebte, weigerte sich.
Von einem Mann, dessen Tante auch noch die Witwe des Marius war, ließ
Sulla sich das nicht bieten. Proskribiert wurde Caesar nicht, aber er wurde
vom pontifex maximus - das war nunmehr Metellus Pius - niemals ins Amt
eingeführt, verlor die Mitgift seiner Frau und das Vermögen seines Vaters.
Einige Zeit lebte er untergetaucht und kaufte sich von einem Jagdkom-
mando frei, das ihn sonst vermutlich ermordet und nachträglich auf die
Proskriptionsliste gesetzt hätte. Letzten Endes soll er nur entkommen sein,
weil außer zwei mächtigen Verwandten im sullanischen Lager, Aurelius
Cotta und Mamercus Aemilius Lepidus, zusätzlich noch die Vestalinnen
für ihn baten. Bis 11 blieb Rom ohne Jupiterpriester. Sulla soll prophetisch
behauptet haben, in Caesar stecke mehr als nur ein Marius - falls er nicht
schlicht auf beider Verwandtschaft anspielte und die Möglichkeit lästiger
Nachkommen streifte. Caesars spätere Bemerkung, Sulla sei ein politi-
scher Analphabet gewesen, schließt vermutlich den Fehler ein, jemanden
wie ihn übrig gelassen zu haben; solange Sulla lebte, hielt der gefährliche
Mann sich künftig in respektvoller Entfernung von Rom auf."
Ähnlich dreist benahm sich Sullas entfernter Verwandter Pubüus Cor-
nelius Lentulus, der 81 zur Quästur gelangte. Im Folgejahr wurde er von
Sulla persönlich vor den Senat zitiert, weil Gelder in beachtlicher Höhe
fehlten. Lentulus erklärte schnoddrig, seine Bücher könne er nicht vor-
legen, aber er werde dafür die Wade hinhalten - wie ein Athlet, den der
Kampfrichter wegen eines Regelvergehens schlagen will. Wade, sura, war
ziemlich sicher als Anspielung auf Sullas Namen gemeint und bedeutete
zum anderen vielleicht „du bist mein bester Schutz". Jedenfalls geschah
Lentulus Sura, wie er fortan genannt wurde, für diesmal nichts. Man warf
ihn erst Jahre später aus dem Senat, und er hatte noch einige Skandale vor
sich, ehe Cicero ihn 63 als führenden Catilinarier ohne Prozess hinrichten
ließ.100
In Sullas eigenem Haus trat inzwischen eine Dynastie ins Leben, die Bes-
seres versprach. Sullas Tochter aus der Ehe mit Aelia, Cornelia, die Witwe
des jüngeren Pompeius Rufus mit ihren zwei Kindern, hatte sich auf ihre
eigene Weise an Marius gerächt und zum Schleuderpreis von 75 000 Dena-
ren eine Villa des großen Gegners am Golf von Neapel ersteigen, die dank
ihrer herrlichen Lage gut das Siebenfache wert war. Metella hatte Sulla in
ihren sieben Ehejahren seit 88 bereits ein Kind geschenkt. Nun gebar sie
Zwillinge, einen Jungen und ein Mädchen. Statt dem kleinen Cornelius
Sulla ein Allerwelts-Praenomcn wie das eigene m geben, verlieh Sulla Fe-
lix ihm einen Vornamen, den niemand auf der Welt hatte: Faustus, „der
Glückverheißende". Auch das Mädchen sollte Fausta genannt werden.
Bei feierlichen offiziellen Anlässen verwendeten die Römer die Einlei-
tungsformel ut bonwn, felix faustumque sit, „möge es gut, glücklich und
verheißungsvol sein"; rein semantisch war nun keine Familie staatstragen-
der - und beglückter.101
Metellas ältester Sohn starb ungefähr im Winter von 82 auf 81. Ein
Zehntel seiner Kriegsbeute weihte Sulla im folgenden Jahr dem Hercules;
davon veranstaltete er Spiele und ein Gelage mit erlesensten Weinen. Op-
ferfleisch gab es so reichlich, dass man den Überschuss in den Tiber werfen
musste. Gleichzeitig lag Metella im Sterben. Sulla konnte sie nicht be-
suchen, ohne unrein zu werden und das Fest abbrechen zu müssen; dazu
erinnerten Ritualexperten ihn daran, dass ein Todesfall in seinem Haus
dieselbe Wirkung haben müsse. So schickte er seiner sterbenden Frau
einen Scheidebrief und ließ sie, solange noch Leben in ihr war, aus seinem
Haus in ein anderes tragen. Was die Familie von dieser notwendigen Grau-
samkeit hielt, ist nicht überliefert; dass sie nicht der Gleichgültigkeit ent-
sprang, demonstrierte ein Begräbnis, das Sullas eigener Anti-Luxus-Ge-
setzgebung ins Gesicht schlug. „In der Sache mit seiner Frau hätte er sich
etwas Anständigeres überlegen können", tadelt gleichwohl noch Sallust.102
Wie sehr Sulla Metella liebte, ist ungewiss - Leidenschaft innerhalb der
Ehe war in dieser Zeit beinahe unanständig -, aber er hatte an ihr gehan-
gen und seine Gefahren mit ihr geteilt. Vergessen und Trost suchte er an-
geblich in teuren, frivolen Gastmählern, an die sich Trinkgelage anschlös-
sen. Aus der Trauer riss Sulla eine frisch geschiedene Frau aus bester
Familie, Valeria, Tochter eines Messalla und (Halb-?)Schwester des ange-
henden Starredners Hortensius. Bei Gladiatorenkämpfen, die einige Mo-
nate später stattfanden, saß sie nicht weit von Sulla auf den besten Plätzen.
Ohne von jemandem aufgehalten zu werden, stand sie auf, wie um sich
hinter Sulla vorbei nach draußen zu schieben; als sie ihn erreicht hatte,
legte sie die Hand auf seinen Rücken, zupfte gut spürbar einige Flocken
Wolle aus der verzierten Toga und kehrte wieder an ihren Platz zurück.
Sulla drehte sich aufgeschreckt um, worauf Valeria gewartet hatte. „Es ist
nichts Schlimmes, Imperator", sagte sie, „ich möchte nur auch ein bisschen
von deinem Glück abbekommen." Das ehrwürdige Motiv, dass das Beson-
dere an einem Menschen in seine Kleider ausstrahlt, im Dienst eines Flirts
war unwiderstehlich. Valeria hatte gegen einige Anstandsregeln verstoßen,
aber Sullas Interesse an der aufmüpfigen Patrizierin war nachhaltig ge-
weckt. Sie setzte sich wieder hin, er erkundigte sich bei den Nachbarn nach
ihr; sie warfen sich aus den Augenwinkeln Blicke zu, etwas später - offen-
bar war die Vorstellung lang - drehten sie die Köpfe zueinander, aus den
Blicken wurde ein Lächeln, und „wie ein Teenager" verliebte sich Sulla
dermaßen, dass sie sich binnen kurzem die Ehe versprachen.103

Der Lotse geht von Bord


Ein indirektes Opfer der Proskriptionen, Sextus Roscius aus Ameria, war -
wohl Anfang des Jahres 80 - angeklagt, seinen Vater ermordet zu haben,
und hatte Schutz bei den Metelli gesucht, um nicht der Justiz oder aber - so
die Verteidigung - seinen mordlustigen Verwandten, den wirklichen Tä-
tern, zum Opfer zu fallen. Die Verteidigung übernahm ein junger, aber
begabter Anwalt, ein mit Marius Gratidianus verwandter Rittersohn aus
Arpinum namens Marcus Hillius Cicero, der im Bundesgenossenkrieg an-
geblich einige Monate unter Sulla selbst gedient hatte und „mit meiner
kleinen Kraft" gegen die Cinnaner gewirkt haben wollte. Der Legende
zufolge wagte es wegen Sulla - „ich nenne ihn, um ihn zu ehren" - sonst
niemand, den Fall zu übernehmen, in den der Freigelassene Chrysogonus
verwickelt sein sollte. Unter Verneigungen vor Sullas klugen Plänen und
Führung, neuer Ordnung und souveränem Gerechtigkeitssinn attackierte
Cicero die habgierigen Proskriptionsgewinnler, von deren Untaten in der
Zeit des Chaos der vielbeschäftigte Sulla natürlich keine Ahnung gehabt
habe. Roscius wurde freigesprochen, Cicero war in aller Munde und gab
seine anschüeßende Studien- und Erholungsreise bald als Flucht vor der
Rache des Dictators aus, dessen Macht er herausgefordert habe.104
Das geradezu populäre Ereignis belegt, wie wenig Sullas Rom ein tota-
ler Staat war. Mehr noch zeigt es die Bruchlinien, die sich durch das Ge-
füge der neuen Ordnung zogen, sobald die alten Mechanismen, Klientel
und Rivalität, wieder wirken konnten. Sulla war nicht souveräner Herr im
eigenen Haus, oder aber er betrachtete das Haus nicht als seines. Kein
Wunder - als Cicero sprach, war Sulla nicht mehr Dictator.105
Der Dictator zur Herstellung der Republik machte zu Beginn des Som-
mers 79 dem Volk eine Mitteilung. Was er im Rahmen seines Amtes zu
tun habe, sei getan; daher lege er es hiermit nieder. Er entließ seine Likto-
ren und hielt sich, für den Augenschein einsam und verlassen, in Beglei-
tung einiger Freunde auf dem Forum zur Verfügung, falls jemand gegen
ihn eine Klage vorbringen wollte. Tiefes Schweigen lag über dem Platz, auf
dem der Wartende auf und ab spazierte. Aus dem Schweigen ging Sulla,
der dies als Entlastung ansah, davon. Ein schimpfender Jugendlicher soll
ihm ungehindert bis nach Hause gefolgt sein; erst an der Tür bemerkte
Sulla, wegen dieses Burschen werde niemand nach ihm je wieder die abso-
lute Macht aus der Hand geben.106
Nicht nur der Zwischenfall ist erfunden. Kaum erst 79, sondern mit gro-
ßer Wahrscheinlichkeit schon nach dem Sommer 81, als er Ofella töten
ließ, verzichtete Sulla auf sein Amt - wann genau, ist eine der beliebtesten
Streitfragen überhaupt. Der Cornelier trat 80 seinen zweiten Konsulat an,
den er mit der Dictatur hätte kombinieren dürfen; zur Debatte steht damit,
ob er sich von seiner formalen Macht in zwei Schritten trennte oder in
einem einzigen.107
Die Niederlegung der Dictatur ist, für sieh genommen, ein Schritt, der uns
Respekt abverlangt. Das ist oft und manchmal zu sehr betont worden. In
der Tat hätte Sulla noch jahrelang im Amt bleiben können, beliebig lange
und auf Lebenszeit; er hätte auch alle Vollmachten seiner unerhörten Stel-
lung ausschöpfen und theoretisch nach der Monarchie greifen können. Als
überzeugter Optimat unterließ er das und gab sein Amt auf - über den Stil
seiner Amtsführung und die Elemente der persönlichen Wilkür darin be-
sagt dieser Charakterzug, den man Integrität und Glaubwürdigkeit nennen
darf, nichts. Ebenso ist an den Widerstand zu denken, den ein erklärt mo-
narchischer Kurs ausgelöst hätte, wie Caesars Fall lehrt - aber auch daran,
dass manche Instrumente der Dictatur nie angewandt wurden, weil Rom
sich Sullas Maßnahmen leichter fügte als gedacht. Von Mäßigung zu spre-
chen wäre verfehlt.108
Außerdem hinterließ Sulla eine gemeingefährliche Erfindung, die mit
seinem Abschied von ihr nicht verschwand. Er hätte - gerade aus aristo-
kratischer Sicht - selbst dann unverantwortlich gehandelt, wenn später
kein anderer mehr die Dictatur neuen Typs aufgegriffen hätte. Doch genau
das geschah, unter lautstarker Distanzierung vom Vorbild Sulla und mit
dem Ziel lebenslanger Alleinherrschaft auf formal korrekter Grundlage.
Das Risiko bestand ohnehin; es ist nicht übertrieben, von einem der klügs-
ten Köpfe Roms zu fordern, dass er es bemerkte. Auch Cinna, der konsula-
re Umstürzler von 87, hatte den Sulla des Jahres 88 aus der politischen
Gegenposition kopiert. Es brauchte keine höhere Mathematik, um eine
gesteigerte Wiederholung mit den Mitteln der Dictatur und des Weges zu
ihr zu fürchten. Die selbstkritische Seite eines Mannes, der sein spontanes
Handeln für gottgeleitet und inspiriert hielt, war allerdings wenig ent-
wickelt, der monumentale Blick Sullas auf Sullas Taten bei einer Abschät-
zung ihrer Folgen nicht hilfreich. Er kann sich durchaus eingebildet haben,
sein Wunsch und Wille gentige, um die Republik ein für allemal zu festi-
gen. Tatsächlich drohte seine eigene Person sie durch ihre schiere Existenz
zu sprengen.109
In seinen späten Jahren soll Sulla einen Siegelring mit drei Siegeszeichen
darauf benutzt haben - für Kappadokien, Griechenland und Italien. Völlig
siegreich war er dort nicht; noch als Dictator zog er anscheinend vor die
Cinnanerfestung Volaterrae (Volterra), gab diese Belagerung aber, als sie
sich hinzog, an Gaius Papirius Carbo ab. In Carbos Truppen steckte echter
Bürgerkriegsgeist: Im Lauf des Jahres 79 erschlugen sie ihn, etwas später
kapitulierte die Stadt,110
Noch im Amt kandidierte Sulla als Konsul für 80, Seite an Seite mit
Metellus Pius. Der Staatsapparat nahm seine Arbeit wieder auf-aber das
zeigte nur, welche Schattengestalteii die Ämter des Dictaturjahres 81 be-
setzt hatten, beginnend mit den Konsuln.111 Obendrein blockierten Sulla
und sein Miteroberer nun zwei Plätze, auf welchen sonst neue Mitglieder
die geschrumpfte Führungsschicht hätten ergänzen können. Und natürlich
- muss man beinahe schon sagen - brach Sulla das eigene Gesetz, wonach
zwischen zwei Konsulaten zehn Jahre zu liegen hatten. Die Wilkür, die
darin lag, könnte Lucretius Ofella ermuntert haben, sich als Alternative
anzubieten. Falls es echte Gegenkandidaten in dieser Wahl gab, dann zwei-
fellos nur nach Absprache mit den vorbestimmten Siegera.
Nach Sullas neuem Wählverfahren wurden die Konsuln schon im Som-
mer 81 designiert; vor seinem Amtsantritt legte Sulla die Dictatur anschei-
nend nieder. Das kann er auch erst am 31. Dezember getan haben, womit
die amtsfreie Zeit je nachdem zu einer Strafverfolgung - die sie dem Ge-
setz nach erlauben sollte - nicht einmal theoretisch ausreichte. Als Konsuln
verstanden sich Sulla und Pius so gut wie eh und je. Aus der Rückschau
schrieb Sulla ihr Einvernehmen wiederum seinem Glück zu - „denn zwar
habe er viele Widerstände von ihm erwartet, ihn als Amtskollegen statt-
dessen aber äußerst umgänglich gefunden". Er mag ehrlich befürchtet ha-
ben, sein unabhängiger Mitstreiter werde ihn kräftig spüren lassen, dass die
absolute Macht vorbei sei. Ob sich Metellus das getraut hätte, ist eine an-
dere Frage - und Dreistigkeiten wie die des Pompeius mussten beide Kon-
suln eng zusammenrücken lassen. Gegenwind gab es auch sonst. Das Volk
blockierte Sullas Versuch, den Einwohnern von Volaterrae und Arretium
als Nachtrag der Strafmaßnahmen von 82/81 das römische Bürgerrecht zu
entziehen. Der Gedanke, jemand könnte strafweise diesen Status verlie-
ren, war revolutionär und bedrohlich; in der Abstimmung fiel er durch.112
Unter anderem vergaben Sulla und Metellus einen Auftrag zur Instand-
haltung des Tempels der Dioskuren, wie es sonst die Censoren getan hätten
- ein Beitrag dazu, dieses Amt als überflüssig zu behandeln. Als offizieller
Amtsbereich wurde Sulla die Gallia Cisalpina zugeteilt, Italiens militäri-
sches Vorfeld; ob er je in der Poebene erschien, wissen wir nicht. Stattdes-
sen kehrte er möglicherweise dorthin zurück, wo 88 sein verhängnisvoles
Abenteuer begonnen hatte: nach Nola, das sich seitdem oder spätestens seit
82 gehalten hatte. Die Kapitulation der Festung wurde 80 entgegengenom-
men, ebenso die des seit 91 so umkämpften Aesernia. Über das Schicksal
der Einwohner ist wenig bekannt. Gegen Ende des Jahres 80 fiel der zweite
Termin der neuen Siegesspiele mit den Olympischen Spielen in Griechen-
land zusammen; es wurde ein tristes Fest in Olympia, denn die wichtigen
Athleten waren alle in Rom, um sich die Preisgelder zu sichern - dort gab es
offenbar auch Agone griechischen Stils, nicht nur Wagenrennen.113
Für das Jahr 79 kandidierte Sulla nicht mehr; er hielt seinen Staat für si-
cher, vielleicht Heß auch seine Gesundheit nach. Trotzdem trug das Volk
ihm angeblich spontan den Konsulat an, doch er erklärte, nicht zur Ver-
fügung zu stehen; 79 also wurde er „schließlich Privatmann". Das Amt
übernahmen zwei verlässliche Sullaner, Servilius Vatia und der von Cinna
einst um seine Legion gebrachte Claudius Pulcher, dieser der Mann, Vatia
der Sohn einer Caecilia Metella. Fortan war Sulla nur noch ein hochgeehr-
ter Konsular - mit einer privaten Reservearmee und Zehntausenden er-
gebener Parteigänger. Die wichtigsten davon waren wie Catulus oder Lu-
cius und Marcus Lucullus auf direktem Weg zum Konsulat. Selbst wenn
beispielsweise Pompeius nur noch dem eigenen Ehrgeiz gehorchte, konnte
Sulla sich auf genug Ex-Offiziere und frischgebackene Senatoren verlas-
sen. Pompeius mochte davon träumen, den Kampf gegen Sertorius an sich
zu ziehen, aber nicht zuletzt Sullas Einfluss half diesen Moment - und
damit den weiteren Aufstieg des Imperators - bis 76 hinauszuzögern, vom
Misstrauen der Konkurrenz abgesehen.114
Doch in Rom sah man Sulla nun seltener. „Da man ihn zu verachten
begann, zog er sich nach Puteoli zurück." In keiner anderen Gegend Ita-
liens konzentrierten sich die sullanischen Kolonien so sehr; sie begannen
sogar aufzublühen. Die Villa, wo Sulla nun jagte und fischte, lag vermutlich
zwischen Puteoli und dem nahen Cumae, mitten in der bestbesuchten Re-
gion für die Sommerfrische der Senatoren und alles andere als fern der
Politik. Suchte er Kampanien wirklich auf, weil „er die Kriege satthatte,
die Macht satt und auch Rom satt"?115
Zu Recht oder aus Eitelkeit fürchtete Sulla vermutlich, er werde alles
überschatten, wenn er nicht von sich aus für mehr Freiraum sorge. Wenn
die Entscheidungsträger automatisch seinen Rat einholten, litt ihre Eigen-
ständigkeit, wenn nicht, konnten Sulla oder andere einen Affront darin
wittern. Die »Abdankung4 war erst mit der Entfernung eigentlich voll-
zogen. Selbst seine Kritiker - die es zweifellos gab - mussten nun einsehen,
dass er wieder einer unter vielen zu sein bereit war; alles, was er wollte,
war, sie alle an Ruhm und Ansehen zu überragen. Die Vorstellung, Sullas
eigene Nutznießer hätten ihn erst aus den Ämtern, dann aus Rom verjagt,
ist phantasievoll, aber unrealistisch.116
Auch in seiner Abwesenheit war Sullas Präsenz in der Hauptstadt un-
übersehbar: Rund um das Forum wurde gebaut. Der neue, vergrößerte
Senat fand keinen Platz mehr in seinem bisherigen Versammlungssaal. Es
war nur konsequent, die Kurie zu vergrößern; nicht zwangsläufig, sondern
sehr programmatisch war die Richtung des Umbaus. Die neue Curia Cor-
nelia dehnte sich zum Comitium hin aus, dem traditionellen Versamm-
lungsplatz des Volkes, der es längst nicht mehr fassen konnte und nun der
Senatsherrschaft zu weichen begann. Seine letzten Spuren - und den Na-
men Sullas an der Kurie sollte dann ausgerechnet Caesar beseitigen.
Vielleicht nahmen auch die 75 ausgeführten Pläne, das hochwassergefähr-
dete Forum um einen vollen Meter aufzupflastern, bereits Gestalt an.117
Für die Zukunft waren noch ganz andere Bauten geplant. Die Voll-
endung des neuen Kapitolstempels in einer Stilmixtur aus Archaismus
und zeitgenössischer Prunkästhetik sollte Sulla nicht mehr erleben. Zwei-
fellos wurde ihm der Wiederaufbau übertragen, doch erst Catulus hatte 69
die Ehre, Jupiters neu erstandenes Domizil einzuweihen. Als Schmuck für
das Bauwerk bestimmte Sulla ursprünglich die Säulen des Olympieions in
Athen, eines gigantischen Zeustempels, der vor Jahrhunderten unfertig
liegen geblieben war, noch ehe die Akropolis ihren Glanzpunkt erreichte.
Der Transport begann, doch nach einigem Überlegen wurden die Beute-
stücke doch nicht für Jupiter verwendet; das Olympieion hatte niemand
anders als Athens Tyrann Peisistratos geplant, und Sulla mied aus gutem
Grund die verfängliche Parallele.118
Ein völliges Novum war ein Werk, das Catulus schon 78 seinem Zweck
übergab - das bautechnisch revolutionäre Tabularium zwischen den bei-
den Gipfeln des Kapitols. Noch seine Reste in den Untergeschossen von
Michelangelos Konservatorenpalast wirken so streng wie monumental -
für ein bloßes Archiv der Gesetzestexte und Senatsbeschlüsse hätte ein
Zweckbau an weniger prominenter Stelle auch genügt. Zudem enthielt es
die finanzielle Aorta des Reiches - durch seinen Hauptkorridor erreichte
das Edelmetall aus dem Staatsschatz die Prägestätte am Tempel der Iuno
Moneta und floss in Form fertiger Münzen zurück. Die Travertinfassade
des Tabulariums wuchs am Nordwestende des Forums siebzig Meter breit
hinter den Tempeln auf, fast als Fundament des neuen Jupitertempels über
ihr - oder als Kulisse für jeden Redner, der auf den Rostra zu den Bürgern
sprach. Vor sich hatte er Sullas Standbild, hinter sich zunächst den Tempel
der Concordia, nach dem Aufruhr um die Gracchen entstanden und ge-
weiht, dann künftig den festungsartigen Archivbau - Schatzkammer der
in Gesetzes- und Aktenform erstarrten Weisheit vieler Senatsgenerationen
- und schließlich hoch darüber das tempelgekrönte Kapitol. Derselbe An-
blick bot sich jenen Senatoren, die am anderen Ende des Forums auf den
81 neu angelegten „Stufen des Aurelius" saßen, um in Sullas ständigen
Gerichtshöfen die Urteile zu sprechen.119
Das neue Forum war ein Platz, von dem aus der Senat die Welt regieren
konnte. Wer ihm dazu verholfen hatte, zeigte sich deutlich. Vor den Rostra,
auf denen kein frecher Tribun mehr die Masse aufwiegeln sollte, ragte
goldglänzend die Reiterstatue des Mächtigen empor, zwar in der Toga des
Bürgers statt im Feldherrnpanzer, aber mit einer erhobenen Hand, die
dem Volk oder auch seiner Armee gelten mochte. Wenn der architekto-
nische Rahmen fertig war, würde er Sullas politisches System in Stein ge-
meißelt zeigen - das Volk beherrscht von Göttern und Gesetz, der Senat
als Interpret und Treuhänder dieser Herrschaft.
Noch als Dictator hatte Sulla die sakrale Grenze zwischen Draußen und
Drinnen verschoben, das pomerium, das einst Romulus selbst mit dem
Pflug gezogen hatte. Die Überlieferung verbot es, diese Linie auszudeh-
nen, es sei denn, jemand hätte Macht und Herrschaftsgebiet des römischen
Volkes ausgedehnt. Servius Tullius, Roms sechster König und legendärer
Reformer, hatte das getan, Sulla beanspruchte dasselbe Recht als Erster
nach ihm. Damit hüllte er sich in eine Aura, die ihn allen Maßstäben der
Gegenwart entzog, und beanspruchte eine Neugründung Roms von gera-
dezu mythischen Ausmaßen - eine Rückkehr zu dem, wie die Stadt nach
göttlichem Willen und ihren besten Traditionen sein sollte. In Sulla lebte
und wirkte der mos maiorum, die Tradition selbst. Er war mehr als Roms
Retter; in gewissem Sinne war er Rom, mochte er zuletzt auch hinter sein
Werk und seinen Nachruhm zurücktreten.120
Sonderbarerweise ist jener Sulla im kampanischen Ruhestand, der angeb-
lich in Dekadenz und Ausschweifung seine Tage verbrachte und mit der
Politik gebrochen hatte, derselbe Mann, der seine Autobiographie ent-
weder anfing oder fortsetzte. Bis zu seinem Tod wuchs sie auf eine beacht-
liche Länge; zwischen den angeblichen Orgien arbeitete der einstige
Dictator so hart wie je. Altrömisch war der begleitende Lebensstil nicht -
aber Sulla zählte bereits lange zu jenen, die statt der Toga gelegentlich im
griechischen Pallium durch die Straßen gingen, wenn kein offizieller An-
lass vorlag.121
Der Gedanke, die Wertung seiner Lebensleistung nicht anderen zu über-
lassen, war nicht Sullas Erfindung, aber relativ neu. Als erster bekannter
Autobiograph in Rom erscheint nicht zufällig Aemilius Scaurus, der ver-
storbene erste Mann von Sullas Frau Metella; auf dessen drei Büohor rh>
vini SUÜ hatte möglicherweise Rutilius Rufus mit fünf eigenen Büchern
reagiert. Ähnlich nahe an Sulla hatte Catulus seine Gegen darstcllung
gegen Marius' Ansprüche auf Kriegsruhm verfasst. Sie alle ließ Sulla mit
vollen 22 Büchern weit hinter sich. Viel spricht dafür, dass er vor 80 schon
jahrelang an dieser monumentalen Schilderung gearbeitet haben mim
mehr als ein Buch pro Monat fertigzustellen, hätte seinen Qualitätsansprü-
chen kaum genügt. Sein beachtliches lateinisches Sprachtalent sollte in>
beste Licht rücken, wie ein Leben lang persönliche Vorzüge, Sullas virtus,
Hand in Hand mit dem göttlichen Beistand, seiner felicitas, gegangen wa-
ren: eine unschlagbare Allianz.122
Vieles verdiente eine Behandlung: die Glanzpunkte aus der Vor-
geschichte der Familie, Sullas Taten in Numidien und die relativ kleine
des Marius bei Vercellae, eine Verteidigung des Verhaltens als Opfer wie
als Täter im Jahr 88, die gottbegnadeten Siege mit wunderbar geringen
Verlusten, die guten Gründe für die überaus herzliche Behandlung des
Archelaos. Über seine Jugend s#wieg sfeh der Autor möglicherweise aus
- darum die Nöte der Nachwelt* etwas Klares zu ihr herauszubringen, ähn-
lich wie im Fall der legislativen Maßnahmen von 88 und vielleicht seines
gesamten Privatlebens.
Problematische Kapitel der eigenen Karriere - den Rückschlag auf dem
Weg zur Prätür etwa - ging Suflaäafir offensiv an und suchte ihnen die
,richtige' Lesart aufzuprägen. Bis ins 22. Buch brachte er den Bericht - wie
weit er damit an 78 herankam, ist unbekannt - und Heß ihn dort zwei Tage
vor seinem Tod liegen. Sullas Freigelassener Lucius Cornelius Epicadus -
der zweifellos nicht zum ersten Mal mit dem Werk zu tun hatte - brachte es
später in publikationsfertigen Zustand.123
Ein ausdrücklicher Beleg existiert nicht, aber als Sprache ist mit Sicher-
heit Latein anzunehmen. An die Adresse der eigenen, bereits bedrohlich
zerstrittenen Parteigänger gerichtet war das Werk sicher auch als politi-
sches Testament. Vor allem aber verlockte es jeden Zeithistoriker unwi-
derstehlich, sich aus diesem einmaligen Material zu bedienen. Die richtige
Deutung wurde gleich mitgeliefert; der Ehrgeiz, auch für sich genommen
lesenswert zu bleiben, kann Sulla so wenig fremd gewesen sein wie später
Caesar, dessen Kriegsbücher bis heute überlebt haben. Ob Sullas Werk
dies aus literarischer Sicht ebenso verdient gehabt hätte, ist leider nicht
mehr zu entscheiden. Das Ziel, in der Überlieferung ein deutliches Wort
mitzureden, erreichte er voll und ganz.124
Aus der großen Politik hatte der Ex-Dictator sich vordergründig so weit
zurückgezogen, dass man es kaum glauben konnte. Die Konsulwahlen für
78 wurden zu einer Demonstration, wie gespalten Rom nach wie vor war.
Neben dem zuverlässigen Catulus trat Mamercus Aemilius Lepidus an - da
meldete sich dessen Verwandter Marcus als Kandidat und warb angeblich
damit, nach seiner Wahl werde er alles daransetzen, Sullas Gesetzgebung
zu revidieren. Der provozierte Staatslenker schaltete sich persönlich in
den Wahlkampf ein und warb für die beiden Optimaten. Noch vor Catulus
wählte das Volk trotzdem den aggressiven Marcus Lepidus. Zufrieden ver-
ließ Pompeius das Marsfeld; er hatte allerhand für diesen Ausgang getan.
Sulla ließ ihn rufen und soll gesagt haben: „Ein schöner Schachzug von dir,
junger Mann, dass Lepidus vor Catulus gewählt wird, statt des Besten von
allen der Sprunghafteste! Ja, jetzt heißt es für dich die Augen offenhalten,
denn du hast deinem Gegner auch noch einen Vorteil gegen dich ver-
schafft."125
Lichtblicke wie Lucullus als Prätor konnten die Niederlage nicht ver-
decken. Mit der Einigkeit der Sullaner war es seit dem Wegfall ihrer tödli-
chen Gefahr vorbei. Der Ausnahmezustand war überstanden, es konnte
also wieder fröhlich konkurriert werden; Konkurrenz war eines der Prinzi-
pien der Nobilitätsherrschaft, und man beabsichtigte, sich keine Zügel an-
legen zu lassen. Das Auseinandertreten in einzelne Gruppen und neue
Allianzen war beinahe unvermeidlich. Hier bahnte sich an, was Sallust
zum Thema seiner verlorenen Historien machen sollte: das rasche Auf-
blühen einer neuen, weit gefächerten und alle ökologischen Nischen -
auch die verwaisten der Kriegsverlierer - besiedelnden politischen Kultur,
die an Skandalen, Korruption und Egoismen nicht arm war.126
Von Caesar werden düstere Zukunftsprognosen und Symptome eines
Überdrusses berichtet, als sein Leben dem gewaltsamen Ende zuging.
Nichts dergleichen von Sulla, obwohl die Konstellation des politischen
Jahres 78 gewisse Anzeichen einer Wiederholung von 88 aufwies. War der
Abgedankte sicher, dass sein System nicht mehr zu erschüttern war, oder
hatte er mit dem Fortgang der Dinge nach eigener Auffassung nichts zu
tun? Der Ton seiner angeblichen Äußerung klingt verdächtig so, als hätte
Sulla in Pompeius nach wie vor seinen Erben gesehen. Authentischer wirkt
der Vorwurf selbst - aus einer sonderbaren Haltung der Distanz, in wel-
cher der größte lebende Experte Kunstfehler bewertet. Sulla war dabei,
sich selber historisch zu werden, und bewies seine Größe, indem er sich
verhielt, als schulde er nichts und niemandem mehr etwas; den Zusam-
menhang zwischen Lepidus' Wahl und dem Ausgang des Bürgerkrieges
ignorierte er souverän: Lepidus als tagespolitischer Missgriff der kleineren
Personen nach ihm, das war Sullas Wahrheit. Aber man hatte Lepidus ge-
wählt, weil er gegen Sulla war, das war alles, und Sulla konnte das sehen,
wenn er es sehen wollte.
Ganz am Ende seiner Memoiren soll der Ruheständler von Träumen be-
richtet haben, in denen sein verstorbener Sohn ihn einlud, mit ihm und
Metella in Frieden zu leben. Eine andere Version erzählt, sein Genius habe
ihn im Traum gerufen; das habe Sulla beim Aufwachen den Freunden er-
zählt, die ihn morgens begrüßen kamen, habe dann eilig sein Testament auf
den neuesten Stand gebracht und sei genau vor seiner letzten Nacht für
den Tod bereit gewesen.127
Zumindest ist in den Quellen erst spät ausdrücklich von einer Krankheit
die Rede, einem geheimnisvollen Leiden, das rasch symbolisch umgedeu-
tet wurde: Sullas Fleisch habe sich in Würmer verwandelt. Diese „Phthei-
riasis" ist eine dermaßen mythologische Krankheit böser Tyrannen, dass
sie alle weniger spektakulären Beschwerden in Vergessenheit gestürzt hat
- außer in einer ähnlich dramatischen Konkurrenzschilderung.128
Der angeblich so müßige Tyrann kümmerte sich neben allem anderen
um den inneren Frieden der Stadt Puteoli, für die er eine neue Verfassung
entworfen hatte. Eines Tages erreichte Sulla die Nachricht, der örtliche
Beamte Granius schiebe die Begleichung einer Schuld an die Stadtkasse
hinaus, weil er auf den nahen Tod des Dictators spekuliere. Wutentbrannt
zitierte Sulla Granius vor sich und schrie seinen Dienern zu, den Mann zu
erdrosseln. Mitten im Schrei begann er Blut zu spucken; seine Kraft war so
erschöpft, dass der Blutverlust sich als zu viel für ihn erwies. Nach einer
qualvollen Nacht starb Lucius Sulla am nächsten Morgen.129

