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Entwicklung und Betrieb einer Anlage zur

kontinuierlichen Hydrierung von flüssigen organischen


Wasserstoffträgern im Technikumsmaßstab

Der Technischen Fakultät der


Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
zur Erlangung des Grades

DOKTOR-INGENIEUR

vorgelegt von

Dipl.-Ing. Michael Müller


aus Forchheim
Als Dissertation genehmigt von der Technischen Fakultät der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Tag der mündlichen Prüfung: 16.10.2018


Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr.-Ing. Reinhard Lerch
Gutachter: Prof. Dr. Peter Wasserscheid
Prof. Dr.-Ing. Michael Wensing
Danksagung I

Danksagung

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit entstanden von Juni 2012 bis Dezember 2015 am
Lehrstuhl für Chemische Reaktionstechnik der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg.

Mein größter Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Peter Wasserscheid für die Möglichkeit
diese Arbeit an seinem Lehrstuhl anzufertigen, die spannende und herausfordernde
Themenstellung, seine hervorragende Unterstützung, seinen grenzenlosen Enthusiasmus und
ganz besonders für das große, in mich gesetzte Vertrauen.

Herrn Prof. Dr.-Ing. Michael Wensing danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens.
Ebenso gilt mein Dank den weiteren Mitgliedern der Prüfungskommission, Frau Prof. Dr.
Sannakaisa Virtanen und Herrn Prof. Dr. Wilhelm Schwieger.

Dem Freistaat Bayern danke ich für die Finanzierung meiner Arbeit durch das „Bavarian
Hydrogen Center“.

Ein großer Dank gilt meinem Arbeitsgruppenleiter Dr. Andreas „Grobi“ Bösmann für die stets
gewinnbringenden Diskussionen, das stets offene Ohr und die tolle Unterstützung, die mir in
besonderer Erinnerung geblieben ist.

Herrn Dr. Detlef Freitag als Betriebsleiter des Hochdrucklabors danke ich für die gute
Unterstützung und das angenehme Miteinander.

Besonders bedanken möchte ich mich bei Michael Schmacks, Achim Mannke, Julian Karl
und Sascha Jeschke aus der Mechanikwerkstatt für die hervorragende Unterstützung
insbesondere beim Anlagenbau. Euer Engagement und eure Expertise waren bei vielen
kleinen und großen Problemen Gold wert. Ein herzlicher Dank gilt auch Frau Menuet, Frau
Singer und Frau Bittan aus dem CRT-Sekretariat für ihre Unterstützung, Alexander Busch für
die Hilfe bei allen elektrotechnischen Problemen und Hendryk Partsch für die Hilfe bei allen
EDV-Problemen.

Ein großer Dank gilt meinen Studenten Valentina Correal, Stefan Dürr, Ehsan Emamjomeh,
Melanie Eßl, Lukas Glöser, Cansu Tumay und Florian Zitzmann. Ohne eure Beiträge wäre die
II Danksagung

Arbeit in diesem Umfang nicht möglich gewesen. Danke für die stets bereichernde
Zusammenarbeit und euren Eifer bei der „Rettung der Welt“.

Bei all meinen Wegbegleitern am CRT bedanke ich mich für die Unterstützung, die
hilfreichen Diskussionen und das gute Miteinander. Die gemeinsame Zeit werde ich nie
vergessen. Danke auch den Kollegen vom TVT für die angenehme und gewinnbringende
Zusammenarbeit.

Besonders bedanken möchte ich mich bei Veit Hager, Heiko Klefer, Ines Mertens, Tobias
Müller, Daniel Pliquett und Johannes Schwegler. Danke für die schöne Zeit und die vielen
tollen Erlebnisse! Die vielen gemeinsamen Unternehmungen, Ausflüge und Urlaube haben
mir über so manches Tal der Tränen hinweggeholfen.

Ein ganz herzlicher Dank gilt meiner Familie und meinen Freunden außerhalb des Kontexts
Universität für die entgegengebrachte Unterstützung in einer entbehrungsreichen Zeit.
Inhaltsverzeichnis III

Inhaltsverzeichnis

Publikationen ............................................................................................................................ VI

Kurzfassung .............................................................................................................................VII

Abstract ................................................................................................................................. VIII

Symbolverzeichnis ................................................................................................................... IX

Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... XIII

1 Einleitung ........................................................................................................................... 1

2 Theoretischer Teil .............................................................................................................. 5

2.1 Energiespeicherung mittels Wasserstoff ..................................................................... 5

2.1.1 Konventionelle physikalische Speichersysteme................................................... 6

2.1.2 Wasserstoffspeicherung in Feststoffen ................................................................. 8

2.1.3 Wasserstoffspeicherung in synthetischen Kraftstoffen ...................................... 12

2.2 Flüssige organische Wasserstoffträger ...................................................................... 17

2.2.1 Energiespeicherkonzepte .................................................................................... 18

2.2.2 Systemkomponenten und Wirkungsgrad ........................................................... 20

2.2.3 Beispiele möglicher flüssiger organischer Wasserstoffträger ............................ 25

2.2.4 Hydrierung flüssiger organischer Wasserstoffträger.......................................... 28

2.3 Reaktorkonzept Rieselbettreaktor.............................................................................. 32

2.3.1 Reaktoren zur technischen Durchführung dreiphasiger Reaktionen .................. 32

2.3.2 Funktionsweise und Grundsätzliches ................................................................. 34

2.3.3 Hydrodynamik von Rieselbettreaktoren ............................................................. 38

2.3.4 Reaktionskinetik von Rieselbettreaktoren .......................................................... 46

2.3.5 Wärmetransport in Rieselbettreaktoren .............................................................. 54

2.4 Zielsetzung der Arbeit ............................................................................................... 59

3 Experimenteller Teil ......................................................................................................... 62

3.1 Verwendete Chemikalien .......................................................................................... 62


IV Inhaltsverzeichnis

3.1.1 LOHCs ............................................................................................................... 62

3.1.2 Katalysatoren ...................................................................................................... 64

3.1.3 Gase .................................................................................................................... 65

3.2 Verwendete Analysemethoden .................................................................................. 67

3.3 Versuchsanlagen ........................................................................................................ 70

3.3.1 Laborreaktor ....................................................................................................... 71

3.3.2 Technikumsreaktor ............................................................................................. 73

3.3.3 Rieselbett-Anlage ............................................................................................... 79

4 Ergebnisse und Diskussion............................................................................................... 94

4.1 Untersuchungen am System N-Ethylcarbazol ........................................................... 94

4.1.1 Hydrierung von N-Ethylcarbazol ....................................................................... 96

4.1.2 Hydrierung von Tetrahydro-N-Ethylcarbazol .................................................... 99

4.1.3 Hydrierung von Octahydro-N-Ethylcarbazol ................................................... 101

4.1.4 Druckabhängigkeit der Hydrierung von N-Ethylcarbazol................................ 105

4.2 Untersuchung ternärer Mischungen aus N-Ethyl-, N-Propyl- und N-Butylcarbazol107

4.2.1 Hydrierung bei geringerem Katalysatoreinsatz ................................................ 107

4.2.2 Variation der Reaktionstemperatur .................................................................. 109

4.2.3 Katalysatorvariation ......................................................................................... 111

4.2.4 Dehydrierung .................................................................................................... 113

4.3 Absatzweise Hydrierung von Dibenzyltoluol.......................................................... 115

4.3.1 Hydrierung mit reinem Wasserstoff ................................................................. 115

4.3.2 Hydrierung mit Gasgemischen aus Wasserstoff und Methan .......................... 120

4.4 Kontinuierliche Hydrierung von H0DBT im Rieselbett .......................................... 125

4.4.1 Charakterisierung der Anlage im Bereich geringer LOHC-Ströme ................. 125

4.4.2 Leistungsabschätzung der Anlage mittels Parametervariation......................... 134

4.4.3 Katalysatorbehandlung bei Anlagenstillstand .................................................. 143

4.4.4 Dauerbelastungstests des Katalysators ............................................................. 147

4.4.5 Charakterisierung von frischem und gebrauchtem Katalysator ....................... 157


Inhaltsverzeichnis V

4.4.6 Charakterisierung der Anlage mit teilhydriertem Feed .................................... 162

4.4.7 Untersuchung des Systems Benzyltoluol ......................................................... 168

5 Zusammenfassung .......................................................................................................... 181

Literaturverzeichnis ..................................................................................................................... i

Tabellenverzeichnis ................................................................................................................ xxii

Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................... xxiv

Schemataverzeichnis ........................................................................................................... xxviii

6 Anhang .......................................................................................................................... xxix

6.1 Bestimmung der Reaktionsordnung des LOHCs im Laborreaktor ........................ xxix

6.2 Geschwindigkeitskonstanten der Hydrierung von H0NEC, H4NEC und H8NEC .. xxxi

6.3 Geschwindigkeitskonstanten der Druckvariation .................................................. xxxii

6.4 Temperaturvariation der Hydrierung von H0NEC/H0NPC/H0NBC ..................... xxxiii

6.5 Dehydrierung von H0NEC/H0NPC/H0NBC .......................................................... xxxv

6.6 Beschreibung des Wasserstoffverbrauchs mit Hilfe einer Sigmoidfunktion........ xxxvi

6.7 Charakterisierung des Rieselbettkatalysators ...................................................... xxxvii

6.8 Betrieb des Rieselbetts mit teilhydriertem Feed ................................................... xxxix

6.9 Theoretische Grundlagen zur Bestimmung der Prozesskinetik .................................. xl

6.10 Berechnung der Diffusionskoeffizienten von H0DBT und H0BT ......................... xlii
VI Inhaltsverzeichnis

Publikationen

Teile dieser Arbeit wurden bereits in folgenden Fachzeitschriften oder als Konferenzbeiträge
veröffentlicht:

Fachzeitschriften:

 S. Dürr, M. Müller, H. Jorschick, M. Helmin, R. Palkovitz, P. Wasserscheid, CO2-free


hydrogen production with integrated H2 separation & storage, ChemSusChem, 2017,
10 (1), 42-47.

Tagungsbeiträge:

 M. Müller, A. Bösmann, P. Wasserscheid, Continuous Hydrogenation of LOHCs in a


trickle bed reactor, Poster, European Symposium of Chemical Reaction Engineering,
Fürstenfeldbruck 2015.
 M. Müller, A. Bösmann, P. Wasserscheid, Hydrierung von LOHCs: Vom Batch-
Reaktor zur kontinuierlichen Anlage, Poster, Jahrestreffen Energieverfahrenstechnik,
Karlsruhe 2014.

Sonstige Veröffentlichungen in Fachzeitschriften:

 R. Aslam, K. Müller, M. Müller, M. Koch, P. Wasserscheid, W. Arlt, Measurement of


Hydrogen Solubilty in Potential Liquid Organic Hydrogen Carriers, Journal of
Chemical & Engineering Data, 2016, 61 (1), 643-649.
 V. N. Emel`yanenko, M. A. Varfolomeev, S. P. Verevkin, K. Stark, K. Müller, M.
Müller, A. Bösmann, P. Wasserscheid, W. Arlt, Hydrogen Storage; Thermochemical
Studies of N-Alkylcarbazoles and Their Derivates as a Potential Liquid Organic
Hydrogen Carriers, The Journal of Physical Chemistry C, 2015, 119, 26381-26389.
 C. Gleichweit, M. Amende, U. Bauer, S. Schernich, O.Höfert, M. P. A. Lorenz, W:
Zhao, M. Müller, M. Koch, P. Bachmann, P. Wasserscheid, J. Libuda, H.-P. Steinrück,
C. Papp, Alkyl chain length-dependent surface reaction of dodecahydro-N-
alkylcarbazoles on Pt model catalysts. The Journal of Chemical Physics, 2014, 140
(20), 204711-204719.
Kurzfassung VII

Kurzfassung

Der durch die Energiewende begründete Wandel in der Energiewirtschaft und die damit
einhergehende hohe Volatilität verfügbarer Energie macht die Entwicklung geeigneter,
großtechnisch anwendbarer Speichertechnologien notwendig. Ein vielversprechender Ansatz
ist die stoffliche Speicherung in Form von regenerativ erzeugtem Wasserstoff. Für eine
wasserstoffbasierte Energiewirtschaft braucht es wiederum passende Technologien zu dessen
Erzeugung, Nutzung und Speicherung. Als besonders zukunftsträchtig gilt die
Wasserstoffspeicherung in flüssigen organischen Wasserstoffträgern, sog. Liquid Organic
Hydrogen Carriers (LOHCs). Der Wasserstoff kann in diesen Verbindungen durch
katalytische Hydrierung chemisch gebunden und bei Bedarf durch katalytische Dehydrierung
wieder freigesetzt werden. Der Träger wird dabei nicht verbraucht und kann theoretisch
beliebig oft verwendet werden.

In dieser Arbeit wurde die Hydrierung von LOHCs unter technischen Gesichtspunkten
untersucht. Eine technische Anwendung von N-Ethylcarbazol wird durch dessen hohen
Schmelzpunkt im entladenen Zustand sowie durch die hohe Stabilität des Intermediats
H8NEC bei der Hydrierung mit dem Standardkatalysator Ru/Al2O3 erschwert. In einem
semi-batch betriebenen Laborreaktor wurden die Kinetik der einzelnen Teilreaktionen
untersucht und verschiedene kommerzielle Katalysatoren auf ihre Eignung für den jeweiligen
Teilschritt getestet. Mit ternären Mischungen aus N-Ethyl-, N-Propyl- und N-Butylcarbazol
werden Schmelzpunkte deutlich unter denen der Reinstoffe erreicht. Durch die Hydrierung
und Dehydrierung der Mischungen wurde der Einfluss der Alkylkettenlänge auf die
Reaktionsrate bestimmt.

Durch die Hydrierung von Dibenzyltoluol (H0DBT) mit Methan-Wasserstoff-Gemischen wird


gezeigt, dass die Mischgashydrierung eine geeignete Methode zur simultanen
Wasserstoffabtrennung und –speicherung ist.

Zur kontinuierlichen technischen Hydrierung von LOHCs wurde ein Prozess im Pilotmaßstab
entwickelt. Die Reaktion wurde in einem Dead-End betriebenen Rieselbett durchgeführt.
Neben der wissenschaftlichen Charakterisierung des Reaktors und der Hydrierreaktion sollten
zugleich signifikante Mengen an vollhydriertem Produkt hergestellt werden. Es wurde der
Einfluss der Parameter Druck, Reaktortemperatur und LOHC-Strom bestimmt und ein
praxistaugliches Betriebsfenster definiert. Zudem wurde der Prozess mit verschieden
teilhydrierten Einsatzgemischen charakterisiert. Aus Langzeitversuchen können Rückschlüsse
auf die Standzeit des Katalysators getroffen werden. Mit Benzyltoluol wurde eine weitere
LOHC-Verbindung getestet. Insgesamt wurden mit der Anlage 1,4 t LOHC hydriert, wodurch
eine umfängliche Betriebserfahrung nachgewiesen wurde.
VIII Abstract

Abstract

The change in the energy industry caused by the extension of solar and wind power and the
resulting higher volatility of available energy makes the development of suitable large-scale
storage technologies necessary. A promising approach is the chemical storage in the form of
renewable hydrogen. A so called hydrogen economy requires appropriate technologies for
generation, use and storage. The hydrogen storage in liquid organic hydrogen carriers
(LOHCs) is considered particularly promising. In these compounds hydrogen is chemically
bound by catalytic hydrogenation and, if necessary, released again by catalytic
dehydrogenation. Thereby the carrier is not consumed and can theoretically be used as often
as desired.

In this work the hydrogenation of LOHCs was studied under technical aspects. A technical
application of N-Ethylcarbazole is complicated by its high melting point in the discharged
state and by the high stability of the intermediate H8NEC in the hydrogenation with the
standard catalyst Ru/Al2O3. The kinetics of the partial reactions was studied in a lab-scale
semi-batch reactor. Various commercial catalysts were tested for their suitability for the
respective reaction step. The melting points of ternary mixtures of N-Ethyl-, N-Propyl- and
N-Butylcarbazole are significantly lower than those of the pure substances. The influence of
the alkyl chain length on the reaction rate of the hydrogenation and dehydrogenation was
determined.

By the hydrogenation of dibenzyltoluene with methane-hydrogen mixtures, it is shown that


the mixed gas hydrogenation is a suitable method for the simultaneous hydrogen separation
and storage.

A pilot-scale process for the continuous hydrogenation was developed. The reaction was
carried out in a dead end operated trickle bed. In addition to the scientific characterization,
significant quantities of fully hydrogenated product were to be produced at the same time. The
influence of the operating parameters pressure, reactor temperature and LOHC flow was
determined and a practical operation window was defined. Long-term tests were carried out to
make conclusions about the lifetime of the catalyst. Another LOHC was tested with
benzyltoluene. A total of 1.4 tonnes of LOHC was processed in the hydrogenation plant,
which demonstrated an extensive operating know-how.
Symbolverzeichnis IX

Symbolverzeichnis

a [-] Bettaspektverhältnis (a = dC/dP)


AMantel [m2] Wärmeaustauschfläche Reaktor-Temperiermantel
-3
ci,g [mol·m ] Konzentration des Stoffes i in der Gasphase
ci,l [mol·m-3] Konzentration des Stoffes i im Flüssigkeitsfilm
ci,s [mol·m-3] Konzentration des Stoffes i an der Pelletoberfläche
cl,1, cl,2, cl,3 [mol·m-3] Eingangskonzentration des flüssigen Reaktanden 1, 2 und 3
cNEC [mol·m-3] Konzentration der N-Ethylcarbazolspezies
cP,H0DBT [J·kg-1·K-1] spezifische Wärmekapazität von H0DBT
-1 -1
cP,H18DBT [J·kg ·K ] spezifische Wärmekapazität von H18DBT
cP,H2 [J·kg-1·K-1] spezifische Wärmekapazität von Wasserstoff
cP,l [J·kg-1·K-1] spezifische Wärmekapazität der Flüssigphase
c0i [mol·m-3] Gleichgewichtskonzentration des Stoffes i
D [m2·s-1] Eigendiffusionskoeffizient
dC [m] Reaktordurchmesser
deq [m] Sauter-Durchmesser (deq = 6·VZylinder/AZylinder)
Di,eff [m2·s-1] effektiver Diffusionskoeffizient des Stoffes i
dp [m] Pelletdurchmesser
D12 [m2·s-1] binärer Diffusionskoeffizient
EA [kJ·mol-1] Aktivierungsenergie
-1
EA,app. [kJ·mol ] Aktivierungsenergie der Reaktion im Rieselbett
-1
EA,intr. [kJ·mol ] intrinsische Aktivierungsenergie
Eel,Ausgang [J] rückgewonnene elektrische Energie
Eel,Eingang [J] eingespeiste elektrische Energie
Eö [-] Eötvös-Zahl (Eö = ρ·g·dP2/σ)
g [m·s-2] Erdbeschleunigung (g = 9,81 m/s2)
hdrain [-] aktiver Flüssigkeits-Holdup
hfs [W·m-2·K-1] Wärmeübergangskoeffizient Partikel-Fluid
ΔHHydr. [J mol-1] Reaktionsenthalpie der Hydrierung
ΔHR [J mol-1] Reaktionsenthalpie
hres [-] inaktiver Flüssigkeits-Holdup
ht [W·m-2·K-1] globaler Wärmeübergangskoeffizient
X Symbolverzeichnis

hw [W·m-2·K-1] Wärmeübergangskoeffizient Schüttung-Wand


k [s-1] Geschwindigkeitskonstante einer Reaktion
kla [s-1] Stoffübergangskoeffizient an der Gas/Flüssig-Grenzfläche
klsa [s-1] globaler Stoffübergangskoeffizient
ksa [s-1] Stoffübergangskoeffizient an der Pelletoberfläche
-1
k0 [s ] Stoßfaktor
L [kg·m-2·s-1] Flüssigkeitsbeladung des Reaktors
l [m] Länge eines Elements
m [-] Reaktionsordnung des Wasserstoffs
ṁH0DBT [kg·s-1] Massenstrom an H0DBT
-1
ṁH18DBT [kg·s ] Massenstrom an H18DBT
-1
ṁH2 [kg·s ] Massenstrom an Wasserstoff
N [s-1] Drehzahl
n [-] Reaktionsordnung des LOHCs
Nufs [-] Nusselt-Zahl des Wärmeübergangs Partikel-Fluid
Nut [-] Nusselt-Zahl für den gesamten Wärmeübergang
pBerst [Pa] Berstdruck der Berstscheibe
PHeiz,max [W] maximale Heizleistung
pH2 [Pa] Partialdruck von Wasserstoff
PKühl,max [Pa] maximale Kühlleistung
pÖffnen [Pa] Öffnungsdruck eines Überströmventils
pS [Pa] zulässiger Reaktionsdruck
Pr [-] Prandtl-Zahl (Pr = cp·μ/λ)
·
QAbfuhr [W] abgeführter Wärmestrom
·
QDehydrierung [W] Wärmebedarf der Dehydrierung
·
QH0DBT [W] eingetragener Wärmestrom durch H0DBT
·
QH18DBT [W] ausgetragener Wärmestrom durch H18DBT
·
QH2 [W] eingetragener Wärmestrom durch Wasserstoff
·
QNutzung [W] nutzbarer Abwärmestrom
·
QReaktion [W] durch die Reaktion freiwerdender Wärmestrom
r [mol·m-3·s-1] Reaktionsgeschwindigkeit
Reg [-] Reynolds-Zahl der Gasphase (Reg = ρg·ug·dP/μg)
Rel [-] Reynolds-Zahl der Flüssigphase (Rel = ρl·ul·dP/μl)
-3 -1
rintr [mol·m ·s ] intrinsische Reaktionsgeschwindigkeit
Symbolverzeichnis XI

robs [mol·m-3·s-1] gemessene Reaktionsgeschwindigkeit


rSTR [mol·m-3·s-1] Reaktionsgeschwindigkeit im Rührkesselreaktor
T [°C] Temperatur
ΔT [°C] Temperaturdifferenz
TBetrieb [°C] Betriebstemperatur
TH0DBT [°C] Eintrittstemperatur von H0DBT
TH18DBT [°C] Austrittstemperatur von H18DBT
TH2 [°C] Eintrittstemperatur von Wasserstoff
TMantel [°C] Manteltemperatur
Tmax [°C] maximale Betriebstemperatur des Reaktors
TReaktor [°C] mittlere Reaktortemperatur
_
-1
ug [m·s ] Gasleerrohrgeschwindigkeit
ul [m·s-1] Flüssigkeitsgeschwindigkeit im Reaktor
V [m3] Volumen
VMantel [m3] Volumen des Außenmantels
VR [m3] Reaktorvolumen
3
VSumpf [m ] Sumpfvolumen des Reaktors

ε [-] Porosität des Katalysatorpellets


εBett [-] Porosität der Schüttung
ηDehydrierung [-] Wirkungsgrad der Dehydrierung
ηElektrolyse [-] Wirkungsgrad der Elektrolyse
ηext [-] externer Katalysatornutzungsgrad
ηg [-] globaler Katalysatornutzungsgrad
ηges [-] Gesamtwirkungsgrad Strom-zu-Strom
ηHydrierung [-] Wirkungsgrad der Hydrierung
ηint [-] intrinsischer Katalysatornutzungsgrad
ηRückverstromung [-] Wirkungsgrad der Rückverstromungstechnologie
-1 -1
λe [W·m ·K ] effektive Wärmeleitfähigkeit im Rieselbettreaktor
λe,0 [W·m-1·K-1] statischer Anteil von λe
λe,tg [W·m-1·K-1] Anteil der radialen Gasdurchmischung von λe
λe,tl [W·m-1·K-1] Anteil der radialen Flüssigkeitsdurchmischung von λe
λl [W·m-1·K-1] Wärmeleitfähigkeit der Flüssigphase
-1 -1
μg [kg·m ·s ] dynamische Viskosität der Gasphase
XII Symbolverzeichnis

μl [kg·m-1·s-1] dynamische Viskosität der Flüssigphase


νi [-] stöchiometrischer Koeffizient des Stoffes i
ρg [kg·m-3] Dichte der Gasphase
ρl [kg·m-3] Dichte der Flüssigphase
Φ [-] Weisz-Prater-Modul
ϕ [-] Partikelaspektverhältnis (für Zylinder: ϕ = dZylinder/hZylinder)
σl [N·m-1] Oberflächenspannung der Flüssigphase
Abkürzungsverzeichnis XIII

Abkürzungsverzeichnis

BetrSichV Betriebssicherheitsverordnung
BT LOHC-System Benzyltoluol
BTEAC Benzyltriethylammoniumchlorid
CFD numerische Strömungsmechanik (engl. computational fluid dynamics)
CNT Kohlenstoffnanoröhren (engl. carbon nanotubes)
CRT Lehrstuhl für Chemische Reaktionstechnik, Erlangen
CVT Lehrstuhl für Chemische Verfahrenstechnik, Bayreuth
DBT LOHC-System Dibenzyltoluol
DFAFC Ameisensäure-Brennstoffzelle (engl. direct formic acid fuel cell)
DFT Diskrete Fourier Transformation
DMFC Direktmethanolbrennstoffzelle (engl. direct methanol fuel cell)
GC Gaschromatographie
GC-MS Gaschromatographie mit gekoppelter Massenspektrometrie
GuD Gas- und Dampf
HG Hydriergrad des LOHCs
HPLC High Performance Liquid Chromatography
HR-XPS High-Resolution X-Ray Photoelectron Spectroscopy
HXBT teilhydriertes Benzyltoluol
HXDBT teilhydriertes Dibenyzltoluol
HXLOHC teilhydrierter LOHC
H0BT Benzyltoluol
H0DBT Dibenzyltoluol
H0LOHC vollständig entladener LOHC
H0NBC N-Butylcarbazol
H0NEC N-Ethylcarbazol
H0NPC N-Propylcarbazol
H10NEC Decahydro-N-Ethylcarbazol
H12BT vollhydriertes Benzyltoluol
H12NBC Dodeca-N-Butylcarbazol
H12NEC Dodeca-N-Ethylcarbazol
H12NPC Dodeca-N-Propylcarbazol
XIV Abkürzungsverzeichnis

H18DBT vollhydriertes Dibenzyltoluol


H4NBC Tetrahydro-N-Butylcarbazol
H4NEC Tetrahydro-N-Ethylcarbazol
H4NPC Tetrahydro-N-Propylcarbazol
H6NBC Hexahydro-N-Butylcarbazol
H6NEC Hexahydro-N-Ethylcarbazol
H6NPC Hexahydro-N-Propylcarbazol
H8NBC Oktahydro-N-Butylcarbazol
H8NEC Oktahydro-N-Ethylcarbazol
H8NPC Oktahydro-N-Propylcarbazol
ICP-OES optische Emissionsspektroskopie mit induktiv gekoppeltem Plasma
k.A. keine Angabe
Kat. Katalysator
LHSV Liquid Hourly Space Velocity
LM Lösungsmittel
LOHC flüssiger organischer Wasserstoffträger
LR Laborreaktor
MB Massenbilanz
MCH Methylcyclohexan
MFC Massenstromregler
MFM Massenstrommesser
MOFs Metall-organische Gerüste (engl. metal-organic frameworks)
n.b. nicht bestimmt
NBC LOHC-System N-Butylcarbazol
NC Normally Closed
NEC LOHC-System N-Ethylcarbazol
NMR Kernspinresonanzspektroskopie (engl. nuclear magnetic resonance)
NO Normally Open
NPC LOHC-System N-Propylcarbazol
PEM Protonenaustauschmembran, alternativ Polymerelektrolytmembran
PEMFC PEM-Brennstoffzelle (engl. polymer electrolyte membrane fuel cell)
PIM Polymer mit intrinsischer Mikroporosität
RFA Röntgenfluoreszenzanalyse
Sdp. Siedepunkt
Abkürzungsverzeichnis XV

Smp. Schmelzpunkt
SNG regeneratives Methan (engl. synthetic natural gas)
SOEC Hochtemperaturelektrolyseur (engl. solid oxide electrolysis cell)
SOFC Hochtemperaturbrennstoffzelle (engl. solid oxide fuel cell)
TB Rieselbettreaktor
TEM Transemissionselektronenmikroskopie
TGA thermogravimetrische Analyse
TVT Lehrstuhl für Thermische Verfahrenstechnik, Erlangen
UEG untere Explosionsgrenze
5L Technikumsreaktor, sog. “5L-Reaktor”
XVI
Einleitung 1

1 Einleitung

Die Energiewirtschaft der Bundesrepublik Deutschland unterliegt derzeit einem massiven


Wandel. Die zunehmend zutage tretenden Folgen des Klimawandels machen eine deutliche
Reduktion des Ausstoßes an CO2 notwendig. Dies ist nur möglich, wenn sukzessive
konventionelle Kraftwerke durch eine nachhaltige Energieerzeugung ersetzt werden. Auch
erscheint eine Energieversorgung auf Basis von fossilen Energieträgern aufgrund der
Endlichkeit fossiler Rohstoffe und der weltweit steigende Nachfrage wenig zukunftsfähig.
Ergiebige Energie- und Rohstoffquellen konzentrieren sich auf wenige, teils politisch instabile
Staaten [1]. Dies schafft ökonomische Abhängigkeiten und die Sicherung von Rohstoffen
wird zusehends Teil der Außenpolitik. Der Ausbau erneuerbarer Energien kann dem
entgegenwirken.

