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DIEZEIT

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PREIS DEUTSCHLAND 6,20 € WO C H E N Z E I T U N G F Ü R P O L I T I K W I RTS C H A F T W I S S E N U N D KU LT U R 6. OKTOBER 2022 N o 41

Neue Serie:

Sternstunden Freundliche
Gesellen

der Menschheit
Manchmal ist es der Mut eines Einzelnen, manchmal
Ein Gespräch mit
dem Nobelpreisträger
Svante Pääbo über
unsere Vorfahren
Wissen, S. 37
sind es die Gedanken vieler – und plötzlich ist
die Welt eine bessere: Über historische Momente,
die kaum einer kennt  DOSSIER Ich weiß immer,
wo du bist!
Unsere Autorin trackt
ihren Sohn – und fühlt
sich schlecht dabei
Entdecken, S. 61
Titelillustration: Federica Bordoni

Auto statt
Eiche
KRIEG GEGEN DIE UKRAINE IRAN KLIMA
Ein 200 Jahre
alter Baum soll sechs
Verhandeln, ja –
Den Kopf frei Guter schmutziger Luxuswagen weichen.
Wie kann das sein?
aber nicht jetzt! Kompromiss Politik, S. 3

Russland muss erst noch mehr Irgendwann wird der Aufstand gegen die Mullahs Erfolg haben – Der Deal zum Kohleausstieg ist
verlieren  VON MICHAEL THUMANN Berlin sollte endlich klarer Position beziehen  VON NAVID KERMANI vorbildlich  VON ROMAN PLETTER

D
PROMINENT IGNORIERT
Wie handelt man einen Waffenstillstand aus, er wahrscheinliche Verlauf seit Monaten hat sich die ohnehin desolate Lage Jedes nicht ausgestoßene Molekül CO₂ ist ein
wenn die Kriegsparteien nicht verhandeln der Proteste im Iran ist dieser: der Menschenrechte noch einmal dramatisch ver‑ Beitrag gegen die Erhitzung der Erdatmosphäre.
wollen? In Moskau macht Wladimir Putin Der Staat geht, wie sich be‑ schlechtert. So werden Hinrichtungen wieder­ Die zu Beginn der Woche geschlossene Verein‑
derzeit mit jedem Schritt klar, dass er nicht reits abzeichnet, mit Schuss‑ öffentlich vollzogen, und ihre Zahl hat sich ver‑ barung zwischen dem Kraftwerksbetreiber RWE,
reden will: Annexion der besetzten Gebiete, waffen gegen die Demons‑ doppelt – allein in der ersten Jahreshälfte waren es dem Bund und Nordrhein-Westfalen, schon
Mobilmachung, Umstellung auf Kriegswirt‑ tranten vor, mit Verhaftun‑ 251. Neben vielen anderen Re­gime­kri­ti­kern wur‑ 2030 statt 2038 aus der Braun­kohle­verstro­mung
schaft. Er sagt: »Wir haben noch gar nicht an‑ gen, Folter, Hinrichtungen. In der Friedhofs­ den zwei der berühmtesten Filmregisseure des Iran auszusteigen, ist aus Klimasicht deshalb eine
gefangen.« In Kiew verbietet Wolodymyr­ ruhe, die folgt, setzt eine weitere Auswanderungs‑ verhaftet, die Berlinale-Gewinner Mohammad uneingeschränkt gute Nachricht.
Selenskyj per Dekret Verhandlungen mit­ welle ein. Nicht lange, dann wird es einen neuen Rasulof und Jafar Panahi, und vor ein paar Wochen Zugleich ist angesichts des Strommangels
Putin. Und treibt seine Truppen voran, die Anlass geben, warum die Dagebliebenen auf die hat ein Re­vo­lu­tions­ge­richt die beiden LGBT-­ jede zusätzlich erzeugte Kilowattstunde Strom
besetzten Gebiete zurückzuholen.
Trotzdem gibt es täglich neue Forderungen
Straße gehen, sie müssen nur erst ihre Müdig‑
keit, ihre Angst, ihren Schmerz abschütteln.
Aktivistinnen Zahra Sedighi-Hamadani und Elham
Choobdar zum Tode verurteilt. Besonders hart trifft
ein Beitrag gegen steigende Energiepreise. Der
mit der Vereinbarung einhergehende Beschluss,
Preisfrage
nach Verhandlungen. Der Papst hat dazu auf‑ Das ist der wahrscheinliche Verlauf. Und die Verfolgungswelle mal wieder die religiöse Min‑ zwei Kraftwerksblöcke bis Frühjahr 2024 Was tun gegen steigende Preise,
gerufen, Elon Musk auch. In Deutschland ha‑ doch ist bei den gegenwärtigen Protesten man‑ derheit der Bahais. Die Reaktionen der Bundes‑ weiterlaufen zu lassen, statt sie Ende des Jahres wenn das Gehalt nicht erhöht wird
ben die Talkshows den Frieden längst beschlos‑ ches anders als 2009, 2017 oder 2019, als eben‑ regierung, der Europäischen U ­ nion? Unterhalb des stillzulegen, ist also auch eine gute Nachricht: und kein Lottogewinn gelingt? Im
sen. Nur hält sich niemand dran. Kein Wunder. falls Tausende oder sogar Millionen demons‑ wahrnehmbaren Bereichs. eine gute Nachricht für den sozialen Frieden – Keller nachschauen. Gewiss steht
Sie alle ignorieren die Mechanik des R
­ edens: trierten. Mit der Gleichberechtigung hat der Selbst als die Iraner überall im Land gegen die wenn auch nicht für das Klima. noch eine alte Vase da, mit einem
Erfolg versprechen Verhandlungen nur dann, Aufstand ein konkretes, für die Hälfte der Bevöl‑ Unterdrückung protestierten, war von der grü‑ So betrachtet ist dieser Kohleausstieg ein Drachen und ein paar Wolken da‑
wenn beide Kriegsparteien in einem Waffen‑ kerung im Alltag brennendes Thema, und end‑ nen Außenministerin Anna­lena Baer­bock über schmutziger Kompromiss, der unter dem Strich rauf – ab ins Auktionshaus damit!
stillstand mehr Vorteile sehen als im Weiter‑ lich solidarisieren sich allerorten die Männer mit Tage nichts zu hören, bevor sie sich schließlich in weniger Schmutz macht als eine Welt ohne ihn. Letzten Samstag hat so eine Vase
kämpfen. Doch warum sollte ein Selenskyj die den­Frauen. Neu ist ebenso, dass sich das Ver‑ New York zu einem dürren State­ment über die Es wird nämlich viel Kohle unter der Erde blei‑ im französischen Fontainebleau
Waffen niederlegen, wenn sein Land dann von langen nach Freiheit, nach Rechtsstaatlichkeit Bedeutung von Frauenrechten durchrang. Für ben, statt verbrannt zu werden – und kurzfristig lindernde 7,7 Millionen Euro er‑
der Landkarte verschwinden würde? Warum und Eman­zi­pa­tion, das vor allem ein bür­ger­ ihre Passivität immer lauter kritisiert, plädiert wird mehr Strom zur Verfügung stehen. löst. Und im Keller ist wieder
sollte er die Rückeroberung stoppen, die liches ist, mit der existenziellen Not der ärmeren Baerbock inzwischen für Sanktionen, die aller‑ Womit der Deal ein gutes Vorbild sein mehr Platz noch dazu.  USTO
gerade­so gut läuft? Und umgekehrt: Warum Bevölkerung verbindet. Bisher demonstrierten dings, soweit bekannt, kaum vorsichtiger ausfal‑ könnte für die Schaltung der Ampelregierung
sollte Putin jetzt aufhören, wo er doch mit diese beiden Schichten mit ihren teils unter‑ len könnten. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz an der historischen Kreuzung des Jahres 2022. Kleine Fotos (v. o.): Jens Schlueter/Getty Images;
Hannes Jung für DIE ZEIT;
neuen Soldaten, viel mehr Waffen und Nuk­ schiedlichen Anliegen weitgehend getrennt. lässt weiterhin nur seinen Re­gie­rungs­sprecher ein Er könnte Vorbild sein für einen energie­ Michel Bury/Maison Osenat
leardrohungen erst richtig anfangen will? Neu ist außerdem, dass die Proteste nicht auf paar Allgemeinplätze ausrichten. ideolo­gi­schen Waffenstillstand.
Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG,
Russlands Krieg geht in entscheidende­ einzelne Zentren oder Regionen beschränkt sind; Wenn man sich erinnert – und viele Iraner Man hat sich ja daran gewöhnt, dass die Spit‑ 20079 Hamburg
Wochen. Wenn Putins Mobilmachung etwas sie haben weiterhin keine Führung, nicht einmal tun das, nicht nur in Deutschland –, mit welcher zen der Regierung zwar vor sozialem Unfrieden Telefon 040 / 32 80 ‑ 0; E-Mail:
bringt und wenn die Russen wieder vorrücken, Büros, auch ist der Informationsfluss durch die Empathie Angela Merkel sich etwa 2009 an die warnen, dass sie dann aber den Aufstand der DieZeit@zeit.de, Leserbriefe@zeit.de
kann es noch lange dauern. Denn die Ukraine Drosselung des Internets stark eingeschränkt. Aber iranischen Demonstranten wandte, die sie in­ eigenen Parteibasen noch mehr fürchten. Anders ZEIT ONLINE GmbH: www.zeit.de;
kämpft um nicht weniger als ihre Existenz. in der institutionellen Schwäche liegt zugleich eine einen Zusammenhang mit ihrer eigenen ostdeut‑ ist nicht zu erklären, dass sie ein wirksames Mittel ZEIT-Stellenmarkt: www.jobs.zeit.de
Könnte ihre Armee aber allmählich die verlore‑ ­Chance, weil die Bewegung nicht wie früher durch schen Biografie und dem Fall der Mauer stellte, gegen hohe Energiepreise eher blockieren als
nen Gebiete zurückgewinnen, erhöhte sie den die Verhaftung ihrer Köpfe und einzelne, sichtbare lässt sich die Schmallippigkeit ihres Nachfolgers unterstützen: mehr Angebot. Man denke nur an ABONNENTENSERVICE:
Druck auf Russland, das eben – anders als ­Putin Massaker zerschlagen werden kann. nicht allein mit seinem norddeutschen Tempera‑ die politische Energie, die in die Behauptung der Tel. 040 / 42 23 70 70,
Fax 040 / 42 23 70 90,
behauptet – nicht um seine Existenz kämpft. Neu und für das Regime besonders bedrohlich ment erklären. Liegt es daran, dass die Bundes‑ Nichtbesorgbarkeit von Brennstäben für Atom‑ E-Mail: abo@zeit.de
In der russischen Bevölkerung wachsen die ist jedoch noch ein anderer, nämlich der ethnische regierung die Atomverhandlungen nicht gefähr‑ kraftwerke oder (kein Witz!) von Schildern für
Zweifel am angeblichen Überlebenskampf. Aspekt: Die getötete Mahsa Amini war eine Kur‑ den möchte, deren Erfolg den Zugang zu den ein Tempolimit fließt. Wenn die mal in deren PREISE IM AUSLAND:
Warum sollte Russland nicht ohne Cherson din. 45 Prozent der Iraner haben eine andere riesigen iranischen Gasfeldern öffnen würde? Es Besorgung geflossen wäre ... DK 69,00/FIN 9,10/E 7,80/
CAN 7,90/F 7,80/NL 7,20/
und Charkiw leben können, wenn es davor Muttersprache als Persisch. In Kurdistan, in­ wäre ein weiterer Missgriff deutscher R ­ eal- bezie‑ Es ist nicht ohne Tragik, dass nur die tem‑ A 6,50/CH 8.50/I 7,80/GR 7,80/
auch ging? Seit den Annexionsfeiern von ver‑ Belutschistan, in Aser­bai­dschan kann das R ­ e­gime hungsweise Energiepolitik. Denn mit diesem poräre atomare und fossile Ertüchtigung das B 7,20/P 7,80/L 7,20/H 3690,00
gangener Woche debattieren die Russen über nicht einmal mit Bussen, Essensausgaben und Re­gime, das nur noch auf Waffengewalt beruht, Land ökonomisch in die Lage versetzen, nach
o
N 41
ihren verkorksten Krieg. Putin wird nervöser. Urlaubsgutscheinen Kundgebungen organisieren, ist kein verlässliches Abkommen zu erzielen. dieser Krise eine Welt ohne Atomkraft und
Er droht mit der Atombombe. Das Paradox die den Schein von Volksherrschaft herstellen; Geschichte besteht aus Entwicklungen, die Kohle zu gestalten. Wenn das Land nämlich
ist: Je schlechter es für Russland auf dem dort muss es für die Niederschlagung der Proteste unwahrscheinlich sind. Vielleicht wird dieser vorher wegen Energiemangel so­zial und indus‑
Schlachtfeld läuft, desto eher öffnet sich ein Milizen aus anderen Teilen des Landes herbei‑ Tage im Iran Geschichte gemacht oder beim triell implodiert, wird es diese Kraft nicht auf‑
7 7. J A H RG A N G C 7451 C
Weg für Verhandlungen. Weil Russland reden schaffen, die dann allerdings wiederum in Tehe‑ nächsten oder übernächsten Aufstand. Dass die bringen, zumal es dann gilt, den CO₂-Ausstoß
müsste, um nicht noch mehr zu verlieren. ran, Meschhed oder Isfahan fehlen. Bundesregierung Zweifel entstehen ließ, an aus diesen traurigen Jahren zu kompensieren.
Dann hätte ein Waffenstillstandsangebot eine Leider ist aber noch etwas neu am gegenwärti‑ wessen Seite sie steht, ist daher nicht nur ein 41
Chance. Als lebensbejahende Alternative zum gen Aufstand: die Zurückhaltung der Bundesregie‑ moralisches Versagen. Es ist auch aus eigenem Alle Leitartikel finden Sie zum Hören
Einsatz von Atombomben. rung, die Islamische Republik zu kritisieren. Schon nationalem Interesse fatal. unter www.zeit.de/vorgelesen 4 190745 106207
2 POLITIK 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41
Foto (o.): action press; Abb. (u., Screenshots) Quelle: twitter

Demonstrantinnen und Demonstranten am 1. Oktober 2022 in Teheran

Die Kinder fressen die Revolution


Die Proteste im Iran gegen das Regime gehen unvermindert weiter. Längst sind auch
Schülerinnen und Schüler auf den Barrikaden – und riskieren dabei ihr Leben  VON MARIAM LAU

I
mmer jünger werden die Frauen, eine Märtyrerin!« BBC Farsi berichtet, die weitere Proteste. Auf Videos ist zu sehen, wie die Sittenpolizei erwachsene Frauen und
die im Iran gegen das Regime der Leiche sei der Familie von den Sicherheits- sich Frauen genau dort die Haare abschnei- Mädchen daraufhin überprüft, ob die Klei-
Mullahs auf die Straße gehen. In kräften weggenommen und 40 Kilometer den – die Botschaft ist leicht zu lesen: »Geht dung den islamischen Standards entspricht.
den sozialen Medien kursieren
trotz des weitgehend lahmgeleg-
weiter im Dorf Vejsan begraben worden.
Ein sehr ähnliches Schicksal ereilte die
Der Widerstand es euch um die Haare? Bitte sehr: Hier habt
ihr sie!«
Dabei sei man naturgemäß schierer Willkür,
manchmal dem Klassenhass, manchmal dem
ten Internets mehr und mehr­ 16-jährige YouTuberin Sarina Esmailsade, Auch iranische Prominente, die bislang Neid oder der Begierde der Sittenwächterin
Videos von Schulmädchen, die deren Familie ebenfalls zehn Tage verzweifelt lieber die Finger von der Politik ließen, twit- oder des Moralpolizisten ausgesetzt. »Eines
singend und rufend ohne Hidschab durch gesucht hatte, bis die Behörden ihr den Leich- tern unterstützende Botschaften, manche Tages«, so habe Sotudeh ihren Mandantin-
die Straßen ziehen. In der Stadt Gohar- nam übergaben. Sie war nach Berichten von fordern sogar die Armee auf, sich vor die­ nen immer gesagt, »werden diese unfassliche
dasht, nahe Teheran, treiben am Montag Amnesty International mit Schlagstockhieben Demonstranten zu stellen. Der Musiker Ungerechtigkeit und das Leid, das Frauen
dieser Woche 12- bis 13-jährige, barhäup- auf den Kopf totgeprügelt worden. Homajun Schadscharian ließ bei einem Auf- angetan wird, den Iran an den Rand des Ab-
tige Schülerinnen einen Behördenleiter auf Hidschabs brennen, die Bilder der geist- tritt in Teheran ein riesiges Foto von Mahsa grunds bringen. Diesen Punkt haben wir
die Straße und rufen »Schäm dich!«. Auf lichen Führer werden von den Hauswän- Amini auf seinen Bühnenhintergrund proji- jetzt erreicht.«
einem Twitter-Foto stehen fünf von ihnen den gerissen, Autos hupen den Demons- zieren – worauf das Publikum »Tod dem Die Reaktionen des Regimes sind einer-
mit dem Rücken zur Kamera und zeigen trierenden Unterstützung zu – die Proteste Diktator« skandierte. Der iranische Fußball- seits sattsam bekannt: die unnachgiebige,
einem Konterfei der Revolutionsführer nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa star Ali Karimi, einst Spieler von Bayern rücksichtslose Niederschlagung – »sarkub«,
Chomeini und Chamenei den Mittelfinger Amini unter den Händen der Sittenpolizei München, wandte sich in den sozialen­ der Schlag auf den Kopf, die Repression. Der
– ein todesmutiger Akt. gehen in die dritte Woche. Sie haben keine Schülerinnen recken dem Medien an die Soldaten: »Hey, Soldat, was greise Revolutionsführer Ajatollah Chamenei,
Es ist schwierig für das Regime, Gewalt Anführer, keine Sprecherinnen, keine Aus- Bild der verhassten Religionsführer verteidigst du? Die Korruption? Die Kinder 83, über den das Gerücht umgeht, er sei
gegen Kinder und Jugendliche einzusetzen – schüsse und keine Ideologie; der Kampfruf den Mittelfinger entgegen der Geistlichkeit, die im Westen leben und längst tot und lasse sich nur noch durch ein
aber nicht unmöglich. Nika Schakarami, eine lautet einfach: »Frauen, Leben, Freiheit!« ihren Spaß haben? Verteidigst du Armut, Pros- Double vertreten, präsentierte nach zwei
16-Jährige aus dem westiranischen Chorra- Das Amorphe ist aber womöglich gerade titution und Elend unter deinen Mitbürgern?« Wochen des Schweigens die übliche Anklage:
mabad, war am 20. September nach Teheran ihre Stärke: Es sind eben irgendjemandes Der Iran hat schon mehrere Aufstände Die USA, die »Zionisten« und verräterische
gefahren, um sich den Protesten anzuschlie- Eltern, Kinder, Ehemänner und Großeltern, erlebt – aber in keinem ging es so unmittelbar Exiliraner steckten hinter den Protesten. Es
ßen. In einer letzten Nachricht, so berichtete Gläubige und Säkulare, Arme aus dem Süden, um die körperliche Lebenswirklichkeit von handele sich um eine Minderheit, die man
ihre inzwischen festgenommene Tante Atasch
Schakarami gegenüber mehreren Medien,
Reiche aus den Villenvierteln von Teheran.
»Wenn wir uns nicht zusammentun, bringen
Die Opfer Frauen. Die Anwältin Nasrin Sotudeh, selbst
jahrelang vom Regime inhaftiert und derzeit
disziplinieren und lenken könne. Niemand
weiß, wer ihm nachfolgt. Im Parlament­
schrieb die Schülerin, sie sei auf der Flucht vor sie uns einen nach dem anderen um«, rufen auf Hafturlaub, beschreibt in einem Zoom- erhoben sich aber die Abgeordneten und
Sicherheitskräften. Studenten in einem Video aus Karadsch. Dass Gespräch, wie sie diese Tage erlebt: »Für uns riefen: »Danke, Polizei!«
Zehn Tage lang hörte die Familie nichts das Regime nun Jagd auf seine Schülerinnen ist das seit 43 Jahren eine konkrete, physische Andererseits fordern inzwischen auch
von ihr, suchte in Krankenhäusern, Polizei- und Studenten macht – die Bilder von den in Erfahrung. In einem Urteil nach dem ande- Stimmen unter den Konservativen die Auflö­
revieren und Leichenschauhäusern, bis die einem Parkhaus Eingekesselten an der Tehe- ren, in einem Gesetz nach dem anderen wird sung der gefürchteten Sittenpolizei oder zu-
Behörden schließlich die Familie zur Identifi- raner Universität Scharif gingen um die durch Kleidervorschriften nach unseren mindest eine Lockerung der Kopftuch-­Regeln.
kation ihrer Leiche baten. Man zeigte ihnen Welt –, dürfte wohl das beste Sinnbild dafür Körpern gegriffen«, so Sotudeh, die jederzeit Der Tod von Mahsa Amini »hat uns das Herz
nur kurz das Gesicht der Toten, das kaum sein, dass es keine Zukunft hat: Die Islami- damit rechnen muss, erneut ins berüchtigte gebrochen«, hatte das Staatsoberhaupt noch
mehr zu erkennen war, weil Nase und Schädel sche Revolution frisst ihre Kinder. Evin-Gefängnis gebracht zu werden. »Es geht gesagt. Womöglich ist diese Bemer­kung zu-
zertrümmert waren. Hunderte von Protestie- Die Zahl der Toten liegt inzwischen bei nicht nur um einen Dresscode. Es geht um treffender, als ihm lieb sein kann.
Nika Schakarami, Sarina Esmailsade,
renden trafen sich daraufhin am Sonntag, mindestens 130, höchstwahrscheinlich aber Vergewaltigung und andere Übergriffe. Sie
mit 16 von der mit 16 von
eigentlich dem 17. Geburtstag des Mädchens, viel höher. Anders als früher, wo die Beerdi- schlagen dich grün und blau, und dann­ Mitarbeit: Nasrin Bassiri
Polizei in Teheran Sicherheitskräften
bei der Beerdigung auf dem Friedhof von gungen von Opfern der Sicherheitsbehörden wickeln sie dich wieder in einen Schleier, um
getötet erschlagen
Chorramabad, wo ihre Mutter mit einem still und diskret abliefen, herrscht auf den zu verstecken, was sie dir angetan haben.« Lesen Sie auch Abdel-Hakim Ourghi
Bild von ihr in der Hand auf Videos zu sehen Friedhöfen nun ebenso viel Wut wie Trauer, Sotudehs Tochter muss auf dem Weg zur über die Iranerinnen und das Kopftuch:
ist und ruft: »Wir sind stolz auf dich, du bist werden Begräbnisse zum Schauplatz für Universität sechs Checkpoints passieren, wo Glauben & Zweifeln, S. 60
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 POLITIK 3

Hier könnte bald Ihr Auto stehen


In Berlin-Mitte soll eine 200 Jahre alte Eiche gefällt werden, um Platz zu schaffen für Luxuswohnungen mit Tiefgarage.
Die Anwohner sind entsetzt. Aber haben sie auch recht?  VON MARK SCHIERITZ

A
ls sie sich aus der Erde schob, verwandeln. Für das Weltklima ist die Eiche in der
ein dünnes Pflänzchen, die Dresdener Straße also eigentlich nicht so wichtig.
Blätter noch eingerollt, gab es Aber für Pilze, Flechten, Insekten, Vögel, Eich-
keine Autos, keine Eisenbahnen hörnchen. Eine ausgewachsene Stiel­ eiche behei-
und keine Flugzeuge. In Russ- matet etwa 2300 Arten. Julian Rosefeldt hat vor ein
land regierte Zar Alexander I., paar Wochen einen Mäusebussard gefilmt, der sich
und Na­ po­
leon war gerade in in der Krone niedergelassen hatte. Und Bäume fil-
der Schlacht bei Waterloo besiegt worden. Man tern Schadstoffe aus der Luft, geben Feuchtigkeit
kann das Alter eines Baumes bestimmen, wenn ab und spenden Schatten – große, alte Bäume kön-
man den Umfang seines Stammes misst. Die Eiche nen das besser als kleine, junge. Unter einer Baum-
in einem Hinterhof der Dresdener Straße im Ber- krone sei es an heißen Tagen um bis zu fünf Grad
liner Stadtbezirk Mitte, Flurstück 372, hat einen kühler als im freien Gelände, sagt Andreas Roloff,
Umfang von 280 Zentimetern und ist damit rund Professor für Forstbotanik an der Technischen Uni-
200 Jahre alt. Sie hat den Ersten Weltkrieg über- versität Dresden. Das verhindert, dass sich Häuser
lebt und im Zweiten die Bomben, die viele der und Straßen stark aufheizen, und begünstigt die
Häuser um sie herum zertrümmerten. Sie war da, Abkühlung in der Nacht. Roloff ist Experte für
als die Mauer gebaut wurde, gleich um die Ecke, Stadtbäume, er hat ein Buch über sie geschrieben.
eine Gedenktafel erinnert heute daran, und als die Für das Klima mag es egal sein, wo ein Baum steht
Mauer fiel. Sie hat die Monarchie ausgehalten, den und wie alt er ist – Hauptsache, Baum. Für die Men-
Faschismus und den Sozialismus. Aus Berlin wur- schen ist es aber nicht egal. Ob Hitze herrscht oder
de eine Millionenmetropole, und sie ist einfach nicht, die meisten berührt der Anblick alter Bäume auf
immer weitergewachsen, dem Licht entgegen. eine Weise, die sie nicht beschreiben können. Viel-
Eichen können 1000 Jahre alt werden, die Ei- leicht weil sie sich ihrer Endlichkeit bewusst werden.
che an der Dresdener Straße hätte also noch ein
paar Jahrhunderte vor sich. Doch könnte dieser Das Gesetz sagt:
Sommer ihr letzter gewesen sein. Denn da, wo sie Baurecht bricht Baumrecht
steht, soll ein Haus gebaut werden: zehn Wohnun-
gen, vier Geschosse, eine Tiefgarage mit sechs Dass Bäume etwas anderes sind als grüne Gegen-
Stellplätzen, die Fahrzeugen mit den Abmessun- stände am Wegesrand, glaubt auch das Bezirksamt
gen eines Audi A6 Avant Platz bieten – ein Koloss von Mitte. So steht in einem Beschluss vom Mai
mit einer Länge von fast fünf Metern. So steht es dieses Jahres: »Die Pflege von Grün- und Freiflächen,
in den Bauplänen, die die Hamburger Concept- der Schutz der Bäume und der Biodiversität sind es-
Immobilien Gesellschaft mbH beim zuständigen senziell für Klimaschutz, Aufenthaltsqualität und den
Bezirksamt eingereicht hat. Die Baugenehmigung sozialen Zusammenhalt.« Die Eiche tut allen gut,
wurde am 8. August 2021 erteilt, Geschäftszeichen egal ob jemand viel oder wenig Geld hat, ihre Schön-
1140-2021-1080-Stadt(11)2 207. heit und ihr Schatten sind umsonst.
»Baustadtrat Gothe lässt in Berlin-Mitte für sechs Rosefeldt wirft Baustadtrat Gothe vor, sich nicht
SUV-Stellflächen eine 200 Jahre alte Eiche fällen – an diesen Beschluss des Bezirksamts zu halten. Er
völlig legal. Ist das noch zeitgemäß?«, schrieb Andreas hätte die Baugenehmigung einfach nicht erteilen
Knie, Verkehrsexperte am Wissenschaftszentrum sollen. Doch fragt man Gothe selbst, sagt der, er habe
Berlin, am 17. September auf Twitter. Baustadtrat »erhebliche Anstrengungen unternommen«, um eine
Gothe ist Ephraim Gothe, 58, Sozialdemokrat, Be- Fällung zu verhindern. So habe er mit der Immobi-
zirksstadtrat für Stadtentwicklung und Facility-­ lienfirma des Bauprojekts verhandelt, damit der
Manage­ment, und was die moralische Eindeutigkeit Baum erhalten werden könne. Sie sei aber auf Än-
der Frage angeht, die auf Twitter gestellt wurde, derungswünsche nicht eingegangen. Die Anwältin
hätte diese auch lauten können: »Baustadtrat Gothe der Concept-Immobilien habe sogar gedroht, ihn zu
ertränkt Katzenbabys. Ist das noch zeitgemäß?« Aber verklagen, wenn die Genehmigung nicht erteilt
ist es wirklich so eindeutig? Ein fieser Stadtrat? Eine werde. Das Unternehmen äußerte sich dazu nicht.
hilflose Gemeinde? Auto versus Baum? Im Mittelalter galten Eichen als Symbole des Le-
bens, ihre Wurzeln dringen bis zu 40 Meter ins Erd-
Die Eiche wölbt sich wie ein gewaltiger reich vor. Ihre Standfestigkeit hat die Menschen immer
grüner Sonnenschirm über den Innenhof beeindruckt. Eichen werden in Liedern und Gedichten
besungen. Im Gesetzbuch aber fehlt die Eiche, genau-
Der Weg zur Eiche führt durch eine Hofeinfahrt. »Die er gesagt im Baugesetzbuch. Es stammt aus dem Jahr
Eiche bleibt«, hat jemand in Großbuchstaben auf die 1960 und regelt, was in Städten und Gemeinden ge-
grau gestrichene Fassade des Durchgangs geschrieben. baut werden darf. In Paragraf 34 steht: Ein Gebäude
Daneben haben die Kinder der Nachbarschaft mit hat sich in seiner Bauweise in die »­ Eigenart der näheren
Kreide einen Baum gemalt, in einem Loch in seinem Umgebung« einzufügen. Eine Baubehörde kann die
Stamm sitzt eine Eule. An diesem Donnerstag – dem Farbe der Fassade vorschreiben, ebenso die Zahl der
letzten im September – haben sie aus grüner Pappe Geschosse oder die Dachform. Man darf sein Haus
Eichenblätter gebastelt und an heruntergefallenen nicht einfach pechschwarz streichen, wenn alle anderen
Ästen befestigt, die sie in die Kameras halten. Das Häuser drumherum weiß sind, und keinen Wolken-
Fernsehen ist da, ein Orchester spielt, es gibt Brezeln kratzer in einer Einfamilienhaussiedlung errichten.
und Apfelsaft. Die Anwohner haben sich zusammen- Bäume aber tragen im Baugesetz nicht zur Eigen-
geschlossen und eine Protestkundgebung organisiert. art der näheren Umgebung bei. Nach der Berliner
»Diese Eiche steht für das märchenhafte und ro- Baumschutzverordnung muss zwar jeder Laubbaum
mantische Berlin. Sie muss bleiben«, sagt Eckard mit einem Stammumfang von mindestens 80 Zenti-
Müller, Lehrer. In seiner Hand hält er ein Schild mit metern »erhalten und gepflegt« werden. Wenn sie
der Aufschrift »Auto oder Atmen«. jedoch einem ansonsten zulässigen Gebäude im Weg
»Ich kann die Eiche von meinem Küchenfenster stehen, müssen sie weichen. Wie ein Fels. Oder ein
aus sehen. Im Herbst hat sie so schöne Laubfarben, alter Schuppen. Daran ändern auch politische Ab-
Foto: Hannes Jung für DIE ZEIT

ich habe oft Bilder gemacht. Ich finde es unmöglich, sichtserklärungen nichts, wie sie im Beschluss des
dass sie jetzt wegsoll. Das ist doch nur Geldschneide- Bezirksamts zum Klimaschutz Ausdruck finden. Die
rei«, sagt Elke Pötter, Rentnerin. Sie wohnt gegenüber Eiche stehe »auf privatem Grund«, deshalb gehe von
in der Mietskaserne aus den Sechzigerjahren. einem solchen Beschluss »kein bindendes Recht« aus,
»Wie kann es sein, dass das Bezirksamt Mitte urteilt das Verwaltungsgericht. Es lehnte den Antrag
trotz der dramatischen klimatischen Entwicklun- auf einstweilige Anordnung ab, mit der die Anwoh-
gen im Hitzejahr 2022 ohne Notwendigkeit die ner verhindern wollten, dass die Concept-Immobilien
Fällung einer über 200 Jahre alten Eiche geneh- die Eiche einfach fällt, bevor in der Sache ein Urteil
Noch ist sie da: Die Eiche in der Dresdener Straße,
migt?«, fragt Julian Rosefeldt, Filmregisseur. ergangen ist. Jürgen Kaape muss sein Wohnhaus
fotografiert am 2. Oktober 2022
Rosefeldt ist einer der Anführer der Pro­ test­ nicht umplanen, die Tiefgarage auch nicht. Ab jetzt
initiative. Er wohnt mit seiner Familie in einem ehe- kann er mit der Eiche machen, was er will.
maligen Schulgebäude, an das die Eiche sich zu Um sie zu retten, müsste man Bäume mit Rechten
schmiegen scheint. Es wurde erbaut, als sie etwas mehr ausstatten. Man müsste die Gesetze ändern oder neu
als ein halbes Jahrhundert alt war. Sie hat es gut ver- interpretieren, wie es das Bundesverfassungsgericht
kraftet, auch als einige ihrer Äste abgeschnitten wur- Menschen haben sie unterzeichnet. Die Eiche ist Kronenvolumens. Wahrscheinlich würde die Wur- lehnt eine Umplanung ab. Er werde »sorgfältig mit im vergangenen Jahr tat, als es aus dem Grundgesetz
den, damit Platz war für Balkone, die vor etwa zehn inzwischen sogar auf Instagram. Der Account traum- zelmasse absterben. Die Eiche wäre tot. Oder wie das dem Baum umgehen«, sagt Jürgen Kaape, einer der eine Pflicht zur Bewahrung der natürlichen Lebens-
Jahren angebracht wurden. Das Bezirksamt hat die baum36 hat 233 Follower. Man sieht darauf Bilder Gutachten es formuliert: »Totalschaden«. beiden Geschäftsführer. Sollte dieser den Beschnitt grundlagen für die kommenden Generationen ab-
Eiche kürzlich untersuchen lassen, so wie ein Arzt der Protestaktionen und historische Aufnahmen des Immobilienentwickler haben das Gesicht der nicht überleben, könne der Stamm als begrüntes »Tot- leitete, obwohl das da so nicht drinsteht.
einen Menschen untersucht. Ergebnis: Sie sei »gesund Baugrundstücks. Früher stand die Eiche am Rand Stadt verändert, sie haben Wohnraum geschaffen, oft baumbiotop« stehen bleiben. Oder anders formuliert: Als das Baugesetzbuch verfasst wurde, war der
und vital«. Fast 20 Meter ist sie hoch, die Krone wölbt eines weiten Platzes, in den letzten Jahren kamen teuren. Doch fiele der Abschied von der Eiche leich- als ein Stück Holz, das aus der Erde ragt. Schutz der Natur noch kein großes Thema. Man
sich über den Innenhof wie ein gewaltiger grüner immer mehr Gebäude hinzu. Die Dresdener Straße ter, wenn sie für billige Wohnungen stürbe – ohne Wenn in Deutschland gebaut wird, steht oft ein wollte bauen: Häuser, Wohnungen, Gewerbeimmo-
Sonnenschirm. In Europa gibt es etwa zwei Dutzend liegt in einer bei Immobilienentwicklern beliebten Stellplätze für große Autos? Baum im Weg. Im vergangenen Jahr wurden allein bilien. Im Jahr 1950 hatte jeder Deutsche im Schnitt
Eichenarten, die Eiche in der Dresdener Straße ist eine Gegend, lange war hier, so nah an der Mauer, nicht Die Freunde der Eiche argumentieren, dass schon im Bezirk Mitte 370 Bäume gefällt, in ganz Berlin 14 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung, heute
Stiel­eiche. Stiel­eichen sind für ihre Anpassungsfähig- viel los. Die Häuser, die inzwischen entstanden sind, der Verzicht auf die Tiefgarage ausreiche, um den waren es 6269. Einige waren krank oder beschädigt, sind es 47 Quadratmeter. Wohnraum ist Wohlstand.
keit bekannt. Sie sind nicht so leicht zu erschüttern. haben bodentiefe Fenster, auf den Balkonen stehen Baum zu erhalten. Dann könne das Gebäude einfach aber viele starben für Bauvorhaben. Zahlen für ganz Und weil der Wohlstand weiter wachsen soll, soll
Wenn Rosefeldt auf seinem Balkon sitzt, dann Laufräder und Blumenkübel. verschoben werden. Sie werde ohnehin nicht benötigt, Deutschland werden nicht erhoben, aber auch in noch mehr gebaut werden. Nicht nur Wohnungen,
ist es ein wenig, als säße er in ihrer Baumkrone. Er Je mehr Raum Häuser, Laufräder, Blumenkübel weil es in diesem Teil Berlins genug Parkplätze gebe. anderen Städten müssen alte Bäume weichen. auch Windräder, Mobilfunkmasten, Bahntrassen.
habe Verständnis dafür, dass neue Wohnungen ge- einnahmen, desto weniger blieb für die Eiche. Das Die Anwohner haben nachgezählt, im Umkreis von Doch es werden auch neue gepflanzt, und sollte Bäumen ihren Platz zu lassen würde bedeuten: weni-
baut werden, sagt er. Es gebe zu wenige, die Mieten mit der Planung des Neubaus betraute Architektur- 200 Metern befinden sich sechs Tiefgaragen mit die Eiche in der Dresdener Straße gefällt werden, ger von alldem für alle.
seien zu hoch. Aber man müsse so bauen, dass die büro hat bei einem Unternehmen für Baumpflege freien Stellflächen. Die Concept-Immobilien Gesell- werden auf Anordnung des Bezirksamts anderswo Eichen wachsen langsam. Nach 40 Jahren bilden
Eiche weiterleben könne. Deshalb hat die Anwoh- ein Gutachten in Auftrag gegeben. Die Krone des schaft sagt, dass nicht genug Platz für die Eiche ge- fünf sogenannte Ersatzbäume wachsen. Die Immo- sie eine Blüte, nach 60 bis 80 Jahren hängen an ihren
nerinitiative – erfolglos – vor dem Berliner Verwal- Baums ragt demnach weit in das geplante Gebäude schaffen werden könne, wenn man einfach die Tief- biliengesellschaft hat deshalb bereits 3325 Euro an die Ästen das erste Mal Eicheln. Manche hören erst auf
tungsgericht gegen die Baugenehmigung geklagt und hinein. Deshalb seien »Schnittmaßnahmen in gro- garage wegließe. Die Abmessungen der Geschosse und Stadtkasse bezahlt – dafür bekäme man in Mitte etwa zu wachsen, wenn sie 200 Jahre alt sind. Dann stehen
im Internet eine Petition für den Erhalt des Baumes ßem Umfang« notwendig. Großer Umfang heißt: damit der Wohnraum müssten verkleinert werden. In einen halben Quadratmeter Wohnfläche. Die jungen sie nur noch da, ruhig, tief verwurzelt, in voller Pracht.
gestartet. »Helft mit, dass der Traum von diesem Die Eiche würde mehr als 90 Prozent ihres Blatt­ beiden Fällen gilt: Der Verkauf der Wohnungen Bäume werden, wie die alte Eiche, klimaschädliches
Berliner Baum nicht endet« steht da. Mehr als 5000 volumens verlieren und mehr als 80 Prozent ihres würde weniger Geld einbringen. Das Unternehmen Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen und es in Holz www.zeit.de/vorgelesen
4 POLITIK 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Zu Beginn seiner Herrschaft sahen manche in Xi Jinping einen Reformer. Heute erstarren
die Menschen in China vor Angst, wenn der Name des Präsidenten fällt  VON XIFAN YANG

Er *

F
Liangjiahe/Peking der »roten Aristokratie« genannt werden) in einen Zhe­ jiang, zwei Hochburgen des Privatsektors, land, sein jüngerer Bruder ging nach Hongkong, Lehre in seiner persönlichen Karriereplanung.
ür einen Ort, den so viel Glanz Mann der Tat. Die flohverseuchte Höhle, in der agierte Xi unternehmerfreundlich und ver- seine ältere Schwester nach Kanada. Xi habe geahnt, Später warf er sie über den Haufen, sowohl in
und Glorie umweht, ist Liangjia- er bis 1975 hauste, kann man heute besichtigen. schlankte die Bürokratie. Als orthodoxer Mar- dass er im Ausland »nichts Besonderes« mehr sein seiner Außenpolitik wie auch in seiner Amtsfüh-
he recht trostlos. Runtergezogene Auf dem kohlebeheizten Bett, auf dem Xi einst xist, der er heute offiziell ist, gab er sich damals würde, erklärt der anonyme Professor seinen Weg. rung als Staatspräsident.
Ladenrollos, leerer Parkplatz. Pro- nebst fünf anderen schlief, liegen sorgsam gesta- nicht zu erkennen. Xi habe sich in Gruppen steif verhalten: »Er ließ In den Staatsmedien und in der gesamten Öf-
minentester Blickfang am Orts- pelte Baumwolldecken, die rauen Lösswände Der Sinologe Alfred L. Chan, der in Kanada sich nie in die Karten blicken.« Und: »Frauen hiel- fentlichkeit ist Xi präsent wie kein Zweiter seit Mao.
eingang ist eine mobile Polizei- sind mangels Tapeten mit Zeitungen beklebt. lebt, hat Anfang dieses Jahres eine umfangreiche ten ihn für langweilig.« Im Herzen sei Xi kein Ideo- Seit 2017 ist »Xi Jinpings Gedankengut über den
station. »Was wollen Sie hier?«, Ein paar Meter weiter, im Dorfmuseum, doku- Xi-Biografie veröffentlicht. Chan beschreibt Xi loge, sondern ein Realist, korrumpierbar nicht Sozialismus chinesischer Prägung« in der Verfassung
knurrt der Wachmann, nachdem man einen la- mentieren Schautafeln minutiös die ju­ gend­ in seinem Werdegang als ein Chamäleon: »Er durch Geld, aber durch Macht. Er sei jedoch »ex- verankert, seit 2021 wird ein gleichnamiges Fach
byrinthartigen Sicherheitsbereich passiert hat. lichen Wundertaten Xis. verhielt sich unauffällig, um für alle Seiten ak- trem getrieben« und glaube, als Prinzling und Erbe schon in der Grundschule gelehrt. Xis Parolen
Der ungebetene Besuch mit Presseausweis wird Xi senior wurde nach Maos Tod rehabilitiert zeptabel zu sein.« Xi fiel weder mit Frauenge- der ersten Revolutionsgeneration »berechtigt zu hängen an Autobahnbrücken und Hochhausfassa-
zur Aufnahme der Personalien in ein Büro zitiert, und spielte bald eine zentrale Rolle in Deng schichten noch mit Alkohol auf wie andere Jung- sein, China zu regieren«. den, sein Gesicht blickt von Wohnzimmerwänden
in dem zwei mannshohe Servertürme vor sich Xiaopings Öffnungspolitik. Als Gouverneur der kader, in Sachen Korruption blieb er skandalfrei. Als die Parteiälteren um Hu Jintao und Jiang in der Provinz und von den Altaren buddhistischer
hin brummen wie kaputte Kühlschränke. Die Provinz Guangdong schuf er in einem Fischer- Ein Geheimbericht der US-Botschaft in Peking Zemin Ende der Nullerjahre einen Kronprinzen Tempel in Tibet herab.
Technik für die 51 Überwachungskameras auf dorf namens Shen­ zhen die erste Sonderwirt- von 2009 an das Außenministerium in Washington suchten, galt Xi Jinping als moderat und bieder – Ein Unterschied zur Mao-Ära fällt auf: Der
dem Gelände frisst offenbar viel Strom. Personenkult um Xi wirkt im zehnten Jahr seiner
Zwischen gelben Lössfelsen, zu deren Füßen Amtszeit unterkühlt und leblos. Der »Über­
Mais und Kohl wachsen, geht es einen verschlun- ragen­de Führer« ist omnipräsent, aber niemand
genen Weg hinauf in das Dorf Liangjiahe, wo will über ihn reden. In Liangjiahe, einem Ort, an
Staatspräsident Xi Jinping seine prägenden Jugend- dem alles dem Gedenken an den jungen Xi ge-
jahre verbrachte. Der Ort ist heute Freilichtmuseum widmet ist, haben die Menschen mit er­staun­
und kommunistische Heiligenstätte zugleich. Man lichen Gedächtnisproblemen zu kämpfen. Liang
erwartet Revolutionshymnen schmetternde Mas- Yujin ist um die 70, ein für sein Alter sportlich
sen, trifft an diesem Tag aber zunächst auf eine gebauter Mann im türkisblauen Pulli. Seit Jahr-
Gruppe schwarz gekleideter Beamter mit Headsets, zehnten verkauft er Äpfel, Datteln und Zigaret-
die auf mitgebrachten Klapphockern unter einem ten an einem Dorfkiosk. Über der Kasse hängen
Weidenbaum sitzen und in andächtiger Stille einem zwei Gruppenbilder mit Xi, 1975 und 1995 in
Reiseleiter lauschen: Das Märchen spielt Anfang Liangjiahe aufgenommen. »Xi war mein Nach-
der Siebzigerjahre und handelt von einem von weit bar«, sagt der Kioskbetreiber etwas unwillig und
her angereisten Wunderknaben. »Der 15-Jährige tippt auf dem älteren Schwarz-Weiß-Bild auf
konnte 100 Kilo Weizen auf seiner rechten Schul- den jungen Kerl hinter Xi, der er einst war. Inte-
ter tragen«, spricht der Reiseleiter im salbungsvollen ressiertes Nachsetzen führt dazu, dass Liangs Ge-
Flüsterton. »Er bohrte Brunnen und baute Dämme. sichtszüge augenblicklich einfrieren. Auf die
Er verdoppelte die Ackerfläche von Liangjiahe Frage »Wie war Xi damals?« räumt er das Bild
binnen eines Jahres. Nie mehr mussten die Dorf- fort und behauptet schmallippig, er könne sich
bewohner hungern.« Ein Pfundskerl, dieser Xi »an nichts erinnern, habe alles vergessen«. Ein
Jinping! wenig fühlt man sich an Lord Voldemort erin-
Die Beamten befänden sich auf »Studien­ nert, den Bösewicht aus Harry Potter, den alle aus
reise«, erzählt einer aus der Gruppe. Bevor er Ehrfurcht als »Er, der nicht genannt werden darf«
weitersprechen kann, tritt ein Uniformierter aus bezeichnen.
dem Schatten und fuchtelt aufgeregt mit der Ähnliche Formen der Geschichtsdemenz of-
Hand: keine Interviews in Liangjiahe erlaubt. fenbaren andere Ex-Kameraden von Xi, denen
Viereinhalb Jahrzehnte nach dem Tod von man in Liangjiahe begegnet. Der Staat versteht
Mao Zedong hält wieder ein Alleinherrscher das Geschäft mit der Erinnerung als sein Mono-
China im Griff. Sofern nicht der Himmel über pol, lässt sich daraus schließen. Dabei setzt er
Peking einstürzt, wird Xi Jinping Mitte Oktober anscheinend auf künstliche Verknappung: Zu
auf dem 20. Parteitag seine dritte Amtszeit ab­ Zeiten der Kulturrevolution konnte man Mao-
sichern. Damit wird auch der Bruch mit der Ära Poster, -Anstecker, -Becher und -Statuen noch an
der politischen Öffnung endgültig besiegelt, für jeder Ecke erstehen. Von Xi-Devotionalien fehlt
den Xi seit nunmehr zehn Jahren steht. Was lässt dagegen in Liangjiahe und anderswo fast jede
sich über einen Mann schreiben, über den so gut Spur. »Gibt es nicht«, sagt der Kioskbetreiber
wie nichts Persönliches bekannt ist? Liang Yujin. »Mussten wir wegpacken«, murmelt
Wer erfahren will, wie die Bevölkerung in Chi- eine Verkäuferin mit gesenktem Kopf. Eine
na über den mächtigen KP-Führer denkt, stößt Scherenschnittkünstlerin erzählt, dass sie zu je-
schon seit einiger Zeit auf eine Mauer des Schwei- dem Geburtstag von Mao Zedong einen neuen
gens. Auf den Straßen schauen Menschen ver- Schnitt von dessen Konterfei kreiert. 120 Model-
schreckt über ihre Schulter, sobald sie den Namen le habe sie inzwischen im Angebot. Von Xi habe
Xi Jinping hören. Im Netz wachen Zensoren so sie eines, aber nur auf Vorbestellung. Warum?
eifrig über jede Nennung des Staatschefs, dass Nun, die Regeln seien nicht ganz klar, windet
viele nur noch »er« oder »derjenige« schreiben. Laut sich die Frau. Xi lebe ja noch, sie wolle auf kei-
dem Internetportal China Digital ­ Space sind nen Fall Ärger.
35.467 Ausdrücke im Zusammenhang mit Xi ver- Je länger die Recherche andauert, desto mehr
boten. Selbst der einst geläufige, wohlwollende verfestigt sich der Eindruck, dass man nach Heh-
Spitzname »Xi Dada«, Onkel Xi, darf nicht mehr lerware sucht. Ob auf Taobao, dem chinesischen
verwendet werden. Amazon, in den Touristengassen Pekings oder im
Dabei gab sich Xi zu Beginn seiner Amtszeit Künstlerdorf Dafen in Südchina, wo Ölgemälde
Composing: Martin Burgdorff für DIE ZEIT (verwendete Fotos: imago, laif)

vor zehn Jahren alle Mühe, volksnah zu erschei- von Xi Jinping vor wenigen Jahren noch Best­
nen. Er ließ sich beim Taxifahren ablichten, beim seller waren – überall heißt es: Haben wir nicht
Besuch eines Teigtaschen-Imbisses, inszenierte mehr. Nicht mehr erlaubt. Nur noch auf Lager.
sich an der Seite seiner Ehefrau, der berühmtem Kommerzielle Bustouren nach Liangjiahe, bei
Schlagersängerin Peng Liyuan, als liebevoller denen Reisegruppen Weizensäcke schleppten
Gatte. Nach Jahrzehnten der Regentschaft steifer und ein­ an­der bei Kerzenlicht aus Karl Marx’
Technokraten kam das an. Die Welt wusste we- Kritik des Gothaer Programms vorlasen (wie das
nig über den Neuen. Chinesische Intellektuelle große Vorbild), sind seit Sommer 2018 verboten.
ebenso wie westliche Meinungsmacher hielten Xi Selbst der Suchbegriff »Liangjiahe« war 2018
im Jahr 2012 für einen potenziellen Reformer. einmal im Netz gesperrt.
Die Geschichte verlief bekanntlich anders. Was ist da los? Wo bleibt das Kultige am Per-
Wie hat es dieser Mann, den ein früherer Weg- sonenkult um Xi? Anruf bei Daniel Leese, Pro-
begleiter gegenüber US-Diplomaten als »langweilig« fessor der Sinologie an der Universität Freiburg
und »durchschnittlich intelligent« beschrieb, an die und einer der besten Kenner der kommunis­
Spitze von Partei und Staat geschafft? tischen Parteigeschichte. »Am Personenkult kann
In der KP-Mythologie liegt der Schlüssel zu man erkennen, wie es um die Macht des obersten
Xi Jinpings Kaderkarriere in Liangjiahe, dem Führers bestellt ist.« Leese erzählt von Loyalitäts-
Dorf in den Lössbergen der zentralchinesischen tänzen für Mao und der Mango-Manie, die­
Provinz Shaanxi. 1969 wurde Xi dorthin zur China auf dem Höhepunkt der Kulturrevolution
Umerziehung durch Arbeit verbannt – als Sohn Chinas Staatschef Xi Jinping hat so viel Macht wie vor ihm nur Mao Zedong ergriff. Mao hatte 1968 eine Kiste Mangos ans
eines in Ungnade gefallenen Elitekaders. Der (in der Illustration haben wir Porträts der beiden kombiniert) Volk verschenkt, daraufhin wurde die Mango zu
Verbannungsort lag nur eine Autostunde östlich einer Art Heiligenattribut.
von Yan’an, der Wiege der chinesischen Revolu- Über wie viel Machtfülle verfügt Xi also im
tion, wo Xi senior einst als Revolutionär der ers- schaftszone des Landes. Heute ist Shen­zhen mit gibt einen Einblick in das Innenleben von Xi. In als ein Kandidat, der niemandem wehtun würde. Vergleich mit Mao? »Mao konnte Menschen mit
ten Generation an der Seite Maos gedient hatte. zwölf Millionen Einwohnern ein Zentrum der dem Bericht, der von Wiki­Leaks veröffentlicht Sein größter Vorteil sei gewesen, dass er keiner einem Satz in den Tod schicken. Seine Macht als
Xi Zhongxun hatte es bis zum Rang eines Vize- chinesischen Hightech-Industrie. wurde, beschreibt ein namenloser Professor und Fraktion angehörte, schreibt der Xi-Biograf Al- Revolutionsführer basierte auf Loyalitäten, die
premiers gebracht, als er 1962 zum »Schwarzen Der Ruf von Xi senior als »Reformer« eilte Xi langjähriger Weggefährte Xis den späteren Staats- fred L. Chan. Xi profitierte außerdem von dem durch Kriege und harsche Kampagnen geformt
Element« abgestempelt wurde, mit Konsequen- junior voraus, als der 2012 die Macht übernahm. chef als jemanden, der von Anfang an einem ge- Umstand, dass er in seinen 17 Jahren in Fu­jian wurden«, sagt Leese. So gesehen habe Xi weniger
zen für die ganze Familie. Xi Jinpings eigene Bilanz als Politiker war zu dem nauen Karriereplan folgte. Andere hätten nach den loyale Unterstützer in der Armee gewonnen hat- Macht. Der kontrollierte Kult demonstriere aber
Mao beschuldigte Xis Vater, eine Verschwörung Zeitpunkt unscheinbar: Nach einem Studium in Schrecken der Kulturrevolution Zerstreuung und te. Aufgrund der geografischen Nähe zu Taiwan dafür eine andere Stärke Xis. Auf dem Höhe-
zu betreiben, nur knapp entkam er der Todesstrafe. Chemieingenieurwesen an der Pekinger Tsing- Spaß gesucht: »Xi aber entschied sich zu überleben, sind in Fu­jian wichtige Elite-Einheiten des Mili- punkt von Maos Macht habe ein jeder Mao-­
Xi Jinping und seine Geschwister wurden jahrelang hua-Universität, in dem hauptsächlich Marxis- indem er röter als rot wurde.« Das System, unter tärs stationiert. Seine Frau Peng Liyuan wurde als Anhänger Anstecker getragen und Mango-­
in der Schule gemobbt. Eine ältere Halbschwester mus auf dem Lehrplan stand, erhielt Xi dank der dem er gelitten hatte, wollte er offenbar nicht be- Sängerin der Volksbefreiungsarmee berühmt. Attrappen angebetet. Dass diese Art des Kult­
Xis beging Suizid, als der Terror gegen vermeintliche Hilfe seiner Mutter seine erste Stelle. Als Sekretär kämpfen – Xi ging daran, es nach dessen eigenen Das früh aufgehäufte politische Kapital macht exzesses unter Xi nicht existiert, dass auf seinen
Abweichler während der Kulturrevolution seinen des Verteidigungsministers knüpfte er früh Kon- Regeln zu bezwingen. sich noch heute für ihn bezahlt. Befehl hin gar sämtliche Fanartikel von der Bild-
Höhepunkt erreichte. takte zum Militär. Von Mitte der Achtzigerjahre Es hätte Alternativen für ihn gegeben: Möglich- »Verstecke deine Stärken, und warte, bis dei- fläche verschwinden, »spricht für ein hohes Maß
In Liangjiahe verwandelte sich Xi der Sage an kletterte Xi in den boomenden Provinzen der keiten, ins Ausland zu gehen, schlug er aus. Seine ne Zeit gekommen ist« lautet die berühmte Ma- an zentraler Steuerung«, sagt Leese. »Xi hält den
nach vom privilegierten Prinzling (wie die Söhne Ostküste die Karriereleiter empor. In Fu­jian und erste Frau zog Anfang der Achtzigerjahre nach Eng- xime von Deng Xiaoping. Xi befolgte Dengs Apparat offensichtlich fest in der Hand.«

der nicht genannt werden darf


6 POLITIK 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Sabine Fischer, Stiftung Wissenschaft für Politik, Claudia Major leitet die Forschungsgruppe Jana Puglierin, Chefin des Berliner
ist Russlandexpertin und hat jahrelang in Moskau gelebt Sicherheitspolitik bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik Büros des European Council on Foreign Relations

Wenn Frauen
den Krieg erklären
In der Debatte über Putins Angriffskrieg sind wichtige Stimmen weiblich. Die Expertinnen müssen mit viel Hass umgehen  VON JÖRG LAU

A
uch dies ist eine Art Zeiten­ Strategie am Schwadronieren hindern will. Wenn Daraufhin postete der Nutzer »Klaus Kinski«: tasien. Die Absender changieren oft zwischen pa­ Chris­tian Drosten und Melanie Brinkmann, die auch
wende: Nie zuvor waren in der Fischer Putins neueste Drohungen ausführlich auf »Die Gift versprühenden Trockenpflaumen werden ternalistischer Schmeichelei, Typberatung und viel Hass abbekommen hätten.
deutschen Debatte über Krieg Twitter deutet, macht ihre Expertise in sämtlichen sich noch wundern, wie sehr der Hass der eigenen Anmache: »Sie sollten öfter hohe Schuhe tragen.« Das hat sie bestärkt, weiterzumachen, auch wenn
und Frieden so viele Frauen Auslandsredaktionen, aber auch in Regierungskreisen Bevölkerung auf sie zurückschlägt! Auf sie und ihre – »Rot steht Ihnen.« – »Sie haben Zahnstein.« – sie davon überzeugt ist, dass es viele andere gibt, die
sichtbar. Haben früher Ex-­ die Runde. Familien. Haben Sie als Mutter gar keine Angst?« Von »Sie sprechen zu schnell.« – »Sie sind so klein und das an ihrer Stelle könnten. »Es geht ja nicht um mich
Diplo­ma­ten und Generale mit Die drei stehen für zahlreiche andere, wie etwa dieJana Puglierin auf Twitter zur Rede gestellt, legte weiblich und sagen doch so harte Sachen.« – »Ich als Person, sondern um die Inhalte«, sagt Major. Aller­
sonorer Stimme Raketen ge­ Russlandkennerinnen Liana Fix und Margarete Klein, »Klaus Kinski« nach: »Die gleiche Frage an Sie: Ha­ bin 36, komme aus Lübeck und möchte Sie auf dings gibt es eine verbreitete Aggression gegen das
zählt und Panzertypen durchdekliniert, erklären die Verteidigungsexpertinnen Constanze Stelzenmül­ ben Sie keine Angst um sich, bei derartiger Kriegs­ einen Kaffee einladen. Siehe mein Foto im­ Expertentum jeder Couleur, ein weltweites Phäno­
nun Expertinnen die Sicherheitspolitik. Sie prägen ler, Florence Gaub und Ulrike Franke. Oder die trommelei. Es gibt da draußen auch Verrückte...« Anhang.« men, oft gezielt von Rechtsextremen geschürt.
die Talkshows, Podcasts, Nachrichtensendungen. Ukraine-Expertin Franziska Davies, die mit den ver­ Der Hass trifft nicht nur Frauen. Auch Männer Dass sich jedoch Frauen mit Krieg, Waffen und
So erfreulich die Diversifizierung ist – für die breiteten Mythen über das Land aufräumt. Alle wie Carlo Masala, Christian Mölling, Gustav Am meisten hilft Solidarität, Gewalt beschäftigen und damit hergebrachte Ge­
Expertinnen hat der Schritt in die Öffentlichkeit diese Frauen waren der Fachwelt bekannt. Ihre Wir­ Gressel oder Janis Kluge sind Experten, die vor besonders wenn sie von Männern kommt schlechterklischees infrage stellen, das ist offenbar
einen hohen Preis. Es gefällt nicht jedem, wenn kung blieb aber weitgehend auf Fachpublikationen, wenigen Monaten allenfalls der Fachwelt bekannt ein ganz besonderer Trigger. Zumal wenn sie auf­
Frauen den Krieg erklären. Kongresse und Hintergrundgespräche beschränkt. waren. Nun erleben sie verbale Übergriffe, wenn Auch solche scheinbar harmloseren Bemerkungen grund ihrer Expertise zu dem Urteil kommen, dass
Claudia Major von der Berliner Denkfabrik Stif­ Das hat sich mit dem 24. Februar geändert. sie wieder mal der allgemeinen Überforderung im sind implizite Angriffe auf die Kompetenz der Deutschland wehrhafter werden muss; dass Waf­
tung Wissenschaft und Politik (SWP) hat Dutzende Angesicht des russischen Angriffskrieges mit ihrer Frauen. Wie gehen sie damit um? »Man nimmt fenlieferungen an die Ukraine erst die Vorausset­
Fernsehauftritte hinter sich, vom Morgenmagazin bis Das Scheitern der deutschen Außenpolitik Expertise zum Kreml, zu Energieabhängigkeit und sich vor, das alles zu ignorieren, aber es geht einem zungen für Friedensverhandlungen schaffen; dass
zu den Tagesthemen. Sie vermag einem Mil­lio­nen­ eröffnet neuen Stimmen eine Chance Sicherheitspolitik beizukommen versuchen. Masa­ doch unter die Haut«, sagt Jana Puglierin. »Man Putins nukleare Erpressung sich nicht durchsetzen
publi­kum die Logik der nuklearen Abschreckung la, Professor an der Universität der Bundeswehr muss sich sagen, ich lasse das nicht an mich heran, darf. Männliche Experten, die solche Positionen
verständlich zu machen, ukrainische Offensiven ein­ Ihre Reichweite haben die Expertinnen ironischer­ und nun omnipräsenter Erklärer, erzählt, er be­ ich mache trotzdem weiter.« – »Anfangs«, so Clau­ vertreten, werden politisch angegriffen. Bei Frauen
zuordnen oder das Kampfpanzer-Dilemma der weise dem bekennenden Macho Wladimir Putin zu komme »regelmäßig mehr oder weniger verklausu­ dia Major, »habe ich fast alles gelöscht. Dann habe lautet die Dia­gno­se, sie seien »kriegsgeil«.
Bundesregierung zu durchleuchten. Vorletzte Woche verdanken. Dessen Angriffskrieg hat auch die sicher­ lierte Morddrohungen«. Es gebe aber, so Masala, ich mich mit Kolleginnen besprochen, und als wir Vielleicht ist der Backlash – der Hass, den die
zerlegte sie bei hart aber fair freundlich und sachlich heitspolitische Expertise in Deutschland in ein »definitiv einen Unterschied zwischen mir und feststellten, dass wir alle betroffen sind, beschloss Expertinnen abbekommen ­– in Wahrheit ein Zei­
die Argumente von Kevin Kühnert gegen deutsche Trümmerfeld verwandelt. Wie konnte die Bundes­ den Frauen. Uns allen wird die Kompetenz abge­ ich, die Zuschriften aufzuheben.« chen des gesellschaftlichen Wandels, ein Preis für
Panzerlieferungen, sodass der SPD-Generalsekretär republik sehenden Auges in diese Hilflosigkeit ab­ sprochen, wir werden beleidigt, aber ich kriege den Das Vertrackte an sexualisierter sprachlicher den Fortschritt in der Debatte. (Was nicht recht­
sich am Ende etwas pampig darauf zurückzog, er sei rutschen – militärisch blank, energiepolitisch ab­ ganzen sexistischen Scheißdreck nicht ab.« Gewalt: Wer die Verletzung öffentlich macht, steht fertigt, dass nur sie ihn bezahlen.)
nun mal kein Experte. hängig, diplomatisch zaghaft? Der Vertrauensverlust Sexualisierte sprachliche Gewalt gehört für­ als Opfer da. Keine der hier zitierten Frauen will so Claudia Major jedenfalls hat vergangene Wo­
Auch Jana Puglierin, Leiterin des Berliner Büros der eta­blier­ten Berater, die das Debakel nicht haben Frauen, die sich öffentlich über Krieg und Militär gesehen werden. Keine will potenzielle Nachahmer che eine versöhnliche Erfahrung mit ihrer expo­
der Denkfabrik European Council on Foreign Re­ kommen sehen, reicht tief. Und umgekehrt eröffnet äußern, zum Alltag. Nicole Deitelhoff, Leiterin der zu solchen Attacken ermutigen. Und leistet man nierten Rolle gemacht. Ein denunziatorischer
lations, ist regelmäßig im Fernsehen zu sehen, die Verunsicherung über das Scheitern der deut­ Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktfor­ der Sexualisierung des Diskurses, aus der man ei­ Kommentar in der altlinken Zeitung Neues
wenn es um Krieg und Militär geht. Vor drei Wo­ schen Russland-, Energie- und Verteidigungspolitik schung, wurde von einem Zuschauer als »Prostitu­ gentlich herauswill, nicht gerade Vorschub, wenn Deutschland rückte sie unter dem Titel »Heimat­
chen erlebte sie einen unerwarteten Moment des nun neuen Stimmen die Chance, Korrekturen ierte der Transatlantischen Eliten« tituliert. Sie hatte man sie thematisiert? frontimperialismus« in die Nähe von deutschna­
Ruhms, als Olaf Scholz sie vor Offizieren der Bun­ vorzunehmen. Aber Frauen, die sichtbar sind und in einem Interview die Idee des sächsischen Minister­ Schweigen ist allerdings auch keine Lösung, tionalen und faschistischen Positionen. Nachdem
deswehr in seiner Rede über die Zeitenwende zi­ Expertinnen – das scheint für manche eine unge­ präsidenten Kretschmer kritisiert, man könne den dann bleibt man mit seiner Wut allein. sie den Angriff auf Twitter selbst verlinkt hatte,
tierte: »Status quo plus Sondervermögen, das reicht heure Provokation zu sein. »Nach jedem Medien­ Krieg in der Ukraine »einfrieren«. Es helfe sehr, so Claudia Major, sich über beson­ übernahmen zahlreiche Follower die Verteidi­
nicht.« Vom Bundeskanzler vor der versammelten auftritt«, erzählt Sabine Fischer, »kommt ein Schwall Jana Puglierin sah sich nach einer Lanz-Sen­ ders schlimme oder dämliche Reaktionen auszutau­ gung. Am Ende des Tages war die Gemeinde ihrer
Fotos (v. l.): Jürgen Heinrich/imago; teutopress/imago (2)

Generalität erwähnt zu werden – und dies mit­ von Nachrichten, darunter manche voller Hass.« dung per Mail als »eine der ungezählten, system­ schen, manches auch auf Twitter öffentlich zu ma­ Follower um Tausende gewachsen.
einem regierungskritischen Zitat –, empfindet­ Letztens hat sie nach einer Sendung eine solche Nach­ hörigen Stakkato-Schwätzerinnen« beschimpft. chen. Aus den Perlen des Hasses sollte man vielleicht Gegenhalten kann sich also auch lohnen. Sabi­
Puglierin erfreut als »Wahnsinn«. Zusammen mit richt öffentlich gemacht, nicht ohne sich über die Der Zuschauer erging sich sodann in Fantasien eine kathartische Lesung komponieren, meint Major ne Fischer hat bisher vermieden, sich mit den Ab­
zwei (männlichen) Kollegen hat sie jüngst einen »kreative Rechtschreibung« zu mokieren: »Dumme über die Fortpflanzung dieser sich »verkarnickelnd nur halb im Scherz – eine außenpolitische Version sendern der Hassbotschaften aus­ein­an­der­zu­set­zen.
Plan vorgelegt, wie Deutschland mit europäischen Wessivotze absoluter Fehltritt bei Hart aber Fair.« vervielfältigenden« »Kriegsstreberinnen« und des Formats ­»Hate Poetry«. Sie wollte darauf, sagt sie, keine Energie ver­
Alliierten Leopard-Panzer an die Ukraine liefern Sarkasmus ist ein probates Mittel, auf Distanz »Flintenweiber«. Zuschriften wie diese sind oft mit Am wichtigsten sei Solidarität, so Major, ganz be­ schwenden, es gebe derzeit wichtigere Kämpfe.
könnte, ohne den von Scholz gefürchteten »Allein­ zu gehen. Aber es funktioniert nicht immer. Klarnamen unterzeichnet. sonders von Männern. »Carlo Masala hat sexistische Nun hat sie sich jedoch entschieden, erstmals
gang«. Nicht ausgeschlossen, dass Puglierins Kon­ Kürzlich war Fischer zu Gast im Podcast Das Man findet in den Mails sowie in den Twitter- Attacken gegen mich und Kolleginnen mehrfach eine Hassmail rechtlich prüfen zu lassen, um sie
zept eines Tages Regierungspolitik wird. Politikteil der ZEIT. Es ging um die russische­ oder You­Tube-­Kom­men­ta­ren ein breites Spek­ öffentlich angeprangert. Das war enorm wichtig.« zur Anzeige zu bringen. Der Absender hat den
Sabine Fischer, Russlandexpertin der SWP, wird Mobilmachung, die Erfolge der Ukrainer und die trum sexualisierter Angriffe. Es reicht von Einlas­ Als sie wieder mal überlegte, sich »das nicht mehr Fehler gemacht, seine geschäftliche Mailadresse zu
von Markus Lanz immer dann eingeladen, wenn er Frage, wie gefährlich der gedemütigte Putin noch sungen über angeblich »verbissenes« Aussehen, das anzutun« und einen Auftritt abzusagen, habe ein verwenden.
Politiker wie Ralf Stegner, Sigmar Gabriel oder Mar­ werden könne. Der Podcast wurde von Claudia »auf eine unglückliche Ehe verweist« über Beleidi­ Redakteur argumentiert, es sei jetzt ihre Pflicht,
kus Söder mit Tatsachenwissen über die russische Major auf Twitter empfohlen. gungen bis hin zu expliziten Vergewaltigungsfan­ weiter die Lage zu erklären, so wie die Virologen  www.zeit.de/vorgelesen

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Der Schrittzähler im Handy oder der Pulsmesser in der Uhr: Das ist für viele
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lungserfolge zu erzielen und medizinisches Personal in Krankenhäusern und


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111936_ANZ_371x132_X4_ONP26 1 22.09.22 16:32


DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 POLITIK 7

W I E V E RW U N DBA R
SIND W IR?
Die Anschläge auf die Ostsee-Pipelines haben gezeigt, wie leicht sich kritische
Infrastruktur angreifen lässt. Nun fragen sich Staaten und Unternehmen, ob sie ihre
Stromtrassen, Datenleitungen und Gasspeicher überhaupt schützen können

Z
umindest das Wasser der kehrungen wurden bereits verstärkt«, sagt
Ostsee hat sich Anfang der NORWEGEN Sebastian Bleschke, Geschäftsführer des
Woche beruhigt. An drei Verbandes der Speicherbetreiber Ines.
von vier Stellen, meldeten »Aber die Betreiber können natürlich
Eu r o p

dänische und schwedische nicht jede Bedrohung abwehren – bei be-


Behörden, sei das Gas of- stimmten Gefährdungspotenzialen ver-
i p e II

fenbar vollständig ausge- fügt nur der Staat über die notwendigen
treten: Die Bläschen, die zuvor großflächig SCHWEDEN Mittel dazu.«
an die Oberfläche des Meeres gesprudelt Schließlich bleibt die Angst vor mög­
waren, seien verschwunden. Tagelang hatte lichen Cyberangriffen. Beispiele gibt es­
die Ostsee geschäumt, dort, wo seit dem genügend: die mutmaßlich russische Späh­
26. September die Gas­ pipe­lines Nord atta­
cke 2015 auf den Bundestag, den­
Stream 1 und 2 leckten. Nun ist das Gas in Angriff von Lösegeld-Erpressern auf die
den Röhren offenbar weitgehend entwi- Colonial Pipe­line in den USA im Frühjahr
chen, nur an einer Stelle sprudelte es am vergangenen Jahres, der zu einem mehr­
Dienstag noch. In Behörden und Unter- DÄNEMARK tägigen Ausfall führte, oder die prorussi-
nehmen dürfte sich der Druck allerdings am schen Cyberangriffe zu Beginn des Ukrai-
nicht so schnell stabilisieren wie in den r d St re ne-Krieges, die nebenbei auch die Fern-
No 2
Pipe­lines. Die schäumende Ostsee hat den
S t r e am steuerung Tausender deutscher Windkraft-
Europäern vor Augen geführt, wie ver- rd anlagen lahmlegten.
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wundbar ihre Infrastruktur ist. Und nicht
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Os t s ee
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nur die am Meeresgrund, sondern ebenso ie real die Bedrohung


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all die anderen Röhren und Kabel, die Bür- B a lt ic P ip e durch russische Hacker
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ger und Wirtschaft verknüpfen. ist, lässt sich in der An-


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Vier Tage nach den Explosionen in der klageschrift der USA ge-
Ostsee treffen sich in Helsinki Außenpoliti- gen drei mutmaßliche
ker, Militärs und Geheimdienstler aus der Nord s e e russische Agenten nachlesen. Sie gehören
Region zu einer schon länger geplanten­ nach Ansicht der Ankläger einer diskreten
Sicherheitskonferenz. Es gibt nur ein Einheit namens »Center 16« im russischen
beherr­schendes Thema: die Lecks – und Geheimdienst FSB an. IT-Experten kennen
wer sie zu verantworten hat. Niemand sie besser unter dem Namen »Bezerk Bear«.
zweifelt an der russischen Urheberschaft. Die Gruppe habe zwischen 2012 und 2017
Beweise gibt es zwar nach wie vor daran gearbeitet, »dauerhaften Zugang zu
nicht, die Ermittlungen laufen. In den POLEN den Netzwerken der kritischen Infrastruk-
kommenden Tagen werden deutsche­ tur und zu Energie-Unternehmen weltweit
Behörden voraussichtlich einem Team der zu erlangen«. Unter anderem auch in
Dänen und Schweden beitreten, die­ Deutschland, wo eine Tochtergesellschaft
bereits mit der Untersuchung der Explo- NIEDER von EnBW Ziel der Angriffe gewesen sein
sionen begonnen haben. Die Indizien aber LANDE soll, wie der Bayerische Rundfunk und der
werden einmütig gedeutet. Im Vorfeld der DEUTSCHLAND WDR zuerst berichteten. Weltweit sollen
Explosionen habe es Schiffsbewegungen Hunderte Unternehmen in 135 Ländern zu
auf der Ostsee ge­geben, die auf Russland den Opfern der Agenten gehören.
als Täter hinweisen. Zum Zeitpunkt der Dass derartige Bedrohungen für Unter-
Explosionen soll ein russisches Schiff un- nehmen der kritischen Infrastruktur Alltag
terwegs gewesen sein, das in der Lage sind, zeigt eine Ende August vorgestellte
wäre, unter Wasser eine solche Aktion Studie des Branchenverbands der deutschen
durchzuführen. Denkbar sei aber auch, Informations- und Telekommunikations-
heißt es, dass die Sprengsätze schon Tage, branche. Auf die Frage, wie sich in den ver-
wenn nicht Wochen zuvor platziert wor- gangenen zwölf Monaten die Anzahl der
den seien. Auch deutsche Sicherheitsbe- Cyberattacken auf ihr Unternehmen ent-
hörden gehen davon aus, dass Russland wickelt habe, antworteten 49 Prozent der
für die Sabotage verantwortlich ist. Befragten, solche Angriffe hätten »stark zu-
Motive gäbe es reichlich. Die Ostsee ist, genommen.« Weitere 38 Prozent gaben an,
seit Schweden und Finnland die Aufnahme die Attacken hätten »zugenommen«.
in die Nato beantragt haben, zum »Nato ­lake«, Sosehr sich die Experten einig sind, dass
zum »Nato-See«, geworden, freute sich im die kritische Infrastruktur in einer vernetz-
Mai der frühere finnische Geheimdienstchef ten Welt nicht vollständig geschützt wer-
Pekka Toveri. Russland behalte zwar seine den kann, so sehr sind Unternehmen, Be-
Zugänge zur Ostsee um St. Petersburg und hörden und Regierungen aufgeschreckt.
Kaliningrad, sei aber in Zukunft im Ostsee- Seit dem Anschlag auf die Nord-­Stream-­
raum »zu 90 Prozent von der Nato umgeben«.
»Nato ­lake«, dieser Begriff suggeriert auch, Wichtige Verbindungen Pipe­ line wurden die Sicherheitsmaßnah-
men an neuralgischen Punkten von Strom-
Russland könnte im Konfliktfall daran­ und Gasnetzen überprüft, es wurde Wach-
gehindert werden, in der Ostsee zu manövrie- Erdgaspipelines Stromkabel Datenkabel Gasleck personal aufgestockt, und die Streifenfahr-
ren, oder seinen Zugang zum EU-Binnen- ten der Polizei wurden erhöht. Innen­
meer gleich ganz verlieren. Die Attacken auf Quellen: The European Natural Gas Network 2021, ENTSO-E, Submarine Cable Map (artifizielle Darstellung der Karte) ministerin Nancy Faeser kündigte zudem
die Pipe­lines – unmittelbar außerhalb der ZEIT-GRAFIK: Jelka Lerche gemeinsame See-Kontrollen mit Polen,
Hoheitszonen des Nato-Mitglieds Dänemark Dänemark und Schweden an.
und des Nato-Kandidaten Schweden – Hanno Pevkur, der estnische Verteidi-
könnte­man auch als Warnung deuten, dass die merksamkeit der EU von der Ukraine abwendet. ein­an­der, zudem Windparks auf See mit dem Das deutsche Eisenbahn-Schienennetz ist gungsminister, sieht weitere Möglichkeiten,
russische Marine dies kaum widerstandslos hin- Russland will zeigen, dass es auch anders angreifen Festland. Dazu kommen Dutzende Glasfaser- 33.300 Kilometer lang, täglich fahren rund den Schutz zu verbessern. Im Interview mit
nehmen würde. Die Zerstörung der Rohre ist Teil kann, als wir gedacht haben, eben nicht nur mit kabel für die Internet- und Telefonverbindun- 40.000 Züge darüber. Es »dauerhaft flächen­ der ZEIT schlägt er vor: »Die Nato betreibt
eines hybriden Krieges um Einflusszonen. militärischen Mitteln. Wir müssen natürlich die gen. All diese Leitungen haben eines gemein- deckend zu schützen ist nicht möglich«, sagt seit Jahren air policing, also Luftraumüber­
Aber auch profanere Motive werden genannt, Ermittlungen abwarten, wir haben noch keine sam: Ihren Verlauf kann jeder auf Karten im eine Sprecherin der Bahn. wachung, über der Ostsee. Wir sollten jetzt
um die These von der Urheberschaft Russlands Beweise. Aber der einzige Staat, der ein Interesse an Internet nachvollziehen. Dasselbe gilt für das deutsche Stromnetz. auch über sub policing nachdenken, also Unter­

S
zu untermauern: Russland könnte durch die dieser Sabotage hat, ist Russland.« Allein das Übertragungsnetz ist gut 35.000 was­ser­über­wachung.«
Sabotage der eigenen Pipe­lines versuchen, Ver- In diesem Fall blieb der Angriff ohne Kon- olche linearen Infrastrukturen, die Kilo­meter lang, dazu kommt das Verteilnetz von Pevkur mahnt außerdem zu einem besseren
tragsstrafen zu umgehen, weil es kein Gas mehr sequenzen, weil durch die Röhren seit Wochen sich über Hunderte Kilometer erstre- weit mehr als einer Million Kilometern. Schon Informationsaustausch unter den Nato-Ländern
liefert. Auf der Sicherheitskonferenz in Helsinki kein Gas mehr geliefert wurde. Deutlich kriti- cken, seien »unmöglich vollständig heute wird es oft eng im Netz, weil der Ausbau – und mit den Beitrittskandidaten Finnland
bestimmen allerdings vor allem zwei andere scher wäre ein Angriff auf Leitungen, die im zu schützen«, sagt der Schweizer der wichtigen Nord-Süd-Verbindungen viele und Schweden. »Wir wissen relativ genau, was
Thesen die Debatte. Die finnische Premier­ Dienst sind und gerade stärker gebraucht wer- Energie- und Risikoforscher Peter Jahre lang verschlafen wurde. sich im Luftraum abspielt«, sagt er. Auch an
ministerin Sanna Marin und Jesper Møller­ den denn je – und von denen gibt es viele. Burgherr vom Paul Scherrer Institut. Das gelte Beim Stromnetz ist Deutschland daher Land sei die Aufklärung gut. »Was die Meere
Sørensen, Staatssekretär im dänischen Außen- Zum Beispiel die Baltic ­Pipe. Sie wurde am Tag nicht nur für die Leitungen am Meeresboden, beson­ders verwundbar: Wenn ein Angreifer zur angeht, wissen wir nur, was sich an der Ober-
ministerium, sind sich einig: Russland wollte nach dem Angriff auf die Nord-Stream-Leitungen sondern auch für die Pipe­lines und Stromtrassen richtigen Zeit an den richtigen Orten einige fläche tut. Darunter wird’s schwierig. Finnland
mit dem Angriff von den Scheinreferenden in eröffnet und verläuft teilweise ganz in der Nähe. an Land, die ein noch viel dichteres Netz bilden. Strommasten umlegte oder wichtige Anlagen und Schweden haben recht gute Detektions­
vier ukrainischen Regionen ablenken, die west- Auf 900 Kilometer Länge transportiert sie norwe- »Da alle 100 Meter jemanden hinzustellen funk- demolierte, könnte er damit einen größeren systeme. Deswegen suchen wir jetzt eine Koope-
liche Empörung über den Völkerrechtsbruch gisches Erdgas nach Polen, in ein Land, dem die tioniert nicht«, sagt Burgherr. Kolumbien habe Stromausfall verursachen. In der Folge könnten ration mit diesen beiden Ländern«, so Pevkur.
durch eine Eskalation an anderer Stelle kontern. Russen im April als erstem in Europa die Gasliefe- das vor einigen Jahren versucht, als Rebellen dann vielerorts weitere wichtige Funktionen Auch von Deutschland erwarte er eine bessere
Zudem läuft es nicht gut für die russische A
­ rmee rungen gekappt haben. dort ständig die Öl­pipe­lines attackierten. Mit kollabieren, beispielsweise die Wasserversor- Zusammenarbeit. »Alles, was Deutschland dazu
im Krieg gegen die Ukraine. Die Mobil­machung Auch Deutschland wird weiterhin über Pipe­ der massiven Militärpräsenz sei zwar die Zahl gung und die Telekommunikation. »Man muss beitragen kann, dass wir ein besseres Bild davon
ist chaotisch und unprofessionell organisiert, in lines versorgt. Zwei der wichtigsten liegen auf dem der Angriffe zurückgegangen – aber es habe aber genau wissen, wo die neuralgischen Punkte bekommen, was unter Wasser passiert, ist will-
russischen Me­dien ist so viel Kritik zu hören wie Grund der Nordsee, sie heißen Euro­pipe 1 und 2.­ trotzdem weiterhin erfolgreiche Anschläge auf im System sind, um großen Schaden anzurich- kommen«, so der estnische Verteidigungsminis-
seit Beginn des Krieges nicht. Auch die Annexion Durch sie strömt norwegisches Erdgas nach Dor- die Pipe­lines gegeben. ten«, sagt der Risikoforscher Burgherr. ter. »Das Bewusstsein, dass wir dort bessere Auf-
der besetzten Gebiete in der Ukraine hakt: Als der num und Emden in Niedersachsen. Inzwischen Wie schwer ein Schutz solcher Anlagen in Einfacher zu bewachen als großflächige Netze klärung brauchen, ist ja jetzt immerhin da.«
Kremlsprecher kürzlich gefragt wurde, wo denn die kommt etwa ein Drittel des deutschen Gases aus Deutschland wäre, zeigen drei Beispiele. Das sind einzelne Anlagen – also etwa Transformator- Sollte es Russlands Absicht gewesen sein, im
genauen Grenzen der annektierten Gebiete ver- Norwegen, eine Unterbrechung der Pipe­lines Erdgas-Fernleitungsnetz ist allein auf deut- stationen, Kraftwerke, Raffinerien, Internetknoten, »Nato lake« Ostsee seine Macht zu demonstrie-
laufen, wusste er die Frage nicht zu beant­worten. hätte massive Folgen. Die Norweger haben sofort schem Boden gut 40.000 Kilometer lang. Die Rechenzentren oder auch die rund 55 Verdichter- ren, könnte das erneut exakt das Gegenteil­
Und an der Front erobert die Ukraine weiterhin nach dem Anschlag ihre Militärpräsenz auf See Stahlröhren mit ihren rund einen Zentimeter stationen, die an den deutschen Pipe­lines das Gas bewirken: eine Aufrüstung westlicher Seestreit-
Gebiete zurück: Im Osten fiel die wichtige Stadt und in der Luft erhöht. Auch weil die Nordsee der dicken Wänden liegen überwiegend in 1,5 Me- komprimieren, damit es wieder mit mehr Schwung kräfte in jener Region und eine noch engere
Liman. Und auch im Süden, im Gebiet Cherson, zentrale Knotenpunkt ist, von dem aus das nor- ter Tiefe vergraben. Und sie stehen unter­ durch die Rohre fließt. Solche Orte lassen sich mit Kooperation in der Nato.
konnte die ukrainische Armee weitere Ortschaften wegische Gas in die verschiedenen europäischen großem Druck. Ein Angreifer bräuchte neben Zäunen, Mauern und Kameras zumindest gegen
befreien. Der estnische Verteidigungsminister Länder verteilt wird. einem Bagger gute Nerven und eine gewisse leichte Angriffe schützen. JOCHEN BIT TNER , ALICE BOTA ,
Hanno Pevkur sagt im Gespräch mit der ZEIT: In der Nord- und Ostsee liegen auch Dut- Portion Todes­ verachtung – unmöglich aber Das gilt auch für die deutschen Gasspeicher JÖRG L AU, INGO MALCHER , PAUL MIDDELHOFF
»Der Wunsch Russlands ist es, dass sich die Auf- zende Stromkabel. Sie verbinden Staaten mit­ wäre ein Anschlag nicht. und ihre Steuerzentralen. »Die Sicherheitsvor- UND MARC WIDMANN
8 POLITIK 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Und sein ganzer Körper nickt


In Niedersachsen steht Stephan Weil wieder zur Wahl, die Abstimmung gilt als Testlauf für die
Ampel-Koalition. Und doch wird etwas anderes entscheidend sein  VON PETER DAUSEND

W
Hildesheim/Nordenham zur »Straßenausbaubeitragssatzung« drei Minuten nicht in den Streckbetrieb müsse, anders als die
arum hat der Mann so lang kompetent referieren kann, muss sein Land beiden noch laufenden bayerischen Meiler.
gute Laune? Es ist wirklich mögen. Weil kann das. Seine Vorliebe fürs Bei einer früheren Begegnung hatte Weil einmal
schwer zu erkennen, Detail passt außerdem ganz gut zu einem Publi- erzählt, dass Fracking ein absoluter Wahlkampf-
ob Stephan Weil ange- kum, das den Ausführungen interessiert lauscht, kracher sei. Wenn nichts gehe – Fracking gehe
sichts der jüngsten, für sturmfest und erdverwachsen. Aber nicht alle immer. Da ihn in Hildesheim niemand danach
ihn positiven Umfrage wollen heute einfach nur zuhören. fragt, was er von der Forderung des bayerischen
einfach gut drauf ist Auf dem Marktplatz haben sich mittlerweile Ministerpräsidenten halte, Niedersachsen solle
oder ob er bewusst daran arbeitet, den Stadt- zwei Protestgruppen eingefunden. Die eine hält seine vorhandenen Gasreserven durch Fracking
kämmerer von Hannover endgültig hinter sich ein Banner hoch: »Die Klimakrise ist keine Mei- erschließen, fragt Weil sich das heute Abend ein-
zu lassen. Dieses Amt bekleidete er einst, knappe nung. Wir hören auf die Wissenschaft: Maxi- fach selbst. Nach einer Abhandlung über Umwelt-
zehn Jahre lang – und das prägt sein ­Image als mal«. Unter dem Banner hat sich ein gutes Dut- schäden und den Widerspruch von langwierigen
gewissenhafter, stets korrekter, aber doch etwas zend Aktivisten versammelt. Sie gehören zu Ex- Erschließungsprozessen und kurzfristiger Not-
langweiliger Ministerpräsident von Niedersach- tinction Rebellion, einer Umweltschutzorganisa- wendigkeit beantwortet er Söders – und in diesem
sen bis heute. Jedenfalls steht der 64-Jährige am tion, die im Ruf steht, besonders radikal zu sein. Fall auch seine eigene – Frage mit einem donnern-
frühen Freitagabend vergangener Woche vor der In Hildesheim protestieren sie gegen die Rodung den Nein. Und bekommt ebensolchen Beifall. Als
Fachwerkkulisse des Hildesheimer Marktplatzes in der Leinemasch, die etwas mit dem Ausbau er anschließend auch noch ein Bild von Nieder-
und macht einen auf locker. des Südschnellweges zu tun hat. Als Weil die sachsen entwirft, das sich mit seinen LNG-Termi-
»Auf ein Wort mit Stephan Weil« nennt sich Gruppe bemerkt, geht er auf ihr Anliegen ein, nals, an denen nach dem Gas irgendwann grüner
die Wahlkampftour, ein Dialogformat, das den erzählt etwas von Bundesstraßen und notwendi- Wasserstoff anlanden soll, und mit seinen Trassen
Ministerpräsidenten von der üblichen Markt- gem Standstreifen, erklärt sich zu einem Treffen sowie Windrädern zur »Energiedrehscheibe
platzbühne herunterholt und unter die Leute bereit. Jemand aus seinem Tross reicht den Ak- Deutschlands« entwickeln werde, wird klar, dass
zwingt. Zur Volksnähe gehören heute Abend tivisten eine Visitenkarte. Die Frontkämpfer ge- im Thema Energiekrise nicht nur eine Chance
natürlich auch Bier und Würste, denn das Herz gen das Aussterben bedanken sich brav. steckt. Sondern auch Wahlgewinnerpotenzial.
der Sozialdemokratie schlug schon immer in der Bei der zweiten Gruppe ist nicht gleich erkenn- Je länger die Veranstaltung dauert, je länger aus
Bratwurstbude. In den Grillduft hinein scherzt bar, wer sie sind. Mehr als »Wir sind die rote Linie« »Auf ein Wort mit Stephan Weil« viele Sätze von
Weil über das 35 Kilometer entfernte Hannover und »Weil muss weg« haben sie auf ihren Fahnen Stephan Weil werden, desto mehr wundert man
als »die Stadt im Schatten von Hildesheim«, und Plakaten nicht zu sagen. Auf die Nachfrage, sich, dass ein bestimmtes Thema gar nicht zur
stellt fest, dass er noch nie in so »viele besorgte wer sie seien, entgegnet einer: »Wer bist du denn?« Sprache kommt. Eines, das in diesen Zeiten ver-
Gesichter« geblickt habe wie in diesen Tagen, Als das geklärt ist, sagt derjenige, der die linke meintlich alle umtreibt. Aber vielleicht geht es ja
und preist den starken Staat, der »in schwieriger Fahnenstange vom »Rote Linie«-Banner trägt: »Wir morgen darum.
Zeit an der Seite seiner Bürger steht«. Bei seinen sind gegen Corona.« Das ist der Reporter auch, aber
Worten geht Weil auffallend oft in die Knie, fe- was soll das heißen? »Wir sind gegen die Maß- Niemand fragt nach Putins Drohungen,
dert nach und wippt dabei zugleich mit seinem nahmen.« Ach so, Querdenker. Hier auf dem niemand nach der Rolle Deutschlands
Oberkörper, sodass es aussieht, als versuche sich Marktplatz stehen sie heute zu acht.
der Landesvater in der Kunst des Ganzkörper- Radikale Umweltaktivisten, die sich beim Am nächsten Tag ist Weil mit seinem Tross 180
kopfnickens. Zuversicht kann man ja gerade gar Ministerpräsidenten bedanken, und Corona- Kilometer nordwärts gezogen, nach Nordenham
nicht genug vermitteln. Und schon gar nicht in Leugner am Rande der Wahrnehmungsschwel- nahe Bremerhaven. Gleiches Format, gleiches
einem Landtagswahlkampf, von dem Weil sagt, le – mehr »Volksaufstand« (Anna­lena Baer­bocks Setting, ein Ministerpräsident, viele Bratwürste.
er sei so völlig anders als alle bisherigen. Pro­gno­se für den Herbst) ist in Hildesheim nicht Erneut steht Weil auf einem Marktplatz, bloß
An diesem Sonntag wählen die Niedersachsen zu bekommen. In Gifhorn und Langenhagen sei nicht vor Fachwerk, sondern vor Klinker. Noch
einen neuen Landtag. In den Umfragen liegt die das schon ganz anders gewesen, werden sowohl einmal der nun bekannte Ablauf: die örtliche Kan-
SPD vier bis fünf Prozentpunkte vor der CDU, Weil als auch Genossen aus seinem Tross nach didatin, Eröffnungsstatement, Bierdeckel-Fragen,
die große Koalition könnte von einem rot-grünen dem Ende der Veranstaltung erzählen. Ein Mix Ministerpräsidenten-Antworten. Die Umwelt-
Bündnis abgelöst werden, die FDP bangt um den aus Rechten, Querdenkern und Russland-Freun- proteste richten sich heute gegen die Weserver-
Einzug ins Parlament, die AfD dürfte von gut sechs den, die Weil als »Kriegstreiber« beschimpften, tiefung, Versalzung, Verschlickung, Artensterben.
auf rund zehn Prozent zulegen. hätten dort für Randale gesorgt. Auch für den Nicht Extinction Rebellion steckt dahinter, son-
Angesichts eines Krieges mit nuklearer Eskala- kommenden Samstag, für den großen Wahl- dern ein buntes Völkchen aus ziemlich alt bis ganz
tionsgefahr, von Energiemangel, Versorgungseng- kampfabschluss mit Bundeskanzler Scholz und jung. Weils Repertoire: »Noch nie so viele besorgte
pässen und zahlreichen Menschen, die nicht wis- diversen Ministern, rechnet man in der SPD mit Gesichter«, »heilfroh und dankbar«, Fracking: igitt.
sen, wie sie über den Winter kommen sollen, ist größeren, organisierten Protesten. Das Publikum hört wieder interessiert zu. Aber
eine Landtagswahl von, nun ja, überschaubarer auch hier in Nordenham spielt keine Rolle, was
Bedeutung. Andererseits könnte das Ergebnis aber Die 200 Milliarden von Olaf Scholz sind gerade nicht nur Deutschland, sondern die ganze
auf gleich drei Fragen Antworten liefern: Wie für Weil willkommener Rückenwind Welt bewegt: Niemand fragt nach dem Krieg in
kommt der Versuch der Bundesregierung an, all der Ukraine. Niemand nach den Drohungen
den Problemen mit Entlastungspaketen, »Doppel- Vor der Hildesheimer Bratwurstbude zückt die Putins mit Nuklearwaffen, niemand nach der
wumms«-Verkündungen und einer Flut an war- Moderatorin nun die Bierdeckel mit den Ener- Rolle­Deutschlands. Nicht ein einziges Mal, so
men, aber leider nicht wärmenden Worten ent- giefragen. Kommt die Gaspreisbremse? Müssen erzählt es Weil, sei er auf all seinen Veranstaltungen
gegenzuwirken? Wie hoch ist das Vertrauen, das die Atomkraftwerke länger laufen? Wie funktio- in diesen Wochen nach den deutschen Waffen­
die Menschen der Berliner Ampelkoalition (noch) niert das mit den LNG-Terminals an der Nord- lieferungen an die Ukraine gefragt worden.
entgegenbringen? Und schließlich: Schlägt sich die see? Wofür will Weil die eine Milliarde Euro an Seltsam, dieser Wahlkampf. Themen, die nur
vielfach konstatierte Entfremdung der Deutschen Landesmitteln einsetzen, die er im Kampf gegen von sehr lokaler Bedeutung sind. Ein Krieg, der
vom demokratischen System bereits in Wahl­ explodierende Preise zugesagt hat? Am Tag vor gar nicht überall interessiert. Und eine Protest-
ergebnissen nieder? Dies alles dem Niedersachsen- Weils Auftritt in Hildesheim hat der Kanzler stimmung, der man nicht begegnet. Vielleicht
Resultat abzulauschen scheint nur deshalb mög- seinen »Doppelwumms« verkündet. 200 Milliar- sind viele Niedersachsen schlicht ein bisschen zu
lich, weil die Landtagswahl – wie nicht nur von den Euro will Olaf Scholz aufwenden, um die unaufgeregt oder gar zu dröge, um sich aus der
Weil, sondern aus allen Parteien zu hören ist – von Energiekrise abzufedern. Willkommener Rücken­ Ruhe bringen zu lassen. Und so bleiben Zweifel,
einem einzigen, bundespolitischen Thema geprägt wind für Niedersachsens Ministerpräsidenten. ob das Wahlergebnis am kommenden Sonntag
sein soll: den steigenden Gas- und Stromkosten. Folglich wird Weil auch nicht müde zu betonen, tatsächlich etwas über die Qualität der Ampel-
Wird der kommende Sonntag also ein großer Test- wie »heilfroh« er über den Beschluss der Ampel- politik aussagen wird. Selbst in globalen Krisen-
lauf für den Bund? koalition sei. Und wie »dankbar«. Der »Doppel- zeiten bleibt eine Landtagswahl eine Landtags-
In Hildesheim haben sich rund 200 Interessier- wumms« dürfte der eigentliche Grund für Weils wahl. In der es vor allem darum geht, welcher
te um das SPD-Wahlplakat versammelt, der etwas demonstrativ gute Laune sein. Konkurrent Kandidat am besten zum Land passt.
betuliche Slogan lautet: »Das Land in guten Hän- Bernd Althusmann, der CDU-Spitzenkandidat, Noch mal zurück nach Hildesheim. Als alle
den«. Nach Weils Vorgeplänkel kommen jetzt die hat seine Kampagne ganz auf den Verdruss der Fragen abgearbeitet sind, schreibt Weil Auto-
Bierdeckel zum Einsatz. Auf die konnten Besucher Bevölkerung über die Bundesregierung ausge- gramme. Ein junger Mann stellt sich als­
ihre Fragen an den Ministerpräsidenten und die richtet. Gegen Althusmanns »Die Ampel kann es Konstantinos vor und fragt, ob er für einen Freund
Fotos: Philip Bartz für DIE ZEIT

örtliche Wahlkreiskandidatin schreiben. Eine nicht«-Parole hat Weil nun Scholz’ Mil­liar­den Weils Krawatte haben könne. Weil trägt aber
Moderatorin trägt vor, was die Hildesheimer­ im Wahlkampfgepäck. keine. Er erkundigt sich nach dem Namen des
wissen wollen. Obwohl Landesthemen im Wahl- Heilfroh und dankbar ist Weil auch darüber, Freundes und bittet Konstantinos um eine Auf-
kampf angeblich keine Rolle spielen, geht es jetzt nicht Ministerpräsident in Bayern, sondern in nahme mit seinem Handy. Konstantinos hätte jetzt
erst mal um Landesthemen: um die Vorteile einer Niedersachsen zu sein. Jedenfalls sagt er das. Nie- noch gern eine Grußbotschaft für zwei weitere
Landeswohnungsbaugesellschaft, die Probleme mit dersachsen beziehe sein Gas aus Norwegen und den Freunde. Also grüßt Weil die beiden per Handy-
dem Südschnellweg, die Notwendigkeit von Niederlanden, nicht aus Russland wie Bayern, und video und verspricht Marten, dem Schlips-Freund,
multiprofessionellen Teams an Brennpunktschu- habe – im Gegensatz zum Freistaat – die Energie- bald wieder Krawatten zu tragen. Konstantinos
len etwa. Dem zugereisten Beobachter fällt wieder wende entschieden vorangetrieben. Mit dem Er- Wahlkampf in Hildesheim am vergangenen Freitag: bedankt sich überschwänglich. Vier Stimmen
ein, was Wahlkämpfer zwischen Schwerin, Stutt- gebnis, dass Niedersachsen nicht auf Atomstrom SPD-Ministerpräsident Stephan Weil schreibt Autogramme, scheinen Weil schon mal sicher, als er entschwin-
gart und Saarbrücken letztlich auszeichnet: Wer angewiesen sei, weshalb das AKW in Lingen jetzt Querdenker demonstrieren gegen die Corona-Maßnahmen det. Bester Laune natürlich.

Torten Wie deutsche Gesundheitspolitik Wodurch in Deutschland Berichtigung


Menschen von Krankenhäusern fernhält Entspannung einkehren wird Herbstaktivitäten
der In dem Artikel »Es kommt
ein Schiff, geladen« (ZEIT Nr. 40/22)
Wahrheit über einen Getreidefrachter war
von einer drohenden Hungerkatastrophe
in Westafrika die Rede. Tatsächlich
VON droht diese vor allem in
Durch vielfältige Präventionsmaßnahmen Durch die Gaspreisbremse Bücher kaufen
KATJA BERLIN Ostafrika. Zudem wiegt der Frachter
Durch gute hausärztliche Versorgung Durch die Cannabis-Legalisierung Bücher lesen nicht ohne, sondern inklusive
Indem sie ihnen 36-Stunden-Schichten, Ladung 75.000 Tonnen. Wir bitten,
Überlastung und schlechte Bezahlung anbietet die Fehler zu entschuldigen.
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 POLITIK 9

Hinter den Nachrichten

In Brasilien erreicht Jair Bolsonaro den zweiten Wahlgang


Helfen die Generale dem Präsidenten mit einem Putsch?