Demontage
Ein Jahr lang trauerten die römischen Matronen nach Sullas Tod. Noch vor
Ablauf des Jahres 78 griff Aemilius Lepidus „nach Sullas Macht", als seine
populistische Radikalkritik an diesem „finsteren Romulus" unerwartet
großes Echo fand. Der Konsul setzte sich an die Spitze marianischer Re-
volten in Etrurien, führte sein Heer vor Rom und verlangte einen zweiten
Konsulat. Alle übrigen Gegenmaßnahmen der Sullaner überstrahlte Pom-
peius der Große; nach der Nachricht von seinem überwältigenden Sieg in
Oberitalien verschwand die feindliche Armee über Nacht. Das Gespenst
des Jahres 87 verflog, aber eine stabile Ordnung sah anders aus.130
Lange widerstanden in Spanien Sertorius und Perperna mit ihrem An-
hang verzweifelter Flüchtlinge den sullanischen Truppen. Erst 73 war der
Bürgerkrieg beendet. Sullas Republik hatte den nächsten kleinen Bürger-
krieg im Keim erstickt, aber nicht verhindern können, und schob den
nächsten umfassenden nicht ganz drei Jahrzehnte auf. Bereits acht Jahre
nach seinem Tod war sie in Kernpunkten verändert. Somit begann die Auf-
lösung des sullanischen Systems im selben Moment, als sein Urheber starb
- aber schon vorher hatten Pompeius und Sulla persönlich seine Regein
gebeugt und gebrochen. Die Verantwortung für Sullas letztendliches
Scheitern liegt nicht allein bei seinen uneinigen Erben; bereits er selbst
tat einiges zur Delegitimierung seiner Absichten. Formal blieb die Repu-
blik bis an ihr Ende zu weiten Teilen, was er aus ihr gemacht hatte, und
noch die kaiserzeitliche Verwaltungspraxis nahm sich an vielem ein Bei-
spiel. Sulla hätte das nicht genügt.131
Wäre es in der folgenden Generation nicht wieder zum reichsweiten
Bürgerkrieg gekommen, wäre innenpolitisch jene Stabilität eingekehrt,
die sullanisches Programm war, hätte man milder über ihn geurteilt - die
Figur des Octavian/Augustus ist das beste Beispiel. Der Dictator aber wur-
de von seinen optimatischen Erben schon vorher nicht geliebt - sosehr
ihnen sein Vermächtnis materiell entgegenkam, sie schämten sich dafür,
wie er es durchgesetzt hatte, und in den Unterlegenen war der ganze Senat
mit gedemütigt worden. Sullas Gegner und ihre Nachfolger fanden an ihm
genug, was man hassen konnte.132
Die nobiles selber waren es, die das Charakteristische an Sullas Repu-
blik aus den Angeln heben halfen. Sie verhielten sich nicht, wie das Stan-
desinteresse es forderte, wohl aber entsprechend der Standestradition, in-
dem sie den alten Wettbewerb schärfer denn je aufnahmen. Alle übrigen
Akteure der römischen Politik und Gesellschaft - mit Ausnahme der Ar-
mee - hatte Sulla ihnen zu Füßen gelegt; sie jedoch waren der unvermeid-
liche blinde Fleck in seiner sonstigen Weitsicht, weil er die Welt von sich
und von ihnen aus definierte. Der Aufsteiger Ofella musste sterben, der
Konsulsohn Pompeius durfte den Aufstand proben, weil er aus den richti-
gen Kreisen - und natürlich, weil er Kommandeur einer Armee war.
Hinzu kam ein zweiter unvermeidbarer Fehler, der ebenfalls aus Sullas
patrizischem Selbstverständnis erwuchs - dass er seine persönliche Größe
daran bemaß, wie hoch er über die anderen herausragte. Für den Neugrün-
der und Garanten einer Oligarchie, die auf annähernde Waffengleichheit
ihrer Führungskreise setzt, war dies die falsche Einstellung; sie konnte
nicht anders, als Aversionen gegen ihn zu wecken - und, weitaus schlim-
mer, den Ehrgeiz, Sulla gleichzukommen oder ihn zu überbieten. Er hin-
terließ einen gut gefüllten Werkzeugkasten voller Mittel, die Republik aus
den Angeln zu heben, falls man eine übermächtige Stellung erreichte.
Einem kleinen Kreis vertraute er alle Mechanismen an, um solche Ausrei-
ßer zurück in den Krabbenkorb der Nobilität zu ziehen, aber das Schmie-
den von Interessengemeinschaften - oder simple Untätigkeit - konnte
schon ausreichen, diese Mittel zu blockieren. Die sozialen Verwüstungen,
die Sulla hinterließ, kamen solchen Umtrieben entgegen.
Stärker denn je war die Armee, die unter Pompeius1 Führung sogar dem
Dictator selbst ihren Willen aufgezwungen hatte. Diese Lektion Sullas
blieb haften. Der Weg zur politischen Vormacht führte über ein militärisch
bedeutendes Kommando mit vorzeigbaren Erfolgen, erweitert um innen-
politische Entscheidungsmöglichkeiten, die man sich entweder gütlich
oder notfalls mit Gewalt verschaffte. Sulla hatte die Bindung der Legionen
an die Senatsautorität, die seit Marius definitiv zurückging, nur weiter ge-
schwächt, statt sie wiederherzustellen; er hatte den Soldaten und Vete-
ranen unausgesprochen sogar die Funktion übertragen, den innenpoliti-
schen Frieden Italiens siehern zu helfen. Verkraften konnte die Republik
das nur im einem Zustand, in welchem sie ohne Mobilisierung größerer
Armeen unter zentralem Kommando auskam. Jeder längere Konflikt an
den Reichsgrenzen, j ede innere Unruhe würde das ändern.
Dank Sullas Eingriffien behielt # e ÜTobilität ihre Schlüsselrolle äußerlich
auch dann, als ihr die PÄilisÄu^4m. Lage bereits entglitten war - doch
das ist ein Vorspiel zu ihtiÄ^itofÄ und ihrer weitgehenden physischen
Vernichtung. Wäre ihr Abstieg Js0öst weniger steil und katastrophal aus-
gefallen, ohne Gemetzel 3Wi#rsateSj Munda und Philippi, eine neue
zerstörerische Pfoskriptiön^#e iti!i$#etäjtge Serie von Hochverratspro-
zessen im Prinzipat? Das M tä^mmfgmJ®
Sulla, in dessen DeÄM Ä und Arroganz Hand in Hand
gingen, hatte sich mit Vefbfeseliheit zurfek in die Reihen der nobiles ge-
kämpft. Auch danach blieb er eigensinnig bis an den Rand der Selbstver-
stümmelung; kein anderer hätte den Gedanken laut ausgesprochen, er
müsse doch mit seiner Beute frei umgehen können, und solch störende
Züge wie seine demonstrative Leichtlebigkeit - provokant gerade für den
Rest der Aristokratie - war er nicht zu kaschieren, geschweige denn abzu-
legen bereit. Dennoch war er ein Hohepriester der Optimaten, wohl gerade
weil er unter ihnen ein Außenseiter war und blieb: heimgekehrt, nicht hei-
misch. Alle Rücksichtslosigkeit, mit der sie seit 133 ihre untergrabene
Macht verteidigt hatten, überbot er im Dienst seines Adelsidealismus. Er
liebte seine Kreise auf herrische, egozentrische Art, zerrte sie auf seinem
Weg hinter sich her und zwang sie - mit oder gegen die Tradition - zu ihrem
Glück. Sullas persönliche Motive und seine politischen Ziele gingen für
seine Begriffe nahtlos ineinander über - er überspielte die Bruchstelle, die
darin bestand, dass seipe Macht und Persönlichkeit in der Welt, die er
schaffen wollte, keinen Platz hätten haben dürfen. Den Grabspruch des
Dictators, der neben seiner Rache auch seine unerhörte Freigebigkeit pries,
wenn es um Freunde ging, hätte der Untertan eines hellenistischen Königs -
oder eines späteren römischen Kaisers - ohne Zögern als wichtige lugend
eines Monarchen entschlüsselt. So war er nicht gemeint, aber gerade Sullas
Erfolg im Überbieten aller anderen isolierte ihn teilweise von der Tradi-
tion, in die er sich stellen wollte. Die ihm unterstellte „Flucht in die Ver-
gangenheit", soweit er sie überhaupt wollte, versperrte er sich selbst.134
„Bis heute hat es seit der Gründung Roms nur einen gegeben - und die
unsterblichen Götter mögen es fügen, dass kein anderer kommt! -, dem
sich der Staat vollständig in die Hand gab, durch die Zeitumstände und
innenpolitische Missstände gezwungen: Lucius Sulla. Der war so mächtig,
dass gegen seinen Willen niemand seinen Besitz, seine Heimat oder sein
Leben behalten konnte ... Seine gesamten Anordnungen behalten wir
nicht nur bei, sondern verteidigen sie sogar mit all unserem Einfluss in
der Öffentlichkeit, aus Angst vor noch größeren Nachteilen und Katastro-
phen..." Diese gemischte Bilanz aus dem Jahr 70 versteckte Cicero in
seiner publizierten Langfassung der Reden gegen Verres. In den Ge-
schichtswerken seiner Zeit las man es anders; der Großteil der „jüngeren
Annalistik", über die wir von Cicero und ihrem erfolgreichen Konkurren-
ten Livius wenig Gutes hören, bot ausführliche, meist wohlwollende Be-
richte über Sulla, und Cornelius Sisenna, Prätor von 78, „der am besten
und exaktesten von allen verfahren ist, die diese Vorgänge erzählt haben",
war nicht nur ein kundiger Geschichtsschreiber, sondern auch ein begeis-
terter Sullaner. In den Annales des Redners Hortensius kam Sulla nicht
schlechter weg; noch waren kritische Stimmen die große Ausnahme.135
Die Familie des Dictators trat dagegen schnell in den Hintergrund. Bei
Sullas Tod war Valeria mit einer Tochter schwanger, die gesund zur Welt
kam und - wie in solchen Fällen üblich - als Cornelia Postuma, die Nach-
geborene, bekannt wurde. Beide verschwinden danach für uns; Valerias
Bruder Messalla Rufus führte seine Familie zu neuem Glanz. Faustus Sulla
war 63 unter Pompeius' Kommando der erste Mann auf der Tempelmauer
des eroberten Jerusalem; sonst erreichte er wenig und lebte allem ererbten
Geld zum Trotz über seine Verhältnisse. Es kam so weit, dass er die Ver-
steigerung von Mobiliar ankündigte - „dieses Plakat (proscriptio) mag ich
lieber als das deines Vaters", bemerkte der stets herzliche Cicero. Erst im
Jahr 60 - in der Hoffnung, seiner eigenen Karriere Auftrieb zu geben -
zahlte Faustus dem Volk Sullas versprochenes Vermächtnis aus: ein Fest-
essen, Gladiatorenspiele, einen freien Bäderbesuch pro Kopf. Für Pom-
peius' Schwiegersohn stand außer Frage, welche Seite er im Krieg mit Cae-
sar wählen sollte; er überlebte bis 46, wurde in Mauretanien gefangen und
durch den Statthalter Sittius getötet, kaum ohne Caesars Anweisung.136
Der 88 ermordete Sohn des Pompeius Rufus hatte mit Sullas älterer
Tochter zwei Kinder gehabt; eines davon, Pompeia, heiratete ausgerechnet
Caesar. Die Ehe hielt bis zum berühmten Skandal am Fest der Bona Dea,
als der junge Clodius - den später Annius Milo totschlug, Sullas postumer
Schwiegersohn - in Caesars Haus ergriffen wurde und der Pontifex Maxi-
mus mit großer Geste die Scheidung einreichte: Caesars Frau habe über
jeden Verdacht erhaben zu sein. Pompeias Bruder prägte in den fünfziger
Jahren des 1. Jahrhunderts als Münzmeister Geld, auf dem Sullas einziges
völlig sicheres Portrait zu sehen ist.137
Publius Sulla, wohl ein Vetter des Dictators, brachte es mit seinem neu-
en Reichtum bis zur Konsulwahl - nur um, ehe er noch sein Amt antreten
konnte, Ende 66 wegen Wahlbetrugs verurteilt zu werden. Cicero, dem der
Abgesetzte Geld für ein Haus geliehen hatte, verteidigte ihn 62 gegen den
Vorwurf, wie die Brüder Servius und Publius Sulla in die Catilinarische
Verschwörung verstrickt gewesen zu sein, und erinnerte an das Jahr 82.
„Während jenes drückenden und Durcheinander stiftenden Sieges von Lu-
cius Sulla, fand sich da einer milder als Publius Sulla, einer barmherziger?
Wie vieler Männer Leben hat er von Lucius Sulla freigebeten!" Vor dem
Exil rettete ihn das nicht; unter Caesar geriet er auf die Siegerseite und
komplettierte seine Güter um den Besitz enteigneter Pompeianer. Sein
unerwarteter Tod im Jahr 45 - er habe sich überfressen oder sei unter die
Räuber gefallen, hieß es - löste wenig Trauer aus.138
Jahrzehntelang lebten Sullas direkte Nachfahren geachtet, aber in auf-
fälligem Abstand vom Haus des Augustus - so hielten sie länger durch als
andere, die einer Heiratsverbindung zu den Caesaren gewürdigt worden
waren. Erst der fünfte Sulla nach dem Dictator hatte die Ehre, der Schwa-
ger des Kaisers Claudius zu sein und zusätzlich die Kaisertochter Antonia
zur Frau zu bekommen. Faustus Cornelius Sulla Felix, Konsul des Jahres 52
n. Chr., war ein Mann, mit dem man rechnen musste. Nero hatte für so
nahe Verwandte seines Adoptivvaters Claudius keine Verwendung. Man
verbannte Faustus Anfang 58 nach Massilia; auch dort blieb er unverges-
sen, mochte er auch als arm und antriebslos gelten, und 62 schickte Nero
ihm ein Mordkommando. Wie eine subtile Rache Sullas für die Vernich-
tung seines letzten Erben wirkt, dass sich der kaiserliche Künstler selbst
ausgerechnet von einem Freigelassenen namens Epaphroditus beim
Selbstmord assistieren ließ.139
Die Sullaner, alte und übergelaufene, prägten das Bild im Jahrzehnt nach
dem Tod ihres Anführers; eine geschlossene Gruppe hatten sie spätestens
mit Sullas Verschwinden zu bilden aufgehört, und längst nicht jeder er-
innerte sich gern an diese Episode. Der Dichter Licinius Archias ging bei
Demontage 161