700 40% Sonstige


Bruttostromerzeugung [Mrd. kWh]

biogener Hausmüll
600
Anteil erneuerbarer Energien
Photovoltaik
30% Biomasse
500
Wasserkraft
400 Windkraft offshore
20% Windkraft onshore
300 Mineralölprodukte
Erdgas
200
10% Steinkohle
100 Braunkohle
Kernenergie
0 0% EE-Anteil

Jahr
Abbildung 1: Bruttostromerzeugung in Deutschland nach Energieträgern für den Zeitraum
von 1990 bis 2016. Daten entnommen aus [2]

Zudem wird der Ausbau erneuerbarer Energien vermehrt als ein wichtiger Wirtschaftsfaktor
wahrgenommen: Er führt zur Entwicklung und Verbreitung innovativer Energietechnologien,
die auch für den internationalen Markt interessant sind. Außerdem wird die Importnachfrage
2 Einleitung

nach fossilen Brennstoffen gedämpft [3]. Dies alles macht die Energiewende nicht nur
umweltpolitisch wünschenswert sondern auch wirtschaftlich sinnvoll.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien lässt sich gut an der Stromzusammensetzung der
letzten Jahre nachvollziehen, welche in Abbildung 1 dargestellt ist. Betrug der Anteil
Erneuerbarer im Jahr 2000 noch 6,6 %, waren es 2016 schon 29,0 %. Ein Großteil des
Zuwachses ist hierbei auf Windkraft und Photovoltaik zurückzuführen, ein weiteres
Wachstum wird erwartet [3]. Das ist für Stromsysteme eine Herausforderung, denn je mehr
Wind und Sonne verstromt werden, desto volatiler wird der erzeugte Strom [4, 5]. Die
entstehenden Schwankungen der Stromeinspeisung müssen durch andere Kapazitäten
ausgeglichen werden. Mit dem bestehenden deutschen Kraftwerkspark ist dies nicht möglich.
Die Anfahrzeit von Braunkohlekraftwerken beträgt 5 h, die von Kernkraftwerken gar 50 h [6].
Dies führt zu der paradoxen Situation, dass für einen weiteren Ausbau der erneuerbaren
Energien der Bau von weiteren flexiblen fossilen Steinkohle- und Gaskraftwerken, welche als
Reservekraftwerke vorgehalten werden, nötig ist [6, 7]. Maximallasten der erneuerbaren
Energien werden heutzutage zudem durch das Abregeln von Windkrafträdern gedämpft [8].
Für eine zukunftsweisende Energiewirtschaft erscheinen beide Methoden untauglich.
Fortschrittlichere Lösungen sind gefragt.

Durch den Aufbau von intelligenten Stromnetzen, sog. „smart grids“, könnten je nach
Stromverfügbarkeit Verbraucher zu- und abgeschaltet und so der Stromverbrauch dem
Angebot angepasst werden [9, 10]. Häufig genannte flexible Verbrauchseinheiten sind
Waschmaschinen, Kühlschränke, Lüftungssysteme sowie Heizwärmepumpen. In der
chemischen Industrie wird über eine Flexibilisierung von stromkonsumierenden Prozessen
sowie deren Ausbau für einen diskontinuierlichen Betrieb diskutiert [9]. Durch all diese
Maßnahmen ist es möglich, den Stromverbrauch der hohen Volatilität der Stromerzeugung
anzupassen.

Wünschenswert wäre jedoch, Erzeugung und Verbrauch zeitlich zu entkoppeln. Hierzu sind
passende Energiespeichersysteme notwendig. Die Anforderungen an ein solches System sind
vielfältig: Gefordert sind hohe Energie- und Leistungsdichten, eine geringe Umweltbelastung
und -gefährdung, kurze Ansprechzeiten, lange Lebensdauern und hohe Wirkungsgrade.
Zudem muss die Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und großtechnische Realisierbarkeit
gewährleistet sein. Verschiedene Systeme versuchen diesen Ansprüchen gerecht zu werden.
Einleitung 3

Die mechanische Energiespeicherung mittels Pumpspeicherkraftwerken sowie


Druckluftspeichern ist großtechnisch etabliert und ein wichtiges Element der deutschen
Stromwirtschaft [10, 11]. Allerdings sind die Standortauswahl begrenzt, der bauliche
Aufwand hoch und die gesellschaftliche Akzeptanz häufig gering.
Schwungradspeicherkraftwerke liefern hohe Leistungs- und Speicherdichten und sind mit
Systemgrößen von bis zu 20 MW bereits großtechnisch erprobt [12, 13]. Als Kurzzeitspeicher
genutzt zeigen Schwungräder hohe Wirkungsgrade, die Selbstentladung ist mit 20 % pro
Stunde jedoch immens [14].

Die elektrochemische Stromspeicherung mittels Batterien ist aus dem Alltag kaum
wegzudenken: Bleiakkumulatoren finden sich in Autos, Zink-Manganoxid-Zellen in
zahlreichen Haushaltsgegenständen. Lithiumionenbatterien sind wegen der geringen
Selbstentladung, der langen Lebensdauer sowie der hohe Leistungs- und Energiedichte
interessant [15-17]. Sie werden jährlich milliardenfach produziert und finden sich in tragbaren
Elektronikgeräten sowie Hybridfahrzeugen wieder [14, 18]. Gegen sie als Energiespeicher in
technischer Größenordnung sprechen jedoch die Kosten [14], die begrenzten Lithiumreserven
[19] sowie sicherheitstechnische Bedenken [10, 19]. Mit Natrium-Schwefel-Akkumulatoren
wurden bereits Systemgrößen von 34 MW realisiert [12]. Sie weisen eine hohe Energiedichte
und eine lange Lebensdauer auf und werden bereits in Japan und den USA technisch
eingesetzt [12, 17]. Allerdings müssen sie stets auf 300 °C temperiert werden, bei Abkühlung
sowie Vollentladung drohen irreparable Schäden [10, 17].

Die Speicherung großer Strom- und Energiemengen über lange Zeiträume hinweg scheint
daher nur stofflich in Form energiereicher Substanzen möglich [20, 21]. Der Schlüssel hierfür
ist die elektrolytische Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen. Bei
Bedarf kann dieser wieder zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt werden. Dadurch wird
die Entkopplung von Energieerzeugung und –verbrauch ermöglicht. Die Idee einer
wasserstoffbasierten Energiewirtschaft wurde unter dem Begriff der „Hydrogen Economy“
bereits in den 1970er Jahren geboren [22, 23], durch die Energiewende ist die großtechnische
Realisierung jedoch erstmals in greifbare Nähe gerückt [24-26]. Neben Technologien zur
Wasserstofferzeugung und -nutzung stellt die Wasserstoffspeicherung die dritte Säule dieses
Energiekonzepts dar. Gefordert sind hohe gravimetrische und volumetrische Speicherdichten,
eine hohe Reversibilität und Lebensdauer und zudem ein wirtschaftlicher und sicherer Betrieb
[27, 28]. Gegenwärtige erfolgt die technische Wasserstoffspeicherung physikalischen in
4 Einleitung

Druckgas- oder Kavernenspeichern sowie in Kryotanks. Keiner der genannten Speicher kann
jedoch derzeitig alle gestellten Anforderungen zufriedenstellend erfüllen.

Eine zukunftsträchtige Technologie zur Speicherung von Wasserstoff stellen flüssige


organische Wasserstoffträger, sog. Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC), dar [29-32].
Der Wasserstoff wird durch katalytische Hydrierung kovalent an ein vorzugsweise
aromatisches Trägermolekül (H0LOHC) gebunden und dadurch chemisch gespeichert. Die
Wasserstofffreisetzung erfolgt durch katalytische Dehydrierung des beladenen
Trägermoleküls (HXLOHC). Gegenstand dieser Arbeit ist die Hydrierung von H0LOHC. Für
das etablierte System N-Ethylcarbazol sollte die Kinetik der Teilreaktionen untersucht
werden. Anhand der Hydrierung einer ternären Mischung aus N-Ethyl-, N-Propyl- und
N-Butylcarbazol sollte der Einfluss der Alkylkettenlänge auf das Hydrierverhalten bestimmt
und zugleich ein vielversprechendes Stoffsystem charakterisiert werden. Des Weiteren sollte
die Hydrierung von Dibenzyltoluol untersucht werden. Durch die Hydrierung mit Methan-
Wasserstoff-Gasgemischen sollte gezeigt werden, dass die Mischgashydrierung eine
geeignete Methode für die simultane Abtrennung und Speicherung von Wasserstoff aus
ebendiesen Gemischen darstellt. Einen Schwerpunkt der Arbeit sollte die Entwicklung eines
kontinuierlichen Prozesses für die Hydrierung von H0LOHCs im Technikumsmaßstab bilden.
Dieser sollte mit Dibenzyltoluol bei verschiedenen Betriebsparametern umfangreich
charakterisiert werden. Mit Benzyltoluol sollte ein weiterer LOHC getestet werden. Insgesamt
sollten durch die kontinuierliche Hydrieranlage mehrere Hundert Kilogramm von HXLOHC
hergestellt werden und auf diese Weise das technische Konzept der Anlage validiert werden.
Theoretischer Teil 5

2 Theoretischer Teil

2.1 Energiespeicherung mittels Wasserstoff

Für Wasserstoff als Energievektor sprechen die hohe Energiedichte, die toxikologische
Unbedenklichkeit sowie die nahezu unbegrenzte Verfügbarkeit in Form von Wasser. In der
Industrie bildet Wasserstoff einen wichtigen Grundstoff, 2016 wurden allein in Deutschland
4,5·109 mN3 hergestellt [33]. Dadurch ist bereits ein reicher Erfahrungsschatz in Sachen
Wasserstofferzeugung und Handhabung vorhanden. Größte Wasserstoffverbraucher sind die
Ammoniaksynthese sowie die Erdölraffinierung [26]. Der Großteil des Wasserstoffs wird
heute aus fossilen Rohstoffen durch Steam Reforming von Erdgas, der partiellen Oxidation
von schweren Kohlenwasserstoffen sowie durch Kohlevergasung erzeugt [34-36].

Elektrolytisch erzeugter Wasserstoff findet industriell nur in Nischen Anwendung, z.B. wenn
sehr hohe Anforderungen an die Reinheit gestellt werden [25]. Dieser wird zumeist durch die
alkalische Wasserelektrolyse hergestellt [37-39]. Für die Wasserstoffproduktion zur
Speicherung regenerativ erzeugter Energie bietet sich besonders die Polymer Elektrolyt
Membran (PEM) Elektrolyse an [40, 41], da diese deutlich höhere Leistungsdichten erreicht
und den dynamischen Anforderungen deutlich besser gerecht wird. Daneben kann
regenerativer Wasserstoff auf vielfältige Weise direkt hergestellt werden: Aus Sonnenenergie
kann Wasserstoff direkt und stromfrei photochemisch [42-44] sowie durch thermochemische
Wasserspaltung erzeugt werden [45]. Vielversprechend sind hier insbesondere die
Stoffpaarungen ZnO/Zn [46], und Fe3O4/FeO [47, 48] sowie der Schwefel-Iod-Zyklus [49]. In
biologischen Prozessen wird regenerativer Wasserstoff aerob durch Biophotolyse [50-53]
sowie anaerob durch Dunkelfermentation [54, 55] gewonnen. Die Erzeugung von Wasserstoff
aus fossilen Energieträgern mit nachgeschalteter CO2-Abtrennung ist zwar nicht regenerativ,
jedoch klimaneutral und kann daher aufgrund ihres jetzigen technologischen
Entwicklungsstands eine wertvolle Brückentechnologie hin zu einer regenerativen
Energiewirtschaft bilden [24].

Die Vielzahl möglicher Ursprungsquellen verleiht dem Energieträger Wasserstoff einen


universellen Charakter. Abbildung 2 zeigt das Energiekonzept der „Hydrogen Economy“,
deren wesentliche Säulen neben der Erzeugung die Speicherung und Nutzung des
Wasserstoffs sind. Aufgrund des hohen Wirkungsgrads bietet sich für die Nutzung des
6 Theoretischer Teil

Wasserstoffs der Einsatz von Brennstoffzellen, insbesondere PEM-Brennstoffzellen, an [25,


56, 57]. Auch der Einsatz in Verbrennungsmotoren und Gasturbinen ist möglich, dagegen
sprechen jedoch der geringe Wirkungsgrad sowie das Auftreten von Stickoxiden wegen der
hohen Verbrennungstemperaturen [24, 58]. Die Speicherung des Wasserstoffs stellt eine
große technische Herausforderung dar. Zwar ist die gravimetrische Energiedichte mit
33 kWh/kgH2 sehr hoch, die volumetrische Energiedichte bei Umgebungsbedingungen mit
3 Wh/l jedoch sehr gering [59]. Das Ziel von Wasserstoffspeichern ist die Erhöhung der
volumetrischen Speicherdichte, ohne die gravimetrische Speicherdichte des Gesamtsystems
unverhältnismäßig herabzusetzen. Zudem gilt es hohe Anforderungen an Sicherheit,
Wirtschaftlichkeit, Energieeffizienz, Lebensdauer und Reversibilität zu erfüllen.

Erzeugung Speicherung Verbrauch

Thermo- Strom- und


chemisch Photoelektro- Druckgas- und Wärmeerzeugung
chemisch Flüssigspeicher in stationären
Anwendungen
Physisorptive
Elektrolytisch aus Speichermaterialien
regenerativem
Überschussstrom
H2 Chemische H2 Brennstoffzellen
Feststoffspeicher in Automobilen

Flüssige chemische
Biogen Wasserstoffspeicher
Reformierung Stoffliche Nutzung,
fossiler Rohstoffe + z.B. in der chemischen
CO2-Abtrennung Industrie

Abbildung 2: Wasserstoff als zentraler Energiespeicher im Konzept der Hydrogen Economy.


nach [28]

2.1.1 Konventionelle physikalische Speichersysteme

Durch Kompression kann die volumetrische Energiedichte des Wasserstoffs wesentlich erhöht
werden. Die Druckgasspeicherung ist daher eine der gebräuchlichsten und technisch
ausgereiftesten Speichermethoden [60]. Technisch interessant ist der Druckbereich von 350
bis 700 bar. Unterhalb ist die volumetrische Energiedichte zu gering. Bei höherem Druck ist
die Abweichung vom idealen Gasverhalten so groß, dass die steigenden Anforderungen an
Theoretischer Teil 7

den Druckbehälter durch die verhältnismäßig geringe Zunahme der Gasdichte nicht
aufgewogen werden [60].

Wurden früher Stahlbehälter verwendet, so gelten heute Behälter aus Kompositmaterialien als
Stand der Technik [24]. Diese verfügen über ein geringeres Behältergewicht, wodurch eine
höhere gravimetrische Speicherdichte ermöglicht wird. Zudem umgehen sie das Problem der
Wasserstoffversprödung [61]. Ein Kompositbehälter setzt sich aus dem Innenliner und dem
Laminat, welcher den Liner umgibt, zusammen. Der Innenliner besteht meist aus Stahl oder
Aluminium und verhindert die Diffusion des Wasserstoffs. Das Laminat sorgt für die
mechanische Stabilität und besteht aus mit Epoxidharz getränkten Kohlenstofffasern [61]. Ein
Nachteil an Kompositmaterialien ist deren geringe Wärmeleitfähigkeit, was eine schnelle
Druckbeaufschlagung behindert [62]. Generell sind Druckbehälter in ihrer Bauform auf
kugel- und zylinderförmige Geometrien limitiert [58]. Die gravimetrische
Wasserstoffspeicherdichte ist mit maximal 1 bis 2 wt% gering [24]. Zudem stellt der hohe
Systemdruck eine Gefahrenquelle dar [58].

Höhere Energiedichten werden mit flüssigem Wasserstoff in Kryotanks erreicht. Es sind


gravimetrische Speicherdichten von 6 bis 7 wt% möglich [63]. Die Verflüssigung des
Wasserstoffs erfolgt durch das Linde-Verfahren: Der Wasserstoff wird verdichtet und
anschließend gekühlt. Bei der nachfolgenden Drosselung sinkt die Temperatur durch den
Joule-Thomson-Effekt weiter ab und flüssiger Wasserstoff wird abgeschieden [24, 64]. Der
Energieaufwand für die Verflüssigung ist mit 30 % der gespeicherten Energie jedoch hoch.
Zum Vergleich: Die Kompression von Wasserstoff auf 700 bar verbraucht 15 % der
eingesetzten Energie [24, 56, 60, 65].

Zudem muss der Kryotank stets unter der Siedetemperatur von Wasserstoff von -252 °C
gehalten werden [58]. Durch den Einsatz von Vakuumsuperisolatoren soll den hohen
Anforderungen an die Isolierung des Behälters Rechnung getragen werden [60, 63]. Ein
Wärmeeintrag durch Wärmestrahlung sowie Wärmeleitung in Rohren, Kabeln und
Halterungen lässt sich dennoch nicht verhindern [56] und muss durch das Verdampfen
flüssigen Wasserstoffs kompensiert werden. Dieser sog. „Boil-off“ ist eine Funktion der
Behälterform, -größe und –isolierung [64]. Er setzt nach drei Tagen ein und verbraucht bis zu
3 % des gespeicherten Wasserstoffs pro Tag [24, 65]. Durch hinreichend große Systemgrößen
und ein günstiges Oberflächen-Volumen-Verhältnis kann der Boil-off zwar minimiert werden,
eine Langzeitspeicherung ist durch die hohe Selbstentladungsrate dennoch nicht möglich.
8 Theoretischer Teil

Kryodrucktanks sind isolierte Druckbehälter, die bei Temperaturen von unter -252 °C und
Drücken über 240 bar betrieben werden können [66-68]. Der Wasserstoff kann dadurch als
Flüssigkeit und komprimiertes Gas gespeichert werden. Dies reduziert die Abdampfverluste
deutlich und verhindert eine vollständige Selbstentladung [62]. Der technischen Anwendung
steht jedoch gegenwärtig die Stabilität des Vakuums in der Isolierschicht entgegen, welche
nicht über einen längeren Zeitraum gewährleistet werden kann [68].

2.1.2 Wasserstoffspeicherung in Feststoffen

Vielfach wird die Wasserstoffspeicherung in Festkörpern diskutiert. Es wird zwischen


chemi- und physisorptiven Speichern unterschieden. Bei chemisorptiven Speichern, z.B.
Metallhydriden, wird der Wasserstoff chemisch an den Feststoff gebunden. Bei der
Physisorption an hochporösen Oberflächen erfolgt die Anlagerung des Wasserstoffs durch
schwächerer Van-der-Waals-Wechselwirkungen [58, 64]. Die Stärke der Bindung ist
ausschlaggebend für den Arbeitsbereich des Speichers: Bei chemisorptiven Speichern erfolgt
die Wasserstofffreisetzung erst ab Temperaturen über 200 °C, physisorptive Speicher arbeiten
meist unter -200 °C [69]. Die Verschiebung des Arbeitsbereichs hin zu umgebungsnahen
Bedingungen ist bei beiden Speicherklassen Gegenstand zahlreicher Forschungsaktivitäten.
Zudem gilt es hohe Anforderungen an die Reversibilität sowie die Speicher- und
Freisetzungskinetik zu erfüllen.

2.1.2.1 Physisorptive Wasserstoffspeicher

Bei physisorptiven Speichern wird der Wasserstoff durch physikalische Adsorption an der
Oberfläche eines porösen Feststoffs gebunden. Gekrümmte Oberflächen erweisen sich als
besonders günstig [58, 64]. Potentielle Speicher sind daher durch ein großes
Mikroporenvolumen sowie eine hohe spezifische Oberfläche gekennzeichnet.

Zeolithe sind neben ihrer mikroporösen Struktur auch aufgrund ihrer hohen Variabilität als
Wasserstoffspeicher interessant. Problematisch ist jedoch das hohe Gewicht der eingesetzten
Atome [69] und das vergleichsweise geringe Porenvolumen [70]. Beispielsweise wird mit
Faujasit bei -196 °C und 1 bar eine Wasserstoffspeicherdichte von 1,5 wt% erreicht [71]. Für
Theoretischer Teil 9

eine technische Anwendung ist dies deutlich zu gering und markante Steigerungen sind nicht
zu erwarten [60].

Metall-organische Gerüste (MOFs) bestehen aus Metallionen, die durch organische Moleküle
verbunden sind. Sie zeichnen sich, ähnlich wie Zeolithe, durch eine hohe spezifische
Oberfläche sowie durch eine große Vielfalt bezüglich Strukturen und chemischer
Zusammensetzungen aus, was das Potenzial der maßgeschneiderten Entwicklung von
Feststoffspeichern birgt [69]. Zwischen Speicherdichte und spezifischer Oberfläche besteht
ein nahezu linearer Zusammenhang [72]. Mit MOF-177 wurde bei -196 °C und 70 bar eine
Speicherdichte von 7,5 wt% erreicht [72]. Noch aussichtsreicher ist NU-100 mit einer
Speicherdichte von 16,4 wt% bei -196 °C und 70 bar [73]. Besonders interessant ist das
Phänomen der Gated-Adsorption: Bedingt durch die Gerüstflexibilität einiger MOFs dehnt
sich deren Struktur bei der Adsorption aus. Die Folge ist ein ausgeprägtes Hystereseverhalten,
sodass der Druck bei der Lagerung deutlich unter dem Druck des Beladevorgangs liegen kann
[74].

Kohlenstoffmaterialien sind durch eine geringe Dichte, eine gute chemische Beständigkeit
sowie eine große Formenvielfalt gekennzeichnet. Zur Wasserstoffspeicherung eignen sich
Aktivkohlen, Graphite sowie Kohlenstoffnanoröhren. Die Speicherkapazität korreliert dabei
direkt mit dem Mikroporenvolumen [70, 75]. Durch chemische Modifikation der Oberfläche
kann die Speicherkapazität erhöht werden [76]. Aktivkohlen weisen teils beachtliche
Speicherkapazitäten von bis zu 8 wt% auf. Dazu sind allerdings stets hohe Drücke sowie tiefe
Temperaturen notwendig. Von Kohlenstoffnanoröhren (CNT) werden Speicherkapazitäten
von bis zu 20 wt% bei Umgebungsbedingungen berichtet [62, 77, 78]. Die Spreizung der
Ergebnisse ist jedoch enorm, eine Reproduktion häufig nicht möglich. Daher stellen CNTs
sicherlich ein spannendes Forschungsgebiet dar, eine praktische Anwendung ist jedoch nicht
in Sicht.

Polymere mit intrinsischer Mikroporosität (PIM) gelten ebenfalls als potentielle


Wasserstoffspeicher. Ein Polymer aus Triptycen-Monomeren als bislang bestes System
erreicht bei 10 bar und -196 °C eine Speicherkapazität von 2,7 wt% [79]. Angesichts der
großen Variabilität von Polymersynthesen verspricht diese Stoffklasse ein hohes
Steigerungspotential [69]. Tabelle 1 fasst die Speicherkapazitäten ausgewählter Systeme aller
behandelten Stoffklassen zusammen. Der technischen Anwendung physisorptiver
Wasserstoffspeicher stehen trotz der teils hohen Speicherkapazitäten beachtliche Hürden
entgegen. Die hohen Drücke und tiefen Temperaturen stellen hohe Anforderungen an
10 Theoretischer Teil

Behälter und Peripherie und setzen dadurch die Speicherkapazität des Gesamtsystems
deutlich herab. Zwar sind die Abdampfverluste im Vergleich zur Speicherung flüssigen
Wasserstoffs deutlich geringer, der Aufwand dafür ist jedoch hoch. Zudem werden bei der
Adsorption beachtliche Wärmemengen frei, die bei niedrigem Temperaturniveau abgeführt
werden müssen. Technisch scheint dies nur durch die Verdampfung von Flüssigstickstoff
möglich, was jedoch wirtschaftlich sowie energietechnisch kaum tragbar ist [60].

Tabelle 1: Speicherkapazitäten ausgewählter physisorptiver Speichermedien

Speichermedium Typ Temperatur Druck Kapazität Referenz


[°C] [bar] [wt%]
Zeolith FAU -196 1 1,5 [71]
Li-LSX 25 100 1,6 [80]
MOF MOF-177 -196 70 7,5 [72]
NU-100 -196 70 16,4 [73]
Aktivkohle KUA5 -196 39 8,0 [62]
KUA5 25 493 6,8 [62]
AX-215 -196 20 5,0 [81]
CNT Li-CNT 200 - 400 1 20 [82]
SWNT-Fe 25 0,8 < 0,005 [83]
PIM Trip-PIM -196 10 2,7 [79]

2.1.2.2 Wasserstoffhydride

Zahlreiche Metalle sind in der Lage Wasserstoff reversibel zu binden. Die Einlagerung des
Wasserstoffs erfolgt atomar in den Zwischengitterplätzen. Für eine technische Anwendung
sind neben einer hohen Speicherkapazität und Reversibilität, ein geeignetes Betriebsfenster
sowie eine schnelle Freisetzungs- und Speicherkinetik Voraussetzung. Aufgrund seiner
Speicherkapazität von 7,7 wt% ist Magnesiumhydrid MgH2 besonders interessant, jedoch ist
eine Wasserstofffreisetzung thermodynamisch selbst bei 1 bar erst ab 300 °C möglich [84].
Der Zusatz von Additiven sowie die Verwendung von Legierungen können die
Sorptionsbedingungen verbessern, damit geht jedoch häufig eine Reduktion der
Speicherkapazität einher. Bei Mg2NiH4 betragen Desorptionstemperatur und -druck
250 - 300 °C sowie 2,1 – 3,0 bar, die Speicherkapazität reduziert sich allerdings auf 3,6 wt%
Theoretischer Teil 11

[84]. Beachtlich sind auch Mischungen von MgH2 und LiBH4 mit einer reversiblen
Speicherkapazität von 8 - 10 wt% sowie einer Desorptionstemperatur von unter 250 °C [85].

Die Kinetik der Wasserstoffaufnahme setzt sich aus den Teilschritten der dissoziativen
Adsorption an der Oberfläche, der Penetration des Wasserstoffs durch die Oberfläche sowie
der Diffusion des Wasserstoffs durch das Metall und das bereits gebildete Hydrid zusammen.
Die Desorption verläuft auf entgegengesetztem Wege [69, 84]. Kleine Partikelgrößen
verringern die Diffusionswege und verbessern so die Kinetik. Gewünscht sind
Partikeldurchmesser unter 100 µm [86]. Mit Kugelmühlen können nicht nur entsprechend
kleine Partikeln erzeugt werden. Sie führen auch zu Änderungen in der Mikrostruktur und
Fehlern in der Kristallstruktur, welche die Penetration des Wasserstoffs erleichtern [86]. Die
Kinetik kann zudem durch den Einsatz von Katalysatoren, welche die Dissoziation des
Wasserstoffs katalysieren, verbessert werden. Hierbei haben sich die Metalle Titan [87],
Nickel [88, 89] oder Palladium [86, 90, 91] bewährt.

Bei komplexen Metallhydriden wird der Wasserstoff kovalent in Komplexanionen salzartiger


Materialien gebunden. Je nach Anion wird zwischen Boranaten, Alanaten und Amiden
unterschieden, als Kation dienen meist Alkali- oder Erdalkalimetallionen. Borhydrid- und
Amidsysteme zeichnen sich zwar häufig durch hohe Speicherkapazitäten und gute
Freisetzungsbedingungen aus. Allerdings werden bei der Dehydrierung Borane [92] bzw.
Ammoniak [84] gebildet, welche beide in Brennstoffzellen als Katalysatorgift wirken. Die
Forschung konzentriert sich daher vorwiegend auf Alanate. Am vielversprechendsten
erscheint Natriumalanat NaAlH4. Als bahnbrechend gilt die Arbeit von Bogdanovic und
Schwickardi [93]: Der Einsatz von Titankatalysatoren ermöglicht die Hydrierung und
Dehydrierung bei deutlich milderen Bedingungen. Die Reaktion läuft zweistufig nach (1) und
(2) ab. Der erste Teilschritt findet ab 30 °C statt und setzt 3,7 wt% Wasserstoff frei, der
zweite ab 100 °C weitere 1,8 wt% [94]. Es ergibt sich eine Gesamtspeicherkapazität von
5,6 wt%.