A
ls am Sonntagabend in Brasilien de statt, und überhaupt haben sich mehrere als zuvor die demokratischen Institutionen in- (wie hohe Soldzahlungen und generöse Pensio-
die Ergebnisse der Präsident- hochrangige Militärs zuletzt offen und in Uni- frage stellen. Das Oberste Gericht etwa, über das nen) sehen. In Lulas Amtsjahren zwischen
schaftswahl ausgezählt wurden, form an die Seite Bolsonaros gestellt. Die bra- Bolsonaros Leute seit Monaten Verschwörungs- 2003 und 2011 hatten die Militärs eigentlich
war das Staunen groß: Warum silianische Tageszeitung Estadão bekam kurz vor theorien verbreiten, oder das Wahlsystem, das keine schlechten Erfahrungen mit dem Links-
hatte der amtierende Präsident dem Wahlsonntag noch zugesteckt, dass die angeblich zuungunsten des Präsidenten manipu- politiker gemacht: Der hatte zum Beispiel die
Jair Bolsonaro ein viel besseres Ergebnis ge- Spitzen der Armee sich darauf geeinigt hätten, liert werde. Sozialleistungen für Soldaten großzügig ausge-
holt als von den Meinungsforschern erwartet? jedweden Wahlsieger zu »akzeptieren« – aber Und selbst wenn es zu einem Wahlsieg Lu- weitet. Auf Widerstand der Militärspitzen gab
Es wird jetzt Ende Oktober eine Stichwahl dann schickte umgehend die Pressestelle der las kommt und man ihn in den Präsidenten­ er den Plan auf, eine Wahrheitskommission für
geben (bei der dann freilich doch der frühere Armee ein Dementi heraus. palast lässt, käme das Land noch lange nicht die Aufarbeitung von Folterverbrechen einzu-
Präsident Luiz Inácio »Lula« da Silva favori- Brasilien hat düstere Erinnerungen an zur Ruhe. Am vergangenen Sonntag fanden richten. Auf diese Weise hielt Lula den Frieden
siert ist). In der Aufregung über das über­ eine Militärdiktatur in den Jahren 1964 bis auch Gouverneurs- und Parlamentswahlen mit den Generalen.
raschen­de Ergebnis geriet eine Frage in Ver- 1985. Folter war verbreitet, Hunderte von statt – und viele Verbündete Bolsonaros legten Gerade das freilich mag im Jahre 2022 die
gessenheit, die in den Wochen zuvor immer Dissidenten wurden umgebracht. Doch ein Amtsinhaber Jair Bolsonaro glatte Durchmärsche hin. Falls Konflikte mit Bedrohung der brasilianischen Demokratie noch
wieder gestellt worden war: Wird das Militär beachtlicher Teil der urbanen oberen Mittel- dem Parlament und den Bundesstaaten das verstärken: Ein Teil der Gesellschaft wünscht
einen Putsch versuchen, um die Rückkehr schicht und viele Angehörige der Soldaten- Land am Ende sogar für den Verhandlungs- sich die Diktatur zurück, weil man schlicht nicht
des Linkspolitikers Lula zu verhindern? Sie milieus pflegen einen nostalgisch-verklärten keit, weil Lula da Silva mit enormem Vorsprung künstler Lula da Silva unregierbar machen, genug über die Schrecken dieser Epoche auf-
wird sich in den Wochen bis zum Stichent- Blick auf diese Zeit. Da sei man auf den vorn zu liegen schien. Die Umfragen legten­ könnte ein Streit um seine Absetzung ausbre- geklärt hat. Das knappe Ergebnis des ersten
scheid umso drängender stellen. Straßen sicher gewesen, und die Politiker einen überwältigenden Wahlsieg schon im ersten chen – und es wäre wiederum die Art von Wahlgangs macht es jedenfalls wahrscheinlicher,
Es ist eine Frage, die vor allem Bolsonaro noch nicht korrupt (was nicht stimmt). In Durchgang nahe – und bei so viel Klarheit Durch­ein­an­der, die möglicherweise zu Rufen dass die Sehnsucht nach einer Militärregierung
immer wieder aufgebracht hat. Mal kündigte diesen Kreisen hält sich bis heute der Gedan- hätte Bolsonaro kaum glaubhaft die Wahl an- nach den Generalen führt. in den nächsten Wochen wieder wächst. Denn
er an, dass er nicht freiwillig den Präsidenten- ke, die Militärs seien eine Art Oberaufpasser: zweifeln können, und die Militärspitzen hätten Unter welchen Umständen die sich auf sol- eines scheint absehbar: Die Demokratie wird
palast räumen werde. Dann erschien er auf Sie dürften einschreiten und das Vaterland auch schwerlich von chaotischen Verhältnissen che Ansinnen einlassen könnten, ist eine ande- sich in einem harten und schmutzigen Wahl-
Kundgebungen, wo viele Fans ganz offen eine retten, falls ein korrupter Politikzirkus in der reden können. re Frage. Die Militärführung ist bei diesem kampf vor der Stichwahl von ihrer hässlichsten
Machtergreifung des Heeres forderten. Zum Hauptstadt Brasília der Sache nicht gewach- Jetzt aber ist das Chaos da. Die kommenden Thema gespalten. Es gibt Generale, die in der Seite zeigen. TH O M AS FI S C H ER M A N N
nationalen Unabhängigkeitstag Anfang Sep- sen sei. vier Wahlkampfwochen dürften sehr schmutzig Übernahme von Regierungsverantwortung
tember fand in Rio de Janeiro ein Bolsonaro- Die Militärputsch-Frage verschwand aller- werden, mit Korruptionsvorwürfen und Fake-­ Gefahren für die Reputation der Truppe und Lesen Sie auch Thomas Fischermann über den
Wahlkampfauftritt samt einer Art Militärpara- dings für Wochen wieder aus der Öffentlich- News, und das Bolsonaro-Team wird noch lauter für ihre eigenen, recht zahlreichen Privilegien brasilianischen Regenwald, Wirtschaft, S. 21

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Fehlstart von Liz Truss


Stürzen die britischen
Konservativen ab?
8 0 MILLIONE N,
LIEBE
R U N D 70 % D E S G E S A M T E N
R AU C H S G E H E N I M
ENERGIEVERB
HAUSHALT FÜRS HEIZEN DR AUF.
Premierministerin Liz Truss

V
iel tiefer hinab geht es nicht mehr: er betrifft nicht allein die Regierungschefin, sondern
Die Tories, die im Vereinigten Kö- die gesamte Partei.
nigreich regierende Konservative Die Premierministerschaft von Liz Truss ist
Partei, liegen im Durchschnitt der nämlich die Frucht einer tief sitzenden, über lange
jüngsten Umfragen um 23 Prozent Jahre aufgestauten Frustration im Herzen der bri-
hinter der sozialdemokratischen Labour-Oppo- tischen Konservativen. Man konnte sie während
sition zurück. Die neue Premierministerin Liz des Sommers spüren, als die Parteimitglieder nach
h den
Truss hat einen desaströsen Start hingelegt, mit Boris Johnsons Rücktritt über die Wahl eines Nach-
m it m ache n, da mit wir gut durc
einem durch kein Sparprogramm abgesicherten folgers und über den richtigen politischen Kurs Jetzt l.de
: energiewechse
Steuersenkungspaket, das die Finanzmärkte und diskutierten. Immer wieder machte sich in Ver- Winter kommen
viele ihrer eigenen Parlamentarier so entsetzt hat, sammlungen und in Privatgesprächen das Gefühl
dass es schon nach wenigen Tagen teilweise wie- Luft, Großbritannien werde in Wahrheit nur dem
der zurückgenommen werden musste. Die ge- Namen nach konservativ regiert, die Tories seien
plante Reduktion des Spitzensteuersatzes er- zu weit nach links gerückt und sozialdemokratisiert,
schien in der gegenwärtigen Krisenlage dann die alten Erfolgsrezepte der Partei-Ikone Margaret
doch als allzu extreme Begünstigung der Rei- Thatcher (viel Markt, wenig Staat) würden ver-
chen. Bei Redaktionsschluss quälten sich die gessen, wenn nicht verraten. Selbst Johnson, der
Tories durch einen deprimierenden Parteitag, mit dem Brexit doch einen Herzenswunsch der
auf dem sich bereits die nächsten Streitfälle ab- Rechten erfüllt hatte, wirkte mit seiner Begeisterung
zeichneten – etwa darüber, welche Einschnitte für Ökologie und Multikulturalismus aus dieser
bei den Sozialleistungen zur Haushaltskonsoli- Perspektive viel zu soft und kuschelig. So kann es
dierung nötig und durchsetzbar sein würden. Als nicht weitergehen, wir müssen zurück zu einem
Optimist kann bei den Konservativen mittler- echten, kantigen, harten Konservativismus – das
weile gelten, wer lediglich eine herzhafte Nieder- war die Grundstimmung vieler an der Tory-Basis.
lage bei der nächsten Unterhauswahl erwartet. Liz Truss hat sich beim Mitgliederentscheid
Weniger sonnige Gemüter sorgen sich schon um über die Johnson-Nachfolge durchgesetzt, weil
die Existenz der Partei als gestaltungsfähige poli- sie die ideologische Nostalgie bedient und eine
tische Kraft. Rückkehr zum konservativen Kerngeschäft ver-
Liz Truss hat den Abstieg der Tories, der in der sprochen hat, besonders zum schlanken Staat
skandalgeplagten Spätzeit ihres Vorgängers Boris und zur Freiheit des Geldverdienens. Ihre Strate-
Johnson begann, nicht etwa gestoppt, sondern im gie massiver Steuersenkungen ist der Versuch,
Gegenteil noch beschleunigt. Zum Teil liegt das am diese Philosophie in die Tat umzusetzen. Nach
Fotos: Mateus Bonomi/AA/dpa (o.); Jack Hill/ddp (u.)

bemerkenswerten politischen und kommunikativen Jahren rückgratloser Zeitgeistanpassung soll


Ungeschick der Premierministerin. Vor dem Partei­ endlich marktwirtschaftliche Überzeugungspoli-
tag absolvierte sie etwa eine Runde von Radio-­ tik gemacht werden. Wenn man den Leserkom-
Interviews, in denen sie im Angesicht schwieriger mentaren auf den Websites Tory-naher Medien
Fragen mehrfach in hilfloses Schweigen verfiel. Was glauben darf, ist es genau diese Wiederentde-
Johnson im Überfluss besaß, Unterhaltungstalent ckung der reinen Lehre, die das Land braucht,
und die Ausstrahlung kneipentauglicher Nahbarkeit und die ersten Kurskorrekturen der Premiermi-
(obwohl er in Wahrheit ein verschlossener Einzel- nisterin gelten schon wieder als bedenkliche
gänger ist), das geht seiner Nachfolgerin komplett Schwächezeichen. Die Mehrheit der britischen
ab. Doch der Kern des Tory-Problems ist nicht Bevölkerung und Wählerschaft dagegen will von
handwerklich oder stilistisch oder eine Charakter- einer Renaissance der konservativen Rechtgläu-
frage des Führungspersonals; er ist ideologisch. Und bigkeit offenbar nichts wissen.  JAN ROS S
6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

10 STREIT
Wie saniert man ARD und ZDF?
Nach der RBB-Affäre stehen die Öffentlich-Rechtlichen im Feuer: Zu groß, zu teuer, zu ineffizient seien sie. Stimmt das?
Hier streiten WDR-Intendant Tom Buhrow und die Medienmanagerin Julia Jäkel, früher Chefin von Gruner + Jahr

Buhrow: Die Frage wird mir in den Landtagen gen ist astrein. Was fehlt, sind mehr prononcierte Aber es sollte Grenzen der Partizipation geben,
Tom Buhrow, 64, immer gestellt. Meine Antwort ist: Ihr seid es, die Stimmen, ja, konservative, aber auch linke. Das wenn es um die Kontrolle von Milliardenbudgets
war Sprecher der darüber entscheiden. Meinungsspektrum sollte wieder breiter werden, geht, die wir als Gesellschaft zur Verfügung stellen.
»Tagesthemen«. Jäkel: Tom, Sie machen es sich zu einfach und mi- auch abseits der Talkshows. Und die wirklichen In der Privatwirtschaft fand in den letzten Jahren
2013 wurde er niaturisieren sich als Intendant. Konflikte unserer Gesellschaft sollten behandelt eine erhebliche Professionalisierung statt. Dort
WDR-Intendant. Buhrow: Gar nicht. Wenn ich in den Landtagen die werden: Zugezogene versus Einheimische, Alt ver- folgt die Besetzung strengsten Anforderungsprofi-
Derzeit führt Forderung nach Verkleinerung höre, dann frage ich sus Jung, Arm versus Reich. len, das sollte auch hier geschehen. Tom, wissen
er interimistisch immer zurück: »Auf welche Welle von Ihrer Lan- Buhrow: Wissen Sie, was? Ich fand zum Beispiel Sie, wie oft der Verwaltungsratsvorsitz des NDR
die ARD desrundfunkanstalt wollen Sie verzichten?« Dann Hauser & Kienzle eine super Sendung. Hier wur- wechselt?
schallt es einem empört entgegen: »Auf gar keine!« den unterschiedliche Positionen zivil diskutiert, Buhrow: Alle 15 Monate, wenn ich mich recht
ZEIT: Aber wenn Tom Buhrow sich hinsetzen und die Protagonisten haben sich nicht totgebrüllt. entsinne.
würde und einen Plan für eine neue ARD entwer- Für diese Programmfarbe – ob man etwas Ähn­ Jäkel: Genau. Wie sollen da Themen grundlegend
fen würde, würde man doch zuhören! liches nicht wieder auflegen kann – laufen gerade vom Vorsitz angepackt werden? Es gibt aber auch
Buhrow: Natürlich, das habe ich auch bereits – aber erste Überlegungen. andere Extreme wie beim Hessischen Rundfunk:
dann reagiert jeder reflexhaft nach seinen Partiku- ZEIT: Und Sie finden da einen Konservativen? Da führt ein Mann den Verwaltungsrat, der 1972
larinteressen. Die ZEIT fragte vor Kurzem Men- Buhrow: Warten Sie mal ab. zum ersten Mal in den Rundfunkrat gewählt­
schen aus der Medienbranche, was wir ändern ZEIT: Fallen Ihnen auf Anhieb zwei konservative wurde. Kein Witz.
müssten. Was kommt raus? Der Chef eines Produk- Stimmen bei der ARD ein? Buhrow: Ich breche hier mal eine Lanze für die
tionsunternehmens sagt: Wir brauchen mehr Geld Buhrow: Ja, sofort. Ich sage jetzt aber keine Na- Aufsicht. Der Verwaltungsrat kümmert sich vor
für fiktionale Produktionen. Der pensionierte men, weil ich niemanden labeln will. allem um die Finanzen. Hier ist auch entsprechen-
Nachrichtenmoderator sagt: Mehr Geld für Nach- ZEIT: Teilen Sie die Kritik, die ARD sei links-grün? de Fachexpertise vertreten. Der Rundfunkrat muss
richten. Und alle finden, die Intendantinnen und Zuletzt entbrannte sie, als ein WDR-Kollege, selbst breit besetzt sein; das ist ja eine Art Parlament aus
Intendanten sollten mal nicht so bürokratisch sein. grüner Kommunalpolitiker, in den Tagesthemen die der Breite der Gesellschaft. Diese kritischen Kon-
Jäkel: Einspruch! Die Welt hat sich doch funda- Grünen kommentierte. trollen sind für uns auch ein wichtiger Schutz.
mental verändert, die Krisen sind größer, die Lö- Buhrow: Der Kollege ist dort Schriftführer, aber ZEIT: Herr Buhrow, Sie wären auch ein guter Poli­
sungsversuche mutiger. Nur das aktuellste Beispiel: keine Frage: Er hätte das dem WDR sagen müssen. tiker geworden. Ausgleichen in alle Richtungen,
Wir waren abhängig von russischem Gas. Was ha- Das war ein Fehler. Meine Aufgabe besteht auch niemandem schaden: Ist das Ihr Job?
ben wir nach Russlands Angriff auf die Ukraine darin, Regeln und Compliance-Strukturen zu ver- Buhrow: Da gehört noch eine Menge mehr dazu!
getan? In kürzester Zeit die Gasspeicher irgendwie bessern und dafür zu sorgen, dass sie eingehalten Zum Beispiel unpopuläre Entscheidungen zu
aufgefüllt, indem wir das Gas woanders besorgt ha- werden – auch in solchen Fällen. treffen.
ben. Weil wir es unbedingt wollten. Diesen Geist ZEIT: Hat das Öffentlich-Rechtliche denn ein Jäkel: Mir scheint es, als würden Sie sich im Zuge
meine ich. Kai Gniffke, Intendant des SWR, sagte Problem mit den Kontrollinstanzen? dieser Affäre gerade neue Fesseln anlegen. Aber wa-
auf einer Pressekonferenz, man müsse in den nächs- Buhrow: Es gibt keine andere Institution in rum trauen Sie sich nicht raus aus dieser Verzagt-
ten Jahren darüber sprechen, ob es ein gemeinsames Deutschland, die so reguliert, so überwacht und so heit? Warum macht sich die ARD in dieser Krise so
Mantelprogramm für die Dritten geben solle. In durchleuchtet ist. Private Unternehmen haben in klein? Wenn Sie nicht aus diesem reaktiven Modus
den nächsten Jahren? Erst? Wir müssen jetzt all der Regel nur eine Handvoll Aufsichtsratssitzungen rauskommen, geben andere den Rahmen für Dis-
diese Frage stellen: Auch, wie wertvoll sind uns klei- im Jahr. Wir haben zwei Aufsichtsgremien: den kussionen vor. Wer wehrt sich, wenn Springer-­
nere Sender, die sich nicht selbst tragen? Rundfunkrat und den Verwaltungsrat. Die tagen in Zeitungen Kampagnen fahren? Wo ist die intellek-
ZEIT: Rund acht Milliarden Euro an Beitragszah- der Regel jeweils einmal im Monat. Eine extreme tuelle Speerspitze einer Reformbewegung? Nutzen
lungen erhalten die Öffentlich-Rechtlichen pro Regulierungsdichte. doch Sie den Gestaltungsraum und die Energie der
Jahr. Herr Buhrow, Sie könnten auch ohne Hilfe Jäkel: Trotzdem gab es die RBB-Affäre. vielen Reformwilligen in Ihren Sendern.
der Politik den Wasserkopf abbauen: Verwaltung, Buhrow: Das stimmt, deswegen muss sie auch lü- ZEIT: Ein Nicken kann man in der Zeitung nicht
Pensionen, Gehälter, Chefetagen verkleinern. Es ckenlos aufgeklärt werden. sehen, Herr Buhrow!

»Wer uns noch schlanker will, muss gibt Schätzungen, wonach nur 40 Prozent der
Gebühren direkt fürs Programm aufgewendet wer-
den, 30 Prozent fürs Personal.
ZEIT: Frau Jäkel, Sie sind heute Aufsichtsrätin und
Beirätin in mehreren Unternehmen. Wie könnte
gute Kontrolle bei der ARD gehen?
Buhrow: Ich bin total d’accord und habe meine Zu-
kunftsvision »ARD 2030« Anfang 2021 skizziert.
Unter anderem habe ich mich für eine gemeinsame
sagen, worauf man verzichten soll« Buhrow: Der Wasserkopf ist ein Klischee. Wer
macht denn Programm? Das Personal. Und wir
Jäkel: Mit Professionalität. Die Gremien sind die
Achillesferse des Rundfunks: Wenn sie nicht funk-
Mediathek mit dem ZDF ausgesprochen, als es da-
für noch heftige Ablehnung gab. Aber noch mal:
verändern so vieles. Wir bündeln Kompetenzen, tionieren, ist das System in Gefahr. Für große, weiter gehende Veränderungen brauchen
wie von Ihnen gefordert. Wir haben zum Beispiel ZEIT: Woran machen Sie das fest? wir einen gesamtgesellschaftlichen Dialog.
die bundesweite Radio-Infonacht, die vom NDR Jäkel: Es gibt zwölf Rundfunkräte mit 542 Mit-
Tom Buhrow: Darf ich mit einer Frage starten? gibt es immer mehr, die sagen: Wir wollen euch für die ARD produziert wird. Wir sitzen doch gliedern. Das sind Laiengremien, besetzt mit­ Das Gespräch moderierten
DIE ZEIT: Gerne. weiterhin, aber nicht mehr in dieser Struktur und nicht auf den Händen und tun nichts. Wir sparen vielen engagierten, interessierten Ehrenamtlichen. Cathrin Gilbert und Martin Machowecz
Buhrow: Sagen Sie, Frau Jäkel: Sind die privaten Größe. Die Kritik entzündete sich an dem Tag, an in der ARD bis 2028 knapp eine Mil­liar­de Euro
Medienhäuser happy, dass wir uns in der ARD zur- dem von der geräteabhängigen Gebühr auf den ein. Wir haben vor allem in Verwaltung und Pro-
zeit sehr mit uns selbst beschäftigen müssen? Rundfunkbeitrag pro Haushalt umgestellt wurde. duktion gekürzt, das Programm, so weit es geht,
Julia Jäkel: Natürlich nicht. Aber ich spreche nur Jäkel: Ich fürchte, das Problem ist größer. Die Krise geschont. Wir werden diesen Reformkurs fortset-
für mich, und ich bin ein Fan des Programms von des Öffentlich-Rechtlichen ist fundamental. Es geht zen. Aber wer uns noch schlanker haben will, muss Julia Jäkel, 50,
ARD, ZDF, Deutschlandfunk und Kika, das Sys- doch nicht nur um die Höhe der Gebühren, son- sagen, worauf man verzichten soll. Ex-CEO von Gruner +
tem ist weltweit einmalig, sein Programm ist sach- dern darum: Wird mit dem Geld ordentlich umge- ZEIT: Es schreibt Ihnen aber niemand vor, wie viel
Jahr (u. a. »stern«,
lich und unabhängig. Dass es gut funktioniert, ist gangen? Werden die Anstalten so geführt und wird Sport, Kultur, Unterhaltung Sie brauchen. »Geo«), ist Aufsichts­
für unsere Demokratie essenziell. Ich wünsche mir dort so gearbeitet, wie es einer modernen Gesell- Buhrow: Wir haben den Sportetat gekürzt wie
rätin und Beirätin,
den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesund und schaft angemessen ist? Es liegen doch so viele Fragen kaum einen anderen. Aber die Bevölkerung erwar- etwa in der Tech-
kraftvoll. Damit wären wir beim Problem. in der Luft, über die die Gesellschaft frisches, wirk- tet zu Recht, dass wir ein Breitenprogramm für alle Firma Adevinta und
ZEIT: Inwiefern? lich offenes Nachdenken verlangt. machen. Die Kultur haben wir sehr bewusst mit bei der Holtzbrinck
Jäkel: Gesund und kraftvoll kommt er mir nicht Buhrow: Da bin ich gespannt. ARD Kultur in Weimar gestärkt. Publishing Group, die
gerade vor. Jäkel: 21 Fernsehprogramme und 73 Hörfunkwel- ZEIT: Verstehen Sie die Aufregung über die In-
auch 50 Prozent an
ZEIT: Nach der RBB-Affäre ist Tom Buhrow als len, braucht man die wirklich alle? Warum nutzt tendantengehälter? Mit über 400.000 Euro pro der ZEIT hält
ARD-Vorsitzender Krisenmanager. Frau Jäkel, wir man nicht Deutschlandradio Kultur als Mantel- Jahr liegen Sie über dem Bundeskanzler.
haben Sie um dieses Gespräch gebeten, weil Sie programm für die regionalen Kulturprogramme? Jäkel: Darf ich Tom da mal verteidigen? Ich finde,
Gruner + Jahr, ein privates Medienhaus, geführt Wozu sieben Infowellen? Warum bilden die regio- dieser Teil der Debatte geht am Problem vorbei.
haben. Bemitleiden Sie ihn? nalen Funkhäuser nicht Kompetenzschwerpunkte, Transparenz und klare Kriterien müssen erzeugt
Jäkel: Nein, im Gegenteil. Für jemanden, der die sondern halten Strukturen doppelt vor? Spätestens werden. Aber zu fordern, das Gehaltsniveau zu sen-
Dinge grundlegend verändern möchte, ist das ein bei der Zusammenlegung der Mediatheken von ken, ist populistisch. Wichtiger ist die Frage: Wie
günstiger Moment. Wenn man die Öffentlich- ARD und ZDF wird die Fülle an programmati- mache ich dieses so geschlossene System durchlässi-
Rechtlichen moderner, kreativer, schlanker gestalten schen Überschneidungen für jeden sichtbar. Aber ger? Für Talente mit anderen Erfahrungshinter-
möchte, stehen die Fenster offen: Alle verlangen genauso wichtig sind die Fragen: Was wollen wir gründen als den Öffentlich-Rechtlichen. Nicht weil
nach Reformen. Schade, dass wir den RBB-Skandal behalten, stärken? Etwa die Reporter vor Ort oder es die Privaten automatisch besser können, sondern
gebraucht haben, um dahin zu kommen. eine klare regionale Verankerung? Nichts davon weil andere Perspektiven so wichtig sind, um gut zu
Buhrow: Ich habe vom ersten Tag an beim WDR weiß ich besser, aber es verlangt Befassung. arbeiten. Wieso machen Sie das nicht, Tom?
Dinge reformiert: der crossmediale Umbau der Pro- Buhrow: Solche grundsätzlichen Fragen sind legi- Buhrow: Genau das tue ich. Ich habe gleich zum
grammdirektionen, ein Kulturwandel, der digitale tim. Ich kann Ihnen aber auch sagen, was die De- Amtsantritt zwei meiner Direktorinnen aus der
Ausbau bei gleichzeitiger Verschlankung der Struk- batte begrenzt: die Vorgaben der Politik. Die ist es, privaten Wirtschaft geholt, eine davon ist Katrin
turen. Schon kurz nach meinem Amtsantritt ent- die uns den Auftrag erteilt. Friedrich Merz fragte Vernau, die ich jetzt für ihren Einsatz als Intendan-
schied ich, dass wir 500 Stellen abbauen müssen. auf dem CDU-Parteitag: Warum sind hier 58 Kor- tin beim RBB beurlaubt habe.
Das haben wir mittlerweile geschafft. Mit weiteren respondenten akkreditiert? Das war etwas populis- Jäkel: Vielleicht müssen wir klarer definieren, was
Maßnahmen sparen wir insgesamt 100 Millionen tisch. Es gibt Delegierte aus 15 Bundesländern auf die Kriterien für das Spitzenpersonal zukünftig sind.
Euro pro Jahr. Es ist nicht so, dass wir erst anfangen. so einem Parteitag. Über deren Standpunkte wird Mut und Managementerfahrung sollten zum An-
Die Sender und die ARD insgesamt reformieren dann auch in den Regionalprogrammen berichtet. forderungsprofil gehören. Mehr als das Bespielen
sich seit Jahren. Aber die grundsätzlichen Fragen Jäkel: Ja, aber ... von Gremien über Jahre.
Fotos: Gene Glover für DIE ZEIT

werden seit Jahrzehnten im Vierjahreszyklus zwi- Buhrow: Noch einen Punkt, bitte: Wenn man das ZEIT: Frau Jäkel, Sie mussten sich als Chefin von
schen Politik und Sendern hin und her geschoben. ändern will, müssen wir die Debatte darüber ehr- Gruner + Jahr am Markt beweisen. Die Menschen
Jäkel: Genau das finde ich unbefriedigend. ARD lich in der Gesellschaft führen und uns fragen: geben freiwillig Geld für Magazine oder Online-
und ZDF zeigen auf die Politik und sagen: Die Po- Was wollen wir in Zukunft vom Öffentlich-Recht- Abos aus. Für den öffentlich-rechtlichen Rund-
litik muss sich bewegen. Die Politik zeigt zurück lichen und was nicht mehr? Wenn dann dabei funk muss jeder zahlen. Hat Sie das gestört?
und sagt: Warum reformiert ihr euch nicht? Nie- rauskommt, dass es weniger Sender geben soll, Jäkel: Nein. Erst mal ist es gut, dass es nicht so ge-
mand geht nach vorne, auch Sie nicht. Dabei würde braucht es einen breiten Konsens, und die Politik regelt ist wie neuerdings in Frankreich mit einem
ich mir von Ihnen eine grundlegende Idee wün- muss die Entscheidung treffen. steuerfinanzierten Modell. Da wird der Rundfunk

»Es hindert Sie niemand daran,


schen, wie die Öffentlich-Rechtlichen aus dieser Jäkel: Meine Frage an Sie war: Was wollt ihr anders wirklich zum Spielball der Politik. Für die Chance,
Krise kommen. machen? Sie sagen mir aber, warum Sie die Dinge so sich nicht primär über den Werbemarkt finanzie-
Buhrow: Dazu eine Feststellung: 70 Jahre lang ha- machen, wie sie bisher gemacht werden. Es hindert ren zu müssen, beneide ich die Verantwortlichen.
ben wir diesem Land gut gedient. Unsere Produkte
werden geschätzt – viele sogar geliebt. Inzwischen
Sie niemand daran, selbst Vorschläge zu machen!
ZEIT: Braucht das Land so viele Sender?
Das ließe doch mehr Mut und Kreativität im Pro-
gramm zu. Die Qualität der Nachrichtensendun- selbst Vorschläge zu machen!«
»Eine Demokratie, in der
nicht gestritten wird, ist keine.«
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 HELMUT SCHMIDT 11

Wirft der Staat mit zu


viel Geld um sich?

JA, NEIN,
findet ILEANA GRABITZ. Die Regierung kann nicht schreibt ANNA MAYR : In der Not über Schuldenbremsen
alle Härten abfedern. So ernst die Lage auch ist zu reden, ist bloß politische Folklore

Gerade mal zweieinhalb Jahre ist es her, dass Olaf regler im Herbst nun doch etwas weiter aufdrehen Ich stand in einem Schneideratelier in Berlin-­Mitte, geben, für Windräder, Solaranlagen, Förderpro-
Scholz, damals noch Bundesfinanzminister, die können als nötig. Warum eigentlich? Hohe Preise am vergangenen Freitag, als mir die Rezession zum gramme für Passivhäuser und Wärmepumpen.
»Bazooka« rausholte, um die deutsche Wirtschaft sind die beste Motivation zum Energiesparen – ge- ersten Mal live begegnete. »Gut, dass Sie kommen«, Zweitens gibt es eine soziale Krise. Alles wird immer
in der Corona-Pandemie zu retten. Heute, inzwi- rade für Menschen mit mehreren Autos, großen sagte die Schneiderin, die ich zuletzt vor ungefähr teurer, weil es weniger Energie-Angebot gibt, weni-
schen Kanzler, verspricht Scholz den Bürgerinnen Häusern und Privatsaunen. einem Monat gesehen hatte. »Ich mache nämlich ger Material und zu wenig Menschen, die Dinge
und Bürgern: You’ll n­ ever walk a­ lone – ihr werdet Es gibt also gute Gründe dafür, die Doppel- zu.« – »Warum machen Sie denn zu?«, fragte ich. produzieren. Kohlensäure wird teuer, denn sie ist
niemals allein gehen müssen. Wirtschaftsminister Wumms-Bazooka nicht immer allzu schnell und »Läuft nicht mehr so«, sagte sie. ein Nebenprodukt der gasintensiven Düngemittel-
Robert Habeck will bei den Unternehmenshilfen allzu bereitwillig rauszuholen. Auch weil wir nicht Während der Pandemie, erzählte sie, habe es produktion. Eventuell machen Sektfabriken und
»nicht kleckern, sondern klotzen«. Und jetzt folgt wissen, wie lange diese Krise noch anhält – der über- Monate gegeben, in denen sie zehn Euro Umsatz kleine Brauereien zu. Die dortigen Mitarbeiter
Ileana Grabitz noch der »Doppel-Wumms«: 200 Mil­liar­den Euro, nächste Winter etwa könnte in puncto Energiever- machte, mehr nicht. Es sei kaum jemand gekom- könnten ihre Jobs verlieren wie die Schneiderin ihr Anna Mayr ist
ist Politik- um die steigenden Energiekosten für die Bevölke- sorgung noch härter werden als der kommende. men, denn Schneiderinnen sind Menschen für Atelier. Wer keinen Job hat, geht nicht ins Restau- Redakteurin im
Ressortleiterin rung und für die Wirtschaft abzufedern. Bäckereien, Krankenhäuser, Stahlunternehmen, sie besondere Anlässe, und von denen gab es keine. Sie rant, weshalb dann auch die Restaurants schließen. Hauptstadtbüro
von ZEIT ONLINE Rhetorisch scheint die Krise also schon gelöst: alle ächzen unter hohen Energiekosten; zeitgleich habe Verträge mit Anzug-Geschäften in der Nähe, Schon jetzt geht die Nachfrage extrem zurück, der ZEIT
Der Staat öffnet die Geldschleuse und schwemmt droht eine tiefe Rezession. Dummerweise hilft aber die ihr Kunden schickten, aber die Geschäfte hatten die Leute behalten ihr Geld bei sich, aus Angst.
das Land mit Liquidität. Schließlich wird das Geld auch der Gaspreisdeckel abermals vielen, die es nicht zu, die Kunden bestellten im Internet und liefen Rezession bedeutet, dass alles immer schlimmer
ja offenbar überall gebraucht. Zuletzt hat Bundes- unbedingt bräuchten. Zielgerichtete Hilfen für dann eben in schlecht sitzenden Hosen rum. Auch wird. Dass Tausende ihre Jobs verlieren und Hun-
tagspräsidentin Bärbel Bas besorgt festgestellt, dass Unternehmen und Privatverbraucher wären besser jetzt komme kaum jemand, außerdem seien Miete derte Unternehmen zumachen. Für große Arbeit-
viele schon lange nicht mehr spontan ins Kino­ gewesen (scheitern aber leider schon daran, dass der und Energiepreise gestiegen. Also: lieber jetzt ge- geber, die trotz Krise weiter produzieren können,
gehen oder ein Restaurant besuchen könnten. deutsche Staat noch immer über keine Möglich- ordnet schließen und einen kleineren Laden suchen hätte das zwar auch Vorteile – sie könnten wieder
Hier zeigt sich schon die ganze Unschärfe des keiten zu direkten Zahlungen an Bürger verfügt). oder einen anderen Job, als im nächsten Jahr pleite- niedrigere Löhne zahlen, denn es gäbe wieder ar-
großen Geklotzes: Worum geht es eigentlich? Um Doch egal wie: All das kostet Milliarden. Wie gehen. Immerhin, sagte sie, sei bei uns kein Krieg. beitslose Fachkräfte. Aber das ist zynisch.
eine Existenzsicherung von Bürgerinnen und Wirt- auch der Kampf gegen den Klimawandel und die Währenddessen demonstrierten auf dem Ale- Der Gaspreisdeckel ist deshalb richtig. Die da-
schaft? Oder darum, dass wir alle weiter Schnitzel militärische Zeitenwende. Wer wollte verantworten, xanderplatz Handwerker mit Rechten und Ver- rüberliegende Diskussion um Schulden und deren
essen können und den Filmstart von Die Schule der angesichts dieser Kostenlawine irgendwo Geld zu schwörungstheoretikern für Frieden oder die Öff- Bremse ist nur politische Folklore; in einer Krise
Illustration: Filip Fröhlich für DIE ZEIT; kl. Fotos: privat; Urban Zintel für DIE ZEIT (u.r.)

magischen Tiere 2 nicht verpassen? verschleudern? Auch wenn es für manche ein neuer nung von Nord Stream 2 oder gegen die Diktatur muss der Staat Geld in Umlauf bringen. Menschen
Gewiss, in einem wirtschaftsstarken Land wie Gedanke zu sein scheint: Die Mittel sind endlich, der parlamentarischen Demokratie, ich bin un­ organisieren sich in Staaten, weil sie sich darauf ­
unserem müssen Menschen in Krisen darauf ver- noch dazu in einem Land, dessen wirtschaftlicher sicher. Jedenfalls dachte ich, dass offensichtlich ist, einigen, dass es für jeden Einzelnen sicherer ist, von
trauen dürfen, nicht alleingelassen zu werden. Wer Erfolg zu einem Gutteil auf bislang billigem rus­ für wen man gerade Politik machen müsste: Leute, einer Gemeinschaft beschützt zu werden. Das soll-
angesichts der dramatisch steigenden Preise bald die sischem Gas basiert. Das es nun nicht mehr gibt. die verlieren könnten, was sie sich aufgebaut haben. te auch auf Jobs und warme Wohnungen zutreffen.
Miete nicht mehr bezahlen und den Kindern keine Nicht nur haushalterisch, auch gesellschaftlich Die Schuldenbremse ist letztlich nur ein Grenz- Zugleich können die Unternehmenshilfen, die
Schulbrote, keine warme Kleidung und kein or- gehen die Vollkaskoversprechen fehl. In Zeiten wert, ein Indikator. Wie bei einer Weight-Watchers- Entlastungen für Bürger und mögliche Änderungen
dentlich temperiertes Zuhause bieten kann, muss der Krise punktuell einzugreifen ist gut. Aber je Diät: Du darfst bloß soundso viele Kalorien essen. am Steuersystem nicht auf einem Wertesystem
Hilfe bekommen, und zwar schnell. mehr es zur Selbstverständlichkeit wird, dass die Außer Obst, das darf man, so viel man will, und beruhen, das die ökologische Krise ignoriert. Alles
Richtig ist aber auch: Es gibt genügend Men- Schulden­bremse wieder und wieder ausgesetzt wird, außer natürlich, du machst Sport, dann sind ein hängt zusammen – aber alles könnte auch anders
schen, die alleine gehen können – und die muss der der Staat zahlt und alle Belastungen abfedert, desto paar Punkte mehr drin. Der Staat soll nicht dauer- zusammenhängen, neue Verbindungen sind mög-
Staat alleine gehen lassen. Insgesamt hat die Ampel mehr droht die Eigenverantwortlichkeit zu ver- haft mehr ausgeben, als er einnimmt. Außer es lich, Innovationen eh. Wir können nicht bis in alle
nun wuchtige 295 Mil­liar­den Euro frei gemacht für kümmern. Und damit das Bewusstsein dafür, dass handelt sich um Investitionen, außer es gibt eine Zeiten mit Ammoniak düngen, weil es nicht bis in
Entlastungen. Leider auch für gut situierte Leute, der Staat keine über der Gesellschaft schwebende Katastrophe, außer es ist eine besondere Notlage. alle Zeiten Gas gibt; das heißt überraschenderweise
die durchaus ohne Hilfen zurechtkämen. Ob Tank- Einrichtung ist, die bei Bedarf Geld regnen lässt. Wir sind in einer Notlage. auch, dass wir nicht auf ewig billigen Sekt bekom-
rabatt, 9-Euro-Ticket, der Abbau der kalten Pro- Wir alle sind der Staat – und jede und jeder Einzel- Erstens gibt es eine ökologische Krise, gegen die men. Es muss jetzt Investitionen in die Zukunft
gression oder die pauschale Mehrwertsteuersenkung ne ist für ihn mitverantwortlich. Zum Beispiel dafür, jetzt gehandelt werden muss. Nicht erst, wenn die geben. Crémant produziert seine Kohlensäure selbst,
für bestimmte Lebensmittel, die nun manche for- die nachfolgenden Generationen mitzudenken. Sie gesamte Ukraine zurückerobert wurde. Nicht erst, bei der Gärung mit Hefe in der Flasche. Das makro-
dern – hier kommen Entlastungen auch den Bes- haben mit den Folgen der Klimakatastrophe genug wenn die Inflation zurückgegangen ist. Um die öko- ökonomische, langfristige Ziel sollte sein: eine
serverdienenden zugute, die deshalb den Heizungs- zu tun, sie brauchen nicht noch unsere Schulden. logische Krise abzuwenden, muss man Geld aus- Gesellschaft, in der sich jeder Crémant leisten kann.

Dausend Prozent

55 %
der Deutschen haben die Sorge, dass es im Krieg zwischen Russland
und der Ukraine zu einer nuklearen Eskalation kommen könnte.
Unser Kolumnist verrät, wohin man im Ernstfall fliehen muss
Aktuelle Civey-Umfrage für die ZEIT

Peter Dausend
Im Film Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die man überall auf der Welt die Einschläge Uff! Und dabei sind das nur drei Bei- demnächst auch mal vorbei sein könnten. zuziehen? Oder wollten die mal The ­Texas ist politischer
Bombe zu lieben stürzt sich ein durch­ Dutzender Atomraketen, denen drei Mil- spiele aus dem reichlich ausgestatteten Und zwar für alle Zeit. Chain Saw Massacre sehen, sind aber irr- Korrespondent im
geknallter texanischer Offizier – rittlings auf liarden Menschen zum Opfer fallen. Genre des Atomkrieg-Films. Angesichts Interessant wäre auch, welche Filme jene tümlich in Findet Nemo gelandet und trauen Hauptstadtbüro
einer Atombombe sitzend, mit Freuden­ In The Day After ist man einen Schritt dieses Doomsday-Mixes aus Wahnsinn, 32 Prozent der Deutschen geprägt haben, sich nicht, einzugestehen, dass sie vor Rüh- der ZEIT
gejohle seinen Cowboyhut schwenkend – weiter. Nach einem Atomkrieg sind die Zwangsläufigkeit und Zivilisationsbruch die sich null Sorgen machen. Sissi – Schick- rung geweint haben? Die Kategorie »Weiß
aus einem US-Bomber auf sein Ziel in der Städte unbewohnbar. Überall entstehen erscheint es fast erstaunlich, dass »nur« 55 salsjahre einer Kaiserin? Bambi? Oder doch ich nicht« sollte man in Umfragen streichen.
Sowjetunion. Die Schlusssequenz zeigt die Flüchtlingslager, die Lebensmittel reichen Prozent der Deutschen die Sorge umtreibt, eher Dumm und Dümmer und Der Blinde? Zurück zur »Apokalypse now«. Wohin
Vernichtung der menschlichen Zivilisation. nicht aus. Es fehlt an Medikamenten, Seu- im Krieg zwischen Russland und der Ukrai- Und jene 13 Prozent, die mal wieder man angesichts des heraufziehenden dritten
In Terminator 3 löst eine künstliche­ chen brechen aus. Die Armee übernimmt ne könnte es zu einer nuklearen Eskalation nicht wissen, was sie sind, besorgt oder Weltkrieges fliehen soll? Na, ins Kino natür-
Intelligenz jenen Atomkrieg aus, der in die Kontrolle, lässt willkürlich Zivilisten kommen. Wer den Weltuntergang regel- nicht: Haben die ihr bisheriges Leben damit lich. Um es mit Arnold Schwarzenegger,
Terminator 2 noch verhindert werden erschießen. Menschen bewaffnen sich und mäßig zur Prime­time serviert bekommt, verbracht, sich ­Dazed and Con­fused (Be­ dem ewigen Terminator, zu sagen: »Komm
konnte. In der letzten Einstellung sieht töten einander, um zu überleben. sollte eigentlich erwarten, dass Prime­times nebelt und verwirrt) als Dauerschleife rein- mit, wenn du leben willst.«

Online mitdiskutieren: Mehr Streit finden Sie unter zeit.de/streit


12 INHALT 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Titelthema: Sternstunden der Menschheit – neue ZEIT-Serie

POLITIK Krisen  Klaus Regling ist der Chef des Medien  Warum regen sich alle auf über
europäischen Rettungsfonds, sein ganzes Richard David Precht? 
Iran  Die Proteste weiten sich aus, Berufsleben lang hat er Länder gerettet. VON JENS JES SEN  52
obwohl das Regime brutal gegen die Ein Gespräch  22
Demonstranten vorgeht  Kolumne  Grand Slam 
VON MARIAM L AU  2 Delivery Hero  Wie der deutsche VON ANDREA PETKOVIĆ  53
Konzern am Persischen Golf Wander­

• 24
Immobilien  Wird in Berlin eine arbeiter ausbeutet  Kunst  Die Ausstellung »Atmen« in der

• 53
200 Jahre alte Eiche gefällt, damit eine VON ANN-K ATHRIN NEZIK  Hamburger Kunsthalle 

•3
Tiefgarage für sechs SUVs entstehen VON PETER NEUMANN 
kann?  VON MARK SCHIERITZ  Rezession  Sie könnte Ostdeutschland
härter treffen als den Rest des Landes. Kino  »The Woman King« von
China  Staatschef Xi Jinping galt früher Droht vielen Unternehmen die Pleite?  Gina Prince-Bythewood 
als Reformer. Heute erstarren Menschen VON M . DEBES , A . MODERSOHN UND VON JENS BALZER  53
in Angst, wenn man nur seinen Namen M . NEJEZCHLEBA  26
ausspricht  VON XIFAN YANG  4 Bücher meines Lebens  Warum ich
nicht aufhören kann, Gottfried Benns
Krieg  Nie zuvor haben so viele Frauen GREEN. Gedichte zu lieben 
den Deutschen Militär und Sicherheits- VON FLORIAN ILLIES  54
Schifffahrt  Die zweitgrößte Reederei
•6
politik erklärt. Sie zahlen dafür einen
hohen Preis  VON JÖRG L AU  der Welt nimmt Kurs auf Klima­ Emily Brontës Roman »Wuthering
neutralität  VON RICARDA RICHTER  29 Heights« hat mich zur obsessiven Leserin
Foto: Yen Duong für DIE ZEIT

Pipeline-Sabotage  Wie verwundbar ist gemacht  VON MITHU SANYAL  54


die kritische Infrastruktur des Westens?  Fleisch  Die Deutschen essen viel mehr

• 30
VON J. BIT TNER , A . BOTA , J. L AU, davon, als sie behaupten  Kino  Ein Gespräch mit dem Regisseur
I . MALCHER , P. MIDDELHOFF UND VON SOPHIE NEUK AM  Ruben Östlund über seinen neuen Film
M . WIDMANN  7 »Triangle of Sadness«  55
»Die Grenzen des Wachstums« 
Niedersachsen  So einen Wahlkampf Vor 50 Jahren schrieb Dennis Meadows ­ Pop  Das neue Album der Post-Punk-
hat noch niemand erlebt: Unterwegs mit dieses große Buch. Jetzt warnt er die Band Die Nerven  VON TIMO POS SELT 56
SPD-Ministerpräsident Stephan Weil  Menschheit ein letztes Mal 31
ZEITNAH VON PETER DAUSEND  8 Roman  Stephen King »Fairy Tale« 
Der Ökotester  Kalt duschen  VON JENS BALZER  57
Rückkehr an einen schicksalhaften Ort Brasilien  Nach der ersten Runde der VON HENNING SUS SEBACH  32
Präsidentschaftswahl drohen dem Land
chaotische Wochen  Warum haben wir das nicht?  KINDER- &
VON THOMAS FISCHERMANN  Dänemark zahlt südlichen Ländern Geld
14 Jahre alt war die Vietnamesin Pham Thi Nhanh, als sie sich beim Massaker von 9
für seine Umweltsünden  JUGENDBUCH
My Lai in einem Bunker vor US-Soldaten versteckte. Mehr als 50 Jahre später zeigte sie Großbritannien  Der Fehlstart der VON L AUR A CWIERTNIA  32
LUCHS-Preis Oktober  für Stefanie
neuen Premierministerin Liz Truss 
Tanja Stelzer den Ort, an dem ihr ausgerechnet ein amerikanischer Pilot das Leben VON JAN ROS S  9 Journalismus  Ein Medien-Start-up will Höflers Kinderbuch »Feuerwanzen lügen
nachhaltige Turnschuhe herstellen. Passt nicht« über Armut im reichen Deutsch-
rettete. Zum Auftakt unserer neuen Serie »Sternstunden der Menschheit« erzählt die das zusammen?  VON ANNE KUNZE  33 land  VON JUDITH SCHOLTER  59
ZEIT-Reporterin von diesem Sieg der Moral über die Mordlust  DOSSIER, SEITE 13 STREIT Die LUCHS-Jury empfiehlt 59
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk  WISSEN Interview  Die Erfinderin der Bilder-
WDR-Intendant Tom Buhrow und
Bildung  In den Schulen herrscht ein buchbiografie-Reihe »Little People, Big
Medienmanagerin Julia Jäkel streiten
dramatischer Lehrermangel. Was die Dreams« spricht über starke Frauen und
darüber, was bei ARD und ZDF
Vorbilder für Kinder 59
• 35
dringend anders werden muss 10 Politik jetzt tun muss 
VON JEANNET TE OT TO 
Krisenhilfe  Sollte der Staat in der Not
sparsamer sein? Ein Pro & Contra  VON Nobelpreis  Warum die Auszeichnung GLAUBEN & ZWEIFELN
ILEANA GR ABITZ UND ANNA MAYR  11 rückwärtsgewandt ist 
VON STEFAN SCHMIT T  36 Kopftuch  In den vergangenen Jahr-
Foto: Lottermann and Fuentes für DIE ZEIT

Dausend Prozent  zehnten fand es unter Musliminnen


VON PETER DAUSEND  11 Der Physik-Nobelpreisträger Anton immer mehr Verbreitung. Warum jetzt
Zeilinger erklärt die Quantenwelt wie mutige Frauen dagegen aufbegehren 
kein Zweiter  VON MA X R AUNER  36 VON ABDEL HAKIM OURGHI  60
DOSSIER
Der Medizin-Nobelpreisträger Svante
Titelthema: Sternstunden der Pääbo hat mit dem Blick in die steinzeit- ENTDECKEN
Menschheit  Zum Start der ZEIT-Serie lichen Gene ein neues Fach etabliert 
über 14 bedeutende Augenblicke im VON ULRICH BAHNSEN  37 Was macht er da?  SIMONE BUCHHOLZ
Foto: DZ

20. und 21. Jahrhundert verfolgt die Bewegungen ihres Sohns mit


VON WOLFGANG UCHATIUS  13 Ein Gespräch mit Svante Pääbo  37 einer App. Und hasst sich dafür  61

Folge 1: Ein amerikanischer Soldat rettet Ökologie  Nach dem Fischsterben Entdeckt Fokussiertheit 
Ausgeliefert Sie hat die Hosen an beim Massaker von My Lai 1968 zehn
Menschen das Leben 
beginnt die Diskussion über die Zukunft
der Oder  VON MARTIN NEJEZCHLEBA  39
VON AL ARD VON KIT TLITZ  63

Serie: Disko Deutschland 


Aus dem deutschen Vorzeige-Start-up Delivery Hero Eine Familienunternehmerin VON TANJA STELZER  14
Informatik  Wie Modellierer eine Die alten Herren vom Boston-Achter
ist ein globales Lieferimperium für Lebensmittel der besonderen Art: Mit Mann mögliche Zukunft berechnen 
VON GERO VON R ANDOW  40
des Ruder-Clubs Allemannia reden über
geworden. Den Preis aber zahlen die Fahrer. Etwa in und Schwiegervater produziert GESCHICHTE Alter, Tod und Olympia 1964 
VON CHRISTOPH FARK AS  64
Infografik  Regenbogenpresse48
Dubai, wo asiatische Arbeitsmigranten mit perfiden Lea Heilmann von zu Hause Italien  Hundert Jahre nach Mussolinis
Marsch auf Rom: Wie weit reicht der Hausarbeit  Zu Besuch im Homeoffice
Methoden ausgebeutet werden  WIRTSCHAFT, SEITE 24 aus Pornos  ENTDECKEN, SEITE 65 Faschismus in die Gegenwart hinein?  von »Just Lucy«, Deutschlands größtem
VON HANS WOLLER  17
LEO – DIE SEITE
• 65
Pornostar 
FÜR KINDER VON ANNABELLE SEUBERT 
Gratulation  Der Historiker und
Holocaust-Überlebende Saul Friedländer Die Feen von Cottingley  Vor hundert 50 Jahre Malediven  Ist das vom
IN DEN REGIONALAUSGABEN ZUM HÖREN Jahren machten zwei Mädchen in
wird 90 Jahre alt  VON NORBERT FREI  17 Klimawandel bedrohte Inselparadies
Großbritannien Fotos von Fabelwesen  doch zu schön, um wahr sein zu dürfen?
ZEIT im Osten  Was passiert, ZEIT Österreich  Bei der Wahl Die so gekennzeichneten
VON JOSEFA R ASCHENDORFER  47
wenn eine gebürtige Rhein­ des Bundespräsidenten treten Artikel finden Sie als VON AMONTE SCHRÖDER-JÜRS S  66
sechs Männer gegen Alexander Audiodatei im »Premium- VERBRECHEN
länderin versucht, den säch­
van der Bellen an. Der Amts­ bereich« unter Größter anzunehmender Urlaub 
sischen Dialekt zu erlernen?
www.zeit.de/vorgelesen
Einbruch  Ein Angeklagter knackt FEUILLETON Entspannen im Wunderland Kalkar, das
Ein Erfahrungs­bericht  inhaber ist erstaunlich unbeliebt. serienmäßig Wohnungen – seine Opfer
16 Wie kommt das?  Politik  Werden linke Proteste von ­ mal ein AKW werden sollte 
VON CHRISTINA RIETZ  ANZEIGEN IN leiden unter schlimmen Folgen 
VON CHRISTINA PAUSACKL UND Putin-Verstehern und »Querdenkern« ­ VON SEBASTIAN DALKOWSKI  67
DIESER AUSGABE VON THOMAS MELZER  18
Foto: Nikita Teryoshin

Wörter, die nur Sachsen verstehen FLORIAN GAS SER  16 unterwandert? Ein Gespräch mit der
– drei Autoren schreiben über Wie es wirklich ist ... 
Bildungsangebote und Schriftstellerin Sibylle Berg und dem ­
Mehrere rechte Kandidaten ein Kalb auf eBay zu kaufen 
ihre Lieblingsbegriffe   17 Stellenmarkt WIRTSCHAFT Soziologen Oliver Nachtwey  49
VON OLIVIA VON HEYBOWITZ  70
buhlen um Protestwähler. Ein (ab Seite 41),
ZEIT Schweiz  Die Schweizer Problem für die FPÖ – aber auch Agenda Kultur: Atomkraft  Marode Meiler sorgen für Serie  »Sisi« gibt es jetzt auch bei Netflix 
ihre Chance 
• 19
Armee soll enger mit der Nato Museen, Kunstmarkt, Versorgungs­engpässe in Frankreich  VON EVA SAGER  50
Mehr als 100
kooperieren, hat der Bundesrat VON CHRISTIAN BARTL AU  17 Bühnen (Seite 57) VON MAT THIAS KRUPA 
RUBRIKEN
Demonstrationen werden Würdigung  Zum 80. Geburtstag des
entschieden. Das ist schwieriger Leserbriefe  16
pro Woche in Berlin Hans Becker war eine zentrale FRÜHER Volkswagen  Oliver Blume soll Porsche Investigativjournalisten Günter Wallraff 
als gedacht, sagt der Militär­
• 38
angemeldet. Worüber Figur des österreichischen Wider- INFORMIERT! und VW gleichzeitig führen. Wie soll VON CHRISTOPH AMEND  50
erregt sich Deutschland? experte Bruno Lezzi   16 stands gegen die Nazis. Eine neue Stimmt’s?
das gehen? Ein Gespräch  20
Biografie erinnert an ihn  Die aktuellen Themen Film  Ulrich Seidls Film »Rimini« kommt
Wo ist die klebrige Primel? In der ZEIT schon am Die Position41
VON SIMONE BRUNNER  18 Womit keiner rechnet  Die Wahlen in in die Kinos – ­und gleichzeitig werden
Graubünden zählen Freiwillige Mittwoch im ZEIT-Brief, Brasilien und der Regenwald  Vorwürfe gegen den österreichischen Worum geht’s?42
und Profis alle Pflanzen im dem kostenlosen VON THOMAS FISCHERMANN  21 Regisseur laut  VON K ATJA NICODEMUS 50
Kanton. Unsere Autorin BRIGIT TE Newsletter
WENGER suchte mit   17 www.zeit.de/brief
3 ½ Fragen43
Banken  Die Schweizer Großbank Künstliche Intelligenz  Das Programm
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• 51
Was steckt dahinter?  das für die Kunst? 
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6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

DOSSIER Titelthema
13

Ein gewöhnlicher
Soldat im
Zentrum des
Weltgeschehens:
Hugh Thompson
1969 am Rande
einer Befragung
im Pentagon,
umringt von
Reportern. Seine
Geschichte
lesen Sie auf der
folgenden
Doppelseite

Foto: AP/dpa
Und plötzlich alles anders
Warum auch ein Krieg eine Sternstunde sein kann: Zum Start einer neuen ZEIT-Serie  VON WOLFGANG UCHATIUS

F
otografen haben es leichter als His- von Weizsäcker am 8. Mai 1985 zum 40. Jahrestag ein einziges Datum, eine einzige Stunde und oft neue, friedlichere Weltordnung zu schaffen, und der Es gibt dazu zwei bemerkenswerte Sätze, nicht
toriker. Wenn ein Fotograf durch des Kriegs­endes sprach, da war dies eine Sternstunde nur eine Minute zusammengedrängt ist, sind selten Gegenwart viele weitere Sternstunden gegeben hat. mehr ganz neu, aber vielleicht gerade deshalb umso
seine Kamera schaut, kann es sein, der politischen Rede. Denn Weizsäcker sagte, der im Leben eines Einzelnen und selten im Lauf der Die ZEIT-­Redak­tion hat 14 davon ausgewählt, um interessanter. Der erste stammt aus dem Jahr 1840,
dass das Objektiv nur einen einzel- 8. Mai 1945 sei kein Tag der Niederlage, sondern Geschichte. Einige solcher Sternstunden (...) ver- sie in den kommenden Wochen im Rahmen einer der schottische Philosoph Thomas Car­lyle hat ihn
nen Menschen erfasst, vielleicht ein Tag der Befreiung gewesen – und veränderte da- suche ich hier aus den verschiedensten Zeiten und großen Serie zu beschreiben. 14 Sternstunden der formuliert. Er lautet: »Die Geschichte der Welt ist
nur dessen Gesicht, ein schreiendes mit das Geschichtsbild der Deutschen. Als der Zonen zu er­innern.« Politik, der Kultur, der Wissenschaft, des Alltags­ lediglich die Biografie großer Menschen.« Für Car­
Gesicht womöglich, verzerrt von amerikanische Immunologe ­ James Allison am Eine Sternstunde, das war für Stefan Zweig zum lebens. 14 historische Reportagen. lyle waren es einzelne, he­raus­ragen­de Persönlich-
Wut und Verzweiflung. Der Fotograf kann dann 22. März 1996 in der Zeitschrift Science seine For- Beispiel die Eroberung Konstantinopels durch die Dem Vorbild Stefan Zweigs folgend haben wir keiten, die den Gang des Weltgeschehens bestim-
die Brennweite auf Weitwinkel stellen und so den schung beschrieb, da war dies eine Sternstunde der Türken im Jahr 1453. Oder im Jahr 1815 die Momente außer Acht gelassen, die uns zu nahelie- men und verändern, durch ihren Intellekt, ihre
Ausschnitt vergrößern, andere Menschen mögen Wissenschaft. Denn Allison wies nach, dass man das Schlacht von Waterloo. Georg Friedrich Händel gend, zu offensichtlich erschienen. Zweig schrieb Kunst, ihre Stärke und Führungskraft. Menschen
ins Bild kommen, die ebenfalls schreien, Plakate, menschliche Immunsystem dazu bringen kann, komponierte 1741 den Messias, und ­Cyrus W. Field nicht über die Entdeckung Amerikas, nicht über wie der Prophet Mohammed, der Erfinder Guten-
auf denen »Nein zum Krieg« steht, Flaggen mit Krebszellen zu erkennen und zu zerstören, ein auf verlegte 1858 das erste Telegrafenkabel durch den die Erfindung der Dampfmaschine, nicht über berg, der Schriftsteller Shakespeare oder der Kriegs-
den Farben Russlands und der Ukraine, Polizisten seiner Arbeit beruhendes Medikament hat inzwi- Atlantik. Auch das waren Sternstunden, genau wie den Sturm auf die Bas­tille. In der ZEIT-Serie wird herr Na­po­leon.
in schwarzen Uniformen, die Demonstranten über schen unzähligen Menschen das Leben gerettet. Als der Moment, als Claude-­Joseph Rouget de L ­ isle die die Mondlandung fehlen, der Fall der Mauer, die Der andere Satz kommt von dem russischen
den Asphalt schleifen, und plötzlich werden die der Schwimmer Michael Phelps am 13. August 2016 Mar­seil­laise schrieb, das Lied, mit dem die franzö­ Schlacht von Stalingrad. Stefan Zweig ging es da- Schriftsteller Lew Tolstoi, der in seinem 1869 er-
Zusammenhänge klar. Hier protestieren Russen bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro die sische Revolutionsarmee in die Schlacht zog. 1792 rum, die weniger beachteten, aber vielleicht umso schienenen Buch Krieg und Frieden über die Wir-
gegen den russischen Krieg, die russische Regie- Goldmedaille mit der amerikanischen 4-mal-100- war das, wieder ein Krieg, durch den das Schicksal bedeutsameren Momente zu finden. Das war auch ren und die Feldzüge im Europa nach der Franzö-
rung, den russischen Präsidenten. Meter-Lagen-Staffel gewann, da war dies eine Stern- eine Wendung nahm. unser Ziel. Eine Folge der Serie wird sich mit­ sischen Revolution schrieb: »Na­po­leon aber, der
Historiker haben keinen Objektivring, an dem stunde des Sports. Denn Phelps hatte seine 23. Gold- Vieles deutet darauf hin, dass auch der Ukraine-­ einem Sachbuch beschäftigen, das die Welt ver­ uns als Leiter dieser ganzen Bewegung erscheint,
sie drehen können, um die Verbindungen zwi- medaille gewonnen, womit er nicht nur jeden ande- Krieg einmal als eine solche weltverändernde Stunde ändert hat, eine andere mit einem Pianisten. Der wie die Wilden die geschnitzte Figur am Schiffs-
schen den Dingen zu erkennen, sie können ihren ren Athleten übertraf, sondern auch ganze Länder zu sehen sein wird. Noch aber lässt sich das nicht Reichstag in Berlin wird ebenso eine Rolle spielen schnabel für die Kraft ansehen, die das Schiff
Blick nicht auf Weitwinkel stellen. Oder eigent- wie Argentinien, Irland und Mexiko. »Sternstunde«, endgültig sagen. Was sich jedoch sagen lässt, ist, dass wie ein Floß auf dem Pazifik. lenkt, Na­po­leon war während der ganzen Zeit sei-
lich doch. Aber dafür müssen sie warten. Wochen, das ist im heutigen Sprachgebrauch ein anderes Wort es zwischen Stefan Zweigs letzter Sternstunde aus dem Die Serie ist nicht chronologisch aufgebaut. Sie nes Wirkens wie das Kind, das die Riemen im In-
Monate, manchmal Jahre. Dann, in der Rück- für »Glanzstunde«. Und ein Krieg kann ja wohl Jahr 1919, dem am Ende gescheiterten Versuch des springt mit ihren einzelnen Folgen in der Zeit vor neren des Wagens in der Hand hält und sich ein-
schau, treten Ursache und Wirkung zutage, wer- keine Glanzstunde sein. amerikanischen Präsidenten Wood­row Wilson, eine und zurück – und beginnt mit dem 16. März 1968. bildet, es lenke den Wagen.« Für Tolstoi trieben
den Motive und Muster deutlich, lässt sich die Im schon etwas älteren Deutschen Wörterbuch der Auch damals bestimmte ein Krieg das Weltgeschehen, nicht Kaiser und andere Anführer die Geschichte
wahre Bedeutung von Ereignissen ausmachen. Die Brüder Grimm aber wird die Sternstunde anders aber nicht in Europa, sondern in A
­ sien. Die Amerika- an, sondern die Handlungen unzähliger Indivi-
zeitliche Distanz ist das Weitwinkelobjektiv der definiert. Nämlich als eine Art Wegscheide, als ner kämpften seit mehreren Jahren an der Seite Süd­ duen, die sich zusammenfügen zu machtvollen,
Geschichtsforschung, und deshalb wird es noch »Schicksalsstunde, die über Glück und Unglück ent- viet­nams gegen Nord­viet­nam. Sie führten einen, in von niemandem zu steuernden Prozessen.
ein wenig dauern, bis man wissen wird, ob die scheidet«. So ähnlich hat den Begriff auch ein Mann den Augen des Westens, guten, gerechten Krieg. Stefan Zweig nahm zwischen diesen beiden
Proteste gegen Wladimir Putin erfolgreich waren.
Ob sein Krieg gegen die Ukraine das Ende seiner
verstanden, der wesentlich dazu beitrug, ihn über-
haupt erst bekannt zu machen: Stefan Zweig. Der
Die Serie Doch das, was an jenem 16. März geschah, sollte den
Blick auf diesen Krieg, vielleicht auf den Krieg
Polen eine Art Mittelposition ein. Einerseits war
er überzeugt davon, dass einzelne Menschen sehr
Herrschaft eingeleitet oder seine Macht womög- österreichische Schriftsteller (1881–1942) schrieb die schlechthin, grundlegend ändern. wohl die Welt verändern können. Andererseits
lich noch gefestigt hat. Ob er die Länder des Wes-
tens dauerhaft zusammenschweißt. Ob er wirklich
Sternstunden der Menschheit, bis heute sein erfolg-
reichstes Buch, in dem er 14 bedeutende historische
Sternstunden Die Geschichte dieses Tages ist die Geschichte
des amerikanischen Soldaten Hugh Thompson,
ging es auch ihm darum, herauszuarbeiten, wie
häufig es doch der Zufall ist, das Missgeschick,
eine Zeitenwende bewirkt hat oder ob die alten
Kategorien weiter Bestand haben. Dann wird sich
Momente erzählerisch festgehalten hat. Schicksals-
stunden. Sternstunden. Zweig wollte das Buch zu-
der Menschheit der inmitten des Grauens der Menschlichkeit
Raum verschaffte. Er ist der Held dieser Geschichte,
die vermeintliche Kleinigkeit, aus der große Ver-
änderungen erwachsen. Vor allem aber hat er
zeigen, ob dieser Krieg als Sternstunde der nächst »Große Augenblicke« oder »Augenblicke der so wie die Erzählungen fast aller Sternstunden auf sich, und das haben wir uns für diese Serie eben-
Menschheit zu sehen ist. Weltgeschichte« nennen, schrieb in e­ inem Brief an Teil 2, den ersten Blick Geschichten von Heldinnen oder falls zum Vorbild genommen, auch davon leiten
Der Krieg, eine Sternstunde? Das klingt zynisch. seinen Verleger aber: »Vielleicht finde ich noch einen nächste Woche im Dossier: Helden sind, weil es im kritischen Moment immer lassen, welche Geschehnisse eine Art natürliche
Sternstunden, das sind doch Momente der außer- besseren Titel.« Der Wettlauf um die ­ auf einzelne Menschen ankommt, auf eine einzige Dramaturgie besitzen. Auch die braucht es, um
gewöhnlichen Leistung, Augenblicke der Voll­ Im Vorwort formulierte Zweig: »Solche drama- Entdeckung der DNA-Struktur Person und ihre Entscheidung, die dann das Sternstunden entstehen zu lassen. Denn letztlich
endung, in denen Menschen zeigen, was Menschen tisch geballten, solche schicksalsträchtigen Stunden, Schicksal vieler anderer Menschen bestimmt. besteht die große Geschichte eben immer doch
können. Als der damalige Bundespräsident Richard in denen eine zeitüberdauernde Entscheidung auf Oder doch nicht? aus großen Geschichten.
14 DOSSIER 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Serie: Sternstunden der Menschheit

Helikopter der
U. S. Army
bringen Soldaten
zu ihrem
Einsatz in
My Lai

Fotos: Ronald L. Haeberle/The LIFE Picture Collection/Shutterstock


Die Rettung der Menschlichkeit
S
ie wirkten sehr freundlich. Der eine Die Mission der amerikanischen Soldaten, die in Frage: Wir haben hinter Ihnen eine Karte. (...) nicht im Dorf sein. Sie würden auf dem Markt alle von amerikanischen Soldaten getötet worden.
rief etwas, das ich nicht verstehen Viet­nam im Einsatz sind, könnte moralisch nicht Könnten Sie aufstehen und sich das angucken, sein, vier Kilometer weit weg. Er habe den Gedanken aber sofort beiseite­
konnte. Und er winkte, dass wir stärker aufgeladen sein: Sie sollen die freie Welt das wäre gut. (...) Mr. Thompson, wenn es In Kriegen wird getötet, doch das Töten vollzieht gewischt. Ein Massaker? Außer Kontrolle gerate­
kommen sollten. Seine Augen sagten verteidigen. Süd­viet­nam gegen Nord­viet­nam, Ka­ Ihnen nichts ausmacht, sprechen Sie zum sich nach Regeln. Jeder Soldat kennt diese Regeln. ne Soldaten, die wehrlose Menschen abschlach­
mir, dass er ein Retter war.« pitalismus gegen Kommunismus, das ist der große Protokollanten. Achten Sie darauf, dass er Sie Niemand soll unnötig sterben. teten? So etwas taten Nazis, aber sie waren doch
Pham Thi Nhanh, 68 Jahre weltpolitische Konflikt damals. In den USA wie in hört. Wir anderen werden Sie gut hören. Das Töten muss einem Ziel dienen. US-Soldaten.
der übrigen westlichen Welt befürchten die Strate­ Thompson: (...) Sobald wir in das Gebiet Racheüben ist kein Ziel. Vietnamesische Bonsai, Erdbeerbäume, Minze.
»Es war, als würde ich neu geboren.« gen und Geopolitiker: Wenn Süd­ viet­
nam fällt, kamen, sah ich einen Viet­cong, der sich von Zivilisten sind geschützt, genauso wie Kriegs­ Eine friedliche Szenerie an einem Sommermorgen
Do Ba, etwa 64 Jahre dann fällt, ein Dominospiel, ganz Süd­ost­asien. So My Lai Süd wegbewegte. Er hatte eine Waffe, gefangene und Verwundete. im August 2022. Mitten im Schrebergarten steht
kommt es, dass zwischen Reisfeldern und in Man­ und er rannte weg. Also befahl ich, Sie wissen Das ist das Extrakt der Genfer Konventionen von Pham Thi Nhanh, 68 Jahre alt, eine elegante, ernste
Je dunkler die Nacht, desto heller scheinen die grovenwäldern die Frage ausgefochten wird, wer schon, ihn zu kriegen. Ich hatte an dem Tag ­ 1949. Eine Art Kompromiss zwischen den Not­ Frau mit zusammengebundenen schwarzen Haaren.
Sterne. So ist es auch in dem historischen Moment das bessere System hat. Ein Kampf der Guten ge­ einen neuen Schützen, und er verfehlte ihn. wendigkeiten des Krieges und der Menschlichkeit. »Damals sah es hier anders aus«, sagt Pham Thi
absoluter Finsternis, um den es hier gehen soll. gen die Bösen, so sieht es der US-Präsident, so se­ (...) Wir nannten den Schützen dann »One Die USA gehören zu den Erstunterzeichnern der Ab­ Nhanh, »nicht so zugewachsen.« Man konnte bis
Doch das Düstere ist nicht alles. hen es seine Verbündeten. Shot«. (...) Ich konnte nicht begreifen, wie ein kommen, die bis heute von 196 Staaten ratifiziert zum Meer gucken. Im Jahr 1968 ist sie 14, und so
Als sich Hugh Thompson gegen sieben Uhr am Doch die Guten haben fürchterliche Dinge getan. Kerl so viel schießen und so nah dran sein worden sind. wie Hugh Thompson tagtäglich zu seinen Aufklä­
Morgen des 16. März 1968 in Chu Lai, Süd­viet­nam, Drei Wochen vor der Vernehmung Thompsons hat und doch nicht treffen konnte. Die Geschosse rungsflügen startet, so hat auch sie ihre Alltagsrou­
zum Dienst meldet und in seinen Hubschrauber die kleine Nachrichtenagentur Dispatch News Service gingen z­ wischen den Beinen durch. Thompson: Ich begann im Süden von My Lai tine im Krieg. Tagsüber kümmert sie sich um ihren
steigt, spricht wenig dafür, dass er an diesem Tag­ einen Artikel des Journalisten Seymour Hersh ver­ zu arbeiten, bis nördlich der Straße, des jüngeren Bruder, abends besucht sie die improvisierte
Geschichte schreiben wird. breitet, der von den großen Medien des Landes auf­ Mit Thompson an Bord ist an jenem Morgen im Highways, und ich entdeckte etwa fünf Schule des Viet­cong. Mal hier, mal dort, wo im Dorf
Thompsons Helikopter sieht wie eine fliegende gegriffen wurde. So hat die Öffentlichkeit erfahren, März 1968 der Crew Chief Glenn Andreotta, 20 verwundete Vietnamesen. (...) Ich forderte es gerade sicher scheint. Einmal in der Woche, jeden
Seifenblase aus: rundherum Glas, damit man gut dass US-Soldaten in Viet­ nam grausame Kriegs­ Jahre alt. Und, in der geöffneten Tür sitzend, Larry Hilfe für die Verwundeten an. Samstag, ist sie für die Einkäufe zuständig.
gucken kann. Denn das ist seine Aufgabe: Zu­ verbrechen verübt haben. In der Zeitung The Plain Colburn, 18 Jahre, der door gunner mit dem Ma­ Gegen sieben Uhr, etwa zur selben Zeit, als
sammen mit seinen beiden Crewmitgliedern soll Dealer aus Cleve­land sind Fotos erschienen, die die schinengewehr – der Soldat, der sein Ziel verfehlt. Unter den Verwundeten ist eine Frau. Sie hat eine Hugh Thompson seinen Dienst antritt, macht
er 45 Kilometer von Chu Lai entfernt das Ge­ Menschen in aller Welt schockiert haben. Der Viet­cong-Kämpfer, der ins Dickicht verschwun­ blutende Verletzung an der Seite, das können Thomp­ Pham Thi Nhanh sich zu Fuß auf den Weg von
lände rund um den Weiler My Lai absuchen und Hugh Thompson kennt nicht nur die Fotos. den ist, wird der einzige Feind bleiben, den Thomp­ son, sein Schütze Larry Colburn und der Crew Chief ihrem Dorf zum Markt. Auf einmal hört sie das
Viet­cong-­Kämp­fer ausfindig machen. 504 Tote, so wird später die offizielle Zahl son und seine Leute an diesem Tag sehen. Glenn Andreotta aus der Luft erkennen. Sie sehen Rattern von Rotoren, Schüsse. Ein ohrenbetäu­
Hugh Thompson ist ein junger Mann, gerade lauten. Babys, Kinder, Frauen, Alte. Die meisten Der Einsatz der U. S. Army in Viet­nam geht ge­ keine Waffe in der Nähe der Frau. Also eine Zivilistin. bender Lärm. Menschen stieben aus­ ein­
an­der.
mal 26 Jahre alt. Daheim im US-Bundesstaat von ihnen wurden erschossen, einige skalpiert. rade in sein viertes Jahr. Der Krieg zermürbt die GIs. Thompson tut, was in solchen Fällen vorgesehen ist: Pham Thi Nhanh versteht nicht, was hier vor sich
Georgia, 14.000 Kilometer entfernt, hat er eine Frauen wurden vergewaltigt, Hütten niederge­ Sie kriegen den Gegner nicht zu fassen. Die Guerilla­ Er befiehlt Andreotta, einen Kanister mit Rauch ab­ geht. Sie rennt mit anderen Kindern, Frauen, einem
Frau und zwei Söhne. Ein Durchschnittsamerika­ brannt, Tiere getötet. kämpfer greifen aus Dörfern heraus an, aus dem zuwerfen, um die Stelle zu markieren. So können alten Mann zum nächsten Bunker.
ner wie die beiden Soldaten, die mit ihm an Bord Das Massaker von My Lai ist noch heute, 54 Jah­ Dschungel, sie verstecken sich in Tunnelsystemen. Infanteristen die Frau später finden, um ihr zu helfen. »Das war genau hier«, sagt sie.
sind, und wie so viele der 500.000 anderen GIs, re später, Synonym für den kompletten Verlust der Oft ist es für die Amerikaner schwer zu erkennen, wer Die GIs kommen schnell, Thompson kann sie »Bunker« klingt übertrieben. Pham Thi Nhanh
die in jenen Tagen in Süd­viet­nam kämpfen. Ein Moral im Krieg. Der Name steht in einer Reihe mit Zivilist ist und wer Viet­cong. Mehr und mehr macht aus dem Helikopter beobachten, er schwebt nur deutet die Dimensionen an: zwei mal vier Meter groß,
Werbeplakat der U. S. Army hat Thompson in anderen Orten des Grauens, an denen Soldaten ohne sich unter den in Viet­nam stationierten GIs das ein paar Meter über dem Boden. Einer von ihnen anderthalb Meter hoch, mit einem spitzen Dach. Mit
den Krieg gelockt, so wird er es später seinem Hemmungen Zivilisten umbrachten, an denen sich Gefühl breit, sie seien dem Tod geweiht. ist ein Captain, zu erkennen an den Streifen auf den Händen formt sie ein Dach. »Unsere Bunker
Biografen erzählen: ein Mann neben einem Hub­ das Kämpfen in Morden verwandelte. Es gibt Geheimdienstinformationen, wonach seinem Helm. waren aus Erde.« Vor den meisten Hütten gab es
schrauber. Seinem Land dienen und dabei auch 1943 töteten Angehörige der deutschen Wehr­ sich rund um My Lai besonders viele Viet­ welche, getarnt mit Grünzeug.
noch fliegen, konnte es einen besseren Job g­ eben? macht im griechischen Dorf Kalavrita Hunderte cong-Kämpfer aufhalten. Am Vor­abend des An­ Thompson: Als der Kerl auftauchte (...), trat »Wir waren zwei Stunden da drin«, sagt Pham Thi
Ob Hugh Thompson wohl ahnt, dass er dieses Zivilisten, unter den Toten waren viele Mönche. griffs hat ein Kommandant angeordnet, im Dorf er die Frau, ging ein Stück zurück und Nhanh. Zu neunt sitzen sie auf dem Boden, dicht an
Potenzial in sich trägt: aus dem Durchschnitt he­ 1995 wurden in Srebrenica mehr als 8000 mus­ solle »alles getötet« werden. Insgesamt setzen erschoss sie. dicht. Stehen geht nicht. Sehen kann man auch so
rauszuragen? limische Zivilisten, allesamt Jungen und Männer, Transporthubschrauber am Morgen des 16. März gut wie nichts. Nur hören. »Ich hörte das Töten.«
Am 3. Dezember 1969, mehr als anderthalb von Mitgliedern bosnisch-serbischer Militäreinhei­ 1968 etwa 100 Soldaten in der Umgebung von Geschrei der Hubschrauber-Leute. Thompson brüllt Ab und zu drängeln sie sich am Eingang und
Jahre später, nimmt Hugh Thompson in einem ten und Polizeitrupps ermordet. My Lai ab, aus der Luft sollen Aufklärungs-Heli­ aus dem Helikopter: »Sie hat niemanden bedroht!« lugen hinaus.
Raum im Pentagon Platz. Er ist als Zeuge vor Im Frühjahr 2022 wurden in dem befreiten kopter wie der von Hugh Thompson Unterstüt­ Die drei im Helikopter verstehen nicht, was hier Ein Helikopter landet ganz in ihrer Nähe. Die
eine Unter­suchungs­kom­mis­sion der U.  S. Army Kiewer Vorort Bu­tscha die Leichen von etwa 460 zung leisten, Kampfhubschrauber sollen Raketen los ist. Noch nicht. Amerikaner haben sie entdeckt. Entsetzen bei den
geladen. Thompson trägt Uniform. Seine Aus­ Menschen gefunden, die erschossen, gefoltert oder abfeuern. Zivilisten, so hat der Geheimdienst ver­ neun im Bunker.
sage wird mitgeschnitten, zusätzlich macht ein erschlagen worden waren, der Großteil Zivilisten. sichert, würden so früh an diesem Samstagmorgen Thompson: Dann begann ich, das Gebiet
Protokollant No­tizen. Vor der Tür warten die­ Wenige Tage nachdem Seymour Hershs Ent­ östlich des Dorfs abzusuchen, und ich flog Thompson: (...) Wir kamen östlich am Dorf
Reporter. hüllungen über das Massaker von My Lai erschie­ über einen Graben, und mein Crew Chief vorbei, und ich sah diesen Bunker, und
nen sind, haben in Washington eine halbe Million sagte: »Da ist ein Haufen von Körpern in entweder mein Crew Chief oder der Schütze
Aus dem Vernehmungsprotokoll: Menschen gegen den Krieg demonstriert. Proteste diesem Graben.« (...) Als ich die Körper im sagte, dass da ein Haufen Kinder im Bunker
gibt es in den USA, und nicht nur dort, schon seit Graben sah, flog ich noch einmal eine Runde waren und dass sich Amerikaner diesem
Frage: Mr. Thompson, für welche Aufgabe Jahren. Vor allem die Jungen gehen auf die Straße. und sah, dass einige noch lebten. Also landete Bunker näherten. Da war ein kleines offenes
waren Sie am 16. März 1968 eingeteilt? Durch West-Berlin und Paris tragen sie rote Fah­ ich den Hubschrauber und sprach mit ... ich Geländestück, ein Feld, das wie ein
Thompson: Hubschrauberfliegen, Sir. nen mit gelbem Stern, die Flagge Nord­viet­nams, bin ziemlich sicher, dass es ein Sergeant war, Hufeisen geformt war. Also landete ich in
Frage: Welcher Einheit gehörten Sie an oder sie rufen »Ho-Ho-Ho Chi Minh«. Es ist Hugh ein farbiger Sergeant – und ich sagte ihm, der Mitte des Hufeisens, stieg aus dem
waren Sie zugeteilt? Thompsons Generation, die da demonstriert, aber dass da Frauen waren und Kinder, die Hubschrauber und sprach mit dem
Thompson: Dem 123. Flugbataillon, der nichts läge ihm ferner, als mitzumachen. Er gehört verwundet waren – ob er ihnen helfen Lieutenant, der da war: In dem Bunker
Flugüberwachungs-Einheit. (...) zur anderen Seite. Er ist ein stolzer Soldat aus­ könnte (...)? Er sagte so etwas wie: Der seien Frauen und Kinder – ob er sie da
Frage: Wie viel Flugerfahrung hatten Sie? einem streng christlichen Elternhaus. einzige Weg, ihnen zu helfen, sei, sie zu rausholen könne. Er sagte, der einzige Weg,
Thompson: Ich würde sagen, ungefähr Bei seinen Kameraden, so wird es der Dokumen­ töten. Ich dachte, er macht einen Witz. (...) sie rauszukriegen, sei mit einer Handgranate.
600 Stunden, Sir. tarfilmer Michael Bilton zusammentragen, hat der Ich sagte: Warum schauen Sie nicht, ob Sie
Frage: Wie lange waren Sie vor dem Hubschrauberpilot Thompson den Ruf, ein harter ihnen helfen können?, und hob wieder ab. Auf die Frage, was dann geschah, antwortet Thomp­
16. März 1968 in Süd­viet­nam? Kerl zu sein. Skrupellos dem Feind gegenüber, ein Als ich abhob, sagte mein Crew Chief, dass son bei der Vernehmung ausweichend. Er bittet um
Thompson: Ich kam am 30. Dezember 1967 bisschen großspurig, manchmal aggressiv. der Kerl in den Graben schoss. Unterbrechung, nimmt sich einen Anwalt.
in Süd­viet­nam an, Sir. Bevor er sich bei der U. S. Army verpflichtet hat, Auch Larry Colburn, sein Bordschütze, Spitzname
Frage: Sie waren also seit etwa zweieinhalb war Thompson Bestatter. Den Anblick von Toten ist Seinem Biografen wird Thompson später erzäh­ One Shot, wird befragt. Glenn Andreotta, das dritte
Monaten dort, ist das korrekt? er gewohnt. Aber das, was er an jenem Tag in Viet­ Ein brennendes Haus in My Lai. len, ihm sei in diesem Moment der Gedanke ge­ Crewmitglied, kann nicht mehr aussagen. Er ist drei
Thompson: Ja, Sir. nam sieht, verstört ihn. Die GIs zerstörten das Dorf kommen, die Toten im Graben seien womöglich Wochen nach dem Massaker von My Lai gefallen.
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 DOSSIER 15

Teil 1

Do Ba
in seinem Haus.
Er wohnt
noch heute am
Ort des
Massakers, das
er als Kind
knapp überlebte
Fotos: Yen Duong für DIE ZEIT

März 1968, Vietnam: Mitten im Massaker von My Lai tut ein amerikanischer Soldat das Richtige. Er macht nicht
mit beim Töten – und riskiert alles, um Männern, Frauen und Kindern zu helfen  VON TANJA STELZER

Frage: Können Sie uns eine generelle Helikopter und brachten ihn nach Quang Thompson wird später sagen, er sei fest über- Dass er weinen sollte, wenn er in seiner Erzählung normalisiert werden. Jetzt ist die Geschichte von
Vorstellung davon geben, wer im Bunker Ngai ins Krankenhaus. zeugt gewesen, dass nun eine Untersuchung der zu der »Sie erschossen sie alle«-Stelle kam. Dann den amerikanischen Rettern, die Do Ba so lange
war? (...) Geschehnisse in Gang gesetzt werde. Es gibt zahl- schickten sie ihn in die Welt. für sich behalten sollte, nützlich.
Colburn: Zehn oder zwölf Vietnamesen, es Im Bewässerungsgraben schwimmt eine Kokos- reiche Zeugen, auch hat Thompson im Lauf des »Ich war in fast allen kommunistischen Län- Do Ba sieht Hugh Thompson und Larry Colburn
waren alte Männer und Frauen und ­Kinder. nuss, man kann nicht anders, als an einen Kopf Vormittags mehrere Funksprüche abgesetzt, in dern!« Do Ba zählt auf: Tschechoslowakei, Ungarn, wieder, und zum zweiten Mal ist die Begegnung mit
Frage: Was passierte dann? zu denken. Mit wackeligen Schritten geht Do denen er von toten Zivilisten berichtete, von Sol- Rumänien, DDR. Er weiß nicht mehr viel von den beiden Amerikanern für ihn der Beginn eines
Colburn: Wir dachten, dass die Infanterie­ Ba, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, daten, die Grausamkeiten begingen. Doch es dau- dieser Zeit, sie rauschte an ihm vorbei. Der Wohl- neuen Lebens. Es gibt ein Foto von der glücklichen
soldaten sie wahrscheinlich töten würden, den Graben entlang. Ein hagerer, fast dürrer ert anderthalb Jahre, bis die Army den Vorwürfen stand, das Essen, das er nicht kannte, feiernde Wiedervereinigung: Do Ba umarmt Hugh Thomp-
wenn sie aus dem Bunker herauskommen. Mann von etwa 64 Jahren, er weiß sein Alter ernsthaft nachgeht. Sie kann nicht anders, denn Studenten in der DDR. son, fast zärtlich, voller Vertrauen.
Und Hugh Thompson wollte sie aus dem selbst nicht genau. Damals, sagt er, sei er unge- ein Soldat, der von Kameraden erfahren hat, was In Interviews mit der sozialistischen Weltpresse Was Hugh Thompson und Larry Colburn
Gebiet weg­bringen. (...) Thompson befahl fähr zehn gewesen. geschehen ist, hat die Behörden informiert. Er hat erzählt er damals von den grausamen Amerikanern, beim Massaker von My Lai erlebt haben, treibt die
uns, dem Crew Chief und mir, aus dem Do Ba hat ein faltiges, sonnengegerbtes Ge- Abgeordnete kontaktiert, den Verteidigungsminis- die Frauen, Kinder und alte Männer getötet haben. beiden Männer um bis zu ihrem Tod. Nachdem
Hubschrauber auszusteigen und unsere sicht. In seinem rechten Unterarm steckt eine Ka- ter, sogar Präsident ­Richard ­Nixon. Der Journalist Was er nicht erzählt, weil er es nicht darf, ist die sie endlich gewürdigt worden sind, treten sie ge-
Waffen mitzunehmen. (...) Wenn die nüle, festgeklebt mit einem Pflaster. Er ist vor ein Seymour Hersh wird auf die Vorwürfe aufmerk- Geschichte der drei freundlichen Amerikaner, die meinsam bei Veranstaltungen der U. S. Army auf
amerikanischen Truppen auf die Leute aus paar Stunden aus dem Krankenhaus entlassen sam und veröffentlicht seinen ersten Artikel. So ihn gerettet haben. und erzählen angehenden Offizieren von dem, was
dem Bunker schießen würden, während er worden, Denguefieber. Es geht ihm offensichtlich kommt es endlich zu der Untersuchung, bei der »Ich war ein Propagandainstrument«, sagt D ­ o in My Lai geschah und nie hätte geschehen dür-
versuchte, sie da rauszuholen, sollten wir nicht gut. Zur Gedenkstätte, die genau neben dem Thompson im Pentagon aussagt. Ba. fen. Jahrelang geht das so, inzwischen sind
zurückschießen. (...) Dann ging Hugh Bewässerungsgraben errichtet wurde, kommt er Es gibt eine ganze Reihe von Gerichtsprozessen In Amerika wird Hugh Thompson in den fol- Thompson und Colburn beste Freunde. Thomp-
Thompson zum Bunker. Ich sah, wie er mit trotzdem. Er hat es nicht weit. Sein Haus steht gegen Militärangehörige. Doch nur ein einziger genden Jahren zu einer Reizfigur. Denn es gibt son redet bei seinen Auftritten und in Interviews
einem amerikanischen Soldaten sprach. hundertfünfzig, zweihundert Meter entfernt von Soldat wird verurteilt, wegen Mordes in 22 Fällen. nicht nur die Friedensbewegten, die in den Solda- davon, wie sehr er darunter leidet, dass er nicht
dem Ort, an dem das Schlimmste und zugleich das Es ist der Lieutenant, dem Thompson gedroht ten baby killers sehen. Es gibt auch die anderen, die noch mehr Menschen retten konnte.
Später wird Hugh Thompson alles, was Colburn Beste in seinem Leben geschah. hatte. Die lebenslange Haftstrafe wird von Präsi- Menschen wie Thompson für Nestbeschmutzer Thompson arbeitet zuletzt als Pilot für Ölkon-
ausgesagt hat, bestätigen. Seinem Biografen wird Do Ba sagt, er habe eine Mutter gehabt und drei dent ­Nixon in Hausarrest umgewandelt, und auch halten. Er bekommt Hassbriefe, auf seiner Veranda zerne. Viermal heiratet er, sein Glück findet er nicht.
er auch erzählen, dass er dem ranghöheren Lieute- Geschwister. Am Morgen des 16. März 1968 spielen der wird nach dreieinhalb Jahren aufgehoben. werden Tierkadaver abgelegt. Thompson ist der Er stirbt 2006 mit 62 Jahren an Leberkrebs, Folge
nant drohte: »Sie werden nicht zum letzten Mal die Kinder auf dem Weg vor dem Haus: Do Ba, Alle Bemühungen der Politik und des Militärs, Soldat, der seine eigenen Leute bedroht hat. seiner Alkoholsucht. Colburn, zuletzt Vertreter für
von dieser Sache gehört haben!« seine Geschwis­ter und die anderen aus dem Dorf. herunterzuspielen, was in My Lai geschah, sind Es wird dreißig Jahre dauern, bis die U. S. Army orthopädische Produkte, stirbt zehn Jahre später mit
Am stärksten, sagt Pham Thi Nhanh, sei ihr im Dann kommen die Hubschrauber und bringen die jedoch vergebens. Als das Massaker bekannt wird, ihre Meinung über die drei aus dem Hubschrauber 67 an der gleichen Krankheit.
Gedächtnis geblieben, wie jung die drei Männer Soldaten. Die Amerikaner treiben die Dorfbewohner dreht sich die Stimmung in den USA, der Rück- ändert. Sie tut das nicht freiwillig. Pham Thi Nhanh, die von den beiden vor­
waren, die zum Bunkereingang kamen, nur ein paar in den Graben »wie Vieh«. Dann schießen sie. halt für die Regierung bröckelt, immer mehr­ David Egan, ein Architekturprofessor aus South einem halben Jahrhundert aus einem Bunker ge-
Jahre älter als sie. »Sie wirkten sehr freundlich«, »Ich war sehr klein, das war mein Glück.« Do Ba Menschen schließen sich der Anti-­Viet­nam­kriegs-­ Carolina, ist durch eine Fernsehdokumentation auf rettet wurde, lebt heute 15 Kilometer von My Lai
erinnert sich Pham Thi Nhanh. »Der eine rief et- liegt unter mehreren Schichten von Leichen. Bewe­gung an. Die USA sind diskreditiert. Es wird Hugh Thompson und seine beiden Crewmitglieder entfernt in der Provinzhauptstadt Quang Ngai. Sie
was, das ich nicht verstehen konnte. Und er wink- Als das Schlachten vorbei ist, kommt wieder noch bis 1975 dauern, bis sie sich aus Viet­nam aufmerksam geworden. Er fordert, Thompson ­müsse ist eine wohlhabende, angesehene Frau geworden.
te, dass wir kommen sollten. Seine Augen sagten ein Hubschrauber. Männer steigen aus und in- zurückziehen, aber My Lai ist der Anfang vom einen Orden bekommen. Egan schreibt an Abge- Mit ihrem Mann, einem früheren Vietcong-
mir, dass er ein Retter war.« spizieren den Graben. Sie schießen nicht, sie wer- Ende dieses Kriegs. Auf einmal ist der amerikani- ordnete, Minister, Generäle. 120 Briefe in neun Kämpfer und späteren ranghohen Militär, wohnt
Sie wagt sich raus aus dem Bunker, zusammen mit fen keine Handgranaten. Zweimal kommen sie sche Soldat, der 25 Jahre vor My Lai noch Europa Jahren. Zum 30. Jahrestag des Massakers kann sich sie in einem Stadthaus. In ihrem Wohnzimmer
den acht anderen. Vor ihren Augen die ganze Wider- dort vorbei, wo Do Ba liegt, regungslos, lautlos, befreit hat, für viele Menschen auf der ganzen die Army nicht mehr entziehen. hängen unzählige Familienbilder. Pham Thi
sprüchlichkeit des Krieges: die Toten, die überall am damit sie ihn für tot halten. Als sie beim dritten Welt kein Held mehr – sondern ein Mörder. Am 6. März 1998 erhalten Hugh Thompson Nhanh verbringt viel Zeit mit ihren fünf Enkel-
Boden liegen, die Hubschrauber, die Waffen. Die Mal noch immer nicht schießen, entscheidet er, Der Krieg ist nicht mehr zu rechtfertigen. und Larry Colburn am Denkmal für die Viet­nam-­ kindern. Sie sagt, sie habe beschlossen, die Ver-
freundlichen Gesichter der drei Männer. ihnen zu vertrauen. Nun ist es der Viet­cong, der die Moral auf seiner Vete­ ra­
nen in Washington die Soldier’s M ­ edal. gangenheit hinter sich zu lassen.
Ein Helikopter, angefordert von Hugh Thomp- Es ist Glenn Andreotta, der Crew Chief, der ihn Seite hat. Glenn Andreotta bekommt den Orden posthum. Do Ba, der Junge aus dem Be­ wäs­
se­rungs­
son, bringt sie fort. Er landet nicht weit weg auf aus dem Graben zieht. Larry Colburn, der Bord- Beim Vietcong begreifen sie sofort, welches Es ist die höchste Auszeichnung der Army für hel- graben, lebt heute mit seiner Frau und seinem
einer Anhöhe und lässt sie raus: Kinder, Frauen, schütze, trägt ihn zum Helikopter. Im Helikopter Kapital in dem geretteten Jungen steckt. Gleich denhaftes Verhalten ohne Feindkontakt. Die drei, 15-jährigen Sohn in dem Haus gleich neben dem
Alte. Neun Überlebende, gerettet von Amerikanern sitzt Do Ba auf Colburns Schoß. Am Steuer: Hugh nach dem Massaker, erzählt Do Ba, hätten sie ihn heißt es in der Urkunde, ­seien ein Beispiel für die Ort des Massakers. Es ist ein äußerst bescheidenes
vor Amerikanern. Thompson, der schweigend weint. zusammen mit anderen Überlebenden in einem höchsten Standards an persönlichem Mut und Zuhause. Vor ihrer Tür bewirtschaften Do Ba und
Später kehrt Pham Thi Nhanh zu Fuß zurück »Es war, als wäre ich neu geboren«, sagt Do Ba. Camp in den Bergen einquartiert. Sie brachten ethischem Verhalten. Thompson trägt eine Kra- seine Frau ein gepachtetes Reisfeld. Sie haben ein
nach Hause, in den Nachbarweiler von My Lai. ihm bei, seine Geschichte zu erzählen. Sie lehrten watte mit Stars and ­Stripes. paar Hühner und seit Kurzem einen Welpen.
Das Haus der Familie steht noch. Ihre Mutter Thompson: Das Kind war auf meiner ihn, was er sagen sollte. Was er nicht sagen sollte. Und noch eine Zeremonie gibt es, zehn Tage Drinnen im Haus stehen nur wenige Möbel, die
lebt und ihr Bruder auch. rechten Seite. später. Sie findet in Viet­nam statt. Hugh Thompson Farbe an den Wänden ist abgeblättert. Im Ess­
Thompsons Helikopter braucht Treibstoff. Frage: Hatten Sie zu der Zeit, als das und Larry Colburn reisen aus Amerika an. Auch ein zimmer hängt gerahmt ein Foto an der Wand. Es
Deshalb müssen sie zurück nach Chu Lai, zum geschah, das Gefühl, dass einige Unschuldige 40-jähriger schmaler Mann und eine 44-jährige Frau zeigt Hugh Thompson und Larry Colburn bei der
Militärflugplatz. Aber Thompson hat noch eine oder Nichtkombattanten unnötig getötet gehören zu den geladenen Gästen. Ordensverleihung in Washington.
Idee. wurden? Hatten Sie dieses starke Gefühl? Do Ba kommt mehr oder weniger direkt aus »Er ist wie mein Vater«, sagt Do Ba über Hugh
Thompson: Ja. Ich hatte das Gefühl, dass dem Gefängnis. Er ist eigens für diese Veranstal- Thompson, den Mann, der mitten zwischen Men-
Thompson: Ich fragte meine Leute, ob sie einige Leute getötet wurden, die nicht hätten tung freigelassen worden. Im Gefängnis war er, schen, die den moralischen Kompass verloren hatten,
noch einmal zurückfliegen wollten und den getötet werden sollen. weil er beim Unabhängigkeitspalast in Ho-Chi- wusste, was richtig ist und was falsch.
Graben kontrollieren wollten und sehen, ob Minh-Stadt, dem ehemaligen Saigon, Kabel ge-
da noch jemand lebte. Und sie sagten, sie Im Krankenhaus will Do Ba nicht bleiben. Er haut klaut hatte. Eine Sache, über die er offensichtlich
wollten. Wir flogen zurück und landeten ab. Einer seiner drei Retter will ihn noch aufhalten, nicht gern redet. Sein Leben ist nicht gut weiter- HINTER DER GESCHICHTE
nahe beim Graben und stiegen aus. Ich stand Do Ba ist schneller. Er will nach Hause. Das Zu- gegangen nach dem Ende des Krieges. Seine Zeit
beim Helikopter mit einer M-60, und sie hause aber gibt es nicht mehr. Do Ba hat weniger als kleine Berühmtheit der sozialistischen Welt war Für diesen Artikel reiste unsere Autorin
gingen rein in den Graben und kamen ein Glück als Pham Thi Nhanh. Seine Mutter und die vorbei. Für eine Ausbildung hatte er kein Geld. Er nach Vietnam und traf Überlebende
paar Minuten später mit einem kleinen Kind drei jüngeren Geschwister sind tot. ging nach Ho-Chi-Minh-Stadt, wurde Straßen­ des Massakers. Die Protokolle der ­
heraus. Es hatte einen Kratzer am Arm, der Gegen elf Uhr ist Thompson zurück auf der verkäufer, Bauarbeiter, verlor den Halt. Befragung, aus denen sie zitiert, sind ­
von einem Geschoss kommen konnte oder Militär­basis in Chu Lai. Aufgebracht berichtet er Aber so wie es der U. S. Army dreißig Jahre öffentlich zugänglich. Der im Artikel ­
eben bloß ein Kratzer war. Ich fragte, ob da seinem Kommandeur, was geschehen ist. Die Mel- nach dem Massaker sinnvoll erscheint, sich an erwähnte Biograf heißt Trent Angers und
noch mehr waren, und sie sagten, ja, da dung geht die Befehlskette hinauf. Das Feuer wird Hugh Thompson und die beiden anderen zu er­ sein Buch The Forgotten Hero of My Lai:
wären mehr, aber sie seien schlimmer eingestellt. Über Funk geht die Order raus: »Stop the innern, so sinnvoll erscheint es zur selben Zeit der The Hugh Thompson Story. Eine weitere
verletzt. Und wir konnten nur einen killing«, »stop killing civilians«. Nach vier Stunden ist Pham Thi Nhanh zeigt, wie die viet­na­me­si­schen Regierung, sich an Do Ba zu er­ wichtige Quelle war das Buch Four Hours in
mitnehmen, also setzten wir ihn in den das Massaker von My Lai zu Ende. Bunker gebaut waren innern. Die Beziehungen der beiden Länder sollen My Lai von Michael Bilton und Kevin Sim.
16 LESERBRIEFE 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Zur Ausgabe Nr. 39 Weitere Leserbriefe finden Sie unter


blog.zeit.de/leserbriefe

Kahlschlag
in Madagaskar
Navid Kermani: »Afrikanisches
Erregte Erregungskritiker Streit im
Schwachwindraum
Bürger blockieren Energiewende:
Reisetagebuch«  ZEIT NR. 39 Streitgespräch: »Sind Journalisten Manipulateure?«  ZEIT NR. 39 »Bitte nicht bei uns!«  ZEIT NR. 39

Navid Kermani berichtet eindrucksvoll aus Richard David Precht und Harald Welzer spre- wohin ihre Einstellung führen kann (was sie da- George Orwell soll gesagt haben, Journalismus sei Kein Mensch will in der Nähe seines Hauses
einem Land, in welchem die apokalyptischen chen mir aus der Seele, wenn sie die extreme Ein- mals auch nicht getan haben).  dann gegeben, wenn man etwas veröffentlicht, eine Windmühle haben. Das ist mit Geräusch­
Szenarios des Klimawandels bereits Wirklich- seitigkeit der medialen Berichterstattung über SIEGFRIED PULVERMÜLLER , GEISLINGEN was jemand nicht veröffentlicht haben möchte. belastung verbunden und je nach Sonnen-
keit sind. Noch trauriger als das, was er schil- den Ukraine-Krieg kritisieren. Und dies liegt mit- Alles andere sei Propaganda. Gemessen an diesem stand mit Schatten der sich drehenden Flügel.
dert, ist, dass eine solche Reportage offenbar nichten daran, dass außenpolitische Experten aus Welzer und Precht beklagen die Einseitigkeit der Anspruch, muss man leider sagen, dass die Main- Das Recht der Bürger auf Einspruch gegen
nur im Feuilleton erscheinen kann, statt vor- höherer Einsicht immer zu ähnlichen Schluss­ Medien und deren »Selbstgleichschaltung«. Da- stream-Medien in der Corona-Krise zu 90 Pro- die Installation wird beschnitten, damit die
ne im Politikteil. Der Untergang eines fernen folge­run­gen kommen, wie die Interviewer nahe- bei würden Positionen wie etwa ihre Erklärungen zent Propaganda geliefert haben und dies jetzt im Grünen diese Windräder gegen den Willen
Landes hat nur den Informationswert einer legen. Es liegt vielmehr an der Auswahl derjeni- zur Beendigung des Ukraine-Kriegs bewusst mar- Ukraine-Krieg massiv fortsetzen. der Bevölkerung aufstellen dürfen.
Theaterinszenierung. Ein Drama! gen, die in den Medien zu Wort kommen. Wenn ginalisiert. HERBERT FREYALDENHOVEN , A ACHEN In welchem Land leben wir eigentlich?
DR . DIRK KERBER , DARMSTADT Journalisten darüber entscheiden, wen sie inter- Ich nehme ihre häufige Präsenz in den Medien ACHIM GÜNTHER MER Z, PER E-MAIL
viewen, entscheiden sie auch darüber, welche anders wahr. Und abgesehen davon, haben sie Mit leichter Zuspitzung bekannter medienkriti-
Ich bin enttäuscht von Kermanis Bericht. Botschaften transportiert werden. Denn die Mei- nun viel Platz bekommen, sich und ihr Lamento scher Thesen nehmen die beiden Autoren eine Es enttäuscht mich, dass Windkraftanlagen
Schreiben kann er gut, keine Frage: Aber nung des Interviewten ist in der Regel bekannt. in der ZEIT, einem Medium des Mainstreams, trotzige Minderheitenpose ein, die sich zugleich in fast allen Artikeln der ZEIT unkritisch als
wenn er vereinzelt Pseudo-Erkenntnisse er­ Wenn eine Talkrunde zusammengestellt wird, darzustellen. Somit haben sich die beiden jetzt des Beifalls einer semiaufgeklärten Mehrheit sicher Wundermittel für erneuerbare Energien po-
arbei­tet (»Der Fischer scheint mehr zu wissen entscheidet die Redaktion durch die Auswahl der auch selbst gleichgeschaltet. sein kann. Ich finde, dass dies in Kom­bi­na­tion sitioniert werden. Und falls doch mal Kritik
als wir«) und ansonsten große Ratlosigkeit Teilnehmer über die Richtung der Diskussion. PROF. KL AUS-PETER HUFER , KEMPEN mit der Bekanntheit der Autoren durchaus auch geübt wird, dann mit erkennbar schwachen
zelebriert, sorgt das weder für ein differenzier- Und dies führt in puncto Ukraine nahezu immer nach Marketing riecht. Harald Welzer und Richard Argumenten (Ästhetik, Infraschall, Greif­
teres Afrikabild, noch erklärt es, warum die zu den von Welzer und Precht zu Recht kritisier- Herr Precht und Herr Welzer entlarven sich im Precht lassen jede Kritik einen Tick zu souverän vögel ...). Das Kernproblem wird dagegen
umfangreichen UN-Hilfsprogramme diese ten Konstellationen. D R . MATHIAS SIEKMEIER , KÖLN Interview selbst. Die von ihnen kritisierte »wach- an sich abtropfen. So gelingt es ihnen, ihr Buch ausgeblendet: die unbefriedigende ökonomi-
bedürftige Region nicht versorgen. Erklärun- sende Erregungskultur« befeuern sie persönlich als Ware zu präsentieren, auf die die Welt gewar- sche und ökologische Bilanz. Die Anlagen an
gen wie der Kolonialismus oder die Industrie- Danke für das Interview! Zunehmend habe ich und schlagen genau die heftigen Töne an, die sie tet hat.  REINHARD KOINE, BAD HONNEF Land haben einen erschreckend hohen CO₂-
länder seien schuld, greifen zu kurz. Selbst die das Gefühl, dass ich mit meiner kritischen Be- woanders kritisieren. CL AUDIA FÜS SLER , SICK TE Fußabdruck – wenn man alle Phasen von der
Ansätze, die er im Land selber genannt be- trachtung der Medien seit Beginn der Corona- Die deutsche Diskussion über Waffenlieferungen Herstellung über die Installation auf Beton-
kommt, verfolgt er nicht weiter. Ich hätte Thematik nicht mehr allein stehe! Als politisch Mit diesem Interview springt die ZEIT über ih- und deren Sinn sollte endlich mehr in die Tiefe sockeln bis zur Entsorgung berücksichtigt.
mehr erwartet. interessierte Bürgerin möchte ich meine Beob- ren Schatten und verlässt für einen kurzen Au- gehen, um humanitäre oder gar philosophische DR .-ING. ROL AND HASELMANN , KRONBERG
SEBASTIAN HEINEN, DOKTOR AND ZU WIRTSCHAFT­ achtungen und kritischen Anmerkungen öffent- genblick den Mainstream. Glückwunsch! Leider Aspekte (»Hallo, Herr Precht«) des Vernichtungs-
LICHER ENT WICKLUNG AN DER SOAS UNIVERSIT Y lich aussprechen – war aber bisher rhetorisch und ist dies nicht der Normalfall in der deutschen krieges zu beleuchten. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass
OF LONDON oft auch emotional nicht in der Lage, meine Mei- Medienlandschaft. Welzer und Precht haben völ- Der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy Deutschland sich über riesige Windtürme im
nung zu verteidigen. BIRGIT REINHART, PER E-MAIL lig recht. Die etablierten Medien berichten sehr hat schon vor Monaten auf das grundsätzliche Schwachwindraum streitet, während die­
Der einzigartige Wald Madagaskars ist so gut einseitig, und die Besetzung der Talkshows ist Problem eines freien und souveränen Volkes hin- Sonne weiter ungenutzt die Sahara verbrennt,
wie verschwunden. Kein Wald – kein Regen. Der Beitrag zeigt, dass die ZEIT kein stichhaltiges eine Katastrophe. gewiesen, das mit einem brutalen militärischen die Magma unter Island brodelt und die
Green­peace und andere Organisationen war- Argument gegen die Thesen von Harald Welzer In den vergangenen drei Jahren hat sich der Mei- Überfall in seiner Existenz bedroht wird. Nach Windkraft an Orten, wo wirklich der Wind
nen seit Langem davor! und Richard David Precht bringen kann. Auch nungskorridor extrem verengt. Anstatt den brei- Auffassung des Philosophen müssen sich die weht, unter ihren Möglichkeiten bleibt.
Die Bevölkerung Madagaskars wuchs enorm die Redakteure der ZEIT folgen dem Main- ten Diskurs abzubilden, wird der Bürger an die Menschen zur Wehr setzen, um ihre Würde nicht DR . CHRISTIAN VOLL, PAS SAU
(von 5 Millionen Einwohnern 1961 auf über stream. So wie sie in 16 Jahren Merkel notorische Hand genommen und in eine bestimmte Rich- zu verlieren. Leider bedeutet das für die überfalle-
28 Millionen 2021). Die Menschen brauch- Jasager zur Russlandpolitik waren, sind sie jetzt tung gedrängt. Wer dem Mainstream wider- ne Ukraine den Zwang zur Abwehr mit militäri- In dem Artikel wird beschrieben, dass die
ten das Holz, um zu kochen.  notorische Jasager zu Waffenlieferungen an die spricht, wird nicht widerlegt, sondern ausgegrenzt schen Mitteln. Bevölkerung bei der Energiebereitstellung im
NATHALIE MEINECKE, PER E-MAIL Ukraine. Sie sollten viel mehr problematisieren, oder in die rechte Ecke abgeschoben. KL AUS REISDORF, ST.-PAULET-DE- CAIS SON eigenen Land nicht mitspielt. Es fehlt der
Hinweis auf den Grund dafür, dass nämlich
der Betrieb der Energieanlagen in der Hand

Von Blutspendern und Watschenmännern


von fernen Investoren liegt. Die Bürger sind
Sieht alles gleich aus an den Gewinnen nicht oder nur unzurei-
chend beteiligt. Wenn es Bürgerenergie ist,
Henning Sußebach: »Mal im dann spielt die Bevölkerung auch mit. Dies
gilt für Bioenergie, Wind­energie und Sonnen-
Ernst, ist das ...?«  ZEIT NR. 39 energie gleichermaßen. ROBERT HES S , ES SEN
Anna Mayr: »Anämische Boomer«  ZEIT NR. 39
»An jedem Bahnhof steht dasselbe Haus ...« Zum Thema Fracking gibt es ausreichend­
– so beginnt der Beitrag von Henning Suße- Der stilistisch wie immer lesenswerte Artikel von rade dann sinnvoller, zusammenzustehen und Wer hat denn vorher Blut gespendet? Waren das industrieunabhängige Literatur, welche die
bach, der offenbar oft mit dem Zug unter- Anna Mayr bietet Anlass für zwei Fragen: Ist der gemeinsam nach Lösungen zu suchen? nicht die Alten? Und tun es junge Leute auch? durch hochtoxische Substanzen entstehenden
wegs ist. Babyboomer der neue Watschenmann, der die MARION SAUER , WÜR ZBURG WOLFGANG MAYER , PER E-MAIL Schäden dokumentiert. Für die deutsche
Damit die Bahnhofsviertel nicht zu Problem­ Verantwortung trägt für alles Schlimme dieser Energiebilanz ist der durch Fracking zu ge-
zonen werden, braucht es Durch­mischung: Welt? Und wenn ja: Ist das nicht eine, vorsichtig Wir erleben bereits genug Hass, Hetze und Aus- Ich gehöre zur Generation der Babyboomer winnende Anteil an Energie übrigens gering.
nicht nur Büros, auch Wohnungen, Handel, formuliert, recht suboptimale Verallgemeinerung grenzung. Es ist Zeit, dem etwas entgegenzuset- (Jahrgang 1960), habe mich aber nie geweigert, Nicht alles Machbare sollte auch gemacht
Gastronomie und Kultur. Das fördert Inter- mit ziemlich mieser Tradition?  zen, statt weitere Gräben auszuheben. kritisch zu denken und zu handeln. Auf meiner werden. DR . MAT THIAS BANTZ, ROTENBURG
aktion. Es ist die Aufgabe der Städte- und KURT EIMERS , NEUS S INGEBORG KR ÄMER , GÖT TINGEN ersten Demo gegen das Berufsverbot für meine
Quartiersplaner, diese zentralen Areale wieder damalige Lehrerin war ich 14. Was geschieht eigentlich mit den »Löchern«,
zu einem Ort zu machen, an dem sich Be- Glaubt die Autorin denn allen Ernstes, dass ihre Ich gehöre zur Generation der sogenannten Boo- Wir wollten etwas verändern, zum Besseren. die das Gas nach der Förderung im Boden
wohner, Besucher und Pendler wohlfühlen. Generation in der überwiegenden Mehrheit nur mer und habe mein ganzes Leben lang im Beruf Aber hätte mir jemand 1978, als ich 18 Jahre alt hinterlässt? Bei der Steinkohle hat man diese
JUSTUS AS SELMEYER , ARCHITEK T, HAMBURG einen Hauch weniger konsumistisch, weniger und für die Familie gearbeitet. Dieser Artikel ver- war, geweissagt: »Du, in einer Generation ist der mit Abraum verfüllt. Und trotzdem gab es
materialistisch, weniger hedonistisch sei als die mittelt mir das Gefühl, dass man mich, wenn ich Kalte Krieg vorbei, die Berliner Mauer ist gefal- beachtliche Bodensenkungen im Schreber-
Wir wollen mit der Verkehrswende erreichen, gescholtenen Boomer? krank sein sollte, ruhig sterben lassen könne. len, alle Atomkraftwerke in der Bundesrepublik garten des Bergmanns!
dass die Bürger in unseren Städten zu Fuß Oder mehr bereit zu »Verzicht«? Das kann ich mir Boomer gibt es ja so viele. Und verdient haben sie werden abgeschaltet«, dann hätte ich das wohl HARTMUT WAGENER , MET TMANN
gehen. Voraussetzung ist, dass die Wegstre- kaum vorstellen! K ARL-HEINZ GR AU, PER E-MAIL es auch nicht besser. nur für einen großen Traum gehalten oder un-
cken abwechslungsreich gestaltet sind! Solche Rhetorik befördert meines Erachtens den gläubig gestaunt, was man mit Engagement er-
DR . RUDOLF MENKE, HANNOVER Provokation und Radikalität mögen das Vorrecht Gedanken der Euthanasie.  reichen kann.
einer – in diesem Fall wohlstandsverwöhnten – HELGA EHAM , PER E-MAIL Es nervt mich daher zunehmend, ständig, auch
Jugend sein, deren eigene Lebensleistung ja noch in der ZEIT, nur Negatives über die Generation IHRE POST
abzuwarten bleibt. Man kann den Bogen aber Die demografischen Probleme (fehlende Blut- der Babyboomer lesen zu müssen.
auch überspannen. spenden, Pflegekräfte, Renten et cetera), über ULRICH WIT TMA ACK , HAMBURG erreicht uns am schnellsten unter der
BEILAGENHINWEIS Dieser Artikel ist nicht nur moralisch verwerflich, deren Auswirkungen auf die Babyboomer die E-Mail-­Adresse leserbriefe@zeit.de. Mit der
sondern auch brandgefährlich, ist er doch dazu Autorin triumphiert, werden ihre Generation Ich bin 72 Jahre alt und bin sehr früh auf die Einsendung geben Sie Ihr Einverständnis,
Die heutige Ausgabe enthält folgende Publikationen angetan, die gesellschaftliche Spaltung zu befeu- vermutlich genauso treffen. Denn die Geburten- Straße gegangen – Veränderung wünschend – Ihren Brief in der ZEIT, deren digitalen Aus-
in einer Teilauflage: Gemeinschaftswerk der Evan- ern. Man mag also mit der Autorin fragen: »Ist raten in Deutschland sind weiterhin weit davon und war leider nicht erfolgreich mit diesem gaben und im Leser-Blog auf www.zeit.de
gelischen Publizistik gGmbH (GEP gGmbH), das die Gesellschaft, in der wir leben wollen?«  entfernt, die Bevölkerungszahl zu erhalten. Das Wunsch. Genauso wenig wie die Millionen Alten, unter Nennung Ihres Namens und des
60439 Frankfurt; Möbel Hübner Einrichtungs- SANDR A MILDENSTEIN , PER E-MAIL Problem könnte man natürlich durch den Zuzug die in Armut leben und sicher nichts gegen eine Wohnortes zu veröffentlichen. Für den
haus GmbH, 10785 Berlin; Plan International junger, blutspende- und arbeitsfähiger und -wil- veränderte Verteilung einzuwenden gehabt hät- Inhalt sind Sie als Einsender verantwortlich;
Deutschland e.V., 22305 Hamburg; HAWESKO In letzter Zeit häufen sich Artikel, in welchen die liger Menschen aus anderen Ländern lösen (so es ten – arm und reich, das ist nämlich nach wie die Redaktion behält sich Auswahl, Kürzung
GmbH, 22763 Hamburg; Lifton GmbH, 50858 Generationen gegeneinander aufgewiegelt wer- sie gibt). Aber das wäre angesichts der Entrüstung vor der entscheidende Unterschied, und nicht alt und redaktionelle Bearbeitung vor. Zudem
Köln; Salzburger Land Tourismus GmbH, den. Das ist doch großer Unsinn! Sicher leben wir über den Egoismus der Babyboomer vielleicht ein und jung. können Sie die Texte der ZEIT auf Twitter
AT-5300 Hallwang bei Salzburg jetzt in schwierigen Zeiten, aber wäre es nicht ge- wenig peinlich.  SABINE MÖHLER , PER E-MAIL BERNADET TE AR AGALL, HANNOVER diskutieren und uns auf Face­book folgen.