Abb. 9: L. Cornelius Sulla (?). Porträtbüste, Marmor,


Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek

Metellus Pius, den Luculli, Catulus Vater und Sohn, bei Aemilius Scaurus
ein und aus - lauter Optimaten erster Güte, nur Sullas Namen nannte
Cicero lieber nicht.140
Gravierender war der Bruch mit Sullas politischem Vermächtnis. Schon
75 setzte der Konsul Aurelius Cotta, bisher ein prominenter Sullaner, die
Streichung der Ämtersperre für Volkstribune durch - zu schweigen von
seinem Gesetz, das die Ritter zurück in die Gerichtshöfe führte. Drängten
sie wirklich darauf oder wollte der Senat selbst gern einen Teil der Arbeits-
belastung loswerden - und war womöglich das Gerechtigkeitsgefühl zu
vieler Senatoren durch Sulla verletzt, weil man den Tribunat, Kernbestand
der Republik seit Jahrhunderten, nicht einfach streichen wollte? Der Um-
deuter der Tradition hatte auch gegen die Kraft der tatsächlichen Tradition
einen schweren Stand.141
Die Rückkehr des Volkstribunats zur alten Stärke vollendete im Jahr 70
ausgerechnet Pompeius, in vieler Hinsicht der Letzte, der dies hätte wün-
schen sollen. Er handelte nach den Maximen, die heutige Großmächte
dazu bringen, Raketen an aggressive Regimes zu verkaufen: Der Preis ist
hoch, die resultierende Kräfteverschiebung trifft einstweilen andere mehr
als einen selbst - und eventuell kann man auf Dankbarkeit rechnen. Für
den Augenblick machte die Entfesselung der Tribunen Pompeius geradezu
zum Populären. Auch Censoren gab es von 70 an wieder, und sie warfen in
Pompeius' Konsulatsjahr volle 64 Senatoren aus der Kurie. Eine lex Plautia
gab den Nachkommen Proskribierter das Wahlrecht und die Aufenthalts-
erlaubnis für Rom zurück; nur das Ämterverbot blieb bis über Ciceros
Konsulatsjahr 63 hinaus in Kraft.142
Sulla hatte die Auseinandersetzung mit dem heranwachsenden Magnus
vermieden und ihm Enormes zugestanden; wenig berechtigt zu der Annah-
me, ein länger lebender Sulla wäre kämpferischer aufgetreten. Die ersten
jener Ausnahmekompetenzen, die Pompeius' Leben begleiten sollten, hat-
te Sulla selbst ihm verschafft, und sie stellten viele der unsichtbaren Wei-
chen hin zur Alleinherrschaft der Zukunft. Pompeius war nicht bereit,
dahinter zurückzugehen, und arbeitete auf eine dauerhaft überragende
Stellung in der Republik hin, Feldherr nach außen, Stütze nach innen.
Aus seiner Sicht war das möglicherweise sogar, was Sulla gewollt hätte.
Drei Jahre später widersetzte sich Catulus, der Hüter des optimatischen
Vermächtnisses, unter dem Spott der Plebs umsonst dem Antrag, der Pom-
peius gigantische Streitkräfte und Vollmachten gegen die Piratenplage
übertrug. Im Folgejahr 66 entriss die lex Manilia keinem anderen als Lu-
cullus den erneuten Krieg gegen Mithridates und unterstellte Pompeius,
dessen imperium zur See noch gar nicht abgelaufen war, ganz Kleinasien.
Allein Catulus erhob wiederum die Stimme und riet dem Senat in hilfloser
Ironie, sich auf einem hohen Berg zu verkriechen. Wie ein König regierte
und ordnete „der Große" den Ostrand des Mittelmeeres, behandelte alle
Maßnahmen des verdrängten Lucullus mit souveräner Nichtachtung und
besiegelte das Ende von dessen politischer Karriere.143
Obwohl Roms Reich wuchs, konnte ein Verzweiflungsunternehmen wie
das des Catilina, gestützt auf Verlierer und Gescheiterte aus Sullas Gefol-
ge, die Verhältnisse im Innern erschüttern; als diese Gefahr 62 blutig be-
seitigt war, erwartete man gebannt die Rückkehr der Armee des Pompeius.
Wie ein zahmer Drache hauste er jahrelang vor der Stadt, schon zu stark,
um durch die vereinten Optimaten kontrollierbar zu sein, aber noch m
schwach, sie zu übergehen. Er experimentierte mit der populären Metho-
de, hetzte Volkstribunen auf Cicero, der zivile Erfolge über militärische
stellte, und hatte unendliche Schwierigkeiten mit Crassus, seinem Ex-Kol-
legen, dessen enormes Vermögen ihm Macht einer neuen Art verlieh.144
Das war die Stunde des Gaius Iulius Caesar, der beide Widersacher ge-
gen den optimatischen Widerstand zusammenspannte und dadurch selber
in ihre Größenordnung aufstieg. Beim Begräbnis seiner Tante, der Witwe
des Marius, zeigte er 68 das Wachsbild des Verfemten auf den Straßen
Roms. Als Ädil brachte er es 66 zu Catulus' Zorn fertig, die Statuen und
Siegesdenkmäler des Marius wieder auf dem Kapitol aufzustellen. Mit der
Skandalwahl zum pontifex maximus schlug er eben diesen Catulus aus dem
Feld - zu einer Zeit, als man laut Cicero seine Chancen auf den Konsulat
niinierte, wenn man Männer anklagte, die im Zuge der Proskriptionen
Staatsgelder unterschlagen hatten. 64 setzte der kämpferische Caesar die
Verurteüung zweier Proskriptionsgewinnler durch und versuchte mit Cati-
lina dasselbe. Nichts hätte für den neuen Zustand symbolischer sein kön-
nen, als dass Pompeius im Zuge einer Tauschaktion, die ihm die Ehe mit
Caesars Tochter Iulia öffnete, das Verlöbnis seiner eigenen Tochter mit
Faustus, dem Sohn Sullas, löste. Die Konstellation der Jahre seit 82 war
am Ende und Sullas eigenes Haus so sehr auf den Hund gekommen, dass
Fausta die Ehe mit Annius Milo einging, dem von der optimatischen Seite
umworbenen Bandenführer, der für die Mächte der Ordnung randalierte
und den populär auftretenden Konkurrenten Clodius im Jahre 56 in bes-
tem Saturninus-Stil totschlug. Die Nobilität hatte bald nur noch die Wahl,
ob sie als Juniorpartner entweder von Caesar oder Pompeius blind auf die
Gesetzestreue des Stärksten hoffen sollte, und fürchtete den Konflikt zwi-
schen beiden, den sie gleichwohl zuspitzen half. Das war die Stunde, in der
wieder viel an Sulla gedacht wurde.145
Um die Idee, „jener entsetzliche Tag Sullas", der 2. November 82, könnte
wiederkehren, legte sich so etwas wie eine Faszination des Grauens. Die
Optimaten fanden sich im Bürgerkrieg von 49 - oft entsetzt über das Schei-
tern ihrer Vermittlungsversuche - auf der Seite des Pompeius wieder, der
sich mit den Worten „Sulla hat's gekonnt, ich soll's nicht können?" für den
Augenblick aus Italien verabschiedete - wie sein großer Protektor wollte
er die Halbinsel von außen zurückerobern. Caesars Parole formulierte ein
offener Brief vom März 49: Der Sieg müsse von Dauer sein, was niemand
vorher geschafft habe „außer allein Lucius Sulla, dem ich nicht nacheifern
werde. Unsere neue Methode zu siegen soll sein, dass wir uns durch Erbar-
men und Großmut sichern." Gleichwohl zirkulierten Aussprüche des
Eroberers, er werde Carbo und alle rächen, die Sulla mit Pompeius' Hilfe
vernichtet habe, und Cicero sah sich schon als Zwangsautor eines Gut-
achtens, wenn Caesar sich widerrechtlich zum Dictator machte. Der un-
blutige, wenn auch herrische Einzug in Rom - Pessimisten hatten ein Ge-
metzel wie unter Cinna erwartet - schien eher noch Öl ins Feuer zu gießen.
Cicero, mit beiden Lagern unglücklich, befürchtete laut, Pompeius werde
„auf Sulla" und „auf Proskriptionen machen" (sullaturire, proscripturire).
Sogar den Caesargegnern, die nicht mit geflohen waren, solle es an den
Kragen gehen, Güter und Ämter der Caesarianer wurden angeblich vorab
verteilt. Alle Phantasien endeten mit der Niederlage bei Pharsalos; auf die
Nachricht hin stürzte das Volk die Statuen von Sulla und Pompeius um -
der Sieger ließ sie wieder aufrichten.146
Caesar der Dictator erlaubte umgehend den überlebenden Proskribier-
ten die Rückkehr und strich die letzten Rechtsbeschränkungen ihrer Nach-
kommen. Der generelle Großmut gegenüber den Besiegten - mit Ausnah-
men wie Faustus Sulla - schloss deren Enteignung nicht aus, und wieder
einmal profitierte die Umgebung des Siegers besonders stark. „Sula war
ein Analphabet, dass er die Dictatur niederlegte", spottete Caesar, den erst
der Tod von der Macht trennte.147
Den endgültigen Sieg errangen die Caesarianer gleichwohl mit ,sulla-
nischen' Methoden. Die Gemetzel an den Überlebenden des Schlachtfel-
des von Philippi und mehr noch die in riesigem Maßstab wiederholten
Proskriptionen des Jahres 43 sprechen für sieh - nur wurden diesmal die
Blutgeld-Empfänger geheimgehalten, und die Liste war von Anfang an
mit offenem Ende konzipiert. Nach diesem Blutvergießen in seiner offe-
nen Gier und Willkür verschmolz das Zerrbild des bösen Alleinschuldigen
Antonius, das der Mitschuldige Octavian in die Welt setzte, leicht mit der
Erinnerung an Sulla, der seit 49 ohnehin schon der Verlierer der Geschich-
te war.148
Von Caesar, nicht von Sulla, führte ein direkt wahrnehmbarer Weg ins
Kaisertum, und so wurde der Bruderkrieg Caesars gegen Pompeius ein
fester Punkt in der Erinnerung, wie es zur Monarchie und zum inneren
Frieden gekommen war. Aus der älteren Krisenzeit wurde nun endgültig
ein Privatkrieg zwischen Marius und Sulla, die im wirklichen Leben knapp
anderthalb Jahre in offener Feindschaft verbracht hatten. Von Marius ur-
teilte Titus Livius, es sei offen, ob der Mann je hätte geboren werden sol-
len, während Vellerns Paterculus einige Jahrzehnte später erklärte, vor Sul-
las Sieg könne man ihn nicht genug loben, danach nie genug kritisieren.
Livius' verlorene Darstellung, die allein den Jahren 88 bis 78 vierzehn
Bücher widmete, kann nicht freundlicher geurteilt haben. Vergil nimmt die
Klage über Caesars Streit mit Pompeius ins 6. Buch der Aeneis auf, den
Schlüsseltext des augusteischen Selbstverständnisses - von Sulla wie von
Marius kein Wort. Mit diesen Leuten war kein Staat zu machen. ,Regime-
gegner" der iulisch-claudischen Zeit sahen es nicht anders: Spottverse auf
Tiberius nannten Marius, Sulla und Antonius in einem Atemzug als Roms
dreifaches Unglück, und Lucans herrschaftskritisches Epos widmete dem
Jahr 82 neunzig bluttriefende Zeilen.149
Bis mindestens ins frühe 3. Jahrhundert überlebte Sullas Grabmal auf
dem Marsfeld mit seiner provokanten Inschrift. Damals lobte Kaiser Sep-
timius Severus - nach dem Sieg in einem weiteren Bürgerkrieg - in einer
aggressiven Senatsrede Sullas Strenge als einzig mögliche Politik und ging
prompt zu Säuberungen über. Mittlerweile war der Name Sulla ein Syno-
nym für die Missachtung oder Suspendierung der Ehrenrechte des Senats
geworden - ein weiter Weg von den Intentionen seines Trägers. Historiker
verwendeten ihn als Etikett für Mordlust, um schlechte Kaiser zu brand-
marken, oder Anklagen gegen Sulla als Kennzeichen für gute; christUche
Autoren stürzten sich im 5. Jahrhundert auf Sullas Zeit, wenn pagane
Römer klagten, vor den Christen sei es Rom besser gegangen. Wer dem
Dictator wohlgesonnen war, konzentrierte sich auf seine Kriegserfolge
und verschwieg die Proskriptionen. Die Nachricht, der spätere Kaiser Juli-
an habe 357 seine Armee mit dem Beispiel Sullas in der Schlacht von Or-
chomenos angefeuert, ist isoliert genug, um Zweifel an ihrer Echtheit zu
wecken.150
Je skeptischer die Neuzeit gegenüber Macht und Machtmissbrauch ge-
worden ist, desto härter ist sie meist mit Sulla ins Gericht gegangen. Aus-
gerechnet dank seiner Haar- und Augenfarbe wurde „der blauäugige,
gewaltige Sulla" zum Liebling der ,Rassentheoretiker' seit dem 19. Jahr-
hundert, die zu demonstrieren wünschten, was die Römer noch hätten leis-
ten können, wären sie nur reine Arier geblieben. Nach Lob und Tadel für
Sullas Rolle auf dem Weg Roms zu dessen »natürlicher4 Bestimmung als
Monarchie oder gar autoritäre Diktatur geht nun das aussätzige Gespenst
Sulla um, das Rom vom ebenso vorgezeichneten Weg der Tugend - zur
repräsentativen Demokratie? - abbrachte. So erscheint der Dictator in
der krönenden Szene von Steven Saylors tragisch-sentimentalem Polit-
krimi Roman Blood als die wandelnde Warnung vor der Korruptionswir-
kung jeglicher Macht: selbstironisch immerhin, aber rührselig, brutal, fett
und mit verzehrendem Hunger in den Augen, ein Richard Nixon ohne
Schminke, der seine Skrupellosigkeit offen ausspricht und seinem An-
kläger Cicero die Illusionen nimmt. Alle Politiker enden als Sullas.151
Die Faszination, wie die Bilder einer Persönlichkeit der Geschichte entste-
hen und verblassen, wächst in Fällen wie diesem, da Konstruktives und
Destruktives sehr fein ausgewogen sind. Sulla selbst hat die Überlieferung
über sich zu weiten Teilen vorausbestimmt, nicht aber die Urteile. Darin ist
er gescheitert - doch sein Selbstgefühl würde es vermutlich so hinstellen,
dass wir nur auf jener Grundlage über ihn urteilen können, die er selbst uns
hinterlassen hat, direkt oder indirekt. Nichts hören Historiker weniger
gern, nichts drängt sie mehr, einer Person auf den Leib zu rücken, die sich
ihnen dermaßen aufdrängt und zugleich entzieht - wie eine Gravitations-
linse den Blick der Astronomie auf ferne Objekte schärft, aber selbst dabei
verzerrt, wenn nicht völlig unsichtbar wird. „Was für ein Mensch Sulla war,
das soll zu den noch unentschiedenen Prozessen zählen", sagte Seneca:
Diese Herausforderung gilt weiterhin.152
Anhang
Anmerkungen
Vorwort des Autors
1 Zur Propagandafunktion bei Sulla und Caesar vgl. nur Ramage 1991,96.
2 Vgl. nur Kunkel/Wittmann 1995,711: „ein konservativer Revolutionär". Die mit Ab-
stand ergiebigste Darstellung, Keaveney 22005, fällt zu oft ins Apologetische, ja Bewun-
dernde; Hinard 1985 und Brizzi 2004 bieten gewisse Korrekturmöglichkeiten, leider in
einem Format ohne Belege. Literarisch unerreicht bleibt Mommsen21857, v. a. 367-377.
3 La Penna 1976, v. a. 283-285; 291, zu Sali. lug. 95; ergänzt und modifiziert durch Gras-
si 1981, 133-135; 157 f.; sowie Carrara 2004, entwickelt an den Darstellungsproblemen
Plutarchs und anderer. Carrara befürchtet a. a. 0.288-292, die Paradoxie sei lediglich eine
Kapitulation vor widersprüchlichen Quellenzeugnissen, die moderne Sulla-Biographen
weiterreichten.
4 Der Identifikationsversuch von Strocka 2003, v. a. 14-17, benennt nach Vergleich mit
der Sula-Prägung des Pompeius Rufus - vgl. unten Abb. 4 mit S. 160 - den Kopenhagener
Kopf Ny Carlsberg Glyptotek Nr. 598 als Porträt Sullas (hier Abb. 9) und stellt ihm Sala
Rotonda Nr. 548 aus dem Vatikan an die Seite (a. a. 0.19-21); ein aus der Etsch bei Verona
geborgener Bronzekopf (Museo del Teatro Romano; a. a. 0.22 f.) wird als typgleich ange-
sprochen. Mit weiteren Debatten ist zu rechnen. Sulaköpfe gemäß älteren Interpretatio-
nen zeigen Abb. 1 und 6.
5 Vgl. L. Gall, Bismarck. Der weiße Revolutionär. Frankfurt a.M. 1980.

6 Vgl. besonders das abgewogene Gesamturteil von Behr 1993,175-179.

Prolog: Ein Abschied


App. civ. 1,493; Plut. Sulla 38,1. Alle Daten sind, wo nicht eigens vermerkt, „v. Chr." zu
1
lesen.
2 App. civ. 1,494f.; Plut. a.a.O.
3 Plut. Sulla 38,2.
4 App. civ. 1,496-498.
5 Plut. Sulla 38,2; App. civ. 1,500.
6 App. a. a. O. Hortensius: Keaveney 22005,175 f.; 217 Anm. 11. Hinard 1985,267, Brizzi
2004,173: Catulus.
7 App. civ. 1,500; Plut. Sulla 38,2.

8 Plut. Sulla 38,3; Gran. Lic. 36,29 p. 26 C; App. civ. 1,501.

I. Der Senator
1 Liv. 8,17,4 - problematisch, weil in diesem Jahr keine Konsuln belegt sind; MRR 1,141.
2 MRR 1,183 f. Sieg: Eutr. 2,9,3 f.; 277: MRR 1,194 f.
3 Luscinus: Cic. de or. 2,268; Censur: MRR 1,196; Plut. Sulla 1,1. Keine Rache laut
Brizzi 2004,14.
4 Gell. 1,1245 f.
5 MRR 1,214. Flaminat: vgl. etwa Liou-Gille 1999. Sulla vom Aussehen: Plut Mar. 1,3;
„Wade": Mommsen 1864,44: „Sulae, das ist Surulae"; Garton 1964,153. Hinard 1985,18;
Brizzi 2004,15 denken an ein rosiges Gesicht: suiltus für „Schweinefleisch". Gemieden:
lac. anßv 4,16 für 23 n. Chr.
« R Münzer, RE IV 1 (1900), 1518 s.v. Cornelius 383; MRR 1,268. Prätur: Liv. 25,2 5.
27,23,5. Spiele: 25,12,3-15. S(ib)ytta: Macr. sat. 1,17,27; Charis. gramm. p. 110,13 Keil - laut
lehr 1993,26 Macrobius' eigene Deutung.
7 Reichsbegriff: Richardson 2008. Hannibal: Der Sil. Pun. 7,618; 8,393 f. vor der
Schlacht bei Cannae genannte Sulla ist so gut wie sicher eine poetische Fiktion.
* P. Sulla: MRR 1,371; F. Münzer, RE IV 1 (1900), 1518 s.v. Cornelius 384; Ser. Sulla:
a.a,0.1521 s.v. Cornelius 388; MRR 1,402.
9 Ignavia: Sali. lug. 95,3. Tod: vgl. den lllvir monetalis P. Sulla auf Münzen des Jahres
151: Orawford, RRC 1,249 f.; MRR 3,73. Ihn wegen Vell. 2,17,2 als eine weitere Generation
vor Sulla zu zählen, erscheint schwieriger als die hier zugrunde gelegte Genealogie nach
E Münzer, RE IV1 (1900), 1515 s. v. Cornelius 376 ff. Census: vgl. Nicolet 1976,20-30; zum
Besitz Hinard 1985,22.
10 F. Münzer, RE IV 1 (1900), 1517 s.v. Cornelius 379. Mithridates: App. Mithr. 216;
Promagistratur in Asia: Hinard 1985,21. Letzner2000^ 25 mit Früheren für eine Proprätur.
Finanzlage: durch Sulla übertrieben laut Badian 1970, 4-6; Angleichung an legendäre
Aufsteiger laut Marastoni 2009,231£
u Tradition: Badian 1970,4. ®mm*E75$. Ä Engels2007,539 Nr. 215.1 nach 82
v.Chr. zu datieren. Ausland: Hinard 1985y23, Ütezogen Letzner 2000,29, wonach Sulla
seine Bildung im „Scipionenkreis" erhielt, einem Konstrukt der neuhumanistischen For-
schung; vgl. nur K.-L. Elvers, Scipionenkreis, Betmue Päuly 11 (2001), 298. Kontakte zu
den - an Bedeutung verlierenden - Comelii Scipiones ergaben sich so oder so über die
gemeinsame gens>
u Trauma der Jugend: Behr 1993,241; Roms Gestaltwandel: Kolb 22002,215-221.
13 Sprachtalent Sali. lug. 95,3. Kultur: Rawson 1985; zum Wandel des gesamten Le-
benskontestes nun WaUace-Hadril 2008.
14 Hoden: Dig. 49,16,4 pr., Diskussion um die körperliche Tauglichkeit zum Militär-
dienst, die auch (M?) Aurelius Cotta nennt (cos. 74; so E. Klebs, REH 2 [1896], 2487-89
s.v. Aurelius 109). Fehlt in den erzählenden Quellen wohl aus Prüderie. Noch I. Kershaw,
Hitler 1889-1936. Stuttgart/München 1998, 79f. zweifelt an analogen Berichten. Scham:
vgL die Nöte phühelenischer Juden wegen der Beschneidung, 1 Makk 1,14 f.
15 Plut Sulla 6,7: „goldhaarig"; Augen: 2,1. Klischee: Brizzi 2004,19. Mimen: Plut. Sulla
2,1; Garton 1964,140f. Hinard 1985,24 sucht hinter den Alkoholgerüchten einen Diony-
soskult. Humor: Plut. Sulla 30,5
16 „ein von...": Val. Max. 6,9,6. Schätzungen des Todesdatums von Sullas Vater wie bei
Letzner 2000, 30f. sind kaum tragfähig. P. Sulla, der Vetter: F. Münzer, RE IV 1 (1900),
1518-1521 s.v. Cornelius 386. Schwester: Plut, Süll. 10,5; Bruder: rekonstruiert aus Cass.
Dio 36,44,3, die Brüder Ser. und P. Sulla Ser. f. (so Cic. pro Sulla 61) seien Neffen des
Dictators; zu ihnen F. Münzer a. a. 0.1518,1521 s. w. Cornelius 385; 389; vgl. zuletzt Zmes-
kal 2009,107; 3331
17 Miete, „nichts": Plut. Sulla 1,2. Ein älterer Bruder, der das Stadthaus erbte (so Letz-
ner 2000,26 Anm. 14), ist angesichts der gleichen praenomina von Vater und Sohn extrem
unwahrscheinlich; an Streit mit dem Vater dachte Brizzi 2004,17, an eine populäre Geste
Kolb 22002,284.3000 HS: Plut. Sulla 1,4; zu Mieten vgl. Kolb *2002,901
18 Dienstpflicht: Kunkel/Wittmann 1995,60-63, im 1, Ä aufgeweicht: a. a. 0.64; spezi-
fisch als Reiter: Nicolet 1976,251
19 „als blutiger Sali. lug. 96,1; Drückeberger: Badian 1970,6 mit Anm. 6; Geldpro-
blem: Keaveney 1980. Dagegen Hinard 1989, 85-88; unentschieden Letzner 2000,
Anm. 52 f.
20 Vorbild Scaurus: Brizzi 2004,33. Kohlen: vir. ill. 72,1 f.; vgl. Val. Max. 4,4,11.

21 Hoffnung auf das ius provocationis zwischen 125 und 91: Gabba 1954,42-45.
22 App. civ. 1,35-72; Plut. TL Gracchus.
23 Differenzen Ritter/Senat: Gabba 1954,61-71. Relativ höhere Militärlast der Italiker:
Brunt 1971,88 f.; 684-686.
24 App. civ. 1,88-120; Plut. C. Gracchus. Bauwettkampf: Kolb 22002,243-249.
25 Nicopolis: Plut. Sulla 2,4; schon während der ersten Ehe laut Letzner 2000, 36-38.
Zum Paradox eines Verarmten, der angeblich im Laster schwelgt, Dijkstra/Parker 2007,
144 Anm. 36. Späte Quästur: Astin 1958,44f. (Platz 4 von 4 näher bekannten Fällen).
26 „der von...": Plut. Sulla 2,4. Von Marastoni 2009,238 zur Erfindung erklärt.
27 MRR 1,550. Schicksal: Vell. 2,12,1; Marius-Charakteristik: z.B. 2,11,1. Plut. Mar. 3,1
erfindet arme Handarbeiter als Eltern; Scipio: 3,2 f.
28 Metelli: VelL 2,8,2; 11,3. Bis zur Prätur: Plut. Mar. 4,2-6,1.
29 Iulia: Plut. Mar. 6,2; Legat: 6,1.3, Wahlen: 8,3 f. gegen Cic. off. 3,79.
30 Kampagne: Plut. Mar. 8,4 f.; 9,2.4; zum Quellenproblem Hinard 1989,81-85. Metel-
lus: Plut. Mar. 10,1; Vell. 2,11,3. Triumph: Inscrlt 13,2,85; 561.
31 Plut. Sulla 3,1. „dass ...": Val. Max. 6,9,6.
32 Badian 1970,7f.