3 NaAlH4 → Na3AlH6 + 2 Al + 3 H2 (1)

Na3AlH6 → 3 NaH + Al + 1,5 H2 (2)

Eine technische Anwendung ist dennoch schwierig. Bei der Hydrierung werden erhebliche
Wärmemengen frei, der Wärmeübergang wird durch die Pulverform des Speichers jedoch
erheblich erschwert. Es droht das Sintern oder Schmelzen der Alanatpartikeln [94]. Durch
12 Theoretischer Teil

Pelletierung [95] sowie den Einsatz von berippten Rohren [96] konnten bereits gute
Ergebnisse erzielt werden. Die Wärmeabfuhr bleibt dennoch heikel. Diese wird zusätzlich
durch die beträchtlichen Volumenänderungen bei der Be- und Entladung von bis zu 30 % und
der damit einhergehenden Kanalbildung erschwert [97, 98]. Durch die Pulverform reduziert
sich die Dichte im Vergleich zum Kristall bis um die Hälfte [62] und damit auch die
volumetrische Speicherkapazität. Erschwerend kommen die harschen Bedingungen für die
Beladung mit Drücken bis über 100 bar [56, 97] hinzu, weshalb der gesamte Speicher als
Druckbehälter ausgeführt werden muss.

2.1.3 Wasserstoffspeicherung in synthetischen Kraftstoffen

Durch die Hydrierung von CO2 kann Wasserstoff chemisch gespeichert und in synthetischen
Kraftstoffen gebunden werden [99-101]. Je nach Produkt wird diese Technologie als
Power-to-Gas oder Power-to-Liquid bezeichnet. Potentielle CO2-Quellen sind fossile
Kraftwerke, die Zementindustrie sowie Biogasanlagen. Die Nutzung von Umgebungsluft
erscheint gegenwärtig nicht sinnvoll [102]. Als synthetische Kraftstoffe bieten sich besonders
Methan, flüssige Kohlenwasserstoffe, Methanol sowie Ameisensäure an. Da sie allesamt
Grundstoffe der chemischen Industrie sind, können sie nicht nur als Energievektor in der
Energiespeicherung sondern auch als Stoffvektor in der chemischen Industrie eingesetzt
werden [103]. Die starke Ähnlichkeit mit konventionellen Kraftstoffen erleichtert zudem die
Nutzung bestehender Infrastrukturen. Das Konzept der Nutzung von synthetischen
Kraftstoffen ist in Schema 1 zusammengefasst.

CO2

CO2 - CO2 + H2O


H2O Bereitstellung

Mobilität Energie-
Pel Elektrolyse
H2 versorgung
Synthese

CH3OH HCOOH
O2
Speicher
Chemische
Industrie

Schema 1: Konzept der Wasserstoffspeicherung mit synthetischen Kraftstoffen.


Theoretischer Teil 13

2.1.3.1 Methanisierung

In der Sabatier-Reaktion wird CO2 mit Wasserstoff zu regenerativem Methan, sog. SNG
(engl. synthetic natural gas), umgesetzt. Die stark exotherme Gasphasenreaktion wird bei
einer Temperatur von 300 – 700 °C und einem Druck von bis zu 30 bar durchgeführt [104].
Als Katalysatoren sind besonders Ruthenium und Nickel geeignet [105]. Die größte
technische Herausforderung stellt die Abfuhr der Reaktionswärme dar. Meist werden
Festbettreaktoren eingesetzt, die als Hordenreaktoren ausgeführt sind [106, 107]. Durch die
Rückführung von Produktgas kann der Temperaturanstieg im Reaktor zusätzlich reduziert
werden [104, 106]. Wird ein Wirbelschichtreaktor mit integriertem Wärmeübertrager
verwendet, kann die Reaktion unter nahezu isothermen Bedingungen durchgeführt werden
[104]. Ein Nachteil ist jedoch die hohe mechanische Belastung des Katalysators. Dies führt zu
Abrieb und macht einer Feststoffabtrennung, z.B. in Form eines Zyklons, notwendig [104].

CO2 + 4 H2 → CH4 + 2 H2O (ΔHR = -165 kJ/mol) (3)

Mit dem bestehenden Erdgasnetz und Gaskraftwerken sind die nötige Infrastruktur sowie eine
etablierte Rückverstromungstechnologie bereits vorhanden [103, 108]. Für Power-to-Gas-
Anlage bietet sich besonders die Kopplung mit Biogasanlage an, da das anfallende CO2
klimaneutral ist und zudem in hohen Konzentrationen anfällt. Besonders interessant ist die
direkte Methanisierung von Biogas. Durch überschüssige erneuerbare Energie im Stromnetz
kann der Methangehalt des CH4/CO2-Gemisches sukzessive erhöht und damit der
Energiegehalt gesteigert werden. Bei hinreichend geringer Konzentration an CO2 ist sogar
eine direkte Einspeisung ins Erdgasnetz möglich [109-111].

2.1.3.2 Flüssige Kohlenwasserstoffe

Durch die Fischer-Tropsch-Synthese kann CO2 in Diesel oder andere flüssige


Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden. Da bei einer direkten Hydrierung von CO2 die
Reaktionsrate gering und die Selektivität ungünstig sind, macht eine vorherige Umsetzung
von CO2 zu CO durch die reverse Wassergas-Shift-Reaktion Sinn. Ein Vollumsatz ist
14 Theoretischer Teil

technisch jedoch kaum zu erreichen, sodass in der Fischer-Tropsch-Synthese mit


CO/CO2-Mischungen gearbeitet wird [112]. Für die Gesamtreaktion gilt:

CO2 + 3 H2 → (-CH2-) + 2 H2O (ΔHR = -128 kJ/mol) (4)

In der Fischer-Tropsch-Synthese sind Eisen- und Kobaltkatalysatoren Stand der Technik.


Eisenkatalysatoren verfügen neben einer Hydrieraktivität auch über eine Aktivität für die
Wassergas-Shift-Reaktion, was bei CO2-reichem Syngas vorteilhaft sein kann [112-115]. Mit
einem höheren CO2-Anteil reduzieren sich jedoch die Reaktionsrate und der Umsatz deutlich
[112, 114]. Zudem hat der CO2-Anteil einen Einfluss auf die Produktzusammensetzung: Ein
höherer CO2-Anteil verschiebt die Produktverteilung hin zu kurzkettigeren
Kohlenwasserstoffen und führt zu einer stärkeren Methanisierung [112, 115]. Beides ist
unerwünscht.

Kobaltkatalysatoren zeigen im Allgemeinen keine Aktivität für die Wassergas-Shift-Reaktion


[113, 114, 116]. Die deutlich stärkere Adsorption von CO am Kobaltkatalysator im Vergleich
zu CO2 führt dazu, dass CO2 in CO/CO2-Gemischen kaum einen Einfluss auf den CO-Umsatz
und die Produktzusammensetzung hat und daher meist als Inertmaterial betrachtet werden
kann [114, 117]. Dennoch ist die Aktivität des Katalysators für die Hydrierung von CO2 hoch.
Mit CO-freiem Syngas werden teils höhere Reaktionsraten als mit CO erreicht [115, 118]. Bei
der CO2-Umsetzung dominiert allerdings die Methanisierung mit einem Anteil von bis zu
90 % des Gesamtumsatzes [115-119]. Die direkte Hydrierung von CO2 ist daher derzeit für
beide Katalysatortypen keine ernsthafte technische Option.

Die reverse Wassergas-Shift-Reaktion wird mit Nickelkatalysatoren bei 800 °C und


Atmosphärendruck durchgeführt [120]. Bei einer Verweilzeit von unter 0,1 s werden Umsätze
von über 80 % erreicht [112]. Die Reaktion kann daher in einem sehr kompakten Reaktor
durchgeführt werden. Für die Fischer-Tropsch-Synthese bietet sich ein als Rohrbündel
ausgeführten Festbettreaktor an [120]. Eine Ausführung als Umlaufreaktor erleichtert die
Temperaturkontrolle des Reaktors [112]. Typische Reaktionsbedingungen liegen bei
220 - 250 °C und 20 - 30 bar [114-117, 119]. Bei Eisenkatalysatoren empfiehlt sich eine
Dampfabscheidung zwischen reverser Wassergas-Shift-Reaktion und Fischer-Tropsch-
Synthese, da der Katalysator empfindlich auf Wasserdampf reagiert [112, 116] und der
Wasserdampf das Gleichgewicht der Wassergas-Shift-Reaktion auf die Seite des CO2
verschiebt [112].
Theoretischer Teil 15

2.1.3.3 Methanol

Industriell wird Methanol heute überwiegend aus Synthesegas hergestellt [121, 122].
Regenerativ kann Methanol durch die heterogen katalysierte Hydrierung von CO2 mit
erneuerbarem Wasserstoff erzeugt werden. Mit Kupfer-Zink-Katalysatoren findet die
Umsetzung bei 10 – 30 bar und 220 – 250 °C statt [123, 124]. Durch den flüssigen
Aggregatszustand ist Methanol gut lager- und handhabbar und kann daher leicht in die
vorhandene Kraftstoffinfrastruktur integriert werden. Die erste kommerzielle Anlage zur
Erzeugung erneuerbaren Methanols wurde 2012 in Svartseng, Island, in Betrieb genommen.
Das dabei eingesetzte CO2 ist geologischen Ursprungs [125].

CO2 + 3 H2 → CH3OH + H2O (ΔHR = -87 kJ/mol) (5)

In Verbrennungsmotoren kann Methanol als Reinstoff sowie als Beimischung eingesetzt


werden und so konventionelle Kraftstoffe ersetzten [126-128]. Bei der Methanol
Reformierung wird elementarer Wasserstoff freigesetzt. Dadurch ist theoretisch eine
reversible Wasserstoffspeicherung in Methanol möglich [122]. Für
Energiespeicheranwendungen sind Direktmethanolbrennstoffzellen (engl. direct methanol fuel
cell, DMFC) interessant, da diese eine Stromerzeugung aus Methanol ohne den Umweg
Wasserstoff ermöglichen [129, 130].

2.1.3.4 Ameisensäure

Industriell wird Ameisensäure im BASF-Prozess durch die stufenweise Umsetzung von CO


mit Methanol und Wasser hergestellt [131, 132]. Regenerative Ameisensäure kann nach (6)
durch die Hydrierung von CO2 erzeugt werden. Die Reaktion ist exotherm, das Gleichgewicht
liegt jedoch deutlich auf Seite der Edukte. Dies macht den Zusatz von Basen nötig, welche die
ungünstige Gleichgewichtslage verschieben [133]. Meist werden Amine, z.B. NEt3,
eingesetzt. Die verwendeten Katalysatoren sind in der Regel homogen, wobei Ruthenium-
Verbindungen besonders geeignet sind [132, 134, 135]. Die aufwendige Isolation der
Ameisensäure aus dem Produktgemisch erweist sich gegenwärtig jedoch als beachtliche
Hürde für die technische Nutzung dieses Reaktionspfades [136]. Ein Ausweg kann die
16 Theoretischer Teil

Immobilisierung des Katalysators in ionischen Flüssigkeiten sein. Im Labormaßstab wurde


bereits ein darauf basierender kontinuierlicher Prozess mit in-situ Produktabtrennung realisiert
[137].

CO2 + H2 → HCOOH (ΔHR = -31 kJ/mol) (6)

Ein großer Vorteil von Ameisensäure als Wasserstoffspeicher ist deren gute Dehydrierbarkeit.
Die Wasserstofffreisetzung findet schon ab einer Temperatur von 25 °C statt [138]. Meist
werden homogene Ruthenium-oder Eisen-Katalysatoren verwendet [139-141], allerdings ist
auch der Einsatz heterogener Katalysatoren möglich [132, 142]. Da bei der Dehydrierung kein
CO als Nebenprodukt entsteht, kann das Gasgemisch direkt in einer Brennstoffzelle verstromt
werden [134, 139]. Für die Ent- und Beladung eines solchen Speichersystems konnte eine
vollständige Reversibilität über viele Zyklen hinweg gezeigt werden [143-145]. Der
Katalysator zeigte ebenfalls kein Deaktivierungsverhalten [146]. Eine mit Ameisensäure
betriebene „Wasserstoffbatterie“ scheitert gegenwärtig jedoch an einer geeigneten
CO2-Abtrennung. Auch eine direkte Verstromung von Ameisensäure in
Direktbrennstoffzellen (engl direct formic acid fuel cell, DFAFC) ist möglich [147, 148]. Der
Entwicklungsstand von DFAFCs liegt jedoch deutlich hinter dem von DMFCs [134].

Die großtechnische Nutzung aller synthetischen Kraftstoffe ist nur möglich, wenn
ausreichende Mengen an klimaneutral gewonnenem CO2 zur Verfügung stehen. Die
Umgebungsluft bildet ein großes, frei zugängliches Reservoir an CO2. Allerdings ist die
Abtrennung aufgrund der geringen Konzentration von 380 ppm aufwendig, energieintensiv
und daher gegenwärtig nicht wirtschaftlich [102]. An besseren Methoden zur
CO2-Abtrennung aus der Luft wird geforscht [99, 149]. Derzeit ist nur die Gewinnung von
CO2 aus ergiebigen Punktquellen technisch sinnvoll [102, 131]. Etabliert ist die
CO2-Abtrennung aus Erdgas. Im Rohzustand liegt der CO2-Anteil häufig über 4 vol%,
gewünscht ist jedoch ein Wert unter 2 vol% [102]. Auch die CO2-Abtrennung aus dem
Rauchgas fossiler Kraftwerke ist Stand der Technik [150, 151]. Die Zementindustrie emittiert
ebenfalls beachtliche Mengen [131]. Das CO2 ist jedoch stets fossilen Ursprungs. Durch
dessen Verwendung kann zwar der energetische Nutzen des emittierten CO2 erhöht werden,
eine regenerative Energieversorgung schließt sich jedoch aus. Das einzig regenerative und
zugleich heute technisch nutzbare CO2 stammt aus biogenen Quellen. Deren Ausbaubarkeit
ist jedoch begrenzt. Daher liegt die Zukunft synthetischer Kraftstoffe wohl ausschließlich in
Nischenanwendungen.
Theoretischer Teil 17

2.2 Flüssige organische Wasserstoffträger

Bei flüssigen organischen Wasserstoffträgern (engl. liquid organic hydrogen carrier, LOHC)
erfolgt die Speicherung ebenfalls chemisch durch kovalente Bindung des Wasserstoffs. Im
Gegensatz zu synthetischen Kraftstoffen hat die Wasserstofffreisetzung jedoch nicht die
Zersetzung des Trägers zur Folge. Vielmehr kann der LOHC ähnlich einer Batterie
theoretisch beliebig oft be- und entladen werden. Es ergibt sich ein geschlossener
Stoffkreislauf, welcher in Schema 2 gezeigt ist. Die entladene Spezies ist eine aromatische
Kohlenstoffverbindung, die durch katalytische Hydrierung wiederbeladen werden kann. Die
Wasserstofffreisetzung erfolgt durch die katalytische Dehydrierung des entsprechenden
Aliphaten. Beide Reaktionen sind mit einem beachtlichen Wärmeumsatz verbunden. Dies ist
reaktionstechnisch herausfordernd und verlangt nach einem ausgefeilten Wärmemanagement.
Gleichwohl ist die starke Endothermie der Dehydrierung auch ein sicherheitstechnischer
Gewinn, da die freiwerdende Wasserstoffmenge direkt an den zugeführten Wärmestrom
gekoppelt ist.

·
Q H2

Katalytische Hydrierung
Energiereiche Energiearme
Form Lagerung & Transport Form

HXLOHC H0LOHC
Katalytische Dehydrierung

·
Q H2
Schema 2: Wasserstoffspeicherung mit flüssigen organischen Wasserstoffträgern.

Der flüssige Aggregatszustand aller Komponenten eines LOHC-Systems ermöglicht eine


drucklose und damit sichere Lagerung und erleichtert die Handhabbarkeit des
Speichersystems beträchtlich. Die stofflichen Eigenschaften von LOHCs sind mit
konventionellen Kraftstoffen vergleichbar. Dies erlaubt die Nutzung bestehender
Infrastrukturen. Viele potentielle LOHC-Systeme kommen großtechnisch in der chemischen
Industrie zum Einsatz und können daher kostengünstig, in großen Mengen und in konstant
hoher Qualität bezogen werden. Ferner sind die Hydrierung und Dehydrierung Bestandteil
von zahlreichen technischen Prozessen. Die Nutzung dieses Know-how kann den
18 Theoretischer Teil

Entwicklungsaufwand von LOHC-Systemen deutlich reduzieren. Zudem ist der freigesetzte


Wasserstoff CO-frei [152]. Das ist ein Vorteil, insbesondere wenn der Wasserstoff in
Brennstoffzellen genutzt werden soll.

2.2.1 Energiespeicherkonzepte

Die Idee der Wasserstoffspeicherung in LOHCs ist keineswegs neu. Bereits Ende der 1970er
Jahre entwickelten Taube et al. [153, 154] ein Konzept, dass die Verwendung des Stoffpaars
Methylcyclohexan/Toluol als Wasserstoffspeicher vorsah. Der Wasserstoff sollte
elektrolytisch aus Atomkraft erzeugt und diese Energiequelle so für Automobile nutzbar
gemacht werden. Scherer et al. [155-157] schlugen Ende der 1990er dasselbe Stoffsystem zur
saisonalen Energiespeicherung vor. Billiger Überschussstrom sollte im Sommer gespeichert
und im Winter genutzt werden.

Erneuerbare Energien
Lagerung Transport Verteilung

Nutzung

Pel
Hydrierung H0LOHC
Elektrolyse

Wärme-
Dehydrierung
· · H2
H2 Q Q
speicher
C

Thermokatalytische
Methanzersetzung HXLOHC
CH4

Schema 3: Modell einer LOHC basierten Energiewirtschaft.

Heutige Anwendungsszenarien sind vor allem durch umweltpolitische Gesichtspunkte sowie


die hohe Volatilität erneuerbarer Energien geprägt. Schema 3 gibt eine kompakte Übersicht.
Meist wird die elektrolytische Wasserstofferzeugung aus regenerativem Überschussstrom
vorgeschlagen. Der Einsatz in Automobilen bietet sich v.a. wegen der hohen Energiedichte
Theoretischer Teil 19

der LOHCs sowie deren Kompatibilität mit der bereits vorhandenen Kraftstoffinfrastruktur
an. Die Branche ist aufgrund ihrer Größe auch wirtschaftlich sehr interessant. Die
Anforderungen an die Entladeeinheit sind durch das begrenzte Volumen und Gewicht
allerdings hoch. Die Beladung des H0LOHCs erfolgt in diesem Konzept in großen
industriellen Einheiten [30].

Eine vollständig dezentrale Speichereinheit ist das von Teichmann et al. [32] vorgestellte
energiehandelnde Haus. Dieses ist sowohl als Element eines Smart Grids als auch Insellösung
denkbar. Die Anforderungen an die Freisetzungstechnologie sind dabei weniger streng und
eine gute Wärmeintegration wesentlich leichter realisierbar als in mobilen Anwendungen.
Allerdings ist neben dem Dehydrierstrang auch die Installation eines Hydrierstrangs
notwendig. Hier bergen besonders die kleine Dimension der Hydriereinheit sowie die
fehlende kommerzielle Verfügbarkeit von Elektrolyseuren passender Größe Probleme.

Die Kombination der Mischgashydrierung von LOHCs mit der thermokatalytischer


Methanzersetzung kann zur klimaneutralen Nutzung fossiler Energieträger beitragen [158].
Erdgas wird hierbei zu Wasserstoff und Kohlenstoff umgesetzt, ein Vollumsatz ist
thermodynamisch jedoch nicht möglich. Die Hydrierung mit Mischgasen ermöglicht die
Wasserstoffabtrennung aus dem Produktgemisch und die energiedichte Speicherung in einem
einzigen Prozessschritt. Wird der Kohlenstoff deponiert und damit der Umwelt entzogen, ist
Klimaneutralität erreicht. Diese Technologie ist vor allem für kleinere, abgelegene
Erdgasquellen interessant, deren Erschließung gegenwärtig aufgrund der hohen
Infrastrukturkosten, z.B. für Pipelines, nicht lohnt.

Das von Pfeifer vorgeschlagene Konzept des Liquid Organic Reaction Cycle zeigt, dass mit
LOHCs nicht nur Wasserstoff, sondern auch Wärme gespeichert werden kann. Im Falle eines
Wärmüberschusses wird die thermische Energie chemisch durch die Dehydrierung des
LOHCs gespeichert [159, 160]. Der LOHC wird in konventionellen Flüssigtanks, der
freigesetzte Wasserstoff in Druckgastanks [161] oder Metallhydriden [159] gespeichert. Bei
Wärmebedarf wird die thermische Energie durch die Hydrierung des LOHCs wieder
freigesetzt. Solarthermie-Kraftwerke sind ein mögliches Anwendungsgebiet [159, 161].
20 Theoretischer Teil

2.2.2 Systemkomponenten und Wirkungsgrad

Die Effizienz der Energiespeicherung wird durch den Gesamtwirkungsgrad ηges quantifiziert,
welcher nach (7) durch das Verhältnis von rückgewonnener zu eingespeister Energie definiert
ist. Zugleich ist der Gesamtwirkungsgrad das Produkt aller Systemkomponenten. Für eine
LOHC-basierte Stromspeichereinheit, wie beispielsweise das energiehandelnde Haus, sind
dies die Elektrolyse, die Hydrierung, die Dehydrierung sowie die Rückverstromung des
Wasserstoffs.

ηges. = Eel,Ausgang/Eel,Eingang = ηElektrolyse · ηHydrierung · ηDehydrierung · ηRückverstromung (7)

Bei der Hydrierung wird aufgrund der Exothermie der Reaktion von keinem externen
Energieaufwand ausgegangen [32, 162]. Der nötige Wasserstoffdruck wird in der Elektrolyse
erzeugt [162]. Die Energieverluste sind daher marginal, Müller et al. [103] gehen von
ηHydrierung = 98 % aus. Erfolgt die Wärmeversorgung der Dehydrierung ausschließlich aus der
Abwärme der Rückverstromung, kann diese ebenfalls als verlustfrei betrachtet werden [31,
32, 103]. Über den Gesamtwirkungsgrad entscheiden damit fast ausschließlich die Elektrolyse
sowie die Rückverstromungstechnologie.

Elektrolyse:

Gängige Elektrolyseverfahren sind die alkalische, die PEM- sowie die Hochtemperatur-
elektrolyse. Die alkalische Elektrolyse ist technisch am ausgereiftesten und wird
großtechnisch eingesetzt, wenn besonders reiner Wasserstoff gefordert ist [34, 163]. Die
Elektroden bestehen aus porösem Raney-Nickel und werden zur Gastrennung durch ein
Diaphragma getrennt [34, 164]. Als Elektrolyt dient eine 20 – 40 wt%ige KOH-Lösung [163,
164], Anoden- und Kathodenreaktion ergeben sich zu (8.1) – (8.3). Typische
Betriebstemperaturen liegen bei 80 – 90 °C [20]. Die Lebensdauer ist mit bis zu 90.000
Betriebsstunden außerordentlich hoch [20, 164]. Es kann ein Wasserstoffdruck von bis 30 bar
erzeugt werden [34, 164, 165]. Es ist ein Teillastbetrieb von minimal 20 – 40 % der
Nennleistung möglich [20, 163]. Bei geringer Last erweist sich die erhöhte Querdiffusion der
Gase als Problem [41, 163], diese ist sicherheitstechnisch bedenklich. Zudem verringert sich
Theoretischer Teil 21

der Wirkungsgrad durch Rekombination. Der Wirkungsgrad alkalischer Elektrolyseure liegt


bei 50 - 80 % [165].

Anode: 2 OH- → 0,5 O2 + H2O + 2 e- (8.1)


Kathode: 2 H2O + 2 e- → H2 + 2 OH- (8.2)
Gesamtreaktion: H2O → H2 + 0,5 O2 (8.3)

Charakteristisch für die PEM-Elektrolyse ist die namensgebende protonenleitende


Polymermembran (engl. proton exchange membrane oder auch polymer electrolyte
membrane), die als Feststoffelektrolyt dient. Als Benchmark ist das Material Nafion® etabliert
[34, 41]. Die Elektroden bestehen aus edelmetallbeschichtetem Titan. Als Katalysator wird
anodenseitig Iridium und kathodenseitig Platin verwendet [41, 164]. Kathoden- und
Anodenreaktion sind in (9.1) - (9.2) dargestellt. Die Betriebstemperatur wird durch die
Beständigkeit der Membran limitiert und liegt bei 80 °C [34]. Es sind Wasserstoffdrücke bis
100 bar möglich [20]. Der Wirkungsgrad von PEM-Elektrolyseuren liegt bei 50 – 65 % [165].
Die Lebensdauer ist deutlich kürzer als bei alkalischen Elektrolyseuren [165], die höheren
Stromdichten ermöglichen jedoch eine deutlich kompaktere Bauweise [34, 164].

Anode: H2O → 2 H+ + 0,5 O2 + 2 e- (9.1)


Kathode: 2 H+ + 2 e- → H2 (9.2)
Gesamtreaktion: H2O → H2 + 0,5 O2 (9.3)

Die hohe Flexibilität macht PEM-Elektrolyseuren besonders für


Energiespeicheranwendungen interessant: Der schnelle Protonentransport in der Membran
sorgt für ein exzellentes dynamisches Verhalten [163, 165]. Die hohe Gasundurchlässigkeit
ermöglicht zudem den Betrieb in einem weiten Lastbereich von 5 % bis 300 % der
Nennleistung [20, 163]. Gegenwärtig werden PEM-Elektrolyseure nur von einer Handvoll
Firmen angeboten und vor allem in Spezialanwendungen eingesetzt [163, 165]. Einem
kommerziellen Durchbruch stehen in erster Linie die hohen Kosten im Weg, die sich durch
die teuren Edelmetalle und Polymermembranen ergeben [164]. Die Suche nach Alternativen
ist Gegenstand aktueller Forschung [41].

Hochtemperaturelektrolyseure (engl. solid oxide electrolysis cells, SOEC) machen sich den
thermodynamischen Umstand zu Nutze, dass bei höheren Temperaturen ein größerer Anteil
der für die Wasserspaltung benötigten Energie durch Wärme gedeckt wird [20, 165]. Dadurch
22 Theoretischer Teil

reduziert sich der Bedarf an elektrischer Energie beträchtlich, beispielsweise bei einer
Temperaturerhöhung von 25 °C auf 1000 °C um 40 % [165]. SOECs machen allerdings nur
Sinn, wenn Wärme aus externen Prozessen verfügbar ist [163]. Typische
Betriebstemperaturen liegen bei 800 – 1000 °C [34, 163]. Elektroden wie Elektrolyt sind aus
keramischen Werkstoffen [164]. Anoden- und Kathodenreaktion ergeben sich zu
(10.1) - (10.3). SOECs befinden sich gegenwärtig im Entwicklungsstatus und sind nicht
kommerziell verfügbar [41, 163, 165]. Probleme bereiten die thermische Stabilität der
Werkstoffe und Dichtungen, insbesondere über lange Zeit [163, 164].

Anode: O2- → 0,5 O2 + 2 e- (10.1)


Kathode: H2O + 2 e- → H2 + O2- (10.2)
Gesamtreaktion: H2O → H2 + 0,5 O2 (10.3)

Rückverstromung des Wasserstoffs:

Die energetische Nutzung des Wasserstoffs kann durch die Verbrennung in


Wärmekraftmaschinen sowie direkt durch die Verstromung in Brennstoffzellen erfolgen. In
Brennstoffzellen findet die Rückreaktion der Elektrolyse statt. Der Aufbau und die
Funktionsweise gleichen daher entsprechenden Elektrolyseuren. Teilweise sind sogar Hin-
und Rückreaktion im selben Apparat möglich [166].

Technisch wurden zuerst alkalische Brennstoffzellen z.B. in Raumfahrzeugen eingesetzt. Die


hohe Empfindlichkeit gegenüber CO2, welches durch Reaktion mit dem basischen Elektrolyt
dessen Ionenleitfähigkeit empfindlich reduziert, sowie der geringe Wirkungsgrad von 15 –
20 % machen diese Technologie jedoch wenig zukunftsfähig [167]. Der Wirkungsgrad von
PEM-Brennstoffzellen (PEMFC, engl. PEM fuel cell) ist mit 50 – 60 % [168] deutlich höher.
Zudem haben PEMFCs eine deutlich höhere Leistungsdichte, verfügen über eine bessere
Gastrennung und sind im Betrieb deutlich einfacher [168, 169]. Nachteilig sind die hohen
Investitionskosten bedingt durch die edelmetallhaltigen Katalysatoren und teuren Membranen
[168]. Kommerziell werden PEMFCs in zahlreichen mobilen Anwendungen eingesetzt [167,
170]. Um den dynamischen Anforderungen gerecht zu werden, sind zusätzlich Batterien als
Pufferspeicher nötig [171].