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DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 GESCHICHTE 17

Saul Friedländer

Wenn die
Erinnerung kommt
Dem Historiker und Holocaust-
Überlebenden Saul Friedländer
zum Neunzigsten  VON NORBERT FREI

Lieber Saul, ein öffentlicher Geburtstagsbrief ist un­


gewöhnlich, aber eine Gelegenheit, jenseits des Pri­
vaten, gleichsam im Namen Deiner Bewunderer in
unserem Fach und Deiner großen hiesigen Leser­
schaft, Dank zu sagen: für längst mehr als ein halbes
Jahrhundert, in dem Du unser Nachdenken über die
NS-Zeit und den Holocaust nun schon vorantreibst,
in Deutschland, in Israel, in den USA, ja in der Welt.
Den »denkbar schlechtesten Zeitpunkt« hast Du
es selbst genannt, am 11. Oktober 1932, knapp vier
Monate vor Hitlers Ernennung zum Reichskanzler,
Fotos: Interfoto; Bert Bostelmann/laif (r.)

in eine wohlsituierte jüdische Familie in Prag hinein­


geboren zu werden. Genauer gesagt eröffnet diese
Bemerkung Deine erste Auto­bio­gra­fie, ein auch li­
terarisch meisterhaftes Mosaik. Wenn die Erinnerung
kommt, erschienen 1979, ist das tief berührende,
psychologisch hochreflektierte Buch über eine be­
hütete Kindheit, die Flucht vor den deutschen Be­
satzern nach Frankreich, das katholische Internats­
versteck, das Verschwinden der Eltern, die Selbst­
Auf dem Weg an die Staatsspitze: Benito Mussolini (Mitte), umgeben von weiteren Führern der faschistischen Bewegung, am 24. Oktober 1922 in Neapel findung nach dem Überleben, die Ankunft im eben
entstehenden Israel, die Anfänge als Zeithistoriker.

»Rom oder Tod«


Und es ist, so scheint mir, ein Schlüssel zu allen
Deinen Arbeiten davor und danach.
In den Sechzigerjahren hast Du in ungeheurer
Produktivität die deutsch-amerikanischen Bezie­
hungen vor dem Kriegseintritt der USA als »Auftakt
zum Untergang« beschrieben, die Politik von Papst
Pius XII. angesichts der Verfolgung der ­Juden do­
kumentiert und das ambivalente Verhalten des SS-
Offiziers Kurt Gerstein analysiert.
Vor 100 Jahren griff Benito Mussolini in Italien nach der Macht. Es folgten Studien zum Antisemitismus, zum Ver­
hältnis von Geschichte und Psychoanalyse und zur
Wie weit reicht der Faschismus in die Gegenwart hinein?  VON HANS WOLLER Theorie der Erinnerung – und, schon vor dem »His­

D
torikerstreit«, eine luzide Polemik über die politische
Vernutzung des Judenmords, die 1984 auf Deutsch
ie Geschichte ist eine listige mächte seit Langem litt. Solche Verheißungen Als 1945 der Horror vorbei war, der mit dem zu nutzen als Salvini und Meloni mit ihren Aus­ unter dem Titel Kitsch und Tod erschienen ist.
Regisseurin. Sie stellt Italiens zündeten in allen Schichten, auch im Heer, in den Marsch auf Rom begonnen hatte, war Giorgia fällen gegen die EU und ihrer Italia-first-Rhetorik. Die geschichtspolitischen Auseinandersetzungen
künftige Regierungschefin Regierungsparteien und selbst im Königshaus. Meloni noch nicht auf der Welt. Die heute 45-Jäh­ Die Italienerinnen und Italiener applaudieren der Achtziger bildeten dann auch den Hintergrund
Giorgia Meloni von den Wie stark die Faschisten wirklich waren, wusste rige trägt keine Verantwortung für die Verbrechen oder nehmen den Erfolg der Rechten – vielleicht für die Arbeit an Deinem zweibändigen Opus mag­
postfaschistischen Fratelli niemand. Es fand sich aber auch keiner, der die des Faschismus. Sie trat aber bereits als Jugendliche im Vertrauen auf die Stabilität der Brandmauern num Das Dritte Reich und die Juden (1998/2006).
d’Italia gleich zu Beginn auf Nagelprobe gewagt hätte. Das Risiko eines Bürger­ in den neofaschistischen Movimento Sociale Ita­ der Demokratie? – fatalistisch hin. Doch Italien hat Keine andere Gesamtdarstellung des Holocausts hat
eine Probe. Am 28. Oktober, kriegs war namentlich dem König, Vittorio Ema­ liano ein, der sich später umbenannte und schließ­ keine gefestigte demokratische Tradition. die Di­gni­tät der Opfer eindrucksvoller gewahrt und
100 Jahre nach dem Marsch auf Rom, wird man sie nuele III., zu groß. Am 28. Oktober kassierte der lich in die Fratelli d’Italia verwandelte. Ihre Partei Im Ersten Weltkrieg war es eine Militärdiktatur, ihre Stimmen sub­tiler hörbar gemacht als dieses viel­
besonders eindringlich fragen: Wie hältst du es mit Monarch deshalb in letzter Sekunde das angesichts habe den Faschismus hinter sich gelassen, versichert dann folgte Mussolini, ehe sich nach 1945 ein Sys­ fach preisgekrönte Werk. Und keine hat der interna­
Mussolini? Wie stehst du zum Faschismus? Wie ver­ des drohenden Putsches geplante Dekret über den sie. Glaubhaft ist das nicht. tem eta­blier­te, das man »blockierte Demokratie« tionalen Forschung überzeugender den Weg gewiesen:
ortest du den 28. Oktober 1922 in der Geschichte? Ausnahmezustand, das er zunächst gebilligt hatte. Warum wählen so viele Italienerinnen und Ita­ nannte. Christdemokraten und Kommunisten, hin zu einer »integrierten Geschichte«.
Der Tag, an dem die Faschisten ihren ersten Mussolini roch diese Unsicherheiten. Er hatte, liener eine so zwielichtige Figur? Warum wählen sie beide keine Hüter der Demokratie, standen sich Was damit unter anderem gemeint sein kann, hast
großen Triumph und ihre Märtyrer feiern, ist­ Italiens Freiheitshelden Giuseppe Garibaldi zitie­ Melonis Verbündete Matteo Salvini und Silvio darin unversöhnlich gegenüber; das Wechselspiel Du 2007 in der Paulskirche gezeigt, als Du den Frie­
politisch kontaminiert – und aus historischer Sicht rend, den Schlachtruf »Rom oder Tod« ausgegeben, Berlusconi, deren Flirts mit dem Faschismus eben­ zwischen Regierung und Opposition war ausge­ denspreis des Deutschen Buchhandels entgegen­
nicht leicht einzuordnen: Ein Operettenputsch? war aber nicht annähernd so siegesgewiss, wie seine falls aktenkundig sind? Die Gründe dafür sind nicht schlossen, denn es galt: Die Opposition, die Kom­ nahmst. Wer Deine Bücher bis dahin nicht kannte,
Eine nationale Revolution? Ein »Wendepunkt der kühle und kühne Fassade suggerierte. Um sich ein nur in der Gegenwart zu suchen – in der Schulden­ munisten, durfte nicht an die Macht kommen. erspürte in der Rede über Deine nach ­Auschwitz

N
menschlichen Geschichte«, wie Hitler meinte? Schlupfloch offen zu halten und nicht als Aufrührer krise, dem Reformstau, der heillos zerstrittenen deportierten Eltern, was es heißt, für ein genaues,
Im Mythenhimmel der Faschisten markiert vor Gericht zu landen, hielt er seine Truppen zurück Linken –, sondern auch in der Geschichte. ach 1992 erodierten die Brand­ tiefgründiges historisches Wissen über den Holocaust
Benito Mussolinis Machtergreifung den Beginn und verhandelte mit seinen Kontrahenten aus Italien, sagt man, hat es sich leicht gemacht mit mauern durch die Verhunzung der einzustehen, »ohne das anfängliche Gefühl der Fas­
einer neuen Zeitrechnung: 1922 war das Jahr eins. dem Regierungslager. Er versprach allen alles und der faschistischen Vergangenheit. Das ist nicht Debattenkultur in den privaten sungslosigkeit völlig zu beseitigen oder einzuhegen«.
300.000 Kämpfer, so heißt es, s­eien mit dem nichts – und verschreckte sie angesichts der Droh­ falsch, aber auch nicht ganz richtig. Zwischen 1943 Medien weiter. Der Aufstieg popu­ Die Welt hat sich seit diesem Sonntagvormittag
»Duce« nach Rom aufgebrochen, hätten dort den kulisse seiner im ganzen Land präsenten Kämpfer und 1946 wurden immerhin 12.000 bis 15.000 listischer Parteien tat ein Übriges. vor 15 Jahren sehr verändert, besonders dramatisch
»roten Drachen« erledigt und das Vaterland gerettet. schließlich so sehr, dass sie ebenso vor ihm kapitu­ Faschisten gelyncht oder hingerichtet – eine Egal, ob Forza Italia, Lega (Nord), Cinque Stelle seit Deiner Ansprache im Bundestag zum Tag des
3000 von ihnen hätten bei dieser hart umkämpften lierten wie der König, der ihm am 29. Oktober das schauer­li­che Abrechnung, die insbesondere die oder Fratelli d’Italia: Demokratisch an ihnen ist Gedenkens an die Opfer des Na­tio­nal­sozia­lis­mus
Zeitenwende ihr Leben verloren. Amt des Ministerpräsidenten antrug. Spitzen des Re­gimes betraf. Danach zogen alle Par­ bestenfalls ihre Fassade. 2019. Damals hast Du in der Bundes­republik »ein
Die Realität nahm sich bescheidener aus: Am Der im Schlamm stecken gebliebene Aufmarsch teien einen Schlussstrich unter den Faschismus. Das Gewiss, es gibt auch Gegenkräfte. Italien hat eine von Grund auf verändertes Deutschland« gesehen,
Morgen des 28. Oktober versammelten sich kaum wurde daraufhin abgeblasen. Erst als alles entschie­ geschundene Land sollte zur Ruhe kommen. vitale Zivilgesellschaft und mit Sergio Mattarella aber auch die alt-neuen Verschwörungstheorien und
mehr als 5000 Mann in der Umgebung von Rom, den war, rief der Regierungschef seine Mannen Das war eine nachvollziehbare, aber teuer erkauf­ einen bewährten Demokraten als Staatspräsidenten. den nur »dürftig verhüllten Anti­semi­tis­mus« in der
im Lauf des Tages schwoll die Streitmacht auf doch noch in die Ewige Stadt. Der legendäre Marsch te Entscheidung, wie das Beispiel Mussolini zeigt. Der Ausgang der Wahl dürfte dennoch nicht fol­ Obsession, das Existenzrecht Israels infrage zu stellen.
15.000 Schwarzhemden an, die im Dauerregen vor war also letztlich nur eine Inszenierung, wirkte aber Der »Duce« fiel 1945 kommunistischen Partisanen genlos bleiben. Die in Italien eher wenig geliebte Vom zurückschwingenden »Pendel der Historio­
allem mit ihrer Stimmung kämpften. Keiner setzte dennoch als weltpolitisches Si­gnal. Der Faschismus, in die Hände. Italien hatte sich verpflichtet, ihn an Nato wird das zu spüren bekommen; schließlich graphie« war schon in Deiner zweiten Autobiografie
an jenem Tag den Fuß in die Ewige Stadt. Der Füh­ so schien es, hatte eine Antwort auf die Krise des die Alliierten auszuliefern – und bereits einen spe­ sitzen nun überzeugte »Putinianer« mit am Regie­ ahnungsvoll die Rede, in Wohin die Erinnerung führt
rer der Faschisten, Mussolini, fehlte ganz: Er saß am liberalen Systems und die Herausforderung der re­ ziellen Gerichtshof eingerichtet, um den Diktator rungstisch. Und Rom wird ordentlich Sand ins von 2016. Und im Sommer des vergangenen Jahres
Abend in Mailand mit seiner Frau in der Oper. volutionären Linken – eine Antwort, die sich nicht zur Verantwortung zu ziehen. Die Partisanen knall­ Brüsseler Getriebe streuen. Italien selbst ist schon hast Du Dich in dieser Zeitung gegen ein postkolo­
Dem Heer wäre es ein Leichtes gewesen, dieses im Einsatz von Militär und Polizei erschöpfte, wenn ten Mussolini dennoch ab. Italien ließ die ­Chance jetzt keine behagliche Heimat für Homosexuelle, niales Denken gewandt, das zu beweisen versucht,
Aufgebot zu zerstreuen. Es hatte jedoch gute Grün­ es darum ging, die nach Partizipation verlangenden fahren, sich in einem großen Gerichts­verfahren über Sinti und Roma, Asylsuchende und Flüchtlinge, für dass die Vernichtung des europäischen Judentums
de, das Kräftemessen zu vermeiden. Mussolinis Massen ruhigzustellen. Das Neue an den Faschisten die Verbrechensgeschichte des Faschismus zu infor­ afrikanische zumal. Ihr Leben wird wie das anderer »in vieler Hinsicht ein Genozid wie jeder andere
Anhang stand nicht nur vor den Toren Roms, seine war, dass sie auf breite Unterstützung zählen konn­ mieren und sich Rechenschaft abzulegen über die zu Außenseitern erklärter Gruppen noch saurer gewesen sei« (ZEIT Nr. 28/21).
Leute hatten bereits beträchtliche Teile Nord- und ten, weil sie nicht nur eine Klasse, sondern die Beteiligung beträchtlicher Teile der Gesellschaft. werden, wenn sich die Krisen verschärfen. Ich weiß, wie wichtig Dir »zwischendurch« Deine
Mittelitaliens unter ihre Kontrolle gebracht – zum ganze Nation ansprachen. Ein Modell, das Hitler Der ganzen Wahrheit über die Schandtaten der Den 28. Oktober werden Italiens Ewiggestrige Bücher über Kafka und Proust gewesen sind. Umso
Teil mit Waffengewalt. Straßenkämpfe und rechter und viele seiner Gesinnungsgenossen auf der ganzen Faschisten, nicht zuletzt bei dem Versuch, in Äthio­ künftig wohl noch feierlicher begehen. Seit je dient größer der Dank dafür, zu wissen, dass auch die Ar­
Terror kosteten zwischen 1919 und 1922 mehrere Welt elektrisierte. »Italia docet!« pien, Eritrea und dem heutigen Somalia ein italie­ er ihnen als historisches Erinnerungsdepot, dessen beit an der Aufgabe Deines Lebens, zuletzt gekrönt

I
Tausend Menschen das Leben. nisches Kolonialreich zu errichten, mussten die Reliquien und Requisiten im Kreise der Gläubigen mit dem Balzan-Preis, weitergeht.
Im Parlament waren die Faschisten nur eine talien zahlte einen hohen Preis dafür, dass Italiener nie in die Augen blicken. Die alten Mythen Identität stiften. Handreichungen für die Bewälti­ Ad multos annos, lieber Saul.
winzige Minderheit. Doch sie verstanden es, sich als es sich der Welt als Lehrmeisterin empfahl. lebten in der historischen Dunkelkammer fort, und gung der vielen Probleme Italiens enthält es nicht.
Kampf-, Gefühls- und Glaubensgemeinschaft zu Der »Duce« schaltete jeden aus, der seine mit ihnen hielt sich ein faschistisches Submilieu, Die Geschichte ist über den Faschismus hinweg­ Norbert Frei ist Professor für Neuere und
profilieren, die nicht nur Schrecken verbreitete, Vision eines totalitären Volksstaates störte – von dem die Rechte bis heute zehrt. gegangen, auch wenn er als unverwüstliches Brand­ Neueste Geschichte an der Universität Jena
sondern zugleich eine enorme Attraktivität entfal­ seine politischen Gegner sowieso, aber Getragen wird dieses Submilieu von einer gesell­ zeichen für rechte Hetzer wie Trump, Orbán oder
tete. Das lag weder am Programm noch am kon­ auch, wie oft übersehen wird, die Juden, die der schaftlichen Tiefenschicht, in der seit Langem der Putin nach wie vor gebräuchlich ist.
kreten Politikangebot: Die Faschisten punkteten mit Rassist und Anti­semit marginalisierte und drang­ Nationalismus gedeiht. Die Resistenza gegen den Das weiß auch Giorgia Meloni. Bis zum Beweis
ihrem charismatischen »Duce«, dem Hass auf die
Linke und ihrer Verachtung der konservativen
salierte, ehe er sie in Kooperation mit seinen
deutschen Verbündeten deportieren ließ. Das
Nationalsozialismus während der deutschen Besat­
zung von 1943 bis 1945 gilt bis heute als Beweis für
des Gegenteils ist sie keine Faschistin. Sie wird ihre
neofaschistische Gefolgschaft aber auch nicht vor Mehr Geschichte
Führungsschichten, die sogar den Sieg im Krieg ver­ Endziel lautete imperiale Expansion. Mussolini das Gute in der Gesellschaft – was den Italienern den Kopf stoßen wollen, sondern die Frustration
spielt hätten, von dem sich die nationalistische verfolgte es seit 1922 mit Beharrlichkeit: zuerst eine Inventur ihrer nationalistischen Traditions­ und die Geschichtsvergessenheit ihrer Landsleute
Rechte größere Gebietsgewinne, etwa auf dem bei der Rückeroberung der nordafrikanischen bestände ersparte. Aus diesen Beständen, weniger für ihre Zwecke nutzen. Ob Italien dabei auf den Weimars Ende
Balkan, erhofft hatte. Nach der »vittoria mutilata«, Kolonien, dann in den Kriegen gegen Abessinien aus den Residuen des Faschismus selbst, speisen sich Holzweg einer illiberalen Demokratie gerät, steht Vor 90 Jahren: Warum scheiterte
dem verstümmelten Sieg, wie ihn der faschistische und Albanien und schließlich im Zweiten Welt­ der auftrumpfende Hochmut, aber auch die Ver­ in den Sternen. Sie stehen nicht gut. Deutschlands erste Demokratie?
Vordenker Gabriele D’Annunzio nannte, versprach krieg an der Seite Hitlers. Mussolini stand an der zagtheit, die sich leicht in Aggression verwandeln Das aktuelle Heft
Mussolini, das Land zu römischer Größe zurück­ Spitze eines permanent mobilisierten Kriegs­ kann, wenn Italien unter seinen Möglichkeiten Hans Woller ist Historiker und forscht seit ­ von ZEIT Geschichte
zuführen und die mentalen Wunden zu heilen, an regimes, das unendlich viel Leid über die besetz­ bleibt oder sich von seinen Nachbarn im Stich ge­ Jahrzehnten zur italienischen Zeitgeschichte. 2016 ­ 124 S., 8,95 €. Jetzt am Kiosk
denen Italien als zweite Geige im Konzert der Groß­ ten Länder und das eigene Volk brachte. lassen fühlt. Niemand weiß diese Ressource besser erschien sein Buch »Mussolini. Der erste Faschist« oder unter www.zeit.de/zg-heft
18 VERBRECHEN 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Einbruch in die Psyche


Meine Urteile (XXIV): Ein schillernder Angeklagter,
der seit Jahren serienmäßig Wohnungen knackt,
und zwei Opfer, die von den schlimmen Folgen dieses Verbrechens
berichten  VON THOMAS MELZER

W
er in der Zuspitzung­ dem örtlichen Pfarrhaus. Er tritt die Scheibe der viele Opfer gerade die Gerichtsverhandlung, um kann polizeilicherseits nicht offengelegt werden.« JVA auf eine Psychologin getroffen, die ihm hel-
eines Krimis am Kalkül Hintertür ein und durchwühlt die Räume der Kir- Ge­ nug­tuung zu finden und am Ende ihren Um mit einem abschließenden Satz der Irritation fen konnte. Sie habe ihm das Selbstmitleid aus­
leidet, dürfte an der La- chengemeinde. Er findet eine Plastikdose mit der Seelen­frieden schließen zu können. Sie wären bit- dann doch wieder Nahrung zu geben: »Es war getrieben, sein ganzes Dilemma immer auf die
konie eines Gerichtspro- letzten Kollekte, 94,12 Euro, und einen Schlüssel- ter enttäuscht, nach ihrer Aussage bei der Polizei wohl keine Beobachtung auf frischer Tat, sodass Umstände seines Lebens zu schieben. Als er in der
tokolls Gefallen finden: bund. Zu einem großen Schlüssel mit auffälligem mit der Tat­bewäl­ti­gung im Nirgendwo alleinge- ... ein Zugriff ohnehin nicht möglich gewesen ersten Krise nach seiner Entlassung ihre Hilfe ge-
»Während der Unterbre- Bart vermutet er irgendwo einen ­Safe. Tatsächlich lassen zu ­werden. wäre.« Wo, bitte schön, waren die fünf Zivilpoli- sucht habe, habe er erfahren, dass sie den Strafvoll-
chung der Verhandlung ist es der Kirchenschlüssel. Er steigt hoch ins Nachhaltig verstört ist nach dieser Beweisauf- zisten in der Dreiviertelstunde, in der sich Hopfe zug aufgekündigt und eine Privatpraxis eröffnet
unternahm der Beschuldigte einen Fluchtver- Obergeschoss, zur Einliegerwohnung der Pfarre- nahme auch das Gericht. Denn der vielfache im Haus ­Bärwald aufhielt? hatte. Für diese habe die Kasse keine Kosten über-
such.« Absatz. »Nachdem er gescheitert war, wurde rin, und obwohl er Werkzeuge mitgebracht hat, Psycho-­ Schaden bei den Einbruchsopfern hätte In meiner Akte findet sich der Ausdruck der nommen. Und sein Bewährungshelfer sei in Eltern­
die Verhandlung fortgesetzt.« scheitert er an der Wohnungstür. Währenddessen vermieden werden können. Verstreut im Zug nach Mail einer frustrierten Berliner Kripobeamtin an zeit gewesen.
Fünf Monate nach jenem Tag beim Haftrich- kommt die Pfarrerin vom Gesangskreis im be- Brandenburg saßen an jenem Wintertag nämlich ihre Brandenburger Kollegin, die den Fall über-
ter, als der 33-jährige Till Hopfe langsamer war als nachbarten Pflegeheim zurück und hört es oben auch fünf (!) Berliner Zivilpolizisten, die Till Hopfe nahm: »Viel Erfolg und einen guten Richter, der Der Täter ist einsichtsfähig: Warum nur
unsere Wachtmeister, wird er dem Schöffengericht poltern. Hopfe hört Geräusche von unten und über Wochen observierten. Mit der Genehmigung seinen Ausflüchten nicht glaubt.« Dabei ist das macht er trotzdem immer weiter?
zur Hauptverhandlung vorgeführt – in Fußfesseln. türmt Richtung Bahnhof. Auf dem Kirchplatz dafür versuchte ein Berliner Ermittlungsrichter zu Strafregister von Till Hopfe gerade kein Beleg
Stimmig wirkt das Bild nicht. Die Staatsan­wältin wird er festgenommen. kompensieren, dass ein Berliner Haftrichter den für eine vermeintliche Milde der Justiz. Es weist Aber wie war es nach all den Selbsterkenntnissen
erkennt das Schwiegersohnhafte des Angeklagten Beschuldigten Ende 2021 von der Untersuchungs- seit dem Jahr 2008 neun einschlägige Eintragun- möglich, dass Sie mit schäbigem Kalkül Ihren­
als Störfaktor. Vielleicht liegt es an seinem unver- Fünf Zivilpolizisten observierten den Täter, haft verschont hatte, obwohl der Wiederholungs- gen aus. Hopfe, in der Verhandlung danach be- Arbeitskollegen Bärwald beklauten? »Das bevor-
schämten Gutaussehen, dass sie sich eingangs der hinderten ihn aber nicht an den Taten täter im Oktober in einem Neuköllner Einfami­ fragt, überschlägt kurz und kommt auf acht bis stehende Wochenende sollte meine vierjährige
Anklage verhaspelt. Es handle sich um den Vor- lienhaus auf frischer Tat gestellt worden war. Vor neun Jahre, die er alles in allem seitdem im Ge- Tochter wieder einmal bei mir verbringen. Ich be-
wurf eines Wohnungseinbruchdiebstahls, Vergehen Eine Zeugin namens Bärwald hat erst per Telefon dem Haus stand damals ein anderswo gestohlener fängnis verbracht hat. Einen Monat vor dem kam schon lange keinen Lohn mehr und hatte
nach Paragraf 244 Absatz 4 Strafgesetzbuch, sagt vom Einbruch in ihrem Haus erfahren, also ist sie Transporter. Von Hopfe war bekannt, dass er in Prozess an unserem Amtsgericht ist er vom Land- mich auch nicht arbeitslos gemeldet. Ich habe nur
sie. Kleine Korrektur, werfe ich ein: Angeklagt ist genau genommen keine Tat-, sondern eine Tat- Arbeitskleidung an fremden Türen klingelte, sich gericht Berlin wegen elffachen Einbruchdieb- ein bisschen Geld gebraucht, um den Kühlschrank
ein Verbrechen. folgenzeugin. Die Familie kehrt noch in jener als Heizungsmonteur ausgab und dann lohnens- stahls zu weiteren viereinhalb Jahren Freiheits- für meine Tochter zu füllen.«
Den Mindesttarif von einem Jahr Freiheitsstra- Nacht von Bayern nach Brandenburg zurück. Das werte Tatobjekte auskundschaftete. entzug verurteilt worden. Zweieinhalb Jahre Ge- Ein Angeklagter wie dieser sitzt alle Dekaden
fe, der eine Tat zum Verbrechen macht, gibt es im war ein Fehler, sagt Frau Bärwald vor Gericht. Nun begleiten ihn also Zivilpolizisten unbe- fängnis für die beiden Brandenburger Einbrüche einmal vor unserem Gericht. Till Hopfe schont
Gesetz erst seit fünf Jahren. Davor war der Ein- Und sagt weiter: »Unsere Kinder – neun, zehn merkt vom Bahnhof zum Haus der Familie Bär- setzt unser Gericht obendrauf. Und über ihm sich nicht und ist zur Selbstreflexion fähig. Dass
bruch in eine Privatwohnung ein sogenannter und zwölf Jahre alt – standen über viele Stunden wald, hören Einbruchgeräusche – und greifen schwebt noch der Bewährungswiderruf für eine Bärwald ein früherer Kollege war und er von des-
Diebstahl im besonders schweren Fall, unterer unter extremer Anspannung, wir Erwachsenen nicht ein. Sie begleiten ihn zum Pfarrhaus, hören andere Restfreiheitsstrafe. sen Urlaub aus dem Internet wusste – das eröffnet
Strafrahmen bei sechs Monaten Freiheitsstrafe, also natürlich auch. Vor allem der Jüngste hat sich­ das Zersplittern der Tür – und greifen nicht ein. So gibt die Biografie von Till Hopfe vor allem er den staunenden Richtern von sich aus und im
ein Vergehen. Nicht jedes Mal, wenn der Gesetz- davon bis heute nicht erholt. Auf dem Schreib- Warum nicht? Ging es darum, die erwarteten­ das Rätsel auf, warum erlebter und immer wieder Wissen um die strafverschärfende Schäbigkeit.
geber dem Strafrichter einen größeren Hammer in tischstuhl seines Kinderzimmers fand er einen neuen Einbruchdiebstähle beweisfest zu sichern?­ neu drohender Freiheitsentzug einen jungen Men- Gegenüber den Zeuginnen bekennt er Reue, und
den Werkzeugkasten legt, ist der begeistert – ehr- Maurerhammer vor, den der Täter dort hinterlas- Immerhin konnte Hopfe durch die Polizisten schen, der mit seiner Ausbildung keine sozialen es mutet ehrlich an.
lich gesagt: eher selten. In diesem Fall aber gibt es sen hat. Nachdem mein Vater im November ge- gleich nach Verlassen des Pfarrhauses festgenom- Sorgen haben müsste, mit seiner Eloquenz, Intel- Unsere zweieinhalb Jahre steckt er weg, so wie
überzeugtes Einvernehmen. Wohnungseinbrüche storben war, hatte mein Sohn dessen Foto neben men werden. Die dazu befragte Pressestelle der ligenz und äußeren Erscheinung ein Leben auf er schon die viereinhalb Jahre des Landgerichts
sind nur nach dem ersten Anschein Eigentums­ seinem Bett aufgestellt. Für den Opa war der Berliner Staatsanwaltschaft hält sich bedeckt: der Sonnenseite führen könnte und der vor dem angenommen hat. Die ganze Zerrissenheit dieses
delikte. Im Kern sind sie Gewalttaten, wie auch Jüngste sein Lieb­lings­enkel. Im Wühlen hat der »Wie die Observation im konkreten Fall ablief, Haftrichter zu fliehen versuchte, um seine geliebte Angeklagten offenbart sich im scheinbar Neben-
dieses Verfahren zeigen wird. Zwei Zeuginnen Täter das Bild heruntergeworfen. Seitdem schläft ANZEIGE Tochter noch einmal in den Arm zu nehmen,­ sächlichen: Mit unangenehmem, abfälligem Dün-
werden es prägen. Und ein Angeklagter, der – ob- der Junge schlecht, stellt täglich das Foto um und warum all das Till Hopfe nicht von der Begehung kel hatte er angemerkt, die Wohnung der Familie
gleich er alle Taten gesteht – dem Gericht mehr redet kaum noch.« Frau Bärwald laufen jetzt Trä- neuer Straftaten abhielt. Nicht einmal die Bärwald sei ihm wie eine »Messiebude« erschie-
Rätsel aufgibt, als es zu lösen vermag.
An einem Nachmittag im Winter 2022 fährt
nen übers Gesicht. »Wir haben ihn zu einer Psy-
chologin gebracht, aber da hat er auch nichts ge- JETZT AM KIOSK! Schwangerschaft seiner neuen Freundin, von der
er wusste, als er zum Haus der Bärwalds aufbrach.
nen. Tatsächlich verrät der Blick auf die Tatort-
fotos eine erhebliche Unaufgeräumtheit. Doch die
Till Hopfe mit der Regionalbahn von Berlin in­ sagt. Immerhin seiner Schwester konnte sie hel- Hopfe sagt, er sei schon immer von Gefängnis Selbsterhebung des Angeklagten ist bigott. In den
einen kleinen Ort in Brandenburg. Er begibt sich fen. Das wird wohl in diesem Haus nichts mehr zu Gefängnis gegangen. Erst das El­tern­gefäng­nis, beigezogenen Akten findet sich das Protokoll ­einer
zu der durch das Städtchen führenden Bundes­ werden. Wir leben seit 13 Jahren dort und werden in dem die Schwester bevorzugt und dem Pro- polizeilichen Wohnungsdurchsuchung bei Till
straße, die viele Polen vom Pendeln in die Haupt- es jetzt verkaufen.« blemkind nichts zugetraut wurde. Sein Vater habe Hopfe, einen Monat vor seinem Einbruch bei den
stadt und viele Hauptstädter vom Pendeln an pol- Dann kommt, mit der besonderen Aura einer ihm Briefe in den Knast geschickt; er schafft es Bärwalds: »Die Wohnung macht einen stark ver-
nische Tankstellen kennen. Wenn hier etwas weg- Pastorin, die 62-jährige Zeugin Voigt in den Ge- nicht, sie zu öffnen. Dann Abhängigkeitsgefäng- unreinigten, unaufgeräumten Eindruck. Bei der
kommt, ein Auto oder eine Schmuckschatulle, richtssaal. Sie nickt huldigend in alle Richtungen nisse in Beziehungen mit Frauen. Die Mutter sei- Prüfung des Kühlschranks wurden verweste Lebens­
sagt man: Kaum gestohlen, schon in Polen. Das und hat innerhalb einer Minute mit jedem Ver- ner Tochter habe, im Wissen um seine fragile Be- mittel festgestellt.«
stimmt oft, aber oft auch nicht. fahrensbeteiligten einmal Blickkontakt gehabt. währung, immer gedroht, ihn wegen angeblicher Vor dem Scheitern im Leben kann hohe Intel-
Till Hopfe hat Urberliner Wurzeln, seine Fami­ Doch dann ist es mit ihrer Fassung auch schon Gewalt anzuzeigen. Dem nächtlichen Streit mit ligenz allein nicht schützen. Und um beschädigte
lie führt dort einen Handwerksbetrieb. Er selbst vorbei, nonverbal eindrucksvoller, als es verbal ihr der nächsten Freundin sei er alkoholisiert im Auto Biografien zu reparieren, ist das Strafrecht ein un-
Illustration: Christina Gransow für DIE ZEIT

ist ausgebildeter Anlagenmechaniker. An diesem protestantisches Un­der­state­ment erlaubt: »Ich bin entflohen – und in eine Polizeikontrolle geraten. taugliches Instrument.
Tag tritt er in dem kleinen Ort mit dem Fuß die auch heute noch fassungslos. Ich konnte viele Nach dem Verlust der Fahr­erlaub­nis habe er seinen
Eingangstür zum Wohnhaus eines ehemaligen Nächte nicht gut schlafen. Dann konnte ich wie- gut bezahlten Job als Monteur verloren. Die Namen der Beteiligten und kleinere Details
Arbeitskollegen ein, von dem er auf Face­book ge- der gut schlafen, bis die Ladung zu dieser Ver- Und dann die echten Gefängnisse. Dort sei er des Falles wurden geändert, um die Anonymität der ­
lesen hat, dass er mit der Familie Winterurlaub in handlung kam.« jahrelang nur verwahrt worden; dem Behand- Personen zu wahren
Bayern macht. Eine Dreiviertelstunde lang stellt Manchmal ist das Gericht ein Kamel und frisst lungsanspruch werde der Vollzug in der Praxis
er das Haus auf den Kopf und findet doch nicht das über eine Sache frisch gewachsene Gras. Ohne Oder gratis lesen: nicht gerecht. Gerichtsgutachter hätten ihm eine Thomas Melzer ist Richter in Brandenburg und
mehr als zwei Geschenk-»Goldbarren«, 1 Gramm Not, denn bei glaubhaft geständigen Tätern ist hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens und ZEIT-Autor. In der Serie »Meine Urteile«
und 0,5 Gramm schwer. Frustriert verlässt er den die gerichtliche Zeugenvernehmung für den www.zeit.de/zv-heft einen IQ von über 150 dia­gnos­ti­ziert, was helfe da schreibt er über Geschichten, die hinter seinen
Tatort und begibt sich wahllos zum nächsten – Schuldspruch oft entbehrlich. Doch benötigen Wegsperren. Erst beim letzten Vollzug sei er in der Entscheidungen stecken

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6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

WIRTSCHAFT 19

Foto: Andrea Pugiotto


Nichts wie rein ins Abklingbecken! Kinder am Pool im französischen Saint-Vulbas zwischen Lyon und Genf, vor dem Kernkraftwerk Bugey

Im Kern gespalten
Frankreich setzt seit Jahrzehnten voll auf Atomenergie – und muss nun so große Engpässe fürchten, dass ausgerechnet die Aussteigernation
Deutschland mit Stromlieferungen aushilft. Trotzdem glauben die Nachbarn weiter an die Macht ihrer Meiler  VON MATTHIAS KRUPA

E
mmanuel Macron war eigens nach hängig von Russland – umso größer ist dafür seine zenden Tribünen fast alle, die in der französischen Kühnheit und Wagemut Doch damals, sagt Magnin, habe er eine Chance
Belfort gereist, weit in den Osten Abhängigkeit von der Atomenergie. Und besonders Politik und Wirtschaft einen Namen haben. Der gesehen, die aus seiner Sicht einseitige Ausrichtung
des Landes, um dort, in der k­ leinen groß ist diese Abhängigkeit im Winter. Unternehmerverband Medef hat eingeladen. Kernkraft war in Frankreich immer mehr als eine des Konzerns auf Atomenergie zu korrigieren. Tat-
Industriestadt, Historisches an- Etwa ein Drittel der französischen Haushalte heizt Die Rennbahn ist erstaunlich grün, trotz der Tro- Energieform und EDF mehr als nur ein Unterneh- sächlich hatte EDF begonnen, auch in Solar- und
zukündigen: die »Renaissance der mit Strom, und zwei Drittel der gesamten Strom- ckenheit in diesem Jahr. Premierministerin Élisabeth men. Der Konzern war kurz nach dem Zweiten Windenergie und vor allem Wasserkraft zu investie-
französischen Atomenergie«. Zu- produktion stammen aus Atomkraft. Das französi- ­Borne stimmt die Firmenchefs auf schwierige Zeiten Weltkrieg gegründet worden, als staatlicher Strom- ren. Doch seine Erfahrungen im Aufsichtsrat haben
letzt habe es Zweifel an der Kern- sche Stromnetz sei daher besonders »thermosensibel«, ein. Man müsse alles vermeiden, was unnötig Energie versorger, der die Unabhängigkeit des gerade erst ­Magnin ernüchtert: Viele Aufsichtsräte hätten »mit
kraft gegeben, räumte er ein. Nun sei es aber an der erklärt Mycle Schneider. Der unabhängige Berater koste. Die abgeschalteten AKWs schnellstmöglich befreiten Landes stärken sollte. Später wurde EDF einer Mischung aus Hass und Angst« über erneuer-
Zeit, »unser energiepolitisches und damit auch un- ist Kenner des französischen Energiesystems und wieder anzufahren sei »existenziell«. zur Schaltstelle des zivilen Atomprogramms und bare Energien gesprochen; einige von ihnen hätten
ser industrielles Schicksal wieder in die eigene Hand Kritiker der Atomkraft. »Thermosensibel« heißt: Je Wenig später sitzt Jean-Bernard Lévy, der EDF- in den Siebzigerjahren endgültig zum Mythos. Das noch nicht einmal das Wort renouvelable (»erneuer-
zu nehmen«. Mindestens sechs neue Atomkraft- kälter es wird, desto größer wird der Strombedarf. Chef, auf der Bühne, bei einer Diskussionsrunde mit staatliche Unternehmen baute innerhalb weniger bar«), ausgesprochen. Windkraft und Fotovoltaik
werke, so wünscht es der Präsident, sollen deshalb Schon bei einem Grad weniger, so Schneider, müss- dem Titel »Den Ausfall vermeiden – Energie um Jahre Dutzende AKWs, seine Ingenieure wurden seien nicht als ­Chance gesehen worden, sondern als
gebaut werden, vielleicht sogar 14. ten 2,4 Gigawatt mehr zur Verfügung stehen – das jeden Preis?«. Warum, fragt ihn die Moderatorin, zum Inbegriff nationaler Kühnheit. Seither ist Gefahr – für das Atomgeschäft.
Hinter Macron funkelten während der Rede gi- entspricht der Leistung zweier großer Reaktoren. Weil dauere es bloß so lange, die Reaktoren zu warten? EDF Teil des französischen Selbstverständnisses. In der Tat hinkt Frankreich beim Ausbau der Er-
gantische Rotoren. Im Publikum, ganz vorne, saß die veralteten Heizungen der Franzosen aber kaum Der 67-Jährige holt Luft, dann holt er aus. Vier Umso tiefer sitzt der Schmerz über die Fehler neuerbaren hinterher. In der EU ist es das einzige
Jean-Bernard Lévy. Für ihn war die Ankündigung ein über Speicherkapazitäten verfügen, ist dieses System Tage lang habe EDF sich mit allen Experten des der zurückliegenden Jahre. Das vorerst letzte AKW Land, das seine selbst gesteckten Ziele verfehlt. Es
Erfolg. Lévy steht seit acht Jahren an der Spitze von extrem anfällig, sobald es kalt wird. Landes in Paris beraten, wie die Korrosionsschäden ging 1999 ans Netz, nun hat es Korrosionsschä- gebe bei EDF und in großen Teilen der französischen
Électricité de F­ rance (EDF), der Konzern ist Herz Dabei war Frankreich schon bisher nicht so un- an den Reaktoren zu beheben seien. »Wir haben kein den. Im normannischen Fla­ man­ ville will EDF­ Eliten »eine Kultur, eine Stimmung, eine Art zu
und Hirn der französischen Nuklearindustrie. Aber abhängig, wie Macron und andere vor ihm gern Problem mit der Expertise«, sagt Lévy, zunehmend einen neuen Druckwasserreaktor (EPR) erproben, denken«, die keine Zweifel an der Atomkraft und
in seiner Amtszeit musste Lévy pausenlos Rück- glauben machten. Die 56 Reaktoren, die im Land rot im Gesicht. Was fehle, seien ausreichend quali- die Bauarbeiten begannen vor 15 Jahren; die An- wenig Raum für Alternativen zuließen, sagt Magnin.
schläge verkraften: immer neue Sicherheitsmängel theoretisch in Betrieb sein könnten, verfügen über fizierte Arbeitskräfte. »Und warum haben wir nicht lage ist noch immer nicht in Betrieb. Auch in Nicht einmal zwei Jahre nach seiner Berufung legte
an den Reaktoren; ruinöse Auslandsinvestitionen; eine Gesamtleistung von 61,4 Gigawatt – voraus- genug Fachkräfte? Weil man uns gesagt hat, dass der Großbritannien und Finnland, wo französische er sein Mandat im EDF-Aufsichtsrat nieder.
Baustellen, die außer Kontrolle geraten. In Belfort gesetzt, alle laufen gleichzeitig bei Höchstlast. An sehr Nuklearpark kleiner werden soll. ›Bereitet euch da- EPRs gebaut werden, haben sich die Arbeiten im-
sah es nun so aus, als eröffne Macron nicht nur dem kalten Tagen passiert es aber, dass über 100 Gigawatt rauf vor, Reaktoren zu schließen‹«, habe der Auftrag mer wieder verzögert, die Kosten sind explodiert.
Land, sondern auch EDF einen Weg in die Zukunft. gebraucht werden. Frankreich hat im Winter deshalb bis vor Kurzem gelautet. Und nicht: Bereitet euch Aus EDF, dem Stolz der nationalen Industrie, ist Sich selbst überschätzt
Das war am 10. Februar dieses Jahres. schon immer Strom importiert, vor allem aus darauf vor, neue Reaktoren zu bauen. so ein nationales Problem geworden. Das Unter-
Acht Monate später hat die Zukunft noch immer Deutschland. Nun hat sich diese Situation verschärft. Tatsächlich waren die Signale der Pariser Politik nehmen ist nach eigenen Angaben mit 43 Mil­liar­ Vor zwei Jahren hat der französische Rechnungs-
nicht begonnen, im Gegenteil. Frankreich zittert dem Denn 28 der 56 französischen AKWs stehen der- zur Zukunft der Atomenergie wechselnd. 2015, den Euro verschuldet. Die Verstaatlichung hat hof eine Untersuchung des Debakels mit den
Winter entgegen; EDF produziert so wenig Strom zeit still. Ein Teil von ihnen muss regulär gewartet vier Jahre nach dem Reaktorunfall im japanischen auch den Zweck, es vor der Pleite zu retten. EPRs veröffentlicht. Das Ergebnis ist vernichtend:
wie nie; viele Atomkraftwerke stehen still. Und in werden, denn der Atompark ist relativ alt. Ein Fukushima, beschloss der amtierende Präsident Die Entscheidung zum Bau des Reaktors sei »über-
Berlin begründet der grüne Bundeswirtschaftsminis- Drittel der Reaktoren ist schon länger als die ur- François Hol­lande, den Anteil der Kernkraft am stürzt« und »fehlerhaft« gewesen. Die beteiligten
ter Robert Habeck die Entscheidung, zwei deutsche sprünglich vorgesehenen 40 Jahre am Netz. Und Energiemix zu reduzieren. Verantwortlicher Wirt- Eine verpasste Chance? Firmen, vor allem EDF, hätten die technischen,
Atomkraftwerke länger laufen zu lassen, mit dem die Wartungsarbeiten werden aufwendiger, je älter schaftsminister war damals Emmanuel Macron. finanziellen und organisatorischen Hürden unter-
Hinweis auf die Probleme der Nachbarn. die Anlagen sind. Später, als er selbst Präsident geworden war, ver- Lévys Attacke hat einen seit Langem schwelenden schätzt; staatliche Stellen hätten ihre Aufsichts-
Eine groteske Situation: Das Atomland Frank- Der zweite Grund für die vielen Ausfälle sind hielt sich Macron widersprüchlich. Zwei Reakto- Streit um die französische Energiepolitik befeuert. pflicht nicht genug wahrgenommen. »Der Nuklear­
reich in Stromnot – und Deutschland muss helfen. akute Sicherheitsprobleme. Im Dezember 2021 ren im elsässischen Fessenheim wurden tatsächlich Anhänger der Kernenergie werfen Macron vor, die sektor hat zu viel Selbstvertrauen an den Tag ge-
waren in einem Reaktor im westfranzösischen Civaux abgeschaltet – gleichzeitig wurden Laufzeiten für Nuklearindustrie lange nicht klar unterstützt zu legt«, anders gesagt: sich selbst überschätzt.
Korrosionen in den Notleitungssystemen entdeckt andere Anlagen verlängert. In Belfort schließlich haben. Sowohl die konservativen Republikaner als Wie realistisch ist es unter diesen Vorzeichen, neue
Der Winter worden. Seitdem ist ein Dutzend weiterer Reaktoren verkündete Macron, nur noch aus Sicherheits- auch die Kommunisten wollen im Parlament ei- AKWs zu bauen? Selbst wenn dieses Mal alles glatt-
vorsichtshalber abgeschaltet worden, für Kontrollen gründen sollten AKWs geschlossen werden. nen Untersuchungsausschuss einsetzen, um die ginge, könnte der erste neue Reaktor frühestens 2035
Dabei sah es eigentlich aus, als sei Frankreich in der und, wenn nötig, für Reparaturen. Betroffen sind Dass Lévy dem Präsidenten nun indirekt die Verantwortung des Präsidenten für das gegenwär- ans Netz gehen. Macron selbst hat dieses Datum
gegenwärtigen Krise gut gerüstet. Nur 15 Prozent der ausgerechnet die jüngsten, besonders leistungsstarken Schuld für die aktuellen Probleme zuschiebt, erscheint tige Desaster zu klären. Kritiker der Atomenergie genannt. Seine Regierung hat deshalb in diesen Tagen
Energie, die das Land verbraucht, stammen aus Gas, Reaktoren. trotzdem unerhört. Denn EDF ist de facto ein Staats- hingegen werfen Macron und EDF vor, sie hätten zwei neue Gesetze vorgelegt: Sie will die Genehmi-
und nur ein kleiner Teil dieses Gases kam bislang aus Ob Frankreich gut oder schlecht durch den Win- konzern, auch wenn das Unternehmen seit 2005 an zu lange zu einseitig auf Kernkraft gesetzt. gungsverfahren für AKWs verkürzen – und den Aus-
Russland. Noch in Belfort hatte Macron deshalb ter kommt, hängt also vor allem von zwei Unbe- der Börse notiert ist. Der französische Staat hält bis- Gérard Magnin war zwei Jahre lang Mitglied im bau erneuerbarer Energien beschleunigen.
selbstbewusst die französische Unabhängigkeit be- kannten ab: Wie kalt wird es? Und wie schnell gelingt lang 84 Prozent der Firmenanteile; im Juni erklärte EDF-Aufsichtsrat, 2014 hatte ihn die damalige Re- Erst mal kommt aber der Winter. EDF hat einen
schworen: Es zeige sich nun, wie anfällig Geschäfts- es EDF, möglichst viele Reaktoren wieder anzufahren? die Regierung, EDF demnächst wieder zu 100 Prozent gierung berufen. Eine ungewöhnliche Besetzung, er ehrgeizigen Plan: Bis Ende Februar 2023 sollen alle
modelle seien, »wenn man bei der Energieerzeugung zu übernehmen. Vor acht Jahren war Macron maß- selbst sei überrascht gewesen, erzählt der 71-Jährige Reaktoren, die außer Betrieb sind, wieder angefahren
von anderen abhängig ist«. Tatsächlich produziert geblich an der Berufung Lévys an die Spitze von EDF am Telefon. Magnin hatte vor vielen Jahren Energy werden. Ob das gelingt? Jean-Bernard Lévy wird
Frankreich weit über die Hälfte seiner Energie selbst, Eine unerhörte Attacke beteiligt. Wenige Tage nach dessen Attacke schnappt Cities gegründet, ein Netzwerk europäischer Ge- nicht mehr zuständig sein. Der EDF-Chef hätte 2023
vor allem mithilfe der eigenen Nuklearindustrie. er deshalb zurück, es sei »»falsch« und »unverantwort- meinden, die sich der Energiewende verschrieben das Ende seines Mandats erreicht, nun scheidet er
Doch ausgerechnet jetzt, im denkbar ungüns- Die Pferderennbahn von Longchamp gehört zu lich«, wenn jene, die für die Reaktoren verantwortlich haben. Und ausgerechnet er, der sich für lokale Ini- vorzeitig aus dem Amt. Angeblich einvernehmlich.
tigsten Moment, treten die Schwächen des franzö­ den vornehmen Adressen von Paris. An einem Tag seien, heute erklärten, »dass wir unsere Verantwortung tiativen und erneuerbare Energien eingesetzt hatte,
sischen Modells zutage: Das Land ist weniger ab- Ende August versammeln sich hier auf goldglän- nicht übernommen haben«. sollte im Namen des Staates EDF kontrollieren.  www.zeit.de/vorgelesen
20 WIRTSCHAFT 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

»Ich sitze nicht auf der Tribüne«


Oliver Blume hat Unmögliches vor: Er will zugleich den Volkswagenkonzern führen und den Börsenneuling Porsche.
Sein Aufstieg hat auch mit seinen Eltern zu tun – und mit einem Supermarkt in Wolfsburg

zial und wirtschaftlich. Bereits 2030 wollen wir Blume: Mir gelingt das.
bilanziell CO₂-neutral sein. Schon 2030 sollen ZEIT: Sport war immer ein Anker in Ihrem
über 80 Prozent unserer Neufahrzeuge vollelek- Leben: Fußball, Laufen, Triathlon. Was war
trisch an Kunden ausgeliefert werden. Zugleich Ihre größte sportliche Niederlage?
ist das Unternehmen kerngesund. 2021 haben Blume: Ich war 20 Jahre lang leidenschaftlicher
wir ein operatives Ergebnis von über 5 Mil­liar­den Fußballer. Einmal haben wir mit unserem Ver-
Euro mit einer Rendite von 16 Prozent erzielt. ein VfL Lehre um den Aufstieg im Bezirk ge-
ZEIT: Überlegen Sie auch bei Škoda oder Seat spielt. Dafür fehlte uns am vorletzten Spieltag
schon, wie die Börsengeschichte lauten könnte? nur noch ein Unentschieden. Am Ende verloren
Blume: Wir schauen uns an, wie wir das Profil wir zweimal mit 3 : 2. Daraus habe ich gelernt:
aller Marken im Volkswagen-Konzern schär- Es geht immer bis zur letzten Minute.
fen können. Aus unternehmerischer Sicht­ ZEIT: Auch im Job?
zählen Kennzahlen, Strategie und Marken­ Blume: Wir haben auf dem Weg zum Porsche-
posi­tio­nie­rung. Börsengang viele Hürden aus dem Weg geräumt
ZEIT: Ich habe im Vorfeld mit vielen Menschen und jedes mögliche Investorengespräch geführt.
über Ihre Doppelrolle gesprochen. Wollen Sie Und bis zur letzten Minute gekämpft.
wissen, was die gesagt haben? ZEIT: Sie sind eine Art Franz Beckenbauer des
Blume: Gern. Managements. Der spielte mit und machte sich
ZEIT: Ein Betriebsrat: »Die Idee ist schwach­ das Trikot nicht dreckig. Was ist Ihr Er­folgs­
sinnig. Hab bitte eine Frau, nicht zwei.« Ein geheim­nis?
Freund: »Ich bin gespannt, es ist unschaffbar.« Blume: Jeder von uns kann eine Zeit lang sieben
Ein Unternehmenssprecher: »Unter Corporate- Tage die Woche arbeiten. Aber man muss das
Governance-Gesichtspunkten kann man nur Gefühl dafür haben: Wo geht es jetzt wirklich zur
die Hände über den Kopf zusammenschlagen.« Sache, wo muss ich selbst sein – und was kann
Ein Manager: »Der hat ein gutes Team, der ich abgeben? Das ist mir bisher gut gelungen.
schafft das!« Wer hat recht? ZEIT: Rechnen Sie damit, dass Ihnen Ableh-
Blume: Der Manager. Aber jeder kann seine nung künftig auch mal so hart entgegenschlägt
Meinung haben. Am Ende zählen Ergebnisse. wie zuletzt Ihrem Vorgänger an der VW-Spitze,
Ich habe ein starkes Team. Zudem kenne ich Herbert Diess?
den Konzern sehr gut. Ich brauche keine An- Blume: Es wird immer mal Konflikte und unter-
laufzeit und kann sofort loslegen. An meinen schiedliche Positionen geben, auch mit dem Be-
ersten beiden Tagen hatten wir eine große triebsrat. Entscheidend ist, fair mit­ein­an­der um-
Managementkonferenz, auf der wir inhaltlich zugehen. Dann gibt es für alle eine Lösung. Ich
sofort einsteigen konnten. versuche, Konflikte zu lösen, bevor sie zu einem
ZEIT: 400 Führungskräfte in Lissabon. Riesenproblem werden.
Blume: Ja, das war ein toller Start. Dort habe ZEIT: Das ist bei 670.000 Mitarbeitern kaum
ich einen Zehn-Punkte-Plan vorgestellt. Dieser möglich.
umfasst Programme wie finanzielle Robustheit, Blume: Jeder, der sich an mich wendet, wird ge-
Produktthemen, Marktstrategien, Nachhaltig- hört. Ich bin Teil der Mannschaft und sitze
keit oder den Kapitalmarkt. Meine Aufgabe nicht auf der Tribüne.
wird es am Ende auch sein, den roten Faden im ZEIT: Herbert Diess war durchaus politisch un-
Blick zu haben. terwegs. Werden Sie sich ebenso einmischen,
ZEIT: Nach Börsengängen der Neunzigerjahre wenn es um China, Russland oder die Zukunft
haben Manager oft zig Millionen kassiert. Rech- der Mobilität geht?
nen Sie damit auch? Blume: Wo ich gefragt werde, bringe ich meine
Blume: Nein. Das ist auch nicht unser Antrieb. Expertise ein. Aber ich werde nie versuchen,­
Die Unsummen von früher sind nicht mehr politische Entscheidungen zu beeinflussen.
zeitgemäß, es geht aber um eine leistungsgerech- ZEIT: Im Sommer wirkte das anders. Sie waren
te Anerkennung. Die Beteiligung ist abhängig noch gar nicht im Amt, da gab es schon den
Oliver Blume, 54, vom Erfolg der nächsten Jahre, aber in einem ersten Fauxpas: Als Sie dafür stritten, dass syn-
am vergangenen moderaten Rahmen, von dem die ganze Mann- thetische Kraftstoffe künftig Teil des Ben­zin­
Donnerstag in schaft profitieren wird. mixes sein sollten, rühmten Sie sich damit, Bun-
Frankfurt. ZEIT: Sie sagten am Morgen des Börsengangs: desfinanzminister Chris­tian Lindner auf Ihrer
Geboren in »Wir sehen in die Zukunft, aber vergessen nie, Seite zu haben.
Braunschweig, wo wir herkommen.« Woher kommen Sie? Blume: Es hat nie irgendeine Beeinflussung ge-
begann er 1994 Blume: Ich bin kürzlich auf der VW-Betriebs­ geben. In einer Betriebsversammlung hatte ich
als Trainee versammlung aufgetreten. In Wolfsburg. Dort von einem SMS-Austausch zu einer Meldung
bei Audi spüre ich: Niedersachsen ist meine Heimat. Diese der Nachrichtenagentur dpa tags zuvor berich-
in Ingolstadt Wurzeln verbinde ich mit einer gewissen Boden- tet. Dieser wurde medial in einen anderen Zu-
ständigkeit. Ich will authentisch und nahbar sein. sammenhang gestellt. Ich habe Chris­tian Lind-
ZEIT: Wer will das nicht. ner noch nie persönlich getroffen. Im Vorfeld
Blume: Viele Kollegen könnten bestätigen, dass der Koalitionsverhandlungen haben wir einmal
ich mich im Laufe der Zeit als Mensch nicht telefoniert, so wie mit Politikern anderer Par­
Foto: Thomas Pirot für DIE ZEIT; Porsche AG (u.)

verändert habe. Ich behandle jeden gleich, egal teien auch. In diesem Fall ging es um Klima-
ob Aufsichtsrat, Vorständin oder die Kollegen schutz. Ich werde nicht müde, mich für synthe-
aus der Produktionslinie. tische Kraftstoffe einzusetzen. Sie helfen dem
ZEIT: Geboren sind Sie in Braunschweig. Was Klima ebenso wie die E-Mobilität.
haben Sie von Ihren Eltern gelernt? ZEIT: Synthetische Kraftstoffe sparen bis zu 90
Blume: Ehrlichkeit, Sorgfalt, Verbindlichkeit. Prozent CO₂ gegenüber fossilen Kraftstoffen
Ich hatte eine schöne Kindheit, in der mir auch ein – aber die Herstellung verschlingt viel Strom.
klargemacht wurde: Wenn du etwas erreichen Blume: Wer sich mit Klimaschutz brüstet und
willst, musst du etwas dafür tun. Mit 14 habe dann gegen E-Fuels argumentiert, für den habe
ich angefangen, nebenher auf dem Bau zu ar- ich kein Verständnis. Der erste Denkfehler ist
beiten. Steine tragen und Beton schieben. Von schon, einen Konflikt zwischen Elektromobili-
meinem ersten Geld, 600 Mark nach drei Wo- tät und synthetischen Kraftstoffen herzustellen.
chen, habe ich mir ein Diskettenlaufwerk für Der Hochlauf der E-Mobilität kommt bei Por-
meinen C64-Computer gekauft. Danach wusste sche so entschieden wie bei wenigen anderen.
DIE ZEIT: Herr Blume, vergangene Woche ha- über vorher praktisch nichts. Montags kümmere ich den Wert einzuschätzen. Das Studium habe Dann ist die Frage: Was kann man noch für den
ben Sie Porsche an die Börse gebracht. Als Sie ich mich um Porsche. Dienstag sind Konzern­ ich mir als Tennistrainer verdient. Klimaschutz tun? Das Argument, dass E-Moto-
zum Handelsstart die Börsenglocke läuteten, sitzungen in Wolfsburg. Die anderen Tage sind ZEIT: Als Teenager haben Sie auch im Super- ren effizienter sind als E-Fuels, zieht nicht,
wirkten Sie ganz beseelt. flexibel. Da geht es um Strategiethemen der markt Regale eingeräumt. wenn diese in Regionen produziert werden, wo
Oliver Blume: Ja, das war pure Freude. Der einzelnen Marken oder eben um Porsche. Blume: Ja, mein Vater hat 30 Jahre lang den es Solar- oder Windenergie im Überfluss gibt.
Börsen­gang war harte Arbeit über Jahre. So ein ZEIT: Wenn Wolfgang Porsche Sie dienstags an- Supermarkt Kaiser’s Kaffee in der Porschestraße ZEIT: Als Chef des Gesamtkonzerns werden Sie
Projekt erlebt man nur einmal im Leben. ruft und über die Porsche-Strategie sprechen in Wolfsburg geleitet, ganz nah am Volkswagen- Ihre Worte noch sorgsamer abwägen müssen.
ZEIT: Sie spielen seit Kurzem eine einmalige möchte, sagen Sie: »Sorry, heute ist Volkswa- Werk. Es hat mich gefreut, in den vergangenen Auch weil das Land Niedersachsen zu den An-
Doppelrolle: Seit vier Wochen sind Sie gleich- gen-Tag«? Wochen E-Mails von damaligen Auszubilden- teilseignern von Volkswagen gehört.

Mehr als VW zeitig Chef der Marke Porsche und des Mutter-
konzerns Volkswagen, zu dem dann noch weitere
Blume: Natürlich nicht. Das kann ich gut mit­
ein­an­der verbinden. Sie können mich mitten in
den zu bekommen. Einer schrieb, mein Vater
habe ihm mal gesagt: »Es kommt nicht darauf
Blume: Dessen bin ich mir bewusst.
ZEIT: Macht Sie das vorsichtiger?
Marken wie VW, Seat oder Audi gehören. der Nacht wecken, und ich erzähle Ihnen die an, was du verdienst. Es ist viel wichtiger, dass Blume: Ich werde mich nicht verbiegen und
Blume: Ich habe lange genau überlegt, ob, wie Porsche-Strategie oder die des Konzerns. du dich für das begeisterst, was du machst.« genauso agieren, wie ich das als Porsche-Chef
Der Konzern und mit welchem Plan es Sinn hat, beide Unter- ZEIT: Spielen Sie so Schach gegen sich selbst? Wer nur aus Pflichtgefühl zur Arbeit kommt, getan habe.
Zu Volkswagen gehören nehmen zu führen. Blume: Nein. Ich sehe das als Win-­win-­Situation wird nie gut. Das hat mich geprägt. ZEIT: Das letzte Auto, das gebaut wird, wird ein
Marken wie VW, Škoda, Seat ZEIT: Nur wenige Hundert Meter von der Börse für Volkswagen und Porsche. ZEIT: Sie beide waren Fußballfans. Sportwagen sein, sagte Ferry Porsche 1984.
oder Audi, Lamborghini, wurde Johann Wolfgang von Goethe geboren. ZEIT: Was soll ein Manager auch anderes sagen. Blume: Ich war oft mit ihm im Stadion. Als Ein- Wenn man das zu Ende denkt, gehört Porsche
MAN und auch Porsche (siehe In seinem Faust heißt es: »Zwei Seelen wohnen, Blume: Für mich ist es eine hervorragende Er- tracht Braunschweig noch in der Ersten Bundes- die Zukunft und nicht VW oder Škoda, richtig?
Foto). Oliver Blume ist seit ach! in meiner Brust.« Und in Ihrer? gänzung. Volkswagen und Porsche haben die liga spielte. Blume: Nein. Ich verbinde Autofahren mit Frei-
Anfang September nicht nur Blume: Da ist alles in Ordnung. gleichen Interessen: eine nachhaltige, wertschaf- ZEIT: Jägermeister getrunken? heit und denke gar nicht daran, dass es eines
Chef von Porsche, sondern ZEIT: Die meisten Menschen wären schon da- fende Entwicklung. Der Volkswagen-Konzern Blume: Klar. (lacht) Das war der erste Trikot- Tages keine Autos mehr geben könnte.
auch des Gesamtkonzerns mit überfordert, nur Porsche-Chef oder nur wird von Dividenden profitieren, die dann in sponsor überhaupt. ZEIT: Welches Auto fahren Sie am liebsten?
Volkswagen. Die Marken Volkswagen-Chef zu sein. die Transformation investiert werden können. ZEIT: Wissen Sie, was Weggefährten Ihre größte Blume: Ich fahre gerne den Porsche 911 Targa,
werden eigenständig geführt, Blume: Jemand Externes könnte das vermutlich Indem ich sowohl Volkswagen als auch Porsche Stärke nennen? einen Verbrenner, aktuell vor allem aber auch
Blume gibt aber gemeinsam nicht. Seit 28 Jahren arbeite ich im Volkswagen- führe, kann ich dazu beitragen, die Durch- Blume: Sagen Sie mal. unseren Elektrosportwagen, den Taycan.
mit dem Konzernvorstand Konzern – für die Marken Audi, Seat, VW und schlagskraft beider Unternehmen zu erhöhen. ZEIT: Die Kunst, abzuschalten: Oliver Blume ZEIT: Ihr Herz schlägt doch mehr für Porsche?
die Richtung vor. Porsche. Ich war vier Jahre im Konzernvorstand, ZEIT: Mitten in der Wirtschaftskrise haben Sie kann alles stehen und liegen lassen, geht abend- Blume: Ich bin in der glücklichen Situation, alle
habe ein großes Netzwerk und weiß, wo ich an- am vergangenen Donnerstag mit rund 20 Mil­ essen mit der Familie, eine Runde joggen und Produkte des Volkswagen-Konzerns testen zu
Der Börsengang packen muss. liar­den Euro Erlös für Ihren Konzern den größ- sitzt danach erholt wieder am Schreibtisch. können. Aktuell fahre ich natürlich Porsche, im
Vergangenen Donnerstag ZEIT: Ihre Wochenplanung ist enger getaktet als ten deutschen Börsengang seit der Telekom Blume: Das stimmt. Ich treibe viel Sport, kann Urlaub häufig die Seat-Sportwagenmarke ­Cupra.
ging Porsche an die Börse. die Golf-Produktion, oder? 1996 hingelegt. Was macht Porsche so attraktiv? immer gut schlafen. Abschalten ist wichtig, um Ich bin ein absoluter Autofan und kann mich
Die Mehrheit des Blume: Der Takt ist eng, und die Struktur muss Blume: Porsche ist im Luxussegment positio- Kraft zu tanken. für fast alles begeistern, was vier Räder hat.
Unternehmens (75 Prozent) passen. Das Pensum wird sich nach dem Börsen- niert und produziert mittlerweile in so großen ZEIT: Sie wollen mir erzählen, Sie führen Hun-
bleibt jedoch im Besitz gang normalisieren. An meiner Sitzungswoche Stückzahlen, dass die Erträge entsprechend hoch derte Investorengespräche, gehen ins Bett und Das Gespräch führte
des Volkswagen-Konzerns. ändert sich durch die Doppelfunktion gegen- sind. Unsere Elektrostrategie ist ökologisch, so- schlafen ein? Claas Tatje
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 WIRTSCHAFT 21

Womit keiner rechnet

Foto: M. Runkel/laif
Der Amazonas beherbergt viele Wertstoffe

Brasiliens nächste Regierung könnte den Regenwald


aufforsten – weil sich das wirtschaftlich lohnt
Wenn Carlos Nobre in diesen Tagen über den Nobre hat Lula beraten, und jetzt hofft der Wissen- forstung wieder einbringen könnte, zumindest zu Nobre und seine Wissenschaftlerkollegen halten
Amazonas spricht, klingt er optimistisch. Der schaftler auf eine Gelegenheit, die fast zu gut klingt, einem großen Teil. das Gegenteil für möglich: dass es auch sehr wirt-
71-jährige Brasilianer gilt als der führende Klima- um wahr zu sein: dass der Amazonaswald unter Die Sache ist nämlich ziemlich teuer. Voraus- schaftlich sein könne, den Regenwald stehen zu
forscher seines Landes, und er kennt sich wie kein diesem nächsten Präsidenten nicht nur besser ge- sichtlich wird Brasilien nach internationaler Unter- lassen, die ganze Biodiversität zu erhalten und
Zweiter mit Regenwäldern aus. Wegen dieser wis- schützt wird, etwa durch bessere Überwachung – stützung fragen – mit dem Argument, dass eine Traditionsvölker dort leben zu lassen. Den For-
senschaftlichen Spezialisierung fielen die Gespräche sondern dass er sogar teilweise wieder angepflanzt Wiederaufforstung ein Beitrag für die Rettung des schern gibt Hoffnung, dass schon heute Werk-
mit ihm in den vergangenen Jahren oft etwas grim- wird. »Der Regenwald hat an vielen Stellen die Fä- Weltklimas ist. Tropische Regenwälder sind in der stoffe wie Fasern für Handyhüllen und Autositze
mig aus. Brasilien hat zuletzt Jahr für Jahr Rekorde higkeit, sich zu regenerieren«, sagt Nobre. »Wenn Lage, besonders viel CO₂ aus der Luft zu ziehen, aus Pflanzen gewonnen werden, die am Amazonas
bei der Abholzung und beim Abfackeln des Ama- Sie dort abgeholztes Weideland einfach sich selber solange sie intakt sind. wachsen. Verschiedene Kosmetika und Heilmittel
zonas gebrochen, und Nobre ist ein Vertreter der überlassen, steht da 30 oder 40 Jahre später wieder Das Unerwartetste an den Plänen von Nobre werden aus Amazonaspflanzen hergestellt, und
besonders pessimistischen »Tipping Point«-Hypo- Regenwald.« Das dauere allerdings zu lange. An den und seinen Wissenschaftlerkollegen ist aber der wichtige Pharmainnovationen sind auf der Basis
these, der zufolge das Ökosystem des Amazonas- Stellen besonders starker Zerstörung solle er regel- privatwirtschaftliche Teil. Unter dem Druck der von Amazonaspflanzen, -tieren und -mikroben ent-
walds demnächst kippen wird, wenn dort weiter so recht wieder aufgeforstet werden. Bergbau- und Agrarlobbys hatte der bisherige Prä- wickelt worden.
abgeholzt wird, und sich der Wald in wenigen Lula da Silva hat in den vergangenen Wochen sident Jair Bolsonaro auf eine zerstörerische Nut- Bisher wirft das nicht die Milliardengewinne
Jahren in eine traurige Steppe verwandelt. mehrfach Begriffe aus seinen Gesprächen mit dem zung des Waldes gesetzt: Straßenbau und Infra- ab, mit denen man eine Wiederaufforstung fi-
Doch bei der Präsidentschaftswahl in Brasilien Klimaforscher in seinen Wahlkampfreden fallen struktur, Holzhandel, die Umwandlung von Wald nanzieren könnte. Doch das Konzept von Nobre
geht jetzt Luiz Inácio »Lula« da Silva als Favorit in lassen und einen für Brasilien unerhörten Plan in Weideflächen und Ackerland, neue Konzessionen und dessen Kollegen sieht vor, dass große neue
den zweiten Wahlgang in vier Wochen (siehe Politik angekündigt: eine »Ökonomie des nicht gefällten für Goldgräber und andere Arten von Bergbau­ Forschungsinstitute gegründet werden, um wei-
S. 9). Und der ehemalige Präsident verspricht, dass Waldes«. Dahinter steckt die Idee, dass der Ama- betrieben. Die Regenwaldzerstörung wurde mit tere Produkte zu entwickeln. So entstehe eine
er den Amazonaswald vor der Zerstörung retten will. zonaswald das Geld für seine eigene Wiederauf- wirtschaftlicher Notwendigkeit begründet. »neue Bioökonomie«.  THOMAS FISCHERMANN

ANALYSE
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Schweizer Beben
Die Credit Suisse gilt seit Jahren als Sanierungsfall. Bildungsinitiative ZukunftsChancen
Jetzt machen Gerüchte die Runde,
die Bank stehe vor dem Kollaps. Was ist da dran?
Köln startet

© Markus Mielek
Es braucht nicht viel, um in der Finanzwelt die-
ser Tage eine Krise loszutreten. Manchmal reicht
Wer an so vielen Fronten kämpft, sollte we-
nigstens klar kommunizieren. Aber auch da hakt
digital durch
es. Vergangenen Freitag verschickte Körner ein
ZukunftsChancen Köln, Runder Tisch zum Thema ‚Digitale Kompetenzen‘
schon ein Tweet. Vergangenen Samstag war es
ein australischer Fernsehreporter, der die Bran- Memo an die Mitarbeiter, in dem er warnte, es Die Initiative ZukunftsChancen, mit der die Google
che auf diese Weise schockierte. Er schrieb: werde noch »mehr Lärm« um die Bank geben. Obwohl die Weiterbildungsbereitschaft laut der Studie „D21-Index
»Glaubwürdige Quelle berichtet mir, eine große Aber er sei in der vergangenen Woche auf einem Zukunftswerkstatt die digitale Weiterbildung fördert, Digital Gender Gap“ mit 94 Prozent bei Männern und Frauen gleich
internationale Investmentbank stehe am Rande Forum aufgetreten, das unter dem Titel »Aufer- kommt nach Köln. Starke Partner:innen teilten zum hoch ausgeprägt ist, profitieren Frauen seltener von diesen Angeboten.
des Abgrunds.« Die im englischen Original stehen wie ein Phönix« gestanden habe. »Das ist BVMW-Bildungsreferentin Caroline Nasarewski rät Frauen, ihr Anliegen
Auftakt ihr Wissen bei einer spannenden Diskussion
77 Zeichen kurze Nachricht löste ein Beben aus. eine treffende Metapher für das, was wir errei- offensiv zu vertreten: „Gehen Sie den Schritt von ‚Ich möchte das‘ zu
Auf Social Media und in den Handelsräumen chen wollen«, so der Chef. Dann wies er seine am runden Tisch. ‚Ich bekomme das‘“.
der Banken verstanden alle, wer gemeint sein Kollegen noch auf die starke »Kapital- und­­
musste: die Schweizer Credit ­Suisse, einst altehr- Liquiditätsposition« der Bank hin. „Begeisterung konsequent vorleben“
würdig, eine der großen Banken der Welt, heute Das allerdings erinnerte so manchen auf Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) haben die Digitali- Generell ist beim Thema Weiterbildung rund um die Digitalisierung Tempo
Dauer-Problemfall. Twitter an das State­ment der Investmentbank sierung längst für sich entdeckt. Ihr Geschäft profitiert von den neuen gefragt. „Die Frage ist nicht, ob sich KMUs digital verändern müssen,
Was dann passierte, war atemberaubend. Weil Lehman Brothers kurz vor deren Zusammen- Möglichkeiten– aber noch nicht im gewünschten Maß. Laut einer KfW- sondern wann und wie sie es tun. Wer zu lange wartet, verliert seine
die Zeiten wild sind und man nie ausschließen bruch im Jahr 2008, dem die weltweite Finanz- Studie sehen acht von zehn KMUs einen erhöhten Bedarf, ihre Mitarbei- Gestaltungsfreiheit“, betont Ben Peckruhn. Der Digital Transformation
kann, dass an solchen Gerüchten etwas dran ist, krise folgte. Und für seinen Namen kann der ter:innen in digitalen Themen fortlaufend weiterzubilden. Manager weiß, wovon er spricht und möchte Unternehmen dazu moti-
überschlugen sich die Spekulationen, insbesonde- Credit-Suisse-Verwaltungsratspräsident natür- Die Initiative ZukunftsChancen der Google Zukunftswerkstatt und vieren, proaktiv ihren Digitalisierungsgrad zu erhöhen und nicht darauf
re auf der Plattform Reddit. Am Montag dann lich nichts, aber in der Welt von Social Media ist der Bildungsallianz des Mittelstands (BVMW) leistet einen Beitrag zu zu warten, bis äußere Umstände sie zum Handeln zwingen. Sein Arbeit-
verschleuderten Investoren ihre Credit-Suisse- es nicht hilfreich, dass er Axel Lehmann heißt, diesem lebenslangen Lernen und hilft Menschen, die Chancen der Digi- geber, die KölnBusiness Wirtschaftsförderung, arbeitet zunehmend digital
Aktien. Die Papiere gaben gut zehn Prozent nach was sogleich ausgeschlachtet wurde.
talisierung für den eigenen Karriereweg zu nutzen. Städte spielen dabei und profitiert „jeden Tag“ von diesem Schritt. Nötiges Wissen vermittelt
und waren zwischenzeitlich nur noch 3,60 Fran- Es gibt also viele Gründe, schlechte Nach-
eine Schlüsselrolle – so auch Köln, in der ZukunftsChancen unter der KölnBusiness durch Trainings und bietet Raum für Austausch und Selbst-
ken wert, das sind umgerechnet knapp 3,70 Euro. richten aus der Credit ­Suisse zu glauben. Aber
Parallel dazu schossen die Kosten sogenannter unmittelbar vor dem Zusammenbruch steht die Schirmherrschaft der Oberbürgermeisterin der Stadt, Henriette Reker, studium der Mitarbeiter:innen.
Credit-Default-Swaps in die Höhe, Derivate, mit Bank nicht. Zum einen sind die Kreditausfall- zuletzt treibende Kräfte aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu Damit so eine Bereitschaft entsteht, braucht es Impulse aus dem
denen man sich gegen einen Zahlungsausfall der Versicherungen für andere Banken ebenfalls ge- einem runden Tisch zusammengebracht hat. Management. „Die Begeisterung für digitale Technologien wächst in
Bank absichern kann. Ihr Kurs zeigt einerseits an, stiegen, was schlechten Konjunkturaussichten Mit Weiterbildung gegen den Fachkräftemangel
Unternehmen nur dadurch, dass sie vorgelebt wird. Dazu gehört auch
für wie wahrscheinlich Investoren die Pleite eines geschuldet ist. Und mit einer Kernkapitalquote ein Raum zum Ausprobieren, zum Fehlermachen und zum Lernen aus
Unternehmens halten. Aber sie sind auch ein – eine Kennzahl, die Auskunft darüber gibt, wie Trotz einer starken Informations- und Kommunikationstechnik (ITK)-Bran- ihnen“, sagt Dagmar Schuller, die als Vize-Präsidentin der IHK München/
Spielzeug von Spekulanten. groß der Kapitalpuffer einer Bank ist – von 13,5 che fehlt es Köln an Fachkräften im digitalen Bereich. Zwar bietet die Oberbayern und Unternehmerin audEERING den runden Tisch in Köln mit
Das Problem an dem Tweet zum Zusammen- Prozent liegt die Credit ­Suisse im Mittelfeld bei Stadt rund sieben von zehn Haushalten einen Glasfaseranschluss und ihrer Expertise bereichert hat.
bruch: Er passt gut ins Bild. Die Credit S­ uisse ist den großen Instituten. UBS, Deutsche Bank and 2.500 ITK-Unternehmen ein Zuhause, doch Fachkräfte fehlen in diesem Ein simples Verordnen von mehr Digitalisierung funktioniert aber nicht.
eine Art neue Deutsche Bank, das Sorgen-­ BNP Paribas kommen auf ähnliche Werte. Da- Bereich, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) in einem „Digitalisierung beginnt im Kopf, sie ist eine Haltung“, sagt Mike Schnoor,
Unternehmen der Finanzwelt. Seit Jahren steckt her schrieb auch ein Analyst der US-Bank J.P. Bericht zum Start der Initiative in Köln notiert. Dr. Vera Demary, die den Head of Communication beim Digital Hub Cologne und ZukunftsChancen-
sie in Schwierigkeiten. Sinkende Erträge, ein Morgan am Montag, die Credit ­Suisse sei mit Cluster Digitalisierung und Klimawandel beim IW Köln leitet, bringt es Stadtpate. „Dieses Mindset durch Führungspersönlichkeiten vorzuleben,
schlechtes Risikomanagement und eine teure Blick auf die Kennzahlen solide aufgestellt. zum Auftakt des Roundtables auf den Punkt: „Neben dem Fachkräfte- gibt Mitarbeiter:innen Vertrauen in die Zukunft eines Unternehmens’’.
Investmentbank lähmen sie. Hinzu kommen Das heißt aber noch lange nicht, dass alles gut mangel verlangsamt im KMU-Bereich der Anspruch, alles allein machen Zusammenfassend finden sich damit vier Erfolgsfaktoren für digital
häufige Wechsel an der Spitze und verschleppte ist am Zürcher Paradeplatz 8. Denn um die Bank zu wollen, das Digitalisierungstempo. Dabei sind Partnerschaften eine fortgeschrittene Unternehmen: Erstens Aufmerksamkeit schaffen, zwei-
Reformen. Auch hat das Haus zuletzt kaum­ wieder zu stabilisieren, sind Anstrengungen nö- große Erleichterung.“ tens gemeinsam an den Themen arbeiten, drittens Ausprobieren mit einer
einen Skandal ausgelassen. Die Folge: Im vergan- tig – und viel Geld. Die Frage ist aber, woher die Ähnlich sieht es Anke Herbener, Vize-Präsidentin des Bundesverbandes offenen Fehlerkultur und viertens das richtige Mindset.
genen Jahr machte die Credit ­Suisse einen Verlust Mil­liar­den dafür kommen sollen. Denn auch ein Digitale Wirtschaft (BVDW): „Wir befinden uns an einem Ressourcen-Wen- „Was Sie in jedem Fall brauchen, sind Orte und Gelegenheiten zu so
von 1,6 Mil­liar­den Franken, an der Börse ist sie Verkauf der Investmentbank würde gegenwärtig depunkt. Verfügbare Arbeitskräfte werden knapper. Es gilt deshalb, die einer Echtzeitbildung“, sagt Prof. Dr. Martin Wortmann, Generalsekretär
gerade noch zehn Mil­liar­den Franken wert – einst wohl nicht wahnsinnig viel Geld einspielen. eigenen Mitarbeiter:innen jetzt digital zu befähigen, statt auf Talente zu der Bildungsallianz des Mittelstands (BVMW). „Die Initiative Zukunfts-
waren es mal fast 100 Mil­liar­den Franken. Klar ist auch, dass auf die Banken einiges zu- setzen, die kaum zu bekommen sind.“ Eigenes Personal weiterbilden, Chancen bietet mit ihren Workshops und Treffen genau diese Möglich-
Grund zur Sorge gibt es also genug. Für den kommt. Es droht eine Rezession mit Pleitewelle.
lautet deshalb die Devise – und zwar gleichberechtigt. keiten auf lokaler Ebene. Es gilt, diese nun auch zu nutzen.“
27. Oktober hat der Chef Ulrich Körner einen Das wird vor allem für jene hart, die ihre Proble-
Plan zum Umbau angekündigt. Viel mehr wird me schon seit Jahren vor sich herschieben, wie die
nicht verraten. Mal ist vom Verkauf der Invest- Credit ­Suisse. In einer solchen Lage kann sich ein
mentbank die Rede, mal vom Verkauf der Ver- Gerücht schnell zur Krise entwickeln. Der Repor-
mögensverwaltung oder vom Börsengang des ter, der aus zuverlässiger Quelle erfahren haben Mehr Infos auf
Schweiz-Geschäfts. Und immer wieder wird eine will, dass eine Bank kurz vor dem Zusammen- ZukunftsChancen goo.gle/zukunftschancen
Kapitalerhöhung diskutiert, was insbesondere bei bruch stehe, hat den Tweet übrigens inzwischen
den Investoren schlecht ankommt, die fürchten, gelöscht. Anders gesagt: Die Nachricht vom be-
ihre ohnehin schon billigen Aktien würden auch vorstehenden Ende der Credit S­ uisse war über-
noch verwässert werden. trieben. Zumindest vorerst. INGO MALCHER
22 WIRTSCHAFT 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Klaus
Regling
hat fast ein halbes
Jahrhundert mit
Wirtschaftskrisen zu tun
gehabt. Der Lübecker
Ökonom, 72,
arbeitete für das
Bundesfinanzministerium,
den Internationalen
Währungsfonds,
die EU-Kommission und
leitet seit 2010 den
europäischen
Rettungsfonds ESM
beziehungsweise dessen
Vorläufer EFSF.
Reglings Amtszeit endet
am 7. Oktober.
Ein Nachfolger steht
noch nicht fest.

Sind wir noch zu retten?