33 Sali lug. 95,1.


34 Sali. lug. 96,1-4. Ende 107 Anfang 106, vgl. MRR 1,551; zu den Ungereimtheiten der
Chronologie Syme 1964,146-149, zum Topos des verschlagenen nobilis Dijkstra/Parker
2007,143. Arme: Plut. Mar. 9,1; vgl, App. civ. 1,124. Beklagt Val. Max. 2,3,1.
35 Sali. lug. 97,3-98,7; 100,2; 101,4-11.
36 MRR 1,554. Treffen: Sali. lug. 102,3-14. Umgekehrt ist Sullas Rolle im feindseligen
Bericht App. Num. frg. 4 f. minimiert, eine Spur des späteren publizistischen Krieges zwi-
schen Marius und Metellus/Sulla um den Erfolg, vgl. Dijkstra/Parker 2007,151-154.159 f.
Gesandte (und Sullas Einfluss): Sali. lug. 103,4f.; Plut. Sulla 3,1.
37 Sali. lug. 104,3; 105,1-107,6; Plut. Mar. 10.
38 Zögern: Sali. lug. 108,3; Plut. Mar. 10,3 f.; Sulla 3,2 f. Sicher nicht reine Eigeninitiative
Sullas: Dijkstra/Parker 2007,151.158. Friede: Sali. lug. 109,4-111,3; Falle: 113,5-7.
39 Rache: Plut. Mar. 10,2.4; zu den Quellen Behr 1993,28f.; „eitel": Plut. Sulla 3,4; Ring:
Plut. Mar. 10,5; Sulla 3,4; Zweifel: Behr 1993,120f. Vgl. unten S. 52f.
40 Groll: Plut. Sulla 4,1; vgl. Santangelo 2007,3. Chancen: Gabba 1972,784 Anm. 124.
41 Plut. Mar. 11,2-9. Schlachten: Liv. per. 65; Oros. 5,15. Vgl. Caes. Gall. 1,7,4.
42 MRR 1,555. 557. Datum: Gran. Lic. 33,16 p. 11 C. Opfer: Liv. per. 67; Oros. 5,16,3
nach Valerius Antias; nur 20000 Bürger (+socii) gefallen laut Brunt 1971, 82 vgl. 695;
5%: a.a.O. 82.
43 MRR 1,558; Plut. Mar. 12,1. „gegen..": Sali. lug. 114,2.
44 Rüpke 2005,926f. Nr. 1390: vor 82 kein Augur, sondern Xvir sacris faciundis, even-
tuell schon ca. 107-105; im Katalog a.a.O. 112 erst seit 100 geführt. Marius: a.a.O. 1140f.
Nr. 2389.
45 Triumph: Plut. Mar. 12,2-5; Liv. per. 67,5; Inscrlt 13,2,85; 561. Gegner: Plut. Mar. 14,1.
Reale Legion seit Marius eher 5000 Mann: Brunt 1971, 687-689; zu den Censuszahlen
75-79.
46 Plut. Mar. 13,1; 14,2-5 vgl. 25,1 f.
47 Sali. lug. 92,1 f.; Plut. Mar. 36,8; Behr 1993,22 f.
48 Marser (Germanen?): MRR 1,564 vgl. 3,73; Copillus: Plut. Sulla 4,1.
49 MRR1560; 563. Widerstand: Plut. Mar. 14,6 f.
50 Gerieht: Gran. Lic. 33,24 p. 12 C. Wahl: MRR 1,562; Plut. Mar. 14,8; Plan: 15,4f.
51 Tribun: Plut. Sulla 4,1; Bruch: Plut. praec. ger. r.p. 12 = mor. 806D; Strafe des Marius
laut Cagniart 1989, v. a. 139-143; „degradiert" laut Letzner 2000,73; „Rückschritt" (retro-
cesso) Brizzi 2004, 54. Ehrende Wahl zum tribunus a populo laut Reams 1993, 286
Anm. 22. Wechsel: Plut. Mar. 14,8; Sulla 4,2.
52 Bruch: Plut. Sulla 4,2-4; Keaveney 22005, 26; Letzner 2000, 74 f.; Brizzi 2004, 54.
Absprache: Badian 1970,9; verhaltener Dijkstra/Parker 2007,145. „ein ...": Plut. Sulla 4,2;
Gedichte: Cic. nat. deor. 1,79.
53 Gass. Dio 27, frg. 94,1.
54 Plut. Mar. 15,5-16,5; 18,1 f.
55 Plut. Mar. 23,1 f. Zur Strategie Lewis 1974; Sulla: a. a. O. 95.
56 Geplänkel: Lewis 1974,101-103 zu Val. Max. 5,8,4; Lager: Plut. Mar. 23,2; Liv. per.
68.6; Lewis 1974,104-106.
57 Übergang: Flor. 1,38; Plut. Mar. 23,4. Kapitulation: Plut. Mar. 23,6, Ausbruch laut
Plin. n.h. 12,11; (vorsätzlich?) vage Liv. per. 68,6. Gar keine Flucht laut Letzner 2000,77
Anm. 64!
58 Plut. Mar. 23,5; zur mutmaßlichen Darstellung Lewis 1974,107-109.
59 Schlacht: MRR 1,567. Konsul: MRR l,570f.; Plut. Mar. 22,2f. Metellus: MRR 1,567.
Anmarsch: Plut. Mar. 24,1 f.
60 Zahlen: Plut. Mar. 25,4. Getreide: Plut. Sulla 4,3; im Winter 102/1 laut Lewis 1974,
93 f.
61 Plut. Mar, 25,3-27,4; zur Propagandafunktion Ramage 1991, 99. Staub und Sonne:
Plut. Mar. 26,3 f.; Sulla: 25,4.
62 Plan: Plut. Mar. 25,5; vgl. 25,6; 26,2. Tote: Vell. 2,12,5; Plut. Mar. 27,3; Oros. 5,16,16;
Liv. per. 68,6. Siegeskriterien: Plut. Mar. 27,41; Eutr. 5,2,2.
63 Triumph: Inscrlt 13,2,562; Plut. Mar. 27,6; Opfer: 27,5. Marius-Nimbus: Behr 1993,
31-35. Catulus: MRR 1,572; Behr 1993,36-40.
64 Camerinum: Plut. Mar. 28,2. Wahl: MRR 1,574-576; Liv. per. 69,1; Plut. Mar. 28,4-6;
29,1; App. civ. 1,126-128. Corvus: cos. 348; VI suff. 299 v. Chr. (fiktiv?).
65 Gesetze: App. civ. 1,130; Badian 1958, 200-205; MRR 1,575; 578 Anm. 3. Eid: Plut.
Mar. 29,1; App. civ. 1,131. Unterstützergruppen: Badian 1958,200-203.
66 Plut. Mar. 23,3 f.; App. civ. 1,135.
67 Plut. Mar. 23,3-8; App. civ. 1,136-141.
68 Mord an C. Memmius: Liv. per. 69,4; App. civ. 1,142; Oros. 5,17,5. „Die ...": vir. ill.
73,10; Val. Max. 3,2,18.
69 Verleumdung: Plut. Mar. 30,2. Lynchmord: MRR 2,1. Plut. Marius 30,3 f.; App. civ.
1,143-146.
70 Kopf: vir. ill. 73,12; Reise: Plut. Mar. 31,1; vgl. Behr 1993,45-50; anders Badian 1958,
210.
71 App. civ. 1,148; vgl. Brunt 1966.
72 Beute: Badian 1970,9; Catulus: Behr 1993,42-44.
73 Badian 1959,283; Brennan 1992,133; 135.
74 Plut. Sulla 6,11. Ilia = Aelia: Hinard 1985,27; = Iulia: Keaveney 22005,8.
75 Zum Ädil hätten ihn die nach Herkunftsort geordneten 35 Tribus der comitia tributa
gewählt, zum Prätor die nach Vermögen gestuften comitia centuriata. - Heute ist die
Chronologie von Badian 1959 maßgeblich; zuvor galt 93 als Jahr der Prätur, gefolgt von
einer einjährigen Proprätur. Vgl. noch MRR 2,14 mit 16 Anm. 3; 18. Nicht durchsetzen
konnten sich Sherwin-White
Sherwin-White 1983,108-1101977 sogarmitaufeiner PrätBadian
das vor ur für 95, favorisiert
gültige Datumin93/92
MRRangesetzt
3,73 f. - in-
und Sumner 1978 mit der Ädilität Sullas als Notlösung für 98 und einer Verschiebung der
Folgeämter.
76 Philus: App. civ. 1,147 f.; Versprechen: Plut. Sulla 5,1.
77 Geld: Plut. Sulla 5,2. MRR 2,7 kennt als möglichen Kollegen nur L. Domitius Abe-
nobarbus, den späteren Konsul von 94.
78 Spieldauer: kaiserzeitlich 6.-13.7.; Latte 1967,223. Löwen: Plin. n.h. 8,53; Sen. brev.
vit. 13,6. Strabo: Plut. Sulla 5,2.
79 Kilikien: App. Mithr. 231; vgl. Badian 1959,285 f.; Santangelo 2007,26-32.
80 Procos.: Festus, brev. 15; vgl. Brennan 1992,104 Anm. 3. Rhodos: eine fragmentierte
Inschrift, IG XII 1,48 = SIG3 745, nennt fast sicher Sulla.
81 Reinach 1890 bleibt die klassische Darstellung.
82 Chronologie: Brennan 1992,144-150; zu Unsicherheiten Seager 1994,142 Anm. 49.
Details zu Sullas Intervention: Vell. 2,15,3; Val. Max. 5,7 ext. 1; Plut. Sulla 5,3 f.; vgl. Bren-
nan 1992,105-132
83 List: Frontin. strat. 1,5,18. Armenier: Plut. Sulla 5,3; skeptisch Badian 1959,293-295.
Sieg schon 96? Brennan 1992,150; imp. I: zuletzt Mackay 2000,177-181. Ma: Hinard 1985,
67 f.; Brizzi 2004,99 vermuten ihren Import gerade durch Sulla.
84 Plut Sulla 5,4.
85 Plut. Sulla 5,4 f.
86 Plut. Sulla 5,6; Engels 2007,539 f. Nr. 215.2. Nach 88 verlegt von Vell. 2,24,3.
87 Heimkehr: Brennan 1992,132-137. Ende 93 /Anfang 92: a. a. 0.156; Santangelo 2007,
4.93: Keaveney 22005,35. Wende 95/94: Badian 1959,299f. 95: Hinard 1985,50. Ablösung:
Brennan 1992,151 f. Prozess: Plut. Sulla 5,6; Firm. Mat. math. 1,7,28. Marius: Badian 1970,
10; Keaveney 22005,36 f. zu Plut. Mar. 31,2 f. Anders Reams 1993.
88 „dass..": Vell. 2,17,2; Badian 1970,10f. Konkurrenz: Brennan 1992,153. Italiker.
VaL Max. 5,2,8; Gabba 1954,53-61; 81; Badian 1958,212-214.
89 MRR 2,8. Diod. 37, fr. 5; Liv. per. 70,8; Oros. 5,17,12f. Marius: Cass. Dio 28, frg.
97,1-4; Badian 1958,214f. Gerichte: Liv. per. 70,11.
90 MRR 2,21 f. Rückhalt: Cic. de domo 50. „gerade..": Vell. 2,13,2; vgl. Diod. 37,
fr. 10,1; Gabba 1972,789f.; als utopisch gewertet von De Martino 21973,40-47.
91 App. civ. 1,155-162; lex agraria: Gabba 1954, 46-52; „gewaltsam" laut Liv. per. 71,1,
Eid: Diod. 37, fr. 11.
92 Philippus: vir. ill. 66,9 f.; Caepio: Cass. Dio 28, frg. 96,1-3. Komplott: Liv. per. 71; Flor.
2,6,81; Cass. Dio 28, frg. 96,4. Umbrer usw.: App. civ. 1,162f.; für Einfluss der Interessen
von Großgrundbesitzern Gabba 1954,49f., modifiziert Badian 1958,218; 221; 226f. Forde-
rungen der Italiker: Gabba 1954,50-52; an das Ziel einer völlig anderen Herrschaftsorga-
nisation dachte Mouritsen 1998.
93 Diod. 37, fr. 10,3.
94 Plut. Sulla 6,1 vgl. 3,4; Mackay 2000,162-168. Unterstützer: Badian 1970,11 f.; Behr
1993,114-121; Dijkstra/Parker 2007,146-149: u.a. Rutilius Rufus und Aemilius Scaurus.
Gegen Plut. Sulla 6,2); vgl. Marius 32,2 f. mit Drummond 2008, 399-401. Siehe oben
Abb. 3.
95 Mithridates: Brennan 1992,156.
96 Mörder: App. civ. 1,163; anders De Martino 21973,47; Brizzi 2004,81. Drusus-Lob:
Vell. 2,13,1; 14,2 f. Lex Varia: App. civ. 1,165 f.
97 App. civ. 1,170-177 (verzeichnet).
98 Kopfstärke: Brunt 1971,89 f.
99 Zum Problem einer „italischen Verfassung" De Martino 21973,50-52.
100 Sagum: Oros. 5,18,15. Gerichte: App. civ. 1,167-169; Gabba 1954, 83-86; Scaurus:
Val. Max. 3,7,8.
101 MRR 2,25. Legaten: z.B. Cic. Font. 43.
102 Rebellenlisten: Liv. per. 72,1; App. civ. 1,175. Römer gegen Italiker: Brunt 1971
94-97; 435-439.
103 Strabo: App. civ. 1,204. Caesar: MRR 2,29. Diod. 37, fr. 2,1-7. Lucullus: Plut. Luc.
1,1.3.5; „Beständigkeit": 2,1.
104 Plut. Sulla 6,7; Engels 2007,580-585 Nr. 265-269.
105 MRR 2,29. App. civ. 1,205-210. Marius: MRR 2,27; 29. App. civ. 1,191 f. 196-198.
106 App. civ. 1,187-190; 199 f. Oros. 5,18,14. Mit Marius: App. civ. 1,201 f. Erfunden laut
Salmon 1967, 352-356; Behr 1993, 156. Zur Quellenlage Brennan 1992, 157 Anm. 157.
Rettung: Oros. 5,18,16; Plin. n.h. 32,12.
107 Sklaven: App. civ. 1,212; Neubürger: Cic. Balb. 50 (erst 83/82 v. Chr.?). sagum: Oros.
5,18,15,
108 App.civ. 1,213-215; Vell.2,20,2; Gabba 1954,95-97. Aristokratie: a.a.O. 87-95.
109 Plut. Mar. 33,1.3; 36,8 u. a.; vgl. Badian 1958, 227 Schwäche: Plut. Sulla 6,2; dazu
Gabba 1972,791 mit Lit.; Behr 1993,62-64.
110 MRR 1,32; Liv. per. 75,4; App. civ. 1,217. causa pit iustissima: Vell. 2,15,2.
111 App. civ. 1,216; Cato: Oros. 5,18,24. Legat/Procos.?: MRR 2,35 f.
112 MRR 2,37; Santangelo 2007,691 nach Gabba 1971; Hirpiner: Vell. 2,16,2. Aufruhr:
Plut. Sulla 6,9; Liv. per. 75,1; Oros. 5,18,22.
113 „sich...": Plut. Sulla6,9; „man..": 6,8.
114 Omen: Cic. div. 1,72; 2,65; Val. Max. 1,6,4. Abweichend auf 88 bezogen Plut Sulla
9,3 f.; Aug. civ. Dei 2,24; Engels 2007,587-589 Nr. 272. Sieg: App. civ. 1,217-221; ein Toten
Eutr. 5,3,4.
115 App. civ. l,222f.; Vell. 2,16,2.
116 App. civ. 1,223 f.
117 App. civ. 1,227-229; Restgebiet: 231.
118 App. civ. 1,225,
119 Strabo: Oros. 5,18,26. Inscrlt 13,2,85; 563; Badian 1958,2281 Sulla: Plut. an seni sit
ger. res p. 6 = mor. 786E; App. civ. 1,226. Lucullus: Plut. Luc. 1,5.
120 Kriegsfolgen: Vell. 2,15,3; Brunt 1971,285-287; 292 f.
121 App. Mithr. 35-37; Marius: Keaveney 22005,64.
122 App. Mithr. 38-41; 47 f. Einmarsch: App. Mithr. 48-50; die Gesandtenrede 51-57 ist
eine Art dramatisiertes Dossier für den Leser; Krieg: App. Mithr. 58 f.; Chronologie: Bren-
nan 1992,152f.
123 MRR 2,39f.; „mit...": Vell. 2,17,3. Held: Diod. 37, fr. 25; „da...": Liv. per. 75,7. Zur
Diskussion, ob und wann Sulla Augur war, zuletzt überzeugend Drummond 2008,
386-401, der die entscheidende Münze RRC 359 - hier S. 99 Abb. 5 - nicht später als ca.
83 datiert und Sulla zu einem unbekannten Zeitpunkt vor 88 gewählt werden lässt. Pius:
praet. 89 oder 88; vgl. MRR 3,41.
124 Plut. Sulla 6,101 „er...": Sali. lug. 95,3.
125 Spott: Plut. Sulla 6,10 nach Liv. 77; Caesar: vgl. Badian 1958,2301
126 Pius: Liv. per. 76,4; Samnium: Diod. 37, fr. 2,11.
127 App. Mithr. 62-76; zu Zahlen und Ablauf kurz Seager 1994,145-147. Überläufer:
App. Mithr. 81. Zu Widerstandsherden vgl. Marek 1988, v. a. 288 1 302; Schulz 2008,347 f.
128 Los: App. civ. 1,241; Geld: App. Mithr. 84.
129 Liv. per. 74,8; App. civ. 1,234-239.
130 MRR 2,411 Cic. har. resp. 43; Lael. 2. Guter Anfang: Vell. 2,18,5; anders Plut. Sulla
8,1.
131 Plut. Mar. 35,2; Sulla 8,2.

132 Plut. Sulla 8,2.


De Martine21973,56-59.
133
App. civ. l,242f. Plut. Sulla 7,2f. 6; 8,1.
134
Plut. Sulla 8,3. Iustitiwm traditionelle Deutung seit Mommsen 41888,1058 Anm. 2:
135
vgl. Hinard 1985, 63; Santangelo 2007, 6. Zum Begriff Kunkel/Wittmann 1995, 225-228.
Auf App. civ. 1,244 gestützt vermuteten nach Mommsen H871, 263 Anm. 6 u.a. Valgiglio
1956,13 Anm. 1: Kunkel/Wittmann 226 Anm. 435 stattdessen die Ansetzung eines außer-
gewöhnlichen Götterfestes, feriae imperativae; ähnlich Levick 1982,508 mit Anm. 43.
136 Bekannt: Plut. Sulla 8,2; Badian 1970,14. Geheim: Hinard 1985,62. Training: Diod.
37, fr. 29,1 f.; Plut. Mar. 34,3 f.; Sulla 7,1. Man denkt an Mao, der 1966 auf einem Tiefpunkt
seiner Macht im Yangzi schwamm, ehe er die Kulturrevolution entfesselte.
137 Plut. Sulla 8,3; App. civ. 1,245-248. Haus: Plut. Mar. 35,2f.; Sulla 8,3. Von Appian
verschwiegen. Verschleppt laut Brizzi 2004,96.
138 Rufus: Badian 1970,14f.; Brizzi 2004, 96; vgl. Hinard 2008, 28 f.; 35 f. Quellenlage:
Behr 1993,60f. Sulla zum Abzug erpresst: Hinard 1985,63.
139 Plut. Mar. 35,4; Sulla 8,3; vgl. Kunkel/Wittmann 1995,655. Nach der Abreise: Vell.
2,18,4-6; vage Plut. Sulla 7,2. War ahnungslos: App. civ. 1,248f.