Noch höhere Wirkungsgrade von 45 – 70 % werden mit Hochtemperaturbrennstoffzellen


(SOFC, engl. solid oxide fuel cell) erreicht [170]. Die hohen Betriebstemperaturen von
700 - 800 °C [170] erleichtern zudem das Verwerten der Abwärme, machen das Anfahren
Theoretischer Teil 23

allerdings zeit- und energieintensiv [167]. Unter Laborbedingungen wurden bereits


Langzeitversuche bis über 66.500 h durchgeführt, der Leistungsabfall war mit maximal
0,7 %/kh gering [166, 172]. Die thermische Belastung durch An- und Abfahrvorgänge ist
ebenfalls technisch beherrschbar [166]. In Feldversuchen wurden Prototypen von SOFCs
getestet, beispielsweise für Wohnhäuser konzipierte 1 kW-Anlagen von Sulzer Hexis [173].
Eine Marktreife ist jedoch bislang nicht gegeben.

Die Rückverstromung von Wasserstoff in Wärmekraftmaschinen greift auf eine großtechnisch


etablierte Technologie zurück, die nur wenig modifiziert werden muss. Die geringeren
Ansprüche an die Reinheit des Wasserstoffs sowie die Kompatibilität mit anderen fossilen
Kraftstoffen erleichtern die Markteinführung zusätzlich [174]. Die Wirkungsgrade sind
allerdings deutlich niedriger als bei Brennstoffzellen: Bei Verbrennungsmotoren, die sich für
den mobilen Sektor anbieten, liegt dieser bei maximal 42 % [175], bei großindustriellen
Gasturbinen bei 35 % [103]. Problematisch sind zudem die häufig auftretenden Stickoxide
durch die Verbrennung mit Luftsauerstoff bei hohen Temperaturen [171, 174, 176].

Gesamtwirkungsgrad:

Am Lehrstuhl für Thermische Verfahrenstechnik, Erlangen, wurde der Strom-zu-Strom-


Wirkungsgrad für verschiedene Rückverstromungstechnologien bestimmt. Müller et al. [103]
verglichen eine PEMFC mit verschiedenen Wärmekraftanlagen. Die Ergebnisse sind in
Tabelle 2 zusammengefasst.

Tabelle 2: Strom-zu-Strom-Wirkungsgrad verschiedener Rückverstromungs-


technologien [103].

Technologie Gasmotor Gasturbine PEMFC GuD-Anlage


ηElektrolyse + Hydrierung [-] 0,69 0,69 0,69 0,69
ηDehydrierung [-] 1 1 0,8 0,8
ηRückverstromung [-] 0,42 0,35 0,55 0,55
ηges [-] 0,290 0,242 0,304 0,304

Bei der Brennstoffzelle sowie dem Gas- und Dampf (GuD)-Kraftwerk wird mit 30,4 % der
höchste Gesamtwirkungsgrad erreicht. Aufgrund des geringen Temperaturniveaus der
Abwärme muss die für die Dehydrierung notwendige Energie anderweitig bereitgestellt
24 Theoretischer Teil

werden. Es wird die Verbrennung von freigesetztem Wasserstoff angenommen. Obwohl bei
Verbrennungsmotor und Gasturbine die Abwärme zur Dehydrierung genutzt wird, ist der
Gesamtwirkungsgrad geringer. Entscheidend ist hier die geringe Effizienz der
Rückverstromungstechnologie.

Teichmann et al. [31] verglichen verschiedene Freisetzungskonzepte mit PEMFC und SOFC,
welche in Schema 4 gezeigt sind. Die Wärmebereitstellung der Dehydrierung erfolgt im Falle
der PEMFC durch eine elektrische Beheizung sowie durch die Verbrennung von Wasserstoff
in einem Porenbrenner. Der Gesamtwirkungsgrad ist bei der elektrischen Beheizung mit 20 %
deutlich niedriger als beim Porenbrenner mit 28 %. Als Rückverstromungstechnologie sind
SOFCs besonders interessant, da sie einen hohen Wirkungsgrad aufweisen und zudem
Abwärme auf hohem Temperaturniveau liefern. Mit SOFCs wird mit 38 % der höchste
Gesamtwirkungsgrad erreicht. In vielen Anwendungen kann die Abwärme auch auf niedrigem
Temperaturniveau extern z.B. zum Beheizen oder Klimatisieren von Gebäuden genutzt
werden. Wird diese Energiemenge in den Wirkungsgrad mit einbezogen, sind mit
LOHC-Konzepten Energienutzungsgrade von bis zu 95 % möglich [31].

(I)
HXLOHC H2
Dehydrier- Pel
SOFC
reaktor ηges = 38 %
H0LOHC ·
Q
Q· Dehydrierung
Nutzung

( II )
HXLOHC H2
Dehydrier- PEMFC Pel
reaktor ηges = 28 %
H0LOHC
·
Q Dehydrierung
Porenbrenner
( III )
HXLOHC H2
Dehydrier- PEMFC Pel
reaktor ηges = 20 %
H0LOHC
·
Q Dehydrierung
el. Heizung
Schema 4: Konzepte zur Wärmeintegration der Dehydrierung nach Teichmann et al. [31]
Theoretischer Teil 25

2.2.3 Beispiele möglicher flüssiger organischer Wasserstoffträger

Aufgrund der hohen Anzahl an Doppelbindungen pro Kohlenstoffatom sind aromatische


Verbindungen besonders zur Wasserstoffspeicherung geeignet. Eine Übersicht geeigneter
Substanzen liefert Tabelle 3. Benzol und Toluol sind in der chemischen Industrie
großtechnisch etabliert und kostengünstig in großen Mengen verfügbar. Die Reaktion ist
vollständig reversibel und die Speicherkapazität mit 7,2 wt% bzw. 6,2 wt% hoch. Beide
Systeme wurden daher früh als LOHCs in Betracht gezogen [153-157, 177-179]. Der hohe
Dampfdruck beider Substanzen erweist sich in der Praxis jedoch als beachtliche Hürde, macht
er doch eine aufwendige Stofftrennung, z.B. mit Membranen [180], notwendig. Die leichte
Entflammbarkeit sowie die hohe Toxizität schränken das Anwendungspotential beider
Systeme zusätzlich ein.

Tabelle 3: Vergleich ausgewählter Stoffe für den Einsatz als LOHC.

Stoffpaarung Benzol Toluol Naphthalin H0NEC H0DBT


Cyclohexan MCH Decalin H12NEC H18DBT
Strukturformel
H2-arm

H2-reich

H2-Kapazität [wt%] 7,2 6,2 7,3 5,8 6,2


Smp. [°C]* 6 - 93 81 71 - 34
Sdp. [°C]* 80 110 218 270 371
ΔHHydr. [kJ/molH2] -68,7 - 70,0 - 59,5 - 50,5 - 65,4
Gefahrenzeichen* F, Xn, Xi F, Xn, Xi F, Xn, Xi, N Xi Xn
Referenz [177, 181] [153, 182] [183, 184] [185-187] [188, 189]
*Stoffdaten beziehen sich auf H0LOHC.

Der niedrigere Dampfdruck, der höhere Siedepunkt sowie die mit 7,3 wt% geringfügig höhere
Speicherkapazität machen die Stoffpaarung Naphthalin/Decalin als LOHC interessant und
führten zu einer regen Forschungsaktivität [183, 190-193]. Ein deutlicher Vorteil ist zudem
der geringere Wärmeumsatz mit – 59,5 kJ/molH2 [183]. Dies reduziert die Wärmefreisetzung
bei der Hydrierung und den nötigen Wärmeeintrag bei der Dehydrierung. Die Dehydrierung
ist schon unter 200 °C möglich [183, 190, 191, 194, 195], wodurch die Wärmeintegration
26 Theoretischer Teil

wesentlich erleichtert wird. Allerdings wird die Dehydrierung durch die äußert ungünstige
Gleichgewichtslage erschwert. Der Gleichgewichtsumsatz bei 240 °C liegt bei 40 % und
nimmt mit steigender Temperatur zu [195]. Zudem sind bereits in diesem Temperaturbereich
alle Reaktanden gasförmig.

Um dennoch respektable Freisetzungsraten erzielen zu können, sind ausgefeilte


Dehydrierkonzepte notwendig: In sog. „Spray Pulsreaktoren“ ist der Katalysator
wechselweise trocken oder mit einem überhitzten Flüssigkeitsfilm benetzt [192, 193, 195-
197]. Die multiphasigen Bedingungen ermöglichen die zeitgleiche Dehydrierung in der Gas-
und Flüssigphase, was besonders hohe Freisetzungsraten ermöglicht [183, 190, 191]. Da der
Dampfdruck von Naphthalin über dem von Decalin liegt, kann durch Reaktivdestillation der
Gleichgewichtsumsatz weit überschritten werden [183, 190, 191, 194]. Für eine
Kommerzialisierung erscheinen solch komplexe Lösungen jedoch ungeeignet. Eine
technische Nutzung wird zudem durch den Umstand erschwert, dass Naphthalin bei
Raumtemperatur als Feststoff vorliegt.

Auf der Suche nach geeigneten LOHCs insbesondere für den Automobilsektor rückten
schließlich polycyclische Heteroaromaten in den Focus der Forschung. Theoretische Arbeiten
von Pez et al. [198, 199] sowie Crabtree et al. [200, 201] zeigten, dass durch die Einführung
von Stickstoff als Fremdatom die Reaktionsenthalpie und damit der Wärmebedarf der
Dehydrierung deutlich herabgesetzt werden. Das größte Potential wurde der Verbindung
N-Ethylcarbazol (H0NEC) beigemessen. Dessen Speicherkapazität ist mit 5,8 wt% zwar
verhältnismäßig gering, eine Wasserstofffreisetzung findet aber schon bei 150 °C statt [202,
203]. In zahlreichen Studien wurden die Hydrierung [203-211] und Dehydrierung [202, 212-
216] erforscht sowie Stoffdaten [185, 217, 218] und thermodynamische Eigenschaften [186]
bestimmt, sodass N-Ethylcarbazol heute eines der am besten erforschten LOHC-Systeme ist.

Einer raschen Kommerzialisierung steht jedoch eine Reihe von Hindernissen entgegen [187]:
Gegenwärtig wird N-Ethylcarbazol aus der Destillation von Steinkohleteer gewonnen. Dies
schränkt die technische Verfügbarkeit ein und erschwert eine gleichbleibend hohe
Produktqualität. Eine weitere Hürde ist der hohe Schmelzpunkt der entladenen Spezies von
69,9 °C [219]. Für einen stets flüssigen Aggregatszustand muss eine Vollentladung verhindert
werden. Dies ist technisch schwer zu realisieren und reduziert die Speicherkapazität auf
5,2 wt% [187]. Ein interessanter Ansatz ist der Einsatz von Mischungen verschiedener
N-Alkylcarbazole. Stark et al. [220] zeigten, dass mit ternären Mischungen von N-Ethyl-,
N-Propyl- und N-Butylcarbazol Schmelzpunkte von unter 13 °C erreicht werden. Die
Theoretischer Teil 27

physikochemische Untersuchung der Dehydrierung dieser LOHC-Systeme mittels HR-XPS


durch Gleichweit et al. [221] lieferte ebenfalls ansprechende Ergebnisse.

Eine weitere offene Frage ist die thermische Stabilität von N-Ethylcarbazol. Mehrfach wird
von einer Dealkylierung als Nebenreaktion der Dehydrierung berichtet [221-223]. Durch die
Abspaltung der Ethylgruppe entsteht Carbazol, dessen freies Elektronenpaar kaum
abgeschirmt ist. Carbazol bindet daher stärker am Katalysator. Dies reduziert die
Reaktionsgeschwindigkeit und kann eine Vergiftung des Katalysators bewirken [224]. Ein
Vergleich beider Substanzen von Sotoodeh et al. [202] liefert für die Hydrierung eine
sechsmal höhere und für die Dehydrierung eine dreimal höhere Reaktionsgeschwindigkeit für
NEC. Yang et al. [225] untersuchten die Be- und Entladung von NEC über zehn Zyklen und
berichten von einer sehr guten Reversibilität. Brückner et al. [187] stellten ab 270 °C eine
deutliche Dealkylierung fest, technisch relevante Dehydrierraten werden jedoch schon bei
230 °C erreicht.

Als gegenwärtig vielversprechendste LOHC-Systeme gelten die von Brückner et al. [187]
vorgeschlagenen isomeren Mischungen von Benzyltoluol (H0BT) und Dibenzyltoluol
(H0DBT). Beide werden großtechnisch als Wärmeträgeröl eingesetzt und sind unter den
Handelsnamen Marlotherm® LH und Marlotherm® SH bekannt. Die technische Verfügbarkeit
ist daher exzellent. Die Speicherkapazität ist mit jeweils 6,2 wt% zudem deutlich höher als bei
H0NEC. Überdies ist durch den tiefen Schmelzpunkt von -30 °C bzw. -34 °C für H0BT und
H0DBT eine Feststoffbildung praktisch ausgeschlossen. Da bei H0DBT der Siedepunkt höher,
der Dampfdruck geringer und das toxikologische Profil günstiger sind, liegt der
Forschungsschwerpunkt in erster Linie auf diesem System: Stoffdaten [217, 218, 226] und
thermodynamische Kenngrößen [188] wurden bestimmt, Methoden zur
Hydriergradbestimmung entwickelt [227, 228] und die Hydrierung [229] und Dehydrierung
[230] untersucht.

Ohne Heteroatom weist H18DBT eine höhere Reaktionsenthalpie auf als H12NEC, was im
Umkehrschluss bei der Dehydrierung höhere Wärmemengen erforderlich macht. Auch die
Reaktionstemperatur ist deutlich höher. Bei einer Dehydriertemperatur von 310 °C über
einem Pt/C-Katalysator wird mit H18DBT eine vergleichbare Freisetzungsgeschwindigkeit
erreicht wie bei der Dehydrierung von H12NEC über Pd/Al2O3 bei 230 °C [187].
Prozesstechnisch ist dies durch die höhere Siedetemperatur von 371 °C zu 270 °C für H0DBT
bzw. H0NEC unproblematisch. Für die Wärmeintegration ist dies allerdings herausfordernd.
28 Theoretischer Teil

2.2.4 Hydrierung flüssiger organischer Wasserstoffträger

Die Hydrierung ist ein Schlüsselschritt für die Anwendung von LOHC-Speichersystemen.
Zwar ist die Hydrierung von Aromaten allgemein bekannt, dennoch stellt die
Katalysatorauswahl, die Ermittlung geeigneter Reaktionsbedingungen und der Aufbau eines
mechanistischen Verständnisses eine umfangreiche und anspruchsvolle Aufgabe dar. Ferner
gilt es, die Reaktion durch geschickte Auswahl, Dimensionierung und Design des Reaktors
auf die Prozessebene zu überführen. Es wird auf die zwei gängigsten Vertreter
N-Ethylcarbazol und Dibenzyltoluol eingegangen.

2.2.4.1 N-Ethylcarbazol

Bei der Hydrierung von N-Ethylcarbazol zum vollhydrierten Produkt


Dodeca-N-Ethylcarbazol (H12NEC) werden die Doppelbindungen schrittweise gesättigt. Stand
des Wissens ist der von Sotoodeh et al. [203] postulierte Reaktionsmechanismus, welcher in
Schema 5 gezeigt ist. Als stabile Intermediate treten Tetrahydro-N-Ethylcarbazol (H4NEC)
und Oktahydro-N-Ethylcarbazol (H8NEC) auf. Für eine effiziente LOHC-Beladung ist deren
schnelle Weiterreaktion wesentlich. Hexahydro-N-Ethylcarbazol (H6NEC) und
Decahydro-N-Ethylcarbazol (H10NEC) sind deutlich instabiler und kommen allenfalls in
Spuren vor [205]. Sie sind daher mechanistisch interessant aber technisch bedeutungslos. Das
Endprodukt H12NEC tritt in drei Isomeren auf [203, 204].

Die Angaben über die Reaktionsordnung beider Reaktanden variieren je nach Autor. Ye et al.
[231] und Wan et al. [210, 211] gehen von einer Reaktionsordnung von null für den LOHC
und von einer Reaktionsordnung von eins für Wasserstoff aus. Ye et al. [231] bestimmte mit
einen Raney-Nickel-Katalysator eine Aktivierungsenergie von 65 kJ/mol, Wan et al. mit
Ru/Al2O3 eine Aktivierungsenergie von 27 kJ/mol [210] bzw. 31 kJ/mol [211]. Sotoodeh et
al. [203, 204] sowie Eblagon et al. [205, 207, 208] berichten umgekehrt von einer
Reaktionsordnung von null für Wasserstoff und von eins für den LOHC. Es wurde jeweils bei
70 bar gearbeitet und ein großer Wasserstoffüberschuss angenommen. Eine Druckvariation
wurde jeweils nicht durchgeführt. Sotoodeh et al. [203] bestimmten für die Hydrierung von
H0NEC im Lösungsmittel Decalin mit Ru/Al2O3 eine Aktivierungsenergie von 100 kJ/mol,
Eblagon et al. [205] für die gleiche Reaktion lösungsmittelfrei eine Aktivierungsenergie von
Theoretischer Teil 29

58 kJ/mol. Die Diskrepanz wurde durch Stofftransportphänomene sowie durch eine


unterschiedliche Wasserstofflöslichkeit in der Flüssigphase erklärt [205]. Bei einer
bimolekularen Reaktion ist die Abhängigkeit von nur einem Reaktanden jedoch ein
Extremfall, da dies einen großen Überschuss des anderen Reaktanden voraussetzt. Die
Praxisrelevanz solcher Ansätze erscheint fraglich, da in der technischen Anwendung ein
möglichst geringer Betriebsdruck ebenso wie eine möglichst hohe Beladung des LOHC
gewünscht werden. Arbeiten, die die Abhängigkeit von beiden Reaktanden berücksichtigen,
sind bislang nicht bekannt.

Schema 5: Reaktionsmechanismus der Hydrierung von H0NEC nach Sotoodeh et al. [203]

Ein umfangreiches Katalysatorscreening erfolgte durch Eblagon et al. [205]. Als Träger sind
saure Oxide besonders geeignet. Für die katalytische Aktivität ergibt sich folgende
Reihenfolge: Al2O3 > TiO2 > Zeolithe > Aktivkohle. Aluminiumoxid gilt daher als Träger der
Wahl. Die Untersuchung verschiedener Metalle liefert für Ruthenium die höchsten
Hydrierraten. Die katalytische Aktivität verschiedener Metalle für die Hydrierung von H0NEC
ergibt sich zu Ru > Rh > Pd > Pt > Ni. Als Standardsystem wird daher meist Ru/Al2O3
eingesetzt. Typische Hydrierbedingungen sind Temperaturen von 130 – 170 °C und Drücke
von 30 - 70 bar. Ein weiterer Einflussfaktor ist die Geometrie der Metallcluster. Allgemein ist
die Anzahl der aktiven Zentren umgekehrt proportional zur Clustergröße, was sich durch die
spezifische Oberfläche der Cluster erklärt. Die Aktivität und Selektivität der aktiven Zentren
30 Theoretischer Teil

ist wiederum anhängig von deren Koordination. Eblagon et al. [206] zeigten für Ru/Al2O3,
dass schwach koordinierte Sorptionsplätze, z.B. Ecken und Kanten, nicht nur aktiver als stark
koordinierte sind, sondern auch eine höhere Selektivität für das vollhydrierte Endprodukt
H12NEC aufweisen. Bei stark koordinierten Terrassenplätzen wird die Adsorption von H8NEC
sterisch erschwert, die Aktivität für den letzten Teilschritt ist dadurch gering. Hochdisperse
Katalysatoren sind daher nicht nur wegen der Anzahl sondern auch wegen der Qualität der
aktiven Zentren bevorteilt. Die hohe Stabilität der H8NEC-Spezies bleibt dennoch ein
Problem von Ruthenium-Katalysatoren.

Auf der Suche nach effizienten Katalysatoren für die Hydrierung von H8NEC untersuchten
Eblagon et al. [208] verschiedene Edelmetallnanopartikeln. Die Geschwindigkeitskonstanten
der Teilreaktionen wurden aus den Konzentrationsprofilen der Gesamtreaktion durch
Modellierung bestimmt und für verschiedene Metalle verglichen. Platin und Palladium
erweisen sich für die Hydrierung von H8NEC als besonders aktiv. Für die katalytische
Aktivität gilt: Pt > Pd > Ru. Diese Reihenfolge wird auf Unterschiede in der elektronischen
Struktur der Metalle und die damit verbundene verschieden starke Adsorption des Substrats
auf der Edelmetalloberfläche zurückgeführt. Durch die Verwendung von
Edelmetallnanopartikeln konnten Trägereinflüsse ausgeschlossen werden. Ein Vergleich
geträgerter Ruthenium- mit Rhodium-Katalysatoren liefert für Ruthenium zwar deutlich
höhere Reaktionsraten für die Hydrierung von H0NEC, bei Rhodium ist die Stabilität der
Intermediate H4NEC und H8NEC allerdings deutlich geringer [207].

2.2.4.2 Dibenzyltoluol

Die Hydrierung von Dibenzyltoluol (H0DBT) wurde erstmals von Brückner et al. [187]
beschrieben. Mit dem Katalysator Ru/Al2O3 wurde bei 150 °C und 50 bar nach 4 h
Reaktionslaufzeit Vollumsatz erreicht. Die Untersuchung des Reaktionsmechanismus mittels
1
H-NMR-Spektroskopie durch Do et al. [229] zeigte, dass die Hydrierung schrittweise durch
die Vollhydrierung der einzelnen Phenylringe abläuft. Vorzugsweise werden zunächst die
beiden äußeren Phenylringe und in einem letzten Schritt der mittlere Ring hydriert. Der
Reaktionspfad ist in Schema 6 gezeigt.
Theoretischer Teil 31

Schema 6: Reaktionspfad der Hydrierung von H0DBT nach Do et al. [229]


(Wahrscheinlichster Reaktionspfad schwarz, mögliche Nebenreaktionen grau)
32 Theoretischer Teil

2.3 Reaktorkonzept Rieselbettreaktor

Die Hydrierung von H0DBT sowie von LOHCs allgemein wurde bislang ausschließlich in
Rührkesselreaktoren im Labormaßstab untersucht. Bei der Überführung in einen technischen
Maßstab ist der Rührkessel nur eine von vielen Optionen. Es gilt ein passendes
Reaktorkonzept zu finden, das die vielfältigen Anforderungen z.B. hinsichtlich Wärmeabfuhr,
Feststoffabtrennung sowie Umsatz und Reaktionsrate erfüllt. Als Konsens gilt die dreiphasige
Durchführung der Reaktion.

2.3.1 Reaktoren zur technischen Durchführung dreiphasiger Reaktionen

Dreiphasige Reaktionen finden in der Reaktionstechnik zahlreiche Anwendung. Die gekonnte


Durchführung der Reaktion setzt die Wahl eines geeigneten Reaktorkonzepts sowie die
richtige Dimensionierung des Reaktors voraus. Prinzipiell können zwei Typen von Reaktoren
unterschieden werden: Der Dispersions- und der Festbettreaktor. Im Dispersionsreaktor ist der
Katalysator in der Flüssigkeit fein dispergiert. Die Dispersion stellt die kontinuierliche Phase
dar, die Gasphase die disperse Phase. Meist wird der Dispersionsreaktor als Rührkessel
ausgeführt, aber auch Blasensäulen sind gebräuchlich [232, 233]. Im Festbettreaktor liegt der
Katalysator als stationäre Phase vor und wird von beiden fluiden Phasen umströmt. Ist die
Gasphase die kontinuierliche Phase und die Flüssigphase die Disperse, wird von einem
Rieselbett gesprochen, umgekehrte Verhältnisse kennzeichnen eine gepackte Blasensäule. In
Tabelle 4 und Tabelle 5 werden beide Reaktorkonzepte miteinander verglichen.

Aufgrund der hohen Anlagenflexibilität wird der Dispersionsreaktor technisch vor allem bei
der Produktion von kleinen Chargen an Feinchemikalien eingesetzt. Da sehr kleine
Katalysatorpartikeln eingesetzt werden können, sind die internen Stofftransportwiderstände
sehr gering. Der externe Stofftransport kann durch eine hinreichend hohe Rührerdrehzahl
stark reduziert werden, sodass Katalysatornutzungsgrade nahe eins möglich sind [234]. In der
Industrie werden solche Reaktoren großtechnisch jedoch ungern eingesetzt, da die Trennung
von Produkt und Katalysator technisch aufwendig ist.
Theoretischer Teil 33

Tabelle 4: Vor- und Nachteile von Dispersionsreaktoren [232-234].

Vorteile Nachteile
 geringe Temperaturgradienten und  geringe Umsätze durch starke
leichte Temperaturkontrolle Rückvermischung
 guter Wärmetransport und hohe Wärme-  aufwendige Katalysatorabtrennung
kapazität des Systems  Abrasion durch feinkörnigen Katalysator
 leichter Katalysatorwechsel und hohe  Begünstigung homogener
Flexibilität Nebenreaktionen durch lange
 kaum externe Stofftransportwiderstände Verweilzeiten
 geringe intrapartikuläre Stofftransport-
widerstände durch kleine Partikelgrößen

Eine der größten Vorteile von Festbettreaktoren ist die leichte Produktabtrennung. Die
eingesetzten Katalysatorpartikeln sind jedoch deutlich größer als in Dispersionsreaktoren,
sodass eine Limitierung der Reaktionsrate durch intrapartikuläre Diffusion die Regel ist. Auch
muss mit externer Stofftransportlimitierung gerechnet werden. Die Reaktionsrate in
Festbettreaktoren ist daher häufig durch Diffusionsprozesse bestimmt. Zudem behindern der
hohe Gasgehalt sowie die geringe Turbulenz im System den Wärmetransport, was zu hohen
Temperaturgradienten im Reaktor führen kann. Der vergleichsweise einfache Aufbau ohne
bewegte Teile sowie die geringen Investitions- und Betriebskosten führen dazu, dass in der
Industrie dreiphasige Reaktionen dennoch meist in Festbettreaktoren durchgeführt werden.
Der am weitesten verbreitete Reaktortyp ist hierbei das Rieselbett. Nachfolgend soll dieser
näher vorgestellt werden.

Tabelle 5: Vor- und Nachteile von dreiphasig betriebenen Festbettreaktoren [232, 235].

Vorteile Nachteile
 leichte Katalysatorabtrennung und  hohe intrapartikuläre Stofftransport-
geringer Katalysatorverlust widerstände durch große Partikelgrößen
 einfache Konstruktion ohne bewegte  hohe externe Stofftransportwiderstände
Teile  Wandeffekte, Benetzungseffekte und
 geringe Investitions- und Betriebskosten Fehlverteilungen möglich
 große Reaktorgrößen  hohe Temperaturgradienten durch
 hohe Umsätze durch geringe schlechte Wärmeabfuhr
Rückvermischung  Limitierung auf hinreichend schnelle
 kaum homogene Nebenreaktionen durch Reaktionen
geringe Verweilzeit
34 Theoretischer Teil

2.3.2 Funktionsweise und Grundsätzliches

Das Rieselbett ist ein weitverbreiteter Reaktortyp zur kontinuierlichen Durchführung von
heterogenkatalysierten Gas-Flüssig-Reaktionen. Es handelt sich hierbei um einen
Festbettreaktor, der von der Gas- und Flüssigphase kontinuierlich im Gleich- oder
Gegenstrom durchströmt wird. In industriellen Anwendungen wird der Gleichstrombetrieb
bevorzugt, da so dem Fluten des Reaktors vorgebeugt werden kann [236, 237]. Die Zufuhr der
Eduktströme erfolgt am Kopf des Reaktors. Die Flüssigkeit wird meist über ein
Verteilungssystem gleichmäßig über den Reaktorquerschnitt verteilt. Abschließend werden
die Produkte am Reaktorende abgezogen. Abbildung 3 zeigt den schematischen Aufbau
solcher Reaktoren.

Laborreaktor mit axialer Rieselbett als Dead-End Rieselbett mit In-Situ-


Temperaturerfassung [238] ausgeführt [239] Phasentrennung [240]

Abbildung 3: Verschiedene Ausführungen und Bauformen von Rieselbettreaktoren.