Klaus Regling hat sein Leben lang Länder vor dem wirtschaftlichen Untergang bewahrt, zuletzt als Chef des Europäischen Rettungsfonds. Jetzt hört er auf

DIE ZEIT: Herr Regling, jetzt gibt die Bundes­ ZEIT: Es wird oft an Wochenenden gerettet, oder? Regling: Im Nachhinein kann man sicher über Regling: Nicht nur die Politiker. Wenn Investoren schen Kapitalgeber haben sich zurückgezogen,
regierung wieder viele Milliarden aus, um die Regling: Weil da die Finanzmärkte geschlossen einzelne Maßnahmen streiten. Wir hätten zum im Fall Griechenlands früher höhere Zinsen gefor­ ohne Unterstützung hätte die Regierung schlag­
Wirtschaft zu retten. Sie sind Rettungsexperte: haben. Stoltenberg, Delors und die anderen Mi­ Beispiel die privaten Kapitalgeber früher an den dert hätten, wäre das Land früher auf einen nach­ artig die Staatsausgaben auf die Höhe der Staats­
Kann das funktionieren? nister wurden sich nicht einig. Mitterand hat sei­ Kosten der Krise beteiligen sollen. Klar war aber haltigen finanzpolitischen Kurs gezwungen worden. einnahmen zusammenstreichen müssen. Das hätte
Klaus Regling: Es ist wichtig zu verstehen, mit nen Finanzminister, Delors, dann nach Paris zu­ immer: Die nötige Anpassung ist ohne Schmerzen Diese disziplinierende Kraft hat es aber nicht gege­ das Land ins Chaos gestürzt. Durch die Hilfspro­
welcher Art von Krise wir es zu tun haben. Der rückberufen. Der Präsident hatte zwei Empfeh­ nicht machbar. ben. Die Ursache vieler Finanzkrisen ist eine Kom­ gramme konnten wieder positive wirtschaftliche
Anstieg der Energiepreise ist der größte Angebots­ lungen auf seinem Schreibtisch. Die eine lautete: ZEIT: Retten muss wehtun? bination aus Politikversagen und Marktversagen. Perspektiven geschaffen werden.
schock seit dem Zweiten Weltkrieg. Die EU-Län­ Reformen umsetzen und die Wettbewerbsfähig­ Regling: Nicht in dem Sinne, dass man einem ZEIT: Man könnte auch argumentieren: Jedes ZEIT: Die Corona-Hilfen der EU wurden aber
der transferieren in diesem Jahr voraussichtlich keit verbessern. Die andere: das europäische Wäh­ Land als Strafe Leid zufügen muss. Es gab im Jahr­ Land muss für seine Fehler geradestehen. ohne Auflagen vergeben.
mehr als 500 Milliarden Euro mehr an die Energie rungssystem verlassen, Zölle erheben gegenüber zehnt vor der Krise Fehlentwicklungen, die korri­ Regling: Dann muss man aber auch die Folgen Regling: Die Corona-Krise war auch nicht das Er­
exportierenden Länder als vor zwei Jahren. Das allen Handelspartnern. Mitterand hat sich für die giert werden mussten. Griechenland war nicht so bedenken. Wäre Griechenland aus dem Euro ge­ gebnis wirtschaftspolitischer Fehlentscheidungen.
entspricht etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung erste Empfehlung entschieden. Sonst gäbe es den reich, wie es den Anschein hatte. Es war unum­ drängt worden, stünde Europa heute politisch und Das Virus hat Länder mit hohen Schulden genau­
Belgiens. Dieses Geld ist weg. Euro heute wahrscheinlich nicht. gänglich, dass die Bevölkerung einen Teil der über­ ökonomisch schlechter da. so getroffen wie Länder mit niedrigen Schulden.
ZEIT: Geld kann man drucken. ZEIT: Was war Ihre Rolle dabei? mäßigen Einkommenszuwächse zurückgibt. Es ist ZEIT: Rettung ist kein Ausdruck von Solidarität, Deshalb war es richtig zu sagen: Wir knüpfen die
Regling: Aber nicht die materiellen Ressourcen da­ Regling: Ich war Referent im Bundesfinanzminis­ mir aber auch klar, dass so etwas politisch nicht sondern von Eigeninteresse der Rettenden? Hilfen nicht an strenge Reformprogramme – und
hinter. Wenn mehr Geld da ist, ist nicht automa­ terium. Ich habe dafür gesorgt, dass Gerhard Stol­ einfach zu vermitteln ist und dass solche Anpas­ Regling: Beides. Die Hilfskredite für Griechenland wir helfen vor allem den Ländern, die besonders
tisch mehr Gas da. Im Zweifel bezahlen wir nur tenberg auch nachts um drei noch Brötchen be­ sungen für die Bevölkerung sehr schmerzhaft sind. – mehr als 200 Milliarden Euro – waren ein Aus­ unter der Pandemie leiden. Krise ist nicht gleich
mehr für die gleiche Menge an Gas. Der Staat kommen hat. ZEIT: Die Retter blicken anders auf die Rettung druck von Solidarität. Die Griechen werden davon Krise, und das muss bei der Rettung berücksich­
kann die Verluste nicht komplett ausgleichen, er ZEIT: Einem breiteren Publikum sind Sie bekannt als die Geretteten? noch viele Jahrzehnte profitieren, weil die Zinsen tigt werden.
kann aber dafür sorgen, dass die Lasten gerecht geworden, als um das Jahr 2010 herum Griechen­ Regling: Die Verhandlungen können in solchen niedrig sind und die Laufzeit der Darlehen sehr lang. ZEIT: Auch Italien erhält Mittel aus dem Corona-
verteilt werden. land gerettet werden musste. Wie konnte es so Fällen sehr intensiv sein. Es geht um ein ganzes ZEIT: In Deutschland war die Griechenland-­ Fonds. Jetzt bekommen die Italiener wahrschein­
ZEIT: Wie? weit kommen? Land. Das ist eine große Verantwortung. Aber Rettung trotzdem umstritten. lich bald eine Regierungschefin, die in ihrer Ju­
Regling: Indem er gezielt Instrumente einsetzt, um Regling: Nach der Einführung des Euro waren die wenn die Rettung gelingt, dann profitiert davon Regling: Gerade für Deutschland und seine Ex­ gend den Diktator Benito Mussolini verehrt hat.
den Bedürftigen zu helfen und die Substanz der Einkommen in Griechenland deutlich stärker ge­ die Wirtschaft, das heißt letztlich die Bevölkerung. portindustrie ist es wichtig, dass der europäische Dürfen wir die noch retten?
Wirtschaft zu erhalten. Da geht es um Haushalte stiegen als in den anderen Mitgliedsstaaten des Eu­ ZEIT: Würden Sie sagen, dass Griechenland geret­ Binnenmarkt funktioniert. Auch der neu gegrün­ Regling: Man muss die demokratischen Prozesse
mit niedrigem Einkommen oder um den Bäcker ros und auch stärker, als es durch die Entwicklung tet ist? deten Bundesrepublik wurde übrigens nach dem respektieren. Wir sollten der neuen italienischen
um die Ecke, aber auch um den Pharmariesen, der der nationalen Produktivität gedeckt gewesen wäre. Regling: Eindeutig. Es war das oberste Ziel, alle Zweiten Weltkrieg im Rahmen des Londoner Regierung etwas Zeit geben und sie dann an ihren
ansonsten vielleicht energieintensive Pro­dukt­li­nien Ich habe damals für die Europäische Kommission Länder im Euro-Raum zu halten. Das ist gelun­ Schuldenabkommens ein Großteil ihrer Schulden Entscheidungen messen. Der Wahlkampf war je­
nach Nordamerika verlagert. gearbeitet, wir haben das Problem immer wieder gen. In Griechenland selbst hat der Anpassungs­ erlassen. Wir sind also nicht nur Retter, wir wur­ denfalls nicht anti-europäisch.
ZEIT: Man kann also nicht jeden retten? diskutiert. prozess deutlich länger gedauert als in anderen den auch gerettet. ZEIT: Kann eine Rettung den Retter überfordern?
Regling: Nein. Gießkanne geht nicht. Das gilt für ZEIT: Aber es ist nichts passiert? Krisenstaaten. Aber heute steht das Land viel bes­ ZEIT: Die Kritiker sagen: Gäbe es den Euro nicht, Regling: Man kann es auch übertreiben. Ich glau­
alle europäischen Länder. Regling: Griechenland musste sich durch auslän­ ser da als damals. müsste man auch nicht dauernd retten. be – und das sehen viele Volkswirte so –, dass die
ZEIT: Wenn ich – sagen wir – 2000 Euro im Mo­ dische Kapitalzuflüsse finanzieren. Eigentlich hät­ ZEIT: Weshalb muss eigentlich immer gerettet Regling: Das ist ein Fehlschluss. Es gab auch vor Unterstützungsmaßnahmen während der Corona-
nat verdiene, dann bekomme ich Hilfe, bei 6000 ten die Investoren angesichts der sich verschlech­ werden? der Einführung des Euro schwere Krisen, nicht Krise in den USA zu großzügig waren. Wir sehen
Euro nicht mehr. Ist das gerecht? ternden Wettbewerbsfähigkeit dafür höhere Zin­ Regling: Weil die Welt nicht perfekt ist. Wenn alle nur in Frankreich. Ich weiß noch sehr genau, wie in den Statistiken, dass viele Amerikaner dank der
Regling: Wo genau die Einkommensgrenze liegt sen verlangen müssen, dann wäre der Druck auf immer alles richtig machten, gäbe es weniger Kri­ 1992 die italienische Währung plötzlich gegen­ staatlichen Hilfsleistungen mehr Einkommen hat­
und welche Unternehmen gefördert werden sol­ Griechenland zu Anpassungen da gewesen. Sie sen. Aber die Erfahrung zeigt, dass es so nicht ist. über der Deutschen Mark um 20 Prozent an Wert ten als vor der Pandemie. Das hat zu zusätzlicher
len, ist eine schwierige politische Entscheidung. haben dem Land aber weiter extrem günstige Kre­ ZEIT: Warum? verlor. Damit konnte VW keine Autos mehr in Nachfrage geführt, und die Inflation ist gestiegen.
Da muss man auch Kompromisse machen. Das dite zur Verfügung gestellt. Aber Ende 2009 gab es Regling: Das hat vielleicht mit der menschlichen Italien verkaufen. Und auch die bayerischen Die Maßnahmen in der EU wurden anders aus­
ändert aber nichts an den ökonomischen Realitä­ Wahlen, die neue Regierung wollte noch mehr Natur zu tun. Wenn alles gut läuft, geht man groß­ Milchbauern, was den Finanzminister ... gestaltet und verhelfen den Ländern langfristig zu
ten: Energie ist knapp, und die Preissteigerungen Geld ausgeben. Da sind die Zinsen schlagartig ge­ zügiger mit dem Geld um. Das gilt für Politiker, ZEIT: ... Theo Waigel von der CSU ... mehr Wachstum.
gehen mit einem Verlust an Wohlstand einher. stiegen, der Kapitalzustrom drohte zu versiegen. Unternehmer, Tarifparteien und Banker. Politiker Regling: ... besonders bekümmert hat damals,­ ZEIT: Die Bundesregierung will sich 200 Milliar­
ZEIT: Halten Sie die Gaspreisbremse der Regie­ ZEIT: Dann haben Sie eingegriffen. sind in aller Regel nur für vier oder fünf Jahre ge­ hatten keine Chance gegen die Südtiroler Milch­ den Euro leihen, um die Gaspreisbremse und
rung für einen guten Kompromiss? Regling: Erst einmal mussten dafür die Vorausset­ wählt, wenn es möglich ist, nutzen sie deshalb bauern. Wir haben in Europa einen gemeinsamen neue Stützungsprogramme für die Unternehmen
Fotos: Valeria Mongelli/Bloomberg/Getty Images (o.); Getty Images (4)

Regling: Eine Bewertung ist erst möglich, wenn zungen geschaffen werden. Auf globaler Ebene manchmal Verschuldungsspielräume aus, die sie Markt mit wechselseitigen Abhängigkeiten, des­ zu finanzieren. Gefährdet die zusätzliche Schul­
die Einzelheiten der Umsetzung festgelegt worden gibt es für solche Fälle den Internationalen Wäh­ langfristig nicht hätten ausnutzen sollen. Das be­ halb können wir die Probleme unserer Nachbarn den­aufnahme die finanzielle Stabilität des deut­
sind. Diese Zeit sollte man auch nutzen, um sich rungsfonds. In der Währungsunion hatten wir so obachten wir überall auf der Welt. nicht ignorieren. schen Staates?
mit den europäischen Partnern abzustimmen. etwas nicht. Mit der Gründung des Euro-­ ZEIT: Wäre es nicht besser, einzugreifen, bevor es ZEIT: Die Regierungen wissen heute, dass ihnen Regling: Sicherlich nicht, Deutschland kann sich
ZEIT: Erinnern Sie sich an Ihre erste Rettung? Rettungsschirmes ESM wurde eine Lücke in der zu spät ist? mit vielen Milliarden geholfen wird, wenn etwas das leisten.
Regling: Zumindest an die dramatischste: Die war institutionellen Architektur der Währungsunion Regling: Genau deshalb gibt es im europäischen schiefläuft. Macht Retten unvorsichtig? ZEIT: Welche Rettung war Ihre komplizierteste?
im Frühjahr 1983. In Frankreich wurde erstmals geschlossen. Kontext Vorschriften für die Wirtschaftspolitik Regling: Dagegen spricht, dass die Gelder an Auf­ Regling: Für mich persönlich war die Arbeit in
seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg ein sozialisti­ ZEIT: Inwiefern? der Mitgliedsstaaten, deren Einhaltung unter an­ lagen geknüpft sind. Niemand unterwirft sich Griechenland die intensivste, weil es sich so lange
scher Präsident gewählt, François Mitterand. Der Regling: Es gibt jetzt eine Institution, die im Kri­ derem von der Europäischen Kommission über­ gerne diesen Programmen. Sie sind aber nötig. hingezogen hat und weil ein Austritt des Landes
hat Dinge getan, die man sich heute kaum vor­ senfall Hilfskredite an Staaten vergeben kann. wacht wird. Da ist in den vergangenen zehn Jah­ Wir können einen durch jahrelange Fehlentwick­ aus der Währungsunion ein echtes Risiko war –
stellen kann, zum Beispiel Banken und Konzerne Diese sind, wenn nötig, an ein makroökonomi­ ren, als Reaktion auf die Euro-Krise, einiges zur lungen geschaffenen Anpassungsbedarf nicht ein­ auch wenn es dann anders gekommen ist.
verstaatlicht. Daraufhin geriet die französische sches Anpassungsprogramm mit wirtschaftspoliti­ Verstärkung geschehen. Aber auch wenn wir die fach wegzaubern. Wir können ihn nur zeitlich ZEIT: Hat das alles auch Spaß gemacht?
Währung unter Druck. Gerhard Stoltenberg war schen Auflagen gekoppelt, damit das Land wieder Überwachung noch weiter ausbauen, was ich für strecken. Regling: Das Wort Spaß ist irgendwie nicht ange­
Bundesfinanzminister, er traf in Brüssel an einem auf Kurs kommt. sinnvoll halte: Sie wird nie perfekt sein. ZEIT: Retten bedeutet: Zeit kaufen? messen. Aber es war interessant.
Wochenende mit seinem französischen Kollegen ZEIT: Die griechische Regierung hat argumentiert: ZEIT: Wir retten also, weil Politiker immer wieder Regling: In vielen Fällen ist das so. Nehmen Sie
Jacques Delors zusammen. Die Auflagen seien zu streng. versagen? wieder das Beispiel Griechenland. Die ausländi­ Das Gespräch führte Mark Schieritz

Gerettete Irland ist nach


dem Platzen einer
Als Spanien in die
Euro-Krise geriet,
In den Achtzigern
geriet die franzö-
Griechenland
stand vor dem

Länder Immobilienblase
mit 17,7 Milliarden
bekam das Land
61,9 Milliarden
sische Währung
massiv unter
Austritt aus der
Euro-Zone und
Euro gerettet Euro an Kediten Druck – die Regie- bekam über
worden rung war zu Refor- 200 Milliarden
men gezwungen Euro an Krediten
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24 WIRTSCHAFT 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Kuriere der Wüste

Die Ausgelieferten
In Dubai fahren Tausende Wanderarbeiter für den deutschen Konzern Delivery Hero Essen durch die Stadt. Sie leben auf engstem
Raum und arbeiten bis zur Erschöpfung. Ein Blick hinter die Fassade eines Vorzeigeunternehmens  VON ANN-KATHRIN NEZIK

W
enn Nadeem verzweifelt und einige andere mehr – sind Östbergs Vorzeige­ Die Pakistaner, die am Steuer von Taxis sitzen erreicht, den er als alleinstehender Mann norma­ Mit den detaillierten Vorwürfen konfrontiert,
ist, wenn ihm sein Leben markt, die einzige Region in seinem von Argenti­ und Essen ausliefern. lerweise nicht betreten darf. Heute schon, weil schreibt Delivery Hero später, man wisse nichts da­
in der riesigen Stadt nien bis Singapur reichenden Lieferimperium, in In den Vereinigten Arabischen Emiraten leben ihn eine Frau, die Reporterin, begleitet. Nadeem von, dass Fahrern die Pässe weggenommen würden,
ohne Hoffnung erscheint der er Profite macht. Hier zeigt Östberg, was seine heute zehn Millionen Menschen. Neun Millionen lässt sich auf den stoppeligen Rasen fallen und werde dem aber nachgehen. Dass Subunternehmer
und er sich nach seinen Kritiker immer wieder bezweifeln: dass sich mit stammen nicht von dort. Wie viele von ihnen schaut ein paar Hühnern zu, die im Gebüsch nach Geld für Visa verlangten, sei ein »industrieweites
Eltern und der Schwester dem Ausliefern von Essen tatsächlich Geld ver­ Wanderarbeiter sind, gibt die Regierung offiziell Körnern picken. Problem«. Das Unternehmen sei mit Behörden und
in Pakistan sehnt, dann dienen lässt. nicht bekannt. Es dürften viele Millionen sein, Er fragt sich jetzt immer öfter, ob es das wert Subunternehmern im Gespräch, um an »kurz- und
notiert er seine Gedanken in einem schwarzen Aber zu welchem Preis? schätzt die Denkfabrik Gulf Research Center. war, nach Dubai zu kommen. »Ich hatte in Pakis­ mittelfristigen Maßnahmen« zu arbeiten.
Buch. Seinem Tagebuch. Die ZEIT hat mit mehr als einem Dutzend Fah­ Auf seinem Smartphone zeigt Nadeem Videos tan ein fantastisches Leben«, sagt er. Vom Büroturm mit dem wellbeing-Raum sind
Ich vermisse euch, meine Familie, und weine ein rern von Delivery Hero in Dubai gesprochen, Belege von zu Hause: ein großes Haus und einen blühen­ Im Juli schickte ihm Delivery Hero wie an je­ es nur wenige Kilometer bis zu einem Industrie­
bisschen. Obwohl ich jetzt in Dubai bin, habe ich gesichtet und Experten befragt. Die Recherchen er­ den Garten, in dem Grillen zirpen. Sein Stiefvater dem Monatsende eine Nachricht, die mit freund­ gebiet, in dem sich gesichtslose sandfarbene Ge­
euch nicht vergessen. Mama, ich vermisse den Geruch geben das Bild eines Unternehmens, das im Umgang habe jahrelang in Amerika als Teppichhändler ge­ lichen Worten begann: »Dear Hero«, lieber Held. bäude an­ein­an­der­rei­hen. Die Fenster sind mit
deines Körpers. Jedes Mal, wenn ich an dich denke, mit seinen Fahrern wenig Skrupel kennt; das mit arbeitet, erzählt er. Das Geld, das der Stiefvater Aber dann las Nadeem, dass er im ganzen Monat Zeitungen zugeklebt, in den Innenhöfen hängt
stelle ich mir vor, wie du duftest. Subunternehmern zusammenarbeitet, die systema­ nach Hause schickte, ermöglichte seiner Familie nur rund 600 Euro verdient hatte, halb so viel Kleidung über Geländern, auf den Gängen tür­
Nadeem, 25, der in Wirklichkeit anders heißt, tisch Gesetze brechen und die Fahrer zu Bedingungen bescheidenen Wohlstand. wie zu Beginn seiner Zeit. Im Juni war es sogar men sich Schuhe. Kasernen, denkt man. Oder
ist einer von mehr als 15.000 Fahrern, die in den beschäftigen, die von der Internationalen Arbeits­ Warum ging Nadeem trotzdem fort? Vielleicht, noch etwas weniger. »Ich kann so nicht über­ Gefängnisse. Aber es sind Labour Camps, Massen­
Vereinigten Arabischen Emiraten für den deut­ organisation der UN geächtet werden. weil der Traum von einem besseren Leben in der leben«, sagt Nadeem. Seine Mutter werde manch­ unterkünfte, in denen Wanderarbeiter auf engs­
schen Lieferkonzern Delivery Hero arbeiten, zu Delivery Hero sagt auf Anfrage, die Zusam­ Fremde nicht endet, nur weil ein anderer ihn ver­ mal wütend, wenn er kein Geld schicke. Seine tem Raum leben. Viele, die hier leben, verdienen
erkennen an ihren orange­ far­
be­
nen Uniformen. menarbeit mit Subunternehmern sei »übliche in­ wirklicht. Vielleicht, weil er sich von Generation Schwester heirate bald. Auch sie will er unter­ ihr Geld auf den Baustellen der Stadt, aber auch
Eine Armee in Si­gnal­far­ben. Der Wanderarbeiter ternationale Praxis«. Die Subunternehmer seien zu Generation weitervererbt. Nadeem sagt: »Ich stützen, aber weiß nicht, wovon. Fahrer von Delivery Hero sind darunter.
haust mit fünf anderen Pakistanern in einem »als Arbeitgeber der Fahrer« für deren »Wohl« ver­ will meinem baba beweisen, dass ich es allein Nadeems Telefon klingelt. Es ist Ali, sein bes­ So wie der Mann, der hier Sajid heißen soll, ein
dunklen Zimmer am Stadtrand von Dubai, zehn, antwortlich und dafür, dass alle Gesetze befolgt schaffen kann. Ich will in meinem Leben etwas ter Freund. Die beiden lernten sich bei der Arbeit Pakistaner, der gerade vom Freitagsgebet in der
vielleicht zwölf Quadratmeter groß. Sie schlafen würden. »Wenn wir auf einen Verstoß aufmerk­ erreichen. Wenn du arm geboren wirst, ist es nicht für Delivery Hero kennen. Vor einem halben Jahr Moschee kommt und ein langes olivgrünes Ge­
in Stockbetten mit drei Etagen. Unter der Decke sam gemacht werden, gehen wir dem nach, und deine Schuld. Wenn du arm stirbst, schon.« stieß Ali während einer Schicht mit einem Auto wand trägt. Seit sechs Jahren wohnt Sajid, 38, im
surrt ein Ventilator. wenn er sich bewahrheitet, haben wir strenge zusammen. Nadeem eilte zu ihm ins Kranken­ Labour Camp. Sein Zimmer teilt er sich mit­
Das Bett rechts oben neben der Tür ist Na­ Richtlinien, die dazu führen können, dass wir die haus und machte ein Video: Zu sehen ist der dreizehn anderen Männern, von denen sechs auf
deems Refugium, sein Stück Privatsphäre. Hier Behörden informieren und die Zusammenarbeit schwer verletzte Ali, regungslos auf einem Kran­ einem Matratzenlager auf dem Boden schlafen.
schläft er, hier schaut er seine Lieblingsserie Vir- be­enden.« Daneben überwache Delivery Hero Pe
rsi
IR AN kenhausbett. Seine Finger sind aufgeschürft, die Erlaubt sind nach emiratischem Recht höchstens
gin ­River. Dann stellt er sich vor, wie eine dieser die Subunternehmer »systematisch« und führe sch Lippen blutunterlaufen, die Füße verbunden. zehn Menschen pro Zimmer.
er DUBAI
Se­rien­figu­ren in einer idyllischen Kleinstadt in »routine­mäßig« Stichprobenkontrollen durch. G
olf
Am Oberkörper trägt er noch die orange­far­be­ne Seit er für Delivery Hero ausliefert, arbeite und
Kalifornien zu leben. Die Geschichte der Fahrer von Delivery Hero K ATAR Uniform von Talabat. schlafe er in Schichten, erzählt Sajid: sechs oder
Nadeem hat gezögert, sein Zimmer einer Jour­ ist eine Geschichte vom gebrochenen Verspre­ VAE
Nach dem Unfall wachte Nadeem tagelang an sieben Stunden auf dem Motorrad durch Dubai
nalistin zu zeigen. Er schämt sich für die schäbige chen der Migration. Eine Geschichte von Men­ Alis Bett. Die Lieferfirma habe zwar die Kranken­ brettern, Bestellungen von den Restaurants zu den
Küche und das verdreckte Treppenhaus, durch schen, die als Wanderarbeiter aus dem globalen SAUDI hauskosten übernommen, sagt Nadeem, aber sei­ Kunden bringen. Drei Stunden schlafen. Und
das an diesem Dienstag im August eine abgema­ Süden in die Fremde ziehen, in der Hoffnung auf AR ABIEN nen Freund nicht für den entgangenen Verdienst wieder von vorn, Tag für Tag. »Wie soll ich mich
gerte Katze schleicht. Er sagt: »Wenn meine Mut­ ein besseres Leben, und die erleben, wie diese AN entschädigt. Dabei verspreche sie eine Kompensa­ auf den Verkehr konzentrieren?«, fragt Sajid.
ter wüsste, wie ich lebe, würde sie mich sofort Hoffnung zerbricht. OM tion bei derartigen Unfällen. Aber er hat keine Wahl. Er habe daheim in Pa­
nach Hause holen.« Nadeem erinnert sich noch gut an jenen Tag EN Warum lassen die Fahrer das mit sich machen? kistan Frau und Tochter, sie brauchten das Geld,
Dubai, das ist im Sommer bei über 40 Grad ein vor vier Jahren, als er, ein junger Mann aus der JE M Arabisches Warum gehen sie nicht einfach? Die Antwort hat erzählt er. Alle ein bis zwei Jahre fliege er für ein
lebensfeindlicher Ort. Wer kann, verbringt seine pakistanischen Provinz Punjab, in Dubai ankam, Meer mit dem Wort kafala zu tun, Arabisch für Bürg­ paar Wochen nach Hause. Seine Tochter, die vor
Zeit drinnen, in klimatisierten Büros oder Ein­ mutterseelenallein, aber voller Optimismus. Wie ZEIT- GRAFIK schaft oder Garantie. Wanderarbeiter brauchen in vier Monaten zur Welt gekommen sei, habe er
kaufszentren. Nadeem aber muss nach draußen, er hoffte, dass sein Onkel, der schon in Dubai 500 km den Golfstaaten normalerweise jemanden, der für noch nie gesehen.
Geld verdienen. Muss auf sein Motorrad steigen, lebte, ihn vom Flughafen abholen würde. Wie der sie geradesteht. Sonst dürfen sie dort nicht arbei­ So wie Sajid geht es fast allen Fahrern. Egal wo
über die vielspurigen Highways rasen, muss Essen Onkel nicht kam, weil er arbeitete. Wie Nadeem ten. Während Katar das Kafala-System offiziell man mit ihnen spricht, ob in Malls, auf der Straße
und Lebensmittel ausliefern, zehn Stunden und
mehr. An guten Tagen verdient er umgerechnet
danach zwei Tage lang durch die Stadt irrte, bis er
einen Schlafplatz fand.
Das Kafala- abgeschafft hat, besteht es in den Vereinigten Ara­
bischen Emiraten fort.
oder in ihren Unterkünften, überall blickt man in
müde Gesichter, die Jahre älter aussehen, als sie
35 Euro, an schlechten zehn Euro.
Der Chef von Delivery Hero, dem Unterneh­
Ein flirrend heißer Dienstag Ende August. Na­
deem, ein nachdenklicher, sensibler Mann, sitzt in
System Die Bürgen der Fahrer von Delivery Hero sind
meist die Subunternehmer, und sie bestimmen die
sind. Die Fahrer wissen, dass es verboten ist, ihnen
den Pass wegzunehmen. Sie wissen, dass sie Ge­
men, für das Nadeem arbeitet, heißt Niklas Öst­ einem leeren Schnellrestaurant, vor sich einen Regeln. Alle Fahrer, mit denen die ZEIT gespro­ fangene eines Systems voller Willkür sind.
berg. Er lebt Tausende Kilometer von Dubai ent­ Melonensaft. Unter seinen Augen zeichnen sich Als sich die Golfstaaten ­ chen hat, sagen, dass ihr Subunternehmer ihnen Aber was können sie tun? Es gibt in den Ver­
fernt am Zürichsee in der Schweiz. 2020 bekam er Tränensäcke ab, der Bart ist von einzelnen grauen – getrieben vom Ölboom – den Pass weggenommen habe. Nur ein einziger einig­ten Arabischen Emiraten keine Gewerk­
dank eines Aktienpakets eine Gesamtvergütung in Haaren durchzogen. Während er seine Geschichte wirtschaftlich entwickelten, Fahrer erzählt, dass sein Subunternehmer ihm das schaften und keine unabhängigen NGOs. Es ist
Höhe von 46 Millionen Euro. erzählt, wischt er sich immer wieder mit den Hän­ brauchten sie Arbeitskräfte Arbeitsvisum einfach so besorgt habe, kostenlos, ver­boten, zu streiken. Wer es trotzdem tut, riskiert,
Auch Östberg ist, wenn man so will, ein Wan­ den durchs Gesicht. und warben Wanderarbeiter wie es nach emiratischem Recht sein sollte. Die des Landes verwiesen zu werden.
derarbeiter. Geboren und aufgewachsen in Schwe­ Wie viele Wanderarbeiter in Dubai fing Na­ aus ­Asien und Afrika an. anderen Fahrer haben dafür bezahlt, mal knapp »Fast alle Golfstaaten haben in den vergange­
den, arbeitete er eine Weile als Unternehmens­ deem ganz unten an. Er putzte Fenster und stand Um die Migranten zu ­ 1000 Euro, mal fast 4000 Euro für Visum und nen Jahren Gesetze erlassen, die Wanderarbeiter
berater in der Schweiz, wo er bis heute lebt. 2011 in einer Seifenfabrik am Fließband. Nach ein kontrollieren, schufen sie das Führerschein. Viele brauchen Monate oder Jahre, besser schützen sollen«, sagt Mustafa Qadri von
gründet er in Berlin mit anderen das Start-up De­ paar Monaten hatte er ein bisschen Geld gespart sogenannte Kafala-System, bis sie die Schulden beglichen haben. der Menschenrechtsorganisation Equidem, die re­
livery Hero. Die Idee: als Dienstleister für Restau­ und machte seinen Motorrad-Führerschein. bei dem Zuwanderer von Der ZEIT liegt der Vertrag eines Fahrers mit gelmäßig Missstände in der Region aufdeckt.
rants deren Außer-Haus-Bestellungen abwickeln. Dann heuerte er bei einem Subunternehmer an, ihrem Arbeitgeber abhängig seinem Subunternehmer vor. Darin heißt es: »Ich »Aber die Gesetze werden kaum umgesetzt und
Dafür zahlen die Restaurants ihm eine Provision. der Fahrer an verschiedene Lieferdienste im Land sind und meist nur mit gebe meinen Pass als Pfand ab und bekomme ihn kaum kontrolliert. Es geht diesen Ländern darum,
Seine Idee entwickelt sich schnell zum Millio­ vermittelt. So landete er bei Delivery Hero, ge­ dessen Zustimmung den Job zurück, wenn ich aufhöre.« Und: »Wenn ich we­ den Schein zu wahren.«
nengeschäft. Investoren glauben an Delivery Hero, nauer gesagt: bei Talabat, einer hundertprozenti­ wechseln können. Die niger als 250 Bestellungen pro Monat ausliefere, Und in Deutschland kann Delivery Hero nicht
Östberg kauft überall auf der Welt Konkurrenten, gen Tochterfirma. Wanderarbeiter sind oft die bekomme ich 550 Dirham als Motorrad-Miete belangt werden – noch nicht. Erst ab 2023 gilt
er erobert Markt um Markt. 2015 steigt Delivery Der Subunternehmer nahm Nadeem seinen Hauptverdiener ihrer Familie. abgezogen.« 550 Dirham sind umgerechnet 150 hierzulande das Lieferkettengesetz. Erst dann müs­
Hero zum Unicorn auf, zum Start-up mit Mil­liar­ Pass ab und verlangte knapp 2000 Euro für sein Nach Angaben der National­ Euro. Viel Geld. sen Firmen mit Sitz in Deutschland nachweisen,
den­ be­wer­tung. 2017: Börsengang in Frankfurt. Arbeitsvisum, erzählt Nadeem. Beides ist nach bank Pakistans überwiesen ­ Die Strafen sind den Recherchen zufolge weit­ dass sie auch im Ausland die Menschenrechte ach­
2020: Einzug in den Dax. emiratischem Recht illegal. »Aber ich hatte keine pakistanische Staatsbürger verbreitet – und sie treffen die Fahrer oft unver­ ten. Bei Verstößen droht ihnen ein Bußgeld in
Delivery Hero, so scheint es, ist der Beweis, Wahl«, sagt Nadeem. Er lieh sich das Geld von in diesem August umgerechnet schuldet. Viele von ihnen sagen, dass die App ih­ Millionenhöhe.
dass Deutschland nicht nur Autos und Maschinen, einem Onkel in Pakistan. Von dem Subunter­ 1,3 Milliarden Euro aus den nen seit Monaten weniger Aufträge zuschanze, Die Fahrer begehren nur langsam auf. Im Mai
sondern auch digitale Unternehmen bauen kann. nehmer bekam er ein Motorrad und eine SIM- Golfstaaten in ihre Heimat. dass sie manchmal stundenlang auf den nächsten streikten trotz der Gefahren etliche von ihnen. Sie
Dabei hat das Unternehmen noch in keinem ein­ Karte fürs Smart­phone, von Talabat die orange­ Job warteten. Wie könne es sein, dass sie dafür forderten wegen der stark gestiegenen Benzinpreise
zigen Jahr Gewinn gemacht und betreibt seit Ende far­be­ne Uniform. auch noch bestraft würden? zwei Dirham mehr pro Lieferung von Delivery Hero,
ANZEIGE Als die ZEIT das Büro des Subunternehmers Ein Fahrer aus Indien holt bei einem Treffen in etwa 50 Cent. Erfolglos. Nur wenn sie für einen Auf­
besucht, gibt ein Mitarbeiter offen zu: Ja, man Anfangs lief es gut für Nadeem. Er arbeitete einer Mall sein Smart­phone heraus und öffnet die trag mehr als zwei Kilometer fahren müssen, be­
nehme von den Fahrern Geld für ihr Arbeitsvisum jeden Tag mindestens 14 Stunden, verdiente pro App. Delivery Hero hat ihn für drei Tage »sus­ kommen sie jetzt sechs Cent mehr pro Kilometer.
und kassiere ihre Pässe ein, »als Sicherheit«. Monat über 1000 Euro, von denen er einen Teil pendiert«, steht auf dem Bildschirm. Sein Ver­ Die Wut der Fahrer ist nicht verschwunden.
LESEN SIE IN UNSERER Seit Nadeem für Delivery Hero arbeitet, folgen nach Hause schickte. Doch nach einer Weile habe gehen: Er hat zu oft das Support-Team kontaktiert. Das merkt man in einem Wohngebiet vor einer
AKTUELLEN AUSGABE: seine Tage dem immer gleichen Rhythmus: Zu Delivery Hero die Bezahlung verändert, sagt Na­ Delivery Hero sagt, dass es Fahrer sperre, »so wie mit orange­far­be­ner Folie beklebten Fensterfront.
Schichtbeginn loggt er sich in die App ein. Die deem. Die Fahrer bekommen keinen Stundenlohn jede Organisation das tun würde, wenn Nutzer ihr Dahinter verbirgt sich ein Lebensmittellager von
App weist ihm Aufträge zu, dirigiert ihn durch die mehr. Sie werden pro Auftrag bezahlt, pro Gig. System missbrauchen«. Nur: Der Fahrer aus In­ Delivery Hero, ein Geistermarkt. Alle paar Minu­
Die neue Stadt. Manchmal lotst sie ihn in die teuersten
Ecken. Nach Marina zum Beispiel, wo futuristische
Wie alle Fahrer bekommt Nadeem heute rund
zwei Euro pro Lieferung, Benzin und Maut muss
dien erzählt, ihm sei gar nichts übrig geblieben, als
das Support-Team zu kontaktieren, denn es kom­
ten kommt ein Fahrer mit einer Plastiktüte heraus
und verschwindet auf seinem Motorrad.
Angst der Wohntürme einen Jachthafen umrahmen.
Die Reichen, weiß Nadeem, betrachten ihn als
er selbst bezahlen. Wenn er krank ist oder frei­
macht, verdient er nichts. Für Nadeem und die
me zum Beispiel immer wieder vor, dass die Adres­
se eines Kunden ungenau sei. Drei Tage Sperre
Die Fahrer, die im Schatten dösen, wollen erst
nicht mit der Reporterin reden. Sie haben von

Mittelschicht Eindringling. Vor schicken Restaurants müsse er anderen Fahrer bedeutet das Gig-Modell: maxima­ heißt: drei Tage kein Geld verdienen. Kollegen gehört, die gefeuert worden sein sollen,
draußen warten. Erst gestern habe ein betrunkener les Risiko und minimale Profite. Es ist ein System, das jeden bestraft, der nicht nachdem sie sich beschwerten. Aber irgendwann
Kunde ihn angeschrien, erzählt Nadeem: warum Für Delivery Hero ist es umgekehrt: minimales wie geplant abliefert und nicht zu einem Unter­ weicht die Angst doch der Wut, immer mehr Fah­
er nicht schneller da gewesen sei? Wenn er Glück Risiko und maximale Profite. Und nichts ist gerade nehmen passt, dessen offizielles Motto lautet: »We rer eilen heran, alle reden durch­ein­an­der.
habe, gäben ihm Kunden einen Dirham Trink­ wichtiger. Anfang des Jahres geriet die globale Digital­ are heroes because we ­care.« Wir sind Helden, weil Warum dürfen wir im Geistermarkt nicht aufs
AB FREITAG IM HANDEL
geld, umgerechnet 28 Cent. Eines, sagt Nadeem, industrie im Zuge des Ukraine-Kriegs und der stei­ wir uns kümmern. Erst im April trat Delivery Klo gehen?, fragen sie.
habe er schnell begriffen: »Das Einzige, was in genden Zinsen in eine Krise, die auch das deutsche Hero einer freiwilligen Initiative der UN bei und Warum müssen wir fürs Benzin selbst be­
Dubai zählt, ist Geld.« Unternehmen mitriss. Im Februar, noch vor Beginn verpflichtete sich, Menschen- und Arbeitsrechte zahlen?
Wer zum ersten Mal nach Dubai reist, der des Krieges, stürzte der Börsenkurs ab, im Sommer weltweit zu achten. Warum suspendiert uns die App für jede­
könnte den Ort leicht für ein Wunder halten: Wo flog Delivery Hero deshalb sogar aus dem Dax. Nun Die ZEIT hat Niklas Östberg seit dem Früh­ Kleinigkeit?
noch vor einem halben Jahrhundert kaum mehr wollen die Investoren von Niklas Östberg, dem Chef, jahr mehrfach um ein Interview gebeten. Immer Warum bekommen wir so wenige Aufträge?
als Wüste und ein paar Häuser waren, ragt heute endlich Gewinne sehen. Insider berichten, dass Öst­ hieß es aus dem Unternehmen, er habe keine Zeit. Warum wird uns Geld abgezogen, wenn wir zu
eine Stadt aus Wolkenkratzern in den Himmel, berg dem Unternehmen ein Sparprogramm ver­ Am Ende lädt immerhin die PR-Abteilung zu wenig arbeiten?
fahren Luxusautos durch die Straßen. ordnet habe. Es soll einen Namen haben: »Project einem »Kennenlernen« in Delivery Heros Depen­ Warum hat Delivery Hero Cristiano Ronaldo
Was die glitzernde Fassade verbirgt: Ohne Mi­ Smart«. Delivery Hero sagt, dass es stetig nach Wegen dance in Dubai, 32. Stock, Blick fast bis zum als Werbegesicht engagiert, statt uns besser zu be­
vergangenen Jahres nicht einmal mehr Geschäfte granten wie Nadeem wäre Dubai vermutlich noch der Optimierung suche. Meer. Ein kleiner Tross von PR-Leuten führt zahlen?
in Deutschland. Damals, im Dezember 2021, ver­ immer ein Wüstendorf. Wanderarbeiter haben die Nadeem verlässt das Schnellrestaurant und durch ein Büro, mit Snackbar und einem well- Die Fahrer werden von Minute zu Minute auf­
ließ Östberg den deutschen Markt: zu teuer. Die Stadt erbaut, und sie halten sie am Laufen. nimmt die U-Bahn nach Hause. Er steigt aus und being-Raum, in dem sich die Mitarbeiter zwischen gebrachter, umringen die Reporterin.
Zukunft von Delivery Hero liege in ­Asien und den Die Philippinerinnen, die als Nannys Kinder läuft vorbei an pakistanischen Imbissen und einer ihren Meetings entspannen können. Angespro­ Ein Fahrer ruft: »Es ist ihnen egal, ob wir leben
Golfstaaten, schwärmte er. betreuen und hinter Supermarktkassen sitzen. Autowerkstatt, vorbei an Häuserfassaden, an de­ chen auf die Situation der Fahrer, weicht eine jun­ oder sterben.«
Die Länder am Persischen Golf – Saudi-Ara­ Die Afrikaner und Inder, die Hotelzimmer nen Zettel kleben: »Bett zu vermieten, nur Inder«. ge PR-Frau aus. Nur eines beteuert sie: »Ihre Si­
bien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate putzen und auf den Baustellen schuften. Nach ein paar Minuten hat er einen kleinen Park cherheit ist das Allerwichtigste für uns.« www.zeit.de/vorgelesen
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 WIRTSCHAFT 25

Kuriere der Wüste

»Wenn meine Mutter wüsste, wie ich lebe,


würde sie mich sofort nach Hause holen«
Nadeem aus Pakistan arbeitet seit drei Jahren als Lieferfahrer für Delivery Hero in Dubai

Fotos: DZ

Nadeem teilt sich mit


fünf Männern
ein Zimmer. Das Geld,
das er verdiene,
reiche kaum zum
Überleben, sagt er
26 WIRTSCHAFT 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Auch
Porzellanfabrikanten
im Osten brauchen
große Mengen Energie

Foto: Philotheus Nisch für DIE ZEIT


Wohlstand in Scherben
Für die ostdeutsche Wirtschaft ist die Energiekrise besonders gefährlich  VON MARTIN DEBES, AUGUST MODERSOHN UND MARTIN NEJEZCHLEBA

R
olf H. Frowein muss nicht viel­ boten. Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang 131-jährige Geschichte der Porzellanproduktion in Aus Sicht von Robert Lehmann vom Wirt­ ist das eine Gefahr für die gesamte kritische Infra­
sagen, um sein Problem zu be­ Tiefensee (SPD) etwa sagt: »Wenn wir nicht aufpassen, Triptis wahrscheinlich endet. Wie er da nun mit schaftsforschungsinstitut Ifo besteht das große struktur Deutschlands«, sagt Unternehmensspre­
schreiben. Wer seine Firma Eschen­ ist Eschenbach Porzellan überall.« Die Sorge lautet traurigem Blick in der Halle steht und von seiner Problem darin, dass gleich mehrere Krisen cher Christopher Profitlich, als er über das ­Gelände
bach Porzellan in der thüringischen konkret dass den Osten die drohende Wirtschafts­ Misere erzählt, mutet er an wie ein Mann, dem sein zusam­ menkommen: die hohen Energiekosten­ führt. Das laute Warnen gehört natürlich zu sei­
Kleinstadt Triptis besucht, begreift krise viel heftiger treffen wird als den Westen. Dass, Lebenswerk entgleitet. »Alles lief rund«, sagt er. einer­seits, die Inflation andererseits. »Steigende nem Job. Er weiß, wie er Druck auf Politiker auf­
es auch so. Hier drinnen, in der Fa­ wie es der Thüringer Verband der Wirtschaft bezeich­ Dann kam Putins Krieg – und die Energiekrise. Preise machen sich in Ostdeutschland viel stärker bauen kann.
brikhalle, herrscht stickige Wärme. net, eine zweite Deindustrialisierung nach 1990 droht. Dass der Osten vor möglicherweise besonders bemerkbar, sowohl für die Unternehmen als Die Gaspreisbremse, die die Bundesregierung
Sie nimmt zu, je näher man an den großen Ofen Und die Frage ist natürlich, ob Warnungen wie diese großen Problemen steht, merkt man auch an der auch für die Verbraucher«, sagt er. vorige Woche angekündigt hat, bewertet Profit­
tritt, durch den Stapel von Tellern fahren. Am Ende berechtigt sind. Ob die Ängste auf Fakten beruhen. Nervosität der regierenden Politiker. Man sei hier Die ostdeutsche Wirtschaft unterscheidet sich lich nun als »gute Grundlage«. Möglich, dass es
des langen Schachts glüht es rot. »Dort hinten sind Für Eschenbach Porzellan ist diese Frage schnell abhängiger von russischem Gas und Öl, warnten grundlegend von der westdeutschen. Die Unter­ hier bald wieder losgeht. Auch aus dem Chemie­
es 1380 Grad«, sagt Frowein. Die Hitze, die not­ beantwortet. Rolf H. Frowein erzählt, dass er in die­ die ostdeutschen Landeswirtschaftsminister schon nehmen sind durchschnittlich kleiner, kein Dax- park Leuna kommen erleichterte Signale. Und
wendig ist, um Porzellan zu brennen, wird ihm jetzt sem Jahr 860.000 Euro für Gas und Strom bezahlt. vor Wochen. Auch so erklärt sich die sanktions­ Konzern sitzt in Ostdeutschland. Und auch die selbst Frowein, der Porzellanhersteller aus Triptis,
zum Verhängnis. Denn sein Ofen lässt sich nur mit Nächstes Jahr steigen die Kosten auf 5,5 Millionen skeptische Haltung des sächsischen Ministerpräsi­ Rücklagen sind kleiner. Die Gehälter, die Vermö­ will die Schließung des Werks bis Ende Oktober
Gas betreiben. Euro. Als Frowein diese Zahl von seinen Energie­ denten Michael Kretschmer (CDU). Andere Politi­ gen, die Kaufkraft: alles kleiner. Ostdeutsche ver­ noch einmal überdenken. Falls bis dahin klar sei,
Es war Anfang September, als Eschenbach Porzel­ versorgern mitgeteilt bekam, musste er nicht lange ker klingen noch etwas schärfer: Der Leipziger dienen im Durchschnitt 530 Euro im Monat­ wie die Gaspreisbremse wirke und welche Hilfen
lan als eines der ersten Unternehmen der Republik rechnen. Seine Preise könne er niemals so drastisch Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann (Linke) weniger als Westdeutsche. er in Anspruch nehmen dürfe – dann, sagt er,
ankündigte, seine Produktion einzustellen. Im Osten erhöhen, sagt er. Den 99 Mitarbeitern hat er schon sagte, die Sanktionen gegenüber Russland würden Wenn die Lebenshaltungskosten steigen, haben könne es vielleicht doch noch eine Zukunft für
begriffen das Fachleute und Politiker als eine Art Vor­ vorsorglich gekündigt und mitgeteilt, dass die den Osten »kaputt machen«. die Menschen hier weniger Spielraum, um das ab­ sein Werk geben.
zufedern. »Vor allem die Inflation wird die ost­ Wie sehr die Regierung einen wirtschaftli­
ANZEIGE deutsche Wirtschaft viel stärker treffen als die west­ chen Zusammenbruch in Teilen des Ostens und
deutsche«, sagt Gunther Schnabl, Leiter des Insti­ einen sich daraus ergebenden Volkszorn be­
tuts für Wirtschaftspolitik an der Universität fürchtet, ließ sich zuletzt in Schwedt besichti­
Leipzig. »Die kleinen Unternehmen, die Blumen­ gen. Die Stadt in Brandenburg wurde zum
läden und die Restaurants, werden das als Erste Symbol für die Abhängigkeit Ostdeutschlands
spüren, während die großen Unternehmen auf von russischen Rohstoffen – aber auch für die
Rettung hoffen können.« große Unzufriedenheit.
In Alarmismus verfallen wollen Experten wie
Gunther Schnabl und Robert Lehmann allerdings In der Raffinerie in Schwedt ließ sich der
auch nicht. Letzterer sagt: »Aktuell sehen wir keine Wirtschaftsminister anbrüllen
Anzeichen für eine Massenpleite. Aber Ostdeutsch­
land wird stärker unter der Krise leiden.« In Schwedt steht eine der größten Raffinerien
Übersehen hat die Bundesregierung das Problem Deutschlands: die PCK-Raffinerie. Ihr Erhalt, so
nicht, im Gegenteil: In Robert Habecks Wirt­ heißt es aus dem Wirtschaftsministerium, sei von
schaftsministerium kümmert sich der parlamenta­ »nationalem Interesse zur Gewährleistung der
rische Staatssekretär Michael Kellner (Grüne), der Energieversorgungssicherheit in Deutschland«.
selbst aus Thüringen kommt, um die Nöte der Ost­ Neun von zehn Fahrzeugen in Berlin und Bran­
wirtschaft. Habeck hat sich auch schon persönlich denburg werden mit Treibstoff aus Schwedt­
in einigen gefährdeten Ostbetrieben blicken lassen. betankt, der Flughafen BER ist von ihm abhän­
Vielleicht hat diese Aufmerksamkeit der Bun­ gig. Noch vor Kurzem wurde in Schwedt nur
desregierung etwas zu tun mit den Protesten zwi­ russisches Öl verarbeitet, von Januar an soll kein
schen Lubmin und Plauen. Wobei diese Proteste Tropfen mehr importiert werden.
zwar zahlreich sind, aber (noch) keine Massen Weil lange unklar war, wie es weitergeht, reiste
mobilisieren. Sicher hat die Alarmiertheit aber auch Robert Habeck mehrfach nach Schwedt, stellte sich
etwas mit einer weiteren speziellen Beschaffenheit vor aufgebrachte Arbeiter, ließ sich anschreien und
der Ostwirtschaft zu tun: Hier ist der Anteil der Schilder entgegenhalten, auf denen Dinge standen
energieintensiven Branchen größer. wie »Grüne an die Ostfront«. Es werde eine Lösung
Kein Bundesland verbraucht mehr Gas als gefunden, versprach er. Die sieht nun vorläufig so
Sachsen-Anhalt. Das liegt nicht daran, dass die aus: Weil die Raffinerie bislang mehrheitlich in der
Menschen dort besonders verschwenderisch lebten, Hand des russischen Staatskonzerns Rosneft war,
es liegt an der chemischen Industrie, die sich hier wurden diese Anteile unter staatliche Treuhandver­

FORD PRO .
angesiedelt hat. Da ist das große Chemiedreieck waltung genommen. So sollen alternative Ölimpor­
Leuna–Buna–Bitterfeld. Und da sind die Stickstoff­ te möglich werden. Zudem wollen Bund und
werke Piesteritz, kurz SKW, die bis zum Sommer Länder in den kommenden Jahren 750 Millionen


über Wittenberg hinaus kaum einer kannte. Und Euro in die ostdeutschen Raffineriestandorte und
die dann plötzlich Schlagzeilen machten, weil sich Häfen pumpen, um diese für eine Zukunft ohne
an ihrem Beispiel illustrieren lässt, wie abhängig die fossile Energieträger umzurüsten. Die 1200 Arbeits­
halbe Republik von einem einzigen Unternehmen plätze in der Raffinerie sollen erhalten bleiben.
aus Sachsen-Anhalt sein kann. Groß bleibt die Skepsis trotzdem. Nur 45
Prozent der Menschen in Brandenburg glauben
Der Düngemittelhersteller aus Wittenberg einer aktuellen Umfrage zufolge, dass die Ver­
warnt vor Stillstand auf den Autobahnen sorgung mit Kraftstoffen ohne russische Importe
gesichert werden kann. Der Staatssekretär
Das Gelände von SKW Piesteritz befindet sich am Michael­Kellner von den Grünen, der die Ver­
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Stadtrand von Wittenberg. Hier stellen 850 Mit­ handlungen in Schwedt geleitet hat, sagt, mit der
abonnieren und exklusive arbeiter Düngemittel aus Gas her. Im August rief Lust auf Veränderung sei das dort so eine Sache.
Studie zum Flotten-

für Ihre Produktivität.


management sichern.
das Unternehmen einen Produktionsstopp aus – Manche wollten einfach nicht glauben, »dass ein
eine Nachricht, die schnell auch die Bundesregie­ anderes Öl als das russische in die Raffinerie ein­
rung erreichte. Denn als Nebenprodukt entsteht gespeist werden kann«.
in Piesteritz AdBlue; jene Flüssigkeit, die Diesel­ Tatsächlich bleibt jedoch vieles noch unklar.
Das Komplett-Paket für Ihren Fuhrpark. fahrzeuge zusätzlich zum Kraftstoff tanken müssen. Woher soll das neue Öl fließen? Kann zu Januar
Produktiver arbeiten dank unserer einzigartigen Kombination aus Produkten und Services. Von wegweisenden 40 Prozent des deutschen AdBlues kamen bislang überhaupt genug davon durch bestehende
Fahrzeugen – wie dem neuen vollelektrischen Ford E-Transit – über hochmoderne Software-Lösungen für alle aus Piesteritz. Und weil die Produktion hier jetzt Pipe­lines, die nicht aus Russland kommen, ge­
Flotten-Größen bis hin zu erstklassigem Service erhalten Sie alles, was Sie für Ihr Business brauchen, aus einer
auf Stand-by gestellt ist, könnte der Stoff zur Man­ pumpt werden?
Hand. Das Ergebnis: mehr Produktivität und deutlich geringere Ausfallzeiten.
gelware werden, warnt das Unternehmen. Könnten Und so ist Schwedt vielleicht nicht nur Symbol
Lkw-Kolonnen stillstehen, Logistikketten zusam­ für Abhängigkeit und Wut. Sondern auch für die
menbrechen. »Wenn unsere Anlagen nicht laufen, große Unsicherheit der nächsten Monate.
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 WIRTSCHAFT 27

Wirtschaft in einem Satz Ausgezeichnet


Warum lang, wenn es auch kurz geht? Zwölf Kolleginnen und Kollegen von
Was diese Woche sonst noch los war ZEIT und ZEIT ONLINE sind mit dem
Deutschen Journalistenpreis
ausgezeichnet worden, der Textbeiträge in
deutschsprachigen Medien zu
Wirtschafts- und Finanzthemen prämiert.

Runter: Inflation, Energiekrise und Krieg lassen deutsche Verbraucher In der Kategorie »Bildung und Arbeit«
hat die Jury das Dossier »Gruß aus der
Küche« von Maria Christoph und Nora
laut einer Umfrage des Handelsverbandes bei ihren Ausgaben zögern, das Voit ausgezeichnet, das das Klima der
Angst in Sterneküchen thematisiert
(ZEIT Nr. 3/21).
sogenannte Konsumbarometer sank auf den tiefsten Stand seit Beginn der Wolfgang Bauer erhielt den Preis in der

Erhebungen Rauf: Die Inflation in der Türkei ist auf den höchsten Wert
Kategorie »Mobilität & Logistik« für
seine Reportage »Der Riss« über den
Salang-Tunnel in Afghanistan

seit 24 Jahren gestiegen und lag im September offiziell bei 83,45 Prozent; (ZEITmagazin Nr. 16/22).

Heike Buchter und Jens Tönnesmann


Experten gehen von einem noch deutlich höheren Wert aus gewannen mit ihrem Beitrag
»Eine Bankerin sieht grün« über die
Whistleblowerin Desiree Fixler und den
Nachbesserung: Nach heftiger Kritik nimmt die britische Regierung die Vermögensverwalter DWS in der
Kategorie »Vermögensverwaltung«
(ZEIT Nr. 39/21).
geplanten Steuererleichterungen für Spitzenverdiener zurück In der Kategorie »Weltwirtschaft« wurde
das Dossier »Lässt sich hier noch Weizen
Vorbereitung: Die EU-Kommission wappnet sich angesichts der ernten?« über die Weizenexporte aus der
Ukraine prämiert – ein gemeinsamer
Beitrag von Moritz Aisslinger, Andrea
Energiekrise für mögliche Notlagen wie Stromausfälle in den Böhm, Lea Frehse, Christiane Grefe,
Kerstin Kohlenberg, Fabian Kretschmer

Mitgliedstaaten – möglicherweise sei Katastrophenhilfe nötig, hieß es


und Wolfgang Uchatius
(ZEIT Nr. 20/22).

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6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

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GREEN. 29

In neuem Fahrwasser

Foto: Anna Beeke


Auf dem Weg zur Klimaneutralität ist die Schifffahrt sehr spät dran. Jetzt versucht der Branchenriese Maersk den Wandel  VON RICARDA RICHTER

Fast alles, womit die Deutschen ihre Häuser füllen, Rund drei Prozent des globalen CO₂-Ausstoßes Morten Bo Christiansen wurde Leiter Dekarbo­ aus dem Schornstein, desto besser für die Gewinnrech­

Das sind die


kommt mit einem Schiff hierher. Das Hemd im stammen aus der Schifffahrt, so viel wie aus dem Luft­ nisierung, seine Aufgabe zur zentralen Strategie. Im nung. Auch deshalb wird heute jedes Schiff genau
Kleiderschrank, der Fernseher an der Wand, der verkehr, mehr, als ganz Deutschland emittiert. Ohne Frühjahr 2021 sei der Vorstandsvorsitzende von überwacht, riesige Mengen Daten laufen in einem
Stuhl auf dem Balkon. Bevor die Dinge im Laden neue Schiffsantriebe wird die Industrie zum Öko- Maersk, Søren Skou, mit der Frage auf ihn zugekom­ Programm zusammen und werden live nach Kopen­
zum Verkauf stehen oder im nächsten Logistik­
zentrum in einen Pappkarton gepackt werden, hebt
Außenseiter. Doch bei Maersk, der Reederei mit dem
weißen Stern und den hellblauen Schiffen, gibt es einen
Alternativen men: »Wenn dies das Wichtigste ist, was wir tun müs­
sen: Wie schnell können wir sein?« Also beschäftigten
hagen übertragen. Doch man weiß auch, dass Effizienz
allein nicht reichen wird.
ein Kran sie vom Deck eines Frachters. Verstaut in Mann, der das verhindern will. Christiansen und sein Team sich mit der Flotte, ent­ Der Maschinenraum der Vistula Maersk ist groß
einem Container – der Kiste, die einst den Welt­ 350 Kilometer weiter nordöstlich in Kopenhagen warfen Szenarios, rechneten. Und kamen zu dem und lichtdurchflutet, eine Kathedrale aus Schrauben
handel revolutionierte. Und ihn wachsen ließ. Im­ steht direkt am Wasser die Maersk-Zentrale, das »Haus Schluss, dass es auch zehn Jahre früher ginge. Klima­ und Stahl. Drei Stockwerke winden sich um den Mo­
mer weiter wachsen. mit den blauen Augen«, wie die Einheimischen sagen, Bio-Öl neutral bis 2040. Nicht nur der Treibstoff, auch der tor bis hinunter zur Antriebswelle, an der sich die
Heute, fast 70 Jahre später, brauchen die Lieferan­ ein heller Kasten mit blau verspiegelten Fenstern. Pflanzliche Fette in Kraftstoff Stahl für die Schiffe, die Lkw, die die Container an Schiffsschraube dreht. Äußerlich deutet nichts darauf
ten der Weltmeere dringend eine neue Revolution. Hinter einem von ihnen arbeitet Morten Bo Christi­ umzuwandeln ist bereits ­ Land an ihr Ziel bringen, alles. hin, dass er mit Biobrennstoff läuft. Nur der beißende
Rund 100.000 kommerzielle Schiffe umrunden die ansen vor einer Weltkarte an der Wand. Er hat mehr möglich – doch ihre Verfüg­ Geruch nach Öl ist von Bord verschwunden. Aber der
Kontinente, queren die Ozeane, damit all die Waren als 50 Mitarbeiter und nur einen Auftrag: das Unter­ barkeit ist noch eng begrenzt 53° 36‹ 50« N, 5° 20‹ 32« O, Nordsee neue Brennstoff verursacht viel zusätzliche Arbeit. Die
zu den Kunden kommen. 300 Millionen Tonnen nehmen so schnell wie möglich vom CO₂ zu befreien. Einspritzdüsen müssen regelmäßig ausgetauscht wer­
Treibstoff benötigen sie dafür im Jahr. Und aus jedem Vier Jahre ist es her, dass Maersk als erste Reederei Methanol Die Vistula Maersk, benannt nach einem polnischen den, die Filter verstopfen häufiger.
ihrer Schornsteine steigen nicht nur Rußpartikel, das Ziel ausrief, bis 2050 klimaneutral zu werden. Was Schiffe mit Methanol anzu­ Fluss, ist ein großes Schiff unter den kleinen, 200 Die Vistula Maersk und ihr Schwesterschiff Vayenga
sondern auch Treibhausgase in den Himmel. Die für andere Industrien mittlerweile normal scheint, galt treiben ist technisch machbar, Meter lang, 36 Meter breit. Vor einem Jahr noch fuhr Maersk sind die Testlabore, die ausschließlich mit dem
Schifffahrt ist eine schwerfällige Industrie. Doch jetzt unter Reedern lange als unrealistisch. Die International bisher wird der Alkohol ­ sie zwischen Rotterdam und St. Petersburg; seit Putins neuen Brennstoff fahren. Er gilt als klimaneutral, weil
bewegt sich die zweitgrößte Container-Reederei. Mari­time Organization gab im gleichen Jahr nur vor, jedoch aus Erdgas gewonnen. Überfall auf die Ukraine quert sie zweimal im Monat das CO₂, das nach wie vor aus dem Schornstein steigt,
die Schifffahrt solle ihre Emissionen bis 2050 halbieren. Für grünes Methanol braucht den Atlantik, bringt Tulpenzwiebeln und Lithium­ zuvor von den Pflanzen aus der Atmosphäre gezogen
53° 35‹ 5« N, 8° 30‹ 53« O, Bremerhaven Und auch heute ist die UN-Behörde, mächtigster Re­ es CO₂, das zuvor der ­ batterien nach Kanada und gefrorenen Fisch zurück wurde. Doch die verfügbare Menge an alten Speise­
gulierer der Branche, nicht weiter. Atmosphäre entzogen wurde nach Europa. 2190 Container hat sie an diesem Tag fetten ist begrenzt – und wird es bleiben. In ­Asien
Es ist ein Abend Ende August, kurz nach halb zehn, als Für Maersk aber änderte sich im Herbst 2020 etwas Ende August an Bord. Rot, grau und blau stapeln sie scheitern neue Verträge bisher, weil die Herkunft des
Kapitän Brian Sørensen auf der Brücke der Vistula Grundlegendes. Auf einmal ging es nicht mehr nur um Methan sich an Deck. Was sich in den meisten von ihnen be­ Öls aus reinen Abfällen nicht sichergestellt werden
Maersk das Kommando zum Ablegen gibt. Neun die Erde, es ging ums Geld. Auf ihrem jährlichen Schon jetzt fahren LNG- findet, ist niemandem an Bord bekannt. Nur über den kann. Aber was wäre eine Alternative? Welcher Treib­
Stockwerke tiefer nimmt der Schiffsingenieur seinen Strategietreffen fragten sich die Manager, was ihr Ge­ Schiffe mit Methan. Verbrennt Inhalt der 169 Kühlcontainer wird Buch geführt: stoff kann die Zukunft der Schifffahrt sichern?
Anruf entgegen. Ein Zischen ertönt im Maschinen­ schäftsmodell erschüttern könnte. Auf der Tagesord­ es, entsteht CO₂. Wird zu­ Schokolade, Kekse, Suppentüten, Medikamente, Es ist eine Frage, die Reedereien und Institute auf
raum, dann beginnen die sechs Kolben des Motors zu nung: der Klimawandel. »Diese Sitzung hat mir die künftig Biogas oder synthetisch Erbsen, Käse und Zitrusfrüchte. der ganzen Welt umtreibt. Auch das Team von Morten
arbeiten. Das Herz des Schiffes hat zu schlagen be­ Augen geöffnet«, sagt Christiansen. Entweder würde hergestelltes Methan verwen­ Eigentlich könnte die Vistula Maersk ihren nächsten Bo Christiansen. Auf den Fluren in Kopenhagen stehen
gonnen, Treibstoff pumpt durch seine Adern. Doch die Politik der Erderwärmung mit Verboten und det, gilt das als klimaneutral. Hafen, Rotterdam, bereits am Mittag erreichen. Doch die Schiffe von Maersk in Modellgröße, seit dem Ende
es ist nicht einer, für den der Motor gebaut wurde, kein schnell steigenden CO₂-Preisen begegnen und damit Entweicht dieses jedoch, leidet der Terminal ist belegt, der Lotse kommt erst um 21 der Dampfschifffahrt hat sich ihr Antrieb nicht wesent­
tiefschwarzes Schweröl, kein grünlicher Schiffsdiesel. die weltweite Logistik durch­ein­an­der­wir­beln. Oder es das Klima besonders Uhr an Bord. Deshalb hat der Offizier in der Nacht lich verändert. Doch es gibt einen Stoff mit Potenzial,
Seit gut einem Jahr fährt die Vistula Maersk mit drohte ein ungebremster Klimawandel mit Wetter­ die Geschwindigkeit gedrosselt, mit nur sechs Knoten der schon heute Motoren antreibt: Methanol.
Biobrennstoff, einer durchsichtigen Alternative aus extremen, steigendem Meeresspiegel und dem Zu­ Ammoniak schiebt sich das Schiff am nächsten Morgen querab Um diesen speziellen Alkohol herzustellen, braucht
Abfall- und alten Speisefetten. Es ist der erste Schritt sammenbruch der Transportschifffahrt. Besser, man Zur Herstellung wird nur von der Insel Terschelling durch die Nordsee. Um es Kohlenstoff und Wasserstoff. Zieht man den Koh­
einer langen Reise, der Anfang eines industriellen wäre vorbereitet. Wasser, Luft und Energie be­ Treibstoff zu sparen. »Für eine perfekte Reise muss man lenstoff aus der Atmosphäre und gewinnt den Wasser­
Wandels. Und die Frage ist, ob die Branche diesen Lange war Maersk die führende Containerreederei nötigt, beim Verbrennen ent­ die exakte Ankunftszeit wissen«, sagt Kapitän Brian stoff mithilfe von erneuerbarer Energie, gilt es als grün.
Wandel schafft, bevor alles zu spät ist. der Welt, besaß das größte Schiff, die größte Flotte, die steht kein CO₂. Aber das Gas Sørensen auf der Brücke, die Hände in den Hosen »Aber Methanol wird heutzutage noch aus fossilem
Oben auf der Brücke steht Kapitän Brian Sørensen größte Kapazität. Schließlich gab man das Wettrüsten ist hochgiftig, die Motoren für ­ taschen vergraben. Die perfekte Reise, das sei die mit Gas hergestellt, die Produktion von grünem Methanol
in der Dunkelheit, links von ihm sitzt der Lotse und auf und wurde vom schweizerisch-italienischen Kon­ einen sicheren Betrieb werden dem geringstmöglichen Verbrauch. Und doppelte Ge­ ist bei null«, sagt Christiansen hinter seinem blauen
sagt dem Steuermann den Kurs an, 305 Grad. Ab und kurrenten MSC überholt. Doch längst hat Maersk ein noch entwickelt schwindigkeit bedeute viermal so viel Treibstoff. Fenster. Brauchte es also erst das Angebot? Oder erst
zu rauscht das Funkgerät, sonst ist es still. Die Vistula neues Rennen begonnen, das zur Klimaneutralität. Der So viel hatte Maersk längst erkannt: Profit und Um­ die Nachfrage? Ein typisches Henne-Ei-Problem.
Maersk schiebt sich mit 16 Knoten die Weser hinunter. laut Christiansen »größten Geschäftsmöglichkeit, die weltschutz schließen sich nicht aus, im Gegenteil. Je
Hinaus auf die Nordsee, hinein in die Nacht. es jemals gab«. weniger Öl verbrannt wird, desto weniger CO₂ steigt Fortsetzung auf S. 30
30 GREEN. 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

ÖKOLOGISCH ESSEN

Foto: plainpicture
Wenn die Salami
lockt, wird der Mensch
schnell schwach

Die Lügen der Fleischesser


Viele Bundesbürger essen deutlich mehr Wurst, Braten oder Steak, als sie zugeben. Warum eigentlich?  VON SOPHIE NEUKAM

I
ch habe eine große Schwäche für fränki- in Ordnung.« Das kam unerwartet. »Aber ich mache gutes Gefühl, wenn ich es dann doch tue«, erklärt Aber während die meisten weiterhin gerne Mein Bolognese liebender Kollege reflektiert
sches Schäufele. Wenn meine Oma die mir da meine eigene Wahrheit, man findet schließlich Spielhagen. Huch? Fleisch essen, und das nicht zu knapp, hat in den sein Verhalten so: »Wenn man in einer Gruppe
knusprig gebackene Schweineschulter mit genügend Ausreden«, sagt er und ist wohl ehrlicher als Trotzdem produziert er ein Magazin, das Fleisch Köpfen ein Umdenken begonnen. Christoph Klot- von Vegetariern ist, hat man den Drang, zu sa-
Dunkelbiersoße und Klößen auftischt, die meisten von uns. Dann fügt er in seiner fränkischen geradezu verherrlicht, oder? »Es ist ein Nebenprodukt ter sagt sogar: »Es findet eine stille Revolution statt.« gen, dass man auch kaum Fleisch ist.« Wissen-
fange ich glücklich an zu schwadronieren, Herzlichkeit hinzu: »Aber was muss ich dir eigentlich meiner Tätigkeit, dass ich mich mit den Konsequenzen 2020 bezeichneten sich demnach 55 Prozent der schaftler nennen das »soziale Erwünschtheit«. In
dass das genau die Art ist, wie ich Fleisch erzählen? Du vertilgst doch selbst ein Schäufele nach des Fleischessens so intensiv auseinandersetze«, ent- Deutschen als »Flexitarier«, also als Menschen, die Zeiten von Greta Thunberg bedeutet das vor al-
essen möchte: regional und als kulinari- dem anderen.« Autsch. gegnet er. »Mir fällt es sehr schwer, ganz zu verzichten. nur noch gelegentlich Fleisch essen. 2010 hätten lem: Wir sagen, dass wir regional, vegetarisch
scher Höhepunkt der Woche. Sonntagsbraten eben. Immerhin bin ich mit meiner Selbstlüge nicht al- Ich habe eine typisch deutsche Fleisch-Biografie. Zu 99 Prozent nicht einmal gewusst, was ein Flexitarier und klimaverträglich essen, um soziale Anerken-
Abgesehen davon esse ich ja kaum Fleisch und lein. Eine Kollegin sagte mir kürzlich, dass sie nur noch Hause bei meinen Eltern bekam ich als Kind morgens ist, so Kotter. nung zu bekommen.
wenn, dann nur bio. Biofleisch esse, vielleicht einmal die Woche. Ein paar Wurst aufs Brot, mittags Kartoffeln und Fleisch, Tatsächlich sinkt seit 2019 auch der Pro-Kopf- Dabei hilft uns, dass Menschen gut im Ver-
Wirklich? Neulich habe ich mal länger darüber Minuten später erzählte sie begeistert, wie sie im Bord- abends wieder Wurst aufs Brot. Das muss man erst Konsum. Doch dafür, dass angeblich so viele Leute drängen sind – und nicht so gut im Erinnern. Ich
nachgedacht. War da nicht diese Woche schon der restaurant der Deutschen Bahn nicht etwa eines der mal überwinden.« gelegentlich bewusst auf Fleisch verzichten, ver- rede mir also selbst ein, dass ich kaum Fleisch esse.
Burger im Irish Pub? Und wenn ich es mir recht über- vielen veganen Gerichte genommen habe, sondern Da ist es also, das Gewohnheitstier in uns. Fleisch zehren die Deutschen immer noch riesige Mengen Weil das nicht stimmt, bin ich ständig damit be-
lege, liegt oft eine Scheibe Wurst auf meinem Brot. diese leckere Bolognese. Was soll man da sagen. Es und Wurst sind für viele verbunden mit Kindheit, davon. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein Teil schäftigt, mein Verhalten zu legitimieren. Und
Mindestens. Aber kann es sein, dass mein Selbstbild wird Zeit, dem Phänomen nachzugehen. Omas Küche oder Weihnachten. »Ich würde weinen, der Flexitarier sich zwar so bezeichnet, aber nicht wenn man anderen davon erzählt, hat es eine hö-
so weit von der Wirklichkeit entfernt ist? Um schlau daraus zu werden, muss man zuerst die wenn ich die Spaghetti bolognese meiner Mami nicht so handelt«, erklärt der Ernährungspsychologe. here Gültigkeit.
Ich rufe meinen Vater an, weil ich niemanden zugrunde liegende Frage beantworten: Warum fällt es mehr essen könnte«, sagt ein Kollege. Fleischliche Sagen wir es mal unverblümt: Viele von uns Ich sollte mich also der Wahrheit über meinen
kenne, der ehrlicher über Fleischkonsum redet. »Ge- Menschen so schwer, mit dem Fleischessen aufzuhö- Küche bedeutet auch für mich Heimat. lügen sich in die Tasche. Und das Irre ist: Es fällt Möchtegern-grünen Lebensstil stellen. Dafür
rade als Metzger habe ich mir oft anhören dürfen, dass ren, obwohl es doch mit der Klimakrise, dem Tierwohl Ein Anruf bei dem Ernährungspsychologen Chris- uns oft gar nicht auf! »Wir können durchaus unter- werde ich Klotters Rat folgen und einen Monat
die Leute eigentlich kein Fleisch mehr essen – und ein und der eigenen Gesundheit genug Gründe dafür gibt? toph Klotter, der in meinem Gefühl ein gesellschaft- schiedlich denken und handeln, ohne dass es uns lang aufschreiben, wie viel Fleisch ich tatsächlich
paar Tage später beklagen sie sich, dass das Schnitzel Anruf bei einem, der es wissen müsste. Jan Spielhagen liches Phänomen sieht: »Wir fühlen uns der Tradition im Moment selbst bewusst wird«, sagt Klotter. Die esse, und mich fragen, ob das zu meinem Selbstbild
in der Wirtschaft nicht groß genug war.« ist Erfinder und Chefredakteur des Kochmagazins verpflichtet.« In der Menschheitsgeschichte stand Unternehmensberatung A. T. Kearney stellte dies passt. Schon jetzt merke ich: Allein weil ich darüber
Mein Vater war sein Leben lang Dorfmetzger, bis Beef!. Man erwartet also ein glühendes Plädoyer für Fleisch demnach für Wohlstand, Macht – und für kürzlich sogar in einer Umfrage fest. Demnach nachdenke, esse ich weniger Fleisch. Und vielleicht
er vor sechs Jahren den Laden schloss: Es rechnete sich Fleisch. Doch am Ende der Leitung meldet sich ein viele auch fürs Mannsein. »Wir essen ein Symbol«, dachten die Deutschen im Schnitt, sie äßen 640 bleibt es ja bald wirklich nur noch beim Sonntags-
nicht mehr. Früher hat er auch selbst geschlachtet. Am Mann zu Wort, der von sich selbst sagt, kaum Fleisch sagt Klotter. Ein Symbol, das nur langsam weicht. Ob- Gramm Fleisch pro Woche, tatsächlich aßen sie braten.
Telefon frage ich, wie er heute darüber denkt, also über zu essen. »Ich versuche oft, so viele Tage wie möglich wohl Fleisch heute so billig ist und auch vegan lebende jedoch mehr als ein Kilo. Ein Irrtum von satten
Tiere töten und essen. »Eigentlich finde ich es nicht hintereinander kein Fleisch zu essen. Das gibt mir ein Männer sexy sein können. 70 Prozent. www.zeit.de/vorgelesen

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In neuem Fahrwasser   Fortsetzung von S. 29 geber, auf den großen Player aus dem kleinen Land.
Dabei wurde auf den Schiffen der Reederei nicht
Maersk entschied sich, die Henne zu sein. Im nur über 100 Jahre lang das besonders schädliche
Juli 2021 bestellte das Unternehmen einen ersten Schweröl verbrannt – bis 2016 bohrte Maersk selbst
mit Methanol betriebenen Frachter in Südkorea. in der Nordsee nach fossilem Treibstoff, bevor es
Nur 172 Meter lang, gedacht für den Verkehr in diesen Teil des Geschäfts verkaufte.
Nordeuropa. Inzwischen sind auch 18 größere Auch Morten Bo Christiansen war über ein
Schiffe bestellt. Die Baukosten liegen 10 bis 15 Jahr in der Ölförder-Sparte beschäftigt. So habe die
Prozent über denen herkömmlicher Schiffe, auch Welt nun einmal funktioniert, sagt er. »Früher
weil Methanol doppelt so große Tanks verlangt. dachte ich noch, drei Grad Erwärmung wären nicht
Rund 700 Schiffe fahren für Maersk, etwa die so schlimm. Jetzt weiß ich, dass sie eine absolute
Hälfte gehört dem Konzern selbst. Bei den neueren Katastrophe wären.« Auf einmal wird seine Stimme
ließe sich der Motor auf Methanol umrüsten. Doch leiser. Was, wenn Maersk nicht schnell genug sei?
etwa 290 hauseigene Schiffe müssen bis 2040 ersetzt Was, wenn die Wettbewerber nicht nachzögen?
werden. Neben Bioöl und Methanol gelten Methan So ganz unwahrscheinlich ist das nicht. Nicht
und vor allem Ammoniak als zukunftsfähige Treib- nur die neuen Schiffe sind teurer, auch der Treib-
stoffe. Sie alle, damit rechnen Experten, werden bis stoff kostet noch gut doppelt so viel wie herkömm-
2030 Teil des Energiemixes sein. Aber welcher sich liches Öl. »Irgendwann werden erneuerbare Ener-
durchsetzen wird, vermag niemand vorauszusagen. gien so günstig sein, dass grüner Treibstoff mit
Morten Bo Christiansen rechnet: »Laut Pariser fossilem mithalten kann. Aber wir wissen nicht, ob
Abkommen müssen sich die Emissionen jedes Jahr- das fünf Jahre, zehn Jahre oder länger dauert«, sagt
zehnt halbieren. Also reicht es nicht, auf eine Lö- Christiansen. Maersk fordert deshalb einen welt-
sung zu warten, die vielleicht 2030 kommt. Dann weiten CO₂-Preis in der Schifffahrt von 150 US-
werden wir es nicht schaffen.« Dollar pro Tonne – dann, so glaubt man hier,
Nach und nach verkündete Maersk die ersten würde alles ganz schnell gehen.
Partnerschaften für die Produktion von grünem Das wäre fünfmal so viel wie die deutsche CO₂-
Methanol. In Nord- und Südamerika, in China ­– Abgabe. Doch Verbraucher dürften davon kaum
und in Dänemark. In Apenrade, kurz hinter der etwas merken. Bei doppelten Treibstoffkosten für
deutschen Grenze, entsteht derzeit der größte Solar- einen CO₂-neutralen Transport koste ein Paar
park Nordeuropas. 10.000 Tonnen Methanol sollen Sneaker aus Viet­nam vier Cent mehr, sagt Christi-
damit pro Jahr produziert werden. ansen. Schon jetzt kaufen große Marken die »Eco
Delivery«, zahlen für einen Container von Shanghai
52° 8‹ 31« N, 3° 45‹ 43« O, Nordsee nach Hamburg 300 Euro mehr – und finanzieren

Anlage ohne Atomenergie:


damit den Biobrennstoff auf der Vistula Maersk.
Auf der Vistula Maersk hat Brian Sørensen mit der
Mannschaft nach dem Abendessen noch Darts ge- 51° 59‹ 39« N, 4° 1‹ 12« O, Rotterdam
spielt. Jetzt sitzt er im Büro seiner Kapitänskajüte

UmweltSpektrum Fonds
auf Deck E. Der Wind hat zugenommen, vor dem Als der Lotse an der Jakobsleiter die Schiffswand
Fenster senkt und hebt sich der Horizont. Sørensen hinaufklettert, ist die Sonne untergegangen. Er
hat die Welt gesehen, ist die Standardroute von­ komme gerade von einem LNG-Tanker, berichtet
Asien nach Europa gefahren, Westafrika, Südafrika, er oben auf der Brücke. Eigentlich führen die mit
viele Jahre entlang der Ostküste von Südamerika, dem Gas, das sie selbst transportieren. Aufgrund
dort gefiel es ihm besonders gut. Ab nächstem Jahr der hohen Preise aber sei das Schiff auf Öl umge-
100 % nachhaltig investieren: umweltspektrum.de aber wird er wohl auf der Ostsee bleiben – als Ka-
pitän des ersten Methanol-Schiffs.
stiegen. Der günstigste Treibstoff gewinnt.
Zwei Stunden dauert die Fahrt in den größten
#GreenOhneWashing Von den neuen Schiffen erfuhr er aus dem­
Flotten-Newsletter, der ihn alle zwei Monate er-
Hafen Europas, der wie eine Weltraumstadt in der
Dunkelheit liegt. Vorbei an rot blinkenden Wind-
reicht. »Da dachte ich: Ich will eines von denen«, rädern, hell erleuchteten Öltanks und Raffinerien.
sagt er lachend und lässt seine Finger nach­ein­an­der Um kurz nach 23 Uhr sind alle Leinen fest, kurz
Der Kurs von Wertpapieren unterliegt Schwankungen und kann – auf die Tischplatte klopfen. Er bewarb sich und
hatte zwei Gespräche, zur Schiffsführung und zur
darauf geht das Bunkerschiff längsseits. 1000 Ton-
nen Biobrennstoff wird die Vistula Maersk in dieser
vor allem bei einer negativen Wirtschafts- oder Börsenentwicklung – Sicherheit. Schon länger sieht er anhand der Wetter-
daten, wie die Temperatur der Meere ansteigt, er
Nacht tanken, genug für Kanada und zurück.
Verschiedene Rohre gehen von Deck in den
auch dauerhaft und sehr deutlich unter dem Kaufkurs liegen. merkt, dass die Stürme, die er durchquert, stärker
werden. Angst vor der Zukunft? Nein, die habe er
Bauch des Schiffes. An dem schwarzen Deckel mit
der Abkürzung HFO für »Heavy Fuel Oil«, also
nicht. Der Kapitän glaubt an Lösungen. klimaschädliches Schweröl, hängt ein laminiertes
Maersk gefällt sich in der Rolle des Musterschü- Blatt Papier. Übersetzt ist darauf zu lesen:
lers. Die Mitarbeiter sind stolz auf ihren Arbeit- »Nicht benutzen. Geschlossen zu halten.«
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 GREEN. 31

WARUM JETZT, HERR MEADOWS?

Illustration: Alina Günter für DIE ZEIT; Foto: Bernd Schwabe (u.)
»Jeder
Mensch hat
die Wahl«

50 Jahre lang hat der Autor von »Die Grenzen des Wachstums« versucht, den Planeten zu retten. Jetzt redet er zum letzten Mal darüber. Ein Interview
DIE ZEIT: Am Anfang und am Ende von Die man einen Zusammenbruch erleidet, dann rea- wann wollen Sie, dass das Wachstum aufhört und Wahrheit muss man taktieren. Muss die Ziele und tig, welche grundlegenden Ziele wir haben und
Grenzen des Wachstums schrieben Sie nicht über giert man – und das manchmal sogar konstruktiv. die Kinder an ihrer Entwicklung arbeiten. Dann Wünsche der entscheidenden Leute kennen und wie wir sie unter Schockeinwirkung einhalten.
Umwelt, sondern über menschliches Verhalten. ZEIT: Manchmal? sollen sie sich nicht Pfunde zulegen, sondern eine Schnittmenge finden mit den richtigen Lö- ZEIT: Gerade reden schon alle über Resilienz.
Stehen unsere Verhaltensmuster uns im Weg? Meadows: Es gibt Beispiele im alten Byzanz oder Sprachkenntnisse. Und genau diesen Übergang sungen. Die schlägt man dann vor und schafft es, Meadows: Ja. Psychologen. Ökonomen. Epide-
Dennis Meadows: Ja. Der Homo sapiens ist seit im Römischen Reich, wo die Menschen auf ein haben wir als Gesellschaft nicht geschafft. Wir dass die Politiker glauben, sie hätten diese Lösun- miologen. Doch jede Gruppe hat eine eigene Spra-
mindestens 300.000 Jahren auf der Erde unter- Problem mit klugen Veränderungen reagierten, sind immer noch besessen von physischer Expan­ gen selbst erfunden. che, eigene Konzepte und I­deen dafür. Und ich
wegs. Während der Zeit haben die Leute, die zu die dann lange funktionierten. Viel öfter aber gibt sion. Wenn wir damit aufhören und uns auf Zu- ZEIT: Klingt machbar. interessiere mich dafür, welche Grundlagen sie ge-
überleben wussten, ihre Gene weitergegeben – es allzu späte, chaotische Krisenreaktionen, die das friedenheit und Wohlstand, Gesundheit und Meadows: Vorsicht. Zur Lösung der Probleme meinsam haben. Wie schafft man eine Art Check-
und die anderen eben nicht. Nur leider hing das Problem nicht lösen. Schauen Sie sich nur um. Die Freundschaft konzentrieren könnten, wäre eine braucht man einen langen Horizont. Diesen Hori- liste dafür, was zu tun ist?
Überleben damals davon ab, auf die momentane, Nato reagiert jetzt auf eine Krise, die lange vor- attraktive Gesellschaft innerhalb der planetaren zont gibt es bei den einzelnen Menschen, die an ZEIT: Und – schon irgendwelche ­Ideen?
lokale Situation zu achten. Nehmen Sie zwei Höh- hergesagt war. Wir wissen, dass Bürger und Politi- Grenzen im Prinzip vorstellbar. Allerdings schrei- ihre Kinder und Enkel denken, nicht aber bei der Meadows: Ein Weg ist es, die Puffer zu vergrößern.
lenmenschen, auf die ein Löwe zukam. Wer sofort ker oder auch soziale Systeme nicht auf negative tet der Klimawandel jetzt schon außerhalb unserer US-Regierung oder internationalen Organisatio- Also vor allem die Vorräte. Wie bei den riesigen
loslief, war besser dran als jemand, der erst mal das Szenarios eingehen. Es braucht schon eine Hoff- Kontrolle voran und wird das wahrscheinlich noch nen. Nur sind sie es leider, die Macht und Ressour- Gastanks, die gerade in Deutschland eine große
Gesellschaftssystem analysierte. Heute ist es aber nung auf Besserung. Da liegt auch mein Bedenken das Jahrtausend über weiter tun. Es ist nämlich so: cen haben. Um etwas zu verändern, würde ich also Rolle spielen. Oder bei Lebensmitteln zu Hause.
eine Tragödie, dass Menschen programmiert sind bei der »Degrowth«-Bewegung gegen Wachstum. Wenn das Klima sich erst mal wandelt, dann ­dauert nicht mit Washington und auch nicht mit den ZEIT: Wäre ein wichtiger Puffer gegen soziale Un-
auf das Hier und Jetzt. Schließlich haben wir es Diese legt ihren Finger in die Wunde, hat aber das – mit der Ausnahme der kleinen Eiszeit – tat- Vereinten Nationen und ihren Klimakonferenzen ruhen und wirtschaftlichen Niedergang nicht
mit Problemen zu tun, deren Folgen die Welt über keine konstruktive Alternative zu bieten. sächlich Jahrtausende. arbeiten, sondern mit einer Vereinigung von Städ- auch, weniger abhängig von Wachstum zu sein?
Jahrhunderte betreffen. ZEIT: Haben Sie ein Beispiel, wie es besser geht? ZEIT: Das Wirtschaftswachstum nimmt im Wes- ten, die etwas unternehmen wollen. Meadows: Absolut.
ZEIT: Vor 50 Jahren erschien Ihr Report Die Gren- Meadows: Eine Freundin in Tokio schrieb mir, sie ten schon länger ab. Die Schulden sind so hoch ZEIT: Ist vielleicht die Demokratie die falsche ZEIT: Und wie kommt man dahin?
zen des Wachstums. Die dunklen Vorhersagen von wolle in Japan eine Degrowth-Gesellschaft auf- wie nie, und die Umweltkosten steigen. Stoßen Struktur, um solche Veränderungen hinzukriegen? Meadows: Geben Sie mir ein konkretes System.
damals scheinen sich vor allem beim Klima zu er- bauen. Ich antwortete, sie solle sie anders nennen. wir jetzt an die Grenzen des Wachstums? Meadows: Das Thema ist nicht die Regierungs- ZEIT: Deutschland.
füllen. Andere Bedrohungen wurden eingehegt, Also schuf sie das Institut zur Erforschung des form, sondern der Zeithorizont. Und Sie brauchen Meadows: Fragen Sie die Menschen in einer Um-
das Bevölkerungswachstum nimmt rapide ab ... menschlichen Glücks. Es hat die gleiche politische in der Gesellschaft möglichst einheitliche Werte – frage, was ihnen am wichtigsten ist. Sechs Wörter,
Meadows: Vorsicht! In Wahrheit sieht man überall Agenda. Aber jetzt empfängt der Premier sie. Also nicht wie die Bundesebene der USA, die durch mehr nicht. Was werden sie sagen? Gesundheit.
Zeichen, dass das Wachstum zu weit gegangen ist. ja, wir brauchen die positiven Alternativen. Bloß Als junger Volks- zwei ganz unterschiedliche Weltsichten fast kom- Liebe. Religion und so weiter. Dann kriegen Sie
Bei der Bodenerosion oder der Ozeanverschmut- gibt es da ein Dilemma. wirt entwarf plett gelähmt ist. Ein Kollege brachte es mal auf eine Liste. Und Sie entwickeln die Strukturen, um
zung und allemal bei der Bevölkerung. Noch im- ZEIT: Welches? Dennis Meadows, den Punkt: Für die Rechte bedeutet der Waffen- zu messen, wie es den Leuten in diesen Kategorien
mer kommen jährlich 50 bis 100 Millionen Men- Meadows: Mit acht Milliarden Menschen auf dem heute 80, mit besitz Freiheit und die Abtreibung Tod, für die wirklich geht. So erhalten Sie ein Gegengewicht
schen hinzu. Da zu sagen, wir sollten glücklich Planeten in seinem heruntergekommenen Zu- Kollegen ein Linke ist es genau umgekehrt. zum täglichen Aktienreport oder zum Drang,
sein, dass die Rate sinkt, ist etwas verzweifelt. stand, dazu mit unseren Zielen von Gleichheit Weltmodell für die ZEIT: Trotzdem hat man manchmal den Ein- mehr und mehr zu konsumieren. Wichtig wäre es
ZEIT: Viele Menschen streben heute nach immer und Wohlstand, gibt es keine realistischen und at- Zukunft der Erde druck, man könne den chinesischen Klima­ auch, sich Ihr Land mit Nullwachstum vorzustel-
mehr Wohlstand. Da liegt der Schluss nahe: Wir traktiven Szenarios. Darin liegt ja meine Frustra­ versprechen eher vertrauen als den europäischen. len, aber ohne hohe Arbeitslosigkeit oder Sozial-
brauchen weiter Wachstum, damit die Gesell- tion. Und deshalb ist dies auch mein letztes Inter- Meadows: Es ging ja vielen so, dass sie von China streiks. Es ist absolut möglich, sich Deutschland
schaften nicht in Verteilungskämpfen untergehen. view über die Grenzen des Wachstums. und seinen Plänen fasziniert waren. Aber unter auch dann als attraktiven Ort zu denken. Man
Andererseits hat die Menschheit bis vor 200 Jah- ZEIT: Könnte nicht Hoffnung entstehen durch Meadows: Sie und ich hatten das Glück, in einer Präsident Xi schottet China sich teilweise von der muss das nur wollen und Zeit dafür investieren.
ren praktisch ohne Wachstum gelebt. Wie also eine andere Idee von Wohlstand, die uns wegholt Zeit zu leben, die für die weißen, reichen Länder Welt ab und riskiert seinen Wohlstand. Die Kom- ZEIT: Ihre konstruktive Antwort zeigt doch, dass
hängen unsere Verhaltensmuster und die Wachs- vom Immer-Mehr an Ressourcen und Materia- phänomenal war. Diese Zeit geht vorbei. Das heißt munistische Partei stellt ihr eigenes kurzfristiges Sie immer noch diese langfristige Perspektive ver-
tumsdebatte wirklich zusammen? lien? Die nichtmaterielle Dinge wertschätzt wie nicht, dass wir jetzt gegen eine Wand prallen. Wir Überleben über das Wohl des Ganzen. folgen – und Hoffnung haben, dass die Menschen
Meadows: Ja, erst in den vergangenen Jahrhunder- die Nähe zur Natur oder die gesundheitsfördernde sagten schon in dem Buch, dass Bevölkerungs- ZEIT: Wenn sich politische Systeme verändern – sie irgendwann teilen.
ten haben wir uns an Raten von zwei, drei oder Kraft einer nachhaltigen Gesellschaft? wachstum und materieller Konsum die endlichen verändert das dann auch die Menschen? Meadows: Ich bin Wissenschaftler und schaue mir
auch fünf, sechs Prozent gewöhnt. Jetzt definieren Meadows: Sie fragen nach Hoffnung. Worauf? Ressourcen des Planeten erschöpfen und man Meadows: Ich glaube, es ist andersherum: Die die Beweislage an. Die meisten Menschen gehen
viele Menschen ihr Glück als Wachstum statt ein- ZEIT: Darauf, dass eine solche Idee positive Ver- mehr und mehr Kapital brauchen wird, um das Menschen bekommen die Systeme, die sie ver­ aber anders vor. Sie wissen, was sie glauben wollen,
fach als das, was sie haben. Das Motto: Mein Haus änderungen hervorbringt. auszugleichen. Irgendwann fehlt Kapital, um das dienen. Wenn Leute sagen, der Kapitalismus ver- und suchen dann nach Beweisen dafür. Ich sehe
ist besser, das Vermögen größer, das Auto schnel- Meadows: Zwei Dinge dazu. Erstens glaube ich Wachstum aufrechtzuerhalten, und ab einem ge- ursacht das Problem, dann antworte ich, nein, wir daher nicht, wie die Gesellschaften langfristig den-
ler. Doch jedes System, das auf immer höheres eben nicht, dass man sich eine glückliche globale wissen Punkt hört das Wachstum dann auf. Wir verursachen es, und der Kapitalismus ist eines der ken und konstruktiv handeln sollen.
Wachstum zielt, explodiert irgendwann – egal ob Zukunft mit dieser Anzahl Menschen vorstellen sind jetzt in dieser Phase, auch wenn das noch zu- Instrumente, mit denen wir das machen. ZEIT: So können Sie nach 50 Jahren nicht auf­
es sich um einen Automotor oder eine Volkswirt- kann. Die würde zu viele physikalische Gesetze gedeckt wird von aktuellen Fragen. ZEIT: Da Sie nicht mehr über die Grenzen des hören. Wir brauchen ein hoffnungsvolleres Ende.
schaft handelt. Eine Voraussetzung für eine nach- verletzen. Und wie es bei uns heißt: »Die Natur ist ZEIT: Und danach kommt was? Wachstums reden wollen, Ihre Neugier aber un- Meadows: Ich verstehe Sie. Es hilft wirklich nichts,
haltige Gesellschaft ist, dass die Menschen nach als Letzte am Zug.« Zweitens könnte es aber auf Meadows: Ich weiß nicht, welche Veränderungen gebrochen scheint – womit beschäftigen Sie sich? nur von Untergang zu schreiben. Wenn ich etwas
einem »Genug« streben statt nach einem »Mehr«. der lokalen oder regionalen Ebene schon zu einem das alles auslösen wird. An der Stelle endet auch Meadows: Mich interessiert die Frage der Resilienz. Hoffnungsvolles zu sagen habe, dann dieses: An
ZEIT: Statt mit Weltuntergang zu drohen, wäre es solchen Wandel kommen, wenn etwa eine Stadt unsere Arbeit von damals. Wie verändert man ein System, egal ob Ihre Fami- jedem Punkt hat jeder Mensch die Wahl zwischen
vielleicht besser, zu beschreiben, wie eine lebens- oder auch ein Land die richtigen Werte hat. Eine ZEIT: Brauchen wir also eine neue Studie? lie oder eine Region, damit es mit unerwarteten verschiedenen Aktionen, einige machen die Situa-
werte, nachhaltige Zukunft aussehen könnte. Frage: Haben Sie Kinder? Meadows: Heute würde ich es ganz anders anstel- Schocks fertigwird? Die vergangenen 20 Jahre ha- tion besser, andere schlechter. Also sollte man im-
Meadows: Das stimmt. Die Menschen setzen sich ZEIT: Zwei. len als damals. Ich war 29 Jahre alt, Professor am ben da schon viele Veränderungen gebracht – mer versuchen, sie besser zu machen, auch wenn
nicht zusammen, schauen auf die dunkle Zukunft Meadows: Okay. Bei der Geburt waren Sie stolz, MIT und reichlich naiv. Ich dachte, man identifi- mehr als das ganze Jahrhundert zuvor. Aber die das noch kein Utopia erzeugt. Das heißt es doch,
und nehmen dann Reformen vor. Große Verände- wenn die Kinder stark und schwer waren. Auch als ziert ein wichtiges Problem, erforscht die Lösun- nächsten 20 Jahren werden von noch mehr öko- ein menschliches Wesen zu sein.
rungen kamen bisher fast immer reaktiv: Wenn die sie etwas älter wurden, waren Sie froh zu sehen, gen und zeigt sie allen, und dann setzen die maß- logischem, sozialem, politischem und wirtschaftli-
alten Maßnahmen nicht mehr funktionieren und dass sie wuchsen und zunahmen. Aber irgend- geblichen Leute das um. Tun sie aber nicht. In chem Wandel geprägt sein. Da ist die Frage wich- Das Gespräch führte Uwe Jean Heuser
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GENAU GENOMMEN

MEIN KLIMAWANDEL
Foto: Verena Müller/laif

»Es wird schwer für die Schafe«


Für den Wanderschäfer Sven de Vries sind seine Tiere
Artenschützer – doch er fürchtet um die Zukunft seines Berufs

Ich wohne in einem Bauwagen, bin 365 Tage Fight. Inzwischen weiß ich nicht, ob ich den
unterwegs, immer draußen bei den Schafen. Job in ein paar Jahren noch machen möchte.
Natürlich könnte ich ein Haus mieten und Der Personalmangel ist hoch, gerade einmal
der Herde hinterherfahren, aber ich mag die- 20 Nachwuchsschäferinnen und -schäfer
ses Leben als Wanderschäfer auf der Schwäbi- schließen jedes Jahr die Ausbildung ab. Hinzu
schen Alb. kommt, dass der Klimawandel die Arbeit un-
Unsere 600 Schafe und Ziegen grasen in vorhersehbarer macht. Es regnet länger am
einem der artenreichsten Biotope: der Wa- Stück und bleibt dann länger trocken. So wird
cholderheide. Das Besondere an diesen Flä- es schwer für die Schafe, genug zu fressen zu
chen ist, dass es so gut wie keine Nährstoffe, finden, vor allem für unsere tragenden Muttis.
also auch keinen Dünger, gibt. Dadurch ha- Sie geben nicht mehr genug Milch für alle
ben Pflanzen eine Chance, die mit wenig Lämmer, und ich muss sie mit der Flasche
Nährstoffen auskommen und nicht so kon- füttern. Aber ich kann ja nicht 100 Lämmern
kurrenzstark sind. Es wachsen Enziane und die Flasche geben. Schaffe ich es nicht, alle zu
Orchideen. versorgen, muss ich mich am Ende vielleicht
Ohne die Schafe könnten die Wacholder- sogar entscheiden, welche ich abgebe oder
heiden gar nicht erhalten werden. Maschinell töte, bevor sie verhungern. Das sind Entschei-
lassen sich die Flächen nicht mähen, und hier dungen, vor denen ich unfassbare Angst habe.
bei uns sind die Hänge für Rinder und Pferde Trotzdem sind die Schafe meine Leiden-
zu steil. Außerdem hat die Schafswolle eine be- schaft, und ich versuche meine Arbeit breiter
sondere Funktion, als Samen- und Insekten- aufzustellen. Während der Pandemie haben
transport. Jedes Biotop hat einen genetischen ein Kollege und ich ein Start-up gegründet,
Pool. Durch den Wind allein findet kein Aus- um die Wolle unserer Schafe als Strickwolle
tausch statt. Die Schafe sammeln mit ihrer zu verkaufen. Innerhalb von sieben Tagen
Wolle Insekten und zigtausend Samen ein und haben wir mehr als 100.000 Euro durch
tragen sie ins nächste Biotop. So verhindern Crowdfunding eingesammelt. Im November
wir, dass Arten aussterben. Das macht den soll unser erster Wolljahrgang in den freien
Beruf des Wanderschäfers so wichtig. Verkauf gehen.
Ich bin mir aber fast sicher, dass es den Be-
ruf bald nicht mehr gibt. Früher dachte ich: Aufgezeichnet von Sophie Neukam
Sven de Vries, 41, mit seinen Schafen auf der Schwäbischen Alb

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ÖKOTESTER

Mit Kubicki in der Dusche


Unser Kolumnist HENNING SUSSEBACH duscht mit Disziplin. Nur
ist er in diesem intimen Moment neuerdings nicht mehr allein

Herbst. Bis jetzt war das für die allermeisten von ist ausgiebigeres Duschen natürlich Kubickis
uns die Jahreszeit, in der wir Kastanienmännchen gutes Recht. Nur habe ich seit seinem Interview
bastelten, anlässlich der tiefer stehenden Sonne gewisse Bilder im Kopf.
doch mal wieder die Fenster putzten und uns in Bislang dachte ich, der Mensch sei so mit 15,
recht wohliger, rainermariarilkiger Melancholie 16 Jahren im Dauerduschalter – eventuell weil
auf kürzere und kühlere Tage einstimmten. ihm der eigene Körper auf interessante Weise neu
Passé! erscheint oder weil er mit 13, 14 zu selten unter
In diesem Jahr hat insbesondere das »kühler« der Dusche stand. Nach meiner Erfahrung legt
einen kälteren Klang als seit Dekaden gewohnt, sich das in den mittleren Jahren. So mancher
es geht um Sparen, Heizen, Frieren – und Du- Mann hat da auch weniger Haare zu waschen,
schen. Bei Letzterem neige ich als Ökotester wenig auf dem Kopf zumindest, und ein Dusch-­
überraschend zu einer gewissen Disziplin, zu täg- Pragmatismus setzt sich durch. Deshalb hätte ich
licher, aber nicht tagfüllender Tat, eigentlich nicht nicht gedacht, dass auf das jugendliche Lang-
weiter berichtenswert. Allerdings hat sich diese duschen eine ähnlich ausgiebige Spätphase folgt,
Dusch-Disziplin in den vergangenen Wochen wie das bei Kubicki der Fall zu sein scheint.
noch einmal verstärkt, was nicht an guten oder Womöglich ist die Reinigung zwischen den
gut gemeinten Ratschlägen grüner Spitzenpoliti- Röllchen und in den Ritzen kompliziert. Oder
ker liegt. Sondern an Wolfgang Kubicki. man verwechselt ohne Lesebrille Duschgel und
Kubicki, Mitglied der Frenetischen Duscher Bodylotion. Jedenfalls muss ich beim Duschen
Partei (FDP), hat die Bürgerinnen und Bürger ja – in diesem recht intimen Moment, in dem man
mithilfe der Medien über seine persönlichen lieber allein wäre – jetzt immer an Wolfgang

Wie werden wir erfolgreich


Sauberkeitsrituale informiert. Anders als Robert Kubicki beim Duschen denken. Das ist keine
Habeck, teilte er mit, schaue er »nicht auf die Freude. Eher ist es ein bisschen wie im Horror-
Uhr, wenn ich in der Dusche stehe. Ich dusche film Psycho, nur dass der Fremde sogar auf meiner
so lange, bis ich fertig bin.« Seite des Duschvorhangs steht, wenn auch ima-

nachhaltig und nachhaltig


Davon ist auszugehen, denn Kubicki ist giniert. In diesem Unwohlsein tue ich natürlich
noch nie mit Schaummütze im Bundestag er- alles, um noch etwas schneller fertig zu werden
schienen. Man sieht das ohnehin selten. Abge- als ohnehin. Und vielleicht geht es nicht nur mir
sehen davon, dass wohl jeder so lange duscht, so. Gut möglich, dass wir Wladimir Putin genau

erfolgreich?
bis er fertig ist, der eine früher, der andere später, deshalb bezwingen.

WARUM HABEN WIR DAS NICHT?


Gemeinsam finden wir
die Antworten für morgen.
Als größter Mittelstandsfinanzierer Deutschlands* helfen wir Ihnen, Schadensersatz wie Dänemark
aus den großen Herausforderungen der Zukunft noch größere
Chancen für Ihr Unternehmen zu machen. Lassen Sie sich beraten. Was keine Neuigkeit ist: dass die reichen Län- Schäden« in armen Ländern, die stark unter
sparkasse.de/unternehmen der im Norden der Welt dem Klima besonders den Auswirkungen wie etwa Dürre leiden.
* Bezogen auf die Sparkassen-Finanzgruppe. schaden, während die kleinen Entwicklungs- Laut Entwicklungshilfeminister Flemming
oder Schwellenländer im Süden am stärksten Møller Mortensen gehen 100 Millionen Kro-
unter den Folgen leiden. Dass all das, was wir nen, umgerechnet 13,4 Millionen Euro, unter
hier noch »Klimawandel« nennen, für Men- anderem in die Sahelzone.
schen anderswo schon zur Klimakatastrophe Natürlich ist diese Summe nicht ausrei-
geworden ist. chend angesichts der immensen Schäden, die
Was durchaus eine Neuigkeit ist: dass ein die Erderhitzung anrichtet. Aber ein gutes Bei-
reiches Land für seine Emissionen Verantwor- spiel für andere Länder ist sie allemal. Ob diese
Weil’s um mehr als Geld geht. tung übernimmt. Genau das macht Dänemark schon bald nachziehen werden, entscheidet
nämlich jetzt. Als weltweit erster Industriestaat sich im November auf der Weltklimakonfe-
zahlt das Land Schadensersatz für »Verlust und renz in Ägypten. LCW
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 GREEN. 33

Grenzen

des Journalismus
Die Medien-Firma Flip hat falsche Recycling-Versprechen bei Turnschuhen aufgedeckt. Jetzt will sie selbst
nachhaltigere Sneaker produzieren. Gibt es dabei einen Interessenkonflikt?  VON ANNE KUNZE

J
e nachdem, welchem Beruf sie nach- immer an die Marabus denken, riesige Vögel, die nung, die auf den gigantischen afrikanischen Müll- Africa Collect Tex­tiles, ein Sozialunternehmen, das und die Polsterung wurden für den Sneaker sogar neu
gehen, reagieren Menschen unter- da im Müll herumstochern«, sagt Salewski. »Und bergen herumstaksen. eine Altkleidersammlung in Afrika aufbauen möchte. hergestellt. Ist es wirklich nachhaltig, einen Schuh zu
schiedlich auf Probleme. Da gibt es dann wollten wir eine Lösung entwickeln, um­ Der neue Schuh soll Sneakermüll wegschaffen – Danach müssen die Sohlen geschreddert werden. entwickeln, bei dem nur ein Viertel der Sohle aus Müll
diejenigen, die Probleme beschreiben. darüber zu berichten. Weil man am meisten lernt, aber woher sollen die alten Schuhe kommen, wenn In Nairobi haben Salewski und Sothmann die 30-jäh- besteht? Diese Frage würden die investigativen Jour-
Wissenschaftlerinnen zum Beispiel wenn man etwas selbst ausprobiert.« nicht von der Müllhalde? Um diese Frage zu beant- rige Unternehmerin Nzambi Matee kennengelernt. nalisten Salewski und Rohrbeck sicher an ein Produkt
oder Journalisten. Dann gibt es die, Das ist das Gegenteil dessen, was investigative worten, fuhren Salewski und Sothmann auf den­ Sie macht aus Plastikmüll unter anderem Ziegelsteine stellen. Sie haben es auch als Schuhentwickler getan
die Probleme lösen. Politikerinnen Journalisten sonst tun. Wir suchen nicht nach Gikomba Market in Nairobi. Salews­ki sagt: »Die für die Bauwirtschaft. »Sie ist zuversichtlich und sagt: und das Heidelberger Institut für Energie- und Um-
zum Beispiel oder Unternehmer. Selten kommt Lösungen. Wir sehen nur Probleme. Schuhe werden dort immer billiger weiterverkauft. Wir kriegen eure Sohlen schon geschreddert«, be- weltforschung gebeten, den CO₂-Fußabdruck ihres
es vor, dass einer die Seiten wechselt und vom Aber Salewski und Rohrbeck haben sich ent- Aber einige können nicht mal mehr verramscht wer- richtet Salewski. Erste Testläufe werden im Moment Schuhs zu analysieren. Ich bin dabei, als sich der Ana-
Problembeschreiber zum Problemlöser wird. Bei schlossen, gemeinsam mit den Mitgründern ihres den. Die gehen an Müllsammler, die den oberen Teil gefahren. Die Sohlen für den Prototyp hat ein portu- lyst per Videoanruf meldet und verkündet: »Wir
Christian Salewski und Felix Rohrbeck aber ist Unternehmens, den Brüdern Christian und­ abtrennen und verbrennen. Aus den Metallresten in giesischer Schuhhersteller angefertigt. können schon jetzt sagen, dass der Marabu gegenüber
genau das geschehen: Sie sind jetzt nicht nur Dominik Sothmann, einen Turnschuh herzustellen. den Schuhen machen sie noch etwas Geld.« Und was Der Anteil des geschredderten Mülls in der Sohle einem herkömmlichen Sneaker vorteilhaft ist. Wie
Journalisten, sondern auch Unternehmer – we- In der Sprache der Start-up-Welt, die meine Kolle- passiert mit den Sohlen? »Die Sohlen werden noch für beträgt aber nur 25 Prozent – das sei das absolute vorteilhaft er ist, müssen wir im nächsten Schritt he-
gen Turnschuhen. gen jetzt sprechen, heißt dieses Unterfangen chal- einen Minibetrag verkauft, die Leute kochen damit, Maximum, sagt die Nachhaltigkeitsmanagerin von rausfinden.« Salewski ist erleichtert, er sagt: »Jetzt ist
Rohrbeck hat im Jahr 2019 bei der ZEIT gekün- lenge. Die Herausforderung, der sie sich gestellt wurde uns berichtet. Sohlen seien billiger als Feuer- Monaco Ducks, Vanessa Zillich. Andere Recycling- klar: Der Marabu kann tatsächlich produziert werden.«
digt, Salewski ist als freier Journalist beim NDR haben, lautet: Kann man einen Schuh entwickeln, holz«, erzählt Salewski. schuhe enthalten gerade mal halb so viel geschredder- Die Entwicklung des Marabus zeigt, dass das mit
kürzergetreten, um ein eigenes Unternehmen zu der hilft, Sneakermüll in Afrika wiederzuverwerten? In einem Slum am Nairobi River haben Sothmann tes Material. Der Rest der Sohle besteht zu 90 Prozent dem Problemlösen nicht so einfach ist. Auch der um-
gründen: Flip. Ich muss gestehen, dass ich das da- Die Produktion dieses Schuhs wollen sie über und Salewski ein Projekt entdeckt, in dem ehemalige aus nachwachsenden Rohstoffen, der Oberschuh weltfreundlichste Schuh muss hergestellt werden.
mals nicht nachvollziehen konnte. Beide Kollegen ein Crowdfunding finanzieren. Danach soll der Kriminelle den Fluss säubern, der vor lauter Textilmüll hauptsächlich aus recyceltem Polyester. Führt der Versuch, ein Problem zu lösen, nur zu ­neuen
kenne ich seit Langem. Alle drei sind wir investiga- Schuh serienmäßig produziert und verkauft werden. zu einer schwarzen, stinkenden Masse geronnen ist. Aus umweltfeindlichem Polyester, wirklich? »Poly- Problemen? Wäre nicht die nachhaltigste Lösung, gar
tive Journalisten, das heißt, dass wir gegen Wider- Als ich davon erfuhr, beschlich mich ein un- Die Ex-Kriminellen haben am Ufer Bäume gepflanzt, ester ist zwar nicht biologisch abbaubar, aber das keinen neuen Schuh zu kaufen? »Natürlich«, sagt
stände recherchieren, versuchen, Skandale zu ent- gutes Gefühl: Hat der Gedanke, einen Schuh Rasen gesät, einen kleinen Park angelegt. Als Soth- Material kann wieder aufbereitet werden. Einen bio- Salewski. »Aber wenn man einen Schuh kauft, dann
hüllen, Bruchstücke der Wirklichkeit freizulegen, zu entwickeln und dann zu verkaufen, unsere mann und Salewski ihnen von ihrer Idee erzählten, logischen Kreislauf bekommen wir mit dem Sneaker- besser einen nachhaltigen.« Der Marabu soll auch zur
manchmal gemeinsam. Warum hat Rohrbeck die Recherche schon begleitet wie ein Schatten – wollten sie sofort mitmachen. »Eine funktionierende müll in der Sohle nicht hin«, sagt Sothmann. Und Aufklärung beitragen. Auf die Lasche ist ein QR-­Code
ZEIT verlassen, wo man gute Bedingungen zur ohne dass ich als Co-Autorin davon wusste? Darf Sneakermüll-Sammelorganisation im härtesten Slum Vanessa Zillich sagt: »Zur Wahrheit gehört: Das Non- gedruckt. Wer ihn scannt, gelangt auf eine Web­site,
Recherche bekommt, genug Zeit, auch Freiheit? man als Journalist aus einer Recherche ein Pro- von Nairobi aufzubauen wäre aber sportlich«, sagt plusultra, eine Lösung, die die Welt retten wird, gibt auf der das Projekt erklärt wird – samt Videos von
Heute, drei Jahre später, gibt er auf diese Frage eine dukt entwickeln und verkaufen – und so davon Salewski. Bis es so weit ist, liefert das Recyclingmaterial es bei den Materialien einfach nicht.« Das Nähgarn afrikanischen Müllkippen.
scherzhafte Antwort. Er grinst und sagt: »Tja, viel- profitieren?
leicht mache ich jetzt einfach Schuhe.« Salewski und Rohrbeck sagen, die Entschei-
Neben ihm steht sein Co-Gründer Christian dung sei erst gefallen, nachdem die Sneakerjagd
Salewski in einem mit Bildschirmen, Klebezetteln beendet war. Grundsätzlich ist der Gedanke ans
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und arbeitenden Menschen vollgestopften Raum Produzieren bei Flip angelegt. Allerdings wird
im Hamburger Stadtteil St. Pauli: dem Flip-Büro. laut den Flip-Machern nur dann über die Ent-
Salewski behauptet, hier werde »Verbraucherjour- wicklung eines Produkts nachgedacht, wenn die
nalismus radikal neu gedacht«. Das Wort Verbrau- Recherche über ein Problem aufgeklärt hat, für
cherjournalismus verströmt etwas von der biederen das der Markt keine Lösungen anbietet.
Seriosität der Stiftung Waren- Für die Entwicklung des
test, aber davon ist man hier neuen Turnschuhs hat sich Multi-Asset mit nachhaltig
doch recht weit entfernt.
Verbraucherjournalismus
Flip mit dem Unternehmen
Monaco Ducks zusammen- ausgerichteten Indexfonds.
bedeutet, über Produkte auf- getan, das Sneaker aus deut- THINK ESG. THINK X.
zuklären, damit Menschen schem Loden herstellt. Pro-
beim Einkaufen informierte duktion und Verkauf des
Entscheidungen treffen kön- Schuhs sollen über eine Firma
nen. Salewski und Rohrbeck geschehen, die Flip und Mo-
recherchieren Themen aus naco Ducks gemeinsam ge- Die Wissenschaft ist eindeutig: Menschliches Handeln erwärmt unseren Planeten die MSCI Low Carbon SRI Leaders Indizes nur noch rund halb so viele Index-
dem Bereich der Nachhaltig- gründet haben. Flip ist zu 50
Sneaker
und wird dies vermutlich auch weiterhin tun. Die Bekämpfung des Klimawandels mitglieder wie breite Aktien-Indizes, die anstreben, den gesamten Aktienmarkt
keit. Im vergangenen Jahr Prozent an der Firma betei- durch das Erreichen von „Netto-Null“ beim Ausstoß von CO2 ist daher eine der einer Region abzubilden, wie zum Beispiel den MSCI World oder den MSCI
wollten sie wissen, ob die ligt. Das Geld, das die Firma dringendsten Aufgaben unserer Zeit. Hier können Vermögensverwalter eine USA Index2.
Recyc­ling­ver­spre­chen der vielleicht einmal mit Turn- Rolle spielen, indem sie börsengehandelte Indexfonds (Exchange Traded Funds,
Modeindustrie halten, was sie Jedes Jahr werden welt- schuhen verdient, soll zum ETFs) anbieten, die verstärkt Unternehmen Kapital zur Verfügung stellen, die Auch über Anleihe-ETFs besteht für Anleger die Möglichkeit, in Unternehmen
versprechen. Dafür haben sie weit rund 1,4 Milliarden Beispiel dafür genutzt wer- Pionierarbeit dabei leisten, mit weniger Verbrauch von Ressourcen und zu investieren, die eine nachhaltige Wirtschaftsweise als Ziel haben. Der Xtrackers
sich eine besonders umsatz- Paar Sneaker verkauft. den, mehr Wertschöpfung weniger Ausstoß von Treibhausgasen zu wirtschaften. EUR Corporate Green Bond UCITS ETF zum Beispiel investiert in „grüne“ Unter-
starke Branche vorgenom- Rund 70 Milliarden nach Afrika zu verlegen. nehmensanleihen. Die Emittenten der Anleihen verpflichten sich dabei, das
men: Sneaker. Dollar Umsatz machen Rohrbeck und Salewski Das Angebot solcher ETFs, die Kriterien im Zusammenhang mit Umwelt, eingesammelte Kapital zur Finanzierung von nachhaltigen Projekten zu verwen-
Hießen sie früher schlicht die Konzerne damit glauben, mit der Entwicklung Sozialem und guter Unternehmensführung (Environment, Social, Governance, den, etwa um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Außerdem müssen die
Turnschuhe, sind Sneaker von Produkten auch ein Ge- ESG) anwenden, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Daher Emittenten bestimmte Vorgaben in Bezug auf ESG-Kriterien erfüllen.
heute zum millionenfach ver- schäftsmodell für modernen, lässt sich mittlerweile ein breit gestreutes ETF-Portfolio aus verschiedenen
ehrten Produkt geworden. digitalen Journalismus erfun- Anlageklassen wie Aktien und Anleihen zusammenstellen, mit dem nachhaltig Doch nicht nur auf Unternehmen, auch auf Staaten wächst der Druck der
Allein in Deutschland wur- den zu haben. Falls die neue ausgerichtete Indizes abgebildet werden. Anleger. Viele Investoren achten darauf, über Fonds und ETFs nur noch in
den im vergangenen Jahr 36,4 Millionen Paar Firma einmal Gewinne überweist, sollen davon Anleihen von Staaten zu investieren, die weitreichende, konkrete ESG-Kriterien
Sneaker verkauft. Jahr für Jahr werden mehr Turn- auch Recherchen finanziert werden. Aber können Konkret bilden Xtrackers ESG Aktien-ETFs bestimmte Indizes ab, die verschiedene einhalten. Die Entwicklung solcher Staatsanleihen bildet beispielsweise der
schuhe produziert – und irgendwann entsorgt. Das Rohrbeck und Salewski dann überhaupt noch un- Nachhaltigkeits-Kriterien umfassen. So schließen die MSCI Low Carbon SRI FTSE ESG Select World Government Bond Index3 ab. Dabei handelt es sich um
Leaders Indizes1 im ersten Schritt Unternehmen aus, deren Geschäftsmodell einen ESG-Index, der zusätzliche strengere Kriterien anwendet, um Länder mit
ist auch deswegen ein Problem, weil Sneaker aus abhängigen Journalismus machen – zum Beispiel
beispielsweise auf Kernenergie, umstrittenen Waffen oder der Tabakproduk- besseren ESG-Merkmalen höher zu gewichten und Länder mit schlechteren
über 40 Komponenten bestehen, die mit Klebstoff eine Recherche über einen Schuhhersteller? Rohr-
tion basiert. Außerdem müssen Unternehmen für eine Aufnahme in den Index ESG-Merkmalen niedriger zu gewichten. Bei Umwelt-Kriterien geht es zum
zusammengehalten werden und nach Ansicht von beck sagt: »An unserer Berichterstattung wird sich
ein ESG-Rating besitzen, wobei Mindestanforderungen zu erfüllen sind. Beispiel um Energie und Klimawandel, bei Regierungsführung um Korruption
Experten einem ökologischen Desaster gleichen. nichts ändern. Unsere Redaktion bleibt unabhän- Schließlich sieht der Index einen Filter für Kohlenstoffemissionen vor. Das führt und Rechtssicherheit. Der Index schließt außerdem Länder mit den schlech-
Um zu verstehen, wo die Sneaker landen, haben gig, genau wie es bei großen Medienhäusern der dazu, dass die Emissionen der Unternehmen in den MSCI Low Carbon SRI testen ESG-Merkmalen aus.
Rohrbeck und Salewski die getragenen Turnschuhe Fall ist. Die Realisierung des Sneakers wird ab jetzt Leaders Indizes 50 Prozent niedriger sind als in einem vergleichbaren Index
von elf Prominenten mit GPS-Trackern bestückt eine eigene, klar abgetrennte Firma übernehmen.« ohne diesen CO2-Filter. Nach Anwendung dieser verschiedenen Schritte haben Mehr erfahren: www.xtrackers.de
und sie um die halbe Welt verfolgt – gemeinsam Für die Produktentwicklung verantwortlich
mit dem NDR und der ZEIT, gemeinsam mit mir. war Flip-Mitgründer Dominik Sothmann, ein 1
Die Indizes zielen darauf ab, die Wertentwicklung des folgenden Markts abzubilden: Unternehmen mit hoher und mittlerer Kapitalisierung aus Industrie- und Schwellenländern weltweit, die im Vergleich zu ihren
Wir haben nicht nur gesehen, wie der Konzern N ­ ike Innovationsmanager. Salewski hat ihn dabei 2
Mitbewerbern bessere ESG-Eigenschaften und eine geringere Kohlenstoffemission aufweisen.
Indizes streben an, die Wertentwicklung von großen und mittelgroßen Unternehmen des US-amerikanischen Aktienmarktes bzw. von Aktienmärkten der Industrieländer weltweit abzubilden.
neue Schuhe schreddert und das als Recycling ver- journalistisch begleitet. Sie zeigen mir Unterla- 3
Der Index bildet den globalen Markt für Staatsanleihen ab, die bestimmte Kriterien erfüllen. Der Index schließt Anleihen von Emittenten mit niedrigen ESG-Bewertungen aus.
kauft (ZEIT Nr. 46/21), sondern auch, dass ein gen aus dem monatelangen Prozess, oft war auch
Großteil der alten Schuhe auf gigantischen Müll- eine Kamera dabei. »Wenn wir an irgendeiner Disclaimer
Bei diesem Dokument handelt es sich um eine Werbemitteilung. Bitte lesen Sie den Prospekt und das KIID, bevor Sie eine endgültige Anlageentscheidung treffen.
bergen in Afrika landet (ZEIT Nr. 49/21). Wir Stelle den Eindruck gewonnen hätten, dass der Wichtige Hinweise
haben darüber in Artikeln, Podcasts und Filmbei- Schuh mehr schadet als nutzt, hätten wir das DWS ist der Markenname unter dem die DWS Group GmbH & Co. KGaA und ihre Tochtergesellschaften ihre Geschäfte betreiben. Die jeweils verantwortlichen rechtlichen Einheiten, die Produkte oder Dienstleistungen
der DWS anbieten, werden in den einschlägigen Dokumenten ausgewiesen. Die in diesem Dokument enthaltenen Angaben stellen keine Anlageberatung dar. Die vollständigen Angaben zu den Fonds sind dem jewei-
trägen berichtet, in der ZEIT, im Flip-Newsletter Projekt beendet«, sagt Sothmann. ligen Verkaufsprospekt in der geltenden Fassung zu entnehmen. Diese sowie die jeweiligen „Wesentlichen Anlegerinformationen“ stellen die allein verbindlichen Verkaufsdokumente der Fonds dar. Anleger können diese
und im NDR. Insgesamt haben wir zehn Millionen Begonnen hat die Entwicklung mit einer­ Dokumente, einschließlich der regulatorischen Informationen und die aktuellen Gründungsunterlagen zu den Fonds/Teilfonds in deutscher Sprache bei der DWS Investment GmbH, Mainzer Landstraße 11-17, 60329
Frankfurt am Main und, sofern es sich um Luxemburgische Fonds handelt, bei der DWS Investment S.A., 2, Boulevard Konrad Adenauer, L-1115 Luxemburg, unentgeltlich in Schriftform erhalten oder elektronisch in ent-
Menschen erreicht. Genügt das nicht? ernüchternden Erkenntnis: Für das Recycling sprechenden Sprachen unter: www.etf.dws.com. Eine zusammenfassende Darstellung der Anlegerrechte für Anleger ist in deutscher Sprache unter https://www.dws.de/footer/rechtliche-hinweise/ verfügbar. Die
Verwaltungsgesellschaft kann beschließen, den Vertrieb jederzeit zu widerrufen. Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Prognosen basieren auf Annahmen, Schätzungen,
»Die Bilder aus Afrika, wo Menschen, auch vorgesehene Sneaker können nicht von afrikani- Ansichten und hypothetischen Modellen oder Analysen, die sich als nicht zutreffend oder nicht korrekt herausstellen können. Die in diesem Dokument genannten Fonds/Teilfonds bilden jeweils die Wertentwicklung des
Kinder, auf allen vieren durch den Müll kriechen, schen Müllkippen aufgeklaubt werden – was in ihrem Namen genannten Index ab. Xtrackers® ist eine eingetragene Marke der DWS Group. Der eingetragene Geschäftssitz von [Xtrackers (RCS-Nr.: B-119.899)] [Xtrackers II (RCS-Nr.: B-124-284)], einer in Luxemburg
Foto: flip

registrierten Gesellschaft, befindet sich in 49, Avenue J.F. Kennedy, L-1855 Luxemburg, Luxemburg. DWS International GmbH, 20.09.2022.
im Müll schlafen, beten und essen, haben uns nicht dort liegt, ist bereits verseucht. Trotzdem soll der
mehr losgelassen«, sagt Rohrbeck. »Wir mussten Schuh »Marabu« heißen, den Vögeln zur Mah-
Lasst uns gemeinsam für eine nachhaltigere
Geschäftswelt einstehen.