II. Der Kriegsherr


1 Badian 1958,235.
2 Plut. Sulla 8,4. Zwei: Plut. Mar. 35,4.
3 Stärke: Plut. Mar. 35,4. Motive: App. civ. 1,252; vgl. Badian 1970,15; Hinard 1985,65.
Apologetisch Keaveney 22005,51 f.
@App. civ. 1,252. Coriolan: Liv. 2,34,9-40,11 (mit Blick auf Sulla stark umgeformt);
„als ...":Eutr. 5,4,2.
5 App. civ. 1,253 f.; vgl. Levick 1982. Camillus: Liv. 5,49,5-9; 50,8-55,2.
6 Plut. Mar. 35,4; Sulla 9,1; Oros. 5,19,4. Fehlt bei Appian. Steinigung vor Massenszene
laut Hinard 1985,65. Lucullus: App. civ. 1,253; Badian 1962,54f. = 1964,153.220; Offizie-
re: Levick 1982,503-505; Keaveney 1984,125.
7 Rache: Morde laut Plut. Sulla 9,1 f. (suspekt). Rufus: App. civ. 1,255. Omen: Plut. Sulla
9,3; Aug. civ. Dei 2,24 nach Liv. 77. Für Engels 2007, 587-589 Nr. 272 eine Doublette des
Schlangenomens im Bundesgenossenkrieg. Ma: Plut. Sulla 9,4; Engels a.a.O. Arroganz:
Kraglund 2001,86.92-95.
8 Plut. Sulla 9,2; fehlt bei Appian. Vgl. Hölkeskamp 2000,210f.
9 Plut. Sulla 9,5; App. civ. 1,254f.
10 App. civ. 1,255 f.
11 Plut. Sulla 9,5 f.; App. civ. 1,257.
12 Plut. Sulla 9,6f.; beschönigt bei App. civ. 1,258. Richtig Hinard 1985,69.
13 App. civ. 1,258-263; Marius: Plut. Sulla 9,7; Mar. 35,1; Val. Max. 8,6,2 (suspekt).
14 App. civ. 1,264.
15 Plut. Sulla 10,1 gibt eine Senats-, App. civ. 1,265 eine Volksrede. /losfw-Erklärung:
Plut. Mar. 43,3; Sulla 10,1. Liste. App. civ. 1,271; Kommentar: Katz 1975,105-115; Allöly
2007, 179f.; 189-192; Hinard 2008, 30-33; zum gewählten Verfahren Bauman 1973,
270-285. Erste /wtfw-Erklärung: Kunkel/Wittmann 1995, 238-240; Allely 2007,182-188.
Marius: Plut. Mar. 35,5-40,7; App. civ. 1,272-281; Klientel: Badian 1958,237 f.; gegen star-
ke Veteranenkonzentration Brunt 1971, 577-580. Sulpicius: Plut. Sulla 10,1; Vell. 2,19,1;
App. civ. 1,272. Befremdlicher Kommentar von Letzner 2000,143 f. Sklave: Liv. per. 77,4;
Val. Max. 6,5,7; Plut. Sulla 10,1. Altely 2007,199 f. Maßnahmen: App. civ. 1,268.
16 App. civ. 1,281 irrig: Capua.
17 Verwechslung: v. a. die Koloniededuktionen, Liv. per. 77,7; doch vgl. Gabba 1972,795.
18 App. civ. 1,266. Lex Hortensia: Kunkel/Wittmann 1995,655. Reform: äußerst kontro-
vers interpretiert, vgl. nur Laffi 1967,210f. Anm. 102; De Martino 21973,66-69. Marastoni
2009, 78: geändert worden sei das Wahl-, nicht das Gesetzgebungsverfahren. Weiteres:
App. civ. 1,267; zur Diskussion vgl. zuletzt Marastoni 2009,67-70.
19 App. civ. 1,267; oft als Doublette von 82/81 gestrichen, vgl. De Martino 21973,71 f.
Für die Echtheit einer - kleineren - Erweiterung Katz 1975,117-120. Geplant, doch nicht
umgesetzt: Gabba 1958,173. Gewagt Marastoni 2009, 99-103: Auffülung der freien Se-
natssitze, vielleicht aus einer Warteliste von 91, Richtwert schon 88 v. Chr. bei 600. „Lex
unciaria": Katz 1975,121 f.
20 Val. Max. 3,8,5; Stoa: Hinweis: Hinard 1985,70. Stimmung und Sullas Propaganda:
Behr 1993,71-76.
21 Titel: App. Mithr. 53; 61; Landung: 85; 92-106; Mord: 85-91; Thornton 1998.
22 „Pogroms": So noch Bengtson51977,508. Zahl: Memnon, FGrHist 434 T 22,9; Brunt
1971, 224-227: eher einige tausend. Aquillius: MRR 2,43. App. Mithr. 80; vgl. Cass. Dio
40,27,3 zu Crassus dem Triumvirn.
23 App. Mithr. 108f.; Plut. Sulla 11,2f. Athen: Antela-Bernärdez 2005,476-485.
24 App. civ. 1,282. Ungeduld: Badian 1970,16 f.
25 MRR 2,42. App. civ. 1,283-285. Schuld laut Liv. per. 77,8; Vell. 2,20,1.
26 Wache: App. civ. 1,286; Plebs: Plut. Sulla 6,12. Wahlen: Plut. Sulla 10,3; Cass. Dio
30-35, frg. 102,3.5. MRR 2,45 f., vgl. Lovano 2002, 27-31. Gegenkurs Cinnas erst später
laut Hinard 1985,76.
27 Plut Sulla 10,3 f.
28 Plut. Sulla 10,4.
29 Plut Sulla 11,1. Trompete: 7,3-6; ein Abstieg laut Diod. 38/39, fr. 5. Vgl. Engels 2007,
589f. Nr. 274.
30 Santangelo 2007,34.
31 Plut. Sulla 11,3; App. Mithr. 112-115. Laut Plut. Sulla 12,1 (irreführend) waren alle
außer Athen für Rom. Zu Sulla hielt auf der Peloponnes auch Messene, wie die Weihin-
schrift des Legaten Cn. Manlius Agrippa beweist: SEG 48,496 = AE 2000,1338; vgl. a. a. O.
1337 = SEG 48,495. Person: Dohnieht/Heil 2004, 239f. Aussichten: Keaveney 22005,68f.
72; zu optimistisch Santangelo 2007,33.
32 App. civ. 1,287-294; beschönigt die Ächtung (Tadel: Vell. 2,20,3; vgl. Cic. Att.
9,10,3.6); zu wohlwollend die Korrektur von Hinard 1985, 138. Vgl, Bauman 1973,
285-289. Merula: MRR 2,47; 52. Nola: App. civ. 1,298-301.
33 Strabo: MRR 2,48f.; Badian 1958, 239. Marius: Plut. Mar. 41,2; App. civ. 1,305 f.;
Gran. Lic. 35,6-11 p. 13 f. C. Brunt 1971,440: vermutlich nur ca. 60000 inklusive Pius und
Strabo gegen ca. 120000 Cinnaner. Samniten: App. civ. l,309f.; Gran. Lic. 35,29f. p. 16 C;
Cass. Dio 30-35, frg. 102,7. Einfall: App. civ. 1,311 f.; Gran. Lic. 35,17-20 p. 15 C; zur Quel-
lenlage Lovano 2002,41-43.
34 Marius: Plut. Mar. 42,1 f.; App. civ. 1,307 f. 313. Verräter Strabo: Liv. per. 77,3; Vell.
2,21,1-4; Blitz: vgl. Engels 2007, 593 f. Nr. 280. Begräbnis: Gran. Lic. 35,42-45 p. 17 f. C;
Heer: App. civ. 1,314 f.; Meier 1966,238 f.
35 App. Mithr. 116. Athen: Santangelo 2007,36.40.
36 Sentius: MRR 2,49f. Sura: Plut. Sulla 11,4f. Anders App. Mithr. 115. Städte: App.
Mithr. 117; Badian 1970,17 f. Brizzi 2004,107: Theben schon jetzt bestraft.
37 Rhodos: App. Mithr. 131. Sturm, Belagerung: Plut. Sulla 12,1; App. Mithr. 1,118-121.
Ausfälle: 126-129.
38 Plut. Sulla 12,3-6; Engels 2007,594f. Nr. 281. Vgl. Diod. 38/39, fr. 7.
39 Orakel: App. civ. 1,453-455; Volkmann 1959,40; vgl. 34.38: Um dem Neuen Diony-
sos Mithridates etwas entgegenzusetzen. Epaphroditos: App. civ. 1,452; Santangelo 2007,
199-213; Bedeutung: 210.
40 Plut. Luc 2,2; App. Mithr. 131. Fahrt: Sayar et al. 1994, v. a. 117-120; 125. Cinna: Vell.
2,20,4; App. civ. 1,315-317. Merula: Diod. 38/39, fr. 3; App. civ. 1,296f.; Gran. Lic. 35,46-49
p. 18 C. Marius: App. civ. 1,318-322; vgl. Altely 2007,204 f. Verzögerung: Plut. Mar. 43,1 f.;
App. civ. 1,323-325.
41 Proskriptionen: Val. Max. 4,3,14. Keaveney 1984, 115-117 zählt maximal zwei be-
kannte Sullaner unter den 15tiberliefertenOpfern; zum Ausmaß Lovano 2002, 45-50.
Metella: Plut. Sulla 22,1; Eutr. 5,7,3. Octavius: App. civ. 1,326-330; Antonius: Val. Max.
8,9,2; Plut. Mar. 44,1-4; App. civ. 1,333-335. 338. Steigerung: Plut. Mar. 44,6.
42 hostis; App. civ. l,339f.; Bauman 1973,289-293. Merula: App. civ. 1,341 f.; Vell. 2,22,2;
zur exsecratio Hinard 1985,152; 2008,86f.; Liou-Gille 1999,439-442. Caesar: Suet. Iul. 1,1;
vgl. Liv. per. 80,6; App. civ. 1,332 (C. Caesar Strabo Vopiscus; L. Iulius Caesar). Moriaturf:
Ckx Tüsc. 5,56; Plut. Mar. 44,5 denkt offenbar ans moriendum est des Octavian (vgl. Suet.
Aug. 15). Tod: Diod. 38/39, fr. 4; App. civ. 1,341 f. Vielleicht auch Vell. 2,22,4; Plut. Mar.
44,5. Vgl. Hinard 2008,83-86.
43 MRR 2,53. Tod: Plut. Mar. 45,1-7; App. civ. 1,345.
44 Konsolidierung: Badian 1962a; 1970,18; Frier 1971,588-590. Senat: Badian 1962a, 52;
55 f. Italiker: ders. 1958,240 Anm. 2; beim Census von 86 noch nicht verteilt: Brunt 1971,
92f. Sklaven: Plut. Mar. 44,6; App. civ. 1,343-345; Oros. 5,19,24. Angeblich 8000 - eine
konstruierte Zahlenparallele zu Sullas Massaker nach dem Sieg von 82?
45 Pius: MRR 2,47 f. 54. Rückzüge: Badian 1970,18; Keaveney 1984,1301 nennt vier
Namen. Vgl. Meier 1966,244; anders Vell. 2,23,3; „der ...": Eutr. 5,7,4.
46 Offiziere: Badian 1962a, 54f.; Keaveney 1984, 118-128: 18 zwischen 88 und 83.
Flüchtlinge laut a.a.O. 126-129: acht bekannte. Quellen für 86: MRR 2,55. Athen: Plut.
Sulla 12,2; App. Mithr. 132 f.; 136. Makedonien: 137; Stellungskrieg: 138-146.
47 Aristion: Plut. Sulla 6,12; 13,1; Hunger: 13,3; App. Mithr. 147. Spott: Plut. Sulla 2,1.
Obszönitäten bei Belagerungen traditionell: Hinard 1985,93 f.
48 Plut. Sulla 13,4. Vgl. Chaniotis 2005. Sullas „Milde" lobte später notgedrungen auch
Inschriften von Ephesos 8.
49 Plut. Sulla 14,1-3; App. Mithr. 148-150; vgl. Polyb. 10,15,4 f. Datum: Plut. Sulla 14,6.
Positiv Vell. 2,23,3 f.; vgl. Behr 1993,77 f.; Antela-Bernärdez 2009,486-489.
50 Aristion: Plut. Sulla 14,7; App. Mithr. 151 f.; Gran. Lic. 35,61 p. 19 C. Spuren: Paus.
1,20,61 Hoff 1997. Delos: Santangelo 2007, 41. Regierung: a.a.O. 41-44. Piräus: App.
Mithr. 1531 Rückzug: Plut. Sulla 15,1 (verzerrt); App. Mithr. 155.
51 Plut. Luc. 2,2-5. Demoliert: App. Mithr. 157.
52 Plut. Sulla 15,1; App. Mithr. 156.158.
53 Marsch: Plut. Sulla 15,1 gegen App. Mithr. 157. Zahlen: App. Mithr. 159; zu klein
Plut. Sulla 16,1:15000 + 1500.
54 Kaphis: Plut. Sulla 15,31; Landung: App. Mithr. 206. Von Elateia aus: Plut. Sulla
16,2-7; App. Mithr. 160.
55 Chaironeia: Plut. Kimon 1,21; dazu Santangelo 2007,45-48. Lage und Ablauf: Kea-
veney 22005,78-80 mit Karte zu Plut. Sulla 16,8. Irrig App. Mithr. 1601: die Pontier im
Rückzug; danach Hinard 1985,100-104; Brizzi 2004,111.
56 Murena: MRR 2,56. Marsch: Plut. Sulla 17,3; Lob von App. Mithr. 1611 Stellung:
Plut. Sulla 17,7; Galba: MRR 2,56.
57 Verjagt: Plut. Sulla 17,6; 18,1 f. Kontakt: 18,2-4; App. Mithr. 163. Murena: Plut. Sulla
19,11; mit dem Folgenden vermischt App. Mithr. 165-167.
58 App. Mithr. 168 (zwei Kohorten statt einer)-175; Plut. Sulla 19,2-4; Oros. 6,2,5.
59 Opfer: Plut. Sulla 19,4; App. Mithr. 174. Tropaia: Plut. Sulla 19,5; zum Fund der
Weihinschrift von 1989 Mackay 2000,168-177. Imp.II: a.a.O. 177-193; 198. Theben: Plut.
Sulla 19,6.
60 Chalkis: App. Mithr. 176. Flaccus: Plut. Sulla 20,1.
« Plut. Sulla 20,2; App. Mithr. 194.70000: Eutr. 5,6,2; Oros. 6,2,6.65000 +10000: Gran.
Lic.35,63f.p.l9 C.
62 App. Mithr. 180-193.
63 Plut. Sulla 20,2-5.
64 Plut. Sulla 21,1; App. Mithr. 194.
65 Plut. Sulla 20,2; kürzer: App. Mithr. 195.
66 App. Mithr. 197; Eutr. 5,6,2; Plut. Sulla 21,2f.; Gran. Lic. 35,65 p. 20 C.
67 Plut. Sulla 21,f; App. Mithr. 198-201. Oros. 6,2,7.
68 Glück: Plut. Sulla 6,6; vgl. Giardina 2008, 70f. 79-81 zu Sullas Religiosität. Strafe:
App. Mithr. 217 vgl. Paus. 1,20,7; Flotte: App. Mithr. 203 f.
69 Winter: Plut. Sulla 22,1. Fimbria: MRR 2,56; 59. App. Mithr. 205; 207-210; Cass. Dio
30-35, frg. 104,1-5. Zur Vorgeschichte Lintott 1976; de Michele 2005,281.284f.
70 App. Mithr. 189-210.
71 Plut. Luc. 3,1-7 vgl. Oros. 6,2,10. Gefahr: Hinard 1985,119.
72 Diod. 38/39, fr. 8,4. Ilion: App. Mithr. 211-214; Cass. Dio 30-35, frg. 104,7; Oros.
6,2,11.
73 Etwas überspitzt Badian 1970,19.
74 Plut Sulla 22,2-4. Stark veränderter Gesprächsverlauf bei App. Mithr. 215-223.
75 Plut Sulla 22,5; Gran. Lic. 35, 74-77 p. 20f. C; App. Mithr. 222-224. Besagt pace
Hinard 1985,121 nichts zur Schuldfrage.
76 Feldzug: App. Mithr. 224. Antwort: 225; Plut. Sulla 23,3. Vgl. Plut. Luc. 3,8-10.
77 Plut Sulla 23,3 f.; verkürzt App. Mithr. 225.
78 Plut Sulla 23,4f.; Gran. Lic. 35,79-41 p. 21 C. Spartacus: App. civ. 1,539; Plut. Crass.
8,2.
79 Zusage: Plut. Sulla 23,5. Abydos: App. Mithr. 226; vgl. Plut. Luc. 4,1.
80 Plut Sulla 24,1; laut vir. ill. 76,5 eine Schlacht!
81 Rede Sullas: Plut. Sulla 24,2; ersetzt in App. Mithr. 230-239. Friede: App. civ. 240;
Plut. Sulla 24,3; Comp. Lys. et Sull. 5,2.
82 Gründe: Plut. Sulla 24,4.
83 App. Mithr. 242-247. Eid: Hinard 1985,127.
84 Pergamon: App. Mithr. 248; exsecratio: Hinard 1985,129. Im Lager: Plut. Sulla 25,1;
an Cato Uticensis erinnert de Michele 2005, 287. Laut Lintott 1976, 491 erst im Winter
85/84.
App. Mithr. 249.
86 Curio: MRR 2,59; App. Mithr. 249; Gran. Lic. 35,83 f. p. 22 C. Sklaven: App. Mithr.
250f.
87 App. Mithr. 250. Rhodos: ILS 8772 = SIG3 745; Mackay 2000,187-191.
88 Edikt verarbeitet in App. Mithr. 253-260, Kosten: Plut, Sulla 25,2; vgl. Santangelo
2007,117. Lucullus: MRR 2,58; Plut. Luc. 4,1.
89 Rückstand: App. Mithr. 259; Broughton 1938,562. Städte: Keaveney 22005,190-192;
Santangelo 2007,122 f. Lucullus: Plut. Luc. 20,3-6; zur weiteren Entwicklung Santangelo
2007,124-133.
90 Plut. Sulla 25,2; Badian 1970,19.
91 App. Mithr. 261; Santangelo 2007,50-66; Jones 1974; ders. 2000; Schulz 2008,
92 App. Mithr. 262f.; 416f. Hinard 1985,133.
93 Quellen für 85: MRR 2,58.
94 App. civ. 1,346.348.
95 App. civ. 1,350-352. Abfolge und Inhalt der Briefe: Frier 1971,590f.; Keaveney 1984,
134-137; ebenso Hinard 1985,155; Brizzi 2004,135.
96 Flaecus: Liv. per. 83,4; Frier 1971,591 f.
97 Appell: App. civ. 1,353 f. Cinna: App. civ. 1,354-357; Badian 1962a, 58f.; 1970,19.
Pompeius der Anstifter laut Frier 1971, 593 zu Plut. Pomp. 5,1 f. Carbo: MRR 2,60; App.
civ. 1,358 f.; Badian 1962a, 59 f.
98 App. civ. 1,353.
99 Ramage 1991,102f. zu Crawford, RRC 359. Auf die Zeit nach November 82 datiert
die Münze Mackay 2000,198-206; vgl. Abb. 5, zum Triumphtyp 9. Sulla war im Lauf seines
Lebens eindeutig Augur, doch der Zeitpunkt ist umstritten; zur vieldiskutierten Schwie-
rigkeit, dass er nicht zeitgleich mit Cornelius Scipio Asiagenes Augur hätte sein dürfen,
vgl. nur MRR 3, 75 f. und jetzt Drummond 2008; Alternativlösung: Rüpke 2005, 926 f.
Nr. 1390; Hinard 2008,10 f. Modell einer Prägung als Reaktion auf die jeweiligen Gegner:
Behr 1993,129-135. Antwort: App. civ. 1,360-362
100 Liv. per. 84,1.
101 Behr 1993,89-91; anders Frier 1971,595 f.: Werbung um die „moderate nobility".
102 Plut. Sulla 26,1; in App. civ. 1,363 übersprungen. Murena: MRR 2,61.
103 MRR 2,61; Plut. Sulla 26,1.3. Athen: IG II2 4103; vgl. Behr 1993,85 f.
104 Nep. Att. 4,1 f.; Plut. Sulla 26,1 f.
105 Plut. Sulla 26,3 f.; Garton 1964,144-146; Hinard 1985,163 f. Vgl. Pieket 1973.
106 liv. per. 84,3 f.; Keaveney 22005,103 f.
107 Plut. Crass. 6,1 f. MRR 2,62. App. civ. 1,373. Auch „Asiagenus" geschrieben.
108 Plut. Sulla 27,1; 1600 Schiffe: App. civ. 1,363. Peloponnes: Dohnicht/Heil 2004,241 f.
109 Plut. Sulla 27,2; Engels 2007,595 Anm. 319. contio: Plut. Sulla 27,3; vgl. Meier 1966,
241.
m Quellen für 83: MRR 2,63 f. Zahlen: Plut. Sulla 27,3; noch höher App. civ. 1,373.
Brunt 1971,442-445: eher 400 je Kohorte, also ca. 180000, gegen Sullas 40000 + x.
m App. civ. 1,363 f. Plut. Sulla 27,4 (vgl. 17,2); Engels 2007,598 Nr. 287.
m Ruhe: Vell. 2,25,1. Helfer: App. civ. 1,365; Plut. Crass. 6,3. Pius: anders Brizzi 2004,
142. Münzen: Crawford, RRC 367 f.; Ramage 1991,103 f.
m MRR 2,64; Plut. Pomp. 6,2-8,1; App. civ. 1,367. „Dieser...": Plut. Pomp. 8,3.
114 App. civ. 1369 vgl. 271. Zehn weitere Überläufer bei Keaveney 1984,142f. Cinnaner:
App. civ. 1,374£ Omen: 1,377; Engels 2007,597 f. Nr. 286.
115 Plut. Sulla 27,4f.; App. civ. 1,382; Eutr. 5,7,4. Vgl. Engels 2007, 598 Nr. 287. Diana:
Vell. 2,25,4.
116 App. civ. 1,383.
117 Plut. SuUa 28,1 f.; App. civ. 1,384. Agenda: Cic. Phil. 12,27.
m App. civ. l,384f.; Hinard 1985,170.
119 Diod. 38/39, fr. 16; App. civ. 1,386-388; Plut. Sulla 28,2 f. Vgl. Cic, Phil. 13,2.
120 App. civ. 13881 Sertorius: MRR 2,63; 70.
121 App. civ. 1,389 vgl. 441; Frier 1971,601. Kapitol: 1,391; Obsequens 57 ad ann. 83; Plut.
Sulla 27,6; Engels 2007,599 Nr. 287.
122 Plut. Sulla 28,3. Höstes; App. civ. 1,390. MRR 2,65 f. App. civ. 1,394; Desertion
Badian 1958,244f.
123 App. civ. 1,393.
124 Keaveney 22005,115 f. Italiker: Liv. per. 86; Diod. 38,12; Frier 1971,691 f. Quellen zu
82: MRR 2,69.
125 App. civ. 1,470; Brunt 1971,445 Anm. 3 vgl. 446: vielleicht 120000. Metellus: MRR
2,68.70; verzerrt Plut. Pomp. 8,4-6. App. civ. 1,395 f.
126 Liv. per. 86,3.
Plut. Sulla 28,4-8; App. civ. 1,397-400.
127
128 Plut. Sulla 28,7; vir. ill. 68,3. Vgl. Plut. Mar. 46,6. Verrat: App. civ. 1,398.
129 Oros. 5,20,6: 25000 Tote. Eutr. 5,8,1:15000, Sullas Verluste 400. Ofella/Afella: Vell.
2,27,6; MRR 2,72. App. civ. 1,402.
130 MRR 2,70. App. civ. 1,401. Vell. 2,28,1; Plut. Sulla 27,7f. Oros. 5,20,8.
131 MRR 2,67. Liv. per. 86,5; App. civ. 1,403 f.; Vell. 2,26,2f. Scaevola: MRR 2,73.
132 Moderate: Brizzi 2004,149. Keaveney 1984,138-141 identifiziert elf Überlebende
neben vier Toten.
133 App. civ. 1,405-409.
134 App. civ. 1,409.411.
135 App. civ. 1,412-416; MRR 2,67.71.
136 Vell. 2,27,1; App. civ. 1,416 f.
137 App. civ. 1,418-422.
138 Plut. Sulla 28,5; App. civ. 1,423-425.
139 App. civ. 1,426f.
140 Plut. Sulla 29,1 f.; App. civ. 1,427.
141 Vell. 2,27,2.
142 Eutr. 5,8,1; App. civ. 1,427.
143 Plut. Sulla 29,2f.
144 Plut. Sulla 29,4; ungenau App. civ. 1,428.
145 Plut. Sulla 29,5 f. vgl. Val. Max. 1,2,3. Apollo auf Münzen des Jahres 80: Ramage
1991,105.
146 App. civ. 1,430; Plut. Sulla 29,3.
147 VeU. 2,27,3; App, civ. 1,431.
148 Val. Max. 9,2,1; Plut. Sulla 30^31; Cass. Dio 30-35, frg. 109,1-3; vgl/ Grassi 1981,
133-135; Behr 1993,95f.
III. Der Konterrevolutionär
1 Tote: App. civ. 1,432; passt nicht zu den angeblich 100000 Toten des gesamten Krieges
bei Obseq. 57; Diod. 37 fr. 29,5 u. a,; vgl. Brüht 1971, 439 Anm. 5; 696f. Bellona vgl. Liv.
10,19,17.21.6000 Gefangene: Plut. Sulla 30,2; 8000: Liv. per. 88,2; App. civ. 1,432.9000: vir.
ill. 75,10.
2 Speere: App. civ. 1,432; vgl. Plut. Sulla 30,2; Flor. 2,9,24 f.: 4000 Tote; Hinard 1985,187:
3000 von 12000 Gefangenen. „Zur ...": Sen. clem. 1,13,2. Neid: Cass. Dio 30-35, frg. 109,
5.7; vgl. Heftner 2006,47 Anm. 34:
3 Freiheit: So Plut. Sulla 30,4.
4 „purge contrölee": Hinard 1985,191.
5 Genozid: so schon Mommsen 21857,331 zu Strab. 5,249; verschärft Salmon 1967,383.
Die Verteidigung von Keaveney 22005, 152 gegen einen Rassenhass-Vorwurf läuft ins
Leere; ein Gedanke wie »Erbfeindschaft' kann sich völlig vergleichbar in Massenmord
auswirken. Unter Sullas Opfern waren überproportional viele Samniten; vgl. S. 106. Ge-
fahr: So noch Lucan. 2,135-138; Propaganda: Behr 1993,97 f.
6 App. civ. 1,451; Plut. Sulla 33,1.
7 Plut. Sull. 31; Oros. 5,21,1-4; ähnlich Flor. 2,9,241 So Keaveney 22005, 1251; im
Grundsatz auch Heftner 2006.
8 App. civ. 1,441-443; teils ähnlich Cass. Dio fr. 109,3-14. Modell: Hinard 1985a,
106-114; v.a. 1081 zu Cic. S. Rose. 153 (Datum der Sitzung laut Heftner 2006,54 unklar);
modifiziert Hurlet 1993,25.
9 App. civ. 1,441.
10 App. civ. 1,433; übertrieben Oros. 5,21,10.
"12 Cic. S. Rose. 93; Heftner 2006,48. Stark ablehnend Hinard 1985,221 f.
Cic. Catil. 3,24.
» Plut. Sull. 31 (Zit.); Oros. 5,21,2. Vgl. Heftner 2006,40f.; 50.
14 Plut. Sulla 31,2.
15 Plut. Sulla 31,3 f.; Oros. 5,21,3. Zum Aufbau Hinard 1985,192f. Von Plutarch dem
Centurio Fursidius/Fufidius zugeschriebene Idee; fiktiv (Heftner 2006), aber wohl zur
Sali. hist. 1.35,21 M. erwähnten realen Person.
16 Plut. Sulla 31,3; Szenen: App. civ. 1,443. contio: Plut. Sulla 31,4; Enddatum vgl. Cic. S.
Rose 128. Hinard 1985,191-196; Brizzi 2004,160 bestreiten die , wilden' Morde vor und
nach dem Edikt (Liste 1 bereits am 3.11.); förmliche Hinrichtungen in fast allen Fälen.
17 Köpfe: App. civ. 1,433; Vell. 2,27,3. Ofella: App. civ. 1,436. Marius: diverse Varianten
in App. civ. 1,434f.; Diod. 38/39, fr. 15; Plut. Sulla 32,1; Vell. 2,27,4f.; Liv. per. 88,3 f.; Val.
Max. 6,7,2; Oros. 5,21,8 f.
18 App. civ. 1,436-438. Anders Plut. Sulla 32,1: Sulla geht von Einzelprozessen zu sum-
marischem Töten über.
19 Norba: App. civ. 1,439f. Strafen: 1,447. Oppianicus: Cic. Cluent. 25; vgl. Torelli 1973
mit reichem Material zu AE 1975,219. Wirkung: Hinard 1983; Santangelo 2007,85-87.