Rieselbetten werden insbesondere aufgrund ihres einfachen Aufbaus in vielen Bereichen der
chemischen Industrie eingesetzt. Großtechnisch wurden Rieselbetten erstmals in den 1930er
Jahren für die Butindiolsynthese eingesetzt [241]. Weitere Anwendungsgebiete liegen in der
Aufbereitung von Industrieabwässern [242, 243] sowie in der Hydrodesulfurierung [244] und
dem Hydrocracken von Erdöl [245, 246]. Hydrierungsreaktionen im technischen Maßstab
werden ebenfalls meist in Rieselbetten durchgeführt. Beispiele hierfür sind die Hydrierung
von Benzol zu Cyclohexan im Rahmen der Dearomatisierung von Kraftstoffen [247], von
Theoretischer Teil 35

α-Methylstyrol zu Cumol [248, 249] sowie von Maleinsäureanhydrid zu 1,4-Butandiol [250,


251]. Eine Übersicht von in Rieselbetten durchgeführten Reaktionen kann Gianetto et al.
[235], Al-Dahhan et al. [252] sowie Dudukovic et al. [253] entnommen werden.

Technische Rieselbetten werden häufig bei hohem Druck betrieben. Gängig sind Drücke von
bis zu 300 bar [252]. Die Abmessungen von Industrieanlagen sind beachtlich: Es wird von
Reaktordurchmessern bis 3 m [254] und Reaktorhöhen von bis zu 30 m [235] berichtet. Die
Länge einzelner Katalysatorschüttungen kann bis zu 8 m betragen [234] und es werden
Katalysatorvolumina von bis zu 200 m3 [241] eingesetzt.

Bei den in Rieselbetten durchgeführten Reaktionen werden meist große Wärmemengen frei,
die durch den Reaktor kaum abgeführt werden können. Rieselbettreaktoren im
Industriemaßstab werden daher in der Regel adiabat betrieben [234, 241, 247, 252]. Häufig
kommen Mehrbettreaktoren zum Einsatz, wobei zwischen den Betten kaltes Reaktionsgas
injiziert und die Anlage dadurch gekühlt wird [234]. Weitere Möglichkeiten zur
Temperaturregulierung der Anlage sind die Rückführung von Gas oder flüssigem Produkt
nach Kühlung außerhalb des Reaktors sowie die teilweise Verdampfung des flüssigen
Reaktionsgemisches während der Umsetzung [241]. Wird das Rieselbett als Mehrrohrreaktor
(engl. multitubular reactor) ähnlich einem Rohrbündelwärmeübertrager ausgeführt, kann das
Wärmeabfuhrverhalten deutlich verbessert werden. Typisch sind Rohrdurchmesser von
4 - 8 cm. Trotz der Vorteile beim Wärmemanagement werden solche Anlagen in der Industrie
jedoch kaum eingesetzt [234, 255].

Trotz des vergleichsweise einfachen Reaktorkonzepts sind die Wechselwirkungen im


Rieselbett äußerst komplex. Die Reaktionsrate wird neben der intrinsischen
Reaktionsgeschwindigkeit durch eine Vielzahl von Stofftransportphänomenen bestimmt.
Hinzu kommen Strömungs- und Benetzungseffekte, die ebenfalls Einfluss auf die
Reaktionsrate haben. Es kann daher von einer Kopplung von Reaktionskinetik und
Hydrodynamik gesprochen werden. Der nicht-isotherme Betrieb und die damit
einhergehenden Temperaturgradienten im System erhöhen die Komplexität des Systems
zusätzlich, da sowohl die Reaktions- und Diffusionsgeschwindigkeiten als auch die
physikalischen Stoffeigenschaften beider Fluide stark temperaturabhängig sind. Das
Wechselspiel einzelner Einflussfaktoren ist in Abbildung 4 versinnbildlicht. Auf die
Reaktionskinetik und die Hydrodynamik in Rieselbetten wird im weiteren Verlauf der Arbeit
genauer eingegangen.
36 Theoretischer Teil

Einlaufeffekte Reaktorgeometrie
Wandeffekte Flüssigkeits-
fehlverteilung
Wärmeabfuhr/
Katalysator-
nicht-isotherme
deaktivierung
Effekte

Gas- und Flüssigkeits- Reaktortemperatur


Flüssigkeits- bedeckung des Intrinsische
ströme Katalysators Kinetik

Dichte
Extrapartikulärer
Stofftransport Viskosität
Flüssigkeits-
Eggshell-Typ Globale eigenschaften
Pelletform Reaktionsrate
Gaslöslichkeit
Katalysator- Betriebs- Diffusionskoeffizient
eigenschaften druck
Feed- Oberflächenspannung
Bettporosität Benetzbarkeit konzentration
Pelletdurchmesser Pelletporosität Intrapartikulärer
Stofftransport
Abbildung 4: Wechselwirkungen zwischen intrinsischer Kinetik, Stofftransportphänomenen,
Wärmetransport und Hydrodynamik in Rieselbettreaktoren.

Die Vielzahl von Effekten und deren Überlagerung machen die eindeutige Interpretation von
Messergebnissen schwierig und die Auslegung sowie das Scale-up von Rieselbettreaktoren
anspruchsvoll. In wissenschaftlichen Arbeiten werden daher meist einfache Modellsysteme
betrachtet und in der Regel nur Teilaspekte beleuchtet: Kinetische Arbeiten werden mit
einfachen Modellreaktionen wie z.B. der Hydrierung von α-Methylstyrol [256-259] oder
Cyclohexen [260] in verdünnten Lösungen und in isotherm betriebenen Laborreaktoren
durchgeführt. Die Bestimmung der Hydrodynamik sowie des Wärmetransports in
Rieselbetten erfolgt bei Umgebungsdruck in Glasschüttungen mit dem System Wasser/Luft.
Die Ergebnisse werden meist durch empirische Korrelationen auf Basis von dimensionslosen
Kennzahlen beschrieben. Die Übertragbarkeit auf Realsysteme ist jedoch fraglich, viele
Korrelationen haben eher den Charakter einer groben Abschätzung [252-254, 261].
Modellierungen existieren daher meist nur für einfache Modellsysteme. Für Realsysteme
können auf Basis von Simulationen kaum a-priori-Aussagen getroffen werden.
Theoretischer Teil 37

Das Scale-up von Rieselbetten vom Labormaßstab auf einen großindustriellen Maßstab
erfolgt in mehreren Schritten, wobei Scale-up-Verhältnisse von 10-20 gängig sind [262]. Eine
wichtige Kenngröße ist hierbei die LHSV (engl. liquid hourly space velocity), welche das
Flüssigkeitsvolumen beschreibt, das pro Reaktorvolumen und Stunde durchgesetzt wird. Beim
Scale-up wird diese Größe häufig konstant gehalten [234].

Problematisch ist hierbei, wie beim Scale-up von Rieselbetten generell, dass sich trotz
konstanter LHSV die Hydrodynamik im Bett und damit auch die Reaktionsrate ändern.
Größere Anlagen zeigen bei gleicher LHSV in der Regel deutlich höhere Reaktionsraten. Um
die Auswirkungen dieses Effekts abzumildern, wird in Laborreaktoren häufig die
Katalysatorschüttung mit feinen Inertpartikeln durchsetzt: Dadurch wird der Flüssigkeits-
Holdup im Katalysatorbett erhöht und die Reaktionsrate gesteigert [252-254, 263]. Der
Unterschied der Anlagenleistung zwischen Labor- und Industrieanlage fällt so weniger stark
aus.

Tabelle 6: Vergleich von Rieselbettreaktoren im Labor- und Industriemaßstab.

Parameter Labor- und Pilotanlage Industrieanlage Referenz


Gasbeladung n.b. ≤ 0,1 kg/m²s [264]
Flüssigkeitsbeladung ≤ 0,1 kg/m²s 0,8 – 25 kg/m²s [264, 265]
Strömungszustand Rieselströmung Rieselströmung oder [264]
pulsierende Strömung
Flüssigkeitsbedeckung gering hoch [252]
der Katalysatorpellets
Druckverlust marginal beträchtlich [262]
Länge eines ≤2m ≤ 16 m [234, 262]
Katalysatorbetts
Reaktordurchmesser 2,5 – 4 cm ≤3m [234, 254]
Wandeffekte teils beträchtlich nicht relevant [252, 266]
Temperaturverteilung isotherm adiabat

Die Unterschiede von Rieselbettreaktoren in Labor- und Industriemaßstab werden in Tabelle


6 exemplarisch an ausgewählten Parametern aufgezeigt. Die genannten Effekte machen ein
Scale-up wie gleichermaßen ein Scale-down schwierig. Für die Auslegung von
Rieselbettreaktoren sowie für die Interpretation von Versuchsdaten ist ein tiefgehendes
Verständnis dieses Reaktortyps von Nöten. Daher soll nachfolgend genauer auf die
38 Theoretischer Teil

Hydrodynamik von Rieselbetten eingegangen werden. Zudem wird die Reaktionskinetik


sowie der Wärmetransport im Rieselbett betrachtet.

2.3.3 Hydrodynamik von Rieselbettreaktoren

Abhängig von den Gas- und Flüssigkeitsgeschwindigkeiten können in Rieselbettreaktoren


charakteristische Strömungsformen beobachtet werden. Sie wirken sich unmittelbar auf die
Wärme- und Stofftransportvorgänge in der Schüttung aus und beeinflussen damit die
Reaktionsgeschwindigkeit maßgeblich.

Grundsätzlich wird zwischen einer schwach und einer stark wechselwirkenden Strömung
unterschieden (engl. low interaction regime und high interaction regime). Die schwach
wechselwirkende Strömung wird bei kleinen Gas- und Flüssigkeitsbelastungen beobachtet.
Sie ist durch eine schwache Interaktion beider fluider Phasen gekennzeichnet. Die Flüssigkeit
rinnt in Form eines Films oder in Bächen und Rinnsalen die Schüttung hinab. Die
Strömungsform wird daher auch als Rieselströmung oder Trickle Flow bezeichnet.
Hauptsächliche Triebkraft ist die Schwerkraft. Der verbleibende Raum wird durch die
kontinuierlich, gasförmige Phase ausgefüllt. [241, 252, 264]

Für die stark wechselwirkende Strömung sind die Scherkräfte zwischen beiden fluiden Phasen
maßgebend. Diese führen zu einer starken Interaktion beider Phasen und einem guten Stoff-
und Wärmetransport im System. Eine oder beide Phasen müssen dazu eine deutlich höhere
Geschwindigkeit aufweisen als im schwach wechselwirkenden Strömungsbereich. Es werden
drei Strömungsformen unterschieden: Die pulsierende Strömung findet bei hohen Gas- und
Flüssigkeitsströmen statt. Sie ist durch deutlich unterscheidbare Zonen mit hoher und geringer
Flüssigkeitsbelastung gekennzeichnet, die sich pulsierend in der Schüttung fortpflanzen. Bei
geringen Flüssigkeits- und hohen Gasströmen kommt es zur Sprühströmung. Die Flüssigkeit
liegt in feine Tröpfchen dispergiert vor. Geringe Gas- und hohe Flüssigkeitsbelastungen
führen zur Blasenströmung. Der Reaktor ist mit Flüssigkeit gefüllt, in welcher Gasblasen
dispergiert sind. So betriebene Reaktoren werden auch als gepackte Blasensäulen bezeichnet.
[252, 264]

In Abbildung 5 sind alle Strömungsbereiche und -übergänge in einer Strömungskarte


dargestellt. Bei welchen Fluidgeschwindigkeiten sich der Übergang von einem
Theoretischer Teil 39

Strömungsbereich zum anderen vollzieht, ist stark systemanhängig. Einfluss darauf haben u.a.
die Bettporosität der Schüttung, Pelletform und –größe, die Reaktorgeometrie sowie die
Stoffeigenschaften Dichte, Viskosität und Oberflächenspannung [267]. Die Vielzahl an
Einflussfaktoren führt dazu, dass Strömungskarten einen stark begrenzten Gültigkeitsbereich
haben und Korrelationen häufig mit einem hohen Fehler behaftet sind. Eine
Zusammenfassung solcher Korrelationen findet sich unter Al-Dahhan et al. [252]. Eine
pulsierende Strömung ist zwar für den Stoff- und Wärmeübergang wünschenswert, nachteilig
ist jedoch der deutlich höhere Druckverlust über den Reaktor im Vergleich zur
Rieselströmung. Industrieanlagen werden daher meist bei Rieselströmung, selten bei
pulsierender Strömung betrieben [264, 268, 269]. In Labor- und Pilotanlagen wird nahezu
ausschließlich bei Rieselströmung gearbeitet [234]. Der Druckverlust spielt hier aufgrund der
vergleichsweise geringen Fluidströme eine untergeordnete Rolle.

Katalysator
Sprühströmung
1,0E+2 Flüssigphase
Gasphase

1,0E+1 pulsierende
Strömung
Gasstrom [kg/m²s]

1,0E+0

1,0E-1 Rieselströmung Blasenströmung

1,0E-2

1,0E-3
1,0E-2 1,0E-1 1,0E+0 1,0E+1 1,0E+2 1,0E+3
Flüssigkeitsstrom [kg/m²s]

Abbildung 5: Strömungszustände im Rieselbett. [234, 270, 271]

Flüssigkeits-Holdup:

Eine wichtige Größe zur Beschreibung der Hydrodynamik im Rieselbett ist der Flüssigkeits-
Holdup, welcher als Anteil des Flüssigkeitsvolumens zum gesamten Reaktorvolumen
definiert ist [261]. Bei porösen Partikeln setzt sich der Holdup aus dem intra- und dem
interpartikulärem Holdup zusammen. In der Regel ist das Porensystem bedingt durch die
40 Theoretischer Teil

herrschenden Kapillarkräfte vollständig mit Flüssigkeit gefüllt, sodass sich der


intrapartikulare Holdup direkt aus der Porosität der Pellets ergibt. Eine Ausnahme bilden stark
exotherme Reaktionen mit Flüssigkeiten geringen Dampfdrucks, bei denen es zu einer
Verdampfung der Flüssigkeit in den Poren kommt [269].

Der interpartikuläre Holdup wird in einen aktiven (engl. draining) hdrain und einen inaktiven
(engl. residual) Holdup hres unterteilt. Der aktive Holdup entspricht der Flüssigkeitsmenge, die
nach einer plötzlichen Unterbrechung der Flüssigkeitszufuhr am Reaktorausgang gesammelt
werden kann. Der inaktive Holdup entspricht der Flüssigkeitsmenge, die zwischen den
Partikeln verbleibt. Häufig wird auch zwischen dynamischem (engl. dynamic) und statischem
(engl. stagnant) Holdup unterschieden. Oft werden beide Definitionen gleichgesetzt, was
streng genommen nicht richtig ist, da der inaktive Holdup ausschließlich von den
physikalischen und geometrischen Eigenschaften der Packung und Fluide abhängt, der
statische Holdup jedoch zudem von den Prozessbedingungen. [237, 261]

Der zurückbleibende Holdup ergibt sich aus dem Kräftegleichgewicht von Schwer- und
Kapillarkraft. Eine Kennzahl, die beide Kräfte vereint und sich daher in vielen Korrelationen
wiederfindet, ist die Eötvös-Zahl Eö.

∙ ∙
ö= (11)

Die Größe des abfließenden Holdups ergibt sich ebenfalls aus einem Kräftegleichgewicht. Die
Triebkraft ergibt sich aus der Schwerkraft sowie dem Druckverlust, die Widerstandskraft
besteht aus der Trägheitskraft sowie viskosen Kräften. [264]

Der aktive Holdup kann experimentell vergleichsweise einfach durch die Auslauf- bzw.
Schnellschlussmethode bestimmt werden. Hierbei wird die Flüssigkeitszufuhr schlagartig
unterbrochen und die auslaufende Flüssigkeitsmenge gemessen [261]. Der gesamte Holdup
kann mit Hilfe der Tracer-Methode durch einen Stoßinput an Reaktoreingang und einer
Detektion am Reaktorende ermittelt werden. Als Tracer können radioaktive Substanzen [272],
Farbstoffe [236] oder Salze [237, 273] eingesetzt werden. Aus einer solchen
Verweilzeitmessung kann zudem die axiale Dispersion des Systems bestimmt und so das
Reaktionssystem umfassend charakterisiert werden [236, 274]. Die Charakterisierung des
Flüssigkeitshaushalts eines Rieselbetts durch den Flüssigkeits-Holdup und den axialen
Dispersionskoeffizienten ist wesentlich aussagekräftiger und gebräuchlicher als rein über die
Verweilzeit. Die geringe Fokussierung auf die Verweilzeit mag auch daran liegen, dass sich
Theoretischer Teil 41

diese in einem Rieselbett nicht einfach über die Flüssigkeitsdosierung einstellen lässt, sondern
sich aus dem Flüssigkeitsstrom und dem Holdup ergibt.

Die Abhängigkeit des Holdups von verschiedenen Betriebsparametern und Stoffeigenschaften


ist Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen. Meist werden einfache Modellsysteme wie
z.B. vom Fluidsystem Wasser/Luft durchströmte Glaskugelschüttungen bei Umgebungsdruck
betrachtet. Von besonderem Interesse ist die Abhängigkeit des Holdups von den Gas- und
Flüssigkeitsströmen. Der inaktive Holdup ist unabhängig von beiden Fluidströmen und kann
mit der Eötvös-Zahl korreliert werden. Der inaktive Holdup hres ist bei hohen Eö indirekt
proportional zu Eö und nähert sich bei niedrigen Eö einem Grenzwert εBett·hres ≈ 0,05 - 0,06
an. Hierbei ist εBett die Porosität des Katalysatorbetts [241, 268, 275-277]. Der aktive
Flüssigkeits-Holdup hängt dagegen stark von den Fluidströmen ab. In zahlreichen Studien
wurde gezeigt, dass sich der aktive Holdup mit zunehmendem Flüssigkeitsstrom erhöht. Der
Gasstrom hat bei kleinen Gasgeschwindigkeiten kaum einen Einfluss auf den Holdup, bei
höheren Gasströmen reduziert sich der Holdup jedoch deutlich [236, 275, 277-281].

Auch der Anlagendruck hat einen deutlichen Einfluss auf den Holdup. Statt Versuche mit
hohem Druck durchzuführen werden häufig Gase verschiedener Dichte, wie z.B. Argon,
eingesetzt. Da Gase gleicher Dichte das gleiche hydrodynamische Verhalten zeigen, kann so
bei Umgebungsdruck die Hydrodynamik von Hochdruckprozessen nachgestellt werden [252,
277]. Es zeigt sich, dass der statische Holdup unabhängig von der Gasdichte bzw. dem
Anlagendruck ist [252]. Der gesamte Holdup hingegen ist, gleiche Gasgeschwindigkeiten
vorausgesetzt, bei höherem Druck niedriger [280]. Bei gleichem Massenstrom ist keine
eindeutige Aussage möglich: Je nach Autor ist der Holdup bei hohem [280] oder niedrigem
[277] Druck höher. Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor ist die Korngröße der Schüttung. Je
feinkörniger die Schüttung, desto höher ist der Holdup [279, 282, 283]. Auch die Schüttdichte
der Pellets bestimmt den Holdup: Je höher die Schüttdichte, desto höher ist auch der Holdup
[274]. Die physikalischen Eigenschaften der Flüssigkeit stellen weitere Parameter dar.
Niedrigviskose Flüssigkeiten führen zu einem deutlich geringeren Holdup als hochviskose
[280]. Die Oberflächenspannung hat über Eö einen Einfluss auf den inaktiven Holdup, jedoch
nicht auf den aktiven [276]. Schaumbildende Flüssigkeiten zeichnen sich durch einen
besonders geringen Holdup aus [280].

Häufig werden die Ergebnisse einzelner Veröffentlichungen in Form von empirischen


Gleichungen auf der Basis dimensionsloser Kennzahlen zusammengefasst. Dies gilt
insbesondere für den aktiven Holdup. Übersichten publizierter Korrelationen können
42 Theoretischer Teil

Al-Dahhan et al. [252, 281], Stegeman et al. [237], Wammes et al. [276] sowie Attou et al.
[284] entnommen werden. Selbst bei einfachen Modellsystemen unterscheiden sich die
Vorhersagen je nach Korrelation teils beträchtlich [236, 281, 284]. Besonders interessant sind
die von Ellman et al. [285] sowie Attou et al. [284] entwickelten Korrelationen, da diese auf
den Ergebnissen einer Reihe von Publikationen beruhen und ihnen dadurch eine besonders
breite Basis an Messwerten zu Grunde liegt. Einige Datenpunkten weichen jedoch auch hier
deutlich von der Vorhersage ab. Eine direkte Übertragung auf Realsysteme erscheint daher
nur bedingt sinnvoll. Gleichwohl können genannte Korrelationen als grobe Abschätzung
dienen und allgemeine Tendenzen und Abhängigkeiten von den Modellsystemen auf
Realsysteme übertragen werden.

Der Druckverlust in einem Rieselbett ist eine Kenngröße, die eng mit dem Flüssigkeits-
Holdup verknüpft ist. Er entspricht der Energiedissipation, die beim Durchströmen des Gases
durch die Katalysatorschüttung entsteht [281]. Der Flüssigkeits-Holdup reduziert das
Hohlraumvolumen der Schüttung und wechselwirkt z.B. durch Reibungskräfte mit dem
Gasstrom und steht dadurch in direktem Zusammenhang mit dem Druckverlust [280]. Da der
Druckverlust bei Laborreaktoren kaum eine Rolle spielt, soll hier nicht im Detail auf diesen
eingegangen und auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen werden [275, 281, 286, 287].
In Industrieanlagen ist er hingegen ein wesentlicher Kostenfaktor und bestimmt die Größe der
eingesetzten Pellets mit. Der Größenbereich wird durch die starke intrapartikuläre
Stofftransportlimitierung bei großen Pellets und den sehr hohen Druckverlust bei kleinen
Pellets eingeschränkt. In Industrieanlagen sind Pelletgrößen von 3 – 5 mm üblich [255].

Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators:

Aus reaktionstechnischer Sicht ist zudem die Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators von
besonderer Bedeutung: Ist ein Katalysatorkorn nicht vollständig mit Flüssigkeit bedeckt, führt
dies zu einer nicht-uniformen Reaktandenkonzentration an der Pelletoberfläche, wodurch die
Reaktionsrate maßgeblich beeinflusst wird [288-290]. Bei Flüssigkeiten mit niedrigem
Dampfdruck kann eine teilweise Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators zu einer deutlichen
Reduktion der Reaktionsrate führen [266]. Die hydrodynamische Größe, die diesen
Sachverhalt beschreibt, ist der Flüssigkeitsbedeckungsgrad der Katalysatorschüttung (engl.
external wetting efficiency sowie contacting effectiveness). Er ist als der Anteil der externen
Katalysatoroberfläche definiert, der mit Flüssigkeit bedeckt ist [235]. Nicht mit einbezogen
Theoretischer Teil 43

wird hier der dünne Flüssigkeitsfilm, der aufgrund von Benetzungseffekten in der Regel die
gesamte Pelletoberfläche bedeckt, jedoch nur geringe Bedeutung für die
Stofftransportvorgänge und die Reaktionsrate hat [254, 291].

Die Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators kann analog zum dynamischen und statischen
Holdup in eine dynamische und eine statische Zone unterteilt werden. Die dynamische Zone
entspricht hierbei dem abfließenden Flüssigkeitsfilm, die statische Zone der
Zwickelflüssigkeit zwischen den Katalysatorkörnern. Die dynamische Zone ist durch eine
rasche Flüssigkeitserneuerung gekennzeichnet, in der statischen Zone ist das Gegenteil der
Fall. Der Stoffaustausch zwischen statischen und dynamischen Anteilen ist vergleichsweise
gering, sodass die statischen Anteile kaum zur Reaktionsrate beitragen [272]. In der Regel
umfasst die statische Zone etwa 20-30% der Katalysatoroberfläche [292].

Im Allgemeinen kann in Rieselbetten nicht von einer vollständigen Flüssigkeitsbedeckung des


Katalysators ausgegangen werden. Typische Werte für den Flüssigkeitsbedeckungsgrad von
Industrie- und Pilotanlagen liegen bei 0,6 - 1,0 [288]. Erst ab einer
Mindestflüssigkeitsbelastung von 5 kg/m²s wird von einer vollständigen Flüssigkeitsdeckung
ausgegangen [234]. Die Höhe des Flüssigkeitsbedeckungsgrads hängt maßgeblich von den
physikalischen Eigenschaften der Flüssigkeit ab. Dichte, Viskosität, Oberflächenspannung
sowie der Kontaktwinkel zum Feststoff bestimmen, ob die Flüssigkeit als Rinnsal oder dünner
Film die Schüttung hinabströmt [293, 294]. Weitere Einflussfaktoren sind die Höhe der Gas-
und Flüssigkeitsströme, der Betriebsdruck sowie die Größe der Katalysatorpellets [266]. Eine
Sammlung empirischer Gleichungen zur Beschreibung der Flüssigkeitsbedeckung des
Katalysators kann Al-Dahhan et al. [252] entnommen werden. Die experimentelle
Bestimmung der Flüssigkeitsbedeckung kann mittels Magnetresonanztomographie [295-297],
elektrochemisch [298] oder chemisch erfolgen. Bei der chemischen Bestimmung wird die
Reaktionsrate des Rieselbetts bei normalem zweiphasigen Betrieb mit der Reaktionsrate bei
einphasigem Betrieb mit gasgesättigter Flüssigkeit verglichen, wobei von einer vollständigen
Flüssigkeitsbedeckung ausgegangen wird [259, 291].

Flüssigkeitsverteilung und Wandeffekte:

Wurde bislang die Flüssigkeitsversorgung des Katalysators auf der Partikelebene betrachtet,
soll nun auf die Reaktorebene eingegangen werden. Bei Rieselbettreaktoren ist eine
gleichmäßige Flüssigkeitsverteilung über den vollständigen Querschnitt und die gesamte
44 Theoretischer Teil

Reaktorlänge gewünscht. Eine Flüssigkeitsfehlverteilung verhindert eine optimale


Katalysatorausnutzung und führt daher zu einer Reduktion von Umsatz und Anlagenleistung.
Zudem begünstigt sie die Ausbildung von axialen und radialen Temperaturprofilen sowie die
Entstehung von Hotspots. Dadurch wird die Katalysatordeaktivierung gefördert und die
Selektivität reduziert [299, 300]. Die Flüssigkeitsverteilung wird experimentell meist durch
Sammlersysteme am Reaktorende [238, 301] bestimmt. Des Weiteren ist die Bestimmung
mittels Wärmeübertragungssensoren [302], Röntgentomographie [303], kapazitiver
Tomographie [302] sowie Gammastrahlen-Tomographie [299, 304] möglich.

Die Strömung im Rieselbett ist am Reaktoreingang durch eine Einlaufzone gekennzeichnet, in


der sich die Strömung aufgrund von radialer Dispersion entwickelt, bis schließlich eine
Gleichgewichtsverteilung erreicht wird. Die Länge dieser Zone und damit einhergehend die
Qualität der Flüssigkeitsverteilung hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Der
augenscheinlichste ist die Art des eingesetzten Flüssigkeitsverteilers. Entscheidend ist aber
auch die Größe der Fluidströme: Im Allgemeinen verbessern hohe Gas- und
Flüssigkeitsströme die Flüssigkeitsverteilung [302]. Weitere Einflussfaktoren sind die
geometrischen Eigenschaften des Katalysatorbetts wie dessen Höhe oder der
Partikeldurchmesser [266] sowie die Schüttdichte und deren Veränderung über die
Reaktorlänge [304]. Auch die physikalischen Eigenschaften der Flüssigkeit spielen eine
Rolle. Durch vorheriges vollständiges Benetzen der Schüttung (engl. prewetting),
beispielsweise durch Fluten der Anlage, kann das Benetzungsverhalten der Schüttung und
damit auch die Flüssigkeitsverteilung maßgeblich verbessert werden [282, 304]. Interessant
ist auch der Einfluss der Porosität der Füllkörper: Maiti et al. [305] konnten zeigen, dass beim
Einsatz von porösen Partikeln eine deutlich bessere Flüssigkeitsverteilung erreicht wird als
bei nicht-porösen. Bei nicht-porösen Partikeln wird die Flüssigkeitsverteilung durch den
Kontaktwinkel zwischen Flüssigkeit und Partikel bestimmt. Bei porösen Partikeln mit
flüssigkeitsgefüllten Poren verläuft die Dreiphasengrenze hingegen über den Feststoff sowie
über die Flüssigkeit in den Poren. Dies verbessert die Benetzbarkeit und damit auch die
Flüssigkeitsverteilung.