Der Klimawandel wird immer spürbarer. Das ist auch der


Grund, warum unsere Mitarbeiter:innen hier auf dem Tisch
stehen. Wir wollen mit Ihnen gemeinsam etwas dagegen
tun. Die Deutsche Bahn und viele weitere Unternehmen
investieren mehr denn je in Nachhaltigkeit. Aber wir können
noch mehr erreichen.

Stellen Sie sich vor, wir Unternehmen in Deutschland würden


es gemeinsam schaffen, alle 45 Millionen Erwerbstätigen
noch nachhaltiger zu machen. Das wäre ein großer Schritt.
Wenn es um die Mobilität Ihrer Mitarbeiter:innen geht,
wollen wir als Deutsche Bahn einen besonderen Beitrag
leisten: mit der Betriebs-KlimaBahnCard.*

Wenn auch Sie Ihr Klima-Engagement weiter fördern wollen,


schließen Sie sich der Challenge #StandUpForTheClimate an
und bekennen Sie sich damit, noch mehr für die nachhaltige
Zukunft Ihres Unternehmens zu tun. Nominieren Sie gerne
auch andere Unternehmen und Organisationen, mit auf
den Tisch zu steigen und ein Zeichen in der Businesswelt Klima
zu setzen.
BahnCard
Mehr Infos dazu bekommen Sie unter bahn.de/standup
Scannen und teilnehmen.
* Eine BahnCard Business 25 1. Klasse
für 49,90 Euro statt 134 Euro,
bis 10.12.2022.
6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

WISSEN
Schule ․ Nobelpreise ․ Ökologie ․ Informatik ․ Grafik: Regenbogenpresse
35

DIE LÜCKEN IM
LEH RERZIMMER
BEDROHEN DAS
GANZE LAND
Der Lehrermangel ist inzwischen so dramatisch, dass eine gesamte Generation von Kindern und Jugendlichen
darunter leiden wird. Bildungspolitiker dürfen das nicht länger ignorieren  VON JEANNETTE OTTO

D
as ging gar nicht gut los. Dieses hat sich der Deutsche Lehrerverband nach den Sommer- bliebenen Pädagogen die letzten Kräfte und lässt jeden Erstens: Der angekündigte Bildungsgipfel muss jetzt
Schuljahr 2022/23, in dem alles ferien in den Ländern umgehört und kommt auf rund Willigen, der wahnsinnig genug ist, ohne pädagogische stattfinden. Die Verantwortlichen aus Bund, Ländern,
wieder normal laufen sollte. Un- 40.000 Pädagogen, die in den Klassenzimmern fehlen. Die Vorbildung vor eine Klasse zu treten, in eine Schule. Kommunen und Wissenschaft sollten sich zusammen­
terricht im Regelbetrieb trotz bedrohliche Lücke ist keine Überraschung. Seit Jahren Der Wettbewerb um die aufsehenerregendste Notope- setzen. Alle verfügbaren Zahlen aus jedem einzelnen Bun-
Energiekrise und Rest-Pandemie. steigen die Geburtenzahlen, wächst die Zahl der zugewan- ration ist in vollem Gange. Brandenburg vergibt Stipendien desland müssen auf den Tisch: Wie viele Lehrkräfte fehlen,
Ein politisches Versprechen, mit derten Kinder und Jugendlichen; die Kultusminister­ für »Landlehrer«, NRW und Bayern wollen alle Lehrerinnen wie hoch ist das Ausmaß der ausgefallenen Stunden, welche
dem aber keineswegs gesagt ist, konferenz (KMK) verkündete gerade, dass es 2035 eine und Lehrer, egal welcher Schulform, gleichwertig bezahlen. Fächer sind in ihrer Existenz gefährdet? Lehrer, Eltern und
dass in den Klassenzimmern wieder sinnvoll gelernt Million mehr Schülerinnen und Schüler geben werde als Berlin ist zur Verbeamtung zurückgekehrt, Thüringen holt Kinder haben das Recht auf Transparenz. Außerdem ge-
werden kann. heute. Bis dahin könnte den Prognosen des Bildungs­ Pädagogen aus dem Ruhestand zurück. Sachsen-Anhalt hat hören Zulassungsstandards für Seiten- und Quereinsteiger
Denn inmitten einer globalen Großkrisenlage werden forschers Klaus Klemm zufolge ein Mangel von 158.700 die Vier-Tage-Woche erfunden und probiert an zwölf auf die Agenda, die bundesweit gelten.
jetzt auch die Schulen zum Sorgenkind der Nation. Der Fachkräften entstehen. Klemm hat in seinen Berech- Modellschulen, was sich einsparen und gewinnen ließe, Zweitens: Schulische Bildung ist ein Grundrecht, das
Mangel an Lehrkräften hat ein dramatisches Ausmaß­ nungen bildungs­politische Vorhaben berücksichtigt, die wenn man am fünften Tag auf digitale und außerschulische hat das Bundesverfassungsgericht Ende 2021 explizit her-
erreicht. Unterricht fällt aus, Stunden werden ersatzlos vielleicht bald nicht mehr selbstverständlich sind: den Formate des Lernens setzt. Und für alle gilt: Die Seiten- und vorgehoben. Dafür muss die Bundesbildungsministerin die
gestrichen, Fächer in ihrem Umfang reduziert oder gar Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz, die Inklu­ Quereinsteiger sollen das Schlimmste verhindern. Verantwortung übernehmen, trotz Föderalismus und
nicht mehr erteilt, Förderkurse werden eingestellt, sion, die Förderung von Schülern in Brennpunktvierteln. Was aber heißt das, wenn jeder plötzlich Lehrer werden Kooperationsverbot. Erster Schritt: endlich anfangen, über
Klassen­größen erhöht, Grundschüler schon am Vormittag Düstere Aussichten für ein Land, das sich als Wissens- darf? Verkommt die Schule dann zum Ramschladen? Sicher den Lehrermangel zu reden. Weil er die Bildungsungerech-
nach Hause geschickt, weil kein Lehrer mehr für sie da ist. gesellschaft versteht, peinlich noch dazu. Doch kaum einen ist: Das Ansehen eines Berufs wird heruntergewirtschaftet, tigkeit verschärft, den Schwachen die Unterstützung nimmt
Wie sehr sich die Realität an deutschen Schulen ver- treibt es auf die Straße, um gegen eine Bildungspolitik zu gibt man in Zeiten der Not jegliche Standards auf. Die und die Privilegierten in die Privatschulen treibt. Es geht
ändert hat, erzählte Simone Fleischmann, Präsidentin des demonstrieren, die sich jahrelang weggeduckt und kon- Hürden, vor eine Klasse zu treten, sind inzwischen so nied- hier übrigens auch um die Frage, was Kinder und Jugend-
Bayerischen Lehrerverbands vor einigen Tagen auf einem kretes Handeln verweigert hat. Dass der Personalkollaps die rig, dass sich jeder grundständig ausgebildete Lehrer, der liche einer Gesellschaft wert sind.
internationalen Bildungssymposium. Wenn die »echte« Gefahr eines deutschlandweiten Bildungsabsturzes nach sieben nervenaufreibende Jahre Studium und Referendariat Drittens: Der Beruf des Lehrers braucht eine gesell-
Lehrkraft fehle, übernähmen an den Grund- und Mittel- sich ziehen kann, dämmert Politikern jetzt erst, da sich aus durchgehalten hat, fragen muss: Was soll das? Ist mein schaftliche Aufwertung, helfen könnte eine kluge Image-
schulen des Freistaats inzwischen einfach Menschen mit den schlechten Nachrichten ein beunruhigendes Bild zu- Wissen jetzt gar nichts mehr wert? kampagne. Zurzeit beklagen Universitäten abnehmende
anderer Ausbildung: Diplom-Designer, Magister der Nor- sammensetzt. Erst im Juli hatte der IQB-Bildungstrend Die Dramaturgie einer Krise hat immer auch ein Studierendenzahlen, zu viele Interessierte wechseln in an-
dischen Philologie, Bachelor of Law China, eine Fitness- gezeigt, dass fast 22 Prozent der Viertklässler in Mathe- produktives Element. Produktiv kann sein, dass die dere Jobs. In Zukunft sollte niemand mehr aus Verlegenheit
trainerin oder ein Sportökonom. Fleischmann, die bestän- matik die Mindeststandards verfehlen. Im Lesen waren es Bildungspolitik jetzt bereit ist, Tabuzonen zu betreten. Lehrkraft werden. Der Arbeitsplatz Schule muss so modern
dig gegen die Deprofessionalisierung des Lehrerberufs knapp 19, im Zuhören 18 Prozent. Die Daten machten So werden endlich die ausufernden Teilzeitmodelle von sein, dass er die Besten anzieht. WLAN überall wäre ein
kämpft, sagt, sie schäme sich, dass ihr in Interviews plötzlich deutlich: In den vergangenen zehn Jahren sind die Leis- Lehrkräften infrage gestellt. Man diskutiert Priorisie- Anfang, aber damit darf die Digitalisierung nicht aufhören.
Sätze herausrutschen wie »Besser irgendein Mensch steht tungen immer weiter gesunken. rungen von Fächern, damit wenigstens die Grundlagen Alle Fragen rund ums Lehrerwerden und Lehrersein müs-
vor einer Klasse als gar kein Mensch«. Doch geht es hier nicht nur um die Lernschwachen, es in Mathe, Deutsch und Englisch noch ausreichend ver- sen politisch zusammengedacht werden – in einem starken
In Berlin gibt es Grundschulen, in denen die ausgebil- geht um die Zukunft von zehn Millionen Schülerinnen und mittelt werden. Multiprofessionelle Teams werden rea- Bildungsministerium.
deten Lehrkräfte in der Minderheit sind, weil dort 60 Pro- Schülern. Wer (wie Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine listischer, weil erkannt wird, dass die Lehrkraft nicht Nicht mal ein Jahr ist es her, da haben SPD, Grüne
zent Seiten- und Quereinsteiger unterrichten. Die Verzweif- Busse) für das nächste Jahrzehnt mit einer prekären Personal- auch noch Verwaltungsaufgaben übernehmen, Laptops und FDP im Koalitionsvertrag versprochen, den »Grund-
lung in Sachsen-Anhalt ist so groß, dass dort jeder Bachelor situation in den Klassenzimmern rechnet, nimmt damit reparieren und Kinder verarzten kann. Ihr Hoheits­ stein für ein Jahrzehnt der Bildungschancen« zu legen.
lehren darf, auch wenn sich aus seinem Abschluss nicht hin: Ein heutiger Erstklässler wird seine gesamte Schulzeit gebiet und Kerngeschäft muss der Unterricht sein. Seitdem ist vor allem eins geschehen: Viel Zeit ging ver-
ableiten lässt, dass er damit für ein bestimmtes Unterrichts- darunter leiden. Ohne wirksamen Unterricht kein Lernfort- loren. Zeit, die Deutschland nicht hat. Jedes Jahr verlässt
fach qualifiziert wäre. Das Bundesland sucht mit Head- Weil es keine langfristige politische schritt. Ohne Lernfortschritt kein Abschluss, fast ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler die Schule,
huntern im Ausland nach Personal, auch weil es weiß, dass Strategie gibt, kämpft jedes Bun- ohne Abschluss kein Beruf. ohne ausreichend lesen und rechnen zu können. Wenn es
sich auf die aktuell tausend ausgeschriebenen Stellen wieder desland für sich allein, wirbt Priorisieren und umsteuern, ein Bildungssystem nicht mehr schafft, jungen Menschen
nur ein Drittel an potenziellen Kandidaten melden wird. schamlos (und obwohl in der darauf wird es nun ankommen, in ihrer Schulzeit die Minimalausstattung an Wissen und
Abb.: cigdem/Shutterstock

Ohne Quer- und Seiteneinsteiger wären viele Einrichtun- KMK schon 2009 anders verein- wenn verhindert werden soll, Kompetenzen mitzugeben, ist das Armutszeugnis und
gen in Sachsen-Anhalt längst nicht mehr arbeitsfähig. Die bart) Lehramtsabsolventen und dass diese Krise langfristige Langzeitdrama zugleich. Deutschland muss sich um die
verlässliche Grundschule von fünfeinhalb Stunden kann Pädagogen aus anderen Bundes- Schäden an der Gesellschaft Schulen kümmern und um seine Lehrerinnen und Leh-
in manchen Regionen nicht mehr gewährleistet werden. ländern ab; sieht zu, dass es den hinterlässt. Die Bildungspolitik rer. Egal wie teuer, egal wie anstrengend das jetzt wird.
Weil im föderalen Zuständigkeitschaos aktuelle Über- eigenen Schulbetrieb halbwegs auf- muss endlich anpacken, was
blickszahlen zur Lehrer-Leerstelle kaum zu bekommen sind, rechterhält, quetscht aus den ver- lange liegen geblieben ist. www.zeit.de/vorgelesen

Mehr Wissen:
In Sachsen-Anhalt sind zwei Drittel der Lehrkräfte über 50 Jahre alt, andere ostdeutsche Länder stehen ebenfalls vor Pensionierungswellen.
Grund für den Lehrermangel sind auch die hohen Teilzeitquoten von Pädagogen. Sie erreichen aktuell einen Rekordwert von knapp 40 Prozent.
Links zu den Quellen der Themen dieser WISSEN-Ausgabe finden Sie unter www.zeit.de/wq/2022-41
36 WISSEN 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Nobelpreis ․ Physik

»Same procedure as every year!« Könnte ein Silvesterklassiker sein, ist aber die Verleihung des Nobelpreises
durch den schwedischen König Carl XVI. Gustaf in den Jahren 1981, 1991, 1992, 2002, 2007 und 2019

Der Retro-Preis
Bei aller Freude über die neuen Preisträger – der Nobelpreis ist rückwärtsgewandt.
Kritik gibt es gleich von mehreren Seiten. Und sie wird lauter  VON STEFAN SCHMITT

D
er Telefonanruf Anfang­ Darum stellt sich, während die Welt über die dings lehrt mit Ausnahme vieler Staatsbürger­ im Prozess gleichbehandelt werden.« Der »Pro- verengt die typische Kollektivleistung moderner
Oktober. Handschlag vom neu verkündeten Namen spricht, über deren Freu- Japans (immerhin Platz sechs des Länder-Ran- zess«, das ist die geheime Auswahl. Jährlich lädt Forschung systematisch auf Einzelne.
schwedischen König. Die de, den Stolz ihrer Institutionen und ihrer Heimat- kings) ein Großteil von ihnen an US-Hochschulen, man Fachleute dazu ein, preiswürdige Kollegen Kurioserweise geht die Beschränkung gar
goldene Medaille. Und na- länder, eben auch die Frage: Was kommuniziert die wiederum bei den Institutionen die Nobelpreis- vorzuschlagen. Aus denen wählt dann die Aka- nicht auf das Testament Nobels zurück. Festge-
türlich die Nobelvorlesung dieser Preis eigentlich? Vermittelt er ein adäquates Statistik überstark dominieren. demie die Preisträger – und die Unterlagen der schrieben wurde die Höchstzahl erst in den Sta-
am Karolinska-Institut oder Bild von Wissenschaft im frühen 21. Jahrhundert Diese Schieflagen zu kritisieren führt geradewegs Wahl wandern in den Giftschrank. tuten der Nobelstiftung. Folglich könnte man
in der Aula Magna der Uni- (von Inspiration für die Zukunft ganz zu schwei- in den Streit um Quoten, Förderung und zweierlei Vor vier Jahren hat die Akademie begonnen, auch die Regeln den Realitäten anpassen: warum
versität Stockholm. Jedes Jahr das Gleiche? gen)? Oder reproduziert er die Verhältnisse der Ver- Maß. Denn die provokative Gegenfrage lautet: Ist die Nominierungs-Einladungen breiter zu streu- keine Kollektivpreise zulassen? Beim Friedens-
Sicher ist: Zur Folklore um den prestigeträchtigs- gangenheit, Klischees, Privilegien und auch einen dieser Preis etwa verantwortlich für die allgegen- en, und fragt darin inzwischen explizit nach eth- preis ist das längst üblich, den etwa der Weltkli-
ten Wissenschaftspreis der Erde hat sich längst ein weitverbreiteten Chauvinismus? wärtige akademische Chancenungleichheit, für­ nischer und geschlechtlicher Vielfalt. Offen ist, marat und das Rote Kreuz erhielten.
weiteres Element gesellt – grundlegende Kritik. Weil Analysen auf Basis der Preisverleihungen der Sexismus und Rassismus in der Welt? Schließlich ob dies über die Jahre zu einem messbaren Effekt Früher oder später muss die Nobelstiftung
dieser ganze Pomp mit jedem weiteren Mal stärker so Jahre 1901 bis 2021 zeigen: Insgesamt waren nur existiert er, um Spitzenforschung zu prämieren, führen wird. Ansonsten? Die Grenzen der Flexi- ihre Rolle in der globalisierten Wissenswelt des
wirkt, als werde da ein überholtes Bild beschworen, drei Prozent aller Personen weiblich, die einen der nicht Wege in eine fairere Gesellschaft. bilität dürften bald erreicht sein. Affirmative ac- 21. Jahrhunderts hinterfragen.
ein Bild der Wissenschaft des vergangenen Jahrhun- naturwissenschaftlichen Nobelpreise erhielten. Da- tion, gezielte Förderung also, schließt Eva Nelius Was sie immerhin schon entschieden hat: Im
derts. Im vorigen Jahr war es besonders schlimm. mit schnitten Frauen beim Nobelpreis noch »Affirmative action« für die Akademie aus: »Jeder erhält den Preis auf Dezember 2022 sollen die Laureaten der beiden
Auf sieben Persönlichkeiten waren 2021 die drei schlechter ab als bei anderen prestigeträchtigen schließt die Akademie aus Basis der wissenschaftlichen Leistung.« zurückliegenden Jahre nachträglich auch nach
naturwissenschaftlichen Nobelpreise aufgeteilt wor- Forschungstrophäen. Das führt zum nächsten Kritikpunkt: Geniekult. Stockholm eingeladen werden. Nach zwei Jahren
den, drei aus der Physik, je zwei aus der Chemie Noch weniger divers ist der Nobel in anderer Wie steht es denn mit Reformen in Sachen Diver- Stiftung und Auswahlkomitees leisten einem über- pandemiebedingter Hybridveranstaltungen, die mit
und der Medizin. Frauen waren nicht darunter, so Hinsicht: Bis Ende vergangenen Jahres hatten 947 sität in Stockholm? Die Sprecherin der Nobelstif- kommenen Wissenschaftsbegriff Vorschub, vor der traditionellen Nobelvecka nicht mithalten konn-
wie schon 2016 und 2017 nicht. Nature berichtete Personen einen Nobelpreis erhalten, darunter gan- tung, Rebecka Oxelström, sagt: »Fragen Sie die für allem wenn die Auszeichnung einer Teamleistung ten. (Fototermin im Konzerthaus, Nobeldinner mit
über »Entsetzen« unter Forscherinnen angesichts ze 17 schwarze Menschen – und das ausschließlich die Preisvergabe zuständigen Institutionen!« Zu- gilt, aber nur an wenige verliehen wird. Das war 1300 Gästen im Stadshuset, alle in Frack und
der »all-male science Nobels«. Bei den Preisen des in den Kategorien Wirtschaft, Literatur und Frie- ständig für Physik und Chemie ist die Königlich 2017 so, als das Trio Kip Thorne, Barry Barish und Abendkleid wie in einem Kostümfilm, der das
Jahres 2022 sah es nach den ersten Ankündigungen den. Seit Beginn der Verleihungen im Jahr 1901 Schwedische Akademie der Wissenschaften. Deren Rainer Weiss den Physikpreis für den Nachweis von 19. Jahrhundert aufleben lässt.) Nun soll endlich
nicht besser aus: ein Mann in der Medizin, drei in gab es bei den naturwissenschaftlichen Preisen für Sprecherin Eva Nelius betont, diese Punkte würden Gravitationswellen bekam – obwohl mehr als­ alles wieder so wie früher sein. Das darf man den
der Physik – bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe Medizin, Physik und Chemie keine schwarzen »oft in der Akademie diskutiert«. Und: »Wir tun tausend Wissenschaftler kollaborativ die entschei- frisch Preisgekrönten gönnen, genauso wie den
war in Stockholm keine einzige Frau als künftige Laureaten. Unter den wenigen nicht weißen Preis- alles in unserer Macht stehende, um sicherzustellen, denden Daten veröffentlicht hatten. Drei heraus- Stockholmern. Nur dem Preis selbst sollte man
Preisträgerin präsentiert worden. trägern schneiden zwar Ostasiaten gut ab. Aller- dass Frauen und Wissenschaftler anderer Ethnien heben, das klingt fast schon willkürlich. Der Preis etwas anderes wünschen.

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»Dann hätten wir unseren


Zweck erfüllt«
Anton Zeilinger verbindet Kunst und Wissenschaft. Die Quantenwelt
erklärt er wie kein Zweiter – an ein Treffen erinnert sich  MAX RAUNER

100 Mio. Schweizer Franken für ein Lange bevor Anton Zeilinger als nächster Physik- Glasfasern zu schicken. So hatte es Zeilinger schon
Nobelpreisträger benannt worden ist, hat er­ im Jahr 2003 mit Quantenteilchen auf zwei ver-
einem Friedensnobelpreisträger seine Forschung schiedenen Seiten der Donau gemacht.
erklärt, dem Dalai Lama. Mehrmals. Der tibeti- Er sehe es als Bereicherung der Kunstschau
Fotos (v. l.): AP/ullstein; Jan Collsiöö/TT/dpa (2); Henrik Montgomery/AP/dpa; Jonas Ekstromer/epa/dpa; Jonas Ekstromer/TT/dpa; kl. Foto: Matthias Röder/dpa

WSS-Forschungszentrum sche Würdenträger ist bekannt für seine Neugier. an, sagte er mir damals, wenn das Publikum am
Und so ist nicht sein Interesse an dem Wiener Ende mehr über Physik wissen wolle: »Dann
Physikprofessor das Bemerkenswerte, sondern hätten wir unseren Zweck erfüllt.« Wissenschaft-
Technologien für eine nachhaltige Ressourcennutzung der Umstand, dass dieses Treffen keine Ausnah- ler und Künstler hätten vieles mit­ein­an­der ge-
me war. Zeilinger versteht es, ein abstraktes For- mein: »Intuition und Kreativität sind ihre wich-
schungsfeld so zu popularisieren, dass es außer- tigsten Werkzeuge, es geht um neue Zugänge für
Zu ihrem 100. Geburtstag im Jahre 2023 beabsichtigt die Das Themenfeld der Ausschreibung umfasst Erkennt- halb des Fachs für Aufsehen sorgt. die Untersuchung der Wirklich-
Werner Siemens-Stiftung ein WSS-Jahrhundertprojekt nisse und Technologien aus der gesamten Bandbreite Ausgezeichnet wird ein einzigarti- keit.« Aber in einem Punkt schieden
zu fördern: ein WSS-Forschungszentrum «Technologien der Natur- und Ingenieurwissenschaften, welche zu ger Typ. Ich durfte eineinhalb Jahre sich die Geister: Naturwissenschaft
für eine nachhaltige Ressourcennutzung» (Technolo- einer erfolgreichen Verfolgung der Nachhaltigkeits- lang bei einem späteren Laureaten verlange Überprüfbarkeit. Und sie
forschen, David Wineland, Physik- habe einen Wahrheitsanspruch.
gies for Sustainability). Ausgestattet wird es mit einem ziele der Vereinten Nationen (SDG) beitragen können.
nobelpreis 2012, und ich habe im »Wir sagen Dinge über die Welt
Finanzvolumen von insgesamt 100 Millionen Schweizer «Wir freuen uns auf viele exzellente Einreichungen Laufe der Zeit einige andere Preis- aus, die stimmen einfach.« Zeilin-
Franken für einen Förderzeitraum von zehn Jahren. mit originellen und kühnen Ideen», sagt Professor träger getroffen. Keiner von ihnen ger schlug mir damals auch vor, dass
Matthias Kleiner, ehemaliger Präsident der Deutschen erfüllte das Klischee vom Physik- ich in meinem Artikel doch seinen
Für dieses Forschungszentrum schreibt die WSS einen Forschungsgemeinschaft und der Leibniz-Gemeinschaft preisträger als unverständlichem »Freundeskreis mit Künstlern in-
Ideenwettbewerb in Deutschland, Österreich und der sowie langjähriges Mitglied des wissenschaftlichen Ober­exper­ten – aber Anton Zeilin- klusive Musikern in Wien« erwäh-
Schweiz aus, der sich an exzellente Forscherinnen und Beirats der Werner Siemens-Stiftung. ger fällt doch aus dem Rahmen. Der Physiker ne. So viel kann man sagen, seines
Als ich den Physiker für das Anton Zeilinger Images bewusst war er sich.
Forscher – Einzelpersonen oder Gruppen – richtet. Aus
ZEITmagazin im Jahr 2012 in sei- aus Wien Neider sagen, dass der Quanten-
den Eingaben erhalten bis zu fünf Ideen einen WSS- nem Institut in der Boltz­ mann­ physiker nicht Quan­ten­in­for­ma­
Forschungspreis, der mit jeweils 1 Million Schweizer gasse 3 in Wien besuchte, wirkte er tion leiste, sondern Quan­ ten­
des­
Franken Forschungsgeld dotiert ist. Die Preisträger sind Eingabefrist für die Ideen: 10. Januar 2023 auf mich zunächst wie ein standesbewusster­ infor­ma­tion. Das halte ich für unfair. Er hat ein-
anschliessend aufgefordert, basierend auf ihrer Idee ein Ausschreibungsunterlagen auf: österreichischer Gelehrter mit Anzug, Schlips, fach ein Gespür für die philosophisch interessan-
Konzept für ein WSS-Forschungszentrum zu erarbeiten. www.wernersiemens-stiftung.ch/jahrhundertprojekt Vorzimmer und »Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c.« am ten Experimente. Ein Jahr nach dem Donau-­
Türschild. Aber als die Rede auf die philosophi- Expe­ri­ment nahm Zeilinger ein populärwissen-
schen Fragen der Physik kam, verwandelte er schaftliches Hörbuch auf über »die Schönheit
sich in jemanden, der fast schwärmerisch nach der Quantenphysik«. Spukhafte Fernwirkung
Verbindungen suchte zwischen Kunst, Physik, hieß es, so hatte einst Albert Einstein die Ver-
Philosophie und Geschichte. schränkung genannt. Einstein wurde bis zu sei-
Damals bereitete er sich gerade darauf vor, bei nem Lebensende nicht mehr warm mit den Im-
der Documenta 13 Quantenphysik-Experimente plikationen der Quantentheorie: schwer vorstell-
vorzuführen. Clevere Wissenschafts-PR, dachte ich bar, kaum erklärlich, eine Zumutung!
zunächst. Aber er machte echte, komplizierte Ex- Die Arbeiten, für die Anton Zeilinger zusam-
100 JAHRE WERNER SIEMENS-STIFTUNG perimente. Zeilinger und seine Doktoranden fuh- men mit Alain Aspect und John Clauser im
ren nach Kassel, um Lichtteilchen zu »verschrän- Dezem­ber ausgezeichnet wird, haben daraus eine
ken«, also ihre Zustände zu verbinden, und durch faszinierende Realität gemacht.
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 WISSEN 37

Nobelpreise ․ Genetik

»Ich wollte gar nicht


so gerne
nach Deutschland«
Svante Pääbo über Urmenschen,
Durchbrüche und seine Wahlheimat

Zum Zoom-Interview erscheint Svante Pääbo ­


ausgelassen und mit einer bunten Papiergirlande
um den Hals. Seine Mitarbeiter vom Max-Planck-­
Institut in Leipzig haben sie ihm umgehängt.
Am Montag wurde der schwedische Genetiker als ­
Medizin-Nobelpreisträger benannt.
DIE ZEIT: Herr Pääbo, sind Sie eher der Typ, der
abends vorm Einschlafen darüber nachdenkt, worü-
ber sich Denisovaner und Homo sapiens so unterhal-
ten haben? Oder grübeln Sie über technische Pro­
bleme bei der DNA-Sequenzierung nach?
Svante Pääbo: Eher das Letztere. Natürlich gibt es im
Hintergrund diese großen Fragen, über die ich mir
dann und wann Gedanken mache. Aber der Alltag
besteht für mich aus den vielen kleinen technischen
Fragen und auch aus viel Frustration, wenn mal wie-
der was nicht funktioniert.
ZEIT: Sie haben sich früh entschieden, in Deutsch-
land zu forschen und zu arbeiten. Seit 1990 sind Sie
hier. Wie kam es dazu?
Pääbo: Ich war einst als junger Wissenschaftler in
Foto: Matthias Schrader/AP/dpa [M]

Amerika und wollte zurück nach Europa. Dann habe


ich drei Angebote bekommen: eins aus Cam­bridge,
eins aus Uppsala und eins aus München. Das Angebot
der Ludwig-Maximilians-Universität in München war
mit großem Abstand das beste. Dabei wollte ich gar
nicht so gerne nach Deutschland. Aber ich habe mir
gesagt: Vielleicht kann ich vier, fünf Jahre dort arbei-
ten und dann eine Stelle in Schweden bekommen.
Der schwedische Genetiker und Nobelpreisträger mit dem Schädel eines Neandertalers am Max-Planck-Institut in Leipzig ZEIT: Und, war es so schlimm wie befürchtet?
Pääbo: Gar nicht, es war toll, viel toller, als ich dachte.
Es ist ja so: Man geht nach Kalifornien und denkt, es

Der Neandertaler lebt


wird paradiesisch sein, und ist dann oft enttäuscht. Ich
kam mit sehr geringen Erwartungen nach Deutsch-
land und fand es viel angenehmer, hier zu leben, als ich
dachte. Schließlich ergab sich 1997 die einzigartige
Möglichkeit, ein neues Max-Planck-Institut in Leipzig
mit aufzubauen. Und dabei auch in einer Region zu
leben, in Sachsen, wo noch viel mehr Aufbruchsstim-
Svante Pääbo fand heraus, dass Urmenschen-Erbgut in jedem von uns steckt. mung herrschte als in München. Das war schon toll.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten begleitet ULRICH BAHNSEN seine Arbeit ZEIT: Hatten Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt das

N
Gefühl: Das ist mein Durchbruch?
Pääbo: Es gab einen solchen Moment. Das war in
un hat er ihn doch bekom- Doch 1997 liefert Pääbo, der inzwischen in jeder Zelle nur zweimal vorhanden, nicht in Die Erfolgsgeschichte könnte hier zu Ende München, als mein Doktorand Matthias Krings mich
men. Dabei hat Svante München forscht, erneut. Eine außergewöhnliche Hunderten Kopien wie bei Mitochondrien- sein, aber es warten noch zwei Überraschungen. eines Abends anrief, um mir zu sagen, dass unsere
Pääbo immer abgewinkt, Erlaubnis ermöglicht es ihm, ein kleines Stück aus DNA. Dazu stammen über 90 Prozent der Russische Anthropologen schicken Proben nach Soft­ware die Entdeckung jener DNA gemeldet hatte,
wenn ich ihn danach frag- einem Armknochen des ersten Neandertaler-­ DNA-Schnipsel von Mikroorganismen, und es Leipzig, die von einem winzigen Fingerknochen die wir für Neandertaler-DNA hielten. Und tatsäch-
te. Und das habe ich in den Fossils herauszusägen – eigentlich ein Sakrileg! ist zudem oft verunreinigt, meist mit Erbmole- stammen, gefunden in der Denisova-Höhle im lich: Schon beim ersten Blick auf die Ergebnisse war
vergangenen zwei Jahr- Tatsächlich gelingt das Gleiche wie bei der Mumie: külen der Wissenschaftler. Und selbst wenn man Altai-Gebirge. Erste Tests in Pääbos Laboren er- klar, dass wir das Genom eines Menschen vor uns
zehnten einige Male getan. Pääbo und sein Team bergen Genbruchstücke des Neandertaler-DNA fände, wie sollte man aus geben: Es war eine Frau – und dann wird es un- hatten, der dem Homo sapiens ähnelt, aber nicht
»Es gibt keinen Nobelpreis für Paläoanthropo- Steinzeitlers und vervielfältigen diese. Das Erbgut ein paar Bröckchen ein Erbgut von drei Milliar- heimlich. Die rätselhafte Bewohnerin der Höhle gleicht. Wir waren da ziemlich sicher, dass wir auf der
logie«, sagte er dann mit seinem schwedischen stammt aus den Mitochondrien, den Kraftwerken den Bausteinen rekonstruieren?, fragt Pääbo. »Es war weder moderner Mensch noch Neander­ richtigen Spur sind. Ich dachte: Wow!
Akzent, den er bis heute nicht verloren hat, egal der Zellen. Weltweites Aufsehen folgt auf die Be- ist aussichtslos, wir werden es nie können.« Der talerin. Die Rekonstruktion ihres Erbguts offen- ZEIT: Haben Sie geahnt, was die Entschlüsselung des
ob er deutsch oder englisch spricht. kanntgabe im Journal Cell. Am Ende eines langen Whiskey wurde trotzdem getrunken, aber Pääbo bart: Die Forscher haben einen unbekannten Neandertaler-Erbguts bedeutet: nämlich dass Ihre Er-
Tatsächlich ist Svante Pääbos Forschungsgebiet Gesprächs für meinen Artikel wirkte Pääbo zwar wirkte in diesem Moment resigniert. Schlag archaischer Menschen entdeckt, die De- kenntnisse die Vorstellung davon verändern, was der
eher randständig in Sachen Medizin und Physio- zufrieden, aber über den Befund nicht euphorisch, Dabei bedurfte es vor allem technischer nisovaner. Die zweite Sensation zeugt dann von Mensch ist und war?
logie, es passt nicht so recht in die Stockholmer als sei ihm damals schon klar gewesen, wie viel Fortschritte. Verfahren, die erkennen, ob ein der gewachsenen Macht der Algorithmen. Pääbos Pääbo: Ich war zumindest begeistert davon, dass es
Kategorien. Auch weil er die Paläogenetik nahezu Arbeit noch wartet. Stückchen DNA steinzeitlich ist, Methoden für US-Kollegen führen am Computer Tests durch, uns gelungen ist, das Erbgut von 40.000 oder 50.000
im Alleingang erfunden hat. In seiner Abteilung »Svante ist hochoriginell und innovativ«, die Sicherung aus den fossilen Knochen, bio­ zu denen kein menschliches Hirn imstande Jahre alten Menschen zu analysieren, die nicht Homo
am Leipziger Max-Planck-Institut (MPI) für Evo- sagt der ehemalige MPI-Direktor Wieland infor­ma­ti­sche Werkzeuge, die aus Bruchstücken wäre. Sie belegen, dass die modernen Menschen sapiens waren. Als klar wurde, dass sich diese ausge-
lutionäre Anthropologie (EVA) werden die Gene Huttner, der nach seiner Emeritierung weiter ein vollständiges Genom formen. All das wurde aus Afrika mit europäischen Neandertalern und storbenen Gattungen mit dem Homo sapiens ver-
von Wesen rekonstruiert, die seit Zehntausenden am Dresdner MPI für moleku- nach und nach entwickelt. asiatischen Denisovanern Kinder gezeugt ha- mehrt haben müssen, da habe ich angefangen, neu
von Jahren ausgestorben sind: von Neandertalern lare Zellbiologie und Genetik So erscheint wenige Tage ben. Anders als Afrikaner tragen Europäer und über uns, über unsere Art nachzudenken.
und ihren Vettern, den Denisovanern. Es geht auch
um die ersten modernen Menschen – und um Sex
arbeitet. »Er ist einer der weni-
gen Wissenschaftler auf der Mehr Wissen nach dem Jahrestreffen der ame-
rikanischen Fachgesellschaft für
Asiaten bis heute ein paar Prozent archaischer
DNA in sich.
ZEIT: Gibt es einen Genschalter, der den Menschen
zum Menschen gemacht hat?
in der Steinzeit. Welt, zu dem ich aufschaue.« physische Anthropologie im Jahr Bleibt nur die Frage: Warum sind wir noch Pääbo: Die eine Veränderung, die alles bewirkt hat,
Es hat eine ganz eigene Ironie, dass Pääbos Wer Huttner kennt, weiß, was 2005 in Science ein kurzer Kon- da und die anderen alle ausgestorben? In diesem die wird es nicht geben. Aber das, was wir entdeckt
Ruhm auf der Erforschung der Affären zwi- das bedeutet. Wenn der Voll- ZEIT ONLINE berichtet gressbericht; nur in einem Satz Jahr zeigte ein Genom-Vergleich, dass Homo haben, könnte zu dem beigetragen haben, was den
schen diesen drei Menschenarten beruht. Er blutforscher in den frühen über die weiteren Preise wird darin erwähnt, dass Pääbo sapiens modernere Varianten bestimmter Gene Menschen zum Menschen macht.
stammt selbst aus einer lange geheim gehaltenen 1990er-Jahren im Hamburger (Chemie, Literatur, Frieden zusammen mit dem US-Ge- trägt, die auch der Neandertaler nicht trug.­ ZEIT: Zu Ihren großen Leistungen zählt es auch, die
Affäre, Sohn der estnischen Chemikerin Karin Universitätsklinikum einen und Ökonomie) unter nomexperten Edward Rubin Pääbos langjähriger Forschungspartner Wieland Existenz einer zuvor noch gar nicht bekannten Men-
Pääbo und des Schweden Sune Bergström, Me- Vor­trag hielt, sprudelten Da- www.zeit.de/nobelpreise eine erste Re­kon­struk­tion des Huttner erkundet, was diese Veränderungen be- schenart nachgewiesen zu haben, des längst ausgestor-
diziner und Nobelpreisträger. ten, Zahlen, Grafiken in einem Urmenschen-Genoms plane. wirkt haben könnten. Sein Verdacht: Sie be- benen Denisova-Menschen. Stellen Sie sich manchmal
Pääbos eigene Nobelgeschichte beginnt vor Tempo aus ihm heraus, dem Was ist da los? Rubin ist in die- scherten Homo sapiens geistige Überlegenheit, vor, wie es wäre, einen solchen Menschen zu treffen?
rund 30 Jahren. Zu dieser Zeit hat er bereits keiner der Doktoranden folgen konnte. sen Tagen in Paris, seine Assistentin rückt eine indem sie dessen Gehirn im Mutterleib während Pääbo: Ja, schon. Vor allem denke ich: Es wäre sehr
Genetik und Medizin studiert und steht nun für Zeitsprung in den Mai 2002, das Cold Telefonnummer heraus, Anruf in seinem Hotel- einer entscheidenden Phase mehr Zeit für die interessant gewesen, wenn diese Art überlebt hätte.
seine Doktorarbeit im Labor. Seit einer Reise Spring Harbor Laboratory liegt malerisch und zimmer, er bestätigt: »Ja, wir haben die Techniken, Zellteilung ließen. Wie wären wir mit ihr umgegangen? Würden wir Ur-
mit seiner Mutter nach Ägypten hat er eine ge- eher einsam auf Long Island vor der US-Ost- das wird jetzt einfach.« Auf Nachfrage bestätigt Es sind solche fruchtbaren Kooperationen, die menschen in einen Zoo sperren, oder würden sie in
heime Leidenschaft und rätselt: All die neuen küste. Es ist bekannt für bedeutende Tagungen das auch die Max-Planck-Gesellschaft. Die ZEIT einen großen Teil von Pääbos Erfolgsgeschichte den Vororten leben? Würden wir einen noch schlim-
genetischen Verfahren, warum sucht damit nie- wissenschaftlicher Zirkel. Rund 500 Forscher berichtet am 7. Juli vor der offiziellen Ankündi- ausmachen, ebenso wie seine Fähigkeit, begabten meren Rassismus sehen, weil sich die Denisovaner
mand in ägyptischen Mumien nach Erb­ gut­ sind angereist für das jährliche Meeting Genome gung des Projekts: »Zurück aus der Steinzeit« Nachwuchs zu identifizieren. Sein ehemaliger vielleicht tatsächlich von uns unterscheiden? Oder
resten? Tatsächlich kommt er mithilfe eines & Biology. Am Abend, als die Vorträge vorbei (ZEIT Nr. 28/05). Doktorand Wolfgang Enard, heute Professor in würden wir diese klare Grenzziehung zwischen Tieren
Ägyptologie-Professors an Gewebeproben. Ne- sind, stehen viele von ihnen an der Bar, auch Im Mai 2010 stellen Pääbo und seine Partner München, sagt: »Seine Energie, seine kognitive und Menschen, die viele von uns für selbstverständlich
benher und eher heimlich sucht er darin nach Svante Pääbo ist dabei und ich als Reporter. Auf einen ersten Entwurf des Neandertaler-Genoms Power, wie er mit seinen Leuten arbeitet und es so halten, anders betrachten?
Mumien-DNA. Im Jahr 1984 entdeckt er sie. die Frage nach dem nächsten Schritt sagt er: vor, und im Dezember 2013 präsentiert Pääbo, lange so gut zu machen – das ist bemerkenswert.«
Schnell kursiert das Gerücht, es handele sich »Das volle Neandertaler-Genom rekonstruieren? inzwischen einer der Direktoren am Leipziger Und so wird Svante Pääbo für seine For- Die Fragen stellten Ingo Arzt und Anne Hähnig.
um eine Verunreinigung, Pääbo habe aus Ver- Warte einen Moment, ich gebe einen Whiskey MPI für Evolutionäre Anthropologie, seine Re- schung, die so recht in keine Kategorie passt, Lesen Sie die Langfassung dieses Gesprächs unter
sehen seine eigene DNA vervielfältigt. aus.« Dann erklärt er: Das echte Erbgut ist in konstruktion in Nature. den Nobelpreis nun doch noch bekommen. www.zeit.de/nobelpreise

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Veranstaltet durch: WINDROSE Finest Travel GmbH, Wallstraße, Berlin
© Leigh Simpson/Glyndebourne Productions Ltd. | Anbieter: Zeitverlag

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In Kooperation mit:
38 WISSEN 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Aufgefallen Frisch gelesen!


Leuchtend roter Zauber Ein informiertes Lob
der Millimeter-Orchidee der Unvernunft
Schwer an Covid erkrankt, wurden die Hochleistungsvorhersagemaschine ent-
Patienten ins Krankenhaus gebracht. Doch wickelt, welche die wichtigsten Informa-
auf die Frage, warum sie nicht geimpft tionen aus dem Datenstrom der Sinne
seien, lachten manche von ihnen nur höh- herausfiltert und daraus Modelle der Wirk-
nisch. Erst als sie im Sterben lagen, bettel- lichkeit entwirft. Doch diesen vereinfach-
ten sie um die Impfung. Zu spät. ten Modellen fehlen dann manche Infor-
Eine Freundin erzählte mir diese Ge- mationen. Und weil jedes Gehirn ein biss-
schichte, sie hatte sie als Medizinstuden- chen anders filtert, sieht die Realität für
tin erlebt. Vielleicht hätte ich sie sonst jeden etwas anders aus. »Kontrollierte
nicht geglaubt. Denn wie konnte es Halluzination« nennt das Sterzer.
möglich sein, dass Menschen von etwas, Sähen wir die Wirklichkeit so, wie sie
das mir offensichtlich irrational schien, ist, glaubt der Wissenschaftler, wären wir
so fest überzeugt waren, dass sie riskier- überfordert und tot, bevor wir eine Ge-
ten, dafür zu sterben? Wo war ihre Ver- fahrensituation erkannt hätten. Die Hal-
nunft geblieben? Gute Antworten auf luzination mache handlungsfähig. Sie sei
diese Fragen fand ich lange nicht. ein Realitätsfilter, der das Gehirn zur Vor-
Bis mir das kürzlich erschienene Buch hersagemaschine mache. Diese präsentiere
Die Illusion der Vernunft von Philipp Ster- uns mit ihren gespeicherten Erfahrungen
zer in die Hände fiel. Auf knapp über 300 ein Bild der Welt, während wir noch die
Seiten legt der Neurowissenschaftler und Informationen verarbeiten, die auf uns ein-
Psychiater von der Universität Basel dar, strömen. Unser Gehirn lebt also gleichsam
dass der Mensch als rein rationales Wesen in der Zukunft und schützt uns so davor,
längst ausgestorben wäre. Irrational zu sein, in eine unerwartete Situation zu geraten.
so Sterzer, ist der eigentliche Überlebens- So sei es beim Tennisspiel in der Lage, die
instinkt des Menschen. Position des Balls vorherzusagen, dessen
Diese Behauptung fußt auf Sterzers Bewegung allein man nicht folgen könnte.
neurowissenschaftlicher Forschung der Und wo bleibt die Vernunft? Ob ich in
vergangenen zehn Jahre. Er teilt das der Welt klarkomme, hängt davon ab, ob
Foto: Federico Rizo-Patrón/Phytotaxa

Buch grob in zwei Hälften. In der ersten mein Gehirn es schafft, mich in meinem
1 mm

erklärt Sterzer, wie das Gehirn funktio- Umfeld sicher zu verorten. Die Vernunft
niert, in der zweiten führt er aus, warum ist demnach für Sterzer eine individuelle
Rationalität deshalb eine Illusion sei. Überlebensstrategie. Sie funktioniert nur
Den vernunftbegabten Menschen, mit klaren Überzeugungen, einem verein-
Aristoteles’ zoon logicon, gebe es nicht, so fachten Weltbild. Mit diesen spart das
Sterzer, auch wenn der Mensch mächtig Gehirn einerseits Energie und verstärkt
stolz auf seine Vernunft sei. Eine allge- andererseits Gruppenzugehörigkeit – bei-
meingültige Definition von Vernunft des sichert das Überleben. Das Problem:
setzt voraus, dass Menschen dieselbe Ist das Weltbild etabliert, nimmt es Fakten,
Vorstellung von der Welt haben, sie ähn- die nicht in das eigene Erfahrungsmodell
Weniger als einen Millimeter misst der leuch- Orchideen sind weltweit verbreitet, und Platystele peruviana stammt aus einem Berg- lich empfinden. Doch wer glaubt, nur passen, viel schwerer wahr.
tend rote Fleck in der Mitte dieser klitzeklei- es sind tausend verschiedene Gattungen mit wald und wuchs auf dem moosbedeckten Ast die Augen öffnen zu müssen, um mitten Deshalb konnte ich auch die Covid-
nen Schönheit. Die ganze Blüte bringt es auf einer fünfstelligen Zahl von Arten bekannt. eines Baums, wie Patrón im Fachjournal in der Realität zu sein, liegt falsch. Da- Patienten nicht verstehen: Während mir
nur sieben Millimeter in der Vertikalen, und Ihre Größe variiert gewaltig – von der mehre- Phyto­taxa schreibt. Und das leuchtende Rot? von ist Sterzer überzeugt. ihre Überzeugungen irrational erschie-
die Blume, an deren Spitze sie sitzt, wächst re Meter großen Grammatophyllum specio- Soll Insekten verzaubern und sie anlocken. Seine Thesen gründen darauf, dass das nen, waren diese aus ihrer Sicht völlig
kaum anderthalb Zentimeter hoch. Das ist sum (als »Tiger-Orchidee« im Guinness Buch Labellum (lat. Lippe) wird es genannt und Gehirn im Schädel sitzt und sich auf alle rational – sie passten in ihr Weltbild.
nicht nur sehr klein. Platystele peruviana ist der Rekorde verewigt) bis zur kleinsten be- liegt als Landeplattform unterhalb des gelben Sinneseindrücke, die von außen auf es ein- Sollte Sterzer recht haben, dann ist das
damit die kleinste Orchidee, die jemals in kannten Art mit einer Blüte von nur drei Blattes, das den Blütenstaub trägt. Denn für strömen, einen Reim machen muss. Seine für unser Gehirn eine Frage des Über­
Peru beschrieben worden ist. Dort hat sie der Millimetern Durchmesser. Die war 2016 im alle Schönheit der Natur, groß wie klein, gilt vornehmste Aufgabe sei es, seinem Besitzer lebens, vor allem wenn die Welt unsicher
Biologe Federico Rizo Patrón entdeckt. brasilianischen Amazonas entdeckt worden. das Primat des Lebens: Fortpflanzung. ST X das bestmögliche Überleben zu sichern. So erscheint. Ein bisschen verrückt sind wir
habe es sich im Laufe der Zeit zu einer also alle.  JOHANNA HÄNSEL
Quellen zu diesem und anderen Artikeln der aktuellen WISSEN-Ausgabe finden Sie unter www.zeit.de/wq/2022-41

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DIE BESONDERE IMMOBILIE Stimmt’s?


Das »Leaky Gut Syndrome« ist
ein echtes medizinisches Leiden
»Leaky Gut« ist Englisch und bedeutet Es gibt Tests, mit denen man die
auf Deutsch »undichter Darm«. Die Durchlässigkeit der Darmwand messen
Vorstellung dahinter, die von allerlei kann. Die Patienten bekommen eine
Alter­na­tiv­medi­zi­nern propagiert wird: Lösung mit zwei Zuckerstoffen zu trin-
Durch so ein Leck im Darm können ken, und anschließend wird die Konzen-
Bakterien und Giftstoffe in den Rest des tration dieser Zucker im Urin gemessen.
Körpers gelangen und da alle möglichen Es ist umstritten, ob diese Tests über-
Dinge anrichten, angefangen von Ent- haupt aussagekräftig sind und die
zündungen bis hin zu Phänomenen wie Durchlässigkeit des Darms korrekt mes-
dauernder Müdigkeit, Depression und sen. Vor allem aber bleibt die Frage, was
sogar Autismus. Sobald von Autismus- für Konsequenzen man aus dem Ergeb-
Ursachen die Rede ist, schlägt mein nis ziehen soll – eben weil die behaupte-
Bullshit-Detektor aus (man denke an ten Zusammenhänge mit allerlei Leiden
das Gerücht, Impfungen hätten etwas nicht bewiesen sind. Ganz fragwürdig
damit zu tun!). wird es, wenn der »Leaky Gut« nicht nur
Unser Darm ist nicht vollkommen dia­gnos­ti­ziert wird, sondern gleichzeitig
dicht. Das wäre auch schlecht, denn die eine Therapie dagegen angeboten wird,
Nährstoffe aus der Nahrung müssen ja meist in Form von überteuerten Nah-
in unseren Körper gelangen. In der rungsergänzungsmitteln. Dass durch
Darmwand gibt es winzige Öffnungen, solche Mittel die Löcher in der Darm-
die Moleküle bis zu einer gewissen Di- wand wieder schrumpfen würden, dafür
mension durchlassen, und bei manchen gibt es nun wirklich überhaupt keine
Krankheiten sind die tatsächlich vergrö- Anhaltspunkte.
ßert. Ein Beispiel ist die Zöliakie, die Insgesamt ist dieses »Leaky Gut Syn-
Gluten-Intoleranz. Bestimmte Proteine drome« also eine ziemlich windige Sa-
können dann die Darmwand passieren che. Erstens ist es sehr fraglich, ob es
und eine Autoimmunreaktion auslösen. den entsprechenden Zustand überhaupt
An der Berliner Waterkant – 60 % vergeben Unklar ist, ob diese vergrößerten Öff- gibt. Zweitens gibt es keinerlei Belege
EIN BEITRAG VON flutete und funktional gestaltete Wohnun- bereits vergeben, noch sind aber alle nungen eine Folge der entsprechenden für einen Zusammenhang mit irgend-
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DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 WISSEN 39

Ökologie

E An der Grenze
ine Katastrophe birgt immer auch dass sie in der Ursachenforschung nicht darüber­ In Deutschland hingegen pocht man auf eine
Hoffnung. Bezeichnet das Wort hinausgehen.« Bereits Ende August hatte das IGB die Erholungspause für den Fluss. Damit wäre man
doch nicht nur großes Unglück, Zusammenhänge belegt. Offen bleibt bis heute die bei dem Thema, das Umweltministerin Lemke
sondern auch einen Wendepunkt. Frage: Warum der plötzliche Anstieg des Salzgehalts? »den Elefanten im Raum« nennt. Im Jahr 2015
Wenn das Schlimmste eingetreten Beim deutschen Bericht fällt auf, dass er quasi an haben Deutschland und Polen den Ausbau der

der Aufklärung
ist, kann es eigentlich nur noch der Staatsgrenze haltmacht. Keine Proben, keine Oder für größere Schiffe verabredet. Die polnische
besser werden. Oder? Pegelstände aus Polen finden sich darin. Selbst die Regierung sieht darin ein lohnendes Infrastruktur-
Den deutsch-polnischen Grenzfluss Oder hat vor Ursache für jene Welle, welche die Salzfracht Anfang projekt. In Deutschland gibt es große Zweifel an
rund zwei Monaten eine ökologische Katastrophe August nach Deutschland gespült hat, wird ausge- der Wirtschaftlichkeit und – nicht erst seit dem
heimgesucht, als Hunderte Tonnen toter Fische auf spart. Forscher und Umweltschützer in beiden Län- Fischsterben – an der ökologischen Verträglich-
dem trüben Wasser trieben. Angler, die damals mit dern gehen davon aus, dass sie aus Einleitungen der keit. Michael Kellner, grüner Bundestagsabgeord-
Keschern und Gummihandschuhen die verwesenden Bergbauindustrie stammen könnte. Die offiziellen neter für die Uckermark und Staatssekretär im
Tiere aus dem Wasser holten, kämpften abwechselnd Verlautbarungen aus Warschau verweisen aber auf Wirtschaftsministerium, nennt den Ausbau »ein
mit Brechreiz und Entsetzen. Bei den Ermittlungen zum Fischsterben in der Oder große Niederschläge am Oberlauf des Flusses, in Irrsinnsprojekt«. Auch die Umweltministerin for-
Schnell war klar, dass dieses Unglück weiter fluss-
aufwärts, im polnischen Teil der Oder seinen Anfang
bleibt die zentrale Frage offen. Dafür zeigt Tschechien. Ob das stimme, ist im deutschen Bericht dert einen Baustopp. Zwar gehen Wissenschaftler
zu lesen, sei »nachträglich nicht quantifizierbar«. Aus- nicht von einer direkten Bedrohung für die Fische
genommen haben musste. Und dass deutsche Be- sich, wie verschieden die Pläne Deutschlands und Polens wertung von Chlorophyllmessungen aus Satelliten- aus. Allerdings könnten die Bagger gefährliche Alt-
hörden, entgegen international geregelter Melde­ bildern, wie sie das IGB vorgenommen hat und die lasten aus Sedimenten aufwirbeln. Auch könnte
ketten, niemand informiert hatte. Das verlieh der für den Fluss sind  VON MARTIN NEJEZCHLEBA auf einen Beginn der Algenblüte an mehreren Punk- sich in den Ausbuchtungen am Ufer, welche das
Katastrophe eine zweite, eine diplomatische Ebene. ten entlang der polnischen Oder und in Seitenkanä- Wasser in die Mitte der Oder drücken sollen, um
Um diese zum Guten zu wenden und um die Ur­sachen len verweisen, blieben unberücksichtigt.
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für das Fischsterben zu ermitteln, gründeten die­ »Vieles deutet darauf hin«, sagt Sascha Maier vom
deutsche Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland,

Dein Wegweiser
ihre polnische Amtskollegin Anna Moskwa (parteilos) »dass man beim Bericht mehr auf Diplomatie denn
am 14. August eine binationale Expertengruppe. auf Aufklärung bedacht war.« Aus den Reihen der

zum Doktortitel
Am Freitag vergangener Woche hat Lemke die Expertengruppe ist zu hören, dass die deutsch-­
Ergebnisse in Berlin präsentiert. Sie sind ernüchternd. polnische Zusammenarbeit wenig kollegial verlief,
Das fängt damit an, dass es nicht einen Bericht gibt, dass angefragte Daten zurückgehalten worden seien.
sondern zwei. Einen polnischen. Einen deutschen. Das Umweltministerium in Warschau vermeldet,
Und letzterer endet dort, wo er eigentlich anfangen man sei immer von separaten Berichten ausgegange-
sollte: bei der Ermittlung der Ursachen in Polen und nen. Steffi Lemke schreibt auf Anfrage der ZEIT, Jetzt
was dabei noch alles fehlt. Das wirft zwei Fragen auf. nicht wie viele Berichte es gebe, sei entscheidend, kostenlos
Erstens: Wird man je den Verantwortlichen finden? sondern gemeinsame belastbare Ergebnisse. »Nur lesen!
Zweitens: Kann sich das wiederholen? Wer die Be- wenn wir die Ursache kennen, können wir verhin-
richte studiert, sich mit Forschern und Politikern dern, dass sich eine solch verheerende Umweltkata-
unterhält, wird dies folgendermaßen beantworten. strophe wiederholt.« Das gelte über die Oder hinaus.
Herausfinden: Kaum. Wiederholen: Ja. Schadstoffeinleitungen seien in vielen Flüssen Eu-
Es wurde durchaus Aufwand betrieben, um die ropas genehmigt, aber durch die Klimakrise wirkten
Oder-Katastrophe aufzuarbeiten. Dutzende Wissen- sie sich offensichtlich anders auf die Ökosysteme aus
schaftler untersuchten Tausende Proben, jeweils in als bisher. An der Oder müsse ermittelt werden, wie
Deutschland und in Polen. Zum Teil decken sich die es zu den Einleitungen »enormer Salzfrachten« kam. In Kooperation mit:
Ergebnisse: Der Fluss war im Untersuchungszeitraum Ohne Polen wird das nicht gehen. Dort verweist
mit allen möglichen Schadstoffen verunreinigt, belas- man auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Zwar
tend für das Ökosystem, aber normal, jedenfalls nicht plädieren beide Seiten dafür, Genehmigungen zu www.zeit.de/promotionsratgeber
tödlich. Verursacht hat das Fischsterben vielmehr ein überprüfen und mehr zu messen. Was genau sich
natürliches Gift, das eine Alge namens Prymnesium ändern könnte, bleibt aber offen. Ökologen fordern,
parvum produziert. So starben massenhaft Muscheln nicht mehr pauschal bestimmte Abwassermengen zu
und andere Weichtiere, lösten sich die Kiemen der erlauben, sondern sie von der Konzentration heikler
Fische auf, bis diese erstickten. Verursacht habe die Stoffe im Fluss abhängig zu machen. dort die Fließgeschwindigkeit zu erhöhen und das
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rasante Vermehrung der Alge ein Mix von Faktoren: Die politischen Folgerungen aus der Katastrophe Flussbett zu vertiefen, das Wasser im Sommer
Foto: Annegret Hilse/Reuters

Niedrigwasser etwa, hohe Temperaturen und vor Die Bundesministerin indes könnten kaum unterschiedlicher sein. So ruft noch stärker aufheizen. Jetzt, da die gefährliche
allem eine extreme Erhöhung des Salzgehalts. »Beide für Umwelt, Steffi Polen zum »Kampf gegen die Algen« auf. »Ausge- Alge nun mal im Fluss ist, droht sie sich bei der
Berichte«, sagt Tobias Goldhammer, Biogeochemiker Lemke (Grüne), mit wählte chemische Substanzen, Mineralien, Nährstoff- nächsten Hitzewelle erneut zu vermehren.
am IGB Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Freiwilligen, die manipulationen und Einzugsgebietsspülungen« Der Ausbau der Oder würde eben keinen Wende-
Binnenfischerei in Berlin, »liefern einen Nachweis tote Fische bargen könnten deren Giftigkeit verringern. Noch fehlten punkt, keine Hoffnung bedeuten, sondern im Gegen-
für die tödliche Wirkung der Alge. Es ist aber schade, aber Hinweise, ob dies in der Oder funktioniere. teil eine katastrophale Dauerschleife.

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11. Jahrestagung 5. und 6. September 2022

House of Pharma & Healthcare Goethe-Universität, Campus Westend


Frankfurt am Main

DiGAs helfen dabei, Krankheiten zu vermeiden, zu erkennen und zu Für eine konkurrenzfähige pharmazeutische Industrielandschaft in »Jetzt brauchen wir ein Upgrade, um die Apotheke 2.0 zu werden«, Eine dauerhafte Interaktion zwischen Academia und Industrie und der
behandeln. So bieten etwa die Online-Therapieprogramme von Selfapy Europa sind starke Netzwerke und innovationsfreundliche Rahmen- betonte der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein zur Eröffnung. digitale Austausch von Informationen bringt die Entwicklung innovativer
schnellen Zugang zu psychologischer Versorgung. bedingungen entscheidend, so ein Fazit der Podiumsdiskussion. »Wir wollen, dass dieser Fortschritt hier bei uns geschieht.« Arzneimittel in Deutschland voran.

Man muss es nur wollen: Gemeinsam forschen von der Idee bis zum Produkt
Ein wichtiges Thema der 11. Jahres- miebedingten Pause von drei Jahren es in Deutschland keine Würdigung USA. Wir müssen europäischer den- Landesleiterin Deutschland von Deutschland voranzutreiben. »In den
tagung des House of Pharma & Health- trafen sich die Teilnehmer:innen erst- der Forschungsleistungen der for- ken, wir brauchen stärkere Netzwerke Boehringer Ingelheim Pharma, klar USA gibt es eine dauerhafte Inter-
care war der Kabinettsbeschluss für mals wieder live, um sich in hochkarä- schenden Pharmaindustrie gibt, son- und bessere Rahmenbedingungen, und führte aus: »Der Patentschutz aktion zwischen Academia und Indus-
das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, tigen Vorträgen, Podiumsdiskussionen dern eine rein kostengetriebene Dis- damit Innovationen viel schneller in droht aufzuweichen. Patente sind trie«, betonte Prof. Dr. Heyo Kroemer,
mit dem die Bundesregierung das und Workshops über die aktuelle Lage kussion.« Er zeigte auf, wie sich die den Transfer gehen«, betonte Prof. Brot und Butter der Forschung. Wir der Vorstandsvorsitzende der Cha-
Defizit der gesetzlichen Krankenkas- und zukünftige Entwicklungen in massiven Eingriffe in die Preisfindung Dr. Ulrike Köhl, die das Fraunhofer- brauchen in der EU Kooperationen, rité – Universitätsmedizin Berlin – und
sen ausgleichen will. »Das, was dieses Deutschland und der EU zu informieren auf die Entwicklung von neuen The- Institut für Zelltherapie und Immuno- Unterstützung, gute Standortpolitik bald auch hier. Die Charité will zusam-
Gesetz regelt, ist pures Dynamit«, und auszutauschen. rapien, die Versorgungssicherheit und logie leitet. Und noch ein Fakt: Nur und Forschungsförderung.« men mit dem Pharmakonzern Bayer
sagte Hessens Ministerpräsident Boris den Innovationsstandort Deutschland 30 Prozent der Wirkstoffe für Arznei- ein Zentrum errichten, um gemeinsam
Rhein zur Eröffnung. Das Vorhaben Innovation und Translation auswirken könnten und kam zu dem mittel werden in Europa hergestellt. Zusammenarbeit an der Zell- und Gentherapie zu for-
gefährde Innovationskraft und In- Schluss: »Die geplanten Änderungen Für Dr. Kai Rossen, Chief Scientific und Digitalisierung schen. »Diese Form einer Zusammen-
vestitionskraft der Pharmabranche Die Bundesministerin für Bildung und des Arzneimittelmarktneuordnungs- Officer des Wirkstoffherstellers arbeit ist etwas fundamental Neues
und letztendlich die Sicherheit der Forschung Bettina Stark-Watzinger gesetzes müssen aus dem Gesetzes- EUROAPI Germany, ist das »eine der Und wie sieht es mit den Rahmen- in Deutschland.« Entscheidend für die
Arzneimittelversorgung. war bei der Jahrestagung des House entwurf raus, sie sind innovations- erschreckendsten Entwicklungen der bedingungen für die Entwicklung Zukunft seien neben der Zusammen-
of Pharma & Healthcare virtuell zu- feindlich und würden uns um Jahre letzten Dekade. Der gesellschaftlich innovativer Arzneimittel in Deutsch- arbeit insbesondere die Digitalisie-
Hessen habe mal als Apotheke Europas gegen: Im Videogespräch mit Jan zurückwerfen.« Seine Vision für die gewollte Preisdruck auf Medikamente land aus, etwa wenn es um Gen- und rung, der Austausch von Informatio-
gegolten, aber: »Jetzt brauchen wir Schweitzer, ZEIT-Redakteur im Ressort Zukunft stellte er ebenfalls kurz vor: hat dazu geführt, dass es betriebs- Zelltherapeutika für die Heilung sel- nen und die Nutzung von Daten,
ein Upgrade, um die Apotheke 2.0 zu Wissen, erläuterte sie, wie Translation »Wir müssen lernen, Innovation als wirtschaftlich sehr schwer geworden tener und schwerer Erkrankungen waren sich die Expert:innen einig.
werden«, so der Ministerpräsident. und Innovation am Gesundheitsstand- Prozess wertzuschätzen. Wir müssen ist, in Europa herzustellen«. Aber: geht? »Seit 2018 sind zwölf Gen- und »Am Ende der akademischen For-
Hessen wolle seine Spitzenstellung in ort Deutschland vorangebracht wer- eine Forschungsförderung entwickeln, »Die Hersteller sind in der EU grund- Zelltherapeutika zugelassen worden, schung steht ein Erkenntnisgewinn,
diesem Bereich weiterhin sichern und den. Und wie sehen die Entwicklungs- die Public Private Partnership massiv sätzlich konkurrenzfähig. Man muss alle von den USA«, sagte Dr. Martina der etwa als Paper veröffentlicht
ausbauen. Ein positives Signal gleich chancen für den Pharmastandort nach vorne bringt, müssen die Chan- es nur wollen«, so Rossen. Auch Schüßler-Lenz, Vorsitzende des Aus- wird«, sagte Prof. Dr. Jochen Maas,
zur Eröffnung der Jahrestagung des Deutschland aus? Mit Blick auf die cen der Digitalisierung besser nutzen Boehringer Ingelheim produziert zu schusses für neuartige Therapien bei Vizepräsident der House of Pharma
House of Pharma & Healthcare, die als Auswirkungen des geplanten GKV- und Partnerschaften vorantreiben.« 80 Prozent in Europa und betreibt der Europäischen Arzneimittel-Agen- & Healthcare e. V. »Dieser Erkenntnis-
eine der führenden Pharmakonferen- Finanzstabilisierungsgesetzes sagte Klare Positionen gab es auch in F&E-Stätten in Deutschland. »Das tur (EMA). Wie die Diskussion zeigte, gewinn alleine nutzt dem Patienten
zen Deutschlands Expert:innen und Olaf Weppner, Vice President und der Diskussion über die Konkurrenz- geplante Gesetz hat Auswirkungen braucht es die Zusammenarbeit von relativ wenig – es muss auch ein Pro-
Entscheider:innen aus allen Bereichen General Manager Commercial Ger- fähigkeit der Pharmaindustrie in auf ganz Europa. Für uns ist Gesund- akademischen und privaten For- dukt bei ihm ankommen. Wir brau-
der Gesundheits- und Pharmabranche many der AbbVie Deutschland GmbH Europa. »90 Prozent der klinischen heitspolitik immer auch Standort- schungsunternehmen, um die Ent- chen gemeinsame Projekte – und zwar
zusammenführt. Nach einer pande- & Co. KG: »Wir sehen ganz klar, dass Studien entstehen in China und den politik«, stellte Dr. Sabine Nikolaus, wicklung innovativer Arzneimittel in von der Idee bis zum Produkt.«

In Zusammenarbeit mit: Mitveranstalter: Premium Partner: Premium Partner: Ein Event von:
40 WISSEN 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Informatik

Sie errechnen unsere Wirklichkeit


Modellierer zeigen uns mögliche Zukünfte – bei Corona, Klima und in tausend Alltagsfragen.
Was muss man über ihr Handwerk wissen?  VON GERO VON RANDOW

S
ie wissen, was kommt. Ein biss­ fest, kann man schrittweise die Entwicklung­ deren globale Eigenschaften sich in Formelzeichen eine der größten Fehlerquellen. Beispielsweise in
chen wenigstens. Genug, um ge­ eines Seuchenzugs simulieren. gießen lassen. Zustände von ­Gasen beispielsweise den Klimarechenzentren, wo die Atmosphäre als
hört zu werden. Genug, um ge­ Grob vereinfachend ist das SIR-Modell, weil werden nicht Molekül für Molekül nachgebildet, dreidimensionales Netz dargestellt wird; Werte
hasst zu werden. Genug, um in es weder mehrmalige Infektionen erfasst noch sondern mit Größen wie Druck, Volumen, Masse werden jeweils für die Knotenpunkte berechnet.
den vergangenen Jahren in un­ neu auftretende Mutationen und auch nicht den und Temperatur beschrieben. Die Beziehungen Doch schon in die Entscheidung, welche Gestalt
zähligen Talkshows aufzutreten Umstand, dass manche Infizierte nicht oder zu­ zwischen diesen Größen werden von den soge­ das Netz anzunehmen hat, fließen Annahmen
und dort über den möglichen mindest nicht sofort ansteckend sind. Covid- nannten Gas­gleichungen modelliert. ein. Wie eng geknüpft soll es in der äußersten
Verlauf der Pandemie zu berichten. Die »Model­ Modellierer erweiterten ihre Gleichungssysteme In anderen Fällen blicken Modellierer sehr Atmosphärenschicht sein, an den Polen oder
lierer«. Jene Wissenschaftler, die mithilfe von­ daher um Aspekte wie Impfungen, Quarantäne­ wohl auf die lokale Interaktion ein­an­der benach­ über den Hochgebirgen? Kostet ja alles Rechen­
Simulationen erkunden, wie die Zukunft aus­ regeln oder Mobilitätsdaten. barter Elemente eines Systems und beschreiben kraft, also Zeit und Geld.

D
sehen könnte. Daran sieht man: Die Kunst des Modellierens deren Gesetzmäßigkeiten: rechts vor links im
Selten war eine mathematisch arbeitende besteht darin, eine richtige Strategie zu entwer­ Straßenverkehr zum Beispiel. Es gibt etliche­ urch die Maschen können über­
Wissenschaft dermaßen prominent. Und sie fen. Lange bevor die erste Formel niedergeschrie­ Phänomene, die nur als Ergebnis vieler Wechsel­ dies viele Daten schlüpfen. Um
wird es bleiben, wegen der Klimakatastrophe. ben ist, sind grundsätzliche Entscheidungen zu wirkungen zwischen jeweils wenigen Individuen die Transportprozesse der Atmo­
Um der zu begegnen, sind ebenfalls Modelle und treffen: Welches Stück Wirklichkeit soll unter­ begriffen werden können, etwa den Nestbau sphärenchemie realistisch darzu­
Simulationen unerlässlich. Und weil sowohl­ sucht werden? Wo liegen seine Grenzen? sozialer Insekten wie Wespen, bei dem eine stellen, wäre manchmal eine­
Corona- als auch Klimapolitik drastisch in das Welche Faktoren wirken von außen ein? Wespe darauf reagiert, dass eine andere in Maschengröße von zehn Zentimetern nötig, zur­
Leben der Bevölkerung eingreifen, wird ein Wenn Umweltwissenschaftler zum Bei­ ihrer Nähe dem Nest etwas hinzugefügt zeit sind aber schon einige Kilometer ein avant­
Grundverständnis dessen, was Modellierung ist, spiel die Flora und Fauna eines Fluss­ hat. Derartige Vorgänge werden von gardistisches Ziel. Viele lokale Vorgänge kleine­
was sie vermag und was nicht, zur demokrati­ gebiets modellieren wollen, müssen »agenten­ basierten Systemen« simu­ ren Umfangs werden daher »parametrisiert«, wie
schen Notwendigkeit. sie sich fragen: Welcher Abschnitt liert, die oft auf ­einfachen Regeln es in der Fachsprache heißt: Die Forschenden
Anderenfalls übernehmen die Populisten. wird betrachtet, wie weit soll die beruhen und dann massenhaft legen fest, mit welchen Werten Zuflüsse von
Wie das aussieht, davon gab die Bild-Zeitung im Uferzone einbezogen werden, durchgerechnet werden. Gletschern und Strömen in die Ozeane, Turbu­
vergangenen Winter einen Vorgeschmack: Die sind Niederschläge, Tempe­ Ein Beispiel dafür: Die lenzen in Wind und Wasser, die Lichtreflexion
Modellierer Viola Priesemann, Dirk Brockmann raturen, Sonneneinstrah­ Soft­
ware beschreibt ein von Schnee oder die Emissionen von Siedlungen
und Michael Meyer-Hermann wurden auf der lung zu berücksichtigen? Netz mit vielen Knoten, und vieles mehr zu Buche schlagen sollen.
Titelseite als »Die Lockdown-Macher« an den Die elementare Fra­ die zwei Zustände ken­ In diesen Voreinstellungen steckt also eben­
Pranger gestellt. Dieses Trio habe die »Knallhart- ge lautet natürlich, nen, aktiv und passiv, falls Theorie, oder auch: informiertes Raten,
Maßnahmen ausgetüftelt«, und zwar »mit Physik-­ ob das betreffende und wenn ein ­Kno­ und natürlich können sie fehlerhaft sein. Da­
Modellen«. Wissensgebiet ten von ak­tiven rauf ist insbesondere beim sogenannten Tuning
Nun klingt »mathematische Modellierung« mit dem heu­ Nachbarn um­ der ­Klimamodelle zu achten, also wenn so lange
tatsächlich ein bisschen nach Geheimwissen tigen Kennt­ geben ist, an den Parametern herumgedreht wird, bis das­
und Zahlenzauber, hochwirksam und undurch­ nisstand wird er Ergebnis der Simulation zu den Messwerten aus
schaubar. Und es stimmt ja, sie durchdringt über­ ebenfalls der echten Welt passt, etwa zu historischen­
unseren Alltag auf eine Art, die nur wenigen haupt aktiv. Datenreihen, wie sie Eisbohrkernen zu entneh­
bewusst ist. Bewährt hat sie sich freilich schon der Mit men sind. Das mag dann ein gutes Zeichen sein,
seit langer Zeit. Auf ihr beruhen Chemiefabri­ ein sicheres ist es nicht. Denn es gilt ein Grund­
ken und Raumfahrtexperimente, Wettervorher­ prinzip der Logik: Auch aus etwas Falschem
sagen und Assistenzsysteme für Autos; sie wird lässt sich Richtiges folgern. So kann ein fehler­
in der medizinischen Forschung und in der Bau­ haftes Modell streckenweise zu richtigen Ergeb­
akustik eingesetzt, in der Verkehrsleitplanung nissen führen.
und der Logistik, der Strom- und der Was­ Umfangreiche Simulationen sind häufig
serwirtschaft. Und als im Sommer die kollektive Anstrengungen. In den großen
Zunft der Modellierer zu einer interna­ Erdsystemmodellen beispielsweise wer­
tionalen Tagung in Wien zusammen­ den die Programme für G ­ ewässer, Eis-
kam, da waren die Themen bunt, und Luftschichten, die Böden, die
reichten von Herzkammern über Biosphäre im weiteren Sinn oder
Espressomaschinen bis zu Dach­ gar die menschliche Ökonomie
begrünungen. Die angewand­ mit­­ein­an­der gekoppelt, und
ten Methoden waren ein­an­ zwar mit einer ­ eigens ent­
der stets ähnlich. worfenen »Coup­­ling-­Soft­
Wie modelliert man ware«, die natürlich ih­
die Wirklichkeit mit rerseits auf An­nahmen
Mathematik? Neh­ fußt. Derarti­ge Erd­
men wir ein betagtes systemmodelle sind
Beispiel, die Newton­ internationale Koopera­
sche Bewegungsgleichung tionen von Forschungs­
F = m*a. F ist die Kraft, die institu­tionen, deren Simula­
auf einen Körper wirkt, m ist tionsprogramme unterschied­
seine Masse, a seine Beschleuni­ lichen Zeiten, Autorinnen und
gung. Wenn wir etwa wissen wol­ Programmierstilen entstammen.
len, warum sich ein Objekt in ei­ Kurz: mögliche Fehlerquellen­
nem bestimmten Maß beschleunigt, allenthalben. Unterhalb der konsensua­
dann suchen wir eine entsprechende len Grundaussage, dass der Mensch das
Kraft. Sie wird umso größer sein, je mehr Klima ruiniert, liefert die mit Mil­liar­den­
Masse das Objekt hat. Wir können auch auf­wand betriebene Klimamodellierung des­
herumprobieren, indem wir für m unter­ halb oft unsichere oder von­ein­an­der abweichen­
schiedliche Werte einsetzen. Wir manipulieren de Ergebnisse. Die Community der Klimamodel­
also Variablen nach festgelegten Regeln, indem lierer verschweigt diesen Umstand keineswegs,
wir Zahlenwerte in die Formel einsetzen und weist aber darauf hin, dass der Konsens gleich­
das Ergebnis ausrechnen: Es ist dann eine Aus­ wohl alarmierend ist. Die V ­ eröffentlichungen des
sage über eine mögliche Wirklichkeit. For­ der­ ­Weltklimarats IPCC enthalten viele Angaben über

A
mali­ artigen Unsicherheiten, und just deshalb darf seinen
nders gesagt: Wir hatten ein allge­ sierung Model­ Schlussfolgerungen vertraut werden; würfen die
meingültiges Modell von Zusam­ zugänglich len werden Wissenschaftler stattdessen mit Gewissheiten um
menhängen in der Wirklichkeit, ist. Wenn ja: Phänomene sich, wir müssten ihnen mit äußerster Skepsis­
nämlich die Newtonsche Glei­ Kennen wir es wie die Radika­ begegnen.
chung, und haben mit seiner Hilfe gut genug, um lisierung von Be­ Letztlich präsentieren Modellierer aller Art
eine spezifische Möglichkeit simuliert. Das ist ein plausibles Mo­ völkerungsgruppen nur Möglichkeiten und zuweilen Wahrschein­
Modellierung. dell zu entwerfen? oder das Entstehen lichkeiten. Im besten Fall sogar solche, die sich
Ein mathematisches Modell ist eine ver­ Wie valide sind die von Paniken simuliert. der Grenze der Gewissheit nähern. Doch über­
einfachte Darstellung der Wirklichkeit. Wenden Daten, die wir eingeben Das alles kann sehr re­ schreiten sie diese Grenze nie, außer in trivialen
wir F = m*a auf einen realen Vorgang an, dann wollen, sind sie umfassend chenintensiv werden. Welt­ Fällen. Weshalb es stets Durchblicker gibt, die
tun wir so, als könnten wir die Masse oder die genug? weit wurde im vergangenen das Ganze abtun, wie etwa den FDP-Politiker
Beschleunigung exakt messen und nicht bloß Wenn es endlich daran­ Jahr Simulationssoftware im Wolfgang Kubicki, der es fertigbrachte, sich über
annäherungsweise. Mehr noch, wir sehen zu­ geht, die Gleichungen aufzu­ Wert von schätzungsweise 13,25 Corona-Modelle so zu äußern: »Statt Modellie­
meist von diversen Kräften ab, die ebenfalls im schreiben, stellen sich neue Fra­ Mil­liar­den Euro verkauft. Längst rungen brauchen wir ein besseres und feinglied­
Spiel sind, etwa vom bremsenden Luftwider­ gen. Oft erlauben die Formeln keine stehen der Allgemeinheit Simula­ rigeres Monitoring. Weil wir uns nicht nur an
stand. eindeutige Lösung. Weil der Rechen­ tionsprogramme wie zum Beispiel Annahmen, sondern auch an der tatsächlichen
Eine krasse Vereinfachung ist auch das soge­ aufwand zu groß wäre oder aus prinzi­ Simu­link zur Verfügung, die schon auf Situation orien­tie­ren müssen.« Das war die Ver­
nannte SIR-Modell, das den meisten epidemio­ piellen Gründen, denn Differenzialglei­ einfachen Laptops interessante Ergebnisse weigerung vorausschauenden Handelns.
logischen Simulationen zugrunde liegt. Als die chungen lassen sich häufig nur annäherungs­ liefern können und sich dank eingängiger Der weitverbreitete Einwand, Klimaforscher
Dynamik und die Risiken der Corona-Pande­ weise lösen. Dann stellen sich die Fragen, wie Grafiken leicht bedienen lassen. Am anderen oder Epidemiologinnen hantierten bloß mit­
mie noch sehr unklar waren, gab dieses Modell genau die Annäherung sein soll und wie viel Ende stehen Supercomputer, deren Leistung Modellen, enthält die Forderung an die Natur­
den Gesundheitspolitikern Entscheidungshilfe. Rechenzeit das kosten darf. In der Klimawissen­ sich anschaulich nicht mehr beschreiben lässt, wissenschaft, der Politik Gewissheiten zu ver­
Es teilt die Bevölkerung grundsätzlich in drei schaft ist diese Zeit ein knappes Gut, das in ferner fortgeschrittene Programmiertechniken schaffen, anderenfalls tauge sie nicht viel. Darin
Gruppen: die »Suszeptiblen« (S), also die Großrechenzentren verteilt wird. wie Maschinelles Lernen sowie am Horizont die zeigt sich vielleicht weniger ein Erkenntnis­
Ansteck­baren, die Infizierten (I) und die aus Die gewählten Methoden müssen außerdem Quantencomputer. problem als vielmehr ein psychologisches. Um
dem Geschehen entfernten Individuen (R, für zum untersuchten Gegenstand passen. Ein flie­ Simulation, diese neue Kulturtechnik, wird Unsicherheit auszuhalten, muss man eben selbst
removed) – die sind entweder immun oder tot. ßendes Phänomen wie das sich verändernde Ma­ nun zuweilen als gleichberechtigte Quelle der einigermaßen stabil sein. In Krisenzeiten fällt das
Jedes Individuum kann diese drei Zustände gnet­ feld eines schnell rotierenden Neutronen­ Erkenntnis aufgezählt neben Theorie und Ex­ nicht leicht.
durchlaufen. Die Dynamik der Übergänge zwi­ sterns (Pulsar) berechnet man mit anderer Mathe­ periment, den Ackergäulen der Wissenschaft. »Vor der Hacke ist es duster«, wie man im
schen S, I und R hängt insbesondere davon ab, matik als eine stückweise sich wandelnde Größe, Doch das ist falsch. Denn – siehe Newtons­ Ruhrgebiet sagt: Menschliches Handeln voll­
wie ansteckend der Krankheitserreger ist. Oder etwa die Fahrzeugdichte an einer Kreuzung. Be­ Gleichung – Simulation ist letztlich Theorie. zieht sich stets unter Ungewissheit. Sie kann aber
wie eng der Kontakt der Individuen un­ter­ein­an­ steht das zu untersuchende Gebiet aus vielen Ele­ Und damit unterliegt sie auch den Schwächen verschiedene Grade annehmen. Diesen Grad zu
der ist, also ob sie beispielsweise in Brandenburg menten, stellt sich wiederum die Frage, ob man aller Theorie. Programmier- und Hardwarefehler verringern ist die große Leistung mathematischer
oder in Berlin wohnen. Liegen diese Umstände diese zu großen Gruppen zusammenfassen kann, kommen hinzu, aber die Abstraktion selbst ist Modellierung. Etwas Besseres haben wir nicht.

Der Blick in die Zukunft, von Sandro Rybak für DIE ZEIT als bunte Retrofantasie interpretiert
6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41 41

STELLENMARKT
Die Position:
Wettet nicht gegen die Zukunft!
Lässt die Politik die Wissenschaft auf den Energiekosten sitzen, leidet die Innovation  VON TANJA BRÜHL UND ANGELA ITTEL
Die aktuelle Energiekrise sorgt für Unsicherheit erfolgversprechende Start-ups vorantreiben­ persönlichen Austausch auf dem Campus und Die Allianz führender Technischer Universitä-
und große Besorgnis im deutschen Wissen- wollten. Geld, das wir einsetzen wollten, um Voneinander-und-miteinander-Lernen vorent- ten in Deutschland (TU9) hat ausgerechnet, dass
schaftssystem. Zwar hat die Kultusminister- wissenschaftliche Innovationen zu er­mög­lichen. halten. Zudem können es sich viele Studierende durch die Energiekrise im Mittel für jede ihrer
konferenz beschlossen, die Hochschulen und Unser Land lebt von Brainpower. Hoch­ nicht leisten, ihre Wohnung, ihr WG-Zimmer zu Universitäten jährliche Mehrkosten von mehr als
Forschungseinrichtungen analog zu den Schu- schulen leisten einen enormen Beitrag dazu, dass heizen. Gerade jetzt bedürfen sie eines Orts, an 20 Millionen Euro entstehen werden. Für Wissen-

Foto: Philipp Arnoldt


Foto: Katrin Binner

len als »geschützte Kunden« zu behandeln und in Deutschland, dass in Europa Orte der Inno- dem sie lernen können. schaftseinrichtungen sind solche Mehrkosten
damit eine gewisse Versorgungssicherheit her- vation existieren. Die Zukunft Europas steht auf Wir brauchen funktionierende Labore und dramatisch, da jeglicher Entwicklungsspielraum
zustellen. Nicht geschützt sind wir aber vor den dem Spiel, wenn diese Orte ihre Antriebskraft Werkstätten, besonders für die Life-Sciences, eingeschränkt und sogar der laufende Betrieb
immensen zusätzlichen Energiekosten. Diese verlieren. Wissenschaftsinstitutionen brauchen die Natur- und Ingenieurwissenschaften. Dort gefährdet ist, solange die Länder oder der Bund
müssen nun aus Budgets finanziert werden, die daher nun die Unterstützung der Politik. Wenn wird an den Innovationen geforscht, die uns keine Kompensationsmöglichkeiten bieten. Den-
Die Politologin vor der Krise verhandelt wurden. Um das zu Finanzinstitute too big to fail waren, dürfen Mil- mittelfristig gesünder, resilienter und autono- noch wurden sie bei den Milliarden-Hilfspaketen, Die Psychologin
Tanja Brühl veranschaulichen: Technische Universitäten wie lionen Studierende, Forscherinnen, Forscher und mer machen. Eine unzureichende Energie­ die die Bundesregierung bisher geschnürt hat, Angela Ittel
ist Präsidentin der Darmstadt oder Braunschweig haben in diesem Beschäftigte in der aktuellen Krise nicht vergessen versorgung ist da eine Wette gegen die Zukunft: außer Acht gelassen. ist Präsidentin der
Technischen Universität Jahr noch nicht einmal ein Zehntel ­ihres Haus- werden! Sie alle arbeiten und lernen für die­ Denn ohne Innovationen sind wir schlechter Die schnellen Lösungen für die meisten Technischen Universität
Darmstadt halts für Energie aufgewendet. Im kommenden Lösungen für morgen – Wissenschaft ist die­ auf die nächsten Krisen vorbereitet. Probleme der Gegenwart sind wis­sen­schafts­ Braunschweig
Jahr wird es vermutlich ein Viertel bis ein­ Zukunftsbranche schlechthin. Wir brauchen digitale Infrastruktur für­ basiert. Die Politik muss jetzt sicherstellen, dass
Drittel der Mittel sein müssen. Die Zukunft steht in verschiedenen Bereichen Vernetzung und Datenmanagement. Unge­heure der Wissenschaft nicht die Energie für die Zu-
Es geht um Geld, das wir für die Bezahlung auf dem Spiel. Wir brauchen geheizte Hörsäle, Forschungsdatenmengen sind nur mit ent­
­ kunft ausgeht.
unserer Mitarbeitenden, für studentische Hilfs- Seminar- und Lernräume für unsere Studieren- sprechender Großrechnerleistung und potenter­
kräfte, für den laufenden Betrieb von Laboren und den. Nach zwei überwiegend digitalen Corona- Server-Infrastuktur zu bewältigen. Und diese Die Autorinnen leiten die Allianz
Bibliotheken eingeplant haben. Geld, mit dem Jahren dürfen wir jungen Menschen nicht wieder Daten müssen dauerhaft gesichert werden, um führender Technischer Universitäten in
wir Forschung, neue Lehr- und Lernsettings und über einen längeren Zeitraum die Chance auf die Wissenschaft langfristig am Laufen zu h­ alten. Deutschland, die TU9

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Kreativität vereint.
für ein soziales Gesundheitswesen.
Bereichern Sie unser Team als

Controller (m/w/d) Verantwortung für ein soziales Gesundheitswesen – wir übernehmen sie gerne. Der Medizinische Dienst Bund K.ö.R. (vormals MDS e.V.) koordiniert
und fördert die Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste in den Ländern in medizinischen, pflegefachlichen und organisatorischen Feldern.

Schwerpunkt
Außerdem berät er die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) auf Bundesebene in medizinischen und pflegefachlichen Fragen in enger Kooperation
mit den Medizinischen Diensten.

Personalcontrolling
Im Rahmen einer Nachfolgeregelung suchen wir eine*n

Hamburg – Vollzeit Leiter*in für Organisation und Verwaltung (m/w/d)


Es handelt sich um eine bedeutende Führungsposition im Medizinischen Dienst Bund: Unterstützt durch Ihre Teams Finanzen/Controlling, Verwaltung/
Personal und IT-Service sowie in Abstimmung mit dem Vorstand verantworten und gestalten Sie die Organisation und Verwaltung des Medizinischen
Zahlen – Ihre Leidenschaft! Dienstes Bund. Dieser besteht aus rund 100 Beschäftigten mit überwiegend akademischem Hintergrund aus unterschiedlichen medizinischen
· Als Teil unseres mehrköpfigen Controlling-Teams sind Sie verantwortlich für die Berufsfeldern. Der Medizinische Dienst Bund ist seit 2022 eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und nimmt neben der Beratung und Koordination
Sicherstellung des Personalcontrollings. Dabei liegen die jährliche Personalplanung neue regulatorische Aufgaben im Gesundheitswesen wahr. Besonders wichtig ist uns daher der weitere Aufbau einer effizienten und modernen
sowie die monatliche Aktualisierung der Personalkostenentwicklung und der Bei Rückfragen: Organisation unserer Verwaltungsprozesse. Darüber hinaus geht es um die Modernisierung und weitere Digitalisierung unseres Unternehmens
Hochrechnungen in Ihrer Hand. Christin Spitzner, einschließlich des hybriden Arbeitens im Desk-Sharing-Modell. Daneben gehört der interne Service sowie Aufgaben des Facility-Managements eben-
Head of Talent Acquisition falls in die Zuständigkeit dieses Bereiches und garantieren vielseitige und anspruchsvolle Aufgabenstellungen. Sie tragen insgesamt Sorge für eine
· Sie erstellen die Personalkosten für Monats-, Quartals- und Jahresabschlüsse und 040/32 80-266 den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Ausgestaltung der Organisation und Verwaltung und begleiten gesetzliche Aufsichtsprüfungen.
entwickeln unsere Personalkennzahlen stetig weiter.
Zeitverlag Gerd Bucerius Darauf kommt es an:
Ihre Erfahrungen – Ihr Kapital. GmbH & Co. KG, – abgeschlossenes Hochschulstudium im Bereich der Verwaltung (z. B. Master of Public Administration) oder der Betriebswirtschaft mit Schwer-
Buceriusstraße, Eingang punkt Organisation/Planung/Betriebsinformatik (oder vergleichbarer Hochschulabschluss mit entsprechender Zusatzqualifikation)
· Ein abgeschlossenes Studium der Betriebswirtschaft – oder eine vergleichbare Speersort 1, 20095 Hamburg – mehrjährige Berufserfahrung im öffentlichen Dienst – vorzugsweise in der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. im Gesundheitswesen
Qualifikation – sowie mehrjährige Berufserfahrung im Bereich Personalcontrolling – sehr gute Kenntnisse im öffentlichen Verwaltungsrecht sowie im Haushaltsrecht (idealerweise in der Sozialversicherung) mit Kenntnissen im
sind die perfekten Voraussetzungen. Direkt online bewerben:
Vergaberecht
www.zeit-verlagsgruppe.de/
· Mit Ihrer dienstleistungsorientierten Persönlichkeit, Ihrem analytischen – fachliche, organisatorische und disziplinarische Führung und Steuerung des Bereiches mit den verschiedenen Teams
karriere/jobs
Denkvermögen und Ihrer Fähigkeit, komplexe Sachverhalte schnell zu – Identifikation von Optimierungspotenzialen sowie deren strategische Planung und Verantwortung
identifizieren, passen Sie perfekt zu uns. – enge Zusammenarbeit mit den Fachbereichen im Zuge des Schnittstellenmanagements

Ihr Nutzen:
Interessiert? – eine interessante gestalterische Tätigkeit in einem multiprofessionellen Unternehmen mit ausgezeichnetem Betriebsklima, das von gegenseitiger
Wertschätzung geprägt ist
Dann finden Sie unsere vollständige Stellenausschreibung – eine anspruchsvolle Tätigkeit mit weitem Aufgabenbereich und Gestaltungsspielraum mit Verantwortung für 13 Beschäftigte
auf unserer Karriereseite www.zeit-verlagsgruppe.de/karriere. – eine unbefristete Tätigkeit in einer 38,5-Stunden-Woche sowie weiteren attraktiven Arbeitsbedingungen auf tariflicher Basis (Tarifvertrag der
Medizinischen Dienste) mit zusätzlicher betrieblicher Altersversorgung
Wir freuen uns auf Sie! – ein sicherer Arbeitsplatz in angenehmer und moderner Arbeitsatmosphäre im Büropark Bredeney in Essen
– flexible Arbeitszeiten und Möglichkeiten des mobilen Arbeitens

Sie möchten Teilzeit arbeiten? Auch das ist beim Medizinischen Dienst Bund möglich.

Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen und Gleichgestellten sind erwünscht.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Bewerbungen senden Sie bitte bis 28. Oktober 2022 per E-Mail an: bewerbung@md-bund.de

An der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar ist zum nächstmögli-
chen Zeitpunkt die Position als Bei Fragen freuen sich der Vorstand des Medizinischen Dienstes Bund, Dr. Stefan Gronemeyer (0201-8327-127) bzw. Carola Engler (0201-8327-
113), auf Ihren Anruf. Oder informieren Sie sich unter: www.md-bund.de
Online-Redakteur*in (m/w/d) Im Dezernat Gebäudemanagement, Sachgebiet Baumanagement, ist zum
nächstmöglichen Zeitpunkt eine Stelle als
in der Abteilung Presse und Redaktion
Kennziffer 21/2022 Objektverantwortliche:r Bau (m/w/d)
(bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen E 10 TV-L)
zu besetzen.
Den ausführlichen Ausschreibungstext entnehmen Sie bitte unserer Home- auf 2 Jahre (Befristung gem. TzBfG) zu besetzen. Insb. zur Vorbereitung u. Betreuung der Durch-
page: www.hfm-weimar.de/stellen führung von Instandhaltungs- u. Sanierungsarbeiten im Rahmen des Bauunterhaltes u. Kleinem
Ihre Bewerbung können Sie bis zum 01.11.2022 unter Angabe der Kennziffer Baubedarf nach RL-Bau Sachsen im Zusammenwirken mit dem Sächsischen Immobilien- und Bau-
21/2022 auf elektronischem oder postalischem Weg einreichen (siehe ausführ- management werden Bewerber:innen mit erfolgr. Hochschulabschluss als Bauingenieur:in o.
licher Ausschreibungstext). im Fachgebiet der Architektur gesucht. Den vollständigen Ausschreibungstext finden Sie unter:
https://tu-dresden.de/stellenausschreibung/9805
42 STELLENMARKT 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Studium generale Worum geht’s ... in der Agrarpolitik?