20 Scipio: vgl. zuletzt Keaveney 2006; nicht überzeugend Mackay 2000,200-202. Nor-
banus: App. civ. 1,422. Ritter: Ascon. ad Cic. in toga cand. p. 69,20-22 St. Mutilus: Gran.
Lic. 36,9f. p. 25 C. Gratidianus: Sen. ira 3,18,11; Liv. per. 88,2 und viele weitere; vgl. Hi-
nard 1984,303-307; wenig verändert als ders. 2008,76-81 - demnach einrituellesSühne-
opfer.
21 Plut. Sulla 31,5 f. Zu Habgier als Motiv Sali. Catil. 51,321
22 Schatz: Liv. per. 89,4; Crassus: Plin. n.h. 33,134.
23 Procedere: Hinard 1984, 300; 2008,142 (Sen. prov. 3,7: Köpfe am Servilianus lacus).
Zur aristokratischen Praxis der Kopfjagd Voisin 1984,262; 265; 283 f.; Religion: a. a. 0.274;
276-279.
24 1640: App. civ. 1,442; anders 1,483:15 Konsulare, 90 Senatoren, 2600 Ritter. Nur 75
Namen der 520 sind bekannt; Hinard 1985,213. Die 4700 bei Val. Max. 9,2,1 authentisch?
So Brunt 1971,303. Hinard 1985,2201; 284 neigt stark zum Herunterspielen aller Anga-
ben, rechnet alle Exzesse der zweiten Proskription von 43 v. Chr. zu oder gleich als Fiktion.
Die systematischen Vergewaltigungen in Cass. Dio 30-35, frg. 109,11 sind zumindest du-
bios.
25 Erben: Plut. Sulla 31,4; Vell. 2,28,4. Vgl. Santangelo 2007,81 f.
26 Carbos Tod: noch 82 laut App. civ. 1,458; Val. Max. 5,3,5. Anders Plut Pomp. 10,3 f.
Interrex: Ascon. in Mil. p. 38,5-10 St.; App. civ. 1,457; Kunkel/Wittmann 1995,276-283.
27 Wahlen als Motiv: Vervaet 2004,40 f. Anm. 14.
28 Zur Theorie vom »Notschalter', wonach der Dictator sein Amt verlor, sobald der
Magistrat, der ihn ernannt hatte, starb oder abtrat, vgl. Mommsen21874,160f.; Motiv für
Sulla laut Keaveney 22005, 137. Vgl. Kunkel/Wittmann 1995, 672 mit Anm. 34: längere
Amtszeiten sind belegt.
29 Los: Kunkel/Wittmann 1995,705 f. vgl. 279. Flaccus: MRR 2,68. App. civ. 1,459. Brief:
1,4591 Hinard 2008,44-49 sah das abenteuerliche Vorgehen durch die Zustimmung des
Senats hinreichend legitimiert.
30 Volk: App. civ. 1,459; defensiv Kunkel/Wittmann 1995,281. lex: App. civ. 1,462; pro-
vocatio: Vervaet 2004, 51-56. Das a.a.O. 56-58 postulierte Imperium maius hatte der
Dictator von Amts wegen sowieso. Veränderungen: Hurlet 1993, 29-83 mit Übersicht
der älteren Forschung. Verharmlosend Keaveney 22005,1361 Für eine völlig traditionelle
Dictatur Baroni 2007; vgl. die an Appian orientierte, die Machtfüle betonende Deutung
von Vervaet 2004. Korrekt zum inhaltlichen Traditionsbruch Kunkel/Wittmann 1995,
702-711, v.a. 703. Titel aus App. a.a.O. rückübersetzt. Nur r(ei)p(ublicae) c(onstituendas)
steht nach Sullas Namen in den augusteischen Fasti Capitolini, vgl. Inscrlt XIII,3.1,130;
dies der ganze Titel laut Kunkel/Wittmann 1995,703; Hinard 2008,49-54.
31 MRR 2,66f. Letzte Dezembertage 82: Hinard 1985,209. Nach Ende Nov.: ders. 2008,
43. Vgl. Vervaet 2004,69-77.
32 Legalität: bejahen u.a. mit Mühe Keaveney 1983,195; Hinard 1985,224. Gewunden
Kunkel/Wittmann 1995, 280 Anm. 27; 704 f. zum „Verfassungsnotstand des J. 82" - den
eine simple Konsulwahl behoben hätte. Senat: a.a.O. 701. Vgl. Cic. Att. 9,17(15),2. Mag.
eq.: „Reiteroberst", formal Oberbefehlshaber der Kavallerie. Zum Amt Kunkel/Witt-
mann 1995, 717-719. Keaveney 22005,136: wegen Flaccus' Ansehen, Hinard 1985, 226:
Versöhnungszeichen; Brizzi 2004,166: S, wolle im Konsens mit dem Senat regieren. Fabius:
Liv. 22,8,6; vgl. Kunkel/Wittmann 1995,668 f.
33 Vgl. Kunkel/Wittmann 1995, 669; Blankoerklärung: Vervaet 2004,77-84. Nur zwei
Auguren außer dem flüchtigen Scipio und - vielleicht - Sulla selbst sind bekannt, nämlich
L. Marcius Philippus und L. Iulius Caesar, der Sohn des 82 Ermordeten: MRR 2,16 mit 17
Anm. 9; Rüpke 2005,118. Beide waren verlässliche Sullaner.
34 Liv. 3,33,1-58,11. Beachte v> a. die bezeichnend anachronistischen Ausdrücke Opti-
maten und Populären (3,39,9). Vgl. Gell. 17,21,15; dazu sehr weitgehend Bellen 1975,559 f.
Gemäßigt etwa Hinard 1975, 274; Vervaet 2004, 691 mit Anm. 124. Zum Problem der
wechselseitigen Beeinflussung beider Berichte Baroni 2007,789-791.
35 Krebs: Keaveney 22005,140
36 Wahl: MRR 2,74. App. civ. 1,465. Dolabella hätte laut Plut. Comp. Lys. et SulL 2,4
zuvor fast sein Flottenkommando verloren. Decula: Cinnaner laut Hinard 1985,226; eher
einer der vor Cinna geflohenen Prätoren. Laut Keaveney 2005a, 427 durch Flaccus als
interrex geleitet - schwer möglich, da Flaccus unmittelbar nach Sullas Ernennung das
Amt wechselte. Fasces: Liv. per. 89,3; irrig: Keaveney 1983,193 Anm. 58; Kunkel/Witt-
mann 1995,668. Zusammenhang mit der Strafgewalt sine provocatione: De Sanctis 1924,
5; Vervaet 2004,54-56; leicht abweichend De Martino 21973,86f.
37 Alleinlegislatur: zuletzt mit Nachdruck Vervaet 2004,40-43; 50; ohne Senat: Hurlet
1993,162-164; Kunkel/Wittmann 1995,704; Vervaet 2004,49.
38 Tränen: Plut. Sulla 30,5. Köpfe: vgl. Val. Max. 3,1,2. Marius: Cic. leg. 2,56; Val. Max.
9,2,1.
39 Rache: Keaveney 22005,131 f.; Zorn: 133. Caesar: Sali. Catil. 51,32 vgl. 34.
40 App. civ. 1,441.
41 Gesetze: MRR 2,74-76. Grundlegend zum Folgenden Hantos 1988.
42 Titel: de hostibus r.p.l Hinard 1985, 209; 2008,108. Tod für Helfer Geächteter: Cic.
Verr. 2,1,123. Reisen: App. civ. 1,446. Gefallene: Cic. S. Rose. 126. Andenken: Hinard 1985,
213; Erben: a. a. 0.214-216; 2008,108-129. - Instruktiv ist ein Vergleich mit Tatbeständen
aus §58 des Strafgesetzbuches der RSFSR zur Stalinzeit: 1. „Schwächung der [Staats-]
Macht", 2. bewaffneter Aufstand, 4. „Hilfeleistung für die Weltbourgeoisie", 6. Spionage
(auch „Spionageverdacht" und „Beziehungen, die zum Spionageverdacht führen"), 8. Ter-
ror (Angriff auf Mitglieder oder Material der KPdSU) und beabsichtigter Terror, 10. Ver-
breiten, Herstellen und Aufbewahrung sowjetkritischer Äußerungen, 12. Unterlassen der
Anzeige eines Delikts nach §58; 14. vorsätzliche Nichterfüllung von Pflichten (Sabotage).
Vgl. nur A. Solschenizyn, Der Archipel Gulag. [Erster Teil.] Bern/München 1974,65-72.
43 App. civ. 1,467. Zu tribunizischen Gesetzesinitiativen vor 70 vgl. einleitend Keaveney
22005,213 Anm. 3. Rechtsumfang: a. a. 0.140-f.; mehr Spielraum sehen Kunkel/Wittmann
1995,656-659. Senatsausschluss: Santangelo 2006,9f. lex von 449: Liv., 3,55,14 (nachsulla-
nisch?).
44 Mittel: Keaveney 22005, 151; er sieht a.a.O. 213 Anm.5 gegen Hantos 1988,135
Belege einer Interzession nach 83.
45 Vgl. Mommsen 1899, v. a. 203 f.; Jones 1972; Keaveney 22005,146 f.
46 Fünf: vgl. Cic. Verr. 2,1,18; 2,5,114; drei: 2,2,77.
47 Senatsgröße 82: Santangelo 2006,8. Verluste: Eutr. 5,9,2; Oros. 5,22,4. lectio senatus:
Keaveney 22005,136. Liste mit 12 sicheren und 83 möglichen Ernannten: Santangelo 2006,
16-20.
48 Modell: Gabba 1956, v. a. 127. Konkurrierend Santangelo 2006: Aufstockung auf ca.
450, dann »natürlicher4 Zuwachs auf 600. Wahl: App. civ. 1,468.
49 Gabba 1956, v.a. 128-133.
*> Gabba 1954,100-108; Badian 1958,246f.; vgl. Gruen 1974,8 f. Skeptisch Santangelo
2006,15. Romanisierung: Gabba 1954,109-114; vgl. Syme 1939,284-293.
51 Vgl. Galsterer 2006, v. a. 300-302,307 f.
52 Sali. Catil. 37; Dion. Hai. 5,77. Zu Fabius Buteo Liv. 23,22,2-23,7; Gabba 1956,127;
anders Kunkel/Wittmann 1995,693 f. vgl. 710.
53 App. civ. 1,466.
54 Konsuln: App. civ. 1,466; vgl. Meier 1966, 63 f. lex Cornelia de sacerdotiis: Liv. per.
89,4; vgl. vir. ill. 75,11. XVviri: Keaveney 22005,215 Anm. 32; die beim Kapitolbrand zer-
störten Sibyllinischen Bücher wurden »rekonstruiert': Plin. n.h. 13,88. Kooptation: Ps.-As-
con. in div. p. 188,26-29 St.; vgl. Cass. Dio 37,37,1.
55 Anders Gabba 1956,135-138: Censur durch die Optimaten nach S. verwaist. Maras-
toni 2009,191-224, v.a. 215; 218f. vermutet die Übertragung einer Art censoriapotestas
durch die lex Valeria. Italiker: Santangelo 2007,67.
56 Gegen den Konsens seit Mommsen Giovannini 1983, 83-101, der die lex zu einer
frühneuzeitlichen Fiktion erklärte; verteidigt von Hantos 1988,89-128; Kunke
1995,18. Statthalter: Cic. in Pis. 50; Keaveney 1983,199-202.
57 Cic. Chient 151.
58 Laffi 1967,188-202; Badian 1970,24f.
59 Brunt 1971,305-309. Liste: Santangelo 2007,148-157. Vgl. Keaveney 22005,152 f. mit
215 Anm. 37-45. Praeneste: Harvey 1975; zum vermeintlich „sulanischen" Heiligtum vgl.
Zevi 1996. Gewinner: z. B. Aeclanum und Brundisium (Santangelo 2007,71-74), Landlose:
a. a. 0.154-156. Keine politischen Absichten laut Hinard 1985,272!
60 Brunt 1971,354-358. Arretium: Cic. Caec. 101 f.
61 Titel: App. civ. 1,452; Ramage 1991, 98-102; Behr 1993,144-170; vgl. OGIS 441, of-
fizieller Brief an die Stadt Stratonikeia. Triumph: App. civ. 1,473. Inscrlt 13,2,85; 563.
62 Plut. Sulla 34,1; vgl. Alföldi 1951, 205; Behr 1993,163-167. lex Varia: Cic. Brut. 311.
Formal kein Triumph: Mackay 2000, 195-198; inhaltlich über die Cinnaner: Keaveney
1983,188; 22005,158 (fast sullanisch argumentierend).
63 Felix, irrig Plut. Sulla 34,2 und der daraus von Marastoni 2009,240-244 konstruierte
Fortuna-Bezug analog der griechischen Tyche. Korrekt Behr 1993,19; 160 f. Venus: a. a.O.
152-158; Giardina 2008,68-80 - zum Lokalbezug auf Aphrodisias J. Aliquot, Bryn Mawr
Classical Review 2010.03.U2. Felicitas: Brizzi 2004, 175 f. Vorzeichen: Engels 2007,
788-790; auffällig ist das Zurücktreten der an die Allgemeinheit gerichteten Zeichen,
a.a.O. 795-797. Zum Selbstverständnis Santangelo 2007,212; Behr 1993,147.
64 Datierung und Kontext der 1938 bei Sant'Omobono gefundenen Reliefs sind um-
stritten; überwiegend bezieht man sie auf Sulla, doch schwanken die Interpretationen
zwischen dem originalen Bocchus-Monument, dessen Wiederherstellung nach 82 und
einem Denkmal für den Sieg über Mithridates. Vgl. die Bibliographie von Ramage 1991,
112 f, mit Anm. 115; Behr 1993,126 f. und Santangelo 2007, 2 f. Anm. 7, der wie Hinard
2008,8 f. zur zweiten Version neigt. Corona civica: Hinard 2008,9 f.
65 Münzbild: Crawford, RRC 381; Münzlegende L S V L L A F E L I X DICT(ATOR). Gold: Cic.
Phil. 9,13 vgl. Val. Max. 2,5,1. Inschrift: App. civ. 1,451. E. Gabba 1967, 263 dachte an
„Imperator", was dem gängigen Sprachgebrauch widerspricht, ebenso Ramage 1991,
110f.; Keaveney 22005,212 Anm. 28 schlug proconsul vor. H. G. Mason, Greek Terms for
Roman Institutions. Toronto 1974, 29 meinte dux oder princeps, was sehr augusteisch
klingt. Kaum denkbar dictator (Hinard 1985, 242; Mackay 2000,182 f.). Die Frage ist für
Sullas Selbstdarstellung zentral: Betonte er seine Amtsgewalt oder nannte er nur Titel, die
er selbst und die Truppen ihm verliehen hatten? Nachbarstatuen: Behr 1993, 121-123.
Amtszeit: Keaveney 22005,158. Pferd: Plut. Fab. 4,1; Liv. 23,14,2; vgl. Kunkel/Wittmann
1995,675 mit Anm. 58. Caesar: Cass. Dio 44,4,4. Prokonsul: Behr 1993,123.
66 Vell. 2,27,6. Ursprünglich nur ludi Victoriae: Behr 1993,136-143; Nonius: MRR 2,76.
Hercules und kleinere Bauten: Ramage 1991,114.118 f. (überholt zu den italischen Heilig-
tümern).
67 Plut. Sulla 6,7.
68 Sullaner: Cass. Dio 30-35, frg. 108,1 f.
69 Plut. Comp. Lys. et Süll. 3,3; Cic. leg. agr. 2,56. Anders Cic. Verr. 2,3,81: in einer
contio.
70 Gell. 2,24,11; Wyetzner 2002. Laut Marastoni 2009, 220-224 reine Symbolpolitik;
plausibler Baltrusch 1989,93-96, Ehebruch0ex?): Plut. Comp. Lys. et SulL 3,3; Baltrusch
1989,93 Anm. 368. Würfel: Dig. 11,5,M; Sataseh 1989,103 f. Innovativ: a.a.O. 128-131;
191-193. ,Kr:.\S:<--'
71 150000: Oros. 2,22,2. Legionen: Liv. per. 89,12; App. civ, 1,470; Badian 1958, 2451;
Demographie: Keaveney 1982,539-544,
72 Vorbesitzer: App. civ. 1,448; Raub: vgl. Keaveney 2 2005, 146. 153 zur quaestio de
sicariis. Capua: Cic. leg. agr. 2,81.
73 Pächter: vgl. Ofellus in Hör. sat. 2,2,112-136 (43-30 v. Chr.). Demographische Büanz:
Brunt 1971,106-112; Absatzkrise: Brunt 1962; ders, 1971, 311; Krieg: a.a.O. 449 mit Tab.
IV zu den mobilisierten Legionen; Keaveney 22005, 154f. Entvölkerung: Brunt 1971,
354-365; Desperados: Cic. Catil. 2,20 - mit einer Verbeugung gegenüber den rechtschaf-
fenen Kolonisten. Manlius: 2,13 f.; Cass. Dio 37,30,5. Vgl. Brunt 1971,309-312; Santangelo
2007,183-188.
74 Luscius: Ascon. in tog. cand. 70,10-14 St.; Ateius: Tac. ann. 3,75,1; Fufidius: Oros.
5,21,3; Sali. bist. 1,55,21 M.; vgl. S. 117 mit Anm. 15.
75 App. civ 1,470. Majorisierung: Hinard 1985, 229; a.a.O. 253 für eine Absicht, die
Getreidepreise durch Deregulierung zu senken! Cornelü: ILS 871 aus Minturnae; vgl.
Ascon. in Com. I p. 59,13 f. St.; Santangelo 2007,96-98.
76 Chrysogonus: Cic. S. Rose. 133-135; Tarula, Scirtus: Sali hist. 1 55,21 M. Vgl. Sant-
angelo 2007,73-75; Amphion usw.: Plin. n.h. 35,200; Santangelo 2007,89f.; Fernwirkung:
a.a.O. 94-97.
77 Apul. met. 11,30.
78 „hübsche Plut. Sulla 33,2; „wenn ...": 2,3. Dichter: Cic. Aren. 25, Alexandras:
R. K. Sherk, Roman Documents from the Greek East. Senatus consulta and Epistulae to
theAge ofAugustus. Baltimore 1969,263-266 Nr. 49, Brief an die Insel Kos. Alexandras
war Mitglied der Dionysischen Techniten (vgl. S. 100). Bürgerrechtsvergaben an Provin-
ziale blieben weiterhin Einzelfälle: Sherwin-White21973,294; 297; 306f.
79 Roscius: App. civ. 1,492; Macr. sat. 3,14,13; Garton 1964,148-155. Sorix: a.a.O. 142.
Metrobius: Plut. Sulla 2,3f. vgl. 35,1; Garton 1964,150f.
80 Profiteure: Braut 1971, 303 f.; Hinard 1985, 217 f. Gruppen: Oruen 1974,7; Abstand
der Reichsten: Jaczynowska 1962, v.a. 486-489. Dornums: vgl. Cass. Dio 4M 1,1,
81 Plut. Crass. 6,6f.
82 Cic. Verr. 2J ,34-37.
83 Plut. Sulla 32,2. Vgl. S. 119.
84 App. civ. 1,471 f.; Plut. Sulla 33,4. Name: Ascon. in tog. cand. 70,101 4 St.
85 MRR 2.77. 79. 83. Plut. Sert.7,1-12,5; App. Iber. 438 441; Rtjkhoek 1992.
86 Praet. 88 oder 87: MRR 3,123; vgl. Krciler 2006,77-79. App. Mithr. 264-273. Call-
dius: wahrscheinlichster Kandidat nach Keaveney 1983,185 Anm. 4.
87 App. Mithr. 274-281; beschönigt von Cic. Mur. 32. Triumph: MRR 2,77; Inscrtt
13.2,85; 563. Sullas Tod: App. Mithr. 282-284; Glew 1981. Leicht schönfärberisch Keave-
ney 1983,185-187.
88 App. civ. 1,476f.; Keaveney 22005,163 f.; Santangelo 2005.
89 Charme: Vell. 2,29,2-5; Plut. Pomp. 1,3-2,2; Flora: 2,2f. „Opfer" Pompeius: Plut.
Sulla 33,3; Pomp. 9,2f. Livia: Cass. Dio 48,44,2-5. Vgl. die Kritik von Härders 2008,51-59
an der Vorstellung wechselnder Heiratsallianzen als alltägliches Mittel der römischen Po-
litik; 52 t zum Ausnahmecharakter des Falles.
90 Perperna: MRR 2,67 f.; Carbos Tod: Plut. Pomp. 10,1-4; App. civ. 1,449. Wohlwollend
Diod. 38/39,fr.20. P. geschont: Val. Max. 5,3,5. Vgl. S. 120.
91 Plut. Pomp 10,1-12,5 vgl. 26,4; Domitius: MRR 2,69.77.
92 Plut Pomp. 13,1 £; „aus Neid", so Comp Lys. et Slill. 2,4.
93 Plut. Pomp. 13,3 f.; Pferd: VaL Max. 42,9; vgl S. 134.
94 Plut Pomp. 13,4-14,3, Stark harmonisiere^ 1985,243 f.
95 App. civ. 1,368 - ohne Bezug auf den ;Strei|; Gran. Lic. 36,2-4 p. 24 C. Auch eine
Datierung auf 80 wird öfters vertreten, wobei beide Termine Probleme aufwerfen; vgL
MRR 3,161. Zu spät ist 79, so I i i M I tM Magern Plut Pomp. 14,4; Ritter. 14,6.
96 Testament: Plut Pomp* 15,2; Alflen: 3,|.
97 Cic. Verr. 2,4,37.
98 Spiele: Plin. n.h. 8,19; Vermögin: I>i©4 4,21/4 VgL Keaveney 1992. Lucullus fungier-
te als Proquästor nach Murena: Kreiler 2006,79-81.
99 Plut Caes. 1,21; Suet Iul. 1,2; 74,1. Zum Vorgehen Liou-Güle 1999,452-456; doch
inauguriert laut Röpke 2O05V1574-1579. Laut Ridley 2000,222 proskribiert, was Caesar
am cursus honorum gehindert hätte; offizielle Rehabilitationen sind nicht bezeugt. Amt
verwaist: Tac. ann. 3,58. Sullas Ausspruch: Plut. Caes. 1,2; ausgeschmückt Suet. Iul. 1,3;
45,3; Cass. Dio 43,43,4. Analphabet: Suet. Iul, 77; fern von Rom: 2.
100 Plut. Cic. 17,1-3. Name: Keaveney 220Ö5,171; ders. 2005a, 434-436.
101 Villa; Plut Mar. 34,4. Kinder: Plut. Sulla 37,2; 34,3.
102 Sohn: Plut Sulla 37,1. Metella; Plut. Sulla 35,1 f.; Fleisch: Hinard 1985,257; Keave-
ney 2005b. „InSali. lug. 95,3. Begräbnis: Plut. Sulla 35,2; Brizzi 2004,24.
103 Plut. Sulla 35,3 f.; Hortensius' Nichte laut Keaveney 22005,166, (Vgl. die Heilung der
blutflüssigen Frau durch Jesus: Mc 5,27-30 par.) Nicht bei den ludi Victoriae (Sidlanae):
Maekay 2000,194f.; „wie ...": Plut. Sulla 35,5.
104 Unter Sulla: Plut Cic. 3,1; „mitCic. S, Rose, 136 (anders Plut. Cic. 3,2). „ich ...":
Cic. S. Rose. 6, vgl. Plut. Cic. 3,3 f. Lob: Cic. S. Rose, 136; 139-141; Entlastung: 130 f. vgl.
93f. Legende: Cic. off. 2,51; Plut. Cic. 3,4f.; vir. ill. 81,2,
105 Keaveney 2005a; Minard 2008,95-106.
106 App. civ. 1,484-486; vgl. Plut. Sulla 34,3.
107 Zur Datumskontroverse Twyman 1976, 77f.; MRR 3, 74f.; Letzner 2000, 295f.
Anm. 2 f. Hinard 1999; Brkzi 2004, 169; Hinard 2008, 57-60: 1. Juni 81 nach regulären
sechs Monaten; dagegen Keaveney 2005a, 438 f. unter Verweis auf Cic. S. Rose. 20; 127 f.;
130f.: zwischen Juli und Ende 81 (so schon Badian 1962,230). Juli/August 80 u. a. Iwyman
1976,95 f.; 295; Kunkel/Wittmann 1995,711. Ende 80: Syme 1964,180. Anfang Januar 79:
Vervaet 2004,60-68. Sommer 79: MRR 2,82.
108 Motive: Keaveney 22005, 138 f. 165. Kaum unter Bezug auf angebliche Pläne des
Servius lullius, so Marastoni 2009,180-188.
109 Syme 1939,17: „Sula decimated the knights, muzzled the tribunate, and curbed the
consuls. But even Sulla could not abolish his own example and preclude a successor to his
domination." Republiksprengend: Hinard 1985,273. Nicht überzeugend das Plädoyer auf
Unwissenheit und zu frühen Tod bei Keaveney 22005, 217 f. - hätte Sulla so viel Zeit
gehabt wie Augustus (a.a.O.), hätte er sie dennoch nur aus einer quasimonarchischen
Stellung »nutzen* können und die Republik damit erst recht untergraben.
110 Ring: Cass. Dio 43,18,3; Mackay 2000,207-209 - zum Motiv s. o. Abb. 7. Volaterrae:
Cic S. Rose. 20; Fall: MRR 2,81. Gran. Lic. 36,8 p. 25 C; kaum während der Dictatur: so
Liv. per. 89,13.
111 Keaveney 22005,164; vgl. MRR 2,74-82.
112 MRR 2,79. App. civ. 1,478 lässt Sulla zugleich Konsul und Dictator sein - mit Kea-
veney 2005a, 427-429 wohl als consul designatus zu lesen. Amtsfreie Zeit: zu wohlwollend
Keaveney 22005, 165f. (1-2 Monate), „den...": Plut. Sulla 6,6. Antrag: Cic. pro Caec.
97-102; Keaveney 22005, 172; anders Harris 1971, 264-266; 276-282. Zu Ciceros par-
teüscher Darstellung Santangelo 2007,174-179.
113 Tempel: Cic. Verr. 2,1,130. Provinz: Gran. Lic. 36,11 p. 25 G; Keaveney 22005,166;
2005a, 437: Schutz vor Sertorius; Nola, Aesernia: Festus, brev. 210; Gran. Lic. 36,9 p. 25 C;
Keaveney 2005a. Spiele: App. civ. 1,463; Matthews 1979.
114 Sicherheit: Hinard 1999,431; Krankheit: Badian 1970,27; Santangelo 2007,10 (und
Volendungsgefühl oder Enttäuschung?: Meier 1966, 66f.). Wahl: App. civ. 1,480; dazu
Keaveney 2005a, 429. Gegen den Strich gelesen von Worthington 1992 nach Carcopino
21942: S. durch die Optimaten gezwungen, Pläne zu weiteren Konsulaten aufzugeben.
„Privatmann" (Oros. 5,22,1). Konsuln: Volkmann 1959,71-73. S. als „eider statesman": zu
harmlos Keaveney 1983,198; Parteigänger: ders. 22005,172 f. L. Lieinius und M. Terentius
Varro Lucullus: MRR 2,83. Plin. n.h. 8,19; anders Gran. Lic. 36,6 f. p. 25 C. Pompeius:
Plut. Sulla 17,1-20,4.
115 „Da ...": vir. ill. 75,12. Kolonien: Santangelo 2007,167-171. Cumae: App. civ. 1,488;