Da viele der Größen bereits durch die Anwendung festgelegt sind, kann die Länge der
Anlaufphase meist nur durch das Design des Flüssigkeitsverteilers verändert werden. In
Industrieanlagen haben sich bei den dort herrschenden hohen Fluidbelastungen Siebplatten
[306] besonders bewährt. In Laborreaktoren besteht das Flüssigkeitsverteilersystem meist aus
einer Vielzahl von Kapillaren, die gleichmäßig über den Reaktorquerschnitt verteilt sind.
Theoretischer Teil 45

Entsprechende Bauzeichnungen können Turek et al. [238], Herskowitz et al. [301] sowie Wu
et al. [263] entnommen werden. Eine gleichmäßige Flüssigkeitsverteilung ab Reaktoreingang
ist besonders dann wichtig, wenn mit geringen Schüttungsdicken gearbeitet wird [269, 307].
Eine Faustregel besagt, dass die Länge der Anlaufphase in Labor- und Pilotanlagen ohne
Verteilersystem etwa 1/3 bis 2/3 m beträgt [234]. Besonders interessant ist in diesem
Zusammenhang die Arbeit von Herskowitz et al. [301], in der die Verteilung von Wasser in
einer Katalysatorschüttung untersucht wurde. Dort wird gezeigt, dass sich ohne
Verteilersystem für einen Reaktordurchmesser von 4 cm eine Gleichgewichtsverteilung schon
nach 15 cm einstellt. Bei einem Durchmesser von 11,4 cm sind 50 cm nötig. Schubert et al.
[299] berichten über ein vergleichbares System, dass die zur Gleichgewichtseinstellung nötige
Länge etwa dem Reaktordurchmesser entspricht. In Pilotanlagen spielt das Anlaufverhalten
eine untergeordnete Rolle, sodass meist auf ausgefeilte Verteilersysteme verzichtet wird.

In Labor- und Pilotanlagen wird die Gleichgewichtsverteilung der Flüssigkeit stark durch
Wandeffekte bestimmt. Die Schüttung weist an der Wand eine deutlich höhere Bettporosität
auf. Dadurch strömt die Flüssigkeit bevorzugt in dieser Zone sowie an der Reaktorwand selbst
abwärts. Ob der Randgängigkeit eine entscheidende Bedeutung zukommt, hängt maßgeblich
vom Verhältnis von Reaktordurchmesser zu Katalysatordurchmesser dC/dP ab. Beispielsweise
konnte Baldi zeigen, dass für dC/dP < 10 über 20 % der Flüssigkeit als Wandströmung
abfließen [264]. Je nach Autor kann ab dC/dP = 18 [301], 20 [238, 308] bzw. 25 [309] der
Wandeinfluss vernachlässigt werden. Häufig wird dieses Kriterium in Laboranlagen jedoch
nicht erfüllt. Generell führen Wandeffekte zu einer Reduktion der Anlagenleistung. In diesem
Zusammenhang ist besonders eine Veröffentlichung von Stanek et al. [310] interessant,
welche die Hydrierung von Cyclohexen behandelt. Dort wird gezeigt, dass eine
ungleichmäßige Flüssigkeitsverteilung, die durch die zentrale Flüssigkeitsaufgabe in der Mitte
des Reaktorquerschnitts erzeugt wird, zu einer höheren Reaktionsrate führt als eine
gleichmäßige Flüssigkeitsverteilung. Dies wird dadurch erklärt, dass bei einer gleichmäßigen
Flüssigkeitsverteilung die Wandströmung deutlich ausgeprägter ist. In der Forschung ist die
Größe der Katalysatorpellets häufig durch die industrielle Anwendung sowie die
kommerzielle Verfügbarkeit vorgegeben. Um unter diesen Umständen Wandeffekte zu
vermeiden, hat es sich bewährt, die Katalysatorschüttung mit feinkörnigen Inertpartikeln zu
durchsetzen, um so die Bettporosität insbesondere an der Wand zu verringern [263, 308].

Aufgrund der hohen praktischen Relevanz gibt es eine Vielzahl von Veröffentlichungen zur
Flüssigkeitsverteilung in Rieselbetten. Eine Übersicht kann Kundu et al. [266] sowie Atta et
46 Theoretischer Teil

al. [300] entnommen werden. Als Modellsystem haben sich die Fluide Wasser und Luft in
Glaskugelschüttungen etabliert. Eine Übertragung auf Realsysteme ist jedoch aufgrund der
Vielzahl an Wechselwirkungen und Einflussfaktoren schwierig [299]. Hilfreich sind
aussagekräftige Modellierungen, wobei CFD-basierte Modelle am leistungsfähigsten sind
[300, 304]. Eine Übersicht verschiedener Modelle kann Atta et al. [300] entnommen werden.
Selbst damit ist eine genau Voraussage der Strömung im Rieselbett jedoch kaum möglich,
sodass das Design von Verteilersystemen in der Industrie selbst heutzutage v.a. auf
Erfahrungswerten und Heuristik beruht [300].

2.3.4 Reaktionskinetik von Rieselbettreaktoren

Die Reaktionsrate in Rieselbetten wird neben der intrinsischen Kinetik durch eine Vielzahl
von Stofftransportphänomenen sowie hydrodynamischen und thermischen Effekten bestimmt.
Für eine wissenschaftliche Beschreibung ist es sinnvoll, die Reaktionskinetik von Rieselbetten
auf verschiedenen Skalen zu betrachten. Die Mikrokinetik beschreibt die
Reaktionsgeschwindigkeit am aktiven Zentrum des Katalysators unter Ausschluss von
Stofftransportphänomenen und wird experimentell in einem Rührkesselreaktor mit
Katalysatorsuspension bestimmt.

Die Makrokinetik beschreibt die Reaktionsgeschwindigkeit auf der Ebene des


Katalysatorpellets und umfasst neben der intrinsischen Reaktionsgeschwindigkeit die
Transportprozesse am Pellet selbst. Im Falle einer Gas-/Flüssig-Reaktion umfasst dies die
Diffusion beider Reaktanden und des Produkts durch den Grenzfilm sowie durch das
Porensystem des Trägers. Je nach Definition ist auch der Stoffübergang des gasförmigen
Reaktanden in die Flüssigkeit miteingeschlossen [254]. Experimentell kann die Makrokinetik
in Rührkesselreaktoren mit Katalysatorkorb bestimmt werden [311, 312]. Soll mit der
Makrokinetik ohnehin ein Rieselbett beschrieben werden, bietet es sich an diese direkt im
Festbettreaktor zu bestimmen. Dazu wird der Festbettreaktor nicht als Rieselbett sondern als
reiner Flüssigphasenreaktor betrieben, wobei die Flüssigkeit mit Gas vorgesättigt wird [259,
313, 314].

Aufgrund der Komplexität der ablaufenden Prozesse ist eine Makrokinetik zur Beschreibung
von Rieselbetten nicht ausreichend. Daher führten Turek et al. [238] den Begriff der
effektiven Prozesskinetik ein. Diese beschreibt die Kinetik des gesamten Reaktors. Neben
Theoretischer Teil 47

dem Stofftransport und der intrinsischen Kinetik umfasst diese auch das Temperaturprofil des
Reaktors sowie die Hydrodynamik des Systems. Besonders wichtig sind hierbei die
Flüssigkeitsdeckung des Katalysators sowie die Flüssigkeitsverteilung im Reaktor. Für die
Erforschung und Entwicklung von Rieselbetten sind jedoch auch die Mikro- und
Makrokinetik von Bedeutung: Die Auswahl des aktiven Metalls sowie des Trägermaterials
erfolgt anhand der Mikrokinetik. Zudem dient die Mikrokinetik als Referenz bei der
Bestimmung der Katalysatorausnutzung in Rieselbettreaktoren z.B. in Form eines
Katalysatornutzungsgrades [238, 315]. In der Regel ist die Reaktionsrate von
Rieselbettreaktoren stark stofftransportlimitiert. Durch die Makrokinetik kann der Einfluss der
Stofftransportprozesse quantifiziert und eine anwendungsgerechte Korngröße bestimmt
werden [259, 313, 314]. Der Vergleich von Makrokinetik und effektiver Prozesskinetik
erlaubt für isotherm betriebene Laborreaktoren zudem die Quantifizierung von
Flüssigkeitsverteilungs- und Flüssigkeitsdeckungseffekten. In Abbildung 6 sind die drei
Skalen bildlich zusammengefasst.

Abbildung 6: Drei Skalen zur Bestimmung der Kinetik von Rieselbetten nach Valerius et al.
[315].

Externer Stofftransport im Rieselbett:

Häufig wird die Reaktionsrate in Rieselbettreaktoren durch den Stofftransport der Reaktanden
bestimmt. Oft ist der gasförmige Reaktand in der Flüssigphase schlecht löslich, sodass die
Reaktion durch den Stofftransport des gasförmigen Reaktanden limitiert wird. Eine
Stofftransportlimitierung kann im Gas/Flüssig-Grenzfilm, im Flüssig/Fest-Grenzfilm oder im
gesamten Film vorliegen [315]. Meist wird der gasseitige Widerstand sowie der Stofftransport
48 Theoretischer Teil

durch den Film vernachlässigt und der Stofftransport durch einen Stoffübergang Gas/Flüssig
sowie Flüssig/Fest beschrieben. Der Stofftransport von der Gasphase zur Pelletoberfläche
wird durch den globalen Stoffübergangskoeffizienten klsa beschrieben, der sich nach (12) aus
dem Stofftransportkoeffizienten an der Gas/Flüssig-Grenzfläche kla sowie an der
Pelletoberfläche ksa ergibt [234, 278, 315, 316]:

1 1 1
= + (12)

Ist der Katalysator nicht vollständig mit Flüssigkeit bedeckt, findet der Stofftransport zudem
durch die Gas/Fest-Grenzfläche statt. Der Stofftransport ist aufgrund der dünnen
Flüssigkeitslage auf dem Pellet geringer als bei reinen Gasphasenreaktionen, jedoch deutlich
höher als durch die flüssigkeitsbedeckte Pelletoberfläche [317]. Die Verbesserung des
Stofftransports durch die teilweise Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators kann zu einer
deutlichen Erhöhung der Reaktionsrate im Vergleich zum vollständig flüssigkeitsbedeckten
Katalysator führen [269, 288, 318-320]. Zur externen Stofftransportlimitierung kommt häufig
eine intrapartikuläre Diffusionslimitierung durch Porendiffusion hinzu [321]. Ist die Reaktion
sowohl durch den gasförmigen als auch den flüssigen Reaktanden limitiert, erhöht sich die
Komplexität der Stofftransportphänomene zusätzlich. Eine schematische Darstellung des
externen Stofftransports des gasförmigen Reaktanden kann Abbildung 7 entnommen werden.

Stoffübergang Gas/Flüssig/Fest: Stoffübergang Gas/Fest:

a
ci,l° ci.l°
ci,g Katalysator- ci,g
ci,l
ci,s pellet
kga
kla ksa
klsa y

Abbildung 7: Stofftransportlimitierung des gasförmigen Reaktanden am teilweise mit


Flüssigkeit bedeckten Katalysatorkorn. nach [315]

Aufgrund der großen praktischen Bedeutung ist die Bestimmung von kla und ksa Gegenstand
zahlreicher Forschungsaktivitäten. Experimentell kann kla durch physikalische [278] und
Theoretischer Teil 49

chemische [316, 322, 323] Absorptionsmessungen bestimmt werden. Der Wert von kla hängt
sowohl von den Betriebsbedingungen als auch von den physikalischen Eigenschaften der
Fluide ab. Eine Erhöhung der Gas- und Flüssigkeitsströme führt zu einer Erhöhung von kla
[258, 322-324]. Eine Druckerhöhung bewirkt bei gleichbleibendem Massenstrom eine
Reduktion von kla [322], bei gleichbleibender Gasgeschwindigkeit eine Erhöhung von kla
[252, 258]. Kleine Partikeldurchmesser führen, bedingt durch die größere spezifische
Oberfläche, zu einer Erhöhung von kla [258]. Zudem ist die Morphologie der Schüttung
entscheidend: Poröse Katalysatorkörner weisen ein höheres kla als Glaskugelschüttungen auf
[254, 278]. Auch die physikochemischen Eigenschaften der Flüssigkeit, z.B. die Viskosität,
haben einen Einfluss [322-324].

Die Messungen werden in der Regel mit dem Fluidsystem Wasser/Luft durchgeführt. Um eine
Übertragung auf Realsysteme zu gewährleisten, werden die Ergebnisse in Korrelationen
basierend auf dimensionslosen Kennzahlen zusammengefasst. Beispielhaft hierfür sind die
Arbeiten von Goto et al. [278] und Morsi et al. [323]. Übersichten verschiedener
Korrelationen finden sich bei Turek et al. [258], Morsi et al. [323] sowie Iliuta et al. [325].
Die Übertragbarkeit auf Realsystem ist jedoch häufig fraglich [238, 326, 327]. Je nach
Korrelationen unterscheiden sich die Vorhersagen teils beträchtlich [258], sodass sie eher den
Charakter einer groben Abschätzung haben [254]. Besonders interessant ist diesbezüglich eine
von Larachi et al. [324] mittels künstlicher neuraler Netzwerke entwickelte Korrelation. Sie
umfasst die experimentellen Daten zahlreicher Veröffentlichungen und ist ob der breiten
Datenbasis besonders belastbar. Das Konfidenzintervall ist mit ± 48 % jedoch beträchtlich.

Die experimentelle Bestimmung von ksa erfolgt meist durch das Auflösen von
schwerlöslichen Feststoffpartikeln beispielsweise aus Benzoesäure [265, 328] oder
β-Naphthol [278]. Auch eine elektrochemische Bestimmung ist möglich [329]. Der Wert von
ksa wird hauptsächlich durch den Flüssigkeitsstrom sowie die Partikelgröße bestimmt: Eine
Erhöhung des Flüssigkeitsstroms und damit der Flüssigkeitsgeschwindigkeit sowie eine
Reduktion der Partikelgröße führen zu einer deutlichen Erhöhung von ksa [265, 278, 323, 324,
328]. Bei kleinen Gasgeschwindigkeiten hat der Gasstrom keinen Einfluss auf ksa [265, 323].
Hohe Gasströme führen zu einer Rippenbildung im Film, wodurch die Durchmischung im
Film gesteigert und ksa erhöht wird [265]. Der Betriebsdruck bzw. die Gasdichte haben
keinen Einfluss auf ksa [265]. Die Übertragung der Ergebnisse der Modellsysteme auf
Realsysteme erfolgt analog zu kla durch Korrelationen mit dimensionslosen Kennzahlen.
Beispielhaft hierfür sind die Arbeiten von Goto et al. [278], Specchia et al. [328] sowie
50 Theoretischer Teil

Larachi et al. [324]. Teils liefern die Korrelationen jedoch deutlich verschiedene Ergebnisse
[265, 330]. Eine Übersicht von Arbeiten zu ksa findet sich sowohl bei Satterfield et al. [265]
als auch bei Specchia et al. [328].

Ob der externe Stofftransport die Reaktionsrate limitiert, kann a priori durch ein Kriterium
von Satterfield et al. [Satterfield 1969] bestimmt werden. Ist Gleichung 13 erfüllt, muss der
externe Stofftransport berücksichtigt werden und es gilt ci,s < 0,95 · ci˚. Hierbei ist ci,s die
Konzentration des Stoffes i an der Katalysatoroberfläche und ci,l˚ die
Gleichgewichtskonzentration in der Flüssigphase.

10 ∙
°
−ν ∙ > (13)
3∙ ,

Welche externen Transportschritte reaktionslimitierend sind, kann durch die Modellierung der
Reaktion im Rieselbettreaktor und eine anschließende Sensitivitätsanalyse bestimmt werden.
Eine Übersicht solcher Arbeiten kann Tabelle 7 entnommen werden. Die Art der Limitierung
ist deutlich systemspezifisch, sodass kein allgemeiner Trend abgeleitet werden kann.

Tabelle 7: Sensitivität der Reaktionsrate in Rieselbetten von Stofftransportkoeffizienten.

Reaktion Stofftransportkoeffizienten* Autor


kla ksa kga
Hydrierung von Benzol ++ o n.b. Roininen et al. [247]
Hydrierung von Dinitrotoluol ++ ++ + Rajashekharam et al. [292]
Hydrierung von Acetophenon ++ + n.b. Bergault et al. [327]
Oxidation von Phenol o ++ o Guo et al. [331]
Oxidation von Ameisensäure ++ + n.b. Goto et al. [321]
Oxidation von Essigsäure ++ + n.b. Levec et al. [314]
* ++ sehr hoher Einfluss; + deutlicher Einfluss; o kein Einfluss; n.b. nicht bestimmt.

Intrapartikulärer Stofftransport:

Auch der intrapartikuläre Diffusionseinfluss kann a priori nach Satterfield et al. [234]
abgeschätzt werden. Ist Gleichung (14) erfüllt, wird eine Limitierung der Reaktionsrate durch
Porendiffusion ausgeschossen.

/2 ∙ ∙ 1 − $%&''
<1 (14)
, ∙ ( ,&))
Theoretischer Teil 51

Experimentell kann der Einfluss der Porendiffusion auf die Reaktionsrate durch eine
Variation der Korngröße des Katalysators bestimmt werden. Um externe
Stofftransportlimitierung sowie Benetzungseffekte auszuschließen, wird der Festbettreaktor
bei hinreichend hohen Fluidgeschwindigkeiten als reiner Flüssigphasenreaktor mit
gasgesättigter Lösung betrieben. Alternativ ist der Einsatz eines Rührkessels mit
Katalysatorkorb möglich. Ist die Reaktionsrate unabhängig von der Korngröße, kann eine
Porendiffusionslimitierung ausgeschlossen werden [313, 332, 333]. Häufig sind im Rieselbett
durchgeführte Reaktionen jedoch stark porendiffusionslimitiert. Diese interne
Stofftransportlimitierung kann durch einen internen Katalysatornutzungsgrad ηint beschrieben
werden, welcher als Verhältnis der Reaktionsgeschwindigkeit ohne externe
Stofftransportlimitierung rSTR zur intrinsischen Reaktionsgeschwindigkeit rintr definiert ist
[334]. Es gilt: ηint = rSTR/rintr. Experimentell kann ηint in einem Flüssigphasenreaktor durch
Variation der Fluidgeschwindigkeit bestimmt werden. Dabei macht man sich zu Nutze, dass
ks von der Fluidgeschwindigkeit abhängt, die Porendiffusion hingegen nicht. Beispielhaft
hierfür sind die Arbeiten von Morita et al. [259] sowie Leung et al. [335].

Katalysatornutzungsgrade und Aktivierungsenergien im Rieselbett:

Die externen Diffusionseffekte werden durch den externen Katalysatornutzungsgrad ηext


beschrieben, der durch ηext = robs/rSTR definiert ist [334]. Interner und externer
Katalysatornutzungsgrad können zum globalen Katalysatornutzungsgrad ηg = ηint · ηext
zusammengefasst werden [238, 334]. In Tabelle 8 ist ηg für ausgewählte Reaktionen im
Rieselbett dargestellt. Die Werte für ηg bewegen sich typischerweise im niedrigen Prozent-
und hohen Promillebereich. Die Ursache für diese niedrigen Werte liegt in der starken
Diffusionslimitierung.

Tabelle 8: Globaler Katalysatornutzungsgrad ηg im Rieselbettreaktor.

Reaktion dp [mm] ηg [-] Autor


Hydrierung von Cyclohexen 3,9 0,006 Hanika et al. [334]
Hydrierung von α-Methylstyrol 1,3 0,05-0,60 Herskowitz et al. [291]
Hydrierung von α-Methylstyrol 1,6 0,02-0,09 Tan et al. [289]
Hydrierung von α-Methylstyrol 8,3 0,006 Satterfield et al. [316]
Hydrierung von Anilin 4,5 0,003-0,03 Govindarao et al. [336]
Hydrierung von Glucose 5,0 0,01 Turek et al. [238, 337]
52 Theoretischer Teil

Häufig wird die Reaktion im Rieselbett durch eine Aktivierungsenergie charakterisiert. In


Tabelle 9 ist diese für ausgewählte Reaktionen dargestellt. Zum Vergleich ist die intrinsische
Aktivierungsenergie angegeben, welche mittels Pulverkatalysatoren im Slurry-Reaktor
bestimmt wurde. Die Aktivierungsenergie im Rieselbett liegt hierbei deutlich unter der
intrinsischen, was auf Diffusionseffekte zurückgeführt wird.

Tabelle 9: Aktivierungsenergie im Rieselbettreaktor.

Reaktion Aktivierungsenergie [kJ/mol] Autor


EA,app.* EA,intr.**
Hydrierung von Cyclooctadien 22 46 Hanika et al. [338]
Hydrierung von Dicyclopentadien 7,9 n.b. Chou et al. [313]
Hydrierung von α-Methylstyrol 21,3 31,8 Satterfield et al. [316]
Hydrierung von Hydroxypropanal 12 66 Valerius et al. [339]
Hydrierung von Anilin 53,1 166 Govindarao et al. [336]
* **
der Reaktionsrate im Rieselbett intrinsische.

Limitierende Reaktanden und teilweise Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators:

In Rieselbettreaktoren ist häufig ein Reaktand in hohem Überschuss vorhanden, sodass er


keinen Einfluss auf die Reaktionsrate hat und die Reaktionsrate ausschließlich durch den
anderen Reaktanden bestimmt wird. Abhängig vom limitierenden Reaktanden wird von einer
gas- oder flüssigkeitslimitierten Reaktion gesprochen [340, 341]. Bei vielen
Hydrierreaktionen wird von einer Limitierung durch den Wasserstoff berichtet [257, 260, 307,
342]. Eine Limitierung durch den flüssigen Reaktanden findet sich vor allem bei hohem
Reaktionsdruck [331, 343] und bei niedriger Konzentration des flüssigen Reaktanden [255].

Besonderes Augenmerk verdient die Reaktionskinetik am teilweise flüssigkeitsbedeckten


Katalysator. Von gaslimitierten Reaktionen ist bekannt, dass bei unvollständiger
Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators höherer Reaktionsraten erreicht werden können als
bei vollständiger Flüssigkeitsbedeckung [257, 292, 318, 342, 344, 345]. Der Grund hierfür ist
der höhere Stofftransport der gasförmigen Reaktanden durch die trockene
Katalysatoroberfläche. Bei geringer Flüssigkeitsbedeckung können die intrapartikulären
Diffusionswege des flüssigen Reaktanden jedoch so groß werden, dass dieser an der
trockenen Katalysatoroberfläche reaktionslimitierend wird [340]. In diesem Fall ist das Pellet
durch eine inhomogene Konzentrationsverteilung an der Pelletoberfläche für beide
Theoretischer Teil 53

Reaktanden gekennzeichnet. Entsprechende Konzentrationsprofile können Funk et al. [319]


sowie Harold et al. [320] entnommen werden. Die Reaktionsrate im Pellet ist dann
ortsabhängig gas- oder flüssigkeitslimitiert. Eine sinnvolle Beschreibung eines teilweise
flüssigkeitsbedeckten Pellets ist nur mit Modellen möglich, die beide Reaktanden
berücksichtigen [318].

cl,1 > cl,2 > cl,3

cl,1
Reaktionsrate

cl,2

cl,3

Flüssigkeitsstrom
Abbildung 8: Abhängigkeit der Reaktionsrate von Flüssigkeitsstrom und
Eingangskonzentration des flüssigen Reaktanden nach [269].

Für die Reaktionsrate eines Rieselbetts mit teilweise flüssigkeitsbedecktem Katalysator ergibt
sich typischerweise ein Bild wie in Abbildung 8 dargestellt. Eine Erhöhung des
Flüssigkeitsstroms hat bei kleinen Strömen eine starke Erhöhung der Reaktionsrate zur Folge,
da hier die Reaktion in erster Linie durch die Flüssigkeitsversorgung limitiert wird. Mit dem
Flüssigkeitsstrom erhöht sich auch die Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators, wodurch der
Stofftransport des gasförmigen Reaktanden behindert wird. Die Folge ist ein Maximum der
Reaktionsrate bei teilweiser Flüssigkeitsbedeckung. Jenseits dieses Maximums ist die
Reaktionsrate vor allem durch den gasförmigen Reaktanden limitiert. Die Reaktionsrate sinkt
mit steigendem Flüssigkeitsstrom ab, bis schließlich ein Plateau erreicht wird, das durch die
vollständige Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators gekennzeichnet ist. Die Höhe und
Position des Maximums sowie in geringem Maße die Höhe des Plateaus hängen von der
Eingangskonzentration des flüssigen Reaktanden ab. Zugleich zeigt die Abbildung, wie sich
die Reaktionsrate über die Reaktorlänge durch die Abnahme der Konzentration des flüssigen
Reaktanden verändert. Bei teilweiser Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators ist der Einfluss
der Konzentration des flüssigen Reaktanden besonders hoch. [269]
54 Theoretischer Teil

2.3.5 Wärmetransport in Rieselbettreaktoren

Bei Rieselbettreaktoren kommt dem Wärmetransport eine besondere Bedeutung zu, da viele
in diesem Reaktortyp durchgeführte Reaktionen stark exotherm sind, die Wärmeabfuhr
hingegen vergleichsweise schlecht ist. Aufgrund der geringen Wärmekapazität des Gases
erfolgt der größte Anteil der Wärmeabfuhr über die Flüssigphase. Eine ungenügende
Wärmeabfuhr führt zur Ausbildung von Hot Spots, was zu Selektivitätsproblemen und zum
Sintern oder Deaktivieren des Katalysators führen kann. Außerdem sind Hot Spots auch
sicherheitstechnisch bedenklich. Daher sind die mechanistische Beschreibung sowie die
Quantifizierung der Wärmeübertragung in diesem komplexen dreiphasigen System wichtig.

Der Wärmetransport erfolgt in mehreren Schritten und auf verschiedenen Ebenen. Allgemein
wird davon ausgegangen, dass das Katalysatorpellet vollständig mit Flüssigkeit getränkt und
damit kein merklicher intrapartikulärer Temperaturgradient vorhanden ist [346, 347].
Anspruchsvoller gestaltet sich der Wärmetransport vom Katalysatorpellet an das umgebende
Fluid, welcher durch einen Partikel-Fluid Wärmeübergangskoeffizienten hfs beschrieben wird.
Der letzte Schritt umfasst die Beschreibung des Wärmeübergangs über den gesamten Reaktor,
welcher die Wärmeleitung innerhalb des Katalysatorbetts sowie den Wärmeübergang vom
Katalysatorbett zur Reaktorwand beinhaltet.

Wärmeübergang zwischen Katalysatorkorn und Fluid:

Zur Bestimmung des Partikel-Fluid Wärmeübergangskoeffizienten hfs wurden im


Modellsystem Wasser/Luft eine Reihe von Untersuchungen durchgeführt, welche in Tabelle
10 zusammengefasst sind. Marcandelli et al. [348] bestimmten hfs mittels beheizter
Thermistoren, welche in Größe und Gestalt der Kugelschüttung ähnelten. Die an das Fluid
abgegebene Wärmemenge ist proportional zur Temperaturdifferenz zwischen Thermistor und
Fluid sowie hfs und Thermistoroberfläche. Es wurde gezeigt, dass hfs mit Erhöhung des
Flüssigkeitsstroms zunimmt, eine Erhöhung der Gasgeschwindigkeit hingegen kaum einen
Effekt hat. Einen maßgeblichen Einfluss hat das Strömungsregime: Ein Wechsel von der
Rieselströmung zur pulsierenden Strömung hat eine deutliche Zunahme von hfs zur Folge.
[348]
Theoretischer Teil 55

Boelhouwer et al. [349] verwendeten zur Bestimmung von hfs eine Eigenentwicklung
basierend auf einer Kupferkugel, deren Temperatur konstant über der Fluidtemperatur
gehalten wird. Aus dem Stromverbrauch wird hfs bestimmt. Die erzielten Ergebnisse
bestätigen Marcandelli et al.: Eine Erhöhung des Flüssigkeitsstrom führt zu einer Zunahme
von hfs, eine Erhöhung der Gasgeschwindigkeit hingegen kaum. Der Übergang von der
Rieselströmung zur pulsierenden Strömung bewirkt eine sprunghafte Erhöhung von hfs. Alle
Abhängigkeiten für hfs können durch die Korrelation Nufs = 0,111·Rel0,8·Pr1/3 beschrieben
werden.

Tabelle 10: Publikationen zum Wärmeübergang von Katalysatorpellet zu Fluid.