BEOBACHTET VON JULIAN FIEBACH VON CHRISTINE PRUSSKY

Das sagt die Professorin Das sagt der Student Gut zu wissen
Agrarpolitik ist extrem komplex. Die Märkte für Landwirt- Im Jahr 2050 werden rund zehn Milliarden Menschen auf Studium: Agrarpolitik und Agrarökonomie gehören im
schaftsprodukte sind hochgradig globalisiert und politisch re- der Erde leben. Für sie nachhaltig genügend Nahrung zu Bachelor­stu­dium der Agrarwissenschaften zu den Pflicht­
guliert. Das ergibt Sinn, weil Ernährungsfragen existenziell für produzieren sollte mit fortschreitender Technik möglich sein. fächern. Vermittelt werden außerdem Grundlagen der
Mensch und Tier sind. Wer sich damit beschäftigt, muss Kom- Um aber endlich das Essen global so zu verteilen und die Pflanzen­wissenschaften, Nutztierwissenschaften und Natur-
plexität schätzen und akzeptieren, dass es nicht die eine große Preise so zu gestalten, dass alle satt werden, dafür ist eine wissenschaften wie Biologie, Chemie und Physik. Mathe-
Lösung gibt. Mein Fach analysiert Probleme wissenschaftlich wissenschaftsbasierte Agrarpolitik der Schlüssel. Für fundierte matik steht auch auf dem Stundenplan.
und generiert damit Wissen für Gesellschaft und Politik. Zu Entscheidungen braucht die Politik die Wissenschaft. Die Beruf: Expertise in der Agrarpolitik wird vielerorts auch­
entscheiden bedeutet immer, zwischen Zielkonflikten abzuwägen: Gesellschaft muss unbedingt nachhaltiger leben! Dazu etwas jenseits landwirtschaftlicher Betriebe benötigt: Jobs finden
So bilden Ernährungssicherheit, Biodiversität, Ressourcen- und beitragen zu können motiviert mich, und ich merke: Mit Absolventinnen und Absolventen zum Beispiel bei interna-
Klimaschutz Konstanten im agrarpolitischen Dilemma. meinem Studium bin ich schon auf dem richtigen Weg. tionalen Organisationen, bei Umweltschutzverbänden und
Lobbyverbänden, aber natürlich ebenfalls in Landes- und
Christine Wieck ist Professorin für Agrarpolitik und Davide Unland studiert im fünften Bachelorsemester Bundesministerien sowie in Institutionen der Europäischen­
landwirtschaftliche Marktlehre an der Universität Hohenheim Agrarwissenschaft an der Universität Hohenheim Union. Die Gehälter variieren.

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Die Stadt Trier sucht


zum 01. Mai 2023 eine/n

Hauptamtliche Beigeordnete / Das Bildungszentrum HVHS Hustedt e. V. ist eine anerkannte Einrich- An der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität
Münster ist eine
tung der Jugend- und Erwachsenenbildung - ein Zentrum für politische
Hauptamtlichen Beigeordneten Bildung mit der lernintensiven und prägenden Atmosphäre einer Heim-
Die Technische Fakultät besetzt im Department Maschinenbau
zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine
für den Bereich Planen, Bauen und Gestalten volkshochschule.
Universitätsprofessur (W3)
(Baudezernent/in) In Zusammenarbeit mit unseren gewerkschaftlichen und zivilgesellschaft-
lichen Bildungspartner*innen führen wir über 350 Seminarveranstaltungen für Pädiatrische Hämatologie und W3-Professur für Kontinuumsmechanik
mit rund 25.000 Teilnehmertagen (TNT) p. a. durch und sind eine der gro- (Schwerpunkt Biomechanik)
Zum Geschäftsbereich der/des Beigeordneten gehören die Bereiche
Stadt- und Verkehrsplanung, Amt für Bodenmanagement und Geoinfor-
ßen Einrichtungen für kritische politische Bildung, für Mitbestimmung und Onkologie
Soziale Demokratie. Unser Internats- und Hotelbetrieb ist auf dem Weg zur im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.
mation, Hochbauamt, StadtRaumTrier sowie die Stabsstellen Klima- und CO2-neutralen Einrichtung. zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu besetzen. Der*Die Stelleninhaber*in
Umweltschutz und Stadtumbau Trier-West mit ca. 370 Mitarbeiterinnen muss das Fach Pädiatrische Hämatologie und Onkologie in Forschung Eine ausführliche Stellenbeschreibung finden Sie online
Wir möchten spätestens zum 01. Oktober 2023 oder früher die Stelle eines
und Mitarbeitern. und Lehre in vollem Umfang vertreten. Mit der Stelle sind Aufgaben als unter fau.info/professuren oder unter dem QR-Code.
geschäftsführenden pädagogischen Leiters (m/w/d) Oberärztin*Oberarzt in der Krankenversorgung der Klinik für Kinder-
Die Wahl erfolgt für die Dauer von acht Jahren unter Berufung in und Jugendmedizin – Pädiatrische Hämatologie und Onkologie – des
besetzen. Wir suchen eine Persönlichkeit, die in der Lage ist, pädagogi-
das Beamtenverhältnis auf Zeit. Die Besoldung richtet sich nach der Universitätsklinikums Münster verbunden.
sche Kompetenz und politische Orientierung mit kollegialer Wertschätzung
Kommunal-Besoldungsverordnung des Landes Rheinland-Pfalz.Danach Die Pädiatrische Hämatologie und Onkologie in Münster ist eines der
zu verbinden.
ist das Amt bei der Einwohnerzahl der Stadt Trier den Be- größten Zentren dieser Art in Deutschland. Die Klinik verfügt über allo-
soldungsgruppen B3/B4 LKomBesVO zugewiesen. Außerdem Gemeinsam mit der Geschäftsführerin für Organisation, Verwaltung so- DIVERSITY-AUDIT
gene Stammzelltransplantations- und Zelltherapie-Programme. Aktuelle DES STIFTERVERBANDES
wird eine steuerfreie Dienstaufwandsentschädigung gezahlt. wie Internats- und Hotelbetrieb und mit dem gesamten Team soll das
Forschungsschwerpunkte sind zelluläre Immun- und Gentherapie sowie ZERTIFIKAT 2019
Bildungszentrum weiterentwickelt werden.
die Entwicklung innovativer Therapien für solide Tumoren des Kindes-
Die Langfassung des Ausschreibungstextes finden Sie unter Der Ausbau der europäischen und internationalen Erwachsenenbildung alters, ZNS-Tumoren und Leukämien/Lymphome.
www.trier.de/stellenangebote ist uns besonders wichtig. Deshalb möchten wir außerdem zum frühest- Gesucht wird eine wissenschaftlich hervorragend ausgewiesene
möglichen Zeitpunkt die Stelle eines Persönlichkeit mit experimentellem Forschungsschwerpunkt in einem
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen sind bis zum
Pädagogischen Mitarbeiters (m/w/d) mit Europa-Kompetenz originellen Thema mit hohem translationalen Entwicklungspotenzial.
23. Oktober 2022 (Ausschlussfrist) an den Oberbürgermeister
Die Person sollte international sichtbar und in den pädiatrisch-onkolo-
der Stadt Trier, Herrn Wolfram Leibe, - persönlich - , für die Arbeitnehmer*innen-orientierte politische Bildung besetzen. Unser
gischen Forschungs- und Studiennetzwerken des Fachgebiets vernetzt
Rathaus, Augustinerhof, 54290 Trier, zu richten. neues Zentrum für Europäische Betriebsräte (ZEB) auf dem Gelände des
sein. Erwartet wird die Zusammenarbeit mit bestehenden anderen
Bildungszentrums bietet für den Aufbau und Durchführung eines Tagungs-
Forschungsschwerpunkten der Fakultät und mit dem Interdisziplinären
und Bildungsprogramms eine optimale Infrastruktur.
Zentrum für Klinische Forschung (IZKF), dem Zentrum für Klinische
Weitere Informationen unter Studien (ZKS) und dem Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin
www.trier.de/stellenangebote www.hvhs-hustedt.de/aktuelles/ausschreibungen sowie eine Anbindung an mindestens einen der etablierten Sonderfor-
Beide Stellen bieten besondere inhaltliche Gestaltungs- und Entwick- schungsbereiche.
lungsmöglichkeiten. Als familienfreundlicher Betrieb unterstützen wir Der*Die Stelleninhaber*in muss das klinische Fach Kinder- und Ju-
kreative Arbeitszeitmodelle. Menschen mit Schwerbehinderung werden gendmedizin mit dem Schwerpunkt Kinder-Hämatologie und -Onkologie
Die Christian-Albrechts-Universität will mehr qualifizierte Frauen für
bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt. fachärztlich in vollem Umfang beherrschen. Sie*Er soll Erfahrungen in
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung Professuren gewinnen.
Schriftliche Bewerbungen bitten wir bis zum 15. November 2022 an: der Entwicklung und Etablierung innovativer und kompetenzorientierter
(BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR)
ist eine Ressortforschungseinrichtung im Geschäftsbereich des Heinz-Hermann Witte, Vorsitzender des Trägervereins HVHS Hustedt e. V., Konzepte der studentischen Lehre in Bezug auf den NKLM nachweisen Am Mathematischen Seminar der Mathematisch-Naturwissen-
Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bau- Zur Jägerei 81, 29229 Celle oder per E-Mail: können. schaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist
wesen und berät die Bundesregierung auf nationaler sowie eu-
personalabteilung@hvhs-hustedt.de Voraussetzungen für die Bewerbung sind wissenschaftliche Leistun- zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine
ropäischer Ebene bei Aufgaben der Stadt- und Raumentwick-
gen, die im Rahmen einer Juniorprofessur, einer Habilitation oder einer
lung sowie des Wohnungs-, Immobilien- und des Bauwesens.
Tätigkeit als wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in an einer Hochschule oder W 3-Professur für Mathematik
Zur Unterstützung des Strukturwandels in Regionen mit außeruniversitären Einrichtung erbracht worden sind. Auf die weite- in den Lebenswissenschaften
Handlungsbedarf, insbesondere in den Kohleregionen, baut ren in §36 des Hochschulgesetzes genannten Voraussetzungen wird
das BBSR ein "Kompetenzzentrum Regionalentwicklung" am zu besetzen.
verwiesen.
Standort Cottbus neu auf. Der Aufbau soll bis Ende 2022 in
einer ersten Etappe abgeschlossen sein. Das Kompetenz- Die WWU tritt für die Geschlechtergleichheit ein und strebt eine Erhö- Die*Der zukünftige Stelleninhaber*in soll ein aktuelles Gebiet der
(reinen oder angewandten) Mathematik in Forschung und
zentrum soll den Strukturwandel in den Kohleregionen wis-
senschaftlich begleiten, Politik und Verwaltung beraten sowie GEH VORAN! hung des Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an. Bewerbun-
gen von Frauen sind daher ausdrücklich erwünscht. Frauen werden Lehre vertreten und die Kooperation zwischen Mathematik und
Erkenntnisse aus vergleichbaren Prozessen im In- und Ausland Lebenswissenschaften vorantreiben.
aufbereiten und für die Kohleregionen nutzbar machen. UND NIMM bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt
berücksichtigt, sofern nicht in der Person des Mitbewerbers liegende Wir suchen eine*n Wissenschaftler*in, die die Aktivitäten des
Das BBSR sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine
ALLE MIT! Gründe überwiegen. Schwerbehinderte werden bei gleicher Qualifikation
bevorzugt eingestellt.
Forschungsschwerpunkts Kiel Life Science (https://www.kls.uni-kiel.
Abteilungsleitung (w/m/d) Professor*innen mit Aufgaben in der Krankenversorgung werden grund-
de/en) mit einem Fokus auf Evolutionsbiologie stärkt. Wünschenswert
sind auch Verbindungen zum Forschungsschwerpunkt Kiel Nano,
„Strukturwandel und Jede Bewegung braucht Menschen, die überzeugt vorangehen. sätzlich in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis beschäftigt (Aus-
nahmen sind möglich, wenn der*die Bewerber*in bereits eine Lebens-
Surface and Interface Science (https://www.kinsis.uni-kiel.de/en).
Wir suchen zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine:n
Regionalentwicklung“ zeitprofessur der Besoldungsgruppe C4/C3/W3/W2 innehatte). Die der Gesucht wird daher ein*e Mathematiker*in, die auf international
sichtbarem Niveau in einem Bereich der Mathematik wissenschaft-
Besoldungsgruppe A 16 BBesO Professur zugeordneten Aufgaben in der Krankenversorgung werden in
einem gesonderten Vertrag mit dem Universitätsklinikum geregelt. lich qualifiziert ist, der die am Fachbereich Mathematik vorhandenen
sowie vergleichbares außertarifliches Entgelt GESCHÄFTSFÜHRER:IN (w/m/d) JOBCENTER
Bewerbungen erfolgen bis zum 03.11.2022 ausschließlich über das Forschungsgebiete sinnvoll erweitert. Mögliche Forschungsgebiete
am Dienstort Cottbus FRANKFURT AM MAIN sind unter anderem:
Online-Portal der Medizinischen Fakultät: https://berufungsportal.
Kennziffer 180-22 (LTD. MAGISTRATSDIREKTOR:IN) uni-muenster.de. Sie können dort die üblichen Unterlagen (Lebenslauf, l Diskrete Mathematik (z. B. genome assembly)

Gesucht wird eine durch ihre Aufgabenidentifikation motivierende sowie integrie- Vollzeit, Teilzeit wissenschaftlicher Werdegang, gegliedertes Schriftenverzeichnis, l Graph/Netzwerktheorie (z. B. zeitliche/dynamische Aspekte)
rende Führungspersönlichkeit mit hoher Methoden- und Sozialkompetenz sowie l Dynamische Systeme (z. B. Populationsdynamik)
ausgeprägten Personalführungskompetenzen. Als kommunikations-, entschei- BesGr. A 16 BesO / EGr. SV TVöD eingeworbene Drittmittel) sowie eine Zusammenstellung der erbrachten
dungs- und verantwortungsfreudige Persönlichkeit verfügen Sie sowohl über aus- Lehrleistungen und ein ausführliches, zukunftsorientiertes Lehrkonzept Eine Promotion im Fach Mathematik (beispielsweise auch in
geprägtes Moderations- und Verhandlungsgeschick als auch über Durchsetzungs- einreichen. Für Fragen wenden Sie sich an den Dekan der Medizi- Biomathematik) ist obligatorisch.
und Organisationsvermögen. Ihr strategisches und wirtschaftliches Denken und Die vollständige Stellenausschreibung
nischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster,
Ihre analytischen und konzeptionellen Fähigkeiten zeichnen Sie aus. finden Sie unter: Die Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit in bestehen-
E-Mail-Adresse: dekanmed@ukmuenster.de.
Der Aufbau und die Profilierung des neuen Kompetenzzentrums sowie die www.StadtFrankfurtJobs.de den und geplanten Forschungsnetzwerken in den Kieler Lebens-
Vernetzung mit den Akteuren des Transformationsprozesses aus Politik, Ver- wissenschaften wird erwartet. Erfahrungen in der Einwerbung von
waltung, Unternehmen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft
bieten spannende Gestaltungsspielräume, um zum Wohle Bewerbungsfrist: 28.10.2022 Drittmitteln sind wünschenswert.
der Menschen in den Kohleregionen zu wirken.
Internationale Erfahrung in der Wissenschaft ist erwünscht. Es wird
Den vollständigen Ausschreibungstext mit ausführlichen Infor- erwartet, dass die*der erfolgreiche Bewerber*in nach angemessener
mationen zu dem Aufgabengebiet, den Anforderungen und
unserem Angebot erhalten Sie unter www.bbr.bund.de.
Zeit in der Lage ist, sowohl grundlegende als auch fortgeschrittene
mathematische Kurse in deutscher und englischer Sprache zu unter-
richten.
www.bbr.bund.de www.bbsr.bund.de Weitere Informationen über die zu besetzende Stelle und die
Forschungseinheit erteilt Prof. Dr. Sören Christensen
Die Hochschule Mittweida ist Sachsens größte Hochschule für Angewandte
(christensen@math.uni-kiel.de).
Wissenschaften mit mehr als 150-jähriger Tradition und derzeit fünf Fakultäten
(Angewandte Computer- und Biowissenschaften, Ingenieurwissenschaften, Auf die Einstellungsvoraussetzungen des § 61 des Hochschulge-
Wirtschaftsingenieurwesen, Medien, Soziale Arbeit). Die Hochschule Mittweida setzes des Landes Schleswig-Holstein wird hingewiesen.
zeichnet sich durch ein ausgeprägtes Innovationspotential und einen hohen
Nähere Informationen hierzu finden Sie auf der Homepage
Internationalisierungsgrad aus.
www.berufungen.uni-kiel.de.
An der Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Mittweida ist zum 01.03.2024 die
folgende Stelle zu besetzen: Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist bestrebt, den Anteil der
Wissenschaftlerinnen in Forschung und Lehre zu erhöhen und fordert
Professur für das Fachgebiet deshalb entsprechend qualifizierte Frauen nachdrücklich auf, sich zu
„Theorien und Profession Sozialer Arbeit“ bewerben. Frauen werden bei gleichwertiger Eignung, Befähigung und
Kennzahl: 55-2021 Besoldungsgruppe: W2 fachlicher Leistung vorrangig berücksichtigt.
An der Hochschule München ist an der Fakultät für Die sich bewerbende Person soll das Fachgebiet in den Bachelor- und Master- Die Hochschule setzt sich für die Beschäftigung schwerbehinderter
Versorgungs- und Gebäudetechnik, Verfahrens- studiengängen „Soziale Arbeit“ der Fakultät sowie in der Forschung vertreten. Menschen ein. Daher werden schwerbehinderte Bewerber*innen bei
Von der sich bewerbenden Person werden besonders folgende Kenntnisse, entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt.
technik Papier und Verpackung, Druck- und Erfahrungen und Kompetenzen erwartet:
Medientechnik ab dem Wintersemester 2023/24 • Geschichte und Theorien Sozialer Arbeit, Ausdrücklich begrüßen wir es, wenn sich Menschen mit Migrations-
• Professionalisierung und Ethik Sozialer Arbeit, hintergrund bei uns bewerben. Auf die Vorlage von Lichtbildern/
oder später folgende Stelle zu besetzen: • Professionspolitik, Bewerbungsfotos verzichten wir ausdrücklich und bitten daher, hiervon
• Geschlechtertheoretische Perspektiven abzusehen.
Professur für integrale Anlagenplanung Professorin/Professor (m//w/d) für Recht
• Methoden der Sozialen Arbeit.
Wünschenswert sind internationale Erfahrungen. Erwartet wird ein abgeschlos- Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Schriften-
und Automatisierungstechnik in der Lehrkraft für besondere Aufgaben (m/w/d) für Recht senes Hochschulstudium in der Sozialen Arbeit, in den Erziehungs- oder Sozi- verzeichnis, Verzeichnis der Lehrveranstaltungen, aussagekräftiges
Forschungs- und Lehrkonzept, Kop pien akademischer Zeug gnisse))
Gebäudetechnik (W2) (Vollzeit – Vergütung nach kirchl. Tarifreecht DIVO ELKB) alwissenschaften sowie eine dem Berufungsgebiet entsprechende Promotion.
Des Weiteren sollen einschlägige Erfahrungen in der Berufs- und Forschungs- werden unter Angabe der Privat- und Dienstadresse mit Telefon-
Kennziffer: BV 0566 Die Evangelische Hochschule Nürnbeerg sucht zum Sommersemester 2023 eine profi- praxis mit starkem Bezug auf die Schwerpunkte der Professur nachgewiesen nummer und E-Mail bis zum 17.11 1.2022 (vorzugsweise in elektroni-
lierte Persönlichkeit, die das Fachgebbiet Recht mit Schwerpunkt Sozialrecht, Recht der werden. scher Form in einer PDF-Datei ann berufungen@mnf.uni-kiel.de)
Erfahren Sie mehr in der detaillierten Stellenausschreibung Gesundheitsberufe sowie Zivil- und Arbeitsrecht vertritt. Die Lehre erfolgt schwerpunkt- Im Rahmen der Professur sind die üblichen fachlichen und überfachlichen Auf- erbeten an den Dekan der Mathe ematisch-Naturwrwissenschaftlichen
w
unter: https://stellen.hm.edu/m9bfg mäßig in den sozial- und gesundheitsswissenschaftlichen Studiengängen, derzeit in den gaben in Lehre, Forschung und Selbstverwaltung zu übernehmen. Zusätzlich Fakultät, Christian-Albrechts-Un niversität zu Kiel, 24098 Kiel.
Bachelorstudiengängen Soziale Arbeitt und Management in der Sozial- und Gesundheits- wird die Bereitschaft vorausgesetzt, Grundlagenfächer im fachlichen Umfeld
Bewerben Sie sich über unser wirtschaft. Bewerbungsschluss ist derr 31.10.2022. des Berufungsgebietes zu lehren. Ein Engagement im Rahmen von arbeitsfeld-
Online-Portal bis zum 31.10.2022. bezogenen Lehrveranstaltungen, Praxisreflexion, Praxisforschung und Praxis-
Weitere detaillierte Informationen zu deer Ausschreibung projektentwicklung wird erwartet.
Wir freuen uns darauf, Sie kennenzulernen! finden Sie auf unserer Karriereseite: ww
ww.evhn.de/karriere
Weitere Informationen zu den Inhalten, Vorausset-
zungen und Bewerbungsmodalitäten der Professur
finden Sie unter:
www.hs-mittweida.de/stellenausschreibungen
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 STELLENMARKT 43

Die Zahl 3½ Fragen an: Christian Voolstra

518.000
1. 2. 3. 3½.
Was brauchen Sie heute im Beruf, Was hat Sie während eines akademischen Lektüre muss sein. Welche? Und sonst so?
was Sie im Studium nicht gelernt haben? Auslandsaufenthaltes besonders beeindruckt? Da ich von Haus aus viel lesen muss, um up to Jeder Mensch hat seine
Viele der Methoden, die wir heute in der Bio­ Mich beeindrucken fortwährend die Hilfs­ ­date zu bleiben, höre ich sehr gerne Podcasts. Beweggründe, die es wert
logie anwenden, haben zu meiner Studienzeit bereitschaft und das Interesse der Menschen. Hier kann ich Sam Harris’ ­Making ­Sense sind, dass man sie er­
Menschen schlossen nicht existiert. Die molekulare Biologie erfindet
sich ständig neu. Man kann alte Probleme mit
Wir erheben viele Daten an entlegenen Orten,
um die Folgen des Klimawandels auf Korallen­
empfehlen. Sein Buch Die moralische
Landschaft: Wie die Wissenschaft menschliche
gründet, statt vorschnell zu­
urteilen. Daran muss ich

2021 Studium oder neuen Ansätzen lösen. Die Menge der Daten,
die wir heute generieren, erlaubt es,
riffe zu untersuchen. Die Menschen dort haben
ein gutes Verständnis der Umweltveränderungen
Werte bestimmen kann zur Objektivität mora­
lischer Werte und Pflichten hat meine Sichtweise
mich öfter erinnern ...

Beobachtungen quantitativ zu erfassen, nicht und wollen zu einer Verbesserung beitragen. geprägt. Harris liefert darin ein Plädoyer dafür,
Promotion ab nur qualitativ. Das erfordert gute Statistik- und
Informatikkenntnisse. Meinen Studenten sage
Auf der Ebene der Politik ist es viel ­schwerer,
diese Motivation in Direktiven umzusetzen.
moralische Grundsätze aus Handlungsweisen
ab­zu­leiten, die geeignet sind, das individuelle
Christian Voolstra, 46, ist
Genetikprofessor an
Das waren mehr Abschlüsse an deutschen ich, dass »auf jede Stunde unter Wasser hundert Deshalb glaube ich an die Macht des Einzelnen. und gleichzeitig das (welt)gemeinschaftliche der Universität Konstanz
Hochschulen als vor Corona. Quelle: Destatis Stunden vor dem Computer« kommen. Veränderung fängt bei uns allen an. Wohlergehen zu fördern. und erforscht Korallen

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Endowed Professorship for EXPERIMENTAL AUDIOLOGY


according to § 99 (1) Universities Act 2002
DAS DUALE HOCHSCHULSTUDIUM
The endowed professorship (extent of employment: 100%) will be assigned to the Department of Hearing, MIT ZUKUNFT.
Speech and Voice Disorders (HSV) at the Medical University of Innsbruck. The appointment will commence
as soon as possible and will be limited to 5 years. Thereafter, the professorship will be assessed, and, if the
evaluation is successful, transferred into a tenured professorship according to § 98 UG (Austrian University Law 2002).
An der Fakultät für Mathematik, Informatik und Statistik der
Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und am Requirements:
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nürnberg • PhD, MD or a comparable qualification Die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) ist mit seit 2014 bündelt sie deshalb ihre Master-Programme am inno-
(IAB) der Bundesagentur für Arbeit ist im Rahmen einer • An excellent scientific track record (i.e. significant research experience, publications, and proven ability to acquire competitive third-
rund 34.000 Studierenden an 12 Standorten die größte Hoch- vativen Bildungscampus in Heilbronn im Center for Advanced
gemeinsamen Berufung zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine party funding in the field of human hearing and speech perception research)
schule Baden-Württembergs und bietet Bachelor- und Master- Studies (DHBW CAS), das in enger Zusammenarbeit mit den
• A profound concept of the research plans the applicant intends to pursue within the framework of the endowed professorship
studiengänge in den Studienbereichen Wirtschaft, Technik, DHBW Standorten als zentrale Einheit der Hochschule agiert.
• Teaching experience and skills
Professur (W3) für Statistik Gesundheit und Sozialwesen an. Gemeinsam mit 9.000 ausge- Inzwischen studieren rund 1.600 Fach- und Führungskräfte in
We offer: wählten Unternehmen sowie sozialen und gesundheitsnahen über 25 dualen Master-Studiengängen in den Bereichen Wirt-
mit dem Schwerpunkt • A well-equipped research infrastructure with a soundproof measurement room, clinical audiometry and the possibility of cooperating Einrichtungen sorgt die DHBW für einen in Theorie und Praxis schaft, Technik, Sozialwesen und Gesundheit. Das Profil des
Datenerhebung und Data Science in with the department´s facilities exzellent qualifizierten Fach- und Führungskräftenachwuchs. DHBW CAS wird ergänzt durch über 57 Zertifikatsprogramme,
• Support from the HSV-clinic´s personnel resources die Intersectoral School of Governance sowie weitere (Inhouse-)
Im Bereich der Wissenschaftlichen Weiterbildung sieht die
der Arbeitsmarktforschung • Opportunity for research cooperation with a world leading manufacturer of hearing implants
DHBW ein großes Entwicklungs- und Marktpotenzial. Bereits Schulungsangebote.
• Opportunity for interdisciplinary research cooperation with departments and institutes of the Medical University of Innsbruck
verbunden mit der • A salary to be negotiated AM DHBW CENTER FOR ADVANCED STUDIES (CAS) IN HEILBRONN IST ZUM 07.11.2022 DIE STELLE EINER*EINES
Leitung des Forschungsbereichs • Excellent working conditions in a lively scientific community, embedded in the vibrant research environment of Innsbruck PROFESSOR*IN ALS
• Support through central service facilities
Kompetenzzentrum • Various attractive additional company benefits (including but not limited to excellent support through our service-oriented admini-
Empirische Methoden (KEM) am IAB stration, childcare support, dual career consultation, and an inhouse pension fund in addition to the statutory social insurance)
Application:
Fachbereichsleitung Sozialwesen (m/w/d)
zu besetzen. The complete application documents in German or English must be sent digitally (pdf files) to: berufungen@i-med.ac.at Besoldungsgruppe W3
Deadline for submissions is November 30, 2022 (12:00 p.m. CET).
Zu den Aufgaben der Professur gehört, Statistik mit den zu besetzen. • Konzeption, Gestaltung, Organisation und Durchführung von
Arbeitsgebieten Datenerhebung und Data Science in der Non-EU citizens must fulfil the relevant Austrian legal requirements regarding residence and work permits. Applicants are not entitled to dualen Angeboten wissenschaftlicher Weiterbildung.
Ihre Aufgaben
Arbeitsmarktforschung in Lehre und Forschung angemessen compensation for travel expenses with reference to this tender. The Medical University of Innsbruck is an equal opportunity employer.
We seek candidates who embrace and reflect diversity and encourage minorities/women/individuals with disabilities to apply. Als Dekan*in des Fachbereichs Sozialwesen tragen Sie die Ver- Wir suchen eine kooperative Führungspersönlichkeit mit der
zu vertreten. Dies schließt die Mitwirkung an der Ausbildung in antwortung für Fähigkeit, unterschiedliche Perspektiven zu integrieren, die
In case of inconsistencies between the German and the English versions of this tender, the legally binding version is the German one.
den Bachelor- und Masterstudiengängen Statistik ein. Erwartet • die strategische Ausrichtung und Leitung Ihres Fachbereichs strategisch, ganzheitlich sowie nachhaltig denkt und handelt.
werden eine intensive Forschungsleistung und der Aufbau von in Lehre und Forschung, Mit hoher sozialer Kompetenz und einer starken Orientierung
Forschungskooperationen. • die ordnungsgemäße Durchführung des Studienbetriebs und an den Bedürfnissen unserer Interessengruppen stoßen Sie Ver-
die Erfüllung der Qualitätsziele, änderungen an und gestalten und stärken so die DHBW sowie
Die Stelleninhaberin oder der Stelleninhaber (m/w/d) nimmt • die Mitarbeiter*innen im Studienbetrieb, den Fachbereich. Gender- und Diversitysensibles Vorgehen ist
gleichzeitig die Leitung des Forschungsbereichs Kompetenz- • die regelmäßige Überprüfung und Entwicklung der Ausrich- Ihnen ein wichtiges Anliegen.
zentrum Empirische Methoden (KEM) am Institut für Arbeits- tung von Studienangeboten in Abstimmung mit der Direktion Die Einstellung erfolgt bei Vorliegen der entsprechenden Vo-
markt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit entlang der im Struktur- und Entwicklungsplan und Gleich- raussetzungen im Beamtenverhältnis auf Zeit, andernfalls im
wahr und übernimmt im IAB Aufgaben der Personalführung stellungsplan vereinbarten Ziele und in enger Zusammenarbeit befristeten Dienstverhältnis. Bisherige Beamtenverhältnisse
und des Forschungsmanagements. Zu den Aufgaben des mit den Ansprechpartner *innen an den einzelnen Standorten zum Land Baden-Württemberg bleiben bestehen. Die Amtszeit
Kompetenzzentrums im IAB gehören die Einwerbung und An der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz sind ab 1.10.2023 folgende Positionen zu besetzen: der DHBW, beträgt sechs Jahre.
Koordination von Drittmittelprojekten und die methodische • die regelmäßige Überprüfung und die laufende Weiterent-
1. Universitätsprofessur für Posaune Die DHBW lebt den Mehrwert von Gleichstellung und Diversity
Betreuung oder Unterstützung der Datenerhebungen im Beschäftigungsausmaß 100% (22 Wochenstunden Lehre); wicklung der Organisation des Fachbereichs, und legt großen Wert auf die Vielfalt ihrer Mitglieder. Sie strebt
IAB, der Erschließung von administrativen Daten und der Einstufung LD 8 des Oö. Gehaltsgesetzes 2001, Bruttomonatsgehalt ab EUR 4.512,30; • die Pflege und den Aufbau der Beziehungen zu sowie Koope- daher eine Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen
Nutzung von Ansätzen aus der Statistik, Ökonometrie und Data Bewerbungsfrist: 2.12.2022 ration mit den Stakeholdern in Wirtschaft, Wissenschaft und an. Bewerbungen von Frauen sind deshalb besonders erwünscht.
Science. Erfahrungen oder die Bereitschaft zur Einarbeitung Gesellschaft sowie
2. Universitätsprofessur für Schlagwerk Bei gleicher fachlicher Eignung werden Bewerber*innen mit
in diese Aufgaben werden erwartet. Als Bereichsleitung des • Begleitung des im Aufbau befindlichen Fachbereichs Gesundheit, Schwerbehinderung und ihnen gleichgestellte Personen vorrangig
Beschäftigungsausmaß 50% (11 Wochenstunden Lehre);
Kompetenzzentrums Empirische Methoden bringen Sie Ihre Einstufung LD 8 des Oö. Gehaltsgesetzes 2001, Bruttomonatsgehalt ab EUR 2.256,15; der momentan dem Fachbereich Sozialwesen zugeordnet ist. berücksichtigt. Es werden die Grundsätze des AGG beachtet.
exzellente Forschung zu Fragen der Methodenentwicklung Bewerbungsfrist: 4.11.2022 Als Teil der Leitung des CAS übernehmen Sie in Abstimmung Es ist davon auszugehen, dass sich der Amtsinhaber wieder
und Datenqualität ein und tragen so zur Erforschung und mit den Teammitgliedern Geschäftsbereiche der Direktion. Da-
Weiterentwicklung der Datenqualität der IAB-Datenprodukte 3. Universitätsprofessur für Jazz-Gesang bewerben wird.
Beschäftigungsausmaß 50% (11 Wochenstunden Lehre); rüber hinaus engagieren Sie sich in den standortübergreifenden
bei. Bei Rückfragen steht Ihnen die Vorsitzende der Findungskom-
Einstufung LD 8 des Oö. Gehaltsgesetzes 2001, Bruttomonatsgehalt ab EUR 2.256,15; Gremien der DHBW. Zudem ist mit der Aufgabe eine Lehrver-
mission, Frau Prof. Dr. Doris Nitsche-Ruhland (0711/320660-36),
Bewerbungsfrist: 21.11.2022 pflichtung verbunden.
Die LMU und das IAB möchten eine hervorragend aus- gerne zur Verfügung. Fragen zum Verfahren beantwortet Ihnen
4. Universitätsprofessur für Jazz-Gitarre Ihr Profil das Personalreferat, Frau Claudia Sauer (0711/320660-9702), gerne.
gewiesene Persönlichkeit gewinnen, die ihre wissenschaft- Zum Fachbereichsleiter oder zur Fachbereichsleiterin kann be-
liche Qualifikation im Anschluss an ein abgeschlossenes Beschäftigungsausmaß 50% (11 Wochenstunden Lehre); Bitte bewerben Sie sich bis zum 26.10.2022 online über unser
Einstufung LD 8 des Oö. Gehaltsgesetzes 2001, Bruttomonatsgehalt ab EUR 2.256,15; stellt werden, wer der Hochschule hauptberuflich als Profes-
Hochschulstudium sowie eine überdurchschnittliche Promotion Bewerbungsportal auf der Homepage der DHBW unter der
Bewerbungsfrist: 21.11.2022 sorin oder Professor angehört oder wer eine abgeschlossene
oder eine vergleichbare besondere Befähigung durch internati- Kennziffer 1704: https://bewerberportal.landbw.de/dhbw_v2/
Hochschulausbildung besitzt und auf Grund einer mehrjährigen
onal sichtbare, exzellente Leistungen in Forschung und Lehre 5. Universitätslehrer*in für Jazz-Cello index.html
Beschäftigungsausmaß 31,82% (7 Wochenstunden Lehre); leitenden beruflichen Tätigkeit, insbesondere in Wissenschaft,
nachgewiesen hat Kunst, Wirtschaft, Verwaltung oder Rechtspflege erwarten lässt, Informationen zur Erhebung von personenbezogenen Daten sind
Einstufung LD 10 des Oö. Gehaltsgesetzes 2001, Bruttomonatsgehalt ab EUR 1.211,66; unter https://www.dhbw.de/datenschutz abrufbar.
Bewerbungsfrist: 21.11.2022 dass sie*er den Aufgaben des Amtes gewachsen ist.
Die oder der Berufene (m/w/d) wird als Professorin oder als
Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen richten Sie bitte ausschließlich auf elektronischem Weg an unser Idealerweise bringen Sie für diese Aufgaben außerdem folgende
Professor (m/w/d) in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis
Bewerber*innen-Portal https://jobs.bruckneruni.at. Dort finden Sie auch die Aufgaben und Anforderungen der zu Erfahrungen bzw. Kenntnisse mit:
an der LMU eingestellt und gleichzeitig unter Fortfall der
besetzenden Stellen. • in der Konzipierung, Organisation und Durchführung von praxis-
Leistungen des Dienstherrn beurlaubt, um als Leiterin oder
integrierenden Studiengängen insbesondere des Sozialwesens,
Leiter (m/w/d) des KEM am IAB angestellt zu werden. Eine
• in der Koordination und Zusammenarbeit mit Einrichtungen
Teilzeitbeschäftigung ist grundsätzlich möglich. Der Arbeitsort
des tertiären Bildungsbereichs,
ist Nürnberg. BITTE BEACHTEN:

Die LMU und das IAB streben eine Erhöhung des Anteils Vorgezogener Termin
der Frauen in Forschung und Lehre an und bitten deshalb für Anzeigen- und
Wissenschaftlerinnen nachdrücklich, sich zu bewerben. Druckunterlagenschluss:
Schwerbehinderte werden bei ansonsten im Wesentlichen glei- DIE ZEIT vom 03.11.2022:
cher Eignung bevorzugt. Freitag, 28.10.2022 – 12 Uhr
SIE SIND AUF DER SUCHE? We invite applications for the position of
Die LMU und das IAB bieten Unterstützung für Doppelkarriere- WIR AUCH!
Paare an. PROGRAM CHAIRS
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (CV, Schriften-
verzeichnis, Lehrerfahrung, Drittmitteleinwerbungen, Zeug-
LEITUNG DES REFERATS PROGRAMS AT THE NEW INSTITUTE
nisse und Urkunden) sind bitte in elektronischer Form in einer „QUALITÄT UND RECHT“ The Human Condition in the 21st Century
The Future of Democracy
zusammenhängenden PDF-Datei, nicht größer als 10 MB, über BESGR. A14 bzw. bis zu EGR. 15 TV-L
den folgenden Link https://www.efv.verwaltung.uni-muen- Socio-Economic Transformation
chen.de/md8 bis zum 4. November 2022 beim Dekan der Das Referat „Qualität und Recht“ in der Abteilung „Studium und Location: Hamburg, Germany
Fakultät für Mathematik, Informatik und Statistik, Ludwig- Lehre“ ist die zentrale Servicestelle der Universität Hamburg für Funding period: 15 September 2023 to 30 June 2024
Maximilians-Universität München einzureichen. die Studiengangsentwicklung, das Qualitätsmanagement und alle Deadline: 31 October 2022
Rechtsangelegenheiten in Studium und Lehre. Als engagierte:r Decisions: 15 December 2022
Für Fragen und weitere Informationen steht Ihnen der Direktor Hochschulmanager:in mit Führungskompetenz und ausgewiesener
des IAB, Herr Prof. Bernd Fitzenberger, PhD, unter Bernd. PROFILE
fachlicher Expertise arbeiten Sie strategisch-konzeptionell im Hand-
Fitzenberger@iab.de sehr gerne zur Verfügung. Scholars from the humanities and social sciences with innovative, future-oriented
lungsfeld Studium und Lehre und gestalten das Prozessmanage-
research in one of the program areas and a topic that has the potential of leading
ment in einer zunehmend digitalisierten Administration weiter.
Das geforderte Tätigkeits- und Kompetenzprofil am IAB finden to concrete results with social impact as well as of attracting fellows with relevant
Sie unter: https://www.iab.de/de/ueberblick/mitarbeiter/stel- expertise to carry out the project. Please refer to https://thenew.institute/en for
Die Universität Hamburg ist als Exzellenzuniversität eine der
lenangebote.aspx. further details.
forschungsstärksten Universitäten Deutschlands. Mit ihrem Kon-
zept der „Flagship University“ in der Metropolregion Hamburg
pflegt sie innovative und kooperative Verbindungen zu wissen-
schaftlichen und außerwissenschaftlichen Partnern. Sie produziert KONTAKT FÜR ANZEIGENKUNDEN
für den Standort – aber auch national und international – die
zukunftsgerichteten gesellschaftlichen Güter Bildung, Erkenntnis Sie möchten Ihre Anzeige elektronisch übermitteln und
und Austausch von Wissen unter dem Leitziel der Nachhaltigkeit. haben noch Fragen? Dann rufen Sie uns gerne an oder schreiben uns:

Die ausführliche Stellenausschreibung finden


Sie in unserem Stellenportal unter:
0931 / 6001758 An der Hochschule Neubrandenburg – University of Applied Sciences – ist im
Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung eine
W2-Professur
für „Psychologie in der Sozialen Arbeit
Am Dekanatsbüro der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Mannheim
uni-hamburg.de/stelle-931-1 1 zeit@anzeigeneingang.de und in der Kindheitspädagogik“
ist ab dem 1. Januar 2023 eine Vollzeitstelle (derzeit 39,5 Wochenstunden) als Informationen zum Datenversand per Upload finden Sie unter: (all genders welcome)
Fakultätsgeschäftsführer/in (m/w/d) (TV-L E 14) 5 www.anzeigeneingang.de Kennziffer: 121008/2022
zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu besetzen.
zu besetzen. Die Stelle ist grundsätzlich teilbar.
Die Universität Hamburg Informationen über die Hochschule Neubranden-
Bitte reichen Sie Ihre Bewerbung bis zum 23. Oktober 2022 in ist zertifiziert.
burg sowie diese Stellenausschreibung finden
elektronischer Form (eine PDF-Datei) per E-Mail oder postalisch ein. audit familiengerechte
Sie im Internet unter:
Weitere Informationen erhalten Sie unter: hochschule www.hs-nb.de/Stellenangebote
https://www.uni-mannheim.de/universitaet/stellenanzeigen/#c9352 Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung! Mitglied des Best Practice-Clubs
44 STELLENMARKT 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

TECHNISCHE HOCHSCHULE NÜRNBERG


GEORG SIMON OHM

Innovation braucht Vielfalt


„Forschen und Studieren mit Perspektive“
Als Professor*in an der TH Nürnberg haben Sie ein einzigartiges berufliches Die Bergische Universität Wuppertal ist eine moderne, dynamische und for-
Umfeld. Als große Hochschule bieten wir Ihnen viele Möglichkeiten, Ihre Tätig- Die Universität Heidelberg ist eine Volluniversität mit ausgeprägter
schungsorientierte Campusuniversität mit interdisziplinär ausgerichteten Pro- Forschungsorientierung und internationalem Anspruch. Mit rund 30.000
keit flexibel zu gestalten. Ihre innovativen Ideen in Lehre und Forschung und fillinien in Forschung und Lehre. Gemeinsam stellen sich hier mehr als 25.000
Ihre Mitwirkung in strategischen Projekten prägen das Profil unserer Hoch- Forschende, Lehrende und Studierende den Herausforderungen in den Be- Studierenden und 8.400 Mitarbeiter*innen, darunter zahlreiche Spitzen-
schule mit. reichen Gesellschaft, Kultur, Bildung, Ökonomie, Technik, Natur und Umwelt. forscher*innen, ist sie eine weltweit angesehene Institution, die zudem
eine herausragende wirtschaftliche Bedeutung für die Metropolregion
Bei uns agieren Sie vernetzt in kollegialen Teams. Sie arbeiten mit Studierenden In der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft – Schumpeter School of Business Rhein-Neckar hat.
in innovativen Lehr- und Lernformaten und begleiten aktiv ihre Persönlichkeits- and Economics ist zum 01.04.2023 eine
Der Heidelberg Research Service unterstützt die Wissenschaftler*innen der
W3 – Schumpeter-Stiftungsprofessur
entwicklung. Sie bringen Ihre Kompetenz in interessante und gesellschaftlich
Universität bei der Beantragung und dem Management von Forschungs-
relevante Vorhaben ein. Sie sind hochschulweit und international interdisziplinär
projekten, u. a. der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), des
vernetzt. Der Transfer Ihrer Erkenntnisse in die Praxis schafft einen Mehrwert
für die Menschen – so gestalten Sie den technologischen und gesellschaft-
(gem. § 36 HG NRW) für „Betriebswirt- Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der EU-Kommission
lichen Wandel aktiv mit. schaftslehre, insbesondere Strategisches sowie zahlreicher Stiftungen.

Management und digitalen Wandel“ In der Abteilung 6.2 Heidelberg Research Service – Beratung und
Projektadministration im Dezernat Forschung der Universitätsverwaltung
An der Fakultät Informatik sind zum Sommersemester 2023 oder später zwei
zu besetzen. Heidelberg ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die folgende Vollzeitstelle
An der Fachhochschule Südwestfalen – Standort Meschede – Professuren der BesGr W 2 für folgende Lehr- und Forschungsgebiete zu besetzen:
unbefristet zu besetzen:
ist im Fachbereich Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften zum Bes.-Gruppe: W 3 LBesG NRW
nächstmöglichen Zeitpunkt folgende Stelle zu besetzen: Wirtschaftsinformatik Erwartungen: FORSCHUNGSREFERENT*IN (W/M/D)
Die neu geschaffene Stiftungsprofessur, die von Unternehmen der regionalen
Professur für Wirtschaftspsychologie und Wirtschaft gestiftet wurde, soll die bereits an der Bergischen Universität beste- FÜR DIE BEREICHE
Informatik
hende Profillinie „Unternehmertum, Innovation und Wirtschaftlicher Wandel“ ver-
NATURWISSENSCHAFTEN,
mit dem Schwerpunkt psychologische stärken. Sie dient dazu, Forschung und Lehre in den Kompetenzbereichen Inno-
vation, Management und Nachhaltigkeit an der Schumpeter School of Business
MATHEMATIK UND INFORMATIK
Begleitung von Entwicklungsprozessen Ihre Aufgaben
and Economics weiter zu intensivieren. Der*Die zukünftige Stelleninhaber*in
soll sich mit Fragen des Strategischen Managements im Allgemeinen und spe- Ihre Aufgaben:
ziell mit dem digitalen Wandel sowie den damit verbundenen Auswirkungen und – Beratung von Wissenschaftler*innen im Antrags- und Managementprozess
(Bes.-Gr. W 2) Zu den Hauptaufgaben zählt die Sicherstellung des Lehrangebots der Fakultät, auch Chancen für die Unternehmen beschäftigen. Neben einem abgeschlossenen
in englischer Sprache. Eine angemessene Beteiligung an der Ausbildung in den von drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten, u. a. der DFG, des BMBF
Universitätsstudium der Wirtschaftswissenschaft oder in einem angrenzenden
Ihre Aufgaben – akademische Lehre und innovative Forschung Grundlagenmodulen wird daher ebenso erwartet wie die kompetente Gestaltung ver- Fach mit starken wirtschaftswissenschaftlichen Bezügen werden exzellente und der EU-Kommission
• anwendungsorientierte Lehre im Bereich der psychologischen tiefender Lehrveranstaltungen zu den eigenen Schwerpunkten. Beiträge zur internationalen Forschung erwartet. Die Bereitschaft zur interdiszi- – Erstellung qualifizierter Vorlagen im hochschulinternen Entscheidungsprozess
plinären Forschungskooperation und Drittmitteleinwerbung wird vorausgesetzt. – Unterstützung bei Begutachtungsprozessen v. a. im Rahmen von
Begleitung von Entwicklungsprozessen für Individuen, Gruppen Als Bewerber*in sollen Sie sich teamorientiert und gestaltungsfreudig für eine qualitäts- DFG-Sonderforschungsbereichen und Graduiertenkollegs
und Organisationen in Studiengängen auf Bachelor- und Master- volle Lehre, angewandte Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sowie in der Die Stiftungsprofessur soll an der Schumpeter School of Business and Eco-
nomics auch eine Ankerprofessur für das Themenfeld „Digitalwirtschaft“ in – Durchführung von Veranstaltungen zum Thema Forschungsförderung
niveau zur Verknüpfung von Wissen und Kenntnissen im Bereich Selbstverwaltung engagieren.
Wirtschaft mit psychologischen Ansätzen und Methoden Forschung, Lehre und Transfer darstellen. Sie spielt damit auch eine wichtige Ihr Profil:
Interessiert? Rolle als Netzwerkpartnerin für regionale Unternehmen mit Interesse an solchen – Abgeschlossenes Hochschulstudium mit Promotion in einem
• Aufbau einer Zertifikatsausbildung im Bereich der Beratung von Themen.
Dann unternehmen Sie den nächsten Schritt und verwirklichen Sie Ihre beruflichen naturwissenschaftlichen Fach, Mathematik oder Informatik
Entwicklungsprozessen (Business Coaching)
Ziele mit uns! Von dem*der zukünftigen Stelleninhaber*in wird erwartet, dass er*sie Lehrver- – Hervorragende kommunikative Fähigkeiten und organisatorisches Geschick
• Mitarbeit in zukunftsgewandten, interdisziplinären Forschungs- anstaltungen im Pflicht- und Wahlpflichtbereich der Bachelor- und Master-Studi- – Erfahrungen im Projektmanagement
schwerpunkten in enger Zusammenarbeit mit der regionalen und Weitere Einzelheiten zu den Stellenausschreibungen entnehmen Sie bitte dem engänge der Fakultät anbietet. Darüber hinaus sollen die Lehrveranstaltungen – Idealerweise Erfahrungen im Bereich Drittmittelverwaltung bzw. in der
überregionalen Wirtschaft jeweiligen Bewerbungslink. auch als ergänzende betriebswirtschaftliche Lehrinhalte für die in Kooperation Verwaltung im öffentlichen Dienst
• Bereitschaft zur Einwerbung von Drittmitteln zur Unterstützung mit den ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten der Universität angebotenen
Professur Wirtschaftsinformatik unter: Wirtschaftsingenieur-Masterstudiengängen geeignet sein. Erwartet werden wei- – Sehr gute Deutsch- und Englischkenntnisse in Wort und Schrift
eigener Forschungsaktivitäten terhin eine Offenheit gegenüber modernen Lehrmethoden und die Fähigkeit, – Sicherheit im Umgang mit gängiger IT (MS Office)
https://karriere.service.th-nuernberg.de/4m3r3
• Durchführung von Lehrveranstaltungen auch an Samstagen und Lehrveranstaltungen in englischer Sprache abzuhalten. – Sie sind eine engagierte Persönlichkeit, die Beratung und Projektmanagement
Erstellung von Studienbriefen Bei Fragen steht Ihnen gerne Prof. Dr. Wolfgang Bremer als Dienstleistung für die Wissenschaft versteht
(wolfgang.bremer@th-nuernberg.de) zur Verfügung.
Vollständiger Ausschreibungstext einschließlich der Einstellungsvoraus-
• aktive Beteiligung in der Selbstverwaltung der Hochschule setzungen unter: https://stellenausschreibungen.uni-wuppertal.de – Sie sind bereit, eigenständig und im Team flexibel und mit überdurchschnitt-
lichem Engagement Projektverantwortung zu übernehmen
Ihre Kompetenzen – wissenschaftlich fundiert und praxisnah Professur Informatik unter: Die Mitarbeit in der akademischen Selbstverwaltung wird als selbstverständlich
https://karriere.service.th-nuernberg.de/z9hvk erachtet. Die Bergische Universität betrachtet die Gleichstellung von Frauen und Wir bieten:
• abgeschlossenes Hochschulstudium Männern als eine wichtige Aufgabe, an deren Umsetzung die Professur mitwirkt. – Ein anspruchsvolles, vielseitiges Aufgabenspektrum innerhalb eines Teams
(vorzugsweise Wirtschaftspsychologie oder Psychologie) Bei Fragen steht Ihnen gerne Prof. Dr. Friedhelm Stappert aus hoch motivierten und qualifizierten Mitarbeiter*innen
(friedhelm.stappert@th-nuernberg.de) zur Verfügung. Kennziffer: P22014
• überdurchschnittliche Promotion beziehungsweise vergleichbare – Flexible und familienfreundliche Arbeitsbedingungen (Gleitzeit, Telearbeit)
wissenschaftliche Qualifikation Wir freuen uns auf Ihre aussagekräftige Bewerbung bis zum 26. Oktober 2022. Bewerbungen (Anschreiben, Lebenslauf, Zeugniskopien, Schriftenverzeichnis – Attraktive Möglichkeiten der Weiterbildung zur Förderung der beruflichen und
und Verzeichnis der Lehrerfahrung) sind grundsätzlich nur möglich über das persönlichen Entwicklung
• einschlägige Erfahrung in der (Organisations-)Beratung Bitte nutzen Sie ausschließlich unser Online-Bewerbungsportal. Onlineportal der Bergischen Universität Wuppertal: – Unterstützung der Mobilität unserer Mitarbeiter*innen durch ein Job-Ticket
• zertifizierte Ausbildung als Business-Coach (m/w/d) https://stellenausschreibungen.uni-wuppertal.de
www.th-nuernberg.de Unvollständig eingereichte Bewerbungen können nicht berücksichtigt werden! Die Stelle ist grundsätzlich teilbar.
• besondere didaktische Fähigkeiten und Bereitschaft zum
Unterrichten in englischer Sprache Die Vergütung erfolgt nach Entgeltgruppe 13 TV-L.
Ansprechpartner für Ihr Anschreiben ist der Dekan der Fakultät für Wirtschafts-
wissenschaft, Herr Prof. Dr. Nils Crasselt. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung, die Sie bitte mit den üblichen Unterlagen
Wir bieten Ihnen
Bewerbungen von Menschen jeglichen Geschlechts sind willkommen. Frauen (Motivationsschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse etc.) bis zum 31.10.2022
• attraktive und abwechslungsreiche Tätigkeit an einer der größten werden nach Maßgabe des Landesgleichstellungsgesetzes NRW bevorzugt in einer PDF-Datei per E-Mail senden an d6sekr@zuv.uni-heidelberg.de.
staatlichen Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen berücksichtigt, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe Für Rückfragen steht Ihnen der Leiter der Abteilung 6.2,
• selbstständige Gestaltungsmöglichkeiten in Lehre und Forschung überwiegen. Die Rechte von Menschen mit einer Schwerbehinderung, bei glei- Dr. Günther R. Mittler, gerne zur Verfügung (Telefon: 06221/54-12620,
cher Eignung bevorzugt berücksichtigt zu werden, bleiben unberührt.
• starke Vernetzung mit Unternehmen der Wirtschaftsregion E-Mail: guenther.mittler@zuv.uni-heidelberg.de).
Südwestfalen, der größten Industrieregion Nordrhein-Westfalens Bewerbungsfrist: 07.11.2022
Die Universität Heidelberg steht für Chancengleichheit und Diversität. Wir
mit über 160 Weltmarktführern bitten qualifizierte Frauen nachdrücklich um ihre Bewerbung. Menschen mit
• gute Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben Am Universitätsklinikum Jena (UKJ) ist in der Klinik für Anästhesiologie und Schwerbehinderung werden bei gleicher Eignung vorrangig berücksichtigt.
• Wohnen und Arbeiten in einer lebenswerten Region mit hohem Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. Michael Bauer) zum nächstmöglichen Zeitpunkt Informationen zu Stellenausschreibungen und zum Datenschutz finden Sie
Freizeitwert und günstigen Lebenshaltungskosten unter www.uni-heidelberg.de/stellenmarkt.
eine
Ihre Bewerbung
Nähere Informationen zu den Einstellungsvoraussetzungen und
W2-Professur für Pflegewissenschaften
den rechtlichen Rahmenbedingungen finden Sie im Internet unter zu besetzen.
www.fh-swf.de/cms/stellen.
Sprechen Sie uns an:
Die zu berufende Persönlichkeit (m/w/d) soll das Fachgebiet in Forschung und
Lehre vertreten. HUMANISTISCH. NACHHALTIG.
Frau Prof. Dr. Karola Graf-Szczuka, Tel.: 0291 / 9910-4649
Bitte bewerben Sie sich mit aussagekräftigen Unterlagen (Lebenslauf,
Gesucht wird daher eine wissenschaftlich und didaktisch exzellent ausgewiesene HANDLUNGSORIENTIERT.
Persönlichkeit, welche die Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt in der Intensiv- Mannheim University of Applied Sciences
Darstellung des wissenschaftlichen und beruflichen Werdegangs, medizin am UKJ entwickelt und die Forschungsschwerpunkte der Medizinischen
Publikationsverzeichnis, Lehr- und Forschungskonzept, Liste der Zum Wintersemester 2023/2024 ist in der Fakultät für Wirtschafts-
Fakultät, insbesondere Sepsis und Infektionsmedizin stärkt. Eigenständige Forschungs- ingenieurwesen folgende Stelle zu besetzen:
bisher durchgeführten Lehrveranstaltungen, Zeugniskopien u. a.) bis leistungen, eine erfolgreiche Einwerbung von Drittmittelprojekten, Engagement in
zum 03.11.2022 unter Angabe der Stellenangebot-Nr. 60/2022 über
unser Online-Bewerbungsportal unter www.fh-swf.de/cms/stellen.
der Lehre und hervorragende didaktische Fähigkeiten (mit Fokus auf Inter- und Professur „Data Science und Physik“
Multiprofessionalität der humanmedizinischen Lehre im Sinne des „Masterplan Bes.-Gr. W2 (Stellen-Nr. 759)
2020“ sowie Bereitschaft zur Etablierung eines Studiengangs Pflegewissenschaft /
www.fh-swf.de Intensivpflege) werden erwartet.
Der*die Stelleninhaber*in soll in den Bachelor- und Master-
studiengängen Wirtschaftsingenieurwesen die Fachgebiete
Voraussetzungen für die Bewerbung ist ein abgeschlossenes Studium der Gesundheits- Physik, Mathematik, Informationstechnologie und Data
wissenschaften oder der Humanmedizin. Hochschuldidaktische Eignung, sowie Science vertreten. Zu den mit der Professur verbundenen
die besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit nachgewiesen durch eine Aufgaben gehört die Durchführung von Lehrveranstaltungen
und Forschungsprojekten in den genannten Gebieten.
qualifizierte Promotion sowie eine Habilitation oder gleichwertige wissenschaftliche
Leistungen werden vorausgesetzt. Den vollständigen Ausschreibungstext finden Sie auf unserer
TECHNISCHE HOCHSCHULE NÜRNBERG Homepage unter https://karriere.hs-mannheim.de/hycyr.
GEORG SIMON OHM Das UKJ und die Friedrich-Schiller-Universität Jena streben eine Erhöhung des Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung bis 04.11.2022 über unser
Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an und bitten deshalb entsprechend Online-Bewerbungsportal.
qualifizierte Wissenschaftlerinnen nachdrücklich um ihre Bewerbung. Schwerbehinderte
Innovation braucht Vielfalt Menschen werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Die Leuphana Universität Lüneburg steht als humanistische, nachhaltige und hand-
Bewerbungen sind mit den üblichen Unterlagen (CV, Schriftenverzeichnis, Lehrerfahrung, lungsorientierte Universität für Innovation in Bildung und Wissenschaft. Metho-
Als Professor*in an der TH Nürnberg haben Sie ein einzigartiges berufliches
Drittmitteleinwerbungen, Zeugnisse und Urkunden) einem Forschungs-, einem dische Vielfalt, interdisziplinäre Zusammenarbeit, transdisziplinäre Kooperationen
Umfeld. Als große Hochschule bieten wir Ihnen viele Möglichkeiten, Ihre Tätig-
Gleichstellungs- und einem Lehrkonzept zur interprofessionellen Lehre webbasiert mit der Praxis und eine insgesamt dynamische Entwicklung prägen ihr Forschungs-
keit flexibel zu gestalten. Ihre innovativen Ideen in Lehre und Forschung und
Ihre Mitwirkung in strategischen Projekten prägen das Profil unserer Hoch- unter profil in den Kernthemen Bildung, Kultur, Management/Technologie, Nachhaltig-
schule mit. https://berufungsportal.uni-jena.de keit und Staat. Ihr internationales Studienmodell mit dem Leuphana College, der
Leuphana Graduate School und der Leuphana Professional School ist deutschland-
Bei uns agieren Sie vernetzt in kollegialen Teams. Sie arbeiten mit Studierenden
bis zum 15.11.2022 adressiert an den Wissenschaftlichen Vorstand / Dekan der weit einmalig und vielfach ausgezeichnet.
in innovativen Lehr- und Lernformaten und begleiten aktiv ihre Persönlichkeits-
Medizinischen Fakultät, Herrn Prof. Dr. Thomas Kamradt, erwünscht. Für Fragen
entwicklung. Sie bringen Ihre Kompetenz in interessante und gesellschaftlich
und weitere Informationen stehen wir unter berufungen@med.uni-jena.de sehr Die Leuphana sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgrund von neu profilierten
relevante Vorhaben ein. Sie sind hochschulweit und international interdisziplinär
gerne zur Verfügung. Stellen bzw. aufgrund des Eintritts aktueller Stelleninhaber*innen in den Ruhestand
vernetzt. Der Transfer Ihrer Erkenntnisse in die Praxis schafft einen Mehrwert Administrative Positions zur Entwicklung ihres Colleges für Bachelorstudierende, zur Entwicklung eines neuen
für die Menschen – so gestalten Sie den technologischen und gesellschaft- Bitte beachten Sie unsere Bewerberhinweise unter:
lichen Wandel aktiv mit. International Centers, zur Entwicklung ihrer Kommunikationsstrategie, für den Be-
https://www.uni-jena.de/stellenmarkt at the Vietnamese-German University (VGU) reich Evaluation und Akkreditierung sowie zur Unterstützung ihres hauptberuflichen
An der Fakultät Informatik sind zum Sommersemester 2023 oder später zwei Bitte beachten Sie zudem die Informationen zur Erhebung personenbezogener Vizepräsidenten verantwortungsvolle, motivierte und engagierte Persönlichkeiten als
Professuren der BesGr W 2 für folgende Lehr- und Forschungsgebiete zu besetzen: Daten unter: https://www.uni-jena.de/stellenmarkt#datenschutz The Vietnamese-German University (VGU) is a public
Vietnamese University developed in close partnership between
Visual Computing für interaktive Mediensysteme Germany and Vietnam. VGU is committed to excellence in
— LEITER*IN LEUPHANA COLLEGE
research, education and training in the fields of engineering, (BIS ZU EG 15 TV-L)
und
information technology as well as business and economics
relevant for the global and local sustainable development.
— LEITER*IN INTERNATIONAL CENTER
Moderne Softwarearchitekturen und Software- (BIS ZU EG 15 TV-L)
engineering für Produktivsysteme, verbunden VGU´s strategy is to customize excellent German degree
programs to meet the needs of Vietnamese higher education. — LEITER*IN PRESSE- UND ÖFFENTLICH-
mit der Co-Leitung des Instituts für Angewandte KEITSARBEIT UND PRESSESPRECHER*IN
Being a joint effort of Vietnamese and German institutions, VGU
Informatik Die Universität Graz besetzt am Institut für Biologie der na- follows the German university model, academic standards and (BIS ZU EG 14 TV-L)
turwissenschaftlichen Fakultät eine administrative structures.
Die Ausschreibung und Besetzung dieser Professuren erfolgen im Rahmen der Um- Tenure Track-Professur für — LEITER*IN EVALUATION UND AKKRE-
setzung der Hightech Agenda des Freistaats Bayern. Als Stelleninhaber*in sollen Sie To support the young and growing university administration DITIERUNG UND CO-LEITER*IN QUALI-
das Lehrgebiet sowohl in der Grundlagenvermittlung als auch in Vertiefungsmodulen Tierphysiologie we are looking to fill the following two full-time positions with TÄTSENTWICKLUNG (BIS ZU EG 14 TV-L)
vertreten und in dem ausgewiesenen Gebiet überdurchschnittlich und nachhaltig in (40 Stunden/Woche; Verfahren gem § 99 Abs 5 Universitäts- qualified and experienced candidates as soon as possible.
der Forschung aktiv sein. gesetz; zunächst auf 6 Jahre befristetes Arbeitsverhältnis — PERSÖNLICHE*R REFERENT*IN
Für die ersten fünf Jahre ist das Lehrdeputat zugunsten von Forschungsaktivitäten nach dem Angestelltengesetz mit Tenure Track; voraussicht- •Head of Department Academic and Student Affairs DES HAUPTBERUFLICHEN
um die Hälfte reduziert. Drittmitteleinwerbung und Engagement im Bereich der lich zu besetzen ab 01. September 2023)
Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie des Wissens- und Techno- •International Research Coordinator VIZEPRÄSIDENTEN/KANZLERS (EG 13 TV-L)
logietransfers werden erwartet. Bewerber*innen sollen bereit sein, interdisziplinär mit Die Professur mit dem Schwerpunkt Tierphysiologie ist dem
anderen Fakultäten, Instituten und Kompetenzzentren der Hochschule zusammenzu- Fachbereich Zoologie zugeordnet. Die Stelleninhaberin/der Please find the detailed job description at NEUGIERIG GEWORDEN? Die vollständigen Stellenausschreibungen finden Sie unter
arbeiten und zur Umsetzung der Strategie der Hochschule international aktiv sein. Stelleninhaber soll eine international kompetitive Forschung www.leuphana.de/stellenausschreibungen.
vgu.edu.vn/administrative-positions
Bei positiver Evaluierung der forschungsbezogenen Leistungen ist eine Verlängerung im Fachgebiet vorweisen können. Eine inhaltliche Brücke zu
der Lehrdeputatsreduzierung über die fünf Jahre hinaus vorgesehen. den Themen der Ökophysiologie ist ebenso erwünscht wie Please send applications in English with the usual documents
der Einsatz von zeitgemäßen Methoden der Tierphysiologie.
Interessiert? in electronic form (pdf- File, size max 5 MB.) to the President,
Dann unternehmen Sie den nächsten Schritt und verwirklichen Sie Ihre beruflichen
Darüber hinaus ist Kompatibilität und Vernetzung mit den
bestehenden Arbeitsgruppen am Institut erwünscht, die The- Prof. Dr.-Ing. Tomas Benz, Email: president@vgu.edu.vn by
Ziele mit uns!
men wie Energiestoffwechsel und physiologische Aspekte des October 30, 2022.
Weitere Einzelheiten zu den Stellenausschreibungen entnehmen Sie bitte dem Verhaltens an verschiedenen Tiergruppen (unter anderem In-
jeweiligen Bewerbungslink. Beachten Sie insbesondere die Hinweise zum drei- sekten, Fische) abdecken. Die Professur unterstützt die Lehre
seitigen Forschungskonzept. der vom Institut mitgetragenen Bachelor-, Master und Dok-
Professur Visual Computing für interaktive Mediensysteme unter: toratsstudien, mit Schwerpunkt im Bereich Tierphysiologie.

Über 1.000 anspruchsvolle


https://karriere.service.th-nuernberg.de/kmtnt Die fachliche Qualifikation erfordert ein Doktorat oder PhD im
Bereich Biologie mit Schwerpunkt Tierphysiologie sowie mehr-
Bei Fragen steht Ihnen gerne Prof. Dr. Bartosz von Rymon Lipinski
jährige Erfahrung als Post-Doc oder in vergleichbarer Positi-

Stellen auch online!


(bartosz.vonrymonlipinski@th-nuernberg.de) zur Verfügung.
on. Zudem erwarten wir Kompetenz im Bereich des Gender
Professur Moderne Softwarearchitekturen und Software- Mainstreaming.
engineering für Produktivsysteme unter:
Bewerbungen sind unter Angabe der Kennzahl KS/6/99 ex
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2021/22 bis 02. November 2022 einzureichen. Informatio- Jetzt auf jobs.zeit.de
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nen zu den Bewerbungsmodalitäten und weitere Vorausset-
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DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 STELLENMARKT 45

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land und wird seit 2007 in der Exzellenzinitiative und deren Nachfolge-
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programm, der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder, gefördert. - Entwicklung und Anwendung neuer Lehr- und Lernformate
- Förderangebote für Studierende (digitale Tutorien)
Am Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie der für das Projekt SoliD – Souverän lernen im Digitalen – gefördert
durch die Stiftung Innovation in der Hochschullehre
Universität Konstanz sind ab 01.01.2023 oder zum nächstmöglichen
• Projektmitarbeiter*in Medientechnik und Medienproduktion für die
Zeitpunkt zwei Vollzeitstellen als
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pflegt sie innovative und kooperative Verbindungen zu wissen-
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um die Hälfte ermäßigt, um das Fachgebiet auch in die Forschung
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für den Standort – aber auch national und international – die projekte und Lehre durch eigene Forschung und Lehre sowie durch die
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zu können. zukunftsgerichteten gesellschaftlichen Güter Bildung, Erkenntnis Durchführung von Psychotherapien.
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884672, daniela.mier@uni-konstanz.de.
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ist ein international tätiges Forschungsinstitut in der Rechts- Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung mit den üblichen Unterlagen bis zum
Kontakt für Rückfragen:
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form einer Stiftung des öffentlichen Rechts und Mitglied der 01.11.2022 über unser Online-Bewerbungsportal.
Tel.: 0831 2523-9129 bzw. 08384 8235-482 Leibniz-Gemeinschaft. Das LIB trägt zur taxonomischen und Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie
E-Mail: benjamin.gilde@hs-kempten.de molekularen Biodiversitätsforschung und zum Naturschutz Weitere Informationen zu der ausgeschriebenen Stelle (Kennziffer In s t it u t fü r C h e m ie u n d B io c h e m ie
bei, indem es den evolutionären und ökologischen Wandel 2022/247) finden Sie auf der Website der Universität Konstanz unter:
Soziales & dokumentiert und analysiert. Mit dieser Ausrichtung passt – uni-konstanz.de/stellen Universitätsprofessur für Anorganische
Gesundheit das LIB zu dem universitären Forschungsschwerpunkt „Klima, Chemie mit Schwerpunkt Radiochemie
Erde, Umwelt“ der Universität Hamburg sowie zum fakultären Besoldungsgruppe: W 2 oder vergleichbares Beschäftigungsverhältnis
Forschungsschwerpunkt „Ökologie und Biologische Ressourcen“ Kennung: Radiochemie
mit dem Schwerpunktthema „Biota im Klimasystem“ des Fach-
bereichs Biologie. Aufgabengebiet: Vertretung des o. g. Faches in Forschung und Lehre
Einstellungsvoraussetzungen: gem. § 100 BerlHG
In der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaf-
ten ist im gemeinsamen Berufungsverfahren mit dem Leibniz-
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6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41
H I E R AU S R E I S S E N!

47

A B E N T E U E R F Ü R K I N D E R

Fabelhafter Feen-Zauber
Vor hundert Jahren erzählen zwei Mädchen, an einem Bach lebten magische Wesen.
Zum Beweis machen sie Fotos – und die gehen um die Welt. Aber was zeigen sie wirklich?  VON JOSEFA RASCHENDORFER

A
n einem Sommertag im Jahr erfährt: Sir Arthur ­Conan ­Doyle, der Erfinder von
1917 steht Arthur Wright in Sherlock ­Holmes. Die Detektivgeschichten sind
einer Kammer und legt eine schon damals ungemein beliebt. Was nicht alle wis­
Fotoplatte in eine Wanne mit sen: ­Conan ­Doyle begeistert sich nicht nur für Kri­
Chemikalien. Regelmäßig ent­ mis, sondern auch für Geister.
wickelt der Hobbyfotograf Die Feen-Fotos ziehen ihn magisch an. Aber auch
hier seine Bilder. Doch an er will ganz sicher sein, dass sie kein Streich der bei­
diesem Tag traut er seinen Augen nicht: Als auf den Mädchen sind. Deshalb schickt der Schrift­
der Platte nach und nach das Foto erscheint, sieht steller einen Kollegen nach Cottingley, der Elsie und
er seine Nichte Frances, die von kleinen ge­ auch deren Eltern befragt. Außerdem sollen die
flügelten Wesen umgeben ist. Eine Fotografie Mädchen weitere Fotos machen. Drei neue Bilder
von Feen – das kann es doch nicht geben! entstehen: Frances mit einer hüpfenden Fee. Eine
Mister Wright lebt mit seiner Familie in dem Fee, die Elsie einen Blumenstrauß überreicht. Das
Dorf Cottingley in England. An dem Tag, als er das letzte Bild zeigt drei Feen im Gras. Arthur ­Conan­
Foto mit den magischen Gestalten in seiner Dunkel­ Doyle ist baff. Er hat keinen Zweifel, dass die Feen
kammer entwickelt, hatte er seiner 16-jährigen von Cottingley existieren. Und so tut er das, was er
Tochter Elsie erlaubt, die Kamera auszuleihen. Die am besten kann: schreiben.
verschwand damit und mit ihrer neunjährigen Im Dezember 1920 druckt das Strand Magazine
Cousine Frances an ihren Lieblingsort, den Bach in die Fotos der Mädchen zusammen mit einem langen
der Nähe. Artikel von Arthur C ­ onan ­Doyle. Er schreibt, nun
Die Cousinen verbringen im Sommer viele breche für die Menschen eine neue Zeit an; alle
Stunden hier. Sie spielen an kleinen Wasserfällen, müssten anerkennen, dass Geister und magische
am Ufer im Moos und zwischen den Wurzeln der Wesen keine Träumerei sind.
Bäume. Oft kommt Frances mit nassen Kleidern Binnen weniger Tage ist das Magazin ausverkauft,
nach Hause. Dafür könne sie nichts, sagen die auf der ganzen Welt interessieren sich Menschen für
Mädchen, schuld seien Feen, die unten am Bach die Feen von Cottingley – und für die Cousinen,
lebten und sie bespritzten. Natürlich glauben die denen sie sich gezeigt haben. Besonders Frances wird
Erwachsenen den Mädchen kein Wort – bis Mister die Aufmerksamkeit schnell zu viel. In der Schule
Wright plötzlich dieses Foto in den Händen hält. verspotten sie andere Kinder. Nicht alle glauben
Ganz deutlich sind vier helle Gestalten mit zarten nämlich an den Feen-Hokuspokus.
Flügeln zu erkennen, fast wie Schmetterlinge sehen Elsie und Frances reden selbst lieber nicht darü­
sie aus. Die Mädchen haben das Foto gemacht, um ber. Mit gutem Grund. Als die beiden schon alte
den Eltern zu beweisen, dass sie die Wahrheit sagen. Omas sind, gestehen sie in einem Brief an einen
Zeigen könnten sie den Erwachsenen die magischen Journalisten, dass ihre Fotos doch Fälschungen wa­
Wesen nämlich leider nicht, erklären Elsie und ren. Elsie hatte Bilder von tanzenden Mädchen aus
Frances. Die würden sich nur ihnen zu erkennen einem Kinderbuch abgemalt und Flügel hinzugefügt.
geben. Einige Wochen später machen die Mädchen Die Mädchen schnitten die Figuren aus, befestigten
noch ein zweites Foto mit magischem Geschöpf. Sie sie mit Klebeband an langen Hutnadeln und steckten
ahnen nicht, dass ihre Bilder bald für ordentlich sie in die Erde, ins Moos und zwischen Zweige.
Trubel sorgen werden. Eigentlich wollten sie nur ihre Eltern veräppeln.
Fotos (Ausschnitte): SSPL/Getty Images; Shutterstock (u.)
Vor mehr als 100 Jahren hatten Fotos noch eine Doch als sich erste Fotoexperten und dann noch der
andere Bedeutung. Die Menschen glaubten damals, berühmte Krimiautor einschalteten, trauten sie sich
dass Fotografien exakte Abbilder der Welt sind. Was nicht mehr, das zu sagen. Gelogen hätten sie aber
auf einem Foto zu sehen ist, musste es also in Wirk­ nie, beteuern beide. »Manche Menschen fragen
lichkeit geben. Vermutlich kann Elsies Mutter die mich, ob wir uns nicht dafür schämen, dass wir all
Feen-Fotos auch deshalb nicht vergessen. Zwei die armen Leute wie Dummköpfe haben dastehen
Jahre lang hat die Familie niemandem etwas von lassen«, sagt Elsie als alte Dame im britischen Fern­
den Bildern erzählt, doch als dann ganz in der Nähe, sehen. »Aber die Leute wollten es doch glauben!«
in der Stadt Bradford, eine Konferenz über magische Elsie und Frances leben heute nicht mehr, ihre
Geschöpfe stattfindet, reist Elsies Mutter dorthin. Fotos aber kann man noch immer sehen – in einem
Die Teilnehmer der Konferenz glauben, dass nicht Museum in Bradford. Zwei Mädchen führen Tau­
nur Menschen und Tiere auf der Erde leben, son­ sende Erwachsene an der Nase herum und landen
dern auch allerhand zauberhafte Wesen. Und wenn damit sogar im Museum – diese Geschichte hätte
die Fotos aus Cottingley das beweisen könnten, wäre sich auch der Krimiautor Arthur Conan D ­ oyle nicht
das eine Sensation. schöner ausdenken können. Wobei, vielleicht lag
Deshalb prüfen mehrere Experten, ob die auch der mit seinem Geisterglauben nicht ganz
Aufnahmen echt sind. Es gab damals noch keine falsch. Frances behauptete jedenfalls bis zu ihrem
Computer, um mit ein paar Klicks Feen ins Bild Tod, dass eines der Fotos echt sei und dass es am Bach
ein­zu­bauen, und auch keine Handys, um Fotos Wer ist Mensch, Auf dem kleinen von Cottingley selbstverständlich Feen gebe.
ruck, zuck mit ein paar Filtern oder Stickern zu wer Fabelwesen? Foto zu sehen ist
verschönern. Trotzdem konnte man tricksen, Auf dem großen Elsies jüngere
zum Beispiel indem man mit besonderen Farben Bild überreicht Cousine Frances, »Hier spukt’s!«, heißt es auch in
nachträglich etwas auf eine Fotoplatte malte. Die eine Fee Elsie wie sie am Bach von der neuen ZEIT LEO-Ausgabe,
Aufnahmen von Elsie und Frances aber sind echt, eine Blume Elfen umtanzt wird die dich ins Gruselkabinett
kommt bei den Untersuchungen heraus. »Diese einlädt. Außerdem startet eine
Bilder sind Originale, nichts an ihnen ist ge­ neue Mysteryserie. Im ersten
fälscht!«, schreibt ein Fachmann. Teil geht es nicht um Feen am
Die Feen-Fans von der Konferenz sind natürlich Bach, sondern um einen Geist
begeistert, richtig bekannt aber werden die Fotos, beim Zahnarzt. Hier kostenlos
als ein berühmter Schriftsteller von den Bildern testen: www.zeit.de/leogratis

MOMENT MAL! REKORD DER WOCHE DEIN KLEINES ABENTEUER

Warum sind die Tierheime so voll? Spiele-Zeit Lass den Kürbis kotzen!
Manchmal müssen Menschen sich von ihren einem halben Jahr. Und der Winter könnte Die Erwachsenen gucken gerade ziemlich fleisch mit einem Löffel von der Schale. Aber
Haustieren trennen – weil sie umziehen oder sogar noch teurer werden, weil man mehr bedrückt in die Welt und aus der Wäsche. Es Achtung: nicht herausnehmen, sondern im
weil sie nicht mehr genug Zeit haben. Wer Geld fürs Heizen zahlen muss. gibt einfach ziemlich viele Nachrichten, die Kürbis lassen. Nun schneid dem Kürbis ein
sich dann an ein Tierheim wendet, um zum Kann ich mir die Katzenstreu, den Nager­ einem Angst machen oder die Laune ver­ Gesicht, und such einen schönen Ort für ihn.
Beispiel seinen Hund dort unterzubringen, stein für den Hasen oder das Hundefutter miesen können. Aber statt selbst über die Greif dann durch den Mund ins Innere, und
der hört im Moment oft: Wir sind leider voll, dann noch leisten? So einige Menschen Welt abzukotzen, lass das einen Kürbis ma­ zieh die Fäden und die Kerne halb heraus –
für Ihren Hund ist hier kein Platz. Gleiches fürchten wohl, dass sie es nicht mehr kön­ chen – und sorg für gute Laune! sodass es aussieht, als würde er spucken.
gilt für Katzen, Hasen, Meerschweinchen. nen – und geben ihre Haustiere ab. So geht’s: Besorg dir einen Kürbis und ein Du kannst auch eine ganze göbelnde Kürbis­
Der Grund: Das Leben in Deutschland ist Der Deutsche Tierschutzbund fordert des­ scharfes Küchenmesser. Schneid oben am bande basteln – für jedes Familienmitglied­
teurer geworden. Für viele Produkte müssen wegen, dass die Tierheime Hilfe bekommen – Stiel einen Deckel aus, und lös dann im In­ einen Gemüsekopf. Für Halloween bist du

1800
die Menschen mehr bezahlen als noch vor sie bräuchten mehr Platz und mehr Geld.  PIA nern des Kürbisses die Kerne und das Frucht­ dann schon mal warmgeschnitzt.  K AT

DAS ZEIT LEO-WITZETELEFON neue Spiele werden von heute an auf den POST VON ZEIT LEO
»Warum hat der Polizist eine Schere dabei? Internationalen Spieltagen in Essen vorgestellt – Jeden Freitag, pünktlich zum Wochenende, verschicken wir
Weil er den Verbrechern den Weg abschneidet!« so viele wie noch nie! Es ist das größte unsere LEO-Post mit Rätseln, Spielen, Basteltipps und Witzen.
Auf unsere Mailbox gesprochen von Emma, 7 Jahre, aus Hamburg. Treffen für Gesellschaftsspiele auf der Welt: In dieser Woche geht es in den Herbstwald – zum Pilzesammeln
Kennst du auch einen Witz? Dann ruf uns an: 0151-41 89 30 41. Mehr als 1000 Aussteller zeigen ihre und Unterschlupf bauen. Hier für den kostenlosen Newsletter
Mehr Infos zum Witzetelefon unter www.zeitleo.de/witze Neuheiten, die man direkt ausprobieren kann. anmelden: www.zeit.de/postvonzeitleo
48 WISSEN 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Infografik: Regenbogenpresse

Zusammengeklatscht
o
N
Wen zeigen die Titelseiten der bunten Blätter? Und mit wem? Daten aus anderthalb Jahren verraten es  693
VON MATS SCHÖNAUER, FREDERIK VON CASTELL (RECHERCHE) UND MATTHIAS SCHÜTTE (INFOGRAFIK)

Auf dem Cover Prominente Kombinationen Hohe Nachfrage


Wer erschien wie oft auf dem Titel? Berühmtheiten tauchen selten alleine auf. Die Auflage der wöchentlich
Hier steht links die Hauptperson und rechts, erscheinenden bunten Blätter im
wer wie häufig mit abgebildet wird Verhältnis zu Nachrichtenmagazinen

3,22 Mio.
Thomas
Seitel:
68
Helene
Fischer 1,3 Mio.
Florian
Silbereisen:
66
1. Helene Fischer: 315
Regenbogenpresse »Spiegel«, »stern«
Andrea Berg: 3 (20 Magazine) und »Focus«

10 sonstige,
je einmal

Die (Ex-)Kanzlerin
Meghan: Das Interesse an Angela Merkel
53 stieg steil an, bevor sie ging
2. Florian Silbereisen: 227 Harry
Titelseiten der Regenbogenpresse

10
William: 12 8. 12. 2021
Charles: 11 Ende der Amtszeit

Elisabeth: 7
5
Diana: 2

3. Harry: 210
William: 0
36 Jan. 21 Juli 22
Kate
Middleton

Meghan: 14 Schlager vor Adel


4. Meghan Markle: 150 Elisabeth: 14 Wer landet wie oft auf dem Cover?

Camilla: 10
24 % 39 %
George: 3
sonstige Schlagerstars
(Sportler,
Politiker,
Quellen
TV-Promis)
Das Online-
Meghan Harry:
Medienmagazin
5. Kate Middleton: 117 Markle 56 »Übermedien«
hat Cover der
Regenbogen-
Kate: 5 presse analysiert.
Als Basis dient
Elisabeth: 2 der Zeitraum
Trevor Januar 2021
Engelson: 1 37 % bis Juli 2022.
Adel Weil das noch
6. William: 84 vor dem Tod
Helene der Queen war,
Fischer: ergänzten wir
Florian
God save the Queen
34 eine Analyse
Silbereisen (rechts unten).

Beatrice Egli: 4 So reagierten Presse und Google-Nutzer, als Die gesamte


am 8. September Elisabeth II. gestorben war Auswertung
DJ Ötzi: 3 ist online
7. Charlène von Monaco: 81
abrufbar unter
15 sonstige, Titelseiten der Regenbogenpresse uebermedien.de/
je einmal klatschdaten
Google-News-Suchanfragen
Links zu
Joachim Tod der Queen Quellen dieser
Angela % Ausgabe finden
Sauer:
Merkel 100 Sie unter
8. Elisabeth II.: 78 41
www.zeit.de/
wq/2022-41
50

Charles Camilla: 25
0
Mai 21 Sept. 22

9. Angela Merkel: 74 Harry: 3 Index: September 2022 = 100 %


Die Kinderseite
der ZEIT
finden Sie auf
der vorigen Seite
Ausgewertet wurden 1580 Titelseiten der 20 wöchentlich erscheinenden Zeitschriften »7 Tage«, »Das Goldene Blatt«, »Das Neue«, »Das Neue Blatt«, »Die Aktuelle«, »Die neue Frau«, »Die Zwei«, »Echo der Frau«, »Frau Aktuell«, »Frau mit Herz«, »Freizeit Revue«,
»Freizeit Spass«, »Freizeitwoche«, »Neue Post«, »Neue Welt«, »Neue Woche«, »Schöne Woche«, »Viel Spaß«, »Woche der Frau« und »Woche Heute«. Gezählt wurden die Aufmacher-Schlagzeilen und die prominent auf dem Cover abgebildeten Personen
6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

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49

Ist das
noch links?
Herbst der Proteste: Was die Menschen auf
die Straße treibt – und warum man sich selbst vor
Verschwörungstheoretikern nicht fürchten sollte.
Ein Interview mit der Schriftstellerin Sibylle Berg
und dem Soziologen Oliver Nachtwey

DIE ZEIT: Frau Berg, Herr rungstheorie in den Handel. ich heute gehört, spenden

Abb.: Wikimedia (11) / Leo Reynolds


Nachtwey, viele leiden unter der Da wittere ich fast eine Ver­ gut verdienende Ärztin­
Teuerung, sie können sich Strom schwörung dahinter. Wenn nen jetzt einen Teil ihres
und Heizen nicht mehr leisten. Menschen sich fantasie­ Einkommens, damit die
Glauben Sie, die Proteste, die wir vollen Quatsch ausden­ Pflegenden nicht frieren im
jetzt schon ­sehen, werden zunehmen ken, dann ist das fast im­ Winter. Hurra, welch Zeichen
und zu einer Massenbewegung werden? mer das Resultat schlechter der Hoffnung und Solidarität!
Erwarten Sie einen »heißen Herbst«? Kommunikation und zu­ Aber es ist ein Komplettversagen der
Oliver Nachtwey: Es wird sicherlich Proteste sammengehumster Aufklärung. Regierung. Die Gelbwesten haben mir
geben, die auch mitunter größer aus­fallen können, Oder von Lange­ weile. Jeden Zweifel, in ihrer aktiven Zeit gezeigt, dass ein Zusammen­
denn die materielle Not wird spürbar wachsen. Die jedes Nichtverstehen in dem Ordner halt möglich ist.
deutsche Regierung tut gewiss nicht genug, aber sie­ Ich habe »Verschwörung« abzuheften erspart Nachtwey: Die Gelbwesten waren in der Anlage nicht
begegnet der Lage nicht mit dem klassenpolitischen mich intensiv mit den Protes­ Auf­
klärung und Auseinandersetzung durchweg progressiv. Der große Unterschied: Didier
Zynismus, wie ihn die britische R ­ egierung an den Tag ten gegen die Corona-Maß­ und gute Kommunikation der Volks­ Eribon und Édouard Louis. Die beiden haben ihr gan­
legt. Auf der Insel erwarte ich ziemlich heftige Ausei­ nahmen beschäftigt. Als ich vertretenden. zes intellektuelles Kapital in diese Bewegung hinein­
nandersetzungen, die dann wieder auf Deutschland diese Leute befragt habe, fand ZEIT: Wir sprechen viel darüber, wie sich geworfen. Sie haben gesagt: Das hier ist ein Klassen­
zurückwirken könnten. ich es erschreckend, dass viele Linke von Rechten abgrenzen sollten. konflikt. Und sie haben scharf interveniert: Leute, lasst
Sibylle Berg: Ich bin durch den Gebrauch dieses Be­ eigentlich aus einer progressi­ Aber womöglich ist es heute einfach das hier nicht ins Ressentiment übergehen! Und so
griffes, »heißer Herbst«, zu verstört, um nachzudenken, ven Tradition kamen, aber auf schwieriger, überhaupt zu benennen, was haben sie und andere Linke es vermocht, dass die Gelb­
was damit gemeint sein könnte. Man meint, Deutsch­ die Frage, was sie davon halten, noch links ist und was nicht mehr. Funk­ westen eben nicht zur Le-Pen-Vorfrontbewegung wur­
land würde implodieren, gäbe es nicht für jedes Phäno­ wenn AfD-Leute bei ihnen mit­ tioniert die Unterscheidung nicht mehr? den. Das ist der Unterschied zu Sahra Wagenknecht,
men, ob vorhanden oder nicht, eine zackige Überschrift. laufen, antworteten: »Das ist Berg: Die Begriffe, in denen wir heute noch die nur noch Ressentimentbewirtschaftung betreibt.
ZEIT: Politiker und Journalisten jedenfalls haben be­ schon okay, die sind ja auch dage­ unterwegs sind, links und rechts, Kommu­nismus ZEIT: »Es gibt keine Solidarität von rechts«, das war
reits vor Protesten gewarnt. Die Sorge: Rechte und gen. Wir sind alle Demokraten.« Und da bin ich und Kapitalismus, sind sehr unscharf geworden. Viel­ der Satz auf einem Transparent, das Linke bei einer
Verschwörungstheoretiker könnten die Demonstra­ weiterhin Anti­faschist und halte die Indifferenz gegen­ leicht seit die SPD Hartz IV erfunden hat. Es wäre an Montagsdemo den Rechten entgegenhielten. Ist das
tionen für ihre Sache kapern. Machen Sie sich Sorgen über rechts bei diesen Protesten für hochproblema­ der Zeit, neue gesellschaftlich-ökonomische ­Systeme die linke Losung für diesen Herbst?
um eine solche Querfront? tisch. Es gibt dort tatsächlich eine Drift ins Autoritäre. zu denken und das Beste aus alten Systemen und neu­ Nachtwey: Ich finde das gar nicht so schlecht als State­
Berg: Es sorgt mich, wenn schon, eher, dass die west­ Man hat aber gleich von Beginn an alle Menschen, die en Gedanken zu vereinen. ment. Was ist links? Links ist das Register der Solida­
lichen Gesellschaften so entsolidarisiert sind oder­ Kritik geübt haben, als »Querdullis« herabgewürdigt. ZEIT: Herr Nachtwey, wenn Sibylle Berg so spricht, ist rität. Und rechts ist am Ende das Register des Aus­
wurden, dass eine Einheit unvorstellbar scheint. Ein Das waren dann Leute, mit denen man nicht mehr sie dann überhaupt noch eine Linke? Mancher würde schlusses. Man stabilisiert Angst und Ohnmacht,­
Zusammenhalt der Arbeitenden, der Arbeitnehmer. sprechen musste, denen man sich als vorderhand auf­ ihr das absprechen. indem man ausschließt. Das ist der Unterschied. Und
Der Mittelschicht, die in einigen Medien für ihre­ geklärter Mensch moralisch überlegen fühlte. Nur, Nachtwey: Sibylle ist viel linker als ich. Selbst wenn sie wenn man dann merkt, dass bestimmte Traditionen
Ängste verspottet wird, als ginge es darum, dass die wenn man den Gesprächsfaden abreißen lässt, und das sagt: Was die Linke repräsentiert, interessiert mich nicht mehr zur Linken passen, weil sie das Register
Massen jetzt einen billigeren Yogakurs buchen und ist die Geschichte der Linken seit den Zehnerjahren, nicht. Aber über welche Linke reden wir? Reden wir der Solida­rität vor allem national definieren, dann
keinen Drittwagen kaufen könnten. dann lässt man solche Leute einer anderen politischen über die Leute, die in NRW jetzt in den Kranken­ muss man die Linke vielleicht auch neu erfinden.
ZEIT: In Ihrem Roman RCE beschreiben Sie, wie linke Formierung offen gegenüber. häusern wie die Teufel gestreikt haben? Das bewundere Aber die Unterscheidung zwischen links und rechts
Revolutionäre tatsächlich eine breite Querfront eta­ ZEIT: Wo sehen Sie den Beginn dieser Entwicklung? ich, und es gibt nichts, was linker ist: für kollektive ist nicht obsolet und wird es auch niemals sein. Eine
blieren – und damit Erfolg haben. Sollten Linke ein­ Nachtwey: Occupy war eine interessante Bewegung, die Eman­ zi­
pa­
tion kämpfen! Wenn das Pflegepersonal Solidarität, die ausschließt, gibt es nicht. Die Vor­
fach ignorieren, wenn ihnen vorgeworfen wird, sie vor allem die Finanzmärkte kritisiert hat, in den USA poli­tisch plötzlich aktiviert wird. stellung eines nationalen Sozialismus führt zwangs­
würden mit Rechten gemeinsame Sache machen? waren von Žižek bis Graeber viele linke Intellektuelle Berg: Das bewundere ich auch sehr. läufig nach rechts.
Berg: Solange man Demonstrationen von jenen geneh­ involviert. Aber die radikalen Linken in Frankfurt ha­ ZEIT: Ist Sahra Wagenknecht noch eine Linke? Berg: Sehr gut. Als Unterzeile fürs Plakat würde ich
migen lassen muss, gegen die man eventuell demons­ ben damals gesagt: Die haben eine verkürzte Kapitalis­ Nachtwey: Wagenknecht will, so könnte man wohl­ noch ergänzen: Wir sind nur gemeinsam stark.
trieren will, sind solche Proteste ohnehin meist Bewe­ muskritik, und das sind alles strukturelle Anti­semiten! wollend unterstellen, eine Art deutschen Peronismus
gung gewordener Twitter-Shitstorm. Es gibt die unbe­ Eine Folge dieser Ablehnung war, dass dann tatsächlich erfinden: soziale Marktwirtschaft, nicht zu viele Das Gespräch führte
dingte Abgrenzung von menschenverachtenden faschis­ antisemitische Wirtschaftstheoretiker ihre Veranstal­ Flüchtlinge, kleinbürgerliche Sozialgesellschaft. Kein Lars Weisbrod
tischen Positionen, von Aufrufen zur Gewalt. Aber es tung im Occupy-Camp gemacht haben und den Über­ Rassismus, aber auch nicht zu viele von denen – so
gibt auch die große Masse jener, die andere Meinungen bau lieferten. Man hat die Leute im Grunde der rechten ist, glaube ich, ihre Vorstellung. Tatsächlich betreibt Siehe auch ZEITmagazin, S. 12: Henning Sußebach hat
haben, die anders wählen, essen und denken als man Drift ausgeliefert, auch weil man sie dämonisiert hat. sie mit ihrer Strategie aber das Geschäft der AfD. Sie eine Woche lang Demonstrationen in Berlin besucht
selbst. Warum soll man nicht mit Menschen protestie­ Als das Occupy-Camp geräumt wurde, haben viele aus ist schon länger eine politische Unternehmerin, die
ren, die sich innerhalb des demokratischen Diskurses der linksradikalen Szene gejubelt! vor allem Ressentiments bewirtschaftet. Jetzt verur­ ANZEIGE
bewegen? Und wie sollte man ohne einen Demons­ ZEIT: Sie haben auch die sogenannten Montagsmahn­ teilt sie zwar rhetorisch den Angriffskrieg Russlands,
trantinnenmeinungsbeauftragten erkennen, wie alle ge­ wachen beobachtet, die nach der Ukraine-Krise 2014 spricht aber fast ausschließlich vom Wirtschaftskrieg
rade denken? Welcher Partei sie angehören? Sehr schwer. ins Leben gerufen wurden. der westlichen Sanktionen, die die deutsche Wirt­
ZEIT: Herr Nachtwey, Sie beschäftigen sich als Sozio­ Nachtwey: Die waren von Anfang an problematischer schaft schädigten, und sagt, dass man Putin die Hand
loge schon lange mit Verschwörungstheorien, in Ihrem als Occupy, da bin ich damals vereinzelt schon den reichen müsse.
neuen Buch untersuchen Sie die Querdenker-­ Verschwörungstheoretikern begegnet, die wir auch ZEIT: Und wovon sollte Wagenknecht sprechen, tut es
Bewegung. Kann das wirklich funktionieren, was­ heute sehen. Die erklären einem dann, warum der aber nicht?
GEBOREN IN DEUTSCHL AND.
Sibylle Berg sich ausgemalt hat? Die Linke ködert eine Frankfurter Messeturm auf dem Dollarschein abge­ Nachtwey: Kriege sind stets Beschleuniger von sozial­
H E R G E S T E L LT F Ü R D I E W E LT.
breite Bewegung aus Unzufriedenen, und gemeinsam bildet ist und was das mit den Weisen von Zion zu tun politischen Innovationen. Selbst bei der FDP greift
erreicht man dann tatsächlich linke Ziele? hat. Auf den Montagsmahnwachen waren aber mehr­ mittlerweile das Realitätsprinzip: Die Gaspreise müs­
Nachtwey: Die Querdenker sind ja schon ein Resultat heitlich Kids, die sich Sorgen um einen Krieg gemacht sen gedeckelt werden. Man sieht ein, dass man ver­
aus der Tatsache, dass linke Herrschaftskritik so haben. Am Ende ist da auch kein Linker hingegangen, staatlichen kann. Und was Wagenknecht jetzt nicht
schwach geworden und häufig nicht mehr sichtbar ist. der mit ihnen interagiert hat. Was war die Folge? Die tut, ist, das aufzunehmen und irgendeine Form von
Welche Gesellschaftskritik hat die Linke während der Kids sind nach Hause gegangen und haben dann Ken demokratischem Sozialismus als Alternative anzu­
Pandemie überhaupt noch geübt? In diese Lücke sind Jebsen bei You­Tube geguckt. Das war sein Aufstieg. bieten – Verstaatlichung der Energieunternehmen,
Von Sibylle Berg erschien die Querdenker mit ihrer verqueren, mit ihrer verrück­ Diese Unordnung, die wir jetzt sehen, ist dadurch ent­ Reichensteuern wie früher während Kriegszeiten, ein
im Mai der Roman ten Herrschaftskritik vorgestoßen – verrückt im Sinne standen, dass man die linke Kritik immer stärker ­einem 100-Milliarden-Sofortprogramm für die Bahn. Die
»RCE«, die Fortsetzung von: ver-rückt. Weil sie schief steht, aber nicht immer Reinheitsgebot unterzieht. Liste ist lang. Und dann ist es eine reaktionäre Po­si­
ihres ­gefeierten Buches so pathologisch ist, wie sie öffentlich dargestellt wurde. ZEIT: Auch jetzt sorgen sich viele Linke: Was ist, wenn tion, wenn man immer nur sagt: Wir müssen den
»GRM«. Diesmal nutzen ZEIT: Wie rückt man das als Linker wieder gerade? Putin-Versteher zu unserer Demo kommen? Wirtschaftsstandort schützen.
linke Revolutionäre ­ Berg: Es gab früher etwas, das Diskurs hieß. Auseinan­ Berg: Es kommt vielleicht auch jemand zur Demo, der ZEIT: In Frankreich scheint die Linke schon einen
Verschwörungstheorien, dersetzung, Diskussion, Austausch. Die Bevölkerung an die flache Erde glaubt. Oder an einen Gott. ­Dagegen Schritt weiter zu sein. In Sibylle Bergs Roman sind die
um das kapitalistische hat sich in Lager zurückgezogen, sie bekämpfen ein­an­ hilft eine offizielle Distanzierung oder ein offener Brief. Gelbwesten ein Vorbild für die Revolutionäre.
System zu stürzen der in immer kleiner werdenden Zugehörigkeits­ Oder beides. Vielleicht sollte sich jede so ein Schild Berg: Ich muss einschränkend sagen: Was ich über die
gruppen. Und sind wunderbar abgelenkt von dem mit diversen Ausschlusskriterien umhängen, ehe er Gelbwesten weiß, stammt aus Dokumentationen, aus
eigent­lichen Problem: ein ökonomisches System, das oder sie demonstriert. Spaß beiseite – wenn man von Le ­Monde und von Philosophen. Hier scheint etwas
Oliver Nachtwey lehrt verschwinden muss, damit die Menschheit überleben offen erkennbaren Faschisten umringt ist, sollte man Wesentliches wiederbelebt worden zu sein: der
an der Universität Basel. kann. Die Aufgabe wäre jetzt: die Menschen wieder die Demonstration als Fehlschlag verbuchen und das Klassen­ kampf. Die Demonstrationen gingen mit
Mit Carolin Amlinger zusammenbringen, damit sie ihre Stärke begreifen. nächste Mal einen anderen Mumble- oder Threema- massiver poli­tischer Bildung einher, mit fundierter INGENIEURSKUNST
hat er über Bewegungen Würden morgen zum Beispiel alle, die im Gesund­ Kanal nutzen, um sich zu verabreden. System­analy­se, mit einem Thema, das alle vereinte: SEIT 1898
wie die »Querdenker« ein heitswesen arbeiten, in einen Globalstreik treten, wäre ZEIT: Müssen nicht gerade Linke Abstand zu jeder die zunehmende Verachtung gegenüber den Arbeiten­
Buch geschrieben, das in das ein interessanter Moment. Form der Verschwörungstheorie wahren? den. ­Gegenüber jenen, die in Krankenhäusern malo­
diesen Tagen erscheint: Nachtwey: Ich sehe das ähnlich wie Sibylle, würde Berg: In den letzten drei Jahren kamen – nach sehr chen und uns über Pandemien hinweghelfen und jetzt
»Gekränkte Freiheit« aller­dings in manchen Punkten auch widersprechen. flotter Recherche – 38 Bücher zum Thema Verschwö­ wieder vergessen wurden. In den Niederlanden, habe
50 FEUILLETON 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

UNSERE WOCHE
SERIE ten wir einen weiteren Günter Wallraff Einst ein Star, jetzt im Billighotel: Richie Bravo (Michael Thomas)
kennen, der weniger bekannt ist, ­einen
Der neue jugendlichen Typen, der tags und nachts
anrufen konnte, »ja, hallo, hier ist Gün-
Girlboss ter«. Einen Hobby-Leistungs­sportler, der
Spaß daran hatte, sich im Tischtennis
mit Timo Boll, dem besten deutschen
Warum Sisi sich heute Spieler, zu messen. Und der oft vergnügt
von seinen Abenteuern erzählte. Als er
nichts mehr sagen lässt einmal, verkleidet in einer Rolle, mor-
gens auf dem Weg zur Arbeit war, er war
Wer 2022 eine Serie über Kaiserin Sisi zu spät und fuhr zu schnell, wurde er
produzieren will, hat es nicht leicht. Man von Polizisten gestoppt, die ihn erkann-
muss Monarchen ein Interesse an den ten, weiterfahren ließen und ihm viel
eige­nen Untertanen andichten und den Erfolg wünschten. Es ist v­ollkommen
Überblick behalten über die Verwandt- klar, dass die anderen Wallraffs ohne den
schaftsverhältnisse in den Habsburger Frohnatur-Wallraff nie so lange durch-
Ehen; außerdem braucht man eine Sisi, gehalten hätten.
die als feministisches Vorbild den aktuel- Günter Wallraff ist in der Nähe von
len Standards entspricht. Netflix hat das Köln geboren, wo er bis heute lebt. Sein
jetzt mit der Produktion Die Kaiserin ver- Vater lackiert für Ford und stirbt an den
sucht: Dort lässt sich Sisi von Hof und Folgen seiner Arbeit, und als der junge KOMMENTAR
Kirche nichts sagen, statt pompöser­ Wallraff in der Bundeswehr malträtiert
Pastell-Kleider trägt sie Fischnetz-Ober- wird, schreibt er darüber. Damit geht es

Dem Menschen nahe


teil. Denn heute muss jede Frau ein girlboss los. Der Kölner Schriftsteller Heinrich
sein, ob tot oder lebendig. In der zweiten Böll fördert ihn, er arbeitet für ­Magazine,
Staffel investiert Sisi dann sicher in femi- 1985 erscheint Ganz unten, sein Erlebnis­
nistischen NFTs.  EVA SAGER bericht als Türke Ali gilt als meistverkauf-
tes deutsches Sachbuch seit 1945.
Und wie feiert Günter Wallraff sei- Ulrich Seidls Film »Rimini« kommt ins Kino – zugleich werden gegen
UNDERCOVER nen Achtzigsten? Anruf am Samstag in den österreichischen Regisseur Vorwürfe laut  VON KATJA NICODEMUS
Köln, die freundliche, immer leicht ge-
hetzte Stimme meldet sich. »Ja, hallo,
Er war wie schön, dass du anrufst! Danke,
danke! Du, ich muss jetzt gleich los,
Der österreichische Regisseur Ulrich Sparta in Rumänien spielt und von pflegt zu haben. Die Dreharbeiten
Seidl zeigt, was ihn am Menschen ­ Bravos jüngerem Bruder Ewald han- seien korrekt verlaufen, und auch ­
immer viele ich habe Ob­dach­lose eingeladen, wir
feiern gemeinsam, die warten auf interessiert, und das ist nicht un­ delt. Der österreichische Schauspieler verstörende Szenen mit den Kindern
mich. Ruf mich später am Abend noch bedingt das, was jeder Mensch sehen Georg Friedrich spielt die in sich ver- seien vor- und nachbereitet worden.
Günter Wallraff ist doch mal an oder morgen früh, ja? Tschüss,
tschüss!« Günter Wallraff ist vielleicht will. Seidl lässt Menschen sich selbst schlossene Hauptfigur: einen Mann, Auch habe er alle Mitwirkenden über
tatsächlich 80 geworden gerade 80 geworden, aber das hält ihn spielen und entwickelt aus und mit der in einer ärmlichen ländlichen ­ die Geschichte und die Figuren des
nicht auf. Er wallrafft einfach immer ihnen ­zugleich eine Fiktion. Seine ­ Gegend einen Judoclub für Jungen Films aufgeklärt. Inzwischen, so Seidl,
Er war ganz unten und ganz oben, er hat weiter.  CHRISTOPH AMEND
Deutschland durchgeschüttelt, und zwi- Figuren besuchen Swingerclubs, ­ gründet. Ewald fühlt sich zu den habe er die Familien besucht und
schendurch wurde sein Nachname zu präsentieren sich als Liebhaberinnen Minderjährigen hingezogen und ihnen den Film gezeigt: »Mir selbst
einem Verb, weil er zum Vorbild für ihrer Hunde, leben in Kellern ab- ringt zugleich mit seinem Begehren. werfen die Familien – jetzt, wo sie den
JAHRESZEITEN
Generationen von investigativen Repor-
terinnen und Reportern wurde. gründige Fantasien aus, praktizieren Kürzlich wurden im Zusammenhang Film kennen – nichts mehr vor.«
80 Jahre ist Günter Wallraff am
Samstag geworden, dabei müsste man Jetzt mit einen übersteigerten Katholizismus
oder reisen als Sextouristinnen nach
mit der Entstehung des Films im
Spiegel Vorwürfe gegen Ulrich Seidl
Sparta ist diese Woche auf dem ­
Hamburger Filmfest und demnächst
eigentlich mehreren Günter Wallraffs
gratulieren. Dem Undercover-Wallraff, Zwetschgen Afrika. In seinem Film Rimini, der erhoben. Unter anderem habe der ­ auf der Viennale zu sehen. In einer
der in Rollen anderer schlüpfte, um auf- im Wettbewerb der vergangenen ­ Regisseur seine minderjährigen Dar- Szene sieht man Ewald mit den Jungen
zudecken, was schiefläuft im Land: Was soll man nur mit Berlinale lief (ZEIT Nr. 8/22) und steller und ihre Familien nicht über duschen, er nackt, sie in Unterhosen.
schändlich behandelte türkische Arbei- der nun ins Kino kommt, ist die das Thema des Films – Pädophilie – Die körperliche Distanz wird ge-
ter, eine Menschenrechte verletzende
diesem Herbst anfangen?
Bild-Zeitung, unseren Umgang mit­ Hauptfigur ein abgehalfterter Schlager­ aufgeklärt. Zudem sei während der wahrt, alles Weitere findet in unseren
Obdachlosen. Dem Aktivismus-Wallraff, In jener obstreichen Süßspeise, die im sänger. In dem winterlichen Badeort Dreharbeiten nicht ausreichend auf Köpfen statt. Es ist ein Film über
der sich in der Militärdiktatur Griechen- franzö­sischen Limousin entstand, dem tritt Richie Bravo in Billighotels vor das seelische und körperliche Wohl einen Menschen, der seine Sexualität
land an einen Lichtmast auf dem Syn- Clafoutis, ist der Herbst am schönsten zu
tagma-Platz in Athen kettete und seine schmecken, wenn die Tage gekommen älteren Pauschaltouristinnen auf – der Kinder geachtet worden, die vor verdrängt und ihr zugleich eine Art
Freiheit riskierte. Und dem Gastgeber- sind, die man seit Ewigkeiten als Ernte- und besucht sie für Geld auf ihren der Kamera verstörenden Situationen Arena errichtet, den Sportclub Sparta.
in-der-Not-Wallraff, dessen Haus immer dank feiert: Das ist jetzt, mit Zwetschgen. Zimmern. Seine erwachsene Tochter, ausgesetzt worden seien. Vielleicht ist Ewald als Erwachsener
offen steht, für den vom Tod bedrohten Zwar wird der Clafoutis, ein Wunder, halb
Salman Rushdie und für den von der Kuchen, halb Auflauf, in Yasmina Rezas
mit der er nie zusammengelebt hat, In einem Interview mit dem öster­ das Kind, das er, wie wir in den ­
DDR ausgebürgerten Wolf Biermann. Gott des Gemetzels mit Birnen oder Äpfeln wird ihn plötzlich mit sich selbst ­ reichischen Magazin Profil äußerte beiden Filmen erfahren, nicht sein
Ich habe Günter Wallraff 2007 gebacken: geht. Wie ja auch Apfelkuchen konfrontieren. Der österreichische sich der Regisseur in der vergangenen durfte. Und vielleicht stattet er die
kennen­gelernt, wir planten das Come­ geht, dessen Tage ebenfalls anbrechen. Schauspieler und Ex-Schlagersänger Woche nun erstmals ausführlich zu Jungen deshalb mit Fantasierüstungen,
Foto: Neue Visionen Filmverleih

back des ZEITmagazins, das auch zum Was sind das für Zeiten, wo ein Textchen
Come­ back des Undercover-Wallraffs über Herbstobst fast ein Verbrechen ist, Michael Thomas – er hat eine ähnliche den Vorwürfen. In dem Gespräch Helmen und Harnischen aus. Alle ­
wurde. Für die erste Ausgabe deckte er weil es ein Schweigen über Pipeline-Lecks, Biografie – verkörpert diesen Drifter räumt Seidl ein, das Vertrauensver- Figuren, Erwachsene wie Kinder, sind
Missstände in Callcentern auf, von da an den Landraub und die Dürre einschließt. und Trinker im Pelzmantel mit be- hältnis zu den rumänischen Beteiligten umgeben von einer allumfassenden
war er für die ZEIT unterwegs, heute­ »Und doch esse und trinke ich«, sagt der
arbeitet sein »Team Wallraff« für RTL. alte Brecht. Clafoutis also, endlich mit rührender Lebensgier. Rimini ist Teil während der zweijährigen Corona- Einsamkeit. Mit Sicherheit ist Sparta
Während unserer Zusammenarbeit lern- Zwetschgen.  ELISABETH VON THADDEN eines Diptychons, dessen zweiter Teil Unterbrechung nicht ausreichend ge- Ulrich Seidls traurigster Film.
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MARLENE BUROW
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DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 FEUILLETON 51

Das kann ja jeder!