vielleicht die von Faustus übernommene, vgl. Cic. Att. 4,10,1; Santangelo 2007, 168.
„er...": App. civ. 1,490.
116 Eigeninitiative: Keaveney 22005,173; Anspruch: Behr 1993,106-108. Verjagt: Wor-
thington 1992 nach Carcopino21942.
117 Kolb 22002,251-253; 262.
118 Sulla curator restituendi Capitolii: vgl. Behr 1993,128f.; Kolb 22002, 254f.; Rüpke
2005,118f. 927 Nr. 1390. Catulus: CIL VI 1313 f.; AE1971,61. Olympieion: Plin. n.h. 36,45;
Santangelo 2007,215-217.
119 Tabularium: Kolb 22002,253 f.; Hinard 2008,66f. Stufen: Cic. Cluent. 93; Flacc. 66;
vgl. Kolb 22002,253.
120 Gell. 13,14,2f.; Sen. brev. vit. 13,8; Tac. ann. 12,23; Cass. Dio 43,50,1. Servius: Keave-
ney 22005,159-161 mit Parallelen zum angeblichen Anbruch eines neuen saeculum laut
Plut. Sulla 7,7. Hinard 2008, 63: Bezug auf Servius sullanische Erfindung? Eine massive
Berufung Sullas auf den König - in den Quellen gestützt allein von App. civ. 1, 266 -
postuliert Marastoni 2009; zumpomerium a.a.O. 158-173; 179f.; 189f. Gegen eine Ver-
engung auf isolierte Bezugspersonen zu Recht schon Behr 1993,167-170. Hinard 2008,
61-70: Rechtfertigung vielleicht die Erweiterung der Bürgerschaft um die Italiker. Romu-
lus: Alföldi 1951,198; 205-207; Laffi 1967,256; Santangelo 2007,217-222.
121 Pallium: Cic. Rab. Post. 26; Val. Max. 3,6,3: in der Chlamys durch Neapolis.
122 Grundlegend Behr 1993,9-113. Intention, Vorgänger: Scholz 2003; Konsens ist bis-
her eine Komplettabfassung im Ruhestand, vgl. a.a.O. 178; Chassignet 2004, CHI mit
Anm. 546. virtus/felicitas: Behr 1993, 18-21. Latein: Vatgiglio 1956, 245-251; zum Inhalt
256-281.
123 Vgl. die 23 Fragmente bei Chassignet 2004 mit hilfreichem Kurzkommentar, vor
allem zum vieldeutigen frg. 3 aus Buch II der Memoiren, Gell. 20,6,3. Jugend: vgl. Letzner
2000, 4f. Lücken zu Gesetzen/Privatleben: Russo 2002, 294f.; 303. Offensiv: Brennan
1992.106-111. Buch 22: Plut. Sulla 37,1; Russo 2002, 297-299 zugunsten der Volständig-
keit; vgl. nur Giardina 2008,62-67. Epicadus: Suet. gramm. 12.
124 Sullaner: Keaveney 22005,169f.; Wirkungsabsicht: Behr 1993,101-103. Zur Vorbild-
funktion v. a. für die Kaiserzeit Lewis 1993.
125 Wahlkampf: Sali. hist. 1,55 M. Bezweifelt von Syme, 1964,185 f. Bizarr Worthington
1992, 190: Pompeius habe Sulla zum Engagement in Rom gezwungen. Ausgang: MRR
2,85; Plut. Sulla 34,4f.; vgl. Pomp. 15,2.
126 Lucullus: MRR 2,86; 3,121.
127 Plut. Sulla 37,1 (bezieht sich laut Giardina 2008, 63; 66 f. auf die Niederlegung der
Dictatur); App. civ. 1,492; Engels 2007,601 f. Nr. 291.
128 Hinard 1985,284f.; Krätze laut Keaveney/Madden 1982; Volkmann 1959,89: „Haut-
krankheit und Lungentuberkulose". Würmer: Plut. Sulla 36,2-4; vir. ill. 75,12 usw. Zur
Motivgeschichte Steinacher 2003. Vgl. auch Gerüchte, Sulla habe aus Angst vor der Rache
seiner Opfer Selbstmord begangen: Cass. Dio 52,17,4.
129 Plut. Sulla 37,3 f.; Puteoli: Santangelo 2007,168 f. Keaveney 22005,175: Tod durch
Delirium nach Blutsturz, deute auf ein akutes Leberversagen nach Alkoholmissbrauch.
130 Trauer: Gran. Lic. 36,27 p. 26 C; „nach ...": Plut. Pomp. 16,1. „Romulus": Sali. hist.
1,55,5 M.; vgl. Behr 1993, 165-167. Lepidus: MRR 2,89; Plut. Pomp. 16,1-6; App. civ.
1,502-504.
131 Plut. Sert.; App. civ. 1,505-538. Vgl. Gabba 1954, 293-317; 326-332; 334. Preis: so
Hör. 2,10,22. Schuld der Sullaner: Keaveney 22005, 186. Nachwirkung: Laffi 1967, v.a.
181-185; dazu Badian 1970,27f.; Hantos 1988, v.a. 167.
132 Meier 1966,71; Laffi 1967,259-264.
133 Beschleunigter Sturz: Badian 1970,31.
134 Auserwählt/arrogant: Keaveney 22005, 179. Freigebig: vgl. Kloft 1970, 56f.
„Flucht...": Kapitelüberschrift in Volkmann 1959,68.
135 Cic. Verr. 2,3,81. „der...": Sali. lug. 95,2; vgl. Badian 1962a, 50f.; 1970,4. Zum ver-
zwickten Quellenproblem der Annalistik Dijkstra/Parker 2007,149f. Gewagt Marastoni
2009,249-261, die Valerius Antias zum Hauptvehikel sullanischer Geschichtspropaganda
und Vergangenheitsdeutung macht. Hortensius: Vell. 2,16,3.
136 Postuma: Plut. Sulla 37,4. Rufus: Syme 1955,155-158; 1986, Stemma X. Faustus: los.
ant. lud. 14,69; b. lud. 1,149.154; „dieses ...": Plut. Cic. 27,3. Legat: Cass. Dio 37,51,4. Tod
auf Caesars Befehl: Liv. per. 114 und abhängige Überlieferung wie Cass. Dio 43,12,2 f.;
beschönigend Bell. Afr. 95,1-3; Suet. Iul. 75. Vgl. F. Münzer, RE IV 1 (1900), 1515-1517
s.v. Cornelius 377; Zmeskal 2009,106.
137 Caesars Frau: Plut. Caes. 10,6; Suet. Iul. 6,2. Münzen: Crawford, RRC1456 Nr. 434/1
mit Tafel 52. Zu dieser Edition Th. Ganschow in Strocka 2003, 37-50 mit Stempelfolge
und Katalog. Vgl. oben S. 63 Abb. 4.
138 Darlehen: Gell. 12,1,2. „Während ...": Cic. Sull. 71. Unter Caesar: Cic. off. 2,29; fam.
15,19,3; Tod: fam. 15,17,2.
139 piR2 c 1459-1465 mit Stemma; Syme 1986, 181 und Stemma XVI. Felix cos. 52:
PIR2 C1464, Tod: Tac. ann. 13,47; 14,57. Nero: Suet. Nero 49,3; Cass. Dio 63,29,2.
™ Keaveney 1984,145-148; Cic. Arch. 6,
*41 Lafi 1967,195-205; Thommen 2006,6111.
142 Pompeius: vgl. Laffi 1967,2061 Ausschlüsse: Liv. per. 98. Proskriptionskinder: Plut.
Cic. 12,1; Hinard 2008,109-120.
143 Korrektiv Sulla: Keaveney 22005> 187. Plut. Pomp. 25,5; 30,1-4. Vgl. nur die klassi-
sche Studie von Meyer 3 1922 und die kontrovers aufgenommene Neudeutung durch Gi-
rardet 2001.
144 Catilinarier: überzeichnet Plut. Cic. 14,11; vgl. Santangelo 2007,183-188.
145 Begräbnis: Plut. Caes. 5,11 Ädil: Suet Iul. 11; Plut. Caes. 6,4. Wahl: Plut. Caes. 7,21;
vgl. Cic Mur. 42; Laffi 1967,266-268. Ehen: Plut. Pomp. 47,6; Caes. 14,4; Suet. Iul. 27,1.
146 „jener.Cic. Att. 10,9(8),7; vgl. Badian 1970,31 mit Anm. 77. „Sulla Cic. Att.
9,11(10),2. „Unsere ...": 9,8(7) C,l; vgl. 9,16(I4),2; 9,17(15),2; Angst vor Caesar: Cic. Att.
7,7,7; Plut. Sulla 62,1; Pompeius: C3c. Att, 9^1(10),6; 9,12(11),3; vgl. 9,8(7),3; Plut. Pomp.
67,51 Dazu Laffi 1967, 269-274; zu Ciceros SuHäbild Dowling 2000, 306-313. Statuen:
Cass. Dio 42,18,2; Suet. Iul. 75,4.
147 Proskribierte: Cass. Dio 44,47,4; Plut. Caes. 37,1. Enteignung: Suet. Iul. 50,2; Cass.
Dio 42,50,5. Vgl. Miliar 2 1992,1641 „Sulla ...": SuetVIul. 77.
148 Philippi: Cass, Dio 47,49,4; Syme 1939, 205 f. Proskriptionen: Cass. Dio 47,6,4; vgl.
47,3,1-5,5; Hinard 1985,2811 Antonius: Syme 1939,190-192; 318; Brizzi 2004,1771; zum
nachaugusteischen Sullabild Laffi 1967, 274-277; Dowling 2000, 318-333; Hinard 2008,
140-145.
149 Livius: Sen. nat. quaest. 5,18,4. Sulla: Vell. 2,17,1; zu Marius ganz ähnlich 2,11,1. Vgl.
Verg. Aen. 6,826-835. Suet. Tib. 59; Lucan. 2,134-222.
150 Grab: Plut. Sulla 38,4; restauriert durch Caraealla: Cass. Dio 78,13,7. Severus: Cass.
Dio 76,8,1. Beiname: HA Comm. 8,1; Sev. 6,3; Carac. 2,2; 4,10; 5,4; Hdn. 4,8,5 (Caraealla).
Kritik an Sulla: Epit. de Caes. 48,12 (Lob auf den regierenden Theodosius I.). Christlich:
Oros. hist. 2,20-22; Aug. civ. Dei 3,27-30. Ausblendung: Eutr. 6,1,1. 357: Amm. Marc.
16,12,41; für Dowling 2000,336-340 Beleg einer positiven Gegentradition.
151 Zur historischen Bewertung unübertroffen Christ 2002,155-194; ergänzend Hinard
1985,286-290; 2921 „der ...": A. Rosenberg, Der Mythus des 20. Jahrhunderts. Eine We
tung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit. München 1930 (
186. Aufl. 1942), 57. Völlig analog der etablierte Althistoriker Ernst Kornemann: „Sula
mit seinen blauen Augen und seiner etwas rötlichen Gesichtsfarbe stand allem Römisch-
Italischen, wie es durch die starke Rassemischung (...) allmählich geworden war, schroff
gegenüber." {Römische Geschichte. Erster Band: Die Zeit der Republik. Stuttg
483) - Krimi: S. Saylor, Roman Blood. A Mystery ofAncient Rome. Boston 1991; zit. nach
Ndr. London 1997, mit langer Vita des Dictators 258-267; Sullas Wirkung: 337 (Kap. 32),
selbstironisch und sentimental: 257; 2691 (Kap. 27); fett: 237 (Kap. 24); Hungerblick, De-
nunziation Ciceros: 339; 347 (Kap. 32); polarisiert: 24 (Kap. 2).
152 Bilder: Hauptmotiv laut Hinard 1985,10. inter res nondum iudicatas abeat, qualis
Sulla fuerit: Sen. cons. ad Marc. 12,6; vgl. Giardina 2008,61 f.
Verzeichnis der Abkürzungen
1 Makk Anon., /. Makkahäerbuch (im Altert Testament)
AE Ummer epigraphique
Amm. Marc. Ammianus Marccllinus, Römische Geschichte
App. civ. Appian, Bürgerkriege
Iber. Tberika (Die Kriege in Spanien)
Mithr. Mithridatika (Die Kriege gegen Mithridates)
Num. Numidika (Die Kriege in Afrika, fragmentarisch)
Ascon. Asconius Pedianus, Scholia in Ciceronem (Kommentar zu Ciceros
Reden)
Aug. civ. Dei Augustinus, De civitate Dei (Der Gottesstaat)
Bell. Afr. Anon., De hello Africo (Caesars Bürgerkrieg in Africa)
Eutr. Eutrop, Breviarium ab urbe condita (Römische Geschicht
Frontin. strat. Frontinus, Strategemata (Kriegslisten)
Caes. Gall. Caesar, Commentarii de hello Gallico (Gallischer Krieg)
Cass. Dio Cassius Dio(n) Coceeianus, Römische Geschichte
Charis. gramm. Charisius, Ars grammatica
Cic. Aren. Cicero, Rede für den Dichter Archias
Att. Briefe an Atticus
Balb. Rede für Cornelius Baibus
Catil. Reden gegen Catilina
Cluent. Rede für Cluentius
de domo De domo sua (Rede über das eigene Haus)
de or. De oratore (Über den Redner)
fam. Epistulae ad familiäres (Korrespondenz mit Freunden u
Bekannten)
Flacc. Rede für Flaecus
Font. Rede für Fonteius
har. resp. De haruspicum responso (Rede zum Gutachten der Haruspices
in Pis. Rede gegen Piso
Lael. Laelius de amicitia (Laelius, oder: Über die Freundschaft)
leg. De legibus (Über die Gesetze)
leg. agr. Reden über das Ackergesetz des Rullus
Mur. Rede für Murena
nat. deor. De natura deorum (Über das Wesen der Götter)
off. De offieiis (Über die Pflichten)
Phil. Philippische Reden gegen Marcus Antonius
pro Caec. Rede für Caecina
pro Sulla Rede für Publius Cornelius Sulla
S. Rose. Rede für Sextus Rosaus aus Ameria
Verr. Reden gegen Verres
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Dig. Digesten (Teil des Corpus iuris civilis)
Diod. Diodor, Historische Bibliothek (Universalgeschichte)
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188 Verzeichnis der Abkürzungen
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Firm. Mat. math. Firmicus Maternus, Mathesis (Handbuch der Astrologie)
Flor. Florus, Epitome bellorum omnium (Abriss der Kriege Roms)
Gell. Gellius, Noctes Atticae (Attische Nächte)
Gran. Lic. Granius Licinianus, ed. N. Criniti
HA Carac. Anon., Historia Augusta, Leben des Antoninus Caracalla
Comm. Leben des Commodus
Sev. Leben des (Septimius) Severus
Hdn. Herodian, Römische Geschichte nach Marc Aurel
Hör. sat. Horaz, Satiren
IG Inscriptiones Graecae
ILS H. Dessau (Hg.), Inscriptiones Latinae selectae. (3 Bde.) Berlin
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Inscrlt Inscriptiones Italicae
los. ant. lud. (Flavius) Josephus, Jüdische Altertümer
b. lud. Der Jüdische Krieg
Liv. Titus Livius, Römische Geschichte
per. Periochai (Inhaltsangaben) zu Livius
Lucan. Lucan(us), Pharsalia (Der Bürgerkrieg)
Macr. sat. Marcrobius, Saturnalia
Mc Markusevangelium
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Plin. n. h. Plinius (der Ältere), Naturalis historia (Enzyklopädie der N
Plut. C. Gracchus Plutarch, Leben des Gaius Gracchus
Caes. Leben Caesars
Cic. Leben Ciceros
Comp. Lys. et Sull. Vergleich zwischen Lysander und Sulla
Crass. Leben des Crassus
Fab. Leben des Fabius Maximus
Kimon Leben des Kimon
Luc. Leben des Lucullus
Mar. Leben des Marius
mor. Moralia (Philosophische Essays)
Pomp. Leben des Pompeius Magnus
praec. ger. rei p. Ratschläge zur Staatsführung (Praecepta gere
Sulla Leben Sullas
TL Gracchus Leben des Tiberius Gracchus
Ps.-Ascon. Anon. (Pseudo-Asconius), Kommentare zu Ciceros Reden
(ed. Th. Stangl)
Sali. Catil. Sallust, De coniuratione Catilinae (Die Verschwörung des
hist. Historien (fragmentarisch, ed. B. Maurenbrecher)
lug. Bellum lugurthinum (Der Krieg gegen Jugurtha)
SEG Supplementum epigraphicum Graecum
Sen. brev. vit. Seneca, De brevitate vitae (Von der Kürze des Lebens)
Verzeichnis der Abkürzungen 189
clem. De dementia (Über die Milde)
cons. ad Marc. Consolatio ad Marciam (Trostschrift für Marcia)
ira De ira (Über den Zorn)
nat. quaest. Naturales quaestiones (Probleme der Naturphilosophie)
prov. De Providentia (Über die Vorsehung)
SIG3 W. Dittenberger (Hg.), Sylloge inscriptionum Graecarum. (4 Bde.)
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Sil. Pun. Silius Italicus, Punica
Strab. Strabon, Geographie
Suet. Iul. Sueton, Divus Iulius (Leben Caesars)
Tib. Tiberius
Tac. ann. Tacitus, Annalen (Ab excessu divi Augusti)
Val. Max. Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia, darin:
ext. Externa (Handlungsbeispiele von Nichtrömern)
Vell. Vellerns Paterculus, Historia Romana
Verg. Aen. Vergil, Aeneis
vir. ill. Anonymus (Pseudo-Aurelius Victor), De viris illustribus urbis Romae
(Über berühmte Männer Roms)
Zu den Quellen
Eine als Ausgangspunkt akzeptable Quellenübersicht findet sich bei Letzner 2000,1-21,
jetzt bei weitem übertroffen durch Hinard 2008, 7-26. Die spärlichen Fragmente und
Zitate aus Sullas Autobiographie sammelt M. Chassignet (Hg.), L'Annalistique romaine
Tome III: Uannalistique recente. L'autobiographie politique (Fragments). Paris 2004,
171-184; eine nützliche Liste der wenigen Inschriften, in denen Sulla namentlich erscheint,
bei Santangelo 2007, 231 f. Hinzu kommen Notizen und Hintergrundinformationen des
Zeitzeugen Cicero.
Die Biographien Plutarchs, unerreicht in ihrer Wirkung auf die Nachwelt, wollen Cha-
raktere beschreiben, notfalls auch auf Kosten der historischen Abläufe - antike Biogra-
phie versteht sich nicht als Geschichtsschreibung im engeren Sinn. Plutarchs Sulla zeigt
die typische Gespaltenheit: Gerechter Kämpfer für die aristokratische Ordnung vor dem
Sieg, schlechter Alleinherrscher danach, außerdem ein Mensch aus lauter Widersprüchen
(anders Russo 2002; zur Zerrissenheit v. a. Carrara 2004). Umgekehrt hatte Appians Rö-
mische Geschichte - die zweite zusammenhängende Darstellung, die wir noch zu Sulla
besitzen - den klaren Leitgedanken, Roms immer neues Abgleiten in Chaos und Bürger-
krieg zu demonstrieren, das die Errichtung der Monarchie unvermeidlich machte. Appian
- hier nach Paragraphen, nicht Kapiteln zitiert - wie Plutarch stehen an der Wende vom
1. zum 2. Jh. n.Chr.; beide arbeiten älteres Material, sullakritisch wie sullafreundlich, in
ihrem Sinne um.
Nach dem weitgehenden Verlust der Historien Sallusts bleibt dessen - stark negativ
gefärbtes - Bellum Iugurthinum für Sullas frühe Jahre. Titus Livius, der fast alle Vor-
gänger verdrängte, ist für die Zeit Sullas verloren; nur die spätantiken Inhaltsangabe
(Periochai) der Einzelbücher und Auszüge des Iulius Obsequens über Vorzeichen sin
erhalten. Auf Livius basierte vermutlich das im 2. Jh. n. Chr. entstandene Werk des Gra-
nius Licinianus, dessen wenige Reste für die späte Republik wichtig sind (hier benutzt in
der Edition von N. Criniti, Leipzig 1991 mit wertvoller Übersicht der Parallelquellen). In
der als Handlungsanweisung gedachten Anekdotensammlung Facta et dicta memorabili
des Valerius Maximus - die Vorbilder und abschreckende Beispiele nebeneinander stellt -
und dem Geschichtswerk seines Zeitgenossen Vellerns Paterculus, beide Kinder der au-
gusteischen Kaiserherrschaft, sind wesentliche Ergänzungen enthalten. Noch spätere Au-
toren wie Cassius Dio oder die knappen spätantiken Berichte von Eutrop, Orosius und
dem anonymen Verfasser von De viris illustribus komplettieren das Dossier.
Alle Übersetzungen stammen, soweit nicht anders angegeben, vom Autor.
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Zeittafel
138 v. Chr. L. Cornelius Sulla in Rom geboren
133/123-121 Reformversuche und Tod der Gracchen
107 Sulla ist Quästor (106 Proquästor) des Konsuls C. Marius im Krieg gegen
Jugurtha
105 Gefangennahme Jugurthas und Kriegsende (Schlacht bei Arausio)
104 Triumph des Marius (cos. II). Sulla (103 Militärtribun) begleitet ihn in
den Cimbernkrieg
102 Wechsel zu Q. Lutatius Catulus; Niederlage an der Etsch (Marius siegt
bei Aquae Sextiae)
101 Schlacht bei Vercellae (30.7.) und Kriegsende
100 Saturninus-Unruhen in Rom
99 (?) Gescheiterte Kandidatur als Prätor
97 (?) Prätur mit opulenten Spielen
96-94/93? Prokonsul von Cilicia; Krieg in Kappadokien, Ausrufung zum Impera-
tor. Konferenz mit parthischen Gesandten
91 Konflikt mit Marius; Reformen und Tod des M. Livius Drusus
91-88 Bundesgenossenkrieg; Sulla rettet sein Heer (90), wird 89 Befehlshaber
in Kampanien, erobert Pompeii und Bovianum
88 Konsulat. Kommando gegen Mithridates VI., Konflikt mit Sulpicius
Rufus
(Spätsommer?) Sulla verliert das Kommando und erobert Rom. Marius
wird geächtet; restaurative Verfassungsreformen
87 Sulla setzt nach Griechenland über und belagert Athen (Cinna wird
seines Konsulats enthoben und erobert mit Marius Rom)
86 Fall Athens (1. März), Siege bei Chaironeia (Mai) und Orchomenos
(Herbst)
(Dominatio Cinnae in Rom; Tod des Marius)
85 Verhandlungen mit Mithridates, Friede von Dardanos und Sieg über
Fimbria
84 Aufenthalt in Griechenland, Verhandlungen mit dem Senat (Tod
Cinnas)
83 Landung in Italien (Frühjahr); Bürgerkrieg. Verhandlungen in Teanum
82 Vormarsch auf Rom, Kämpfe in ganz Italien. Sieg an der Porta Collina
(1./2. November) und Kapitulation von Praeneste. Sulla wird Dictator
und beginnt die Proskriptionen
81 Triumph Sullas (29. Januar) und des Pompeius (12. März). Schließung
der Proskriptionsliste zum 1, Juni; Mord an Lucretius Ofella. Mutmaß-
licher Rücktritt Sullas von der Dictatur (Herbst?). Mithridates besiegt
Murena
80 Zweiter Konsulat. Fall von Nola
79 Rückzug in die Villa nahe Puteoli; Wahlkampf gegen M. Lepidus
78 Tod Sullas in Kampanien und Staatsbegräbnis. Aufstand des Lepidus
Register
Abbius Oppianicus, Statins 118 Apollo(n) 45,82,91,111,134
Abydos 93 Appian(os) von Alexandria 106,107,116
Acerrae 56 120,124,134,18030
Achda (röm. Provinz) 77,97 Appuleius Saturninus, L. (tr. pl. 103-100)
Achaiischer Bund 79 37,39,41 f., 43,101,114,124,126,163
Acilius Glabrio, M.' (cos. 67) 143 Apuleius, L. 138
Adria 60,77 f., 88,97,98 Aquae Sextiae (Aix-en-Provence) 39
Aeclanum 60,18159 Aquillius, M.' (cos. 101) 61 f., 76
Ägäis 76,88 Archelaos 48,76,79,81,85-93,141,154
Ägypten 85,91,138,142 Ariminum (Rimini) 105,106f., 108,140
Aelia (= Ilia?, s. d.; 1. oder 2. Frau Sullas) Ariobarzanes (Kg. v. Kappadokien) 46-
44 50,53,62,95,97,142
Aemilia (Stieftochter Sullas) 143 Aristion 76,84f.
Aemilius Lepidus, M. (cos. 78) 13-15,137, Aristoteles 100
155 f. Armenien 48 f.
Aemilius Lepidus, Mam. (cos. 77) 146,155 Arpinum 148
Aemilius Scaurus, M. (cos. 115) 24,51,63, Arretium (Arezzo) 133,150
154,161 Asculum (Ascoli Piceno) 54,56,61
Aesernia 56 f., 60,151 Asia (röm. Provinz) 46f., 62,64,76,78,84,
Africa (röm. Provinz) 30-34,97,101,108, 92,94,95,97,99
136,141,1431 Asklepios 95
Aidepsos 100 Ateius Capito, C. (cos. suft 5 n. Chr.) 137
Aitolischer Bund, Ätolien 79,81 Athen 76 f., 79,81,84-86,100,133,152
Alba 109 Augustus 9f., 85,134,143,157,160,164,
Albaner Berge 66,71,109f. 1 8 4 109