Autor Systemabmessungen Fluidgeschwindigkeiten hfs [W·m-2K-1]
Marcandelli et al. dC = 0,1 m Ug = 0-0,5 m/s 1800 - 8500
[348] dP = 2 mm L = 0-20 kg/m²s
Boelhouwer et al. dC = 0,11 m Ug = 0-0,8 m/s 1500 - 4500
[349] dP = 6,0 mm, Ul = 0,0035-0,0153 m/s
Huang et al. dC = 7,62 cm Ug = 0,13-0,52 m/s 5000 - 25000
[350] dP = 6 bzw. 8 m Ul = 0,007-0,029 m/s
(System jeweils Wasser/Luft bei Umgebungsdruck)

Eine weitere Messmethode zur Bestimmung von hfs ist die thermische Anemometrie. Mit
dieser Methode werden im Allgemeinen höhere Werte für hfs gemessen [349, 350]. Huang et
al. [350] gelangen zeitlich hochaufgelöste Messungen, welche besonders im Bereich der
pulsierenden Strömung interessante Ergebnisse lieferten: Die pulsierende Strömung ist durch
das dynamische Wechselspiel einer flüssigkeitsreichen und einer gasreichen Phase
gekennzeichnet, wobei hfs in der flüssigkeitsreichen Phase um einen Faktor vier erhöht ist.
Die Rieselströmung kann als ausschließlich gasreiche Phase verstanden werden. Zudem
konnten die generellen Abhängigkeiten des Wärmeübergangskoeffizienten von Flüssigkeit-
und Gasgeschwindigkeit sowie dem Strömungsregime, wie in [348, 349] beschrieben,
bestätigt werden.

Wärmetransport im gesamten Rieselbettreaktor:

Der Wärmeübergang in einem Rieselbettreaktor wurde erstmals von Weekman et al. [351] für
das Modellsystem Wasser/Luft durch ein pseudo-homogenes, einparametrisches Modell
beschrieben. In Analogie zum Fourierschen Gesetz wird die Wärmeleitung im Katalysatorbett
56 Theoretischer Teil

durch die effektive Wärmeleitfähigkeit λe charakterisiert. Diese umfasst alle thermischen


Widerstände im Katalysatorbett, beispielsweise zwischen Partikel und Flüssigkeit, durch die
Kontaktflächen der Partikeln untereinander oder von Gas und Flüssigkeit zwischen den
Partikeln. Die effektive Wärmeleitfähigkeit λe setzt sich aus einem statischen Anteil λe,0
zusammen sowie Anteilen, die die radiale Durchmischung von Gas λe,tg und Flüssigkeit λe,tl
beschreiben. Eine Erhöhung der Gas- und Flüssigkeitsrate führt zu einer Verbesserung des
radialen Wärmetransports. Durch den Übergang von der Rieselströmung zur pulsierenden
Strömung kann dieser auf das Vierfache gesteigert werden. [351, 352]

Aufbauend auf dem Ansatz von Weekman et al. führten Specchia et al. [353] einen
Wärmeübergangskoeffizienten hw ein, der den Wärmeübergang zwischen
Katalysatorschüttung und Reaktorwand beschreibt. Dieses zweiparametrische Modell
unterteilt den Wärmetransport in eine Wärmeleitung innerhalb der Schüttung sowie einen
Wärmeübergang zwischen Schüttung und Reaktorwand. Die effektive radiale
Wärmeleitfähigkeit λe setzt sich, analog zu Weekman et al. [351], aus drei Anteilen
zusammen, wobei λe von λe,tl dominiert wird. λe nimmt mit dem Flüssigkeitsstrom zu, eine
Erhöhung des Gasstroms sowie eine Änderung des Strömungsregimes haben hingegen kaum
einen Einfluss. [353]

Der Wärmeübergangskoeffizienten hw wird hingegen maßgeblich durch das Strömungsregime


bestimmt und nimmt bei der Rieselströmung mit dem Gas- und Flüssigkeitsstrom zu.
Modellbildlich wird dies auf den Flüssigkeitsfilm an der Reaktorwand zurückgeführt.
Maßgeblich ist die Filmausdehnung sowie -geschwindigkeit. Bei kleinen Flüssigkeitsströmen
wird davon ausgegangen, dass die Wand nicht vollständig bedeckt ist und so nur ein Bruchteil
der Reaktorfläche zum effektiven Wärmetransport genutzt wird. Ein weiterer wichtiger Faktor
ist der Flüssigkeitsaustausch zwischen Wandfilm und Schüttung, welcher an den
Kontaktpunkten von Partikel und Wand stattfindet. Durch die Erneuerung des Films und die
damit verbundenen Mischungsvorgänge findet ein Wärmetransport statt. [353]

Der Wärmetransport in Rieselbetten wurde in zahlreichen weiteren Forschungsarbeiten


untersucht: Beispielsweise entwickelten Chu et al. [354] basierend auf einem theoretischen
Ansatz ein Modell zur Vorhersage der radialen Bettwärmeleitfähigkeit im vollständig
flüssigkeitsbedecktem Rieselbett bei Rieselströmung. Lamine et al. [355, 356] zeigten
anschaulich, dass die Bettwärmeleitfähigkeit stark mit dem Flüssigkeitsmassenstrom
zunimmt. Die Gasgeschwindigkeit hat, insbesondere bei Rieselströmung, kaum einen Einfluss
auf λe. Aus der Literatur sind eine Reihe von Korrelationen zur Vorhersage von λe und hw
Theoretischer Teil 57

bekannt, wobei eine detaillierte Übersicht Chu et al. [354] und Lamine et al. [355]
entnommen werden kann. Das zweiparametrische Modell ist als Lehrmeinung und
wissenschaftliches Fundament zur Beschreibung des Wärmetransports in Rieselbettreaktoren
etabliert. Brauchbare Vorhersagen sind jedoch nur für das System Wasser/Luft und sphärische
Partikeln möglich [357]. Außerdem unterscheiden sich die Korrelationen teils beträchtlich
voneinander, sodass diese zwar eine Abschätzung der Größenordnung erlauben, die Fehler
aber beträchtlich sind [358].

Einparametrisches Modell zur Beschreibung des Wärmetransports im Rieselbett:

Für die Auslegung und Beschreibung von Reaktoren ist ein einfacheres, einparametrisches
Modell vorteilhaft. Hierbei wird der Wärmetransport im Reaktor ausschließlich durch den
globalen Wärmeübergangskoeffizienten ht beschrieben. Ist dieser bekannt, kann aus der
axialen Durchschnittstemperatur die abgeführte Wärmemenge und, anders herum, aus der
abzuführenden Wärmemenge die zu erwartende Durchschnittstemperatur im Reaktor
bestimmt werden. Außerdem kann die Reaktionsrate im Reaktor aus der axialen
Durchschnittstemperatur abgeschätzt werden. [357]

Das einparametrische Modell wurde erstmals von Mariani et al. [358] vorgestellt und mit dem
zweiparametrischen verglichen. In der Studie wurde am Modellsystem Wasser/Luft die
Wärmeabfuhr bei Rieselströmung mit Glaskugelschüttungen betrachtet. Durch Variation der
Kugelgröße wurde der Einfluss des Bettaspektverhältnisses a (a = dC/dP) untersucht, welches
als Verhältnis Rohrdurchmesser zu Partikeldurchmesser definiert ist. Es zeigte sich, dass das
einparametrische Modell insbesondere bei kleinem a besser geeignet ist. Das
zweiparametrische Modell lieferte erst ab a > 15 hinreichend genaue Abschätzungen. Ein
Vorteil, da die meisten Mehrrohrreaktoren im Bereich niedriger Bettaspektverhältnisse
(5 < a < 15) betrieben werden [357].

In einer weiterführenden Studie untersuchten Taulament et al. [357] den Einfluss von
Partikelgröße und –form auf ht bei Riesel- und pulsierender Strömung. Hierbei wurden auch
zylinderförmige Pellets eingesetzt. Diese können geometrisch durch das
Partikelaspektverhältnis ϕ (für Zylinder ϕ = dZylinder/hZylinder) und den Sauter-Durchmesser deq,
der den Kugeldurchmesser bei gleicher spezifischer Oberfläche angibt
(deq = 6·VZylinder/AZylinder), beschrieben werden. Es zeigte sich, dass ht mit dem
Flüssigkeitsstrom zunimmt, mit dem Gasstrom hingegen kaum. Dies steht im Einklang mit
58 Theoretischer Teil

anderen Arbeiten [348, 349, 351, 353, 355]. Die Schüttungsgeometrie hat ebenfalls
maßgeblichen Einfluss: Ht nimmt mit steigendem Partikeldurchmesser bzw. abnehmendem
Bettaspektverhältnis a zu. Außerdem kann ht durch ein kleines ϕ, sprich möglichst längliche
Zylinder gesteigert werden. Dies wird durch die Inhomogenität der Schüttung am Reaktorrand
und das dadurch erhöhte Hohlraumvolumen erklärt. Dies führt zu einer überproportionalen
Flüssigkeitsbeladung in dieser Zone und damit zu einer Erhöhung von ht. Der Effekt ist umso
größer, je kleiner a und ϕ sind und je größer der Flüssigkeitsstrom ist. Allerdings wurde in der
Studie mit vergleichsweise hohen Fluidströmen gearbeitet. [357]

Tabelle 11: Korrelationen für den globalen Wärmeübergangskoeffizient ht.

Autor Fluidgeschwindigkeiten Korrelationen für ht


und Schüttungsgeometrie
Mariani et al. Ug = 3,0 - 30,0 l/min
Nut = [3,87-3,77·exp(-1,37/a)]·Rel0,643·Pr1/3
[358] Ul = 0,3 - 1,0 l/min
dP = 1,5 - 11 mm
Taulament et al. Ug = 2,6·10-2 - 0,9 kg/m2s
2
Nut = 2,51·[1-exp(-4,71·ϕ0,7/a]·Rel0,62·Reg0,6
[357] Ul = 2,2 - 14,1 kg/m s
Kugel: dP = 1,5 - 11 mm
Zylinder: d = 2 mm; l = 6,5 mm bzw. d = 8,74 mm; l = 11,8 mm

mit: Nut = ht·deq/λl; Rel = ul·deq·ρl/μl; Pr = μl·cP,l/λl; Reg = ug·dP·ρg/μg


(System jeweils Wasser/Luft bei Umgebungsdruck, Rohrdurchmesser jeweils dt = 51,4mm)

Die in [358] und [357] abgeleiteten Korrelationen können Tabelle 11 entnommen werden.
Gängig ist die Beschreibung durch die dimensionslosen Kennzahlen Nusselt-Zahl Nut,
Prandtl-Zahl Pr sowie den Reynolds-Zahlen für Flüssigkeitsstrom Rel und Gasstrom Reg.
Abschließend sei noch auf den Einfluss des Drucks auf ht hingewiesen. Habtu et al. [359]
zeigten, dass durch Druckerhöhung der Wärmtransport deutlich verbessert werden kann.
Theoretischer Teil 59

2.4 Zielsetzung der Arbeit

In dieser Arbeit wird die Hydrierung von unterschiedlichen H0LOHC-Verbindungen


untersucht, stets mit den Hintergedanken die Reaktion in einen kommerziellen technischen
Wasserstoffspeicher-Prozess zu überführen. Eine Übersicht liefert Tabelle 12. Wesentliche
Hindernisse für eine technische Anwendung des vielfach untersuchten LOHC-Systems N-
Ethylcarbazol sind die hohe Stabilität des Intermediats H8NEC bei der Hydrierung mit den
Standardkatalysator Ru/Al2O3 sowie der hohe Schmelzpunkt von H0NEC. In dieser Arbeit
soll erstmals die Kinetik der Hydrierung der beiden stabilen Zwischenprodukte H4NEC und
H8NEC experimentell untersucht werden. Es werden verschiedene kommerzielle
Katalysatoren mit unterschiedlichen Edelmetallen getestet. Durch die Bestimmung
entsprechender Geschwindigkeitskonstanten und Aktivierungsenergien soll die Aktivität der
Katalysatoren für den jeweiligen Teilschritt ermittelt werden.

Tabelle 12: Überblick über die hydrierten LOHC-Systeme dieser Arbeit.

Anlage Laborreaktor Technikumsreaktor Rieselbett-Anlage


Reaktortyp Rührkessel Rührkessel Rieselbett

Betriebsweise semi-batch semi-batch kontinuierlich


Reaktorvolumen 0,3 l 5,3 l 1,8 l
LOHCs H0NEC, H4NEC, H0DBT H0DBT, HXDBT,
H8NEC, H0NPC, H0BT, HXBT
N0NBC

Arbeiten  Katalysatorvariation  Druckvariation  Temperaturvariation


 Temperaturvariation  Mischgashydrierung  Druckvariation
 Druckvariation  Sensitivitätsanalyse  Massenstromvariation
 Dauerversuche
 Katalysator-
charakterisierung
 teilhydriertes Feed
60 Theoretischer Teil

In eutektischen Mischungen verschiedener Alkylcarbazole liegt der Schmelzpunkt teils


deutlich unter denen der Reinstoffe. Besonders vielversprechend sind ternäre Mischungen aus
N-Ethyl-, N-Propyl- und N-Butylcarbazol mit einem Schmelzpunkt von weniger als 13 °C
[220]. Durch die Hydrierung dieser ternären Mischungen soll der Einfluss der Alkylkette
bestimmt und zugleich ein praxisrelevantes System charakterisiert werden. Es werden eine
Temperatur- und eine Katalysatorvariation durchgeführt. Abschließend wird dasselbe
LOHC-System in der Dehydrierung getestet.

Die Hydrierung von H0DBT wird in einem semibatchweise betriebenen Rührkessel


untersucht. Um gleichzeitig signifikante Mengen an vollhydriertem Produkt zu erzeugen wird
ein Reaktor mit einem Volumen von 5,3 l verwendet. Es soll der Einfluss des
Wasserstoffdrucks auf die Reaktionsgeschwindigkeit bestimmt werden. Durch die Hydrierung
mit Wasserstoff/Methan-Gemischen soll untersucht werden, ob die Mischgashydrierung eine
geeignete Methode zur Wasserstoffabtrennung aus ebendiesen Gasgemischen darstellt.

Einen Schwerpunkt der Arbeit bildet die Entwicklung eines kontinuierlichen Prozesses zur
Hydrierung von H0DBT. Als Reaktorkonzept wird das Rieselbett gewählt. Um eine raschere
Verfügbarkeit des hydrierten Materials zu ermöglichen wird auf etwaige kleinere
Versuchsaufbauten verzichtet und die Anlage direkt im Technikumsmaßstab realisiert. Es
wird ein großtechnisch kommerziell verfügbarer, pelletförmiger Katalysator Ru/Al2O3
eingesetzt. Es sollen simultan signifikante Mengen an vollhydriertem Produkt hergestellt,
Betriebserfahrung an einem Prototypen gesammelt sowie die Anlage umfassend
wissenschaftlich charakterisiert werden. Für ein weiteres Scale-up wird ein Numbering-up des
bestehenden Rohrreaktors in Form eines Rohrbündelreaktors angedacht. Unterschiede zu
klassischen, industriell eingesetzten Rieselbettreaktoren sind die geringen Fluidströme sowie
das niedrigere Bettaspektverhältnis.

Um ein praxistaugliches Betriebsfenster definieren zu können, werden die Betriebsparameter


Druck, Temperatur und LOHC-Strom variiert. In Langzeitversuchen sollen neben der
Produktion von vollhydriertem LOHC Hinweise auf die Standzeit des Katalysators gewonnen
werden. Die Charakterisierung von frischem und gebrauchtem Katalysator erlaubt
Rückschlüsse auf mögliche Deaktivierungseffekte. Durch die Hydrierung von teilentladenem
HXDBT soll eine Energiespeicheranwendung nachgestellt werden, in der nicht immer von
einer vollständigen Be- und Entladung ausgegangen werden kann. Mit Benzyltoluol wird ein
weiteres LOHC-System getestet. Dieses kommt zum einen als Alternative zu H0DBT in
Frage. Ein Vergleich von H0DBT und H0BT soll zusätzlich Hinweise auf reaktionstechnische
Theoretischer Teil 61

Limitierungen der untersuchten Hydriereinheit liefern, da beide Moleküle chemisch sehr


ähnlich sind, aufgrund der unterschiedlichen Größe aber unterschiedlich schnell diffundieren.
62 Experimenteller Teil

3 Experimenteller Teil

3.1 Verwendete Chemikalien

3.1.1 LOHCs

Die Hydrierung von N-Ethylcarbazol wurde ausschließlich in einem Laborreaktor untersucht.


Im Rahmen von Vorversuchen zeigte sich, dass die Reinheit des kommerziell verfügbaren
H0NEC wissenschaftlichen wie technischen Ansprüchen nicht genügt. Daher wurde dieses am
Lehrstuhl für Chemische Reaktionstechnik, Erlangen, mittels Vakuumdestillation
aufgereinigt, wodurch die Qualität wesentlich verbessert wurde. Dibenzyltoluol und
Benzyltoluol kommen industriell als Wärmeträgeröle zum Einsatz. Sie sind auch unter den
Handelsnamen Marlotherm® SH und Marlotherm® LH bekannt und großtechnisch und in
hoher Qualität verfügbar. Tabelle 13 gibt eine Übersicht der verwendeten kommerziellen
LOHCs.

Tabelle 13: Verwendete kommerzielle LOHCs.

Substanz CAS Reinheit Gebinde Bezugsquelle Einsatz


Charge
N-Ethylcarbazol 86-28-2 k.A. 100 kg Clariant, LR
Frankfurt a. Main
Dibenzyltoluol 26898-17-9 k.A. 214 kg Sasol Germany, 5L, TB
®
(Marlotherm SH) Charge: 1414 Hamburg
Benzyltoluol 27776-01-8 k.A. Fass BASF, TB
(Marlotherm® LH) Ludwigshafen
(k.A. – keine Angabe; 5L – 5L-Reaktor; TB – Rieselbett-Anlage; LR – Laborreaktor)

N-Alkylcarbazole sind mit Ausnahme von N-Ethylcarbazol nicht kommerziell verfügbar.


N-Propyl- und N-Butylcarbazol wurden durch die Alkylierung von Carbazol mittels
Phasentransferkatalyse nach Nishi et al. hergestellt [360]. Carbazol wird in Toluol dispergiert
und mit 50%iger Natronlauge als wässrige Phase versetzt. Anschließend werden der
Phasentransferkatalysator Benzyltriethylammoniumchlorid (BTEAC) sowie tropfenweise das
Alkylierungsmittel 1-Iodpropan bzw. 1-Brombutan hinzugegeben. Der Ansatz wird auf 75 °C
Experimenteller Teil 63

erhitzt und mit einem Magnetrührer dispergiert. Nach Erreichen des Vollumsatzes nach 3 h
wird der Ansatz auf Raumtemperatur abgekühlt sowie die Phasen voneinander getrennt.
Toluol wird von der organischen Produktphase abgezogen und das Produkt über Nacht unter
Vakuum getrocknet. Anschließend wird das Produkt zweimal in Ethanol rekristallisiert und
getrocknet. Die Analyse sowie Quantifizierung der Reinheit erfolgte mittels GC-MS und
NMR. In Tabelle 14 sind alle für die Synthese sowie im Rahmen der Arbeit verwendeten
Chemikalien aufgeführt.

Tabelle 14: Verwendete Chemikalien.

Substanz CAS Reinheit Gebinde Bezugsquelle


CDCl3 865-49-6 99,8 % 1000 ml VWR,
Darmstadt
Cyclohexan 110-82-7 > 99,5 % Fass Jäklechemie,
Nürnberg
Toluol 108-88-3 > 99,5 % Fass Jäklechemie,
Nürnberg
Ethanol 64-17-5 ≥ 95,8 % 1000 ml VWR,
Darmstadt
Carbazol 86-74-8 ≥ 95,5 % 250 g Merck,
Darmstadt
1-Iodpropan 107-08-4 98 % 100 g Alfa Aesar,
Karlsruhe
1-Brombutan 109-65-9 99 % 500 g Sigma-Aldrich,
München
BTEAC 56-37-1 99 % 100 g Alfa Aesar,
Karlsruhe
NaOH 1310-73-2 ≥ 98,5 % 1 kg VWR,
Darmstadt
MgO 1309-48-40 ≥ 99,7 % 1000 g VWR,
Darmstadt

Die Isolation der Intermediate H4NEC und H8NEC erfolgte am Lehrstuhl für Thermische
Verfahrenstechnik, Erlangen, durch die destillative Auftrennung von Reaktionsmischungen,
welche sich durch einen hohen Anteil an Zwischenstufen auszeichneten [185]. In Tabelle 15
64 Experimenteller Teil

sind alle in der Arbeit verwendeten N-Alkylcarbazole sowie teilhydrierte


N-Ethylcarbazolspezies aufgeführt.

Tabelle 15: N-Alkylcarbazole und teilhydrierte N-Ethylcarbazolderivate.

Substanz CAS Reinheit* Bezugsquelle Einsatz


H0-N-Ethylcarbazol 86-28-2 99,9 % CRT, LR
Erlangen
H4-N-Ethylcarbazol k.A. 96 % TVT, LR
Erlangen
H8-N-Ethylcarbazol k.A. 99 % TVT, LR
Erlangen
H0-N-Propylcarbazol 1484-10-2 99,9 % CRT, LR
Erlangen
H0-N-Butylcarbazol k.A. 99,9 % CRT, LR
Erlangen
(k.A. – keine Angabe; LR – Laborreaktor, *bestimmt mittels GC)

3.1.2 Katalysatoren

In beiden Rührkesselreaktoren wurden ausschließlich kommerzielle Pulverkatalysatoren mit


dem Träger Aluminiumoxid verwendet. Im Laborreaktor wurden die Edelmetalle Ruthenium,
Rhodium, Palladium und Platin in der Hydrierung von N-Ethylcarbazol untersucht. Dieselben
Katalysatoren wurden zudem in der Hydrierung von N-Alkylcarbazole getestet. Die
Hydrierung von H0DBT im Technikumsreaktor erfolgte stets mit einem Ruthenium-
Katalysator. Die Hydrierversuche im Rieselbett wurden mit einem kommerziellen
pelletförmigen Ruthenium-Katalysator durchgeführt. In Tabelle 16 sind alle in dieser Arbeit
eingesetzten Katalysatoren aufgeführt.
Experimenteller Teil 65

Tabelle 16: Verwendete Katalysatoren.

Substanz Charge Gebinde Bezugsquelle Einsatz


5 wt% Ru/ Al2O3 KY0025 500 g Alfa Aesar, 5L
Pulver Karlsruhe
0,5 wt% Ru/ Al2O3 CN23001 6,0 kg Hydrogenious, TB
Pellets Erlangen
5 wt% Ru/ Al2O3 G30W040 25 g Alfa Aesar, LR
Pulver Karlsruhe
5 wt% Pd/ Al2O3 M11364 k.A. Johnson Matthey, LR
Pulver Düsseldorf
5 wt% Pt/ Al2O3 MKBK1442V 5g Sigma Aldrich, LR
Pulver München
5 wt% Rh/ Al2O3 MKBB0203V 5g Alfa Aesar, LR
Pulver Karlsruhe
0,5 wt% Pt/ Al2O3 k.A. k.A. Hydrogenious, DH
Pellets Erlangen
(k.A. – keine Angabe; 5L – 5L-Reaktor; TB – Rieselbett-Anlage; LR – Laborreaktor; DH - Dehydrieranlage)

3.1.3 Gase

Im Rahmen der Forschungsarbeit wurde eine Reihe von Gasen eingesetzt. Wasserstoff wurde
stets in 300 bar Flaschen in der Qualität 5.0 von Linde bezogen. Zur Durchführung von
Dichtigkeitstests an den Hydrieranlagen wurde Helium verwendet, da dieses leicht zu
detektieren ist und so die Suche nach Leckagen erleichtert wird. Der Laborreaktor wurde mit
Argon und die Technikumsanlagen mit Stickstoff gespült. Zudem wurde der
Technikumsreaktor mit Stickstoff beaufschlagt, um das hydrierte Produkt aus der Anlage
abzulassen und zugleich den Katalysator abzutrennen. Methan wurde für die
Mischgasversuche mit H2/CH4-Gasgemischen gebraucht. In Tabelle 17 sind alle verwendeten
Gase zusammengefasst.
66 Experimenteller Teil

Tabelle 17: Verwendete Gase.

Substanz CAS Reinheit Gebinde Bezugsquelle Einsatz


Wasserstoff 1333-74-0 ≥ 99,999 % 600 l Linde AG, 5L, TB
Pullach
Wasserstoff 1333-74-0 ≥ 99,999 % 50 l Linde AG, LR
Pullach
Methan 74-82-8 ≥ 99,5 % 50 l Linde AG, 5L
Pullach
Stickstoff (200 bar) 7727-37-9 ≥ 99,999 % 50 l Linde AG, TB, 5L
Pullach
Stickstoff (300 bar) 7727-37-9 ≥ 99,999 % 50 l Linde AG, TB, 5L
Pullach
Helium 7440-59-7 ≥ 99,999 % 50 l Linde AG, 5L, TB, LR
Pullach
Argon 7440-37-1 99,996 % 50 l Rießner Gase, LR
Lichtenfels
(5L – 5L-Reaktor; TB – Rieselbett-Anlage; LR – Laborreaktor)
Experimenteller Teil 67

3.2 Verwendete Analysemethoden

 Gaschromatographie:

Die Reaktionsverläufe der Versuchsreihen mit Carbazolderivaten wurden mittels


Gaschromatographie (GC) bestimmt. Die jeweiligen Stoffmengenanteile wurden aus dem
Verhältnis der Peakflächen der Einzelkomponenten zueinander bestimmt. Es wurde ein
Chromatograph des Typs GC Varian 3900 mit der Säule Restek Rtx-225 30 m x 0,25 mm
eingesetzt. Die Proben wurden mit Lösungsmittel Cyclohexan im Verhältnis von 1:20
verdünnt.

Die Charakterisierung von Syntheseprodukten sowie die Hydriergradbestimmung der


Versuchsreihen mit Benzyltoluol erfolgten durch Gaschromatographie mit nachgeschaltenem
Massenspektrometer (GC-MS). Es wurden die Geräte Varian 450-GC mit 220-MS sowie
Scion mit MS WS Vision 8 von Bruker eingesetzt.

 Kernresonanzspektroskopie:

Die Bestimmung des Hydriergrads des Systems DBT erfolgte mittels


Kernresonanzspektroskopie (NMR). Hierzu wurde das Verhältnis von aromatischen,
aliphatischen und olefinischen Wasserstoffatomen zueinander betrachtet. Es wurde auf die
Ergebnisse von Do et al. [229] zurückgegriffen. Dort wurde die schrittweise Hydrierung von
H0DBT mittels NMR-Messungen untersucht und der Hydriergrad durch integrale Auswertung
der gemessenen Spektren bestimmt.

Diese Messmethode bietet sich für die quantitative Analyse des Systems DBT an, da keine
Rücksicht auf entstehende Isomere genommen werden muss. Das Auftreten diverser
Konstitutions- und Konfigurationsisomere erschweren den Einsatz der mit
Massenspektrometrie gekoppelten Gaschromatographie. Die Vielzahl an Isomeren führt zu
einer großen Anzahl an Peaks, die sich darüber hinaus überlagern und somit eine Auswertung
sehr aufwendig und wenig praktikabel machen. Ferner wurde die NMR-Spektroskopie zur
Analyse von Syntheseansätzen verwendet.

Die Messungen wurden mit einem JNM-ECX 400-Spektrometer der Firma Jeol durchgeführt.
Als Lösungsmittel wurde Chloroform-D verwendet. Die Auswertung der gemessenen
Spektren erfolgte mit der Software Jeol DeltaTM v5.0.4.
68 Experimenteller Teil

 Optische Emissionsspektroskopie mit induktiv gekoppeltem Plasma:

Optische Emissionsspektroskopie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP-OES) ist eine


Analysemethode zum Nachweis und zur Quantifizierung von chemischen Elementen. Im
Rahmen dieser Arbeit wurde diese eingesetzt, um den Edelmetallgehalt der verwendeten
Katalysatoren zu bestimmt. Die Messungen wurden von N. Taccardi am CRT durchgeführt.

 CO-Chemisorption:

Ein Katalysator wird maßgeblich durch die Dispersion, die spezifische Oberfläche und
Clustergröße des aktiven Metalls charakterisiert. Diese Größen wurden experimentell mittels
Kohlenstoffmonoxid-Puls-Chemisorption aus der Menge an adsorbiertem CO bestimmt. Es
wird davon ausgegangen, dass pro aktivem Oberflächenatom genau ein CO-Molekül
gebunden wird.