Zwei sich küssende Alpakas – und drei weitere Bilder, erstellt vom Programm Dall-E 2 Das Gemälde »Betty« von Gerhard Richter – hier mit erweitertem Hintergrund

Abb.: DZ/DALL·E/OpenAI
Die »Mona Lisa«, einen Apfel essend Michelangelos »David« mit einem Skateboard auf dem Times Square

K
ürzlich gewann der Spieleentwickler Jason M. ins Englische zu übersetzen, sind wir wenig erstaunt: Er weiß, tree nur Mensch und Maschine, sie belebt auch auf überraschende­
Allen in Colorado einen Kunstwettbewerb. ist die Antwort. Bei Bildgeneratoren ist die Sache komplexer: Hier Weise die Utopie einer von allen geteilten und mitgestalteten
Und es sei dabei, sagt er, eine »außerweltliche geht es darum, für abstrakte Begriffe einen nicht begrifflichen Aus­ Bilder- und Real­welt.
Kraft« im Spiel gewesen. Allen hatte sich sein druck zu finden. Ein Vorgang, der einem auf verblüffende Weise Übertrieben? Mag sein. Bezeichnenderweise kommt aber das,
Gemälde nämlich nicht selbst ausgedacht, son­ menschlich vorkommt. was sich in der Sphäre der Generatoren gerade abspielt, den Idealen
dern eines dieser Programme benutzt, über die Denn was passiert, wenn wir das Wort Baum hören? Es stellt sich mancher Gegenwartskünstler ziemlich nahe. Gerade erst propagier­
gerade aufgeregt diskutiert wird. Die erstaun­ ein inneres Bild ein, vielleicht das einer Eiche oder eines Apfelbaums. te die Documenta das Kollektiv- und Kollaborationsprinzip, um
lichsten Bilder lassen sich damit entwerfen, ohne dass man malen In jedem Fall aber bleiben die Begriffe nicht begrifflich, sie werden die Idee des individuellen Schöpfers abzulösen. Die Kunst, sie ist
oder zeichnen können müsste. Es braucht nur ein paar Worte. Mit von uns gedeutet, mit Gefühlen und Erinnerungen aufgeladen. Und nur noch sozialer Prozess. Für Meisterwerke interessiert sich niemand
denen versorgte Allen das Programm, und mühelos vollbrachte ebendas, die fühlende Deutung des Abstrakten, scheint nun auch mehr. Und also treffen die Bildgeneratoren einen sehr zeitgenös­
der Computer dann das Eigentliche, ein theatra­lisches Gemälde, den Bildmaschinen möglich. sischen Nerv: Alles an ihnen ist vorläufig, jede Hervorbringung wie
das vom Jenseits kündet. Beide gemeinsam, der Spieleentwickler Natürlich täuscht das. Maschinen fühlen nichts, sie denken sich gemacht, um sie organisch fortzuspinnen, mit anderen ­Ideen zu
und der Bildgenerator, gewannen schließlich den Kunstwett­ nichts aus. Doch ist es eine durchaus tröstliche Täuschung. In einem ergänzen und wieder einzuspeisen in den riesigen Pool der Bilder,
bewerb, sehr zum Verdruss der rein menschlichen Künstler. fort digitalisiert sich die Gegenwart, entzieht sich den Blicken, wird den die künstliche Intelligenz bewirtschaftet. Wer das Programm
Es war kein bedeutender Preis, trotzdem erinnert der Triumph ungreifbar, niemand weiß mehr, wie es im eigenen Telefon aussieht, Midjourney nutzt, kann diesem Schöpfungsprozess der vielen sogar
in Colorado an ganz ähnliche Verschiebungen im Verhältnis des was sich dort abspielt, ein einziges Rätsel. Nun aber, den Bildgene­ live zusehen, kann verfolgen, welche I­deen gerade eingepflegt,
Menschen zu seinen Maschinen: daran, wie 1996 der Schachwelt­ ratoren sei Dank, gewinnt das Rätselhafte der digitalen Welt eine welche Motive generiert werden. Die Produktion der Bilder, hier
Aus Computern meister Garri Kasparow einem Algorithmus unterlag. Oder wie Lee beschaubare, nicht selten auch beschauliche Form. Selbst für Be­ wird sie zum Gesellschaftsspiel ohne Ziel und Ende.

A
werden Künstler: Sedol, ein Großmeister im Brettspiel Go, einem Computer unterlag,
vor gerade mal sechs Jahren. Und jetzt also die Kunst. Von der
griffe wie Zeit, Glaube, Hoffnung finden die Algorithmen eine
bildliche Entsprechung. Und so verliert schließlich die Technik selbst us guten Gründen sind deshalb viele Künstler, Gra­
Nur ein paar dachte man immer, sie sei unausrechenbar. Doch sollen Computer den Schrecken der Abstraktion. Sie stellt sich uns vor: als Gefährte. fiker und Designer von der neuen Technik zwar
auch hier nun die Besseren sein, schneller, erfindungsreicher und Vertrauensbildend, so nennt man das wohl, wenn Mensch und angefixt, mehr aber noch sind sie beunruhigt. I­ hnen
Worte eintippen, auf ungeahnte Weise fantasiebegabt. Algorithmus so leichthin zusammenfinden. Eine Wirkung, die noch erwächst mit den Bildmaschinen ein schier all­
Vorige Woche erst wurde Dall-E 2, eines der populärsten und dadurch verstärkt wird, dass dank der Bildgeneratoren etwas ent­ mächtiger Konkurrent, einer, der sie obendrein
schon entstehen wirkmächtigsten Programme, für alle und jeden freigeschaltet, kos­ steht, das weit größer ist als die Technik selbst, größer auch als das, noch beklaut, weil so ziemliches alles, was im Internet an Bildern
irrwitzige Motive. tenlos lassen sich damit die aberwitzigsten Motive produzieren. Die
Mona Lisa, wie sie einen Apfel isst. Zwei sich küssende Alpakas in
was die Einzelnen mit ihr anstellen.
Auf den ersten Blick wirkt es zwar so, als gehe es allein um das
publik wird, in den Datenschatz der Generatoren einfließt. Je
mehr sich also die menschlichen Gestalter ausdenken, desto
Ist das der Schwarz-Weiß. Der David von Michelangelo auf dem T ­ imes S­ quare Individuum, als dürfe dieses nun vollumfänglich zu dem werden, mächtiger wird ihr maschinelles Gegenüber. Am Ende droht­
mit einem Skate­board. Oder auch eine rahmensprengende Variation was Joseph Beuys ihm lange schon zugesprochen hatte: ein Künstler, ihnen sogar, von den Maschinen verschluckt zu werden, so wie es
Anfang einer auf Gerhard Richters Betty-Gemälde. Je unwahrscheinlicher der Auf­ digital beflügelt, kreativ in einem nie geahnten Maße. Allerdings hat dem polnischen Künstler Greg Rutkowski bereits passiert, dessen
trag, desto verblüffender ist das Ergebnis: Nichts scheint den Bild­ die Arbeit mit Dall-E 2 und ähnlichen Programmen nichts mit dem Stil von den Bildgeneratoren derart oft kopiert worden ist, dass
neuen Weltkunst?  generatoren zu entlegen, nichts zu befremdlich. Und na klar, sie zu tun, was bislang oft die Vorstellung vom Künstler prägte. Hier ist sich seine Originale im Netz kaum mehr auffinden lassen.
können jedes Motiv beliebig variieren, als Kohlezeichnung oder er nicht das einsame Genie, das aus dem Nichts heraus die kühnsten Große Softwareunternehmen wie Open AI, angesiedelt im Sili­
VON Aquarell, im Stil von Monet, van Gogh oder so, dass es an nebelige Meisterwerke erschafft. Vielmehr entstehen die digitalen Bilder auf con Valley, kümmert das nicht weiter. Sie beschäftigt vor allem, wie
HANNO RAUTERBERG Fantasyspiele erinnert. Das alles binnen weniger Sekunden. ungemein öffentliche Weise, als Kooperation im Weltmaßstab. ihnen die Bildmaschinen dabei helfen könnten, dem eigentlichen
Nun sitzen also Hunderttausende vor ihren Bildschirmen, denken Heraus kommt eine Art Volkskunst. Nicht im völkischen, sondern Ziel der Programmierer näher zu kommen, der Entwicklung einer
sich die unmöglichsten Aufgaben aus und staunen: über die Ergeb­ im grenzüberschreitenden Sinn. AGI, einer Artificial General Intelligence. Diese soll, so die Hoff­
nisse zum einen, die mal mehr, mal weniger überraschend ausfallen. Hört sich seltsam an, doch arbeitet der Algorithmus tatsächlich nung der Firmen, alle Lebenssphären durchdringen und verbinden
Zum anderen über den eigenen Einfallsreichtum, die raffinierten mit einem Bilderfundus, der mächtiger nicht sein könnte. Die­ können, ähnlich wie es den Bildgeneratoren schon heute gelingt.
Befehle, mit denen sie die Maschinen füttern. Am staunenswertesten Maschine braucht die Anweisungen der Einzelnen, die vor ihren Die Maschinen sollen lernen, die Welt wie ein Mensch wahrzu­
aber ist die versöhnende Wirkung der Programme. Es sind in Wahr­ Monitoren sitzen, sie braucht ihre Worte im Eingabefeld. Doch ohne nehmen. Und weil der Mensch die Welt nicht mit technischem
heit keine Bild-, es sind Harmoniemaschinen. die vielen Hundertmillionen Motive, in einer Datenbank gespeichert, Blick betrachtet, nicht wie eine Kamera, weil er sie vielmehr inter­
Nicht dass die digital generierten Motive immer nur heiter oder wäre das Programm ganz hilflos. Es greift sich, was es im Internet pretiert, werden ausgerechnet die Künste zum idealen Trainingsfeld
erhebend aussähen. Vielmehr ist es die Methode, die auf ­unbedingte findet, die Fotos von Laien wie die Werke von Künstlern. Ein Bild­ der Programmierer.
Inklusion baut. Dank ungeheurer Rechnerleistung können die Bild­ generator, der keine Bilder generiert, der sich nur das nimmt, was Indem wir die Maschine mit unseren Ideen füttern, lernt sie,
maschinen noch die größten Gegensätze visuell befrieden. Alle Stile, Menschen geformt und gestaltet haben, um es rekombinierend neu was der Mensch unter Kunst versteht. Was er sich ausmalen
alle Kulturen, das Vergangene und Zukünftige, das Reale und I­ rreale zu verknüpfen. möchte, welchen Sehnsüchten er folgt, welche Ängste ihn p ­ lagen,
werden hier spielerisch vermählt. Das macht die eigentliche Faszi­ Genau das aber macht traditionelle Volkskunst aus. Da gibt es was er neu und anders gestaltet wissen möchte.
nation der Bildmaschinen aus: Für eine heillos polarisierte, in Lager keine Meisterwerke, keine genuinen Schöpfungen. Auch geht es Das heißt keineswegs, dass die Maschine alle Wünsche visuali­
zerfallene Gegenwart produzieren sie kleine, lustige Gegenbilder, die nicht um einen herausragenden, persönlichen Stil, nicht um­ sieren würde; wo immer sie Pornografie wittert, blutige Gewalt, per­
von Einvernehmlichkeit erzählen, davon, wie sich alles mit allem Authentizität, Autonomie, Selbstreflexion und all die anderen Dinge,­ sönliche Diffamierung, macht sie zu. Das Triebhafte des Menschen,
verbinden lässt. Hier findet das Disparate eine gefällige Form. Der die mit der Hochkunst einhergehen. Wichtig ist der Volkskunst, dass seine bösen Seiten, bleibt ausgespart. Die neue Volkskunst erweist
Sinn liegt im Unsinn, Unwahrscheinliches wird wahr. sie anknüpft an das, was es gibt. Und dass sie eine Ä ­ sthetik des All­ sich in dieser Hinsicht als überaus prüde. Und so könnten die­
Dazu gehört selbstverständlich auch das gleitende Ineinander gemeinen ausbildet, von vielen Menschen gleichermaßen geprägt Künstler der Zukunft, die menschlichen, zumindest das den Bild­
von menschlichen Worten und digitalen Bildern. Mehr noch als die und verstanden. maschinen noch eine Weile voraushaben: den freien Blick auf das
Motive erweckt deren Entstehung den Eindruck, alle Gegensätze Etwas ganz Ähnliches geschieht, in einem überregionalen Maß­ Verdrängte und Verhasste, auf die nicht generierbaren Tabus. Das
könnten überwunden werden. Schließlich suggerieren die Pro­ stab, wenn Bildgeneratoren auf die Muster und Motive der mensch­ Böse steht ihnen offen; alles andere macht der Computer.
gramme, sie könnten uns, die Menschen, in einem tieferen Sinne lichen Kulturgeschichte zugreifen: Nicht das Individuelle zählt, es
verstehen. Wenn wir dem Computer auftragen, ein Wort wie Baum zählt das Verbindende der Bilder. Die neue Volkskunst eint nicht  www.zeit.de/vorgelesen
52 FEUILLETON 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Ein Kopf
kürzer –
Richard
David
Precht
nach der
jüngsten
Medien-
schlacht
Foto (Ausschnitt): Christian Bruch/ZDF

Wer ist Precht – und wenn ja, wie viele?


Wie aus dem beliebtesten Medienphilosophen eine Hassfigur wurde  VON JENS JESSEN

R
ichard David Precht, Autor an einem Buch, das er zusammen mit dem ebenfalls hatten, dort als schlechtes Vorbild für die Entgleisung Precht. Eine auffällige Außenseiterposition, schon die niemals ihrem Gewissen folgen, sondern nur der
höchst erfolgreicher populärphilo­ fernsehbekannten Sozialpsychologen Harald Welzer der klassischen Me­dien kritisiert worden zu sein. gar eine querulatorisch wirkende, war für diese ­Imago Aussicht auf größtmöglichen Beifall von der größt­
sophischer Sachbücher, Gast und geschrieben hat und das vom Verlust der Meinungs­ Man kann es wirklich nicht anders sagen: Richard niemals vorgesehen. Precht hatte der einfühlsame, möglichen Publikumsmenge. Erst recht haben es die
Gastgeber zahlloser Talkshows, vielfalt handelt, von der politischen »Selbstanglei­ David Precht und Harald Welzer haben es sich durch sanfte, trostreiche Experte zu sein, der unauffällig- Fernsehleute nicht gerne, die Sendungen verlässlich
geschätzter Beiträger führender chung« einst konkurrierender Me­dien, von einer fa­ ihr Buch Die vierte Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung vernünftige Positionen unauffällig und vernünftig, planen wollen, mit verlässlichem Benehmen der­
Zeitungen, geboren 1964 in­ talen Journalistennähe zur Regierung, insbesondere gemacht wird, auch wenn sie keine ist auf einen Schlag im besten Fall sogar etwas langweilig vortragen sollte. Gäste. Selbst der mit Precht durch einen gemein­
Solingen und 186 Zentimeter zum grünen Koalitionspartner. Majestätsbeleidigung? mit allen verdorben, den neuen wie den alten­ Er sollte gefallen, auch durch sein Äußeres, nicht samen Podcast freundschaftlich verbundene Markus
groß, wie jede Eingabe seines Namens auf Google Die neben Precht und Welzer als Konterpart an­ Medien. Vielleicht weil diese am Ende, anders als der Missfallen erregen. Lanz reagierte etwas verstört auf dessen wütige Ver­
ungebeten meldet, war lange Zeit so etwas wie ein wesenden Journalisten, Melanie Amann vom Spiegel Untertitel behauptet, doch eine Mehrheitsmeinung Der Journalist und Jurist Christian Bommarius, bocktheit.
Liebling der Medien. Wann hatte es das je gegeben, und Robin Alexander von der Welt, ließen jedenfalls repräsentieren? Zumindest haben Precht und Welzer bekannt durch sein Buch über das Grundgesetz der In solchen Fällen – nämlich in denen Medien­
dass Mode-, Frauen- und Klatschillustrierte Haus­ nichts von den Thesen als sachlich begründbar gelten. sich ihrerseits schon des Längeren auf den Weg zu Bundesrepublik, hat auch einmal ironisch eine Art persönlichkeiten gegen ihre festgelegte Medienrolle
besuche bei einem Intellektuellen machten, um ihn Sie zeigten Hohn und Verachtung für etwas, das­ einer Minderheitsmeinung gemacht, mit Protesten Grundgesetz der Talkshow entworfen. Der Aufsatz verstoßen – bleibt für Sendeanstalten und Zeitungen
auf langen Fotostrecken als gut gekleideten Mann ihnen als amateurhaft zusammengeschustert erschien, gegen Corona-Politik und Impfpflicht (Precht) und Die Übersättigungsbeilage. Experten und andere ­lustige ebenso wie für soziale Plattformen im Internet nur
mit Sex-Appeal und mit trostreichem Gespür auch schlimmer noch: Sie zeigten ihren Hohn und ihre mit Petitionen für Waffenstillstand und nicht­ Personen (2005) entwirft eine Typologie der Fernseh­ eines: Die Persönlichkeit, die von ihnen groß gemacht
für die existenziellen Fragen eines Alltagspublikums Verachtung in einer Art des Sitzens und Sprechens, militärische Lösung des Ukraine-Konflikts (Precht gäste, die jeweils eine ganz bestimmte, von Anfang wurde, wird von ihnen nunmehr klein gehackt. Dem
zu feiern? Zum sensationellen Bestseller-Erfolg­ die unvergleichlich souverän von dem gekränkten und Welzer). Zuletzt fiel Precht mit dem Vorschlag an feststehende Rolle zu spielen hätten. Aus dieser Springer-Chef Mathias Döpfner wird über den
seines Buches Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Gehaspel der Ankläger abstach. auf, ein beliebiges Nato-Mitgliedsland solle sich­ Rolle ist Richard David Precht, obwohl doch ein Umgang mit Prominenten der Satz zugeschrieben:
(2007) hatte allein schon der Titel gereicht, um Ja, man kann es nicht anders sagen: Den journa­ verbindlich gegen die Aufnahme der Ukraine aus­ Fernsehprofi seit vielen Jahren, fahrlässig ausgebro­ »Wer mit der Bild-Zeitung im Aufzug nach oben
den Käufern suggerieren zu können, dass sie sich listischen Profis Amann und Alexander gelang es sprechen, um damit alle diesbezüglichen Sorgen chen. Plötzlich stellte sich die Frage: Wer ist Precht – fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten.«
mit ihren Lebens- und Identitätskrisen darin­ mühelos, aus den Anklägern ihrer Branche ­Angeklagte Putins zu zerstreuen (etwas verkürzt referiert). und wenn ja, wie viele? Hat er etwas grundsätzlich Dieser sozusagen funktionale Zynismus beschränkt
wiederfinden würden. zu machen. Precht und Welzer verwandelten sich im Ist dies unerlaubt? Nein, überhaupt nicht. Aber missverstanden und gemeint, er könne auch als unbe­ sich keineswegs auf Bild. Es handelt sich ebenfalls
Mit diesem Albumbild des Philosophen als eines Handumdrehen in Schulbuben, die Missstände an­ in den beiden großen Krisenlagen war es tatsächlich quemer Ruhestörer weiterhin beliebt und von Jour­ um eine Art Grundgesetz aller Me­dien. Der Mensch
schönen jungen Mannes ist es jetzt erst einmal vorbei prangern wollten, aber sich stattdessen als Missetäter – wie im Buch beklagt – so, dass sich eine gemein­ nalisten geschätzt bleiben? Journalisten schätzen im ist für sie die Ressource, von der sie leben. Sie können
(wenn es denn überhaupt jemals richtig und gerecht vor dem Schuldirektor zu verantworten hatten. Der same Position in den Me­dien gebildet hatte, die jede Allgemeinen nicht, wenn jemand den Standpunkt damit etwas basteln, das schön aussieht; sie können
war). In der Talkshow bei Markus Lanz vor einer Effekt war so stark, dass selbst in sozialen Medien wie Abweichung als wenigstens unsolidarisch, wenn nicht wechselt; in sozialen Medien gilt dies sogar als ­schwere ihn aber auch verheizen, um Energie zu erzeugen.
Woche zeigte Precht ein zornentbranntes Gesicht, eine Twitter, die im Allgemeinen gerade Autoritätsgesten unmoralisch brandmarkte. Auch darin liegt übrigens Verfehlung, die lebenslange Bestrafung wegen schuld­ Hoffen wir, dass es mit Precht nicht so weit
wie kurz vor dem Weinen zitternde Lippe, fast­ traditioneller Institutionen angreifen, Spott und Miss­ kein Skandal – selbst konkurrierende Me­dien dürfen haften Selbstwiderspruchs nach sich zieht. kommt. Aber wozu auch immer es kommt, es wird
aggressiv enthemmte Körpergesten. Wie konnte das gunst über Precht ausgeschüttet wurden. Ein Shit­storm einmal einer Meinung sein. Aber ein großes Problem Oder ist Precht einfach seinem Gewissen und den mit dem, was er politisch, inhaltlich denkt und letzt­
geschehen? Aus dem Liebling der Medien war der war es nicht direkt, aber es zeigte sich, dass selbst die entstand daraus, falls die hochtrabende Formulierung Resultaten einsamen Nachdenkens gefolgt? Auch dies lich ja nicht inhuman, sondern nur abweichend
Lieblingsfeind der Medien geworden, und das liegt abgebrühten Twitterer dem Buch übel genommen erlaubt ist, für die Medien-Imago des Richard David hat niemand gerne, schon gar nicht jene Journalisten, meint, wenig zu tun haben.

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Regula Mühlemann Igor Levit


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Insieme – Opera Duets
Die hochgelobte Schweizer
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Sopranistin und das Ensemble
Bariton Ludovic Tézier, von Liszt, Henze, Wagner
Chaarts entfalten ein märchenhaftes
präsentiert Jonas Kaufmann und Mahler.
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SONYCLASSICAL.DE
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 FEUILLETON 53

GRAND SLAM KINO

Die Frankfurter Premiere Schwarze Amazonen


Ich war im Theater, Tschechows »Onkel Wanja«. Der Film »The Woman King« verbindet in vorbildlicher Weise
Und wieder einmal schneite es  VON ANDREA PETKOVIĆ Brutalität mit politischer Korrektheit  VON JENS BALZER

Seit ich mit 35 Jahren in Tennisrente gegangen bis abends auf dem Tennisplatz. Meine Mutter perfekt gekleidet. Sie wussten, was sich gehörte. Der schönste Gewalt- und Gemetzelfilm der (Viola Davis); an ihrer Seite wächst die junge
bin, habe ich die Zeit, die meine Freunde nicht hatte zwei Kinder und Verwandte, die vor dem Ich war froh, mich hinzusetzen und nicht mehr laufenden Kinosaison trägt den Titel T­ he Woman Nawi (Thuso Mbedu) zu einer ebenbürtigen
haben. Meine Freunde arbeiten oder sind auf Krieg geflohen waren, im Haus. Wenn das Geld der größte Mensch im Saal zu sein. Die ­Schuhe. King. Es gibt darin herrliche Schlachtengemälde Gefährtin heran. Beide Heldinnen sind fiktiv,
Tennistour, und so mache ich all die kultu­rellen knapp wurde, musste sie arbeiten gehen. Nie- Die Vorstellung begann. und die kunstvollsten Schwert- und Lanzen- aber die Königreiche Oyo und Dahomey hat es
Sachen, die ich nie machen konnte, weil ich vier- mand konnte Deutsch. Als ich älter wurde, muss- Ich habe zwei Fragen: Wäre es wirklich eine kämpfe. Es werden Hunderte von Kehlen durch- ebenso gegeben wie die Agojie. Seit dem 18. Jahr-
zig Wochen im Jahr unterwegs war, ­allein. Thea- te sie mich durch die Gegend fahren zu Turnieren theatergeschichtlich unverzeihliche ­ Blasphemie, schnitten und Brustbeine zermalmt; es bohren hundert tauchen sie in Reiseberichten als
ter in den USA oder England werden nicht vom und Trainings, in der Hoffnung, dass mal was den Schauspielern und Schauspielerinnen ­ ver­ sich Fingernägel in die Gegner, als sei ihr Fleisch »schwarze Amazonen« auf. In der Popkultur­
Staat subventioniert und sind lächerlich teuer. werden würde aus dem Kind. Mit anderen Wor- steckte Mikros in die Haare zu stecken, wie sie lediglich aus Margarine; es werden Augäpfel haben sie mythischen Status erlangt.
Man kann sich außerdem nie sicher sein, dass ten, Zeit oder Muße oder Geld für Theater­ Broadway-Darsteller tragen? Solange sie nicht an- durchstoßen, dass es eine wahre Freude beim Die Agojie dienen König Gezo (John Boyega),
Shakespeares Othello nicht gleich anfängt zu sin- blieben da nicht. fangen, grundlos zu singen? Damit die Armen Anschauen ist. Das Tollste ist aber, dass man das eine historisch verbürgte Figur, wenn auch nicht
gen, und das Risiko wollte ich nicht eingehen. Mit Anfang zwanzig, inzwischen Vollzeit-­ uns nicht ständig anschreien müssen. alles ohne Reue genießen darf: Tapfere schwarze ganz als der grundgute Typ, als der er in ­The Woman
Ich duschte und stand fragend vor meinem Tennisprofi, beschloss ich, nicht nur meinen Kör­ Und: Warum muss es am Ende eines jeden Frauen kämpfen hier gegen weiße Männer und King porträtiert wird. Er hat seine Nachbarn aus-
Kleiderschrank. Schminkte mich auf Zehen­ per zu ruinieren, sondern auch meinen Geist – russischen Theaterstückes in Deutschland schnei­ Sklavenhalter und ihre schwarzen ­Kollaborateure. gebeutet und seine Feinde rituell verstümmeln
spitzen vorm dampfüberzogenen Spiegel und und machte mich auf ins Theater. Ich sah moder­ en? Zugegeben, ich habe dieses Phänomen nicht In vorbildlicher Weise wird so der Spaß an lassen. Derlei Details werden in T­ he Woman King
wählte Klamotten, die passend fürs Theater wa- nes Theater mit mehr nackter Haut, als auf In­sta­ wissenschaftlich untersucht, aber ich habe bisher zwischen­menschlicher Brutalität mit politischer vornehm verschwiegen. Verständlicherweise: Denn
ren; ­allerdings für die Bühne und nicht für den gram erlaubt wäre, ich wurde mit Farbe beworfen zwei Dostojewski- und zwei Tschechow-Stücke in Korrektheit verbunden. schwarze Amazonen, die vom Sklavenhandel pro-
Publikumssaal. Hohe Kragen, weite ­ Hosen,­ und in der ersten Reihe von Spuckefäden der Deutschland gesehen, und jedes Mal schneite es The Woman King handelt von einem Regi- fitieren, taugen nicht mehr so gut als Symbole für
beige Farben. Schuhe, die mich von 1,80 zu 1,90 Schauspieler getroffen, ich sah Monologe und am Ende. ment von Kriegerinnen, das am Beginn des die Selbstermächtigung in postkolonialer feminis-
Meter Körpergröße emporhoben und es kom- Dialoge und wurde Zeugin der Zeit, als ein Das Stück endete, von der Theaterdecke 19. Jahrhunderts an der afrikanischen Westküste tischer Hinsicht; und man würde ihnen auch nicht
pliziert machten, damit Auto zu fahren. Ich fri- Theaterstück kein Theaterstück war, wenn nicht schneite es. Tränen liefen mir übers Gesicht. Ich wirkt. Sie heißen Agojie und sind die Eliteeinheit so unbeschwert beim Metzeln und Massakrieren
sierte mir die Haare und toupierte un­geübt am mindestens eine G ­ oethe-Figur rappte. Ich liebte wollte aufspringen und mehrminütige ­stehende des kleinen Königreichs Dahomey, das vom gro- zuschauen. Aber wer in solchen Abenteuerfilmen
Hinterkopf herum. es. Liebte das Spektakel, das Haptische, die Ovationen geben, wie ich es beim Cannes-­Film­ ßen Königreich Oyo drangsaliert wird. Dagegen nach historischen Wahrheiten sucht, hat ihr Prinzip
Es ist nämlich so: Wie man sich im Theater Schauspieler und Schauspielerinnen. fes­ti­val gesehen hatte, aber ich war anscheinend wehren sich die Agojie, angeführt von Nanisca ohnehin nicht verstanden.
benimmt und was man anzieht und wann man Trotzdem fühlte ich mich nie ganz zuge­hörig. die Einzige, und so blieb ich sitzen und klatschte,
klatscht und ob man an lustigen Stellen lachen Auch jetzt wieder im großen Saal des Frankfurter bis das Licht anging. Im Gewusel der aufstehen- ANZEIGE
darf oder elegant vor sich hin lächeln sollte, das Schauspiels. Ich sah kaum Gesichter mit Migra­ den Gäste rief ich noch ein ganz leises »Bravo!«
weiß ich alles nicht so genau. Für alle, die jetzt tionshintergrund. Es waren bestimmt welche da- gen Bühne. Dann nahm ich meine ­Jacke und
rufen, raus mit der (Ex-)Tennisspielerin aus bei, die ich nicht auf Anhieb erkannte. Zumin- stakte auf meinen Stelzenschuhen zum Ausgang.
dem Feuilleton, denen sage ich: Ich verstehe dest Menschen vom Balkan filtere ich in jedem (Geht ab.)

Jörg Pilawa
auch Wagner nicht, die Bayreuther Festspiele. Raum heraus, den ich ­betrete. Wir sind wie Bus-
Wenn das meine Verbannung besiegeln sollte – fahrer, die sich mit erhobener Hand und leisem An dieser Stelle erscheinen
so sei es. Nicken grüßen. Es waren keine dort. im Wechsel vier Kolumnen. Lesen Sie nächstes
Meine Eltern stammen aus dem ehemaligen Ich setzte mich auf meinen Platz, links von Mal »Von unterwegs gesendet« von Christine
Jugoslawien. Mein Vater arbeitete von morgens mir ein älteres Paar, dem Anlass entsprechend Lemke-Matwey

»Atmen« heißt die neue


Ausstellung in der
Hamburger Kunsthalle.
Zu sehen ist unter
anderem die Video­
installation »Several ­
Interruptions« von
Thomson & Craighead

Halten Sie doch bitte einmal


die Luft an, bis Sie diesen Artikel
zu Ende gelesen haben
VON PETER NEUMANN

Wenn man der Philosophie der frühen Griechen So unbewusst wir zumeist vor uns hin atmen, Nicht erst seit der Corona-Pandemie ist das­
glaubt, so war am Anfang alles eins. Das Kleine und so elementar ist zugleich die Kraft, die sich von­ Atmen zu einer politischen Angelegenheit gewor-
das Große, das Spitze und das Stumpfe, das Leuch- jeher mit diesem Vorgang verbindet. Der gött­liche den. Doch brachten die Diskussionen um Masken,
tende und das Dunkle. Alles wurde zusammen­ Atem ist das beseelende Element von a­ llem. Und Krankenhausbetten und Lockdowns die grund­
gehalten durch einen flüchtigen Äther, aus dem sich wie der Bildhauer Pygmalion nach der ­my­tho­ legende Verletzlichkeit des Menschen besonders
erst nach und nach die einzelnen Dinge, die Farben logischen Überlieferung einst versuchte, der von deutlich ins Bewusstsein. Der österreichische
und Geschmäcke, die Städte und Äcker, die Wolken ihm geschaffenen Elfenbeinstatue allein dadurch Künstler Markus Schinwald hat in ­einer Reihe von
und Gestirne am Himmel herausbildeten. Die Welt Leben einzuhauchen, dass er sie ­küsste, versucht bereits vor der Pandemie entstandenen Gemälden
fing an zu atmen, und mit jedem Luftstoß kam e­ twas nun auch die österreichische Performancekünst­ dieses Thema sozusagen vorweggenommen, indem
Neues hinzu. lerin Valie Export ein Liebesgedicht in Hauch­ er lose auf Auktionen erstandene Porträtdarstellun-
Atmen, das war wie wachsen, größer werden, sequenzen zu übersetzen, um den anderen, der­ gen aus dem 19. Jahr­hundert mit allerlei Blasen,
mit jedem Tag ein Stückchen mehr. Unterdessen offenbar gerade fehlt, zu erreichen. Immer heftiger Gesichtsprothesen und fest zugeschnürten Masken
sind aus diesen Stückchen veritable Stücke gewor- und zwanghafter werden die Atemstöße der übermalte. Gleichgültig und seltsam skeptisch
den, und das Wachstum der letzten Jahr­hunderte Künstlerin, die man in einer Video­instal­la­tion hin- schauen die Zeitgenossen von damals den Betrach- Jeden Tag mindestens 1 Mio. €
hat bekanntlich die Luft zum Atmen knapp werden ter ­einer Glasscheibe sieht, auf die sie bis zur bei- ter von heute an, als habe man von der Welt da
lassen. Die Feinstaubbelastung nahm zu. Die Hek- nahe völligen Verausgabung den Satz »Ich liebe draußen nicht mehr viel zu erwarten.
tik wurde größer. Die Atem­losigkeit setzte ein. Die Dich« haucht. Vom ersten bis zum letzten Zug drückt sich im
DIE MILLIONENFRAGE:
Abb.: Thomson & Craighead; Illustration: Joni Majer für DIE ZEIT/wildfoxrunning

Meeresspiegel stiegen. Und das ganze schöne Ganz anders hingegen der Film 1395 Days Atmen ein unmittelbares Weltverhältnis aus. Das
Gleichgewicht geriet ins Wanken. Bis das System without Red des albanischen Künstlers Anri Sala, langsame oder das hektische Atmen, die kontem-

SPIELEN SIE MIT?


zu kippen begann. der eine Musikerin auf ihrem Weg zur Orchester­ plative Atempause oder die akute Atemnot. In all
In der Hamburger Kunsthalle ist nun eine Ausstel­ probe durch die belagerte Stadt Sarajevo be­gleitet. diesen körperlichen Zuständen lässt sich ein Gelin-
lung zu sehen, die sich dem Atmen in all ­seinen my- Der Titel bezieht sich auf die 1395 Tage der Be­ gen oder Misslingen, eine radikale Unfreiheit oder
thologischen, sozialen und politischen Dimensionen lagerung der bosnischen Stadt von Anfang bis­ gerade eine Befreiung von inne­ren und äußeren
zuwendet. Von der leuchtenden Landschaftsmalerei Mitte der Neunzigerjahre, als das Tragen von Rot Zwängen erkennen. In der Hamburger Kunst-
der niederländischen Meister bis zur Luftverschmut- oder anderen leuchtenden Farben jederzeit die Auf- schau, die in alle Richtungen ausgreift, kann man
zung in den globalen Metropolen von heute. Vom merksamkeit eines verborgenen Scharf­schützen auf sich davon jetzt in großer Ruhe begeistern lassen START: 1. Dezember 2022.
beseelenden Hauch der antiken Götter bis hin zur sich ziehen konnte. An jeder Kreuzung stoppt die und danach unter den zwei kräftigen Platanen am Jetzt Lose sichern auf skl.de oder unter 089 67 903 810.
Black-Lives-Matter-Bewegung und zu G ­ eorge Floyds Musikerin, hält den Atem an, schaut um sich und zentralen Kuppelbau Platz nehmen und einmal
letzten Worten »I can’t b­ reathe«. Wo das Atmen in der geht weiter. Und während man einerseits den Pro- tief Luft holen.
Verantwortungsbewusst spielen. Wenn Spielen zum Problem wird, sind wir für Sie da.
Kunst zum Thema wird, geht es um mehr als nur um bendurchlauf des ersten Satzes von Peter Tschai- Hilfe unter buwei.de oder 0800 2468135. Spielteilnahme ab 18 Jahren.
die Luft, die in den Körper hinein- und wieder aus kowskys berühmter 6. Sinfonie, der Pathé­tique, Die Ausstellung »Atmen« in der
ihm heraus­strömt. Es geht um das Flüchtige, Inspira­ hört, legen sich die Atemlosigkeit und das Im- Hamburger Kunsthalle ist noch bis zum 15. Januar Das SKL-Millionenspiel ist ein Spielangebot der GKL Gemeinsame Klassenlotterie der Länder, aufgeführt in der
gemeinsamen amtlichen Liste („White List“) laut GlüStV 2021.
torische, im buchstäblichen Sinne Begeisternde – aber Kopf-Summen der im Zickzack um die Ecken und zu besichtigen
eben auch um ein knappes, gefährdetes, toxisches und über die Straßen spurtenden Frau wie eine zweite
neuerdings hochinfektiöses Gut. Partitur über die kaputte Stadt und die Musik. www.zeit.de/vorgelesen
54 FEUILLETON 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Manchmal lässt uns eine Lektüre nie mehr los. Was wir lesen, verändert uns – für immer. Hier erzählen
die Schriftstellerin Mithu Sanyal und der Autor Florian Illies von der Literatur, die sie persönlich geprägt hat

Bücher meines Lebens


Fernbeziehung mit Emily Brontë


Gottfried Benn für Anfänger
Warum ich nicht damit aufhören Der Roman »Wuthering Heights«
kann, seine Gedichte zu lieben  machte mich zur obsessiven Leserin
VON FLORIAN ILLIES   VON MITHU SANYAL

Er entzieht sich immer wieder, er bleibt einem fremd und biegt zu kommen, doch auch in ihren Erzäh­lungen blieb er ungreif­ 1847 erschien Wuthering Heights und trieb die Literaturwelt in niens. Warum Earn­shaw so mir nichts, dir nichts ein Kind
um die Ecke, kaum meint man endlich, ihn schemenhaft­ bar, schweigsam, geisterhaft fast. W
­ enig später besuchte ich in den Wahnsinn. Wenn ich Emily Brontës einzigen Roman in­ mitnimmt und mit seinen ­ eigenen Kindern Hindley und­
erkennen zu können. Um ihm näher zu kommen, ziehe ich Düsseldorf Astrid Claes, die in den frühen Fünfziger­jahren mit einem Satz zusammenfassen müsste, würde er so lauten: Alle Cathy aufzieht, wird nicht erklärt, also schloss die Literatur­
immer wieder durch sein altes Berliner Revier, jene ­ stillen­ Ursula Ziebarth um Benns Gunst kämpfte. Auch sie wurde ganz Arten von Wetter und Gewalt auf dem Hochmoor, und am Ende kritik, dass Heath­cliff sein unehelicher Sohn ist. Dann ver­
Straßen rund um den Bayerischen Platz, in denen er, dieser selt­ still, wenn ich danach fragte, welche ­Energie im Raum herrsch­ sind (fast) alle Charaktere tot. lieben sich Heath­liff und Cathy in­ein­an­der, und die anderen
same Dr. med. Gottfried Benn, noch in den Fünfziger­jahren te, sobald Benn ihn betrat. Als würde auch sie in ihren Erinne­ Oder so: Eines der wärmsten Bücher über eine kalte Welt. Figuren haben damit nicht etwa ein Problem, weil die beiden
abends von seiner Praxis in der Bozener Straße 20 aus die Not­ rungen versuchen, ihn zu fassen, und als entglitte er ihr, so wie Oder so: Die Geister haben den meisten Spaß! Bruder und ­Schwester sein könnten, sondern weil er schwarz
dienste machte und über die Kriegstrümmer stieg zu jenen, die er ihr auch als Lebender schon entglitten war. Selten hat man Okay, das waren jetzt nicht alles vollständige Sätze, dafür ist. Aber als Andrea Arnold Wuthering Heights 2011 verfilmte
keinen Dichter brauchten, ­sondern einen Arzt. Das war die ihn, diesen ewig Flüchtigen, wohl so echt aus tiefster Seele seuf­ macht das Buch meine Unzulänglichkeiten mehr als wett.­ und Heath­cliff mit einem schwarzen Schauspieler besetzte –­
Rolle, hinter der er sich zeitlebens versteckte, zwei Weltkriege zen ­hören wie in seinem Abstoßungsvers: »Oh – und dann­ Wuthering Heights ist zu viel: zu viel Wut, zu viel Leiden­schaft genauer gesagt mit zweien: Solomon ­Glave als jungem Heath­
und vier deutsche Reiche lang: gut gepanzert h ­ inter dem steifen wieder dieses Bei-sich-selbst-Sein«. (aka Hysterie), zu viel Regen. Nur Namen gibt es nicht genug, cliff und ­James Howson als erwachsenem –, fand die Kritik,
Arztkittel und seinem sachlichen Ton; warum Tränen, wenn es Ich hatte also zwei Frauen die Hand gegeben, deren Hände sodass die Figuren sie weiterreichen wie getragene Kleidung, wie das sei eine innovative Adaption des klassischen Stoffes. Hallo?
auch sachlich geht. Gottfried Benn einst berührt hatte, aber selbst dadurch kam ich Ballast, wie Traumata. Vor 175 Jahren erschienen, stellt Wuthering Habt ihr das Buch gelesen? Auf jeder Seite steht, dass Heath­
Doch dann liest man von genau dieser schockgefrosteten Per­ ihm nicht näher. Ein letzter Versuch im Sommer vor zwei­ Heights seine Leserinnen und Leser noch immer vor ein Rätsel: cliff schwarz sei. Oh, er ist dunkelhäutig. Er ist soo dunkel­
son ein Gedicht oder auch nur einen Vers, schnell hin­geschrieben Jahren, bei Martin Walser am Bodensee, damals 94 Jahre alt. Er Worum zum Teufel geht es in diesem Buch überhaupt? häutig? Und weil er »so schwarz wie der Teufel« ist, erlebt er
in einer Bierkneipe am Feier­abend oder auf ­einen Rezeptblock in erzählte gerade aus den Fünfzigerjahren, als ich ihn zu fragen Fangen wir am Anfang an, nicht des Romans, sondern ­meiner ein atemberaubendes Ausmaß an Rassismus.
der Mittagspause, und man weiß: Ein Leben ohne Gedichte ist wagte, ob er damals im Süddeutschen Rundfunk vielleicht ein­ Beziehung zu ihm. Wie für die meisten meiner Gene­ration begann Doch auch Emily Brontë war postmigrantisch. Sie war Irin,
möglich, aber sinnlos. Immer w ­ ieder beginne ich damit, diese mal Gottfried Benn getroffen habe, als der dort seine Gedichte auch für mich alles mit K ­ ate Bush. Ich war 15, und während ich so wie ich Inderin bin. Ihr Vater Patrick Brunty wurde in Drum­
Verse vor ihrem Schöpfer in Sicherheit bringen zu wollen. Denn vorlas. Walser schwieg lange, sehr lange, als steige er innerlich mit meinem damaligen Freund schlief, lief auf seinem Platten­ ballyroney in eine bettelarme Familie geboren. Ein Stipendium
ich wurde zu oft enttäuscht in meiner naiven Hoffnung, dass die hinab in seine eigene Jugend, doch plötzlich hellte sich seine spieler Wuthering Heights: »Out on the w ­ ily, windy moors ...«, sang für Cam­bridge später wurde er Pfarrer und angli­sierte als Erstes
sanfte Weisheit und schwingende Wehmutsmelodie der G ­ edichte Miene auf, er schnüffelte in den sanften Wind, der vom See ­Kate mit ihrer h ­ ohen, unheimlichen Stimme über hungrige seinen Namen zu Brontë, musste aber trotzdem stets ein Attest
Benns von einer zart­besaiteten Seele stammen müsse. Doch nein, hochwehte, und sagte: »Ja, ich habe noch heute den Geruch­ Seelen und Eifersucht, »I ­hated you, ­I loved you, too.« Der Sex war für seine alkoholhaltigen Augentropfen bei sich tragen, damit er
je tiefer man sich hineinbegibt in seine Biografie, in die schnöde seines Rasierwassers in der Nase, er roch ein klein wenig zu stark, super, die Beziehung ... nicht so sehr. »I ­hated you, ­I loved you, too« nicht für einen typischen irischen Säufer gehalten wurde.
Eiseskälte, mit der er seine Geliebten abserviert und seine Toch­ unser Doktor Benn, so hielt man gebührenden ­Abstand.« Ich sprach mir aus der Seele. Also ­machte ich mich auf die ­Suche nach Emily schrieb Wuthering Heights während der Großen
ter abschiebt, und in den blinden Wahn, mit dem er 1933 die kann mir Gottfried Benn seitdem nicht mehr anders vorstellen dem Roman, der Pate für den Song gestanden hatte. Hungers­not in Irland, die dazu führte, dass eine Mil­lion Men­
Nazis begrüßt, umso fremder wird er ­einem – und umso fremder als mit einem etwas zu aufdringlichen After­shave. Er trägt ja Wie im Lied ist Wuthering Heights auch im Buch der Name schen starben und zwei Millionen auswanderten, viele von ihnen
­werde ich mir: Wie nur kann ich die Gedichte dieses Menschen­ auch in seinen Gedichten oft zu dick auf, in seinen balzenden eines Bauernhofs im englischen Hochmoor. Passenderweise nach Liverpool, wo die Zeitungen sie als menschliche Affen
lieben? Wieso kann ich mich in Gedichten von jemandem fin­ Briefen, aber all das Wortgeklingel und das Pathos helfen ihm beginnt die Geschichte mit einem Sturm, der einen Fremden charak­terisierten, die Lumpen trugen und Kauder­welsch sprachen
den, der so verloren war? Gottfried Benn schrieb aus seiner Lust dabei, Distanz zu halten – zu sich selbst und zu allen anderen. zwingt, dort Unterschlupf zu suchen. Nur ist die Familie auf – genau die Worte, mit denen der junge Heath­cliff beschrieben
am Untergang Verse, die unsinkbar sind. Dieses Paradox muss Nur deshalb kann er in seinem Jahrhundertgedicht Epilog IV Wuthering Heights zu sehr damit beschäftigt, dysfunktional wird, als er auf Wuthering Heights ankommt.
aushalten, wer ihm verfallen ist. Er saß missmutig und verloren jene magischen Worte schreiben: »Es ist ein Knabe, dem ich zu sein, um sich für ihn zu interessieren. Schließlich bekommt Wie kann Emily Brontë heute als die britischste aller vikto­
in ­seiner düsteren Praxis­wohnung im Erdgeschoss am überfüllten manchmal trauere.« Das Ich ist auch für Benn ein anderer, er er doch noch ein Bett, aber keinen Schlaf, weil der Geist der rianischen Schriftstellerinnen gelten? Wie als weltfern und un­
Schreibtisch voll Zetteln und Aschenbechern, leichter Zigaretten­ schaut auf sich selbst als Knaben wie auf einen Fremden. Die früheren Bewohnerin ans Fenster klopft und verlangt, herein­ politisch? Emily und ihre Schwestern Char­lotte und ­Anne
rauch ver­nebelte den Raum. Aus diesem Zwielicht der Vierziger- tiefe Trauer Benns – sie gilt auch dem Wissen um den Verlust gelassen zu werden. Peng! schrieben einige der außerordentlichsten Romane des 19. Jahr­
und Fünfzigerjahre steigen nur ­seine Verse manchmal aus dem der Authen­tizität als Voraussetzung für große Dichtung. Das war meine Initiation in die Welt der Er­wach­se­nen­ hunderts, dennoch erinnern wir sie heute weniger als Intellek­
Parterre auf, in die Zukunft, zu uns. Seine Verse sind die Brücken, die er baut, um diesen Sicher­ litera­tur. Als Volker Weidermann mich anrief und fragte, ob tuelle, sondern eher als Märchenfiguren: die drei tragischen
Fotos: Marzena Skubatz/laif; Dominik Asbach/laif (r.)

Immer wieder versuchte ich, Benn wirklich nahe zu kommen heitsabstand überwinden zu können. Ganz gemäß dem viel­ ich einen Essay über eine Schriftstellerin oder einen Schrift­ Schwestern aus dem Moor, die sich früh zu Tode husteten. Ja,
– in der Hoffnung, doch etwas vom Wesen der Verse im Mann leicht größten der Bennschen Verse: »Leben ist: Brückenschla­ steller für seine Buchreihe beisteuern würde, sagte ich, ohne zu sie sind zu früh gestorben, und ich wünschte, sie hätten länger
zu finden, der sie geschrieben hat. Ich ­konnte noch so viel lernen gen über Ströme, die vergehn«. Nur dort, in den geschwungenen zögern: Emily Brontë. Und war genauso überrascht wie er, dass gelebt und viel mehr geschrieben, aber das, was sie geschrieben
an der Universität über die Trennung von Werk und Autor – ge­ Brücken und den ehernen Pfeilern s­einer Gedichte, kann man ich nicht Hanif Kureishi gesagt hatte oder Meera Syal oder­ haben, ist von einer Aktualität und Modernität, die mich in
rade beim Seelenmedium Lyrik hätte ich als Frühromantiker es Benn finden. Nicht im Fluss darunter, nicht bei den Menschen, James Baldwin oder Shaparak Khorsandi oder den Namen­ meinem Innersten erwischt.
doch gerne unzertrennlich. Da einem Gottfried Benn selbst den die er noch getroffen hat, nicht in den lapidaren Weihnachts­ einer anderen postmigrantischen Autorin. Deshalb wollte ich Emily Brontë aus den Mythen be­freien,
Gefallen aber nicht tun möchte, versuchte ich es über jene, die karten oder Rezeptzetteln für Schlafmittel, nicht in den Bänden Doch was auch immer postmigrantisch in diesem Kontext die sich um sie ranken wie Dornenhecken, und sie ... nein, nicht
ihn noch leibhaftig kannten. Vor zwanzig Jahren ging ich mit seiner Briefe, nicht an seinem Grab, und auch nicht am Baye­ bedeutet, es trifft das ja auf Wuthering Heights zu. Heath­cliff, wach küssen, aber doch die ­tabubrechende Kraft ihres Romans
Ursula Ziebarth, Benns l­etzter Geliebten, zu seiner ehe­maligen rischen Platz, an dem er wohnte. Benn selbst steckt nur in seinen die Haupt­figur, wird von allen ständig als »schwarz« beschrie­ würdigen. Wahrscheinlich habe ich bei dem Versuch ein paar
Wohnung in der Bozener Straße, sie zeigte mir, hinter welchem Versen. Näher kann man ihm nicht kommen. Er zwingt jeden ben, als Laskar, womit indische Seeleute gemeint waren. Mr. mehr Mythen um sie gesponnen. Aber das ist ja auch in Ordnung,
Baum sie sich mit ihm einst vor den Blicken seiner Ehefrau ver­ zur Fern­beziehung. Als wisse er, dass nur so unsere Sehnsucht Earn­shaw, der Vater der Familie, liest ihn als Findelkind in denn schließlich sind Mythen die Soft­ware unserer Gesellschaft.
steckt hatte. Es war die Hoffnung, mit ihr dem Phantom näher nie versiegen wird. Liverpool auf, damals der größte ­Sklaven­hafen Großbritan­ Und jetzt alle: »Out on the ­wily, windy moors ...«

Die Texte basieren auf den Büchern »Über Emily Brontë« von Mithu Sanyal und »Über Gottfried Benn« von Florian Illies. Beide sind gerade
erschienen in der neuen Reihe »Bücher meines Lebens«, die bei Kiepenheuer & Witsch herausgegeben wird von Volker Weidermann, Co-Feuilletonchef der ZEIT

Hochschulen in der Krise –


Wir trauern um unser Gründungsmitglied, unseren langjährigen Vorstand und einen großen Vordenker Was ist die Aufgabe der Wissenschaft
der deutschen Psychiatriereform in unsicheren Zeiten?

Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner


Live im Auditorium Auszug Sprecher:innen

Prof. Dr. Dr. Elisabeth


Friedrichstraße, Berlin Peter-André Alt Hoffmann
1. Dezember 2022 Präsident, Chief Communication
der in seinem 89. Lebensjahr am 25. September 2022 in Gütersloh verstarb. Hochschulrektoren-
konferenz
Officer,
Universität zu Köln
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studiozx.de/events/bildung2022
»Vom anderen her denken «
Prof. Dr. Prof. Dr.
Unermüdlich war sein Engagement für gemeindepsychiatrische Hilfen, die im Alltag der Menschen Carlo Masala Joybrato
verankert sind. Darüber hinaus setzte er schon früh ein Zeichen mit der kritischen Aufarbeitung der
Professor für Internationale Mukherjee
Politik, Universität der Bun- Präsident, Deutscher
nationalsozialistischen Verbrechen an psychisch beeinträchtigten und behinderten Menschen. Seine enge deswehr München; Mitheraus-
geber der Zeitschriften für
Akademischer Aus-
tauschdienst (DAAD);
Freundschaft mit Dorothea Buck gab der Bewegung der Psychiatrieerfahrenen einen ungemeinen Auftrieb. Politik (ZfP), für Internationale
Beziehungen (ZIB) und für
Präsident, Justus-
Liebig-Universität
Strategische Analysen (ZfSA) Gießen (JLU)

Wir gedenken seiner in großer Dankbarkeit und bekunden seinen Angehörigen Katja Keul, Prof. Shalini
unser tief empfundenes Mitgefühl. MdB Randeria
Staatsministerin, Rektorin und
Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) und ihre Landesverbände Auswärtiges Amt Präsidentin,
Central European
University

Fotos: Hoffmann ©Simon Wegener Farys; Mukherjee ©Wilke; Randeria ©Stefanie Moshammer

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↗ zeitfuerx.de/bildung Hochschulmanager:in
des Jahres
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 FEUILLETON 55

Sunnyi Melles
erkotzt sich als
Oligarchengattin
einen Platz in der
Kinogeschichte

Abb.: Plattform Produktion; kl. Foto: Joel Saget/AFP/Getty Images


»Wir sind verdammt oft gute Menschen«
In Ruben Östlunds schwarzer Komödie »Triangle of Sadness« verschlägt es die Passagiere einer Luxusjacht auf eine einsame Insel. Ein Gespräch
mit dem schwedischen Regisseur über nette Oligarchen, besoffene Marxisten und seine kommunistische Mutter

DIE ZEIT: Ruben Östlund, Ihr neuer Film Tri­angle sagt: »Ich verkaufe Scheiße.« Als Besitzer eines mehr um Geschlechterrollen. Damit Sie mich nicht fantastisch. Aber es geht darum, den Bereich zu de­ innere Natur ihrer Mitglieder organisiert?
of Sadness spielt auf einer Luxusjacht. Die ­Passagiere Düngemittelkonzerns tut er das auch. missverstehen: Ich will nicht die schrecklichen­ finieren, in dem wir uns als Gesellschaft organisie­ ZEIT: In Triangle of Sadness gibt es jemanden, der
sind Oligarchen, Waffenhändler, ein männliches ZEIT: Der Kapitän der Jacht, gespielt von Woody Erfahrungen von Frauen und gelegentlich auch ren und gemeinsam Verantwortung übernehmen. aus allem herausfällt – Iris Berben spielt eine Frau,
Model und eine Influencerin. Ist das eine Titanic Harrelson, ist Marxist und Alkoholiker ... Männern kleinreden. Doch wenn ich mich zu je­ Im Moment herrscht individuelle Freiheit auf – wie die einen Schlaganfall erlitten hat und nur drei
im Kleinformat? Östlund: In den Sechzigerjahren schloss sich meine mandem begebe, der eine Machtposition innehat, ich finde – zu vielen Ebenen. Bei der skandina­ Worte sagen kann: »In den Wolken.« Ist sie die ein­
Ruben Östlund: Ja, vielleicht ... Mutter der Linken an, und sie erzählte mir, Karl dann sollte ich nicht naiv sein und ignorieren, dass vischen Sozialdemokratie war das einmal anders. zige Figur, die noch Transzendenzgefühle hat?
ZEIT: Nachdem das Schiff untergegangen ist, Marx sei einer der Begründer der Soziologie. In ich in diese Situation auch mit meiner eigenen Wäh­ Heute ist Schweden ein amerikanisiertes Land. Östlund: Meine Schwiegermutter hatte einen
stranden die Passagiere auf einer einsamen Insel. Schweden assoziiert man ihn heute nur noch mit rung reingehe. Und diese Währung kann Sexualität ZEIT: 2011 haben Sie den Film Play über eine Schlaganfall und sagt ebenfalls nur »In den ­Wolken«.
Dort übernimmt eine philippinische Putzfrau das dem Kommunismus, was ihn zu einer Persona non sein. Darum habe ich ein männliches Model als Gruppe kleinkrimineller migrantischer Ju­ gend­ Ein poetischer Satz! Ich wollte jemanden zeigen, der
Kommando, und der Rest muss gehorchen. grata macht. Doch der Kapitän ist eine Figur, die Filmfigur genommen und die Rollen getauscht. licher gedreht. Es geht um Vereinzelung und um­ verletzbar ist und sich – anders als alle anderen –
Östlund: Ich teile nicht den typischen Mittel­ über den Tellerrand des Marxismus schaut. Auch ZEIT: Für Ihren Film The Square haben Sie eine fassende Gleichgültigkeit. Sehen Sie eine Ver­ nicht um sich selbst kümmern kann.
schichtsblick auf die Welt: Die Armen sind nett Marx selbst hätte sich nicht als Marxist bezeichnet. Installation erfunden, die mittlerweile Teil des bindung zwischen dem, was Sie zeigen, und dem ZEIT: Alle auf dem Schiff verkaufen nur noch,
und selbstlos und die Reichen böse und egoistisch. ZEIT: Als das Schiff in einen Sturm gerät, beginnt Kunstzirkus ist. Ein Rechteck, genauer: ein Raum, Wahlsieg der Rechten in Schweden? Pardon: Scheiße. Wenn das so ist – worin besteht
Ich weiß, wovon ich rede. Meine Mutter hat mich eine große Kotzerei und Scheißerei, die Sie lustvoll in dem alle die gleichen Rechte und Pflichten­ Östlund: Damals warf man mir vor, Rassist zu dann noch die Aufgabe des Künstlers? Darin, die
mit dem Klischee des bösen Fabrikbesitzers erzo­ inszenieren. Nur der Oligarch und der Marxist be­ haben, was »an unsere Verantwortung für die Ge­ sein, das war völliger Quatsch. Aber was die­ Scheiße in Szene zu setzen?
gen. Deshalb sind die Reichen bei mir eher freund­ trinken sich ungerührt. Was verbindet die beiden? meinschaft erinnern« soll. Sind Sie nicht auch als Verbindung zwischen Hyperindividualismus und Östlund: Meine Filme sind nicht Ausdruck dessen,
lich. Auch das Waffenhändlerpaar auf der Jacht, Östlund: Sie durchschauen das System und verste­ Regisseur Teil des Kunstzirkus? rechten Wahlerfolgen angeht: Meine Mutter war was ich über die Menschen denke. Ich glaube, wir
das vom Erfolg seiner Handgranaten schwärmt. hen ein­an­der. Vielleicht ist das auch vorausschau­ Östlund: Natürlich! Es gibt den Spruch: Man beißt Lehrerin. Eines Tages bekamen sie und ihre Kolle­ sind verdammt oft gute Menschen.
ZEIT: Ihre Filme spielen in geschlossenen Welten. ende Nostalgie: die Welt noch einmal gemeinsam nicht die Hand, die einen füttert. Warum eigent­ ginnen individuelle Löhne gezahlt. Das war der ZEIT: Ernsthaft?
In Höhere Gewalt ist der Schauplatz ein Skiresort, aus östlicher und westlicher Perspektive zu betrach­ lich nicht? Warum darf ich den Kulturbetrieb nicht Moment, wo man sich nicht mehr als Kollektiv Östlund: Glaubt man den Medien, dann leben wir
in The ­Square ist es der Kunstbetrieb. Was interes­ ten. Triangle of Sadness entstand ja vor Putins Krieg. kritisieren, in dem ich arbeite? Wer sonst soll das organisieren konnte. Und wer musste mit den Fol­ in einer ebenso chaotischen wie gewalttätigen Welt.
siert Sie nun an einer Luxuskreuzfahrt? ZEIT: Der Kapitän und der Oligarch hauen sich machen? Jemand aus der Arbeiterklasse? gen der Einwanderung klarkommen? Die schwe­ In Wahrheit leben wir in einer gut organisierten
Östlund: Zunächst der ökonomische und soziale Zitate über den Sozialismus und den Kapitalismus ZEIT: Solche Kritik von innen heraus wird leicht dischen Arbei­ter. Sie sollten alles allein ausfechten. Welt. Wie oft habe ich selbst Gewalt erlebt? Ich
Hintergrund. Für Triangle of Sadness habe ich mich um die Ohren ... als scheinheilig abgetan. ZEIT: Es wäre interessant, ein Interview mit Ihnen kann’s an einer Hand abzählen. Doch woher
mit einer Luxusjacht beschäftigt, die von Hamburg Östlund: Ich mag das Reagan-Zitat des Oligarchen: Östlund: Mit dem Wort habe ich Probleme. Es be­ und Ihrer Mutter zu führen. kommt die Differenz zwischen dem, was ich auf
aus in See sticht, der Sea Cloud. Deren Passagiere »Woran erkennt man einen Kommunisten? Es ist deutet, dem Individuum die Schuld zuzuschieben. Östlund: Gute Idee! Wir sind uns in vielen Dingen dem Smart­phone sehe, und dem, was ich er­lebe?
verbindet, dass sie reich und alt sind. Recherchiert jemand, der Marx und Lenin liest. Und woran er­ Unsere Kultur ist besessen vom Individuum, von nicht einig. ZEIT: Weil wir Opfer der kapitalistisch organisier­
habe ich auch über Jachten mit einer Handvoll kennt man einen Antikommunisten? Es ist jemand, seiner Verantwortung, seiner Schuld. Das ist einer ZEIT: In Triangle of Sadness schicken Sie das Schiff ten Medien sind?
Superreicher an Bord. Auf einer gab es eine ­Suite der Marx und Lenin versteht.« Da kapiert man so­ der vielen Tricks des Kapitalismus. Er lenkt ab und auf eine verlassene Insel. Östlund: Ja.
mit einem Jacuzzi im Hauptschlafzimmer, und die fort, weshalb der Kapitalismus gewonnen hat. Die zeigt mit dem Finger auf den Einzelnen: Du bist Östlund: Ich wollte wissen, was passiert, wenn man ZEIT: Und weil Geld uns entfremdet?
Leute, die sie mieteten, verlangten häufiger, dass er Sozialisten hatten keinen Spaß. Reagan hatte Spaß. gegen den Klimawandel und fährst trotzdem Auto? die Hierarchien auflöst. Die Mode- und Unter­ Östlund: Oder weil wir uns nicht eingestehen, dass
mit Champagner gefüllt wird. Eines Tages wollte ZEIT: Was fasziniert Sie so am Kapitalismus? Vergessen Sie es. Der Einzelne wird den Klima­ nehmerwelt kann in der Wildnis allein nicht über­ Geld uns zusammenbringen kann. Denken Sie an
jemand, dass im Champagner auch noch Gold­ Östlund: Dass er sich oft mit Moral tarnt. Denken wandel nicht stoppen. leben, die philippinische Putzfrau schon. die branded couples, an Paare, die zusammen sind,
fische schwimmen. Von einem behavioristischen Sie an den Kunstbetrieb, um den es in meinem ZEIT: Was schlagen Sie vor? ZEIT: Aber es verändert sich nichts. Es übernimmt um ihre Marken zu stärken. Das ehemalige Super­
Standpunkt aus kann man sagen: Ein Jacuzzi im Film The ­Square geht. Vor dem Dreh habe ich viele Östlund: Das Konzept der individuellen Freiheit ist einfach jemand anders die Macht. paar Brad Pitt und Angelina Jolie zum Beispiel.
Schlafzimmer erzeugt schlechtes Benehmen. Museen besucht und fand, dass sie alle gleich aus­ Östlund: Meinen Sie wirklich? Es stimmt, die ZEIT: Oder George und Amal Clooney ...
ZEIT: Auch auf Ihrem Film-Schiff herrscht ein sehen. Überall gibt es erlesene Sammlungen, die Macht bleibt gleich, und Macht korrumpiert. Man Östlund: ... und sie arbeitet sogar für Unicef, wow,
unterhaltsamer Neofeudalismus. keine Verbindung mit der Welt außerhalb eingehen. kann sie missbrauchen. Deshalb muss es darum das ist perfekt! Es gibt Agenturen, die sich darum
Östlund: Ja, es gibt die Superreichen, die von einer In den Museums-Ausschüssen sitzen ­Sammler, die gehen, sich mit Macht auseinanderzusetzen – und kümmern, solche Paare zu bilden. So wie das ­Model
Crew junger, weißer, westlicher Menschen bedient für die Ausstellungen ihre eigenen Kunstwerke aus­ nicht darum, auf den guten Menschen zu warten. Carl und die Influencerin Yaya in meinem Film.
werden. Und ganz unten schuften die Asiaten. Als leihen, und anschließend steigt deren Wert. Das ist Wollen wir lieber Jeff Bezos oder Bill ­Gates? Und ZEIT: Wie umgehen Sie die Gefahr, dass Sie mit
der Dreh begann, hatte die echte Crew gerade ein für mich corporate shit. dann darauf hoffen, dass Bezos verschwindet und der Realität, die Sie zeigen, kollaborieren?
Trinkgeld von 125.000 Euro bekommen. Das war ZEIT: In Ihrem neuen Film mokieren Sie sich über wir mit Bill ­ Gates einen Philanthropen an der­ Östlund: Sie meinen, weil ich die Wirklichkeit mit
nur das Trinkgeld, das sie sich teilen mussten! den corporate shit der Modewelt: Zu Beginn fordert Spitze haben? Keine gute Idee. hervorbringe, die ich kritisiere? Diese Frage stellte
ZEIT: Was ist das für eine Geste, als die Oligarchen­ ein Reporter männliche Models auf, unterschied­ ZEIT: Sich ehrlich machen mit dem Kapitalismus – sich schon bei Play. Bringt das Zeigen von Rassis­
gattin – gespielt von Sunnyi Melles – die Crew auf­ liche Mienen aufzusetzen. Offen und lächelnd für bedeutet das auch ein ehrlicheres Verhältnis zu un­ mus Rassismus hervor? Oder wird uns der Rassis­
fordert, ein Bad im Meer zu nehmen? Ist es Nettig­
keit? Oder neo­feudale Arroganz?
die Billigkette H&M, ernst und arrogant für die
Luxusmarke Balenciaga. Ruben Östlund seren Trieben? Immer wieder zeigen Sie Figuren,
die sich gezwungen sehen, dagegen anzukämpfen.
mus bewusst? Meine Mutter glaubte noch an ein
kommunistisches Utopia, ich vertraue auf die
Östlund: Aus der Sicht ihrer Figur wird es eine Östlund: Je teurer die Marken, desto mürrischer Östlund: Mich interessieren Konflikte zwischen Intelli­genz des Publikums.
freundliche Geste gewesen sein, zumal es nicht un­ schauen die Models auf uns runter. Beim Schreiben gesellschaftlicher Erwartung und innerer Natur. ZEIT: Aber wie ist Ihre Position?
üblich ist, dass Gäste die Crew auffordern, mal eine des Drehbuchs dachte ich, das sei alles übertrieben. ist ein böser, unterhaltsamer Kritiker Zum Beispiel beim Wunsch, vor einer L ­awine Östlund: Mit der Kamera beziehe ich in jeder Szene
Pause zu machen und baden zu gehen. Zugleich ist Aber der Absurdität der Modewelt sind keine­ unserer westlichen Lebensform. Reißaus zu nehmen. Im Film Höhere ­Gewalt er­ Stellung. Doch was den Film als Ganzes angeht,
es ein Rollentausch. Die Ursprungsidee des Karne­ Grenzen gesetzt. Diese Industrie macht mir Angst. In seinen Filmen seziert er wartet jeder, dass sich der Familienvater für Frau will ich die Welt aus einer materialistischen Sicht
vals in Venedig war, dass an einem einzigen Tag die ZEIT: Warum Angst? Geschlechterrollen (»Höhere und Kinder opfert. Wenn er diesen Vertrag bricht beschreiben – nicht aus einer individualistischen.
Reichen arm und die Armen reich sind. Interessant Östlund: Weil Schönheit zur Währung wird und Gewalt«, 2014) oder die und vor der Lawine flüchtet, ist die Enttäuschung ZEIT: Denken Sie manchmal an eine Revolution?
ist, dass man allein durch diesen Rollentausch die Hierarchien bildet. Schönheit ist ein Ticket für den Verlogenheit des Kunstbetriebs groß. Ein extremer Fall, von dem ich gehört habe, Östlund: Ich bin Realist und halte es mit Bertolt
Motivation aufrechterhält, für die anderen 364 Aufstieg und überwindet Klassen. Im großen Gesell­ (»The Square«, 2017). ist die Geschichte eines Lehrers, der bei einem Brecht: »Erst kommt das Fressen, dann kommt die
Tage in der alten Rolle zu verbleiben. schaftsspiel ist das für Frauen in viel größerem Maße Mit seinem neuen Film »Triangle of Fährunglück in Südkorea dem Über­lebensinstinkt Moral.« Brecht ist groß.
ZEIT: An Bord gibt es Reiche, die durchaus sym­ von Vorteil. Deshalb finde ich die MeToo-­Bewegung Sadness« (Kinostart 13. Oktober) nachgab und seine Schüler im Stich ließ. Als er mit
pathisch sind, etwa einen russischen Oligarchen. so interessant. Sie sieht Sexualität und Schönheit gewann Östlund, 48, in Cannes den Folgen seines Handelns leben musste, brachte Das Gespräch führten
Östlund: Er ist sympathisch, weil er ehrlich ist. Er nicht als eine Währung, die Macht bedeutet. Es geht seine zweite Goldene Palme er sich um. Ist das nicht absurd, wie eine Kultur die Thomas Assheuer und Katja Nicodemus
56 FEUILLETON 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Reguliert euch doch selbst


Auf dem neuen Album der Band Die Nerven ist nichts ­versöhnlich: Aber Popmusik muss
ja nicht der Bundespräsident sein  VON TIMO POSSELT

U
nd wie geht es den musste von steuervermeidenden kalifor­ Natürlich versuchen sie sich erst heraus­ höhte Miete, überhöhtes Selbst / Verbrannte
jungen Mittelschichts­ nischen Konzernen. Bei anderen Gleich­ zuwinden, erzählen von »Bedeutungsoffen­ Erde, verbrannte Städte, ver­branntes Geld«.
menschen dieses Lan­ altrigen endete das in Entfremdung, Sucht, heit« und so weiter. Der schwarze Hund auf Das klingt so gar nicht nach der unschul­
des eigentlich gerade Selbsthass. Bei Julian Knoth, Kevin Kuhn dem Cover sei auch als Referenz an Chur­ digen Naivität der präpandemischen Welt­
so? Das fragt man sich und Max Rieger, alle um die dreißig, da­ chill gedacht und seine Depressions­ sicht von 2019. »Gruselig«, sagt Max Rieger,
schon ab und zu, wenn gegen im ungeschmirgelten Demo-Album metapher, den black dog. Aber so leicht der bei den Nerven mit Julian Knoth singt,
es draußen in der Welt Asoziale Medien und in den Endlich-singt- machen wir’s ihnen nicht. Schließlich heißt sei es gewesen, zuzuschauen, wie ihr Album
so tobt. Wäre doch spannend, hineinzu­ mal-einer-darüber-Songs wie Skandina­ einer der zehn neuen Songs: Ich sterbe jeden von der Zeit eingeholt wird. Dazu mauern
gucken in diese mit Privilegien zugetacker­ visches Design oder ­iPhone. Selbst musika­ Tag in Deutschland. Der Bassist Julian Knoth die Gitarren, der Bass dringt ungeschützt in
ten Köpfe der Republik, deren Zukunfts­ lisch ist das heute noch so treffend wie vor singt: »Falsche Flagge / Unbekannt / Muss die weichen Knie, und Kevin Kuhn beweist
horizont gerade implodiert. Also eintreten, zehn Jahren. Genauso aktuell ist auch F­ ake, manchmal frieren / In diesem Land«. Das sich als stabilster Schlagzeug-Einpeitscher
Jacken abgeben, Platz nehmen, hier das 2018 erschienene und bisher kommer­ passt grad ganz gut. Und einen Vorschlag zur der deutschen Postpunk-Szene, bis uns Max
kommt der Herbst in Deutschland. Hier ziell erfolgreichste Album der Nerven. Kon­ Lösung des kommenden Energie­problems Rieger in den Refrain entlässt: »Alles regu­
kommen Die Nerven. kret bedeutete dies Platz 13 der deutschen haben die Nerven gleich auch noch: liert sich selbst / In meiner kleinen Welt«.
Das sind drei bleiche junge Männer aus Albumcharts und vielleicht 137 verkaufte »Deutschland muss in Flammen ­stehen / Ich Der selbstentlarvende Glaubenssatz der
dem Bausparbrei um Stuttgart, wo sie vor CDs oder so. Als ob das noch irgendeine will alles brennen sehen«. Nicht sonderlich Marktgläubigen. Zeitgleich hält Chris­tian
über zehn Jahren den Rockmusik-Grund­ Währung wäre im Kleinstadt-Club-Kosmos, konstruktiv, aber für solche Grundsatzkritik Lindner zähneknirschend an der Schulden­
baukasten für sich entdeckten und seither den die Nerven seit einer Dekade mit­ schätzt man die Nerven. Schließlich steckt bremse fest. Die Gitarrenwand im Rücken,
ihre Wut damit abführen: Gitarre, Schlag­ brachialen Liveshows hartnäckig betouren. in diesen musikalischen Jugendkrawallen rufen die Nerven uns zu: Es hätte sowieso
zeug, Bass. Ja, das geht immer noch. Und Und heute? Also kurz vor dem Gas­ stets auch die Einsicht, dass die Bandmit­ nie gut gehen ­können. In Süddeutschland,
wie. Die Band entsprang dem Dunstkreis notstand, irgendwo zwischen drohendem glieder, und wohl auch die Mehrheit derer, wo sie herkommen, aber nicht mehr alle
um die Proteste gegen Stuttgart 21, die Atomkrieg und kommendem Aufstand, wie die sich auf ihren Konzerten zu ihrer Musik wohnen, sei dieser Zusammenbruch der
mittelständischsten aller Krawalle in der sieht es denn heute da aus, in den Köpfen raufen, genau von den ­deutschen Verhält­ Gewissheiten, den man nun erlebe, noch
jüngeren Geschichte der Bundesrepublik. dieser Drei-Akkorde-Seismografen der Re­ nissen profitierten. So ist die fiebrige Energie massiver, sagt Julian Knoth im Gespräch.
Anschließend wüteten die Nerven in publik? Kleiner Spoiler: nicht unbedingt dieser Musik immer gleichzeitig kollektive »Da lebt man in dieser heilen Welt, die einen
schnurgeraden Postpunk-Songs stets gegen besser. So sitzen die Nerven an einem son­ Wutabfuhr und Schuldbekenntnis. Preis hat, und merkt erst jetzt, dass etwas
die bürgerliche Selbstgerechtigkeit, den vor­ nigen Septembernachmittag, die geröteten Vielleicht ist bei so einem zerstrittenen nicht stimmt.« Darum funktionierten diese
städtischen Biedermeier, die süddeutsche Augen hinter dunklen Sonnenbrillen ver­ Selbstverhältnis einfach nicht mit einer Songs unabhängig davon, was sich historisch
Enge und damit immer auch gegen sich steckt, im Bistro eines Berliner Art­house­ klaren Antwort auf die Frage zu rechnen: gerade Bahn breche, so Knoth.
selbst. Dass diese Jugend be­ hütet von­ kinos und wären eigentlich gut aufgelegt, Warum Deutschland? Sowieso war die Wut Die Nerven sind eben ganz grundsätzlich
stattenging, das konnte man immer deutlich um über ihr neues, selbstbetiteltes Album auf dem neuen Album der Nerven schon ein dagegen. Vielleicht ist die Band gerade­
heraushören aus ihren Liedern, aber g­ enauso zu sprechen, würde man sie bloß nicht mit paar Jahre eingelagert. Denn geschrieben darum so erholsam. Während alle anderen
hörte man hier, dass sie nicht mehr ganz so Fragen zu Deutschland nerven. Aber die haben sie die Texte der Songs, die nun er­ vor der gesellschaftlichen Spaltung warnen,
stringent abschnurrte wie früher. So fanden haben sie sich selbst eingebrockt. Denn da scheinen, zwischen 2018 und 2019. Nun grätschen sie von links in einen Konsens
die Nerven zum Beispiel als fast einzige ist zum Beispiel der schwarze Schäferhund schlagen sie ein ins Post-Zeitenwende- mahnender Vorsicht rein mit Songs, die
Foto: Lucia Berlanga

deutsche Band eine popmusikalische Spra­ auf dem Albumcover. Da ist das Foto des Deutschland und sind gerade deshalb­ klarstellen: Der Riss geht noch viel tiefer.
che für ihr Unbehagen an der Tatsache, dass deutschen Reisepasses auf ihrem Instagram- gespenstisch präzise. Popmusik muss kein Bundespräsident sein.
man sich als junger Mensch ungefragt eine Kanal. Woher kommt denn plötzlich dieses Im Song Alles reguliert sich selbst zum Bei­ Die Nerven erinnern uns gerade daran, wie
neue Weltwahrnehmung aufdrängen lassen Deutschland überall bei den Nerven? spiel gibt es die Zeilen: »Kalte Kriege, er­ gut das tut.
Die drei wollen alles brennen
sehen: Max Rieger, Kevin Kuhn
und Julian Knoth (v. l. n. r.)

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DIE WELT DES


14. OKTOBER

DANIEL
RICHTER
Einmal im Jahr gestaltet ein Künstler oder
eine Künstlerin DIE WELT. Am 14. Oktober 2022
erscheint die dreizehnte Künstlerausgabe.
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 FEUILLETON 57

Literatur

Monstermassakermetamärchen
In Stephen Kings neuem Roman brechen ein Junge und sein Hund auf zu einer postmodernen Reise, die sie quer
durch die Welt der Horrorgeschichten und der fantastischen Literatur führt  VON JENS BALZER

D
iese Geschichte handelt von Fairy Tale ist das 65. Buch von Stephen King. Am tun, deren Held alle Anspielungen sofort bemerkt und wesentlichen Teil seines Witzes beziehungsweise
einem Jungen, der sich in 21. September ist King 75 Jahre alt geworden, aber er kenntnisreich kommentiert, man könnte auch sagen, eben: seines Grusels.
eine alte Hündin verliebt schreibt immer noch in einem Tempo wie ein junger dass Charlie ­ Reade ein wandelnder Fußnoten­ Das Universum des Buchs ist von vielen sonder-
und beschließt, ihr Leben zu Mann; irgendwo scheint er eine magische Sonnenuhr aggregator ist; und natürlich weiß er auch, dass die baren Gestalten mit entstellten Körperlichkeiten
retten. Für ein Buch, das sich zu besitzen, mit der sich die Zeit zurückstellen und Geschichte von einem belesenen Jungen, der sich in bevölkert, sie haben keine Münder, keine Augen, ihre
selbst als Fairy ­Tale, also als alle entweichende Lebensenergie zurückgewinnen einem lebendig gewordenen Märchenbuch wieder- Physiognomien sind verformt. Bei der bereits ver-
Märchen, ankündigt, ist das lässt. Hat er sich in der hier auftretenden findet, in dem alles das, was er erlebt, von abredeten Verfilmung des Romans werden die Com-
nicht die schlechteste Ausgangsvoraussetzung. Die Hündin also selbst porträtiert? Jedenfalls vornherein aufgeschrieben und festgelegt ist, puteranimations-Experten angesichts solcher Auf-
Hündin ist so alt, dass ihr die Lebenskräfte entwei- trägt sie den Namen Radar, das deutet­ schon mal von einem anderen Autor formu- gaben sicherlich jauchzen. In der literarischen Schilde­
chen, sie kann ihren einst so kraftvollen Körper darauf hin, dass sie ein besonders feines liert wurde ... wie hieß er noch, es war wohl rung bleibt der Körper-Horror jedoch eher blass,
nur noch unter großen Anstrengungen bewegen. Sensorium für das besitzt, was die Menschen ein Deutscher ... das Buch hieß jedenfalls ebenso wie die ausgiebig unoriginell ausgemalten
Sie ist dem Tode nahe, aber der Junge weiß, wo um sie herum denken, erwarten und wün- Die unendliche Geschichte. Diese irgend- Kampf- und Gemetzel-Szenen, mit denen King das
man ihr die verlorene Jugend zurückgeben kann: schen. Der Junge heißt Charlie R ­ eade, auch wann wie im Leerlauf rotierende Inein­ letzte Drittel bestreitet: Auch hier hat man oft das
In einem Land jenseits unserer Vorstellungskraft das ist ein sprechender Name. Er hat schon ander­ drehung der Referenzen verschafft Gefühl, dass die Geschichte nur als Vorlage für eine
befindet sich eine magische Sonnenuhr, mit der immer sehr gern gelesen und kennt sich dem Roman einen eigenen Ton, weil vieles, visuelle Inszenierung dient, die alles, was die Sprach-
sich der Verlauf der Zeit umkehren lässt. Also be- mit allen Märchen-, Grusel-, Horror- und­ was an ihm überraschend sein könnte, eben kraft des Autors nicht zu leisten versteht, mit Effekten
geben sich die beiden auf die gefahrvolle Reise, sie Fantasy-Geschichten der vergangenen Jahr- Stephen King: doch nicht überraschend ist. Das ist dann zu ergänzen hat. Fairy ­Tale ist ein gleichermaßen über-
gehen durch einen Wandschrank in einen Tunnel hunderte allerbestens aus. Darum bemerkt Fairy Tale. zwar als Erzählhaltung überraschend. Das, instrumentiertes wie unfertiges Buch und als solches
hinein und befinden sich plötzlich unter einem er auch sofort, dass die Gänsemagd und das Roman; was da erzählt wird, überrascht allerdings schon wieder interessant. Man darf bloß beim Lesen
fremden Firmament, in einer Welt, die von Gänse- sprechende Pferd Falada, die ihnen begeg- aus dem kaum einen Leser. Und die Referentialität nicht darauf hoffen, dass die Verhältnisse zwischen
mägden und sprechenden Pferden bevölkert ist, nen, von den Brüdern Grimm ersonnen Englischen von wirkt insbesondere dort der Erzählabsicht den verschiedenen Erzählebenen, zwischen der­
von einem Rumpelstilzchen, einem bösen König wurden, und die Reise durch den Tunnel Bernhard entgegen, wo es zum Ende der Geschichte Realität und der Fantasie und der Tatsache, dass der
und von grässlichen Kreaturen, die in den ­Untiefen in das magische Land erinnert ihn natür­ Kleinschmidt; darum geht, sich vor einem namenlosen Held in der fantastischen Realität seine eigenen­
der Erde wohnen und den Untiefen der Zeit ent- lich an den Zauberer von Oz; während die Heyne Verlag, Grauen zu gruseln. Der Held aber ist hier Fantasien als die eigentliche Realität wiedererkennt,
stammen. Am Ende der Reise lockt, bewacht von ­gräss­lichen Kreaturen aus den Untiefen von München 2022; sofort in der Lage, dieses namenlose Grauen sich irgendwann zu irgendetwas runden, was einer
einer gewaltigen Riesin, die Uhr; aber als der ­Junge Erde und Zeit dem Cthulhu-Mythos von 880 S., beim Namen zu nennen, und merkt an, dass Allegorie nahekäme. So ist es nicht, man folgt hier
und die Hündin dort angelangt sind, müssen sie H. P. Love­craft nachempfunden sind. 28,– €, das, was hier passiert, genauso ist wie in keinem Dichter, der hinter der Geschichte eine ­zweite
erkennen, dass das eigentliche Abenteuer gerade So hat man es hier mit einer enorm­ als E-Book Love­ crafts Mythos von »Cthulhu«. So­ Symbolebene entfaltet, sondern einem Zauberer, der
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Museum August Macke Haus
Ruhr Museum, UNESCO-Welterbe Zollverein
Dauerausstellung: Natur, Kultur und Geschichte des Ruhrgebiets
Deutsches Historisches Museum
bis 16.10.2022: AUGUST Macke – Begegnungen bis 16.04.2023: Die Emscher. Bildgeschichte eines Flusses
bis 15.01.2023: Staatsbürgerschaften. Frankreich, Polen, Deutschland seit 1789
www.august-macke-haus.de, Hochstadenring 36, Fr-So, Feiertag 11-17, Do 11-19 Führungen mit Anmeld.: Schaudepot des Ruhr Museums, Kokerei Zollverei
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Deutsches Symphonie-Orchester Berlin BREMEN www.ruhrmuseum.de, Tel. 0201-24681 444, Gelsenkirchener Str. 181, tgl. 10-18
Philharmonie Berlin: So Yutaka Sado, Fazıl Say Mozart: Klavierkonzert Nr. 12,
Gerhard-Marcks-Haus FLENSBURG
Tschaikowsky: Symphonie Nr. 6 ›Pathétique‹, dso.berlin, Tel. 03020298711

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bis 30.10.2022: Songlines: Sieben Schwestern erschaffen Australien Ausstel- bis 06.11.2022: Manns-Bilder. Der männliche Akt auf Papier
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1.4. bis 31.10.2022 Saarlandmuseum - Moderne Galerie
Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg burg, Di 13-18, Mi 11-18, Do 11-19 Uhr, Fr-So 11-18 Uhr
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bis 09.10.2022: Museum unserer Wünsche: David und Douglas Henderson –
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www.landesmuseum-hannover.de, Tel. 0511 – 9807 686 41896_ANZ_90x150_X4_ONP26 1 06.05.22 17:34bis 19.03.2023: Face à Face – Mudam Luxembourg/Moderne Galerie. Zwei
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bis 06.11.2022: Katharina John. Talking Heads MÜNCHEN JOHANNITERKIRCHE bis 09.10.2022: Jordan Wolfson
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bis 30.08.2023: Drifting, Browsing. Cruising bis 22 Uhr, 089/22 44 12, www.kunsthalle-muc.de, Theatinerstr. 8, München bis 26.02.2023: Sport, Spaß & Spiel in der Sammlung Würth
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Dauerausstellung: Künstlervilla und Historische Räume von Franz von Stuck

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Ausstellungsort: Maritim Hotel Köln, Heumarkt 20, 50667 Köln
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bis 08.01.2023: Nachts. Clubkultur in München Sammlung
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bis 05.02.2023: Emília Rigová. Nane Oda Lavutaris / Who Will Play for Me?
www.museen.koeln bis 08.01.2023: München 72. Mode, Menschen und Musik
bis 29.01.2023: Changes

MGKSiegen
Museum Ludwig Köln bis 05.03.2023: Radio Free Europe. Stimmen aus München im Kalten Krieg
bis 30.11.2024: Schultze Projects #3 - Minerva Cuevas www.muenchner-stadtmuseum.de, St.-Jakobs-Pl., T. 089/23322370, Di-So 10-18 Wir danken für bis 06.11.2022: Kollaborationen
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DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 KINDER- & JUGENDBUCH 59

Lebenslügen
Niemanden glaubt Nits besser zu kennen als seinen besten
Freund Mischa – bis er zum ersten Mal dessen Zuhause betritt.
Stefanie Höfler erzählt ohne Pathos und Kitsch von
Kinder­armut im reichen Deutschland  VON JUDITH SCHOLTER

Fassaden sind oft schön anzusehen, ver­ los offen. Und sie berichtet ohne Kitsch
sperren aber den Blick auf das, was da­ oder Betroffenheitspathos von dem
hinterliegt. Dass sein bester Freund, der Druck und der Anstrengung, die es für
hyperkorrekte und kluge Mischa, sein ein Kind bedeutet, immer lügen zu müs­
wahres Leben hinter einer Fassade ver­ sen, um den Schein zu wahren.
steckt, hätte Nits schon viel früher auf­ Mischa ist nicht nur arm, sondern
fallen können. Warum trägt Mischa eine auch auf sich allein gestellt: Seine Mut­
Jacke mit Riss? Behält er seine viel zu ter hat die Familie vor Jahren verlassen,
kleine Sporthose wirklich nur deshalb, sein Vater ist zwar warmherzig, aber ein
weil es halt seine Lieblingshose ist? Und verpeilter Träumer. Höfler balanciert die
wieso war Nits eigentlich noch nie bei Schwere von Mischas Leben mit einem
Mischa zu Hause? Kniff aus: Ihr Erzähler Nits ist ein hy­
Spätestens bei der Paviangeschichte peraktiver und für seine Reime schulweit
hätte Nits merken müssen, dass Lügen für bekannter Slammer. Und so lebt diese
Mischa ein Thema sind. Pavianbabys täten Geschichte auch vom Rhythmus, vom
gern mal so, als würden sie angegriffen, er­ Wortwitz – und von der Sprache einer
zählte Mischa einmal. Ihre Freundschaft. Nits macht
Mütter verteidigen sie, es schon ganz zu Beginn
kommt zum Tumult un­ klar, dass er Mischas Er­
ter den erwachsenen Pa­ LUCHS NR. 429 laubnis hat, dessen Ge­
vianen – und die Babys schichte in die Welt zu

Foto (Ausschnitt): isabelitavirtual/Insel Verlag


können sich derweil das bringen: »Von mir aus
Futter unter den Nagel erzähl sie. Aber lass sie
reißen. Warum aber lügen klingen, Nits!«
Menschen? Zum eigenen Der Roman entwickelt
Vorteil, meinte Nits da­ sich trotz der inhaltlichen
mals. Mischa sagte, auch Härte zu einer irren Kri­
aus Verzweiflung. minal- und Abenteuer­
Die beiden Jungen Jeden Monat vergeben die geschichte. Denn Mischas
kennen sich seit der ersten ZEIT und Radio Bremen Vater hat sich mit Inter­
Klasse, sie haben zusam­ den LUCHS-Preis für netbetrügern eingelassen,
men Enten erschreckt und Kinder- und Jugendliteratur. um seinen Kindern neue
Die hat gut lachen! Kein Wunder bei acht Millionen verkauften Büchern Autos bespuckt, inzwi­ Aus den zwölf Schuhe kaufen zu kön­
schen sind sie Teenager Monatspreisträgern wird der nen. Und jetzt ist er ver­
und ein perfektes Team – Jahres-LUCHS gekürt. schwunden.
bis Nits erfährt, dass man Mehr im Internet unter Wie Mischa und Nits
jemandem sehr nah sein www.zeit.de/luchs und ihn finden und den
kann, ohne wirklich etwas www.radiobremen.de/luchs Schlamassel auflösen, das

»Diese Welt wurde nicht


von ihm zu wissen. ist zwar nicht subtil, da­
Mischas Fassade be­ für aber rasant erzählt.
ginnt zu bröckeln, als plötzlich Schwimm­ Und auch wenn die Gangster und die Frau
unterricht auf dem Plan steht. Nits sagt er, vom Jugendamt in den Nebenrollen eher
dass er nicht mitmachen könne, weil seine blass bleiben und ein wenig wie Klischees

nur von Männern geprägt«


Badehose Löcher habe. Seinem Lehrer ihrer selbst erscheinen, sind die Haupt­
übergibt Mischa aber ein Attest, das ihn figu­ren mit ihren Nöten und ihrer Unvoll­
vom Schwimmen befreit. Nits hält es zuerst kommenheit umso feiner gezeichnet.
für einen Vertrauensbeweis, dass sein Mischas Glück ist am Ende, dass er in
Freund ihn in die Lüge dem Lehrer gegen­ seinem Leben doch nicht so allein ist, wie
über eingeweiht hat – bis er herausfindet, er selbst immer dachte. Er hat ein Sicher­
dass Mischa auch zu ihm unehrlich ist. Den heitsnetz aus Menschen, die ihn mögen
Arzt, der das falsche Attest ausgestellt hat, und auffangen: Sein Vater mag chaotisch
100 Bände und kein Ende in Sicht: Die Spanierin María Isabel Sánchez Vegara gibt es gar nicht. Als Nits Mischa damit sein und Fehler machen, aber er ist für
hat mit ihrer Bilderbuchbiografie-Reihe »Little People, Big Dreams« konfrontiert, wird schnell klar, dass da noch seine Kinder da. Und auch Nits und seine
viel mehr ist, was er nicht weiß. Denn Mi­ Eltern helfen – indem sie Essen kochen,
weltweit Erfolg. Ein Gespräch über starke Frauen und Vorbilder für Kinder scha verteidigt sich nicht, er versucht auch einen Schlafplatz bereithalten und Witze
nicht, sich mit einer neuen Lüge heraus­ erzählen.
zureden. Er lässt Nits buchstäblich hinter Und Mischas Lügerei? War sie nun
DIE ZEIT: Vor zehn Jahren hatten Sie die Idee zum ZEIT: Sie arbeiten für fast jeden Band mit einer Dafür arbeite ich schon mal an 20 Büchern parallel, seine Fassade blicken. verwerflich oder doch gerechtfertigt, weil
ersten Band Ihrer Buchreihe Little People, Big anderen Illustratorin. Wonach wählen Sie die aus? die alle in unterschiedlichen Stadien sind. Zum ersten Mal begleitet Nits seinen sein echtes Leben einfach nicht mit dem
Dreams, die zu einem internationalen Bestseller Vegara: Ich suche nach einem Stil, der mir für eine ZEIT: Klingt anstrengend. Können Sie sich vor­ Freund nach Hause. Sein Kommentar, als aller anderen zusammenpassen wollte?
wurde. Wie kamen Sie darauf? Figur passend erscheint. Und manchmal ist es mir stellen, Ihre Reihe bald enden zu lassen? er die Wohnung betritt: »Schnell erfasst: »Lügen«, sagt Mischas Vater einmal, »ist
María Isabel Sánchez Vegara: Damals waren meine auch wichtig, dass die Künstlerin einen per­sön­ Vegara: Nein, bisher ermüdet oder langweilt die Ar­ Welt-Kontrast!« Die Räume sind leer, es doch einfach nur träumen, wie es auch
beiden Nichten geboren worden, und ich suchte im lichen Bezug zu einer Lebensgeschichte hat. Bei beit mich überhaupt nicht. Im Gegenteil. Früher gibt keine Möbel, die Matratzen liegen gewesen sein könnte.« Mischa ergänzt
Buchladen nach einem Geschenk, das sie als Mäd­ Anne Frank etwa wollte ich gern eine jüdische Illus­ war mein Leben total stressig, ich war manchmal auf dem Boden, Mischa und seine kleine später: »Oder wie es sein sollte.«
chen in dieser Welt willkommen heißt. Mir schweb­ tratorin mit einem realistischen Strich. Gerade ar­ ganze Nächte in der Agentur. Damals dachte ich, Schwester haben kaum Kleidung oder
te ein Sachbuch über eine oder mehrere starke beite ich an dem Buch über den nepalesisch-indi­ wie glücklich ich wäre, wenn ich den ganzen Tag im Spielsachen, noch knapper ist nur das­
Frauen vor. In meiner Kindheit hatte es so etwas schen Bergsteiger Tenzing Norgay und habe dafür Pyjama zu Hause sitzen und vor mich hin arbeiten Essen. Der Junge, den Nits zu kennen
nicht gegeben; wenn es überhaupt starke Mädchen nach einer Künstlerin aus Nepal gesucht. könnte. Genauso ist mein Leben jetzt. glaubte wie keinen anderen, lebt in einer
gab, waren sie erfunden. Und leider musste ich fest­ ZEIT: Zählt die Optik mehr als der Text? ZEIT: Ihre Reihe wurde in knapp 40 Sprachen anderen, bislang gut verborgenen Welt. In Stefanie Höf ler:
stellen, dass sich daran nichts geändert hatte. Weil Vegara: Ich finde, dass meine Bücher im Regal übersetzt und erscheint in mehr als 90 Ländern. einer Welt ohne Geld. Feuerwanzen lügen nicht.
ich kein Buch fand, schrieb ich eben selbst eins. wunderschön aussehen, und das ist mir wichtig. Ich Weltweit haben Sie bisher rund acht Millionen Die Scham, die damit verbunden ist, Beltz & Gelberg 2022;
ZEIT: Sie waren aber keine Schriftstellerin. komme aus der Werbung, ich weiß, wie man Pro­ Bücher verkauft. Ist so ein Erfolg zu begreifen? arm zu sein, legt die Autorin Stefanie 234 S., 15,– €;
Vegara: Nein, aber ich habe schon immer gern ge­ dukte verkauft. Und natürlich wirken auch die Bil­ Vegara: Die Zahlen kann ich mir nicht vorstellen, Höfler Stück für Stück und schonungs­ ab 11 Jahren
lesen und mochte es bereits als Kind, mir Geschich­ der im Innern viel direkter, als es mein Text je aber ich bekomme Briefe und sehe Fotos von Kin­
ten auszudenken. Als Jugendliche schrieb ich dann könnte. Kinder fragen mich oft, ob ich all die tollen dern mit meinen Büchern im Netz. Irgendwann
Liebesgedichte. Ich wollte immer gern kreativ ar­ Bilder gezeichnet hätte. Dass in den Texten auch wurde mir klar, dass gerade eine Generation mit
beiten, und da ich nicht zeichnen kann, wurde es viel Arbeit steckt, darüber denken sie nicht nach. meinen Büchern groß wird. So wie ich Pippi und
das Schreiben. ZEIT: Ihre Texte sind sehr kurz. Das gesamte Ma­ Momo gelesen und geliebt habe, lesen sie nun­ DIE LUCHS-JURY EMPFIEHLT
ZEIT: Im ersten Little People-Buch erzählen Sie von nuskript füllt vermutlich nicht mal eine DIN-A4- meine Biografien. Diese Vorstellung ist überwälti­ AUSSERDEM
der Modeschöpferin Coco Chanel. Es folgten Frau­ Seite. Ist es frustrierend, so wenig Platz zu haben? gend! Denn man erinnert sich ja mitunter ein­
en wie Rosa Parks, Frida Kahlo, Marie Curie. Wa­ Vegara: Schon, aber genau das ist ja die Herausfor­ Leben lang an das, was man als Kind liest.
rum sollen Mädchen mehr über das Leben solcher derung. Ich lese stapelweise Bücher, schaue Filme, ZEIT: Können Sie sich vorstellen, dass all die Le­
real existierenden, sehr unterschiedlichen Frauen recherchiere im Internet und habe für eine Person bensgeschichten berühmter Menschen Kinder auch
erfahren? schon mal eine Materialsammlung von 100 Seiten. unter Druck setzen?
Vegara: Zunächst einmal, weil diese Welt nicht nur Die muss ich dann eindampfen. Aber aus meiner Vegara: Auf die Idee wäre ich nie gekommen. Viele
von Männern geprägt wurde. Und zweitens glaube Zeit als Werbetexterin bin ich genau darin geübt. dieser Menschen waren selbst einmal unsicher. Es
ich, je mehr die Mädchen über die Errungenschaften Für Zeitungsanzeigen oder TV-Spots musst du in war überhaupt nicht klar, dass sie einmal etwas
von Frauen wissen, desto leichter ist es für sie, sich fünf Sätzen oder 20 Sekunden die Botschaft rüber­ Großes erreichen würden. Alan Turing zum Bei­
ebenfalls zu behaupten – im Job und in der Familie. bringen. Mir liegt das, und es passt auch zu meinem spiel war ein sehr einsames Kind: Er war total
Diese Frauen sind Vorbilder, zu denen man auf­sehen Charakter. Ich könnte nie einen Roman schreiben. schüchtern, hatte kaum Freunde. Niemand hätte
kann und die einen inspirieren. Nicht nur Mädchen von ihm erwartet, dass er einmal so einflussreich in Jugendbuch: Sachbuch: Bilderbuch:
übrigens, sondern Jungs genauso. der Computerentwicklung werden würde.
ZEIT: Inzwischen schreiben Sie auch über Männer. ZEIT: Aber am Ende steht eben doch die große In der S-Bahn trifft Man stelle sich vor, alle Wer einen Tiger an
Warum? Leistung. Wo bleibt da der Raum für eher durch­ Ponger auf Henny. acht Milliarden seiner Seite hat, muss
Vegara: Weil sich meine Neffen bei mir beschwer­ schnittliche Menschen? Zufällig, wie er glaubt – Menschen würden zu sich vor nichts fürchten.
ten. Sie fanden es unfair, dass ich nur über Frauen Vegara: Ich glaube nicht an so etwas wie Durch­ doch das Mädchen hat einem Riesenwesen Blöd nur, wenn das
schrieb. Und auch viele Mütter sagten, dass sie sich schnitt. Ich glaube, in jedem Menschen schlum­ alles genau geplant: Vom verknetet: Wie viel Besitz Raubtier sich anderen
für ihre Söhne männliche Vorbilder wünschen. mern Talente und Stärken – und manchen verhel­ Hamburger Süden würde der Megamensch nicht zeigen will.
ZEIT: Aber die Männer bleiben in der Unterzahl? fen sie zu Berühmtheit. geht es erst auf den anhäufen, wie viel Müll Oder ist es am Ende
Vegara: Nein, ich achte inzwischen darauf, dass es ZEIT: Und glauben Sie, diese Berühmtheiten sind Kniepsand von Amrum erzeugen und wie sehr gar unsichtbar?
ausgeglichen ist. Aber nicht jedes meiner bald 100 als Vorbilder für Kinder besonders bedeutend? und dann ins Weltall. die Natur belasten? Ein fantasievolle
Bücher erscheint in jedem Land. Die Verlage wäh­ Vegara: Vorbilder sind sehr wichtig, aber es müssen Durch einen solchen Ein erschreckend- Geschichte über Ängste,
len die Personen aus. Mir ist es allerdings wichtig, TRANSPARENZHINWEIS keine Stars sein. Am wichtigsten sind die Men­ inter­galaktischen erhellendes Gedanken­ gute Freunde und kleine
dass die Reihe überall eine gewisse Bandbreite zeigt: Vegaras Bücher erscheinen in Deutschland im schen, mit denen ein Kind groß wird – die Eltern, Roadtrip kann nur Nils spiel zum Kampf gegen Mut-Momente.
also nicht nur Frauen oder nur Männer, nicht nur Suhrkamp/Insel Verlag, der 2019 die ersten die Geschwister, auch Lehrer. Über all diese Men­ Mohl ­sicher steuern. die Klimakrise. Uwe-M. Gutzschhahn/
Wissenschaftler oder nur Künstler. Und ich selbst Bände der Reihe veröffentlichte – darunter der schen schreibe ich zwar keine Bücher, aber für mich Nils Mohl: Rob u. Tom Sears: Sabine Kranz (Ill.):
versuche bei der Auswahl der Figuren auf Diversität über Coco Chanel. Im Jahr darauf kooperierte sind sie die wahren Helden im Leben. Henny & Ponger. Unser gigantischer In meinem Rucksack
zu achten; dass ich nicht nur über Menschen schrei­ der ZEIT-Shop mit Suhrkamp für eine Box mit Mixtvision 2022; Fußabdruck. wohnt ein Tiger. Sauer­
be, die in der westlichen Welt bekannt sind. sechs Frauenbiografien Das Gespräch führte Katrin Hörnlein ab 14 Jahren Hanser 2022; ab 8 Jahren länder 2022; ab 4 Jahren
60 GLAUBEN & ZWEIFELN 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Das gefährliche Kopftuch

gik«, also mit freundlichen


Imperativen und sanften Ermah­ aber
nungen, Druck ausüben. Im Westen ent­ muss die
steht ein doppelter Druck dadurch, dass die Mehr­ Regierung in
heitsgesellschaft das Kopftuch nicht toleriert, Teheran die muti­
sondern seine Trägerinnen diskriminiert. gen Frauen fürchten,
Aller­ Deshalb gilt das Kopftuch im Westen heute weil deren Ungehorsam
dings exis­ nicht nur als Zeichen von Frömmigkeit, sondern ihre sakrosankte Deu­
tieren verschie­ mehr noch als ein Symbol der Selbstbehauptung. tungshoheit über alle Be­
dene Arten der Die wohl brisanteste Zahl dazu findet sich in einer lange des Lebens infrage stellt.
Verhüllung ne­ben­ Studie des Innenministeriums mit dem Titel »Mus­ Die Frau ohne Kopftuch, also
ein­an­der. Eine strenge limisches Leben in Deutschland 2020«: Demnach das selbstbestimmte Individuum,
Form der Vollverschleierung tragen 30 Prozent der Musliminnen in Deutsch­ gilt den Mullahs als Gefahr für die
ist die Burka, wie sie heute in Af­ land Kopftuch. Auch in muslimischen Ländern Gemeinde aller Muslime. Deshalb
ghanistan und Pakistan verbreitet ist: ein sind es durchschnittlich etwa 30 Prozent. Hier zeigt soll die Frau unter das Kopftuch ge­
Überwurf mit engmaschigem Augengitter. sich: Das Kopftuch ist ein historisch-soziales Phä­ zwungen werden – oder zugunsten des
Ähnlich lässt der schwarze Nikab, kombiniert nomen. Hauptproblem jener Religionsführer aber, Kollektivs der Gläubigen getötet.