Albinovanus Pedo 108 Aurelius,Q. 119


Alexander der Große 64,90 Aurelius Cotta, C. (cos. 75) 146,161
Alexandria 142 Aurelius Scaurus, M. (cos. suff. 108) 34
Alexandras aus Laodikeia 139
Amphion, M. Lutatius 138 Bellienus 141
Ancona 98 Bellona 48,71,113,134
Anio (Fl. Aniene) 124 Benevent 18,140
Annius Luscus, C. 141 Berenike (Ptolemäerin) 142
Annius Milo, T. 160,163 Bismarck-Schönhausen, Otto v. 10 f.
Anonyma (Sullas Mutter) 20 Bocchus, Kg, v. Mauretanien 32 f., 44f., 52,
Anonyma (Stiefmutter Sullas) 20,28 55,134,18264
Antemnae (Monte Antenne) 111 BonaDea 160
Antistia 143 Böotien 79,81,86,88,90,91
Antonia (Tochter des Claudius) 160 Bosporus 90
Antonius, M. (cos. 99) 83 Bovianum Undecimanorum (Popoli) 60 f.
Antonius, M. (cos. 44, II 34; Triumvir) 83, Brundisium (Brindisi) 78,98f., 102,18159
164 f. Bruttium 137,140
Apellikon von Teos 100 Bruttius (Braetius?) Sura, Q. 79,81
Apennin 105,107 Bundesgenossen (socii), -krieg 30,50-61,
Aphrodite (vgl. Venus) 82 108,124,136
Caecilia Metella (3. oder 4. Frau Sullas) Cornelius Dolabella, Cn. (cos. 81). 105 f.,
62 f.. 77,82t, 84.143,147f., 154,156
Caecilii Metelli {getts) 21, 29,62f., 148, 123,180*
151 Cornelius Epicadus, L. 154
Caecilius, Q. 140 Cornelius Lentulus Sura, P. (cos. 71) 147
Caecilius Metellus Ncpos, Q. (cos. 98) 44 Cornelius Merula, L. (fl. Diaiis, cos. suff
Caecilius Metellus Numidicm, O- (cos. 87) 80,83,95,146
109) 2Pf.. 39.41 f., 44, 52,62 Cornelius Rufinus, P. (dict. 334) 17.61
Caecilius Metellus Pius, O- (cos. 80) 62,64, Cornelius Rufinus, P. (cos. 290.11277;
80.82.84.97,101,102f., 104-106, t08fM dict.) 17f., 19f., 23, 28,136.139
141.146,150.161 Cornelius Scipio Africanus (minor) Aemi-
Caesar s. lulius lianus, P. (cos. 147, II 134) 22,29f., 144
Calidius.Q. 142 Cornelius Scipio Asiagenes (/-us), L. (cos.
Camillus, M. Furius (trib. cos., dict.) 70, 83) 101,102-104,109,119,177"
134 Cornelius Scipio Nasica Serapio, P. (cos.
Cannae, Schlacht bei (216) 1687 138) 26,28
Canusium (Canosa) 60 Cornelius Sisenna, L. (praet. 78) 159
Capua 60,103f.,108,136 Cornelius Sulla (jung verstorbener Sohn
Caracalla (Ks. 211-217 n. Chr.) 186150 des Dictators) 147,156
Carbo s. Papirius Cornelius Sulla, Faustus (quaest. 54) 14,
Carrinas,C. 107,108,116 f. 147,159,163
Cassius Longinus, L. (cos. 107) 34 Cornelius Sulla, L. (Vater des Dictators)
Cato (Censorius), M. Porcius 22 20
Catulus s. Lutatius Cornelius Sulla (Felix), L. (cos. 88, II 80;
Chaironeia 81,86-88,89,102,106 dict. 82-81?)
Chalkedon 90 - Vorfahren, Famihentradition 17-24,43-
Chalkis 79,87,88,90,91 45,62,67,120
Cicero s. lullius - Bildung, (sub)kulturelle Interessen 21-
Cilicia 46,48-50 23
Cimbern 34t, 37-41,43 f., 47 - Ehen, Kinder 44,62f., 119,146-148,
Claudius (Ks. 41-54 n. Chr.) 160 159 f.
Claudius Pulcher, Ap. (cos. 79) 151 - Freundschaften (pohtisch/privat) 22,
Clodius (vorher Claudius) Pulcher, P. (tr. 119,124,135,138 f., 140 f., 144 f.
pl. 59) 27,160,163 - Militärdienst 21,23 f., 29-40
Cloelia (2. oder 3. Frau Sullas) 44,63 - und Marius 29-41,43,124
Cluentius, L. 59f. - Wahlkämpfe 24,28,35,43-45,50,61
Clusium (Chiusi) 107 - Dictator 121-123,126,134,135,139,
Concordia 27,153 148 f.
Copillus 37 - imperator 48,98
Corfinium 55,60 - Priesterämter 33 Abb. 3,35,62,98,99
Coriolanus, Cn. Marcius 70 Abb. 5,122
Cornelia (Schwester Sullas) 20,23 - Religiosität und religiöser Nimbus, Vor-
Cornelia (Tochter Sullas) 146f.,160 zeichen 48,49,71,100,101,102,103, III,
Cornelia (Tochter Cinnas) 146 149,154; vgl, 37
Cornelia (Posturna, Tochter Sullas) 159 - Beinamen 133,135
Cornelius Cethegus, P. 102 - Triumph 14,133 Abb. 8,133 f.
Cornelius Chrysogonus, L. 138,148 - Rachemotiv 15,97,98,116,117,119,124,
Cornelius Cinna, L. (cos. 87-85) 64,77,80, 135,158
82-84,91 f., 94,95,97 f., 107,115,120,124, - und die Nobilität 10f., 74 t, 84,130f.,
128,130,149,164 157-159
- politisch-soziale Reformen 73 f.
- Verhältnis zum Senat 14,70f., 74f., 84, Dorylaos 88
94, 97-99,113,116f., 120,123-125,126-
131,136,139 f., 157,161 f. Dyrrhachium (Dürres) 101
- und die Ritter 14,74,96,119 f., 128,
131 f., 161; vgl. 26f. Elateia 86
- und die plebs Romana/der populus Eleusis 82,100
Romanus 43-45,73 f., 75,116,120,122, Epaphroditus, Ti. Claudius (Freigelasse-
125 f., 132,137 f. ner) 160
- und die Italiker 65-67,73 f., 80,97 f., Ephesos 76,93,97,17659
100 f., 103,105,126,128,132,137 Epidauros 81
- Verhältnis zu Soldaten und Veteranen Epirus 79
14,31,44 f., 59,69f., 80f., 94,98,101,118, Esquilin 71 f., 83,135
126,132,136 f., 141,144 f., 151,158 Etrurien 55,57f., 80,104,108,156
- Selbstdarstellung, Monumente, Bau- Euböa 79,88,100
politik 14,33,52f., 85,87,91 f., 93,134f., Euphrat 48
150,152 f., 155 f. Eutrop 127
- Autobiographie 9,153 f. 156,166 Fabius Buteo, M. (dict. 216) 18152
- Tod, Begräbnis 13-15 Fabius Maximus Verrucosus (Cunctator),
- Nachwirkung; Rezeptionsgeschiehte 9, Q. (cos. V 209, dict. 217) 122
135,159-165 Fabius Maximus Allobrogicus, Q. (cos.
Cornelius Sulla Felix, Faustus (cos. ord. 52 121) 28
n.Chr.) 160 Fabricius Luscinus, C. (cens. 275) 17 f.
Cornelius Sulla (vorher Rufinus), P. (fl. Faesulae (Fiesole) 137
Dialis ca. 250) 18
Cornelius Sulla, P. (praet. 212) 19,43 f. Fausta (Tochter Sullas) 147,163
Cornelius Sulla, R (praet. 186) 20,43 Faventia (Faenza) 108
Cornelius Sulla, P. (Vetter des Dictators, Fimbria s. Flavius
cos. des. 65) 23,160 Firmum Picenum 56
Cornelius Sulla, P. (Catilinarier) 160, Flaccus s. Valerius
168« Flavius Fimbria, C. 90-96,97,99,142
Cornelius Sulla, Ser. (praet. 175) 20,23 Flora (Prostituierte) 143
Cornelius Sulla, Ser. (Catilinarier) 160, Forum Romanum 44,65,72,83,114,119,
168M 152
Cosconius, C. 60 FucinerSee 60
Crassus s. Licinius Fufidius 137,17915
Cumae 151 Furius Philus (tr. pl. 98) 44
Gabimus, A. 87
Dalmatien 98 Gades (Cädiz) 57
Dardanos (Akhisar) 93 f., 142 Galater 88,90
Delion 91 Gallia Cisalpina 130,151
Delos 76,85 Gallier, Gallierfurcht 34f., 60,70,83,109
Delphi 79,81 f. Gordios 47
Demeter 100 Gracchus s. Sempronius
Diana 103 Granius 156
Diodoros Pasparos 97
Domitius Ahenobarbus, L. (cos. 94) 107, Halai 90,100
17177 Hannibal 19,24,34,57,122
Domitius Ahenobarbus, L. (Sullaner) 140 Harris, Robert 9
Domitius Ahenobarbus, Cn. (Cinnaner) Hector, L. Licinius 138
143 Hellespont 90,92 f., 95
Hercules Sullanus 135 Laurentum 73
Hirpiner 59 f. Laverna 56
Hortensius. L. 86,87,88 Lawrence, T. E. 32
Hortensius Hortalus, Q. (cos. 69) 14,147, Lepidus s, Aemilius
159 leges Corneliae Pompeiae (88) 73 f.
leges Corneliae (82/81) 125-131,135
/70^v(-Erklärung) 72f., 82f., 115,116 Lepinus (Gebirge) 105
Lesbos 76,91
Iarbas 144 lex Caecilia Didia (98) 44,52
Iiia (= Iulia? Aelia?, 1. Frau Sullas) 44 lex Hortensia (287) 73
Ilion (vgl. TVoja) 91,97 lex Iulia de civitate sociis danda (90) 57
Illyricum 98 lex Licinia Mucia (95) 50
Isis 138 lex Manilia (66) 162
Iulia (Frau des Marius) 29,146,163 lex Plautia (70?) 162
Iulius Caesar, C (cos. 59, V 44; dict. 49- lex Plautia Papiria (89) 58,60
44) 9,30,83,101,124,131,134,137,146, lex Valeria (82) 122,123,18155
149,152,154f., 163 f. lex Varia (91) 53 t, 65,133
Iulius Caesar, L. (cos. 64) 18033 Licinius Archias, A. 160
Iulius Caesar Strabo Vopiscus, C. (aed. cur.
Licinius Crassus, L. (cos. 95) 51,140
90) 44,45,83 Licinius Crassus Dives, M. (cos. 70, II 55)
Iulius Caesar Strabo, L. (cos. 90) 55-57,63,
101,102,107 t, 110t, 119,140t, 163
83 Licinius Lucullus, L. (cos. 74) 56,61,70,
Iunius Brutus Damasippus, L. (praet. 82) 81 f., 85,88,91,92t, 96,138,140,145,151,
1061,108,118,124,143 155,161t, 184™
Iunius Silanus, M. (cos. 109) 34 Licinius (später: Terentius Varro) Lucullus,
Iuno 152 M. (cos, 73) 106,108,145,151,161,
Jerusalem 159 114
Jesus 183103
1 8 4

Licinius Murena, L. 86t, 99,141t


Jugurtha, Kg. von Numidien 29-33,35, Liris (Fl. Garigliano) 56,105
43 t, 52 Livia Drusilla 143
Julian (Apostata, Ks. 361-363 n. Chr.) 165
Livius, T. 60,123,159,164
Jupiter 71,83,104,152 Livius Drusus, M. (tr. pl. 91) 51-54,65,74,
127
Kalabrien 101 Lokroi (Locri) 17
Kampanien 55,56,58-60,76,102,104,132, Lucan(us, M. Annaeus) 165
153 Lucretius Ofella (/Afella), Q. 106,111,118.
Kaphis 81t, 86 141,149t, 157
Kapitol 40,52,77,83,104,133,152t, Lukanien 60 t, 108,137
181« Luscius, L, 137
Kappadokien 46-48,61 f., 71,92,142,150 Lutatius Catulus, Q. (cos. 102) 38-40,43 t.
Karthago 19,143 52,83,119,140,154,161
Kephisos (Fl.) 86t, 89 Lutatius Catulus, Q. (cos. 78) 13,15,138,
Korinth 79 140,145,151t, 155,161-163
Kos 18278
Kreta 85 Ma (vgl. Bellona) 48
Kroton 17 Macedonia (röm. Provinz) 77,78,81,84,
92
Larinum 118 Mallius Maximus, Cn. (cos. 105) 34
Larissa 92 Manlius, M. 137
Latium 19,55,57,104 Manlius Agrippa, Cn. 17431
Manlius Torquatos, L. 133 Abb. 8 Noreia (Neumarkt?) 34
Marcius Censorinus, C. 50,108,116 Nunnius/Nonius (tr. pl. des. 100) 41
Marciiis Philippus, L. (cos. 91) 52,140,
180» Octavius, Cn. (cos. 87) 77,821, 1.14
Marcius Tremulus, Q. (cos. II 288) 134 Octavius Baibus 110
Marius, C (cos. 107; VII 86) 13, 29-44, 50, Ofella s. Lucretius
52f., 55-57,66f., 69-73,75,79, 80,82f., Olympia 81,151
84,95,103,124,134,136,146,154,158, Opimius, L. (cos. 121) 27,42
163-165 Optimaten 25-28,30,35,371, 41 f., 44f.,
Marius, C. (cos. 82) 58,73,103,104-109, 51-53,741,77,83 f., 117,129,139,149,
117 t, 120,133,144 158,163,184»"
Marius Gratidianus, M. 119,140 Orchomenos 891,106,165
Mars 87 Orobazos 49
Marser (Germanenstamm?) 37 Orosius 127
Marser (italisches Volk) 54f.,56,58 Ostia 107
Marsfeld (Campus Martius) 14,66,107,
113,119,155,165 Pamphylien 46
Massüia (Marseille) 57,119,160 Paphlagonien 47,92
Messene 17431 Papirius Carbo, C. 150
Metellus s. Caecilius Papirius Carbo, Cn. (cos. 113) 34
Metrobius 139 Papirius Carbo, Cn. (cos. 85-84, III 82) 97-
Minturnae (Minturno) 18275 109,115,117,120,1401,143,164
Mithridates II. (Partherkönig) 49 Papirius Carbo Arvina, C. 106
Mithridates VI. (Eupator, Kg. von Pon- PapiusMutilus 56,601,119
tes) 20,471,53,61,64,65,66,721,76,78, Parther 48
83,86,90-94,96,97,131,133,136,1411, Patrai (Patras) 101
162,182« Peisistratos 152
Mucius Scaevola (Augur), Q. (cos. 117) 75 Peloponnes 79,101
Mucius Scaevola (Pontifex), Q. (cos. 95) Pergamon (Kgr.) 46
50,107 Pergamon (Stadt) 78,92,95
Munda (Montilla), Schlacht bei 158 Perikles 81
Munychia 85 Perperna, M. 143,156
Mytilene 76 Persephone 100
Pharsalos, Schlacht bei 158,164
Narbonensis, Provincia 34 Philipp II. (Kg. v. Makedonien) 88
Neapel, Golf von 13,147 Philippi 93,158,164
Neapolis (Neapel) 107 Phokis 86
Nikomedes III. (Kg. v. Bithynien) 47 Picenum 54,77,102,1041
Nikomedes IV. (Kg. v. Bithynien) 53,611, Piräus (Peiraieus, Hafen Athens) 76,79,
95,97 81,84,99
Nikomedia 91 Pitane 91
Nikopolis (Geliebte Sullas) 28 Placentia (Piacenza) 108
Nixon, Richard M. 165 Plutarch 39,44,48,59,72,87,101,102,106,
Nola 591,64,661,69-71,771,80,119, 107,115,1381,144
151 Po (lat. Padus) 39,1041,151
Nonius Sufenas, Sex. (Sullas Neffe, praet. Pompeia (Enkelin Sullas) 160
81) 77,134 Pompeia (Tochter des Pompeius Magnus)
Norba 118 163
Norbanus, C. (cos. 83) 101,102-104,108, Pompeius Magnus, Cn. (cos. 70, III 52) 9,
117,119 102,104,105,106,1071,111,138,140,
142-145,151,155,156-158,159,162-165, Sempronius Gracchus, C. (tr. pl. 123-22)
185125
Pompeius Rufus, Q. (cos. 88) 63-67,71-73, 261,30,36,40,70,136
77 Sempronius Gracchus, Ti. (tr. pl. 133) 25-
Pompeius Rufus, Q. (Sohn des Konsuls) 27,30,36,70,136
63,146,160 senatus consultum ultimum 27
Pompeius Rufus (Enkel Sullas) 63 Abb. 4, Seneca, L. Annaeus 166
146,160 Sentius, C. 81
Pompeius Strabo, Cn. (cos. 89) 56,57,60f., Septimius Severus, L. (Ks. 193-211
77,80,102 n.Chr.) 165
Pompeji 59 f., 77 Sergius Catilina, L. (praet. 68) 137,146,
Pomponius Atticus, T. 100 160,162
Pontius Telesinus 108,109-111,118 Sertorius, Q. 1031,141,144,151,156
populäres 26,30,51,75,126,132,162Servilius, Q. (praet. 91) 54
Porcius Cato, L. (cos. 89) 57f. Servilius Caepio, Q. (cos. 106) 34
Porta Collina, Schlacht an der HOf., 114, Servilius Caepio, Q. (praet. ca. 92) 52
134 Servilius Glaucia, C. (praet. 100) 39,411
Pc«tumius (Haruspex) 59,71 Servilius Vatia, P. (cos. 79) 151
Postumius Albinus, A. (cos. 99) 59 Servius Tulüus 153,184108
Praeneste (Palestrina) 71,106-109, III, Sittius,P. 159
118,132,133 Sizilien 97,136,141,143,145
Proskriptionen 82,117-120,1251,131,133, Sorex(Sorix) 139
137,140,145,148,158,1641 Spanien 351,104,136,141,143
Ptolemaios VIII. 91 Spartacus 93
PtolemaiosXI. 142 Spoletium (Spoleto) 108
Puteoli (Pozzuoli) 151,156 Stratonikeia 18161
Pyrrhos, Kg. von Epirus 171 Suessa Aurunca (Sossa) 103
Sulla s. Cornelius
Ravenna 1071 Sulpicius Galba, Ser. (Offizier Sullas) 87
Rhodos 46,76,81,96,119 Sulpicius Rufus, P. (tr. pl. 88) 65-73,741,
Romulus 133,144,156 80
Roscius, Sex., aus Ameria 148 Tarentum 102
Roscius Gallus, Q. 139 Tarula, L. Cornelius 138
Rufinus s. Cornelius Teanum Sidicinum (Teano) 103,109,116,
Rutilius Lupus, P. (cos. 90) 55,57 141
Rutilius Rufus, P. 501,154 Tektosagen 37,43
Rutilius Rufus, P. (Offizier Sullas) 95 Telesinus s. Pontius
Tellus 72
Sacriportus 1051,114 Teutonen 34,37,381
Sallust(ius Crispus, C.) 24,31,124,140,155 Theben 81,90
Samnium, Samniten(kriege) 17,55,581, Theodosius I. (Ks. 379-395 n. Chr.) 186150
601,64,80,84,104,106,1081,1131,118, Theophrast 100
132,137,1785 Thermopylen 86
Sardinien 97 Thessalien 79,81,86,88,90,92
Saturninus s. Appuleius Thraker 77,79,81,93
Saylor, Steven 165 Thyateira 95
Scirtus, L. Cornelius 138 Tiber 1101,119,124,147
Scribonius Curio, C. 95 Tiberius (Ks. 14-37 n. Chr.) 165
Seleukiden 46,48 Tifata (Berg) 103
Sempronius Asellio, A. (praet. 88) 65,67 Tigranes (der Große, Kg. v. Armenien) 48
Tiguriner 34,38 Valerius Messalla (Sullas Schwiegervater)
Tolosa (Toulouse) 37 147
Tougener 38 Valerius Messalla Rufus, M. (cos. 53) 159
Trebatius 60 Varius Hibrida, Q. (tr. pl. 90) 53
Tridentum (Trient) 39 Vellerns Paterculus 85,109,164
Troja 81,91 Venafrum 60
Tullius Cicero, M. (cos. 63) 9,59,83,116, Venus (vgl. Aphrodite) 87,110,134
128,131 f., 140,146,148,159,161-164, Vercellae (bei Rovigo) 40,52,154
165,186146 Vergil(ius Maro, P.) 165
Tullius Decula, M. (cos. 81) 123 Verginius (tr. pl. 87) 78
Tusculum (Frascati) 57 Verres, C. (praet. 74) 140
Vesuv 59
Utica 143 Via Appia 60,78,101,105,118
Via Cassia 107
Valeria (Sullas letzte Frau) 147 f., 159 ViaLabicana 110
Valerius Antias 185135 Via Latina 60,69,105
Valerius Flaccus, L. (cos. 100, interrex/mag. Victoria 87,134
eq. 82) 98,104,121,180* Volaterrae (Volterra) 150
Valerius Flaccus, L. (cos. suff. 86) 83 f., 88, Volsinii (Bolsena) 108
90,98 Volux 32 f.
Valerius Maximus Corvus, M. (cos. V 300,
VI suff. 299) 41 Zeus (vgl. Jupiter) 152

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