D
as eigene Kopftuch öffent­ mit einem langen Gewand, nur einen schmalen die es heute als Pflicht predigen, bleibt: Sie reflek­ Seit Gründung der Islamischen
lich zu verbrennen ist eine Augenschlitz frei. Wird im Westen über ein tieren nicht den männlichen Herrschaftsanspruch, Republik haben ihre Führer die reli­
unerhörte Tat. So etwas gab »Kopftuchverbot« geredet, sind meist Burka und der mit dem Wunsch einhergeht, Frauen vor den giösen Gebote missbraucht, um poli­
es in der Geschichte des Islams noch Nikab gemeint. Nicht nur europäische Länder Blicken fremder Männer verbergen zu wollen. tischen Zwang zu rechtfertigen. Damit
nie. Dass immer mehr Iranerinnen in wie Frankreich und Belgien haben jedoch Ver­ Natürlich betrifft dieses Problem auch Muslimin­ haben sie nicht nur die Frauen provo­
immer mehr Städten es jetzt wagen, dass bote durchgesetzt, 2017 wurden beide Arten der nen, und insbesondere Mütter, die zu Komplizin­ ziert, sich des Kopftuchs zu entledigen,
sie Schläge, Tränengas, Verhaftung, ja Verschleierung auch in Marokko verboten – sie nen des Patriarchats werden, indem sie ihre Töch­ sondern auch Männer dazu gebracht,
den Tod riskieren, zeigt: Wir erleben eine gelten unter kritischen Muslimen und Musli­ ter zur Verschleierung zwingen. angebliche religiöse Vorschriften zu
Revolution, und die brennenden Kopf­ minnen als Erkennungszeichen der Erzkonser­ Im Iran protestieren die Frauen jetzt aber nicht hinterfragen. Immer mehr Islamtheolo­
tücher sind ihr Symbol. vativen. In Nordafrika werden Frauen, die Burka nur gegen Kleidervorschriften. Ihre Proteste richten gen bezweifeln ja, dass die Verschleie­
Wer heute im Iran das Kopftuch ablegt, wer oder Nikab tragen, als »schwarze Raben« be­ sich gegen zahlreiche Formen der religiös gerecht­ rung der Frau eine religiöse Pflicht ist.
Illustration:
es auch nur kritisiert, braucht Mut. Doch dieser zeichnet. fertigten Unterdrückung, insbesondere gegen die Das Kopftuch ist vor allem ein Produkt Tobias Beck für
Mut ist nicht neu. Schon im Jahr 1890 erklärte Im Iran, im Irak und im Libanon ist heute da­ Gesinnungskontrolle. Bereits vor vier Jahren kam männlicher Dominanz. Man benutzt es, DIE ZEIT
ein ägyptischer Jurist, dass der in seiner Zeit ver­ gegen der Tschador verbreitet. Der bodenlange, es zu Massendemonstrationen gegen den politi­ um die Frau auf ein Sexobjekt zu redu­
breitete Schleier überhaupt nichts mit dem Islam schwarze oder braune Umhang verhüllt den Körper, schen Islam und seine Symbole. Die vielen Frauen, zieren, das vor dem Sexualtrieb des
zu tun habe. Der Reformer Qāsim Amin (1865– aber lässt das Gesicht frei. Der Khimar wiederum die jetzt ihr Leben aufs Spiel setzen, indem sie ihre Mannes beschützt werden muss.
1908) schrieb in dem monumentalen Werk Die ist ein mantelartiger Schleier, der meist bis zur Kopftücher verbrennen, wissen genau, dass der Tod Dahinter aber steht nichts anderes
Befreiung der Frau, die Verschleierung sei keine Taille reicht und in verschieden Farben getragen von Mahsa Amini kein Unfall war, sondern typisch als die Furcht vor der freien Frau. Es
religiöse Vorschrift. wird. Auch den Hi­dschab gibt es in vielen Farben für das religionspolitische System, in dem sie leben. wird Zeit, dass der Islam sich von dieser
Bald vertraten auch Frauen diese These. Im Jahr und Stilen – sowohl in muslimischen Ländern als Seit der Islamischen Revolution von 1979 ist Furcht befreit.
1928 veröffentlichte die Theologin Nazira Zayn­ auch im Westen. Mittlerweile sind hier auch neue der Iran eine Islamische Republik. Ihre Führer Zumal: In jenen Versen des Korans,
addin aus dem Libanon ein Buch, in dem sie die Moden wie die »Kopftuch-Frisur« verbreitet, die bezeichnen die eigene Regierungsform als »Statt­ die sich angeblich mit Kopftuch oder
Verschleierung für falsch erklärte. Ihre Begrün­ gern von muslimischen Feministinnen getragen halterherrschaft der Schriftgelehrten« (Welāyat-e Körperbedeckung befassen, kommen
dung: Sie verstoße gegen die gottgewollte Gleich­ werden. Der oft kreative Kopfschmuck bedeckt nur Faqīh) oder »Islamische Herrschaft« (Hukūmat-e weder Kopf noch Haare explizit vor.
heit der Geschlechter und gegen die Würde sowohl Haar und Ohren, nicht Gesicht und Hals. Eslāmī). Diese Bezeichnung geht auf den Ajatollah Erst recht findet sich im Koran keine
der Frau als auch des Mannes. Streit verursacht die Bedeckung des weib­ Ruhollah Musawi Chomeini (1902–1989) zurück, Erwähnung eines Kopftuchzwangs.
Im vorigen Jahrhundert nahm die Popularität lichen Haars heute innerhalb der muslimischen der bis zu seinem Tod die höchste politische und Man könnte sagen, dass er eigentlich
Im Iran wurde es des Kopftuchs in muslimischen Gesellschaften Glaubensgemeinschaften vor allem deshalb, weil religiöse Autorität im Iran war. In seinem 1971 eine Erfindung der Feinde der Musli­
stetig ab, in den 1970er-Jahren dann war es eine ein Kopftuch frei gewählt, aber auch aufgezwun­ erschienenen Buch Die Herrschaft der Schrift­ minnen ist.
zum Symbol Randerscheinung. Verschleiert ging eine eher gen werden kann. Dagegen sehen sich nicht­ gelehrten argumentierte er, die islamischen Gesetze Wie aber geht es im Iran mit dem
geringe Zahl älterer Damen. Da war der Ein­ muslimische Feministinnen im Westen gern als seien nicht historisch und situationsbedingt, son­ Islam weiter? Etwa 94 Prozent der Be­
der Angst vor der fluss der Kolonialzeit und des Westens im Verteidigerinnen des Kopftuchs. Während Kri­ dern ewig und allezeit gültig, seine eigene Herr­ völkerung sind Muslime. Nun aber ha­
freien Frau. Alltag etwa Nordafrikas stark spürbar.
Doch 1979 begann der Aufstieg des
tik am Christentum für sie einfach Religions­
kritik ist, verdächtigen sie jede Kritik am Islam
schaft aber sei von Gott, also nicht kritisierbar.
Diese Art zu glauben ist es, die die aktuellen
ben die Frauen beschlossen, die Kon­
trolle über ihren Glauben, ihr Denken,
Der Islam muss politischen Islams, zunächst mit der schi­ (und auch am Kopftuch) als Islamophobie. Proteste im Iran für alle, die sich auf die Straße ihren Körper nicht länger zu dulden. Sie
itischen Revolution im Iran. Nun wurden Im Iran zeigt sich nun, dass es so einfach nicht wagen, so gefährlich macht. Immer brutaler ge­ wissen, dass die Polizeigewalt, die Mahsa
diese Angst religiöse Machtansprüche mit strengen ist. Dort ist das Kopftuch zu einem Symbol des hen die Sicherheitskräfte jetzt gegen friedliche Amini traf, jede Frau treffen könnte.
endlich ablegen Kleidungsvorschriften untermauert. Die
Verschleierung von Frauen wurde wieder
konservativen, des politischen Islams geworden,
gegen den die Frauen nun unter Lebensgefahr
Demonstranten vor. Mittlerweile soll es weit
über 100 Tote gegeben haben, die Demonstran­
Deshalb gehen sie das Risiko ein: frei
leben oder sterben.
  VON populär. Als Reaktion auf die Islamische kämpfen. Auch das Beispiel Saudi-Arabien hätte tinnen werden als Landesverräterinnen gebrand­ Diese Frauen kommen aus allen
Revolution begannen auch die damaligen längst zu denken geben können: Kronprinz Mo­ markt. Dennoch greifen die Demos auf immer Schichten der Gesellschaft, sie sind Stu­
ABDEL-HAKIM OURGHI Machthaber des Königreiches Saudi-Ara­ hammed bin Salman erklärte im Jahr 2019 strenge mehr Städte über. dentinnen, Hausfrauen, Arbeiterinnen.
bien den sunnitischen Islam in seiner ultra­ Kleidervorschriften für unislamisch. Außer in den Dass gerade Frauen den Mut haben, weiter zu Was sie verbindet, ist nicht allein, dass sie
orthodoxen Auffassung zu propagieren – Heiligen Städten Mekka und Medina müssen protestieren, hat wohl auch diesen Grund: Es ist das Kopftuch ablehnen, sondern alles,
sogar im Westen. Das Religionsverständnis Frauen in Saudi-Arabien daher nicht zwingend das aufgezwungene Kopftuch, das mehr als jedes wofür das Kopftuch im Iran heute steht:
der neuen Frommen war sozusagen purita­ einen schwarzen Umhang tragen. Auch die sau­ andere Symbol für die Islamische Republik steht. Männer, die Frauen unterdrücken; Re­li­
nisch und ihr Ziel eine Re-Islamisierung aus dische Religionspolizei wurde entmachtet. Deshalb reißen sie es sich nun vom Kopf, ja ver­ gions­füh­rer, die politische Herrscher sein
dem Geist des 7. Jahrhunderts. Auffällig ist, dass in arabischen Ländern in den brennen es. Das Feuer ist eine drastische Botschaft wollen; ein Glaube, der nicht tolerant, son­
Lieblingsthema der Fundamentalisten: letzten Jahren immer mehr Frauen das Kopftuch an die Mullahs: Seht her, wir entledigen uns des dern autoritär ist. Deshalb rufen sie auf den
die Kleidung muslimischer Frauen, insbe­ abgelegt haben, als Zeichen ihrer Selbstbestim­ Schleiers, weil er ein Zeichen des politischen Islams Demonstrationen auch »Nieder mit dem isla­
sondere derjenigen, die im Westen als Min­ mung. Für diejenigen, die das Kopftuch freiwillig und der Geschlechter-Apartheid ist! mischen Regime«. Es ist der Albtraum der
derheit lebten und dadurch einer »Kultur­ tragen, bleibt ein Problem, dass religiöse Autoritä­ Die Iranerinnen wehren sich nicht nur gegen Mullahs, der jetzt wahr wird.
entfremdung« ausgesetzt waren. Aus Angst ten, die die Verhüllung zur Pflicht erklären, durch­ eine repressive Politik, sondern auch gegen eine
vor Identitätsverlust predigte man Re-Tradi­ weg Männer sind. Hinzu kommt, dass die Wahl­ autoritäre Auffassung vom Islam: gegen Religi­ Abdel-Hakim Ourghi wurde 1968 in Algerien
tionalisierung und Re-Ethnisierung. freiheit der Frauen oft durch sozialen Druck kon­ onsführer, die Körper und Geist der Frauen kon­ geboren. Er lehrt Islamische Theologie in
Heute sehen gläubige Musliminnen das terkariert wird. Fordert eine konservative musli­ trollieren wollen. Die Theologie, die zur Recht­ Freiburg und schrieb unter anderem das Buch
Tragen des Kopftuches entweder als religiöse mische Gemeinde das Tragen des Schleiers auch fertigung dieser Herrschaft dient, ist gnadenlos »Ihr müsst kein Kopftuch tragen. Auf klären statt
Vorschrift oder als persönliche Entscheidung. nicht offen, so kann sie doch durch »stille Pädago­ und zu keinerlei Kompromissen bereit. Nun Verschleiern« (Claudius Verlag)
6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

ENTDECKEN

Foto: Matthias Holz

Was macht er da?


Die Schriftstellerin SIMONE BUCHHOLZ sah irgendwann keine andere Möglichkeit,
als ihren Teenager-Sohn mit einer App zu tracken. Und hasst sich dafür
62 ENTDECKEN 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Jetzt ist es, wie es ist. Für eine festgeschriebene Zeit trägt
mein Sohn eine Art elektronische Fußfessel, die in einem
albernen Pinguinkostüm daherkommt

E
Klettergerüst bis zum Schulweg. Die es Teenager einen hoffentlich funktionieren- »Mama. Bitte. Ich bin müde. Geht ihr
nicht gut aushalten können, dass Kinder den Kompass in sich, den sie an Kreuzun- heute Abend noch weg, Papa und du?«
die Dinge ihres Lebens spätestens ab dem gen benutzen können, um richtig abzubie- Natürlich. Pardon. Eltern sind halt
Moment, in dem sie laufen können, selbst gen, auch wenn es schnell gehen muss mit auch einfach eine Zumutung.
und allein machen wollen. einer Entscheidung und der Frage: Mach Wenn ich gut drauf bin, mache ich mir
Ich weiß gar nicht, wann das angefan- ich das jetzt so oder so? einen Witz aus dem ganzen Konstrukt.
gen hat – dass Eltern nicht nur nicht weg- Nun gut. Ich hab offenbar irgendwas Screen­shot von dem Ort, an dem er gera-
schauen können, sondern dass sie auch nicht ganz richtig gemacht in der Erziehung, de ist, und dann schick ich ihm den, nur
nicht mehr wegschauen dürfen. Dass von aber Fehler sind erlaubt. Menschen, die so zum Spaß, Stichwort Blankenese und
ihnen erwartet wird, übermenschlich zu keine Fehler machen dürfen, haben nicht die Wohnungen ausräumen. Oder er schickt
sein, ihre Augen überall zu haben, und Chance, zu kompletten Menschen zu wer- mir ein Foto von billigem Imbiss-Food
dass so was selbstverständlich direkt zum den, weil zu einer Menschwerdung ja gehört, und schreibt: »Haben was vertickt, jetzt
Geschäftsmodell gemacht wird. Diese per- vom Leben zu lernen, und zwar lebenslang. endlich mal Geld für gutes Essen.«
manente Kinderüberwachungserwartung Und mein Sohn hat halt auch was nicht ganz Über so was können wir lachen.
ist doch auch nur ein kapitalistisches richtig gemacht. Daraus folgt, dass wir uns Worüber ich nicht lachen kann, ist der
Terror­instrument, das die Angst von El- jetzt beide mit dieser blöden, nicht kosten- Drang, den die übermittelten Koordina-
tern nutzt, es könnte irgendwas passieren, freien Pinguin-App rumschlagen müssen. ten in mir auslösen, jetzt, da ich ja schon
Es sind ein paar Dinge vorgefallen, die diese unbändige Angst, die quasi mitgelie- Den Gedanken, dass auch diese App seine weiß, wo er ist, auch bitte schön noch
dazu geführt haben, dass wir – mein Sohn, fert wird, sobald ein Kind zur Welt kommt. Daten sicher für irgendwas verwenden wird, wissen zu wollen, was er macht. Bestimmt
mein Mann und ich – einige Zeit auf ­ Als ich mit Anfang zwanzig mal dach- schiebe ich weg, er nutzt schließlich auch gibt es eine teure App, mit der man Kin-
diversen Polizeistationen verbracht haben. te, ich sei schwanger, hab ich meine Mut- Instagram und WhatsApp, die schlimmsten der abhören kann. Widerstehe dem Be-
Nichts mit Gewalt oder so, aber es war ter gefragt, wie das geht, ein Kind groß- Datenkraken von allen. dürfnis, den App ­Store aufzumachen.
schon nicht ohne und auf jeden Fall aus ziehen. Und sie sagte: »Wenn du ein Kind Und so bekomme ich jetzt regelmäßig In solchen Momenten bin ich über-
der Abteilung, dass meine Eltern damals, bekommst, hast du plötzlich Ängste, von Informationen dazu geliefert, wo er in wel- haupt nicht gut drauf und möchte alles
als ich vierzehn war, gesagt hätten: »So, denen du gar nicht wusstest, dass es sie chem Moment ist (auch wenn ich gerade anzünden.
Frollein, du bleibst die nächsten Monate gibt. Deine Aufgabe als Mutter ist, diese beruflich in zum Beispiel Tou­louse bin): Ich bin am Waldrand aufgewachsen oder
mal schön zu Hause.« Ängste nicht übermächtig werden zu las- »Kind ist in: Bewegung.« besser: im Wald, und ich hab ausschließlich
In einer Innenstadtwohnung mit drei sen, damit das Kind in Freiheit aufwach- Aha, Schulweg – der Linienbus in den gefährliche Dinge getan. Ich bin auf morsche
Leuten auf 58 Quadratmetern ist das keine sen kann.« Westen der Stadt fährt langsam, aber er Bäume geklettert und in Ferienhäuser ein-
Option, und einsperren ist ja eigentlich gestiegen. Ich hab mit Gaskochern experi-
generell keine Option, Freunde verbieten mentiert und geraucht. Ich hab mir Pfeil und
auch nicht, erst recht nicht, wenn der, der Bogen aus Weidenhölzern gebaut und damit
mit seinen Eltern bei der Polizei sitzt,­ auf andere Kinder geschossen, auch auf mich
sowieso der Anführer der Kommt-­ wir-­ wurde geschossen. Der Typ, der uns Mäd-
bauen-­ Scheiße-­Combo ist – man muss chen so gern auflauerte, wurde regelmäßig
sich meinen Sohn und seine Jungs ein­ von den Jungs verprügelt. Nichts daran war
Screenshot: privat

bisschen wie Floyd, Ricco und Walter aus­ richtig und gut, alles daran war richtig und
Absolute Giganten vorstellen, nur dass sie gut. Nach Hause kommen musste ich nur,
ein paar Jahre jünger sind, und da, wo wenn es dämmerte, denn dann wurde es
sonst das Gehirn ist, befindet sich im Mo- wirklich gefährlich. Wildschweine.
ment naturgemäß eine Großbaustelle, oft Später, als Teenager, fuhr ich mit dem
auch einfach eine Lücke, er kann also­ einen Überlandbus am Nachmittag in die
genau ­genommen nichts dafür. nächstgelegene Kleinstadt, und wenn ich
Außerdem halte ich es wirklich für den verpasst hab, bin ich eben getrampt.
grundsätzlich falsch, Heranwachsende zu Als die Ersten einen Führerschein hatten,
Hause zu lassen, denn die Charakter­ sind wir nach Frankfurt gefahren, ins­
bildung findet gerade in diesem Alter ja Cooky’s. Es wurde Alkohol getrunken, es
nur zu Teilen im Zusammenspiel mit den gab Disco-Tote, in jedem Jahrgang, das
Eltern statt, ein großer Teil wird in der war furchtbar, aber meine Eltern haben die
Schule aufs Gleis gesetzt. Bei meinem Angst ausgehalten. Es gab nur drei Dinge,
Sohn, der schon immer ein ausgesproche- die streng verboten waren: Heroin, auf ­
nes Draußenkind war, spielen die Straßen einem Motorrad mitfahren und über Nacht
von St. Pauli da eine noch größere Rolle, wegbleiben, ohne anzurufen (aus einer Te-
und ein auch nicht zu unterschätzender lefonzelle oder von einem Kneipentelefon
Teil liegt (meiner Hoffnung nach) in den wohlgemerkt). Genau ein einziges Mal bin
Händen seiner selbstbewussten und lus­ ich auf einem Motorrad mitgefahren, das
tigen Freundin, was ja noch mal ein extra hat mir so einen Schrecken eingejagt, dass
Thema ist (wann bitte schön lege ich ihm ich es bis heute nicht wieder getan habe.
unauffällig einfach eine Packung Kondome Und einmal hab ich in dem von Punks
aufs Bett?). besetzten Haus am Bahnhof übernachtet,
Komplett unstrittig ist allerdings, dass natürlich ohne vorher anzurufen. Mein
auf mehrere Stunden in Gesellschaft von Vater saß die ganze Nacht in unserem
Polizei etwas folgen muss. Die viel be- Aha, der Sohn rennt auf dem Schulhof
Auto vor dem zugenagelten Haus, weil er
schworene Konsequenz. Also haben wir rum wie so ein Achtjähriger den Braten grundsätzlich riechen konnte,
mal was zusammengeschnürt: dafür brauchte er keine Tracking-App. Als
1. Taschengeld halbiert, wegen Scha- ich frühmorgens an die Autotür klopfte,
den abzahlen. machte er auf, sah mich aber nicht an,
2. Telefon um allerspätestens 22 Uhr sagte nur: »Und dein Scheiß-Interrail, das
bei den Eltern abgeben. kannst du dir in den Arsch schieben.«
3. Heimkommzeiten vorverlegt, unter Im Sommer durfte ich dann trotzdem
der Woche 20 Uhr, am Wochenende Und so hat sie mich auch erzogen. An fährt, wenn auch nicht schnurgerade, eiert mit dem Zug durch halb Europa fahren,
21.30 Uhr. der ganz langen Leine, die sich nur spann- eher ein bisschen durch die Rush­hour. ich hatte in den Ferien zuvor so hart dafür
4. Taschenkontrolle. te, wenn ich daran riss, weil ich Hilfe Aha, rennt auf dem Schulhof rum wie als Kellnerin gearbeitet. Ich bin nie wieder
5. (und jetzt wird es heikel:) Strengere brauchte, oder wenn ich so großen Mist so ein Achtjähriger – jetzt bin ich vorn, über Nacht weggeblieben, ohne anzurufen.
Beobachtung. zusammengeschraubt hatte, dass meine jetzt bin ich hinten, jetzt bin ich links, So haben meine Eltern es gemacht,
Ich winde mich, und ich hasse es, das Eltern es mitkriegen mussten. Meinen jetzt bin ich rechts, jetzt bin ich durch­ein­ und so will ich es auch machen.
so deutlich sagen zu müssen, aber ich tra- Sohn tröste ich nach seinen fails immer an­der, als hätte die App einen Grobi ver- Irgendwo in den Tiefen meiner Erinne-
cke meinen Sohn mit einer App, der erst- mit dem Satz, dass ich das auch alles ge- schluckt. rung existiert ein Tonband von mir, da bin
besten, die ich im App S­ tore finden konn- macht habe, sage ihm dann aber, dass ich Aha, hängt in diesem Park in Lurup ich noch sehr klein und schreie Zeter und
te und die einigermaßen seriös wirkte. Es mich halt meistens nicht hab erwischen rum, der angeblich the ­place to be ist – ich Mordio, weil ich das Licht in meinem Zim-
war sehr unangenehm, das Ding auf sei- lassen, im Unterschied zu ihm, vielleicht zoome den Ort auf, kann ich bitte die ge- mer selbst anschalten möchte. Auf den ers-
nem Smart­phone zu installieren, obwohl ist da jedoch ein genereller Unterschied naue Parkbank sehen? ten Blick geht es also nur um einen Licht-
wir es gemeinsam gemacht haben und ob- zwischen Mädchen und Jungs, Mädchen Aha, fährt S-Bahn – wow, die S-Bahn schalter. In Wahrheit aber geht es um etwas
wohl er ausdrücklich zugestimmt hat, weil sind halt meistens einfach schlauer. fährt aber echt schnell, ich hoffe, alle sind Großes: Selbstwirksamkeit. In der Dunkel-
ihm selbst komplett klar war, dass ich ir- Und wie ich so darüber nachdenke, auch gut angeschnallt. heit Licht anmachen. Keine Ahnung, wa-
gendwas in der Richtung machen muss. was meine Eltern getan hätten, wird mir Aha, steigt in Blankenese aus der Bahn rum ich so bekloppt immer wieder
Ich habe ihm gesagt, dass ich solche Werk- klar, dass sie mich wahrscheinlich doch nie – Blankenese? »MONE LLLEINE MACHEN« brülle
zeuge verachte, und ihn dann darum ge- eingesperrt hätten, ich kann mich an kei- Schicke Nachricht: »Was macht ihr da? auf diesem Tonband, denn mein Vater sagt
beten, sein Telefon zu entsperren. Denn nen Tag Hausarrest erinnern. Es hat halt Wohnungen ausräumen?« ganz ruhig: »Ja, dann mach doch.« Viel-
auch das gehört zu den Regeln bei uns: Gespräche gehagelt, so wie es jetzt hier Er: »Mama. Wir chillen.« leicht hatte ich die Befürchtung, es nicht zu
Privatsphäre. Telefone werden nicht kon- Gespräche hagelt, wenn was krumm ge- Ich: »Warum in Blankenese?« schaffen, diesen magischen Erwachsenen-
trolliert, Telefone sind wie Tagebücher. laufen ist. Er: »Weil es da schön ist?« knopf nicht gedrückt zu kriegen. Auch das
Nun. Jetzt ist es, wie es ist. Für eine Gespräche sind das Allerwichtigste, um Ich: schlechtes Gewissen, weil er auf ist groß werden: sich was trauen, obwohl
festgeschriebene Zeit trägt mein Sohn eine im Kontakt zu bleiben, und doch bin ich St. Pauli aufwächst. das Scheitern immer eingepreist ist.
Art elektronische Fußfessel, die in einem überzeugt davon, dass Erziehung nur in Irgendwann, meistens kurz nachdem Ich sehne den Tag herbei, an dem die
albernen Pinguinkostüm daherkommt. den, sagen wir mal, ersten zwölf Jahren er geklingelt hat, schickt mir die App Zeit der Tracking-App ausläuft, ich hasse
Das Design der App verrät sofort, dass sie Sinn macht, danach werden die kleinen dann: »Kind ist in: Zuhause.« sie. Mein Sohn hasst sie natürlich auch,
für Eltern gemacht ist, die ihren Kindern Menschen groß, drehen sich um und ma- Ach nee, denke ich dann, du blöde einmal die Woche fragt er, wann die Kon-
erstens schon sehr früh Smart­phones oder chen sich auf den Weg durch die Pubertät App, so schlau bin ich auch. sequenz endlich vorbei ist. Und doch gilt
Smartwatches kaufen und die zweitens und in die Selbstbestimmung, und wenn »Na, wie war dein Tag, was hast du so in der gemeinschaftlichen Er­ zie­
hungs­
glauben, dass sie immer irgendwie dabei Eltern es in der doch recht langen Zeit bis gemacht, und was haben denn die anderen arbeit: An Abmachungen muss man sich
sein müssen, vom Spielhäuschen übers dahin richtig gemacht haben, tragen die zu deinen neuen Sneakern gesagt?« verdammt noch mal halten.
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 ENTDECKEN 63

RICHTIG GUTE LEUTE

Alard von Kittlitz


entdeckt: Fokussiertheit
Die Nasa hat einen elf Millionen Kilometer entfernten Asteroiden abgeschossen. Wow!

D
er Vater eines Be- des Balls, der ins Tor klatscht, sei Insgesamt aber lässt mich die ganze
kannten von mir gilt deshalb so beglückend, weil er einen Sache doch wieder über meine eigene
als besonders guter alten Teil von uns an die Parabel­ Spezies staunen, die ganz offensicht-
Jäger, oder zumindest jenes Speers erinnere, mit dem wir lich Exemplare hervorbringt, deren
als erstklassiger Schüt- das fliehende Wild zur Strecke, in Wissen und Technik mir selbst unbe-
ze, ich kenne mich mit den feineren den Topf, in den Bauch brachten. greiflich erscheinen. Ein in elf Millio-
Unterschieden im Waidmännischen Vielleicht freute ich mich deshalb nen Kilometern Entfernung durch die
nicht so aus. Einmal, das berichtete so sehr über den Erfolg der sogenann- Schwärze rasendes, nicht sonderlich
man mir jedenfalls, traf er aus min- ten Dart-Mission: Sie war das schöns- großes Objekt, und wir wissen davon?
destens fünfzig Metern Entfernung te Tor aller Zeiten. Hinzu kommt­ Wie!? Und dann schießen wir das ab,
eine Bache, die gerade in vollem sicher, dass ich für den Erfolg des schicken von unserem schönen Blauen
Lauf durch das Dickicht preschte, Experiments so dankbar bin. Es sollte Planeten ein Konstrukt los, das Mo-

Foto: Lottermann and Fuentes für DIE ZEIT


mitten in ihr Herz. Offenbar war beweisen, dass man einen Asteroiden nate später und ganz genau wie ge-
das ein wirklich meisterhafter per Beschuss aus seiner Bahn werfen plant sein Ziel trifft. Das ist doch, weil
Schuss; irgendwie, finde ich, aber kann. Für den Fall, dass ein solcher es eben überhaupt gar kein Wunder
auch eine lächerliche Leistung, spä- Himmelskörper mal auf die Erde zu- ist, sondern reine Berechnung, eine
testens seit dem 26. September steuern sollte, wissen wir jetzt, dass wir Art Wunder.
nicht mehr der Rede wert, seit die ihn an uns vorbeisteuern, dass wir ihn Unterdessen scheitert dieselbe
Nasa nämlich den über elf Millio- von uns ablenken könnten. Spezies bekanntlich an Dingen, die
nen Kilometer entfernten und bloß Vor dem Szenario einer kollisions- unkomplizierter erscheinen, etwa
160 Meter breiten Asteroiden Di- bedingten Apokalypse hatte ich im- Züge pünktlich kommen lassen oder
morphos abschoss, mitten in sei- mer schon eine grässliche, abgründige antisemitismusfreie Documentas or-
nem selbstherrlichen Flug durch Angst, dank der Nasa aber muss ich ganisieren. Insofern und weil man
die kosmische Unendlichkeit. Plötz­ jetzt nur noch an das Summen eines dieser Tage ja ohnehin eher pessi-
lich, einer unverhofft empfangenen
Schelle gleich, kriegte er diesen
fliegenden Getränkeautomaten den-
ken, um mich gleich zu beruhigen.
mistisch gestimmt auf die Gesamtlage
blickt, hatte dieser Erfolg auch etwas
In dieser Woche freuen wir uns über: Nils Müller
Volltreffer in die Flanke, sauste Das Dart-Experiment hat Hunderte sehr Überraschendes, als würde ein
durch die Finsternis auf ihn ein­ Millionen Dollar gekostet, mancher alter Mann am Rollator plötzlich aus In keinem Alter hat sich für mich so viel verändert wie mit 16. Ich einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall. Die Angst war natürlich
Geschoss herab, »getränkeautoma- fand: Verschwendete Ressourcen, man dem Stand einen Rückwärtssalto lernte die Mutter meiner Tochter kennen, hörte auf, Fleisch zu essen, irrational, trotzdem war ich mir sicher, ich müsse sterben.
tengroß«, wie die Nasa nicht müde hätte das Geld für drängendere Pro- machen oder so; man kann kaum ver- und rutschte in die Bochumer Graffiti-Szene rein. Ein Freund zeigte Nur das Besprühen von Zügen gab mir eine Art Sicherheit. Es ist
wurde zu betonen. bleme ausgeben sollen. Ich sehe das stehen, warum das eine gehen soll, das mir, wie ich Schriftzüge mache, und nahm mich nachts zum Sprühen allerdings illegal. Bei meiner ersten Hausdurchsuchung war mein
Ich glaube, es war Peter Sloter- anders, denn wenn der Planet von so andere aber nicht. Vielleicht eine mit. Mit gefälschten Interrail-Tickets reisten wir durch Europa. Die Opa zu Besuch. Er dachte danach, sein Enkel sei hochkriminell. Er
dijk, der den Reiz des Fußballspiels einem Riesenstein in Stücke ge- Frage für Systemtheoretiker. Mein Sprayer-Szene ist überall und gut vernetzt. wollte mich wieder auf die richtige Bahn bringen, schnitt Zeitungs-
damit zu erklären versuchte, dass es schmettert wird, dann ist beispiels- eigener Verdacht: Die Leute bei der Nie fühlte ich mich freier. Gleichzeitig entwickelte ich eine artikel über den Zürcher Sprayer Harald Naegeli aus und sprach mit
»protoartilleristische« Bedürfnisse weise der Klimawandel auch nur noch Nasa haben sich echt Mühe gegeben. Angststörung. Unter Menschen, in Aufzügen, auf Partys bekam mir über Kunst. Abgelassen vom Sprayen habe ich deswegen nicht.
im Menschen befriedige. Der Flug Makulatur. So lässt sich wirklich was erreichen. ich Panikattacken. Ich saß in Notaufnahmen, dachte, ich hätte Erst vor zehn Jahren gab ich es auf. Als meine Tochter zur Welt kam.

Hier entdecken jede Woche im Wechsel: Francesco Giammarco, Alard von Kittlitz und Anna Mayr Nils Müller, 40, ist Fotograf und betreibt die Galerie »Ruttkowski;68«. Protokoll: Stefanie Witterauf

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64 ENTDECKEN 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

EINE FORTSETZUNG SREPORTAGE AUS DEM WILDEN LAND, IN DEM WIR LEBEN

Die knorrige Platane vorm Bootshaus auf der­ tanzte, gah von mi, gah von mi, ick mag di nich sehn,
Gurlitt-Insel knirscht im Donnerstagmorgenwind, fiderallala.
die Sonne scheint durch gelbe Wolken, zwei Bläss­ Dann kommt Christian an den Tisch, ein­
rallen schimpfen. Wir können es noch nicht wis- bulliger Typ mit Anglerhut um die 50. Er ist Trainer
sen, aber etwas ist anders heute im Ruder-Club im Verein und so was wie die gute Fee der­
Allemannia von 1866. Am Steg steht der Baron Allemannia, sagt man am Tisch. Außerdem ist er
und erwartet die Ankunft seiner Kameraden vom der Ruderkollege von Olaf Scholz, aber dazu ein
Boston-Achter, die mit ihrem Altersschnitt von andermal. »Eure Entschuldigung war echt stark,
über 80 der vielleicht älteste Achter Deutschlands Jungs«, sagt Chris­tian. »Ist richtig gut angekommen.
sind. Der Baron, 83, ist heute an Land geblieben, Macht euch bitte keinen Kopp, und macht euch
immer noch: die Schulter. »Ich war nur im Kraft- bitte ­einen schönen Tag.« Als die Fee den Tisch­
raum, Bauchmuskeltraining«, sagt er, die Augen verlässt, erklärt sich der Achter etwas bedrückt: Am
mit der Hand abschirmend. Dafür kann er jetzt Dienstag haben sie einen Einer versenkt.
die Ankunft des wie immer grazil einschwebenden »Dem Ruderer ist nichts passiert, ein Glück, der
Achters rezensieren. »Schlechte Blattführung«, konnte schwimmen, aber das Geschrei war groß.
murmelt er und ruft hinüber: »Aufrecht, Plags, Sein Ehemann fuhr nebenher, der schrie auch nach
aufrecht!« Plags und die anderen Männer legen an, dem Knall.«
hieven sich und ihr Zedernholzboot an Land, den »Bei uns im Boot wurde aber auch geschrien,
Morgenruderer, schrubben ihn und tragen ihn mit oder was, Baron?«
ernsten Mienen hinein zu The Girl from Ipanema, »Gott sei Dank war das einer aus unserm Club,
Quartiersmann II, Alexander von Humboldt und das wäre sonst alles noch peinlicher. Ein Riss vom
den anderen Booten des Clubs. Dann verschwin- Waschbord bis runter zum Kiel.«
den sie im Duschraum. »Uns hat einer gesteuert, dessen Frau grad ge-
Eine halbe Stunde später, am Frühstückstisch. storben ist, am nächsten Tag war die Beerdigung.
Wo sonst schon vorm ersten Kaffee Wir wollten den mal rausholen.­
Sprüche gefeuert werden, herrscht Hätte man sich denken können, dass
gedämpfte Stimmung. Nach­ein­an­der DIE SERIE der nicht ganz bei der Sache sein
erscheinen Dick, Harald, Fritz-Herr- kann. Und dann die Sonne, ja nun.«
mann. Einer fehlt. Für die Ja nun, der Versenkte bekam eine
»Die haben da was an der Prostata »Disko Deutschland« Flasche Champagner, der Boots-
gefunden, schon wieder.« besuchen Reporterin- bauer, der den ramponierten Einer
»Ich war gestern bei ihm. Scheiße, nen und Reporter Orte behandelt, ein Porträt von sich mit
echt. Will er sofort raushaben da.« in allen Ecken der Zauberstab, gezeichnet von Fritz-
»Man muss auch mal auf die Be­ Republik – und kehren Herrmann. Dafür kann man sich
ratung hören, was der Arzt sagt. Beim regelmäßig dorthin schon mal versenken lassen, oder?
letzten Mal wollte er auch keine zurück. Der Achter ist entrüstet: »Sei mal
Reha.« nicht so vorlaut! Erstens nur im
»Ich hab ihn auch schon ange­ Sommer, und zweitens ist das sau­
rufen. Werden sie schon hinbekommen, oder?« gefähr­lich, wenn dir da einer rein­brettert.«
Der Boston-Achter bittet darum, den Namen Plags sitzt am Rand des Tisches und verfolgt die
des Kameraden nicht in die Zeitung zu schreiben.­ Diskussion schweigend, wie immer. Nur wenn es um
Eigentlich wird sonst am Frühstückstisch wenig Regatten und Bootsbau geht, mischt er sich ein. Plags
darüber gesprochen, dass die Männer hier jeden ist 85 und rollt das R auf diese angenehme nord-
Dienstag und Donnerstag über ihre Lebenserwar- deutsche Weise. Er trägt einen feinen Schnurrbart
tung hinausrudern. Aber wo wir dabei sind: Auch und meist dicke, karierte Baumwollhemden, heute
der große Uwe Seeler ist ja letztens gestorben. Das aber ein weißes Shirt von einem Ruderwettkampf
Foto: Alexandra Polina für DIE ZEIT

ging dem Achter schon nahe. Man kannte sich 1991 in Miami, vorne ein Krokodil, hinten der Satz
vom Golfen und von dem Schlüsselanhänger, den »See you later, Alligator«. Die anderen nennen ihn
Fritz-Herrmann von Seeler zur Konfirmation ge- »unseren internationalen Star«. Er wurde Welt- und
schenkt bekam. Europameister im Deutschland-Achter, nur bei
»Ach, und unsere andern Jungs könnten bald Olympia in Tokio 64 mussten sie sich den Amerika-
im Himmel einen Achter aufmachen.« nern geschlagen geben. »Unser härtester Gegner war
Während sich der Boston-Achter Kaffee ein- eigentlich der sowjetische Achter aus Vilnius, aber
schenkt, wird nachgezählt, wer alles fehlt aus dem die Amerikaner hatten auf der Bahn 1 Windschutz
Boot, das 2000 erstmals bei der namensgebenden vom Ufer her. Ich meine, in a­ llen Bootsklassen hat
Gedrückte Stimmung am Frühstückstisch: Am Dienstag haben sie einen Einer versenkt
Regatta auf dem ­Charles ­River in Boston antrat. die Bahn 1 gewonnen.« Später wurde Plags Trainer
»Barz lebt nicht mehr. Dann Horst ...« in Ratzeburg, all die Medaillen hängen immer noch
»... der ist auch tot. Aber damals war nicht Horst zu Hause im Schrank.
dabei, das war sein Bruder, Jürgen. Aber der ist Plags schaut auf seine zwei Uhren, es ist Zeit für
auch tot.« heute. Er trägt immer zwei, weil er bei Online-­
»Bernie lebt auch nicht mehr. Ecki, und ­Hubert.« Bestellungen so viele gratis dazugeschenkt bekommt,

Hamburg, Ruder-Club
»Haben wir eigentlich mal erzählt, wie eng erzählt der Baron später, er, der Baron, habe auch
unser weißer, schmaler Achter in Boston vorne schon eine abbekommen. Die Ersten verabschieden
war? Ich hab mir hier richtig die Beine kaputt­ sich also, es ist wieder mal sehr viel Käse über.
gehauen.« Zum Abschied noch eine kleine Geschichte.
Und damit schifft der Achter das Gespräch erst Vor ein paar Jahren ruderte der Boston-Achter

Allemannia von 1866


mal wieder in seichtere Gewässer. Aufatmen, Eier- auf seiner Morgenrunde noch bis hoch nach Ohls-
bestellung. Ob man, Herr Kellner, wohl noch einmal dorf. Wenn der große Friedhof auftauchte, war­
so ein wachsweiches Ei bekommen könne wie am teten beim Wenden immer alle, bis jemand sagte:
Dienstag? Aber klar, die Herren. Und schon spricht »Na, Jungs, will einer aussteigen?« Dann fuhren sie
man, wie auch immer das passiert ist, über die Rad- schmunzelnd zurück ins Bootshaus.
dampfer, die nach dem Krieg noch auf der Elbe
In dieser Folge: Dick, Harald, Fritz-Herrmann, der Baron, Plags mit den fuhren. Die Hugo Basedow! Fritz-Herrmann erzählt, Unsere ersten Besuche im Ruder-Club Allemannia
wie er dort auf dem Dampfer für Cola-Schokolade von 1866 und alle bisherigen Folgen finden Sie unter
beiden Uhren und der Achter im Himmel  VON CHRISTOPH FARKAS mit seiner Volkstanzgruppe für die britischen Be­satzer www.zeit.de/diskodeutschland

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Grüne Transformation: Wie gestalten wir den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft?
Fotos: Dellert © Laura Hoffmann; Galvin © Coca-Cola; Lang © Elias Keilhauer; Rittmann © Florian Ziemen

Neben allen anderen Krisen hat dieser Hitze-Sommer auch in Deutschland kann das gelingen? Wie transformieren wir unsere Gesellschaft sozial und
eindrücklich gezeigt: Klima- und Umweltschutz gehören zu den wichtigsten ökologisch verträglich? Seien Sie dabei, wenn wir kurz vor der Weltklima-
Aufgaben unserer Zeit. Um diese Herausforderungen zu erfüllen, müssen konferenz COP27 in Ägypten gemeinsam mit führenden Expert:innen
wir unsere bisherige Art zu wirtschaften, zu produzieren und zu leben ver- diskutieren, wie Unternehmen ihrer Verantwortung nachkommen und die
ändern. Die vielfach geforderte grüne Transformation erfordert schnelles Potenziale neuer Geschäftsmodelle und Klima-Partnerschaften erfolgreich
Umdenken und bietet eine große Chance für die deutsche Wirtschaft. Wie einsetzen.

Der digitale Thementag


mit Impulsen für
mehr Nachhaltigkeit Louisa Dellert Patricia John Galvin Dr. Markus Ricarda Lang Annika
Moderatorin und Espinosa Vorsitzender der Krebber Bundesvorsitzende, Rittmann
am 2. November 2022 Podcasterin Ehemalige Geschäftsführung,
Coca-Cola
Vorstandsvorsitzender, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Pressesprecherin,
Generalsekretärin, RWE AG Fridays for Future
UN-Klimasekretariat Europacific Partners
(UNFCCC) Deutschland GmbH

#ZEITfürKlima Premium-Partner: Partner: Veranstalter:


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DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 ENTDECKEN 65

Heilmann, 28,
Foto: Lottermann and Fuentes für DIE ZEIT

nennt sich
im Internet
Just Lucy

Hausarbeit
Lea Heilmann ist Deutschlands berühmtester Pornostar. Mit Mann und Schwiegervater führt sie ihre Firma in einem fränkischen Dorf  VON ANNABELLE SEUBERT

E
in Vormittag in Franken, seien Männer zwischen 18 und 34.­ die Räumlichkeiten – freie Flächen im Snaps aufnimmt, also kurze Clips, lehnt Sie nennt sich Lucy Cat und macht Social-Media-Kanäle, ihren Namen. Im
die Postbotin klopft an die Manche würden von ihren Nöten und großen Haus, die sie gerade nicht brau- sie sich nach vorn und lutscht an einem weiter. Plötzlich erhält sie Anfragen für Grunde: ihr Gesicht.
Glastür. »Ah, die Bianca ist Beziehungsproblemen erzählen. Einer, chen. Im Obergeschoss stehen noch Dildo oder sagt Dinge wie: »Ich hoffe, dir Exklusivverträge. Sie sitzt in Restaurants Als Nächstes zieht sie für einen »Probe­
da«, sagt Lea Heilmann, der noch Jungfrau sei, schicke ihr regel- Schlag­ zeuge herum, unten hängt eine gefällt das Babyblau.« Oder: »Ich ziehe und hört sich die Angebote von Produ- monat« zu Max. Sie verkauft ihren Haus-
die noch gar nicht so lange mäßig Unterwäsche. Illu­strierte an der Wand, auf der Max als mich jetzt langsam für dich aus.« zenten an, die Steaks für 180 Euro be- rat und ihr Auto, gründet eine GmbH,
in dem Ort bei Würzburg »Benutzt« fühlt sie sich dabei nicht; Kind abgebildet ist – eingerahmt von Selbstverständlich weiß sie, dass ihr stellen. Bald nimmt sie in Kauf, dass von stellt Max als Geschäftsführer ein, weiß:
wohnt, der klein genug ist, im Job laufe alles nach ihren Regeln. den Schlagerstars Marianne und Micha- umsatzstärkster Monat der Dezember ist, ihren Freunden nur die echten bleiben. Die Geschichte wird sich mit ihm nicht
dass jeder jeden kennt. Die Bianca also »Während ja in den Filmen der großen el. Man kenne sich halt in der Musik- »da geben die Leute eh Geld aus«. Oder Bald findet sie ihren Namen mitsamt der wiederholen, da hat sie ein Urvertrauen;
kommt rein und übergibt Lea einen Stapel Firmen die Mädchen oft so zerlegt wer- branche, sagt Max. »Die beiden sind dass ihre umsatzstärkste Tageszeit, nach Adresse ihrer Mutter in einem Online- launcht als Just Lucy – und hat nach einer
Post, wie sie ihn dauernd bekommt.­ den, dass sie nicht mehr wissen, wo oben meine Paten.« dem späten Abend, die Mittagspause ist. Forum, dazu diese Einträge: Man müsse Woche 30.000 Follower.
Autogrammwünsche. Zwölf Briefe, in und unten ist«, sagt Heilmann. Selbst Gegen zwölf Uhr also sitzen die Rö- Trotzdem: Wie sie da, noch nackt, am Heilmanns Mama doch dringend mal Wenn sie heute am Nachmittag zu-
denen frankierte Umschläge und Fotos wenn ihre eigenen Videos eher klassisch ders und Heilmann zusammen und essen Türrahmen lehnt und lässig gestikuliert, Bescheid geben, was ihre Tochter da sammensitzen, Max raucht Pall Mall, Lea
von ihr liegen, Aufnahmen, die sie in seien – Fokus auf die Frau, oral, oben, Spaghetti bolognese und Schokopudding glaubt man ihr schon, wenn sie sagt, all treibt. Oder besser noch: dem Chef der raucht Pall Mall, dann können sie fast
Unterwäsche zeigen oder ohne. Dazu unten, vorne, hinten; niemals sieht man zum Dessert. Anschließend wischt Heil- das sei keine Arbeit, nicht knallhart kal- Mama. nicht glauben, dass alles so gekommen
handgeschriebene Zettel »von Armin«, den Mann bauchnabelaufwärts –, sei mann mit Glasreiniger den Tisch ab, sagt: kuliert, sondern »mehr so natürlich«. Die Und so klingelt sie bei ihrer Mutter ist. Beide sind sich sicher, dass sie heiraten
von »vier treuen Fans« oder von »Tanja doch oder gerade deswegen stets klar, dass »Du hast dich wieder selbst übertroffen, natürlichste Sache der Welt. und läuft die Treppen zum Obergeschoss und Kinder haben werden. Heilmann
und Holger«, sie schreiben: »Du bist die Kontrolle bei ihr liege. »Entschuldige, Rudi« – und zu Max, sobald alle auf­ »Kaffee?«, fragt sie. hoch, mit jeder Stufe wächst die Angst. sagt, mit einem Baby übrigens wolle sie
mega­sexy. Danke für die Inspiration!« dass ich das so sage: Aber ich ficke immer gestanden sind: »Wenn der Vater gleich Ihren ersten Porno, sagt Heilmann, Was soll sie sagen? »Hi, Mama, ich mach aufhören zu drehen. »Jedenfalls für die
Lea Heilmann, 28 Jahre alt und den Mann.« weg ist, mach ich mal meine Sachen.« habe sie mit 13 geguckt. »Und da gleich jetzt Pornos«? ersten zwei Jahre.« Zur Wahrheit gehöre
Porno­star, sitzt in Jeans und Sweatshirt an Heilmann schiebt den Aschenbecher Für einen Moment dann legt sich Be- einen Gangbang. Ich dachte, was geht Sie sagt es schließlich im Singular, als nur auch, dass sie sich mit ihrem Lebens-
einem Glastisch, eingerahmt von Vitri- zur Seite; sie merkt erst gar nicht, dass klemmung über die Szene. Die Deut- denn hier ab?« sei es ein Ausrutscher gewesen: »Mama, lauf »nicht so easy« außerhalb ihrer Bran-
nen, Kisten, einem Staubsauger und wieder jemand an der Glastür steht. Ein schen mögen Weltmeister im Porno­ In Rostock, sagt sie, sei sie fast nur bei ich hab einen Porno gedreht.« Und ihre che bewerben könne.
Hundefutter, und unterschreibt Abzug Mann diesmal, er trägt Käppi und gucken sein (64 Millionen Pornhub-Auf- ihrer Mutter aufgewachsen. Nach dem Mutter, erinnert sich Heilmann, steht Max sagt, als sie noch 450 Kilometer
um Abzug. Der Edding quietscht, die schirmt die Augen mit seinen Händen ab, rufe pro Tag). Aber darüber reden – lieber Abi habe sie angefangen, Logistik zu stu- auf, schenkt sich einen Schnaps ein, voneinander entfernt gewohnt haben
Motive sieht sie sich kaum an. »Da hatte damit er besser reingucken kann. Ein nicht. Nicht einmal bei den Herstellern, dieren. Ihre Zukunft stellt sie sich damals trinkt ihn ex und nimmt sie in den Arm. und er wusste, dass die Lucy jetzt dreht,
ich noch keine Brüste«, sagt sie nur ein- Lucy-Fan offenbar. »So was kommt oft im fränkischen Kleinbetrieb. Anderer- noch so vor, dass sie »in einem Kostüm- »Also schaffe ich auch den Rest der sei das schwierig für ihn gewesen. Schon
mal. »Und das war halt Advent« – bei vor«, sagt sie und sieht nicht hin, als ihr seits: Wer zieht sich schon gerne vor sei- chen am Hafen Import-Export machen« Familie«, glaubt sie. Aber als sie mit ihrem das »G’schmarr« seiner Freunde: »Max,
dem Foto, auf dem sie eine brennende Freund, »der Max«, den Fremden vom nem potenziellen Schwiegervater aus? wird. Dann aber verliert sie ihren Neben- Vater und ihren Großeltern dasitzt und willst’ mich verarschen? Mit so einer?«
Kerze im Po hat. Aber heute? Wo sogar Polizisten auf
Lea Heilmann kennt man in der gan- der Straße um Autogramme von Lucy
zen Welt. Unter Lucy Cat, ihrem alten
Künstlernamen, oder Just Lucy, ihrem Ein Mann guckt durch die Glastür, ein Fan offenbar bitten? Außerdem kriege er ja jetzt mit,
wie ihre Sexvideos entstehen. »Da geht’s
neuen. Als meistgesuchte deutsche Dar- drum, ob die Farben stimmen, ob die
stellerin auf der Website Pornhub wird Haut schön ist. Das macht null an.«
sie, wohl weil sie »blond ist und Rundun- Gelände vertreibt. Als er wiederkommt, Heilmann geht also hoch in eines ihrer job als Kellnerin, plötzlich fehlen ihr die versucht, ruhig zu atmen, läuft alles Manchmal würden die beiden vorm
gen hat«, wie sie selbst sagt, gern mit sagt der Max: »Wir hatten hier auch Studios, die Max und sie selbst gebaut 400 Euro im Monat für die Miete. Statt- schief. »Komplett aus dem Ruder.« Bei Fernseher liegen und gemeinsam darüber
Dolly­Buster oder Gina Wild verglichen – schon einen, der ist aufs Dach geklettert.« haben. In das »Schlafzimmerszenario« dessen hat sie Zeit, mit der sie nichts an- Familienfeiern würden ihre Großeltern lachen, was die User so schreiben.
bei deren Autogrammstunden Männer in Angst mache ihr das nicht, sagt Lucy, oder das »Wohnzimmerszenario«, mit zufangen weiß. Außerdem will sie, die noch heute sagen: »Unsere Enkelin, die »Für mich war das logisch, dass ich
Videotheken einst Schlange standen. Nur sie habe schließlich »die Jungs«. Den weißem Laminat und Kamin-Attrappe. immer brav war, endlich etwas tun, »was arbeitet halt irgendwas.« Ihr Vater möchte meiner Freundin helfe«, sagt er. Sie sagt:
dass Pornostars damals langfristige Ver- Max und seinen Vater, der jeden Mittag Sie zieht sich babyblaue Unterwäsche an, moralisch nicht akzeptabel ist«. keinen Kontakt mehr. »Die Menschen behandeln Sex wie den
träge mit den Produzenten hatten. Die drüben in der Küche seine Einkäufe ab- richtet Ringlicht und Smartphone auf Mit 19 filmt sie sich mit einem Kum- 2015 dann führen Lucy Cats Pornos heiligen Gral.« Als sei er niemals profaner
Sternchen von heute werden eher herum- und den Herd anstellt. Man muss sich sich, nimmt den Selbstauslöser in die pel im Studentenwohnheim beim Sex die Hitlisten der Amateurportale an. Heil- als die Verschmelzung zweier Seelen.
gereicht, von Dreh zu Dreh und Firma zu das Ganze als bayerisches Familienunter- Hand und hält die Brust raus, das Haar und lädt das Video auf mydirtyhobby.de mann und ihr Kumpel fühlen sich unbe- Später werden sie beide noch eine
Firma. Oder sie wagen sich, wie Heil- nehmen vorstellen: Da ist Max, Maximi- nach vorne, den Mund leicht geöffnet, hoch, das damals, 2014, die erfolgreichste siegbar mit ihrer GbR. Bis nach und nach »Masturbationsanleitung mit Schwänger-
mann, in die Selbstständigkeit. lian Röder, der in der Gegend geboren klick, klick. Kurz checken, wie die Bilder Website für Amateurpornografie ist. Der die Streitigkeiten beginnen. Zieh das an, mich-Fantasie« drehen, oben im Wohn-
Selbstbestimmung, davon spricht sie und schon zu Schulzeiten der bunte geworden sind, »schon ganz gut«, Kopf Film bringt ihr 400 Euro in einer Woche. mach das. – Ich ziehe an, was ich will. zimmerszenario. Lucy wird sich in Unter-
oft. Sie allein wolle festlegen, was sie­ Hund im Ort war, ein »Tausendsassa«, so leicht drehen, Blick lasziver, dann »noch Ihr Video, sagt Heilmann, ging in 2019 lernt sie »den Max« kennen, bei wäsche auf dem Ledersessel räkeln, und
mache und mit wem. »Ohne irgendeinen sagt er, der eine Firma nach der anderen den Schlüpper aus« für den paid content. Rostock rum »wie ein Lauffeuer«. Ihr einer Kampagne für Outdoor-Klamot- Max wird Kaugummi kauen. Er wird mit
Typen«, der ihr reinredet oder zu viel von gegründet hat. Jetzt dreht er Lucys Filme Heilmanns Werbekanäle sind die einer Facebook-Postfach explodierte, »mein ten. Sie modelt für die Marke, er küm- der Kamera ganz nah an sie rangehen,
ihr will. und erledigt ihren Bürokram. Haupt­ Influencerin: Snapchat, Twitter, Facebook, Telefon stand nicht mehr still«. Und alle mert sich ums Merchandising. Für den und sie wird irgendwann ihren BH auf
Heilmann packt die Briefe weg und beruflich ist er Designer, Erfinder der Reddit, Telegram und Instagram. Mindes- hätten dasselbe gesagt: »O mein Gott, Job machen sie Raftingtouren und wan- ihn werfen. »Hey, Schatz, dein Arbeitstag
öffnet ihre digitale Post auf fancentro.com, Luxusmarke Max Macchina: Leder­ tens alle drei Tage postet sie ein neues hast du das gesehen? Da ist ein Video von dern durch die Alpen, nebenbei reden sie war sicher stressig. Aber ich hab mir neue
wo die User für ihre Videos bezahlen – jacken zum Stückpreis von 2000 bis Foto, auf Instagram in Unter­wäsche, weil dir!« – »O Gott, das tut mir so leid, das über Tiefsinniges. »Über Religion.« – Unterwäsche gekauft und noch nie die
39,95 Euro für das umfangreichste Mo- 20.000 Euro verkauft er. Ein paar seiner Brüste zeigen dort nicht e­rlaubt ist, auf hat bestimmt ein Ex-Freund von dir ins »Über Spiritualität.« Pille für dich vergessen ...«
natsabo, inklusive Chat. Vorm Schlafen- Python- und Krokodilmodelle stehen im Twitter oben ohne, da sind die Richtlinien Netz gestellt!« Im Herbst ist Heilmann frisch ver- »Halt, stopp«, wird Max da rufen und
gehen hat sie die letzten Nachrichten be- Showroom am Eingang. lockerer. Pro Post, sagt Heilmann, bekom- Damals denkt sie: »Scheiße, was hast liebt. Als ihr Kumpel, jetzt eher Ge- hoch zur Decke zeigen, wo irgendetwas
antwortet, jetzt sind 49 neue da. »Wie Max’ Vater ist seit 30 Jahren bei der me sie etwa 1000 neue Follower, aus denen du da bloß gemacht?« Und schließt sich schäftspartner, einen neuen Vertrag auf- brummt, immer lauter und näher. »Wir
hat’s dir gefallen?«, tippt sie an Daniel21 CSU und im Gemeinderat. Bis in die Kunden werden könnten. ein Wochenende lang in ihrem Zimmer setzt, achtet sie nicht aufs Kleinge­druckte. müssen warten, bis der Hubschrauber
oder xxtom114, weil Fragen das Gespräch Achtziger war er Keyboarder und mit Auf Snapchat zum Beispiel kann man ein. Dann wird sie sauer. Warum sehen 2020 landen ihre Kämpfe vor Gericht. vorbei ist.«
am Laufen halten. So pflegt sie ihren Bands auf Tour. Von Max’ Eltern, die ein Just Lucy dann für 24 Euro im Monat sie eigentlich alle als Opfer? Warum glau- Heilmanns Marke Lucy Cat ist nun seine.
Kundenstamm: Die meisten, sagt sie, Musikgeschäft betrieben haben, kommen abonnieren. Und wenn Heilmann ihre ben alle, sie habe das nicht gewollt? Sie verliert ihre Website an ihn, ihre­ www.zeit.de/vorgelesen
66 REISE 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

DIE R ESORTS

Kurumba Maldives
In der Chill Out Kandu Bar
gibt es durchaus auch Drinks
mit Alkohol. Das Hotel bietet
Boot-Safaris zu den Delfinen.
Die günstigsten Zimmer
liegen bei etwa 300 Euro.

Sheraton Full Moon


Gewissensgeplagte Gäste
können hier eine Koralle
adoptieren. Auf einer eigenen
Insel liegt das Shine Spa.
Water Bungalows in der
Nebensaison ab 940 Euro.

Foto: Universal Resorts Maldives


Ab und an hört man einen Vogel in der genau richtigen Lautstärke: Das Resort auf Kurumba

Wir waren noch mal im Paradies


Vor 50 Jahren kamen die ersten Touristen auf die Malediven. Ein Besuch zum Jubiläum  VON AMONTE SCHRÖDER-JÜRSS

H
eiliger Koran«. »Hol- kanadisches Pärchen am Pier der Flug­ öffnete, als erstes Resort auf den Maledi- mals um 4.30 Uhr aufgestanden, um das und ich suchen immer mal wieder jeman- gespitzten Lippen für die Kamera im
lywood«. »Kinderfil- hafeninsel: »Zu viele Hochhäuser, die ven. Damals gehörte der Archipel zu den Frühstück vorzubereiten.« Aus einem al- den zum Volleyballspielen.« »Honeymoon Garden«. Außerdem ver-
me«. Für meinen Flug hohe Arbeitslosigkeit, die Scharia.« Dann ärmsten Ländern der Welt. Heute ist es ten englischen Kochbuch habe er gelernt, fügt das Hotel über sechs Restaurants,
auf die Malediven klettern wir gemeinsam auf die Fähre zu eines der reichsten im südlichen Asien. wie man Pasta koche. Als die Gäste nach den obligatorischen Außenpool sowie
werden bei Qatar Air- unserem Sterne-Resort. Es hat sich gelohnt, von Anfang an nur »aqua minerale« fragten, schickte Maniku Riechen ­ein Tauchcenter. Man kann Schnorchel­
ways drei Optionen um die Reichen zu werben. Ihnen Refu- einen Angestellten nach Malé, um he- touren machen, Delfine gucken oder
angeboten. Ich neh- gien zu bauen, seemeilenweit weg von rauszufinden, was denn das überhaupt Um uns herum glitzert das Wasser. Die dem Korallenschutzprogramm beim Ko-
me »Hollywood«. Die Flugbegleiterin Sehen der Wirklichkeit. »Wir waren auf den sei. Und so kam es, dass bis heute auf denLuft riecht nach Lavendel und Insekten- rallenschützen zusehen. Gut zu wissen für
strahlt mich an: »Und, waren Sie in Doha Malediven«, das ist ein Statement: Wir Malediven viel San Pellegrino ausge- schutz. Der Duft von Kokosreis weht­ den Fall, dass ich je wiederkomme. Auf
shoppen?«, fragt sie. Wir schauen beide Das Erste, was wir von Kurumba sehen, waren im Paradies. Wir können uns das schenkt wird. herüber. Ich greife zur falschen Gabel. Da der Insel sind alle paar Meter Haltestellen
auf meine fleckigen Schuhe, den Ruck- ist ein weißer Holzsteg in der Ferne – leisten. Am 3. Oktober 1972 öffnete Kurum- ich allein reise, sitzt mir Koki gegenüber, für die Minibusse verteilt. Man kann sich
sack, die rote Häkelbauchtasche aus Me- mit winkenden Angestellten als Begrü- ba offiziell seine Türen – und war sofort meine persönliche Betreuerin. »Wir hat- fast nahtlos vom Liegestuhl zum Früh-
xiko. Ich blicke aus dem Fenster, um den ßungskomitee. Die Insel ist mit dem für den Rest des Jahres ausgebucht. »Wir ten schon mal einen allein reisenden Gast stückstisch fahren lassen. Was viele Gäste
Fußball-WM-Spot nicht sehen zu müs- Boot nur 15 Minuten vom Flughafen Hören haben alles ohne die Hilfe der Regierung auf Kurumba«, verrät sie mir. Eine junge in Anspruch nehmen.
sen, der über meinen Bildschirm flirrt entfernt. Das ist ein großer Pluspunkt geschafft«, sagt Maniku. »Aus eigener Frau aus Indonesien. »Das war vor vielen Dass auch die Angestellten hier woh-
und den man nicht skippen kann. Auch des Resorts, das sich im mittleren Preis- Es ist ruhig auf Kurumba, gerade laut Kraft.« Er faltet die Hände. »Jetzt verleiht
Jahren.« nen, bekommt man als Urlauber kaum
nicht, wenn man »Heiliger Koran« wählt. segment bewegt und eher für Familien genug, um nicht still zu sein. Ab und an uns der Staat ständig irgendwelche Koki stammt aus Sri Lanka. Wie der mit. In den meisten Resorts gibt es ein
Noch im Flugzeug ploppen die ersten als für Paare im Liebesrausch geeignet hört man einen Vogel, in genau der rich- Awards.« Hinter ihm im Regal stehen sil- Koch, der Kellner und der Mocktails mi- kleines Haus für sie, irgendwo abseits
WhatsApp-Nachrichten auf. ist. Ich, weder Paar noch Familie, bin die tigen Lautstärke. Ich schalte Fleetwood berne und goldglänzende Auszeichnun- xende Barmann. Sie seien besser ausgebil- der Wege, hinter Pflanzen versteckt. Da
Mutter: »Du bist enterbt. Ein Lang- Einzige, die dem Personal zurückwinkt. Mac an und übertöne den Nachmittag. gen für »Bester Service«, »Beste Küche«, det als die Einheimischen, sprächen ein teilen sie sich Zimmer, die kleiner sind
streckenflug für sechs Tage.« Wir bekommen jeder ein feuchtes »Wissen Sie, ich habe diese Geschichte »Bestes SPA«, »Bestes Hotel«. besseres Englisch, erklärt sie. Koki ist 35 als das Bad in manchem Touristenbun-
Vater: »Wir wollten immer schon mal Handtuch, gereicht auf einem Bambus- schon so oft erzählt«, sagt Mohamed In einem Land, das fast ganz vom und seit drei Jahren verheiratet. Ihr Mann galow. »Corona war eine schöne Zeit«,
auf die Malediven. Weil es die ja nicht ständer. Umar Maniku zwei Stunden später und Tourismus lebt, sind die Resortbesitzer lebt noch immer in Sri Lanka. Alle paar hat mir eine Angestellte erzählt. Da­
mehr so lange geben wird.« Die Ränder von Kurumba sind aus- nippt an einem Zitronenwasser. »Vorsit- mächtige Leute. Der Tourismus auf den Monate sehen sie sich für eine kurze Zeit. kamen keine Besucher auf die Maledi-
Ich: »Es ist ein Arbeitsauftrag. Die gefranst und müde vom Kampf gegen zender von Universal Enterprises und Malediven ist 50 geworden. Ob er denn Damit ich nicht allein essen muss, ven, die 800 Dollar teuren Overwater-
Malediven werden 50.« das Meer. Die Form erinnert an eine Gründer von Kurumba Maldives« steht auch 100 wird? »Nun, jetzt werden an­ nimmt Koki ein paar Bissen von der Mee- Villen und 2000 Dollar teuren Water-
Vom Malé International Airport legen treibende Steinfrucht. Zwischen Palmen- in großen Buchstaben auf der Visitenkarte dere Generationen übernehmen.« Ein resfrüchteplatte, die zwischen uns steht. Suites blieben leer. Drei Monate lang
kleine Fähren ab, die Reisende zu den vorhängen windet sich ein Pfad durch des 75-Jährigen. »Wir wussten nichts kleines Lächeln. Nie zuvor habe ich einen Menschen aus hatten die Mitarbeiter und Mitarbei­
verstreuten weißen Punkten im Indischen einen verblühten Orchideengarten, vor- über Tourismus«, sagt er. »Wir hatten Höflichkeit Hummer essen sehen. Sie ar- terinnen das Resort für sich allein. Sie
Ozean schippern. Zuckersand wird durch bei am Perlmuttleuchten des Infinity- keine Infrastruktur, keine Banken, keine beitet jetzt schon seit 13 Stunden. Ich feierten nachts an den Stränden, tranken
meine Hände rieseln, meine Füße werden Pools, dem wasserfallplätschernden Spa- Telefone.« Schmecken schäme mich ein wenig dafür, dass ich ihr Cocktails, schwammen im Meer.
im cyanblauen Wasser schrumpeln. Ist Bereich, acht Restaurants, einem ver­ Vor mehr als 50 Jahren traf Maniku, den Abend raube. Dann schwimmt ein »Wir waren auf den Malediven« – da-
das Paradies nicht immer mit dem Sün- gessenen Tennisplatz und endlos in den als junger Student, auf den Reiseveran- Zwischen Kokosnuss und Drachenfrüch- Babyhai vorbei, und alles ist gut. mit endet auch schon mancher Bericht
denfall verbunden? Ozean ragenden Sandbänken. Vor mei- stalter George Corbin. Für seine italieni- ten, Honig-Crêpes und gestocktem von Leuten, die da waren. Inzwischen
Es pulsiert in den überfüllten Straßen ner Veranda ziehen regenbogenartige sche Kundschaft war dieser immer auf Rührei watscheln Kinder mit straff ge- kann ich mir denken, warum: Im Paradies
von Malé, der Hauptstadt der Maledi- Fischschwärme vorbei. Eine Glastür der Suche nach neuen Paradiesen. Nach spanntem Gucci-Logo über den kleinen Fühlen ist jeder Tag so perfekt wie der andere.
ven. Bum, bum. Hier pocht das politi- trennt mich von einem Himmelbett, seinem ersten Besuch auf den Malediven Bäuchen. Dazwischen funkelt freundlich Aber sind es nicht genau jene Erinnerun-
sche, wirtschaftliche und kulturelle Herz. dem eigenen Strandzugang und dem 1971 beschloss Corbin wiederzukehren: Philipp-Plein-Strass. Springt man ins Meine Hände fahren durchs Wasser und gen, in denen etwas anders lief als geplant,
Stockt in den Krankenhäusern und Be- immerzu flüsternden Wasser. mit italienischen Probegästen. Wasser, springt man durch alle Farben: ziehen einen Kreis. Ich drehe mich, »Oh- die einen Urlaub unvergesslich machen?
hörden, rast in den behelfsmäßigen Zum Sterne-all-inclusive-Niveau ge- Die Besucher, die anreisten, waren Grün, Grau, Blau, dann die Farbe der oh-oh, you’ll know« singen Fleetwood Erinnerungen wie: »Weißt du noch, als
Wohnungen, den Schulen. hören auch Flipflops, die hübsch verpackt hauptsächlich Journalisten und Fotogra- Luft. Die Luft schmeckt nach einem Mac, ich drehe mich. Die Sonne strahlt. wir mit dem Auto liegen geblieben sind
Malé ist eigentlich viel zu groß für die auf meinem Bett liegen. Schuhgröße 43. fen. Um zu dem Resort zu gelangen, Hauch mehr Zuversicht, das Wasser nach Ich fühle mich großartig. Ich bin nackt und uns eine Herde Merinoschafe nach
Insel, auf der es sich ballt. Aber es gibt ja Nach knapp einer Stunde habe ich Ku- mussten sie aus dem Boot steigen und langen Sonnenstrahlen. Jede Welle bringt und auf Furanafushi Island. Nackt, weil Hause führte?«, »… als wir im Zug ein-
auch keine andere Stadt auf den übrigen rumba umrundet. Vermutlich würde das durch das Wasser waten. 30 kleine Häu- eine Prise Salz mit sich. Taucht man­ mich ein Sichtschutz in meinem Meer- schliefen und in Bari aufwachten?«.
1200 Inseln des Archipels. Meist wohnen schneller gehen, trüge man dabei nicht ser aus Korallenstein empfingen sie. Mit unter, schmeckt man Zweifel. Auf den wasserpool von den anderen Villen ab- Füße gleiten durch das Wasser, Hände
die Menschen auf den Malediven säuber- fünf Nummern zu große Schuhe. Dächern aus Kokospalmenholz und einer Malediven erlebt man das Vorhersehbare. schirmt. Das Sheraton Maldives Full zerteilen die Wellen in Schaumstücke.
lich getrennt: hier die Touristen und ein Vorbei an Sandbänken und wind- Brackwasserdusche. Eine Inszenierung des Garten Eden: hier Moon Resort ist mit der Fähre nur wenige Auf dem Handtuch hat sich eine kleine
paar Angestellte auf ihren Resortinseln, schiefen Palmen. Kurumba bedeutet in »Die Italiener haben sogar ihr eigenes etwas Sandstrand, da etwas Geschaukel, Minuten von Kurumba entfernt. Ich be- Salzkruste gebildet. Ich springe wieder
dort die Malediver auf ihren Dorfinseln. der Landessprache Dhivehi »Kokosnuss«. Essen mitgebracht«, erinnert sich Mani- kein Getier – außer Anemonenfischen, ziehe hier meinen eigenen Bungalow, auf ins Wasser, springe durch alle Farben:
Das ist politisch gewollt – ohne Kontakt Und eine Kokosplantage inmitten des ku. Seine Stimme wird fröhlicher: »Spa- Mantas und Babyriffhaien. Ich fühle Pfählen im Wasser erbaut. Das Telefon Grün, Grau, Blau, durch alle Schichten,
kein Kulturschock. In Malé wäre der Indischen Ozeans, genau das war diese ghetti und Tomaten. Wir hatten ja nichts mich allein. Aus Verzweiflung esse ich zu klingelt, ob ich denn zufrieden sei. »Oh- drei, zwei, eins, dann die Farbe der Luft.
möglich; doch das Interesse hält sich in Insel, die eigentlich Vihamanaafushi außer Fisch und Kokosnüssen.« Er selbst Abend mit der französischen Lufthansa- oh-oh, you’ll know.« Und fühle mich viel zu wohl an diesem
Grenzen. Die Hauptstadtinsel könne heißt – »Insel ohne giftige Pflanzen«. Bis habe gekocht, geputzt, gewaschen und Crew. Der Kapitän gibt mir seinen Das Sheraton bietet Gästen eine eigene Ort, an dem Milch und Honig ins­
man sich schenken, versichert mir ein am 3. Oktober 1972 Kurumba Maldives Angelausflüge organisiert. »Ich bin da- WhatsApp-Kontakt: »Meine Freundin Spa-Insel, abends küssen sich Paare mit Wasser fließen.
DIE ZEIT N o 41 6. Oktober 2022 REISE 67

Größter anzunehmender Urlaub


Abschalten oder doch weiterlaufen lassen? Wer eine Antwort auf diese drängende Frage sucht, sollte in Kalkar am Niederrhein das einzige
Atomkraftwerk der Welt besuchen, das heute ein Freizeitpark ist  VON SEBASTIAN DALKOWSKI

A
ls sich der erste Tag im sondern als Hotel, Restaurant oder Theater. der Reaktor, nun ist es ein außer Kontrolle
Wunderland dem Ende Nur für das eigentliche Reaktorgebäude hat geratener Kegelclub, dessen Mitglieder
neigt, entscheide ich, dass der Betreiber keine Verwendung gefunden. T-Shirts mit der Aufschrift »Einer steht
es Zeit für einen Perspek- Nachdem er alles zu Geld gemacht hatte, immer« tragen. Man kann das Fortschritt
tivwechsel ist. Da steht was sich dort zu Geld machen ließ, blieb es nennen. In den Hotelinfos lese ich, dass
das Kettenkarussell in der nackt stehen. Männergruppen zwischen 250 und 500
Mitte des Kühlturms, der Auch mehr als 20 Jahre nach der Eröff- Euro Kaution hinterlegen müssen. Das
nie etwas gekühlt hat, und nachdem ich nung des Wunderlandes sieht es auf dem leuchtet ein angesichts von Leuten, die
darauf Platz genommen habe, trägt es uns Gelände noch immer stark nach Fabrik aus. auch zu später Stunde noch bereit sind, ein
alle dem Himmel entgegen, weg von­ Mein Zimmer liegt in einem früheren Ver- Wettrennen durch ein Kinderklettergerüst
Fritteusenfettgeruch, Softeis-Schlieren und waltungsgebäude, und so nüchtern wirkt es zu veranstalten.
verkaterten Kegelbrüdern. Zuerst sehe ich auch. Als ich am Samstagmorgen durchs Auf der Kneipenstraße ist freitags und
nur die nackte graue Betonwand an mir Fenster schaue, sehe ich den fast noch leeren samstags schon gegen 21 Uhr eine Menge
vorbeirasen. Dann hebt mich das Karussell Parkplatz, mehrere Fußballfelder groß. Ich los. Es ist nicht wirklich eine Straße, mehr
über den Kühlturmrand hinaus, und um gehe in Kernie’s Familienpark und bin der ein langer Kellerflur mit mehreren Lokalen,
mich herum kreiselt der Niederrhein. erste Besucher an diesem kühlen Früh- Bowling- und Kegelbahnen. Wo einmal das
Rapsfelder, Wiesen, ein paar sanfte Hügel, herbsttag. Eine Weile sehe ich den leeren Kontrollzentrum war, wird heute Kontroll-
Dörfer mit Kirchtürmen und dahinter der Kanus der Wildwasserbahn freudig-melan- verlust angestrebt. Die Gläser hier sind
Rhein. cholisch dabei zu, wie sie sich ins Wasser nicht ohne Grund aus Plastik.
Irgendwo schräg unter mir liegt Kalkar, stürzen. Dann setze ich mich in die Achter- Im Weinkeller am Ende des Ganges
eine hübsche, mittelalterliche Kleinstadt bahn und brettere allein über die Schienen, spielt ein Alleinunterhalter Schlager, sein
nicht weit von der Grenze zu den Nieder- vier Runden lang. Beim Ausstieg frage ich Key­ board sieht aus wie etwas, das bei
landen. Ich bin an diesem Wochenende im den Mitarbeiter an den Knöpfen, ob er jeden Raumschiff En­ter­prise durch die Luft fliegt.
anderen Kalkar, dem schnellen Brüter, dem Besucher so viele Runden fahren lasse. »Dat Die Leute hängen in ihren Sesseln und­
bundesdeutschen Angst­ort der Vorwende- is so, wie ich möchte«, sagt er. singen mit. Männer fortgeschrittenen Alters
zeit. Dem Kalkar, das Atomkraftgegner Ich schlendere durch den Park, der mir tragen kurze Hemden, die am Bauch span-
»verhindern« wollten und dann auch ver- übersichtlich groß erscheint, die Attraktio- nen. Ein älterer Typ mit schwarzem T-Shirt
hindert haben; der Reaktor ging niemals nen mäßig attraktiv und in die Jahre ge- und spitz zulaufenden Lederschuhen tanzt
ans Netz. kommen. Aber er steht ja nicht für mich enthemmt eine junge Frau an, die lieber zur
Da steht er nun sinnlos in der Land- hier, sondern für die Kinder. Für sie ist das Theke flüchtet.
schaft, im Ortsteil Hönnepel. Doch für wohl eine bunte Mischung aus Riesenspiel- Senioren fordern Seniorinnen zum
einen lost ­place geht es hier sehr lebendig platz und Kirmes samt Pommes, Softeis Disco­ fox auf. Für mich hat es was von­
zu. Denn seit 1995 gehört das A ­ real dem und Limo. »Mach, was du möchtest«, sagt einem Aufstand, wie sie über die Tanzfläche
niederländischen Unternehmer Hennie ein Opa zur Enkelin. Das sind Sätze, die ein rotieren. Gegen das Alter. Gegen die ur-
van der Most. Er machte daraus das »Wun- Kind hören will. sprünglich freudlose Bestimmung dieses
derland Kalkar«. Dazu gehören sechs Ho- Während ich den Menschen beim Sich- Ortes. Ich denke an meine Eltern und wie
tels mit 1000 Betten, ein Tagungszentrum, Vergnügen zuschaue, vergesse ich einiger- stolz ich immer bin, wenn ich sie tanzen
Messehallen und Kernie’s Familienpark. maßen, dass hier eigentlich ein Atomkraft- sehe. Es läuft ein Song der Flippers. »Wir
Vom Ort der maximalen Sorge zu einer werk steht. Und doch schlummert in dieser sagen danke schön, 40 Jahre Die Flippers.
Stätte der maximalen Sorglosigkeit – mehr Ruine der Kernenergie noch so viel Tech- Was wär’n wir ohne unsre Freunde, ohne
kann man von einer Umnutzung nicht nikgläubigkeit, dass einem bis heute bang euch, die lieben Fans.«
verlangen. werden kann. Ich sag’s nicht gern, aber »die lieben
Ich bin in der Region aufgewachsen Im ehemaligen Notstrom-Dieselgebäude, Fans«, das fasst mich an. An einem Ort,
und komme doch erst jetzt auf die Idee, die Wände sind bis zu zwei Meter dick, ist den niemand von uns hätte betreten dür-
diese skurrile Anlage zu besuchen. Deutsch- das Brütermuseum untergebracht. Ich habe fen, wirbelt nun Ulla mit Klaus über den
land diskutiert ja gerade auch wieder über gleich das Gefühl, wieder in den Siebziger- Kellerboden. Um 0.30 Uhr Keyboardsolo.
Kernkraft, ob die eine Lösung sein könnte jahren zu sein, die Luft war damals ­sicher Im Treppenhaus klebt längst der Boden.
– um den Klimawandel zu bremsen und dieselbe. »Ich komme mir vor wie in ’nem Draußen an der frischen Luft ruft eine
nicht länger erpressbar zu sein beim Import Hitler-Museum«, sagt eine Frau. Zu sehen Frau: »Das ist ja wohl ekelhaft, wir haben
Foto: Max Slobodda für DIE ZEIT

von Gas oder Öl. Laufzeitverlängerungen sind Maschinen von damals und ein Modell hier Toiletten!« Von ihr abgewandt – das
werden erwogen, stillgelegte Reaktoren auf des Atomkraftwerks. Die Schau­tafeln müs- immerhin – steht ein Mann, der aufs Pflas-
Betriebstauglichkeit überprüft. Der schnel- sen Jahrzehnte alt sein. »Seht her, wäre­ ter pinkelt. »Das ist nur Wasser«, verteidigt
le Brüter war in den Achtzigern das ehr- super geworden«, flüstern sie einem zu, wie ihn einer.
geizigste Atomprojekt. Er sollte mehr spalt- aus einer anderen Welt. Tschernobyl taucht »Energy Factory« nennt sich das Wunder­
bares Material produzieren als verbrauchen, nur an einer Stelle auf, die Proteste spielen land in Anspielung auf seine ursprüngliche
ein Perpetuum mobile der Energiewirt- auch keine Rolle, dabei würde es diesen Bestimmung. Doch als ich am Sonntag­
schaft. Vielleicht ist dies ja der passende Das Kettenkarussell im ehemaligen Kühlturm Park ohne sie wohl gar nicht geben. In der vormittag unterm Zeltdach am Kühlturm
Ort, um sich dem Thema zu nähern. Kinderabteilung finden sich Sätze wie hocke und in den strömenden Regen
Der Niederrhein ist flaches, weites »Uran­erz – echt super!«. Ein Mitbegründer schaue, fühle ich davon nicht so viel. Die
Land, das Atomkraftwerk sehe ich schon des Museums, früherer Abteilungsleiter im Männergruppen schleichen wie Geschlage-
von Weitem. Wie ein Koloss, der irgend- AKW, beklagte mal in der Lokalzeitung, ne vom Hotel in ihre Shuttle-Busse. Zwei
wann vom Himmel auf Rübenäcker und dass das Museum von den Besuchern zu Tage unbegrenzt feiern und futtern steckt
Kuhweiden gefallen sein muss, taucht es wenig beachtet werde. Ich verlasse das­ niemand so einfach weg. Aber dann denke
am Horizont auf. Es sind riesige Gebäude Gebäude mit einem Gruseln. ich wieder an die tanzenden Rentner im
aus Stahl und Beton, nur der Kühlturm mit Erst nach Einbruch der Dunkelheit zeigt Weinkeller. Oder an das ältere Paar, das sich
seinem aufgemalten Bergpanorama macht sich, in welchem Ausmaß die Bürger das am Samstagabend in ebendiesem Wein­
einen einigermaßen freundlichen Ein- W U N DE R L A N D K A LK A R Gelände schon zurückerobert haben. Tags- keller zum ersten Mal küsste, jedenfalls sah
druck. 250.000 Kubikmeter Beton hatte über sollen sich im Park die Familien amü- es so rührend ungelenk aus. Sie gingen
man hier einst verbaut und 6000 Kilometer sieren, nachts auf der Kneipenstraße die dann nach draußen vor die Tür, machten in
Kabel verlegt für zwölf Gebäude mit 1700 Anreise und Übernachtung Literatur Tresenfußballmannschaften und Junggesel­ erregter Unvertrautheit weiter, jetzt mit
Räumen. Sie stehen alle noch da, von au- Das Wunderland Kalkar liegt an der Griether Straße Der nahe dem Atomkraftwerk aufgewachsene Schrift- len­abschiede, für die alles inklusive ist. Bloß richtig anfassen. Der Ort, der dafür gedacht
ßen größtenteils unverändert, bloß dienen 110–120 in Kalkar-Hönnepel. Ein Wochenende für steller Christoph Peters schildert in seinem autobio­ den harten Alkohol haben die Betreiber­ war, mehr zu produzieren, als er verbrauch-
sie nicht mehr als Lager, Verwaltung, Kon- zwei Erwachsene und zwei Kinder inklusive Vollpension grafisch geprägten »Dorfroman« (Luchterhand 2020) irgendwann davon ausgenommen. Einst te, ist für einige tatsächlich der Ort, an dem
trollzentrum oder zur Dampf­ erzeu­
gung, kostet ab 700 Euro. wunderlandkalkar.eu die Zeit der Proteste in den Siebzigern und Achtzigern war die größte Sorge hier ein explodieren- sie mehr mitnehmen als dalassen.

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70 ENTDECKEN 6. Oktober 2022 DIE ZEIT N o 41

Was mein
Du siehst aus, Leben reicher
WIE ES WIRKLICH IST wie ich mich fühle macht
... ein Kalb auf eBay Sonntagfrüh auf der Terrasse, die Stadt schläft noch,
ich sitze bei einer Tasse Kaffee, plötzlich höre ich ein
zu kaufen ohrenbetäubendes Zischen. Dann, nach ein paar
Sekunden, erscheinen sie am blauen Himmel,­

E
zwischen den Baumkronen im nahen Park: Drei
igentlich hatte ich mir eine Handtasche Heißluft­ ballons, zum Greifen nah, schweben­
von Prada gönnen wollen: eine Sonder- farbenfroh dahin. Es wird ein schöner Sonntag!

Alan, eine Woche alt, ist eine Brieftaube aus der englischen Grafschaft Lancashire. Schon mit vier Wochen wird er 100 Stundenkilometer schnell fliegen. Foto: Gerrard Gethings
edition aus Kalbsleder. Weil ich als Flug- Joachim Lamm, Lübeck
begleiterin nicht so üppig verdiene, be-
schloss ich, auf eBay Kleinanzeigen nach ge- Die Blaumeise, die am Fenster unseres Geräte-
brauchten Taschen zu suchen. Ich tippte »Prada schuppens sitzt und so sehnsüchtig nach drinnen
Kalb« ein und scrollte durch die Handtaschen blickt, als wolle sie uns sagen, dass es Zeit wird,
mit Echtheitszertifikat. das Vogelhaus aufzubauen!
Plötzlich blickte mich zwischen den Taschen Andreas Fuchs, Chemnitz
das Bild eines Kalbes an. Es hatte riesige braune
Augen mit langen Wimpern. Verkaufspreis: 300 Donnerstagmorgens wenn die ZEIT kommt, die
Euro. Ich klickte auf die Anzeige. Das Kalb sollte letzte Seite aufblättern, meinen Reicher-leben-­
geschlachtet werden, wenn es keinen neuen Be- Favoriten aussuchen und dann auf dem Handy
sitzer fand. Ich wusste sofort: Das muss ich ret- nachschauen, was der Schwiegervater meiner
ten. Dabei jette ich jede Woche durch Europa, Tochter auserwählt hat. Meist sind wir uns einig –
und es ist deutlich einfacher, eine Prada-Hand- oder wie er es ausdrückt: »... das Matching bei
tasche als ein Kalb mit an Bord zu nehmen. Als unseren Kindern hat nicht ohne Grund geklappt,
Stadtkind hatte ich mit Kühen auch nie viel zu die haben unsere Gene mitbekommen!«
tun. Tierlieb war ich allerdings immer schon. Susanne Uebelhoer, München
Am nächsten Tag hob ich 300 Euro ab und fuhr
zum Bauern. Er zeigte mir drei Kälber, eines kam Beim Spazierengehen an jedem fünften Baum
sofort angetrabt, drückte den Kopf ans Metallgitter den gleichen traurigen Zettel zu sehen: »Wir ver-
und wollte gestreichelt werden. Ich gab dem Bauern missen unseren Kater Sammy« – und dann den
die 300 Euro – aber ich konnte doch auch die an- Kater zu finden!
deren zwei unmöglich dem Tod ausliefern. Mit dem Anne Schumann, Oppenheim, Rheinland-Pfalz
Bauern handelte ich aus, sie gegen Miete noch eine
Weile stehen zu lassen, bis ich Spenden gesammelt Ich bin im Begriff, unser zweites Kind zur Welt zu
hatte, um sie freizukaufen. Mittlerweile leben die bringen. Der Start ist sanft, dann drängen sich die
drei auf einem Hof fünf Minuten entfernt von Bilder der ersten Niederkunft auf (es war eine harte
meiner Wohnung in Rosenheim auf einer Wiese Geburt). Angst und Panik breiten sich in mir aus.
mit Obstbäumen. Es gibt auf dem Hof noch mehr Die Hebammen aber bleiben besonnen. Ruhig
gerettete Tiere: Hühner, Katzen, Ziegen. Wenn ich leiten sie mich an. Und auch mein Mann ist an
mal wieder Mittelstrecke fliege, kümmern sich die meiner Seite wie ein Fels. Da verschwindet die
Hofbesitzer um meine Rinder. Furcht, Kraft tritt an ihre Stelle, kurz darauf ist
Das Kalb aus der Anzeige habe ich nach meinem unser Sohn da. Wie schön, wenn einem jemand
verstorbenen Opa Helmut benannt – der hatte hilft, in die eigene Kraft zurückzufinden.
dieselben braunen, treuen Augen. Die anderen zwei Lisa Hengge, Irsee, Bayern
heißen Fridolin und Idefix. Helmut ist sanftmütig,
Fridolin eher ein Macho, Idefix der Mutigste, er Rehaklinik Ahrenshoop, zwei ältere Frauen auf
geht immer als Erster in den Hänger. Kühe sind dem Weg zum letzten Abendessen vor der Ent­
besondere Tiere: Sie könnten mich einfach an der lassung. Die eine: »Wir haben unsere Kur ja nun
Stallwand erdrücken, aber sie würden das nie tun. hinter uns.« Ich, die andere (maulfaul): »Hmhm.«
Meine Kühe sind irre feinfühlig. Geht es mir Sie: »Morgen frühstücke ich schon zu Hause.«
schlecht, schlecken sie mich am ganzen Körper ab. Folge 330 Ich: »Hmhm.« Sie: »Ich bin nämlich hier geboren.«
Wahrscheinlich hätte die Prada-Tasche mehr Ich (auch hier geboren) bin plötzlich hellwach und
gekostet als meine drei Kälber zusammen. Doch ­frage nach dem Namen. Die Dame, so stellt sich­
eine Handtasche verspeist nicht alle paar Tage heraus, ist Gisela, meine Freundin aus Kindertagen.
einen Heuballen für 70 Euro. Um meine Herde Beim Theaterspielen in der Fischländer Spielschar
zu finanzieren, sammele ich auf Instagram Geld. ZEITSPRUNG WORTSCHATZ haben wir uns zuletzt gesehen; danach hat uns das
Fridolin hilft dabei: Sobald er eine Kamera sieht, Leben (und die Mauer) mehr als 60 Jahre lang ge-
geht er in Pose. Danach schläft er weiter. trennt. Was für ein Wiedersehensglück!
Meine Prada-Handtaschen habe ich inzwi-
schen alle verkauft. Mittlerweile verabscheue ich
Der Baum Ditschen Maria-Katharina Petersen-Rauhaus, Wolfsburg

Kalbsleder. Leider kann ich nicht alle Kälber Wegen eines Straßenfestes fährt der Nachtbus eine
retten. Aber immerhin sieben Tiere umfasst mei- Meine Mutter, die aus Sachsen andere Route, die mir auf meinem späten Heimweg
ne kleine Herde mittlerweile. stammte, hat das Wort ditschen sehr zupasskommt. Kurzentschlossen steige ich vom
mit in die Familie gebracht. ­ Oberdeck zum Fahrer hinunter und frage ihn, ob
er mich ausnahmsweise vorn an der ­Kirche raus­
Allgemein bedeutet es so viel wie lassen könne. Daraufhin er: »Watt wolln Se denn
»eintauchen« und speziell das da? Der Pfarrer is doch schon längst zu Hause!«
Anne-Kathrin Seidel, Berlin
Illustration: Eva Revolver für DIE ZEIT; kl. Fotos: privat

Eintauchen eines Gebäckstückes


Olivia von Heybowitz, 28, in den Kaffee. Dies gilt allerdings
ist Flugbegleiterin und lebt wie auch in Sachsen nicht unbedingt Machen Sie mit!
ihre Kühe in Rosenheim
als fein. Bei einer Einladung Schreiben Sie uns, was Ihr Leben reicher macht,
teilen Sie Ihre »Wortschätze« und »Zeitsprünge« mit uns.
Aufgezeichnet von Anne Baum zum Kaffee pflegt man daher den Beiträge bitte an leser@zeit.de oder an
Bei einem Spaziergang auf der Schwäbischen Alb haben wir durch Zufall Gastgeber zu fragen: »Derf mer Redaktion DIE ZEIT, »Z-Leserseite«, 20079 Hamburg
den Baum mit dem gedrehten Stamm wiederentdeckt, an dem vor 39 ­Jahren
eines unserer Lieblingsfotos entstanden ist.
ditschen?«
Wenn Sie in unserer Rubrik »Wie es wirklich ist« Die Redaktion behält sich Auswahl, Kürzung und redaktionelle Bearbeitung
berichten möchten, Cornelia und Christoph Reusch, Wolfgang Frey, Ihrer Beiträge vor. Mit der Einsendung geben Sie Ihr Einverständnis,
Ihren Beitrag in der ZEIT, in der ZEIT-App, in sozialen Netzwerken oder
melden Sie sich bei uns: wirklich@zeit.de Baltmannsweiler-Hohengehren, Baden-Württemberg Breklum, Schleswig-Holstein in einem ZEIT-der-Leser-Sammelwerk zu veröffentlichen

Wirtschaft: Charlotte Parnack/Roman Pletter (verantwortlich),


Simon Kerbusk (stellv.), Thomas ­Fischermann, ­Sebastian Kempkens,
Autoren: Antonia Baum, Georg Blume, Klaus ­Brinkbäumer, Kerstin
Bund, Christoph Dieckmann, Christoph Drösser, Ronald ­Düker, Heike
Moskauer Redaktion: Michael Thumann,
Kutusowskij Prospekt 13, Kw. 5, Moskau 121248,
Rebekka Wiese Wochenende: Maris Hubschmid (Leitung), Viktoria
Morasch, Friederike Oertel, ­Michael Schock ZEIT Campus Online: ZEIT-LESERSERVICE
Hannah Knuth, Dr. Ingo Malcher, Ann-Kathrin Nezik,­Marcus ­ Faller, Ulrich ­Greiner, Jana Hensel, Dr. Gunter Hofmann, Jens Jessen, Tel.: 007-495/680 03 85, E-Mail: zeit-moskau@zeit.de Amna Franzke (verantw. Online), ­Martina Kix (verantw. Print), Berit
Rohwetter, Dr. Kolja Rudzio, Claas Tatje, Marc Widmann Rüdiger ­Jungbluth, Dr. Navid Kermani, Alard von ­Kittlitz, Angela ­ Mittelost-Redaktion: Lea Frehse, Rue Liban, Gemayzeh, Dießelkämper, Christoph Farkas (P), ­Katharina Meyer zu Eppendorf
Green: Dr. Uwe J. Heuser (verantwortlich), Laura Cwiertnia (stellv.), Köckritz, Dr. Wolfgang Lechner, Georg Löwisch, ­Ursula März, Beirut, E-Mail: lea.frehse@zeit.de (P), Nina Piatscheck (P), Cathrin ­Schmiegel (P), Luisa Thomé, Theresa Leserbriefe
Gründungsverleger: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, 20079 Hamburg
Gerd Bucerius (1906–1995) Ricarda Richter Dr. Susanne Mayer, Anna von Münchhausen, Gero von Randow, ­ Pekinger Redaktion: Xifan Yang, Guangming Plaza 1501, Tröndle (P) ze.tt: Tessa Högele (verantw.), Philipp Kienzl, Elif Kücük
Unterhaltung: Cathrin Gilbert (verantwortlich) Roberto ­Saviano, Chris­tian Schmidt-­­Häuer, Jana Simon, Liangmaqiao Rd 42, Chaoyang, Beijing (Editorial Design), Celia Parbey, Alisa Schellenberg Green: Luisa Jacobs Fax: 040/32 80-404; E-Mail: leserbriefe@zeit.de
Herausgeberrat: Wissen: Andreas Sentker (verantwortlich), Rudi Novotny/­Jeannette Björn Stephan, Matthias Stolz, Burkhard ­Straßmann, ­Tobias Timm, E-Mail: xifan.yang@zeit.de (verantw.), Ruth Fend, Manuel Stark Sport: Christian Spiller (Leitung),
Prof. Jutta Allmendinger, Dr. Nicola Leibinger-­Kammüller, Otto/Johanna Schoener (stellv.), A ­ nant Agarwala, Dr. Harro Jens Tönnesmann, ­Moritz von Uslar, Dr. Volker Ullrich Washingtoner Redaktion: Amrai Coen, Steffen Dobbert, Oliver Fritsch, ­Nico Horn, ­Fabian Scheler V ­ ideo: Max
Zanny Minton Beddoes, Florian Illies, Albrecht, Dr. Ulrich Bahnsen, Fritz Habekuß, Stefanie Kara, ­ Art-Direktion: Haika Hinze/Malin Schulz (verantwortlich), Washington, DC 20009, Tel.: 001-202/617 68 77, Boenke (Leitung), ­Dilan ­Gropen­giesser (stellv.), Poliana Baumgarten,
Dr. Josef Joffe Maximilian Probst, Yannick Ramsel, Arnfrid Schenk, ­Stefan Schmitt Jan Kny/Jan Lichte (stellv.); Berater der Art-Direktion: Mirko Borsche E-Mail: amrai.coen@zeit.de Claudia ­Bracholdt, Nicolas ­Grone, Adrian Pohr, René Wiesenthal, Sven Artikelabfrage aus Suite 106, B­ uffalo,
Ehemalige Herausgeber: (Wissenschaftskorrespondent), Ulrich Schnabel, Dr. Anna-Lena Gestaltung: Julika Altmann, Mirko Bosse, ­Martin Burgdorff, New Yorker Redaktion: Heike Buchter, 32 Broadway, Wolters Daten und ­V isuali­s ierung: Julius ­Tröger (Leitung), Paul Blickle, ­ dem Archiv NY 14207-1306
Dr. Marion Gräfin Dönhoff (1909–2002) Scholz, Jan Schweitzer, Martin Spiewak, Urs Willmann Mechthild Fortmann, Sina Giesecke, Katrin Guddat, Suite 1211, New York, NY 10004, Tel.: 001-212/­­­269 34 38, Annick ­Ehmann, Christian Endt (Senior Data Journalist), Julian Stahnke Fax: 040/32 80-404; Periodicals postage is paid at
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