Es wurde das Messgerät AutoChem II 2920 des Herstellers Micromeritics verwendet. Alle
Katalysatorproben wurden vor der eigentlichen Messung in-situ präformiert.

 Transmissionselektronenmikroskopie:

Mit der Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) wurde die Clustergröße des aktiven


Metalls optisch bestimmt. Die geringe Wellenlänge der Elektronenstrahlen ermöglicht eine
Auflösung im Nanometerbereich. Mittels hoher elektrischer Spannung beschleunigte
Elektronen treffen auf eine dünnschichtige Probe, wobei ein Teil gestreut wird. Schwere
Atomkerne und geordnete, kristalline Strukturen streuen besonders stark. In einem Bright-
Field-Aufbau werden die gestreuten Elektronen durch eine Blende herausgefiltert und die
nicht-gestreuten detektiert. Die Metallcluster erscheinen daher dunkel.

Die verwendeten Aufnahmen wurden von A. Kern mit einem Philips CM300 mit Ultra-twin
Objektivlinse bei einer Beschleunigungsspannung von 300 kV aufgenommen. Die
Auswertung erfolgte mit Hilfe der Software ImageJ.

 Sorptionsmessungen:

Die Porenstruktur des Katalysators wurde mittels Stickstoff-Sorptionsmessungen bei 77 K


charakterisiert. Der evakuierten, vollständig desorbierten Probe wurden definierte Mengen an
Stickstoff zudosiert. Nach Gleichgewichtseinstellung kann bei bekanntem
Messzellenvolumen aus dem Druckanstieg die adsorbierte Gasmenge bestimmt werden. Die
resultierende Adsorptionsisotherme kann durch die BET-Gleichung beschrieben werden. Mit
Experimenteller Teil 69

Hilfe einer Linearisierung dieser Gleichung wird die BET-Oberfläche des Katalysators
bestimmt.

Aus der Sorptionsisotherme wurde mittels DFT die Porengrößenverteilung im Mikro- und
Mesoporenbereich sowie der mittlere Porendurchmesser bestimmt. Die physikalische
Grundlage hierfür bildet die Porenkondensation, die abhängig vom Porenradius bei
verschiedenem Druck einsetzt. Diese Abhängigkeit wird durch die Kelvin-Gleichung
beschrieben.

Die Messungen wurden an einem Gerät des Typs Quantachrome Quadrasorb SI durchgeführt.

 Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA):

Die Röntgenfluoreszenzspektroskopie ist eine Methode der Elementaranalyse und dient der
quantitativen wie qualitativen Bestimmung von chemischen Elementen. Wird ein Atom mit
ausreichend hoher Energie, z.B. durch Röntgen- oder Gammastrahlung, angeregt, so werden
kernnahe Elektronen aus inneren Elektronenschalen herausgeschlagen. Die elektronische
Struktur des Atoms wird instabil und Elektronen aus energiereicheren Orbitalen fallen in die
freien Orbitale. Die freiwerdende Energie ist elementspezifisch und wird in Form von
Röntgenfluoreszenzstrahlung abgegeben.

Mit RFA wurde die Elementzusammensetzung von frischem sowie in der Hydrierung
eingesetztem Katalysator bestimmt und miteinander verglichen. Dabei stand der Nachweis
von chlor- und schwefelhaltigen Katalysatorgiften im Focus. Die Messungen wurden an
einem Gerät des Typs M4 Tornado von Bruker durch A. Bösmann durchgeführt.

 Thermogravimetrie:

Durch die thermogravimetrische Analyse (TGA) sollte die Menge an organischen Substanzen
insbesondere auf dem gebrauchten Katalysator bestimmt werden. Hierzu wird die Probe bei
einem definiertem Spülgasstrom kontinuierlich erhitzt und die Massenabnahme
aufgezeichnet.

Die Messungen wurden an einem Messgerät des Typs Setaram Setsys durchgeführt. Zunächst
wird die Probe unter dem Spülgas Helium auf 450 °C erhitzt, wobei flüchtige organische
Substanzen ausgetragen werden. Abschließend wird die Temperatur 90 min gehalten und das
Spülgas auf Luft gewechselt, um die verbleibenden organischen Bestandteile zu oxidieren.
70 Experimenteller Teil

3.3 Versuchsanlagen

Die Hydrierversuche wurden an drei verschiedenen Anlagen durchgeführt. Diese


unterschieden sich durch die Anlagengröße und -komplexität, die Betriebsweise und die
technischer Relevanz voneinander.

An einem Laborreaktor wurden im Semi-Batch-Betrieb Temperatur-, Druck- und


Katalysatorvariationen bei der Hydrierung von Carbazolverbindungen durchgeführt. Der
Einsatz des Lösungsmittels Cyclohexan reduzierte die Menge des eingesetzten LOHCs und
dämpfte reaktionsbedingte Temperaturspitzen. Der vergleichsweise einfache Aufbau der
Anlage erleichterte das Wechseln von Katalysator und LOHC-System wesentlich.

Ein Schritt in Richtung technischer Anwendung wurde mit dem Technikumsreaktor gemacht,
welcher auch als „5L-Reaktor“ bezeichnet wird. Der ebenfalls im Semi-Batch-Mode
betriebene Rührkesselreaktor zeichnete sich gegenüber dem Laborreaktor durch ein fast
zwanzigfach größeres Reaktorvolumen aus (VR = 5,3 l gegenüber 300 ml). Die Versuche
wurden ohne Lösungsmittel durchgeführt. Der Katalysator verblieb nach einem Versuch im
Reaktor und wurde in der Regel nicht gewechselt. Die Gasversorgung war so gestaltet, dass
Mischgasversuche durchgeführt und die Hydrierleistung der Anlage in-situ bestimmt werden
konnten.

Mit der Entwicklung der Rieselbett-Anlage wurde der Schritt zur kontinuierlichen Hydrierung
vollzogen. Diese fungierte als Prototyp einer Wasserstoff-Beladeeinheit, wie sie z.B. in einem
energiehandelnden Haus zur Anwendung kommen kann. Die Anlage wurde so dimensioniert,
dass mit ihr eine technisch relevante Hydrierleistung erzielt werden konnte. Numbering-up
ermöglicht eine leichte Anpassung an diverse Anwendungsszenarien. Der
Forschungsschwerpunkt dieser Anlage lag in der Charakterisierung des Leistungsvermögens
der Anlage über einen weiten Parameterbereich sowie mittels kinetischer Messungen und der
Untersuchung der Stabilität des Katalysators über lange Laufzeiten hinweg. Nachfolgend
werden die Anlagen im Detail vorgestellt.
Experimenteller Teil 71

3.3.1 Laborreaktor

3.3.1.1 Anlagenaufbau

Der Rührkesselreaktor (VR = 300 ml, Parr Instrument Company) ist für einen Druck bis
200 bar und eine Temperatur bis 300 °C zugelassen. Eine Berstscheibe (pBerst = 3000 psig,
Fike® Corporation) dient als Überdrucksicherung. Die Anlage wird mit Helium auf Dichtheit
geprüft, das Inertgas Argon dient zum Spülen. Über V-1 wird das Reaktionsgas Wasserstoff
zugeführt. Der Druckablass in die Abluft erfolgt über V-4. Der detaillierte Anlagenaufbau
kann Abbildung 9 entnommen werden.

Abbildung 9: Bildliche und schematische Darstellung des Laborautoklaven.

Mit der Software SpecView werden Reaktortemperatur, Rührerdrehzahl und maximale


Kühlleistung eingestellt sowie alle wesentlichen Versuchsparameter dargestellt und
aufgezeichnet. Der Wasserstoffdruck wird an einem Druckminderer in der Gaszuleitung
eingestellt. Die Temperierung des Reaktors erfolgt elektrisch über einen Heizmantel
(PHeiz,max = 300 W). Zudem ist eine Kühlschlaufe installiert, die mit einem Kryostaten (Huber
Kältemaschinentechnik) verbunden ist. Der Wasserstoffeintrag erfolgt über einen
72 Experimenteller Teil

Gaseintragsrührer. Zur Bestimmung des Reaktionsfortschritts können über ein im


Reaktorboden platziertes Ventil V-5 Proben gezogen werden. Eine Fritte (Porendurchmesser
7 µm) verhindert einen Katalysatoraustrag.

3.3.1.2 Versuchsdurchführung

Zunächst wurde die Reaktionsmischung aus LOHC, Katalysator und Lösungsmittel in den
Reaktor gegeben und die Anlage durch einen Drucktest auf Dichtheit geprüft. Der
Dichtungsring (Viton) wurde nach jedem Versuch gewechselt. Der Reaktor wurde bei einer
Rührerdrehzahl von 300 rpm schrittweise auf Reaktionstemperatur aufgeheizt. Der
gewünschte Wasserstoffdruck wurde am Druckminderer eingestellt und anschließend die
Gaszufuhr geöffnet. Der Versuch wurde durch die Erhöhung der Rührerdrehzahl auf
1200 rpm gestartet.

Der Reaktionsfortschritt wurde durch Proben bestimmt, die mittels GC bzw. GC-MS
analysiert wurden. Um einen Versuch zu beenden wurde die Wasserstoffzufuhr unterbunden
und die Reaktortemperatur herabgesetzt. Unterschritt diese 40 °C, wurde der Druck
abgelassen und die Anlage dreimal mit Argon gespült. Der Reaktor wurde abgebaut und die
Anlage mit Aceton gereinigt.

In einem typischen Versuch wurden 20 mmol LOHC in 150 ml Cyclohexan eingesetzt. Das
Verhältnis von LOHC zu katalytisch aktivem Metall betrug nRu/Rh/Pt/Pd/nLOHC = 1/400. Bei
einem Standardversuch wurde mit einem Systemdruck von 41,5 bar und bei einer
Reaktortemperatur von 150 °C gearbeitet. Der Dampfdruck des Lösungsmittels betrug hierbei
5,5 bar, der Wasserstoffdruck 36 bar. Bei Temperaturvariationen wurde der Wasserstoffdruck
konstant gehalten und der Gesamtdruck um den sich ändernden Lösungsmitteldampfdruck
korrigiert.

Bei der Hydrierung von teilhydrierten Zwischenstufen musste beim Aufheizen beachtet
werden, dass die Katalysatoren auch eine Dehydrieraktivität aufweisen. Um eine Reaktion
während des Aufheizvorgangs zu verhindern, wurde der Reaktor mit einem geringen
Wasserstoffdruck beaufschlagt. In der Praxis hatten sich pH2 = 13 bar bewährt. Die Zugabe
des restlichen Wasserstoffs erfolgte, sobald die Reaktionstemperatur erreicht war.
Experimenteller Teil 73

3.3.2 Technikumsreaktor

Von der BWM Forschung und Technik GmbH wurde eine Hydriereinrichtung übernommen,
die im Kern aus einem semibatchweise betriebene Rührkesselreaktor mit VR = 5,3 l bestand.
Vor Inbetriebnahme erfolgten umfangreiche Umbauarbeiten, um einen effizienten Betrieb zu
ermöglichen und zugleich wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Zudem galt es
durch das Erstellen eines Sicherheitskonzepts sowie die Installation von
Sicherheitseinrichtungen einen sicheren Betrieb der Anlage am Institut zu ermöglichen.

3.3.2.1 Anlagenaufbau

Abgas
Gasversorgung Abluft

Reaktor
Thermostat Reaktorperipherie

Abbildung 10: RI-Fließbild des Technikumsreaktors.


74 Experimenteller Teil

Der Autoklav (Typ Versoclave 3/5, Büchi Glas Uster) hat ein Reaktorvolumen von VR = 5,3 l
und ist für eine Druck bis 100 bar und eine Temperaturen bis 250 °C zugelassen. Der Druck
im Reaktor kann durch ein Manometer PI 1 und einen digitalen Druckaufnehmer PIR 2
bestimmt werden. Die Temperierung der Anlage erfolgt über zwei voneinander unabhängige
Systeme. Der Reaktor ist von einem Doppelmantel (VMantel = 2 l) umschlossen. Dieser wird
mit einem Ölbad durch einen Thermostaten (HT60-M2, Julabo) temperiert, welcher sowohl
eine Heiz- als auch eine Kühlfunktion besitzt. Die Reglung des Thermostaten kann extern
über einen Temperaturfühler TIC 1 (Pt 100) im Reaktortopf erfolgen. Um Temperaturspitzen
bedingt durch die großen freiwerdenden Wärmemengen abzufangen ist eine Kühlschlange im
Reaktortopf installiert. Die Steuerung der Kühlwasserzufuhr erfolgt über einen weiteren
Temperaturfühler TIR 2, welcher das Ventil V-14 schaltet.

Der Gaseintrag erfolgt durch einen Turbinenrührer (Ø 60 x 10 mm) mit Begasungsrührwelle.


Der Antrieb des Rührers erfolgt über einen Servomotor mit Magnetkupplung (cyclone 300),
was eine berührungslose Kraftübertragung sowie einen hermetisch dichten Antrieb
ermöglicht. Zur Verbesserung der Durchmischung sowie zur Verkleinerung von Tromben
befindet sich ein Stromstörer mit Brecherblatt (55 x 40 mm) im Reaktortopf (jeweils
Büchi Glas Uster). Alle Einbauten werden über die Deckelplatte in den Reaktor geführt,
welche durch einen O-Ring abgedichtet ist. Als Dichtmaterial erwies sich mit PTFE
ummanteltes Viton als besonders geeignet, da damit eine Dichtheit über zahlreiche Zyklen
erreicht wurde. Viton ohne Ummantelung hielt der thermischen Belastung nicht Stand. Kalrez
erfüllte die gestellten Anforderungen, ist aber unverhältnismäßig teuer. Die Befüllung des
Reaktors erfolgt über einen Blindstopfen in der Deckelplatte.

Eine Probenahme ist über Ventil V-15 durch eine Entnahmeleitung mit Fritte möglich. Die
Probenahmestrecke wird mit einem selbstregulierenden Heizband (HBRT, TBetrieb = 120 °C,
Horst GmbH) beheizt. Der Auslass des Produkts erfolgt durch ein Ventil mit aufgeschraubter
Sinterfritte (0,5 - 2 µm, Büchi Glas Uster) am Reaktorboden. Dadurch wird eine In-Situ-
Abtrennung des Katalysators vom LOHC erreicht und der Mehrfachgebrauch des eingesetzten
Katalysators wesentlich erleichtert. Die Fritte ist 2 cm vom Reaktorboden abgesetzt. Dadurch
wird die Dicke des Filterkuchens über der Fritte reduziert, wodurch ein schnelleres Entleeren
des Reaktors erreicht wird.

Der Autoklav wurde im Hochdrucklabor der Technischen Fakultät in einem Bunker aufgebaut
und ist durch Wellschläuche an die dort installierte Gasversorgung angeschlossen. Durch
Druckminderer an der Anlage kann der gewünschte Gasdruck eingestellt werden. Helium,
Experimenteller Teil 75

Methan und Stickstoff werden aus Druckgasflaschen bezogen, welche via V-1, V-18 und V-7
mit der Gaszuleitung verbunden sind.

Wasserstoff wird aus Flaschenbündeln bezogen. Dieser kann über drei Stränge in den Reaktor
geleitet werden. Über V-2 und das Regulierventil V-6 gelangt der Wasserstoff in die Anlage
ohne messtechnisch erfasst zu werden. Zwei weitere Stränge ermöglichen die Detektion des
eingeströmten Wasserstoffs: Über V-3 und den Massenstromregler MFC (EL-Flow Select,
1.8 – 90 lN/min, Bronkhorst High-Tech) kann die Anlage mit einem definierten
Wasserstoffstrom gefüllt werden. Über V-4 und den Massenstrommesser MFM (EL-Flow
Select, 1.8 – 90 lN/min, Bronkhorst High-Tech) wird der einströmende Wasserstoffstrom
gemessen.

Die Aufzeichnung der Messdaten erfolgt mit einer LabVIEW-basierte Software (Michael
Herold EDV-Dienstleistungen). Es werden die Messgrößen Zeit, Temperatur (TIR 2), Druck
(PIR 2), sowie des Massenstroms an Wasserstoff von MFM und MFC erfasst. Darüber hinaus
wird das Signal des MFM automatisch zur integralen Größe MFM Z verarbeitet und
festgehalten. Die Messfühler TIR 2 und PIR 2 sind zudem in die Alarmüberwachung
integriert. Die Überschreitung eines zulässigen Maximalwerts führt zur Notabschaltung der
Anlage. Alle Maßnahmen sind hardwaretechnisch in einer Schaltleiste (Fa. BASE
Electronics) hinterlegt.

Sicherheitstechnische Aspekte:

Der Betrieb von Druckbehältern unterliegt gesetzlichen Regelungen, die in der


Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) festgehalten sind: Eine Druckbehälteranlage stellt
nach BetrSichV § 1 (2) 1b eine sog. überwachungsbedürftige Anlage dar.

Der eingesetzte Hydrierreaktor wird nach Richtlinie 97/23/EG, Artikel 3 in die


Druckbehälterklasse III eingestuft. Maßgeblich hierfür ist das Produkt aus maximal
zulässigem Reaktionsdruck pS und Reaktorvolumen VR von pS·VR > 200 bar·l, welches beim
verwendeten Reaktor 530 bar·l beträgt. Durch die Druckbehälterklasse werden die Art sowie
die Intervalle der Prüfungen festgelegt. Die errichtete Hydrieranlage muss nach § 14 der
BetrSichV vor der Inbetriebnahme durch eine zugelassen Überwachungsbehörde überprüft
worden sein. Nach § 15 der BetrSichV sind vom Betreiber Prüffristen für Äußere, Innere,
sowie Festigkeitsprüfung festzulegen. Für Versuchsautoklaven mit pS·VR > 100 bar·l sind die
76 Experimenteller Teil

genannten Prüfungen von einer zugelassenen Überwachungsbehörde durchzuführen (nach


BetrSichV Anhang 5 Abs. 19 (1)). Versuchsautoklaven müssen zudem gemäß BetrSichV
Anhang 5 Abs. 19 (2) nach jeder Verwendung von einer befähigten Person geprüft werden.

Zusätzlich zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen für die sicherheitstechnische


Betrachtung auch die Reaktion an sich sowie der Reaktortyp berücksichtigt werden: Bei der
Hydrierung von Aromaten ist die großen freiwerde Wärmemenge (ΔHR = 588,6 kJ/mol für
H0DBT [188]) eine potentielle Gefahrenquelle. Hinzu kommt, dass diskontinuierlich
betriebene Rührkesselreaktoren anfällig für thermisches Durchgehen sind: Insbesondere zu
Beginn der Reaktion werden große Wärmemengen freigesetzt. Können diese nicht abgeführt
werden, führt dies nach der Arrhenius-Gleichung zu einer exponentiellen Erhöhung der
Reaktionsgeschwindigkeit und damit der generierten Wärmemenge. Der Reaktor zündet. Um
dies zu verhindern, muss ausreichend Kühlleistung installiert sein.

Um den genannten Gegebenheiten gerecht zu werden, wurden für die Anlage ein
Sicherheitskonzept erstellt sowie bauliche Sicherheitsmaßnahmen installiert. Alle gesetzlich
vorgeschriebenen Prüfungen sowie zusätzlich eine Aufstellungsprüfung wurden durch den
TÜV Süd als zugelassene Überwachungsbehörde durchgeführt.

Sicherheitseinrichtungen und Sicherheitskonzept:

Die Anlage wurde im Hochdrucklabor der technischen Fakultät aufgebaut. Die Hydrieranlage
befindet sich in einem Bunker, der mit Ex-geschützter Belüftung und Beleuchtung
ausgestattet ist. Anlagensteuerung und Messrechner sind in einem Vorraum platziert. Diese
bauliche Trennung ermöglicht ein sicheres Arbeiten auch bei undefinierten, potentiell
gefährlichen Betriebszuständen.

Die Sicherheitsventile werden elektropneumatisch gesteuert. Die Anlage muss gegen


Überdruck gesichert sein. Am Reaktoreingang schützt ein Überströmventil (Swagelok, Typ
R3A, pÖffnen = 74,50 bar) den Reaktor vor unzulässig hohem Eingangsdruck. Der Reaktor
selbst ist mit drei Druckbegrenzungseinrichtungen ausgestattet: Zum einen ist eine
Berstscheibe (Typ ST-UKB-LS pBerst = 90-110 bar bei 200 °C, Rembe GmbH) eingesetzt.
Andererseits ist parallel dazu zum Schutz der Berstscheibe ein Überströmventil (Swagelok,
Typ R3A, pÖffnen = 80,0 bar) verbaut. Parallel dazu befindet sich ein NO-Ventil (Normally
Open) mit nachgeschaltetem Regulierventil. Dies ermöglicht einen Druckablass per
Experimenteller Teil 77

Anlagensteuerung. Das handjustierte Regulierventil verhindert einen abrupten Gasaustritt. In


der Abgasleitung befindet sich ein Druckbehälter (V = 3,8 l, pS = 124 bar, Fa. Swagelok), um
einem Druckstoß sowie LOHC-Austrag in die Ringleitung des Bunkers vorzubeugen.

Generell kann zwischen zwei sicherheitsrelevanten Szenarien unterschieden werden:


Einerseits ist dies das Austreten von Wasserstoff. Den anderen Fall stellt das Über- oder
Unterschreiten eines Schwellwerts einer messtechnischen Einrichtung dar, wobei
Wasserstoffaustritt ausgeschlossen wird.

Das Szenario ohne Wasserstoffaustritt führt zur Notabschaltung der Hydrieranlage: Dies
beinhaltet das Abstellen des Rührer sowie das Anstellen der Zusatzkühlung durch Öffnen von
V-14. Zudem wird die Gaszufuhr durch Schließen von SV 1 unterbunden und der Druck aus
dem Reaktor langsam über SV 3 abgelassen. Hierdurch wird das Nachströmen von
Reaktionsgas verhindert. Der Gaseintrag in die Flüssigkeit sowie die Reaktortemperatur
werden herabgesetzt. Das im Reaktor befindliche Reaktionsgas wird abgeblasen bzw. reagiert
langsam ab. Hardwaretechnisch wird dies durch das Stromlosschalten des Rührers sowie der
Ventile SV 1 und SV 3 (Typ SS-HBS6MM-C bzw. SS-HBS6MM-O, Swagelok) und des
Magnetventils V-14 (Typ MV 2215 G, Riegler & Co KG) realisiert.

Der Fall eines Wasserstoffaustritts ist besonders kritisch, da im Bunker eine explosionsfähige
Atmosphäre entstehen kann. Durch die im Bunker befindlichen Anlagen sind zahlreiche
Zündquellen vorhanden, sodass ein Stromlosschalten aller im Bunker befindlichen Anlagen
zwingend notwendig ist. Zudem muss die Wasserstoffzufuhr unterbunden werden. Baulich ist
dies durch die Installation von Wasserstoffsensoren (ExDetector HC 150,
Bieler + Lang GmbH) gelöst. Wird ein Wert von 40 % der unteren Explosionsgrenze (UEG)
überschritten, werden alle im Bunker befindlichen Anlagen einschließlich deren Steuerungen
stromlos geschaltet sowie die Wasserstoffzufuhr des Bunkers über ein weiteres NC-Ventil
(Normally Closed) unterbunden.

3.3.2.2 Versuchsdurchführung

Die Hydrierversuche wurden im Semi-Batch-Mode durchgeführt: Das LOHC wurde im


Reaktor vorgelegt, der Wasserstoff kontinuierlich über den MFM nachgeführt. Der
Katalysator, stets Ru/Al2O3 (5 wt%), wurde mehrfach verwendet und verblieb im Regelfall
78 Experimenteller Teil

nach dem Hydrierversuch in der Anlage. Es wurden stets 1600 g H0DBT eingesetzt. Es wurde
mit einem Verhältnis nRu/nLOHC von 0,25 mol% gearbeitet, was 29,68 g Katalysatorpulver
entspricht.

Das H0LOHC wurde durch eine Füllöffnung in den Reaktor eingebracht. Nach Verschließen
der Öffnung wurde der Reaktor mit Stickstoff bei 10 bar auf Dichtheit geprüft und
anschließend inertisiert. Der Autoklav wurde anschließend per Thermostat bei
eingeschaltetem Rührwerk auf Reaktionstemperatur erhitzt und die Datenaufzeichnung der
LabView-Software gestartet. Nach Erreichen der Reaktionstemperatur wurde der Rührer
gestoppt und der Reaktor langsam mit Wasserstoff befüllt, bis der gewünschte
Reaktionsdruck erreicht war. Die Einstellung des Reaktionsdrucks erfolgte am
Druckminderer, wobei V-4, V-8 und V-11 vollständig geöffnet waren. Dadurch wurde ein
unerwünschtes Nachströmen von Wasserstoff in den Autoklaven vermieden. Abschließend
wurde die Nullprobe gezogen.

Anschließend wurde der Rührer gestartet. Dies führt zu einem gesteigerten Gaseintrag in die
Flüssigkeit und einer erhöhten Reaktionsrate, was als Startpunkt des Hydrierversuchs definiert
wurde. Während des Versuchs wurden in definierten Zeitintervallen Proben gezogen und der
Hydriergrad (HG) des LOHCs durch NMR bestimmt. Der Hydriergrad wurde auch in-situ aus
dem MFM-Signal über die Massenbilanz bestimmt. Durch die Kombination beider
Messmethoden war eine redundante Analytik gegeben.

Nach Versuchsende wurde die Gaszufuhr durch das Schließen von V-10 unterbunden. Der
Reaktor wurde mittels Thermostat und Zusatzkühlung auf Umgebungstemperatur abgekühlt.
Das Reaktionsgas wurde über V-12 abgelassen und der Autoklav mehrmals mit Stickstoff
gespült. Das Ablassen des LOHCs erfolgte über V-16 durch eine Sinterfritte, wobei diese
einen erheblichen Filterwiderstand besitzt. Um diesen zu überwinden wurde mit 40 bar
Inertgas gearbeitet und das Produkt auf 100 °C erhitzt, was zu einer Viskositätserniedrigung
führt. Mit den beschriebenen Maßnahmen konnte der Reaktor innerhalb von 8-10 Stunden
entleert werden.

Die Versuche mit Wasserstoff-Methan-Gasgemischen verliefen beinahe vollständig analog.


Nach Aufheizen des vorgelegten LOHCs wurde allerdings vor der H2-Zugabe unter ständigem
Rühren Methan eingeleitet, bis sich der gewünschte (Partial-)Druck einstellte.
Experimenteller Teil 79

3.3.3 Rieselbett-Anlage

3.3.3.1 Anlagenaufbau

Für die kontinuierliche Hydrierung von LOHCs wurde das Reaktorkonzept des Rieselbetts
gewählt. Es wurde eine Anlage im Pilotmaßstab realisiert, welche als „erste Generation“
kontinuierlicher LOHC-Hydrieranlagen gelten kann. Die Auslegung der reaktorperipheren
Bauteile erfolgte nach der Leistungsanforderung an die Anlage hinsichtlich der gewünschten
Hydrierleistung. Die Dimensionen des Rohrreaktors liegen im Rahmen üblicher Pilotanlagen.
Die Anlage sollte hinsichtlich ihres Leistungsvermögens charakterisiert werden.

Abbildung 11: Fotographie der Rieselbettanlage an deren Aufstellort im Hochdrucklabor der


FAU Erlangen. (Bild: D. Freitag)
80 Experimenteller Teil

Die Anlage ist als Dead-End ausgeführt: Der Reaktor ist ein senkrecht stehendes Rohr, das als
Doppelmantel ausgeführt und mit einer Katalysatorschüttung gefüllt ist. LOHC und
Wasserstoff werden vom Kopf auf den Reaktor aufgegeben. Die Katalysatorschüttung
befindet sich in einer Wasserstoffatmosphäre und wird von einem LOHC-Film umströmt, der
die Schüttung entlang rinnt. Am unteren Ende des Reaktors steht ein LOHC-Sumpf, von dem
periodisch LOHC abgezogen wird.

Hydrierreaktor:

Abbildung 14 gibt ein Überblick über die Anlage. Der Reaktor weist einen Innendurchmesser
von dC = 38 mm und eine Rohrlänge von l = 1600 mm auf. Er wurde am CRT von M.
Schmacks konstruiert (Tmax = 300 °C, pS = 120 bar, VR = 1,81 l) und von der Firma Halmosi
aus Edelstahl (1.4571) gefertigt. Der Reaktor wird eingangs- wie ausgangsseitig über einen
Flansch mit PTFE-Dichtung (PTFE virginal, 75x60 du x 1,5 mm, Rala GmbH) verschlossen.
Der Reaktionsdruck wird mit einem Drucksensor (Typ S-10, Wika) am Reaktorkopf erfasst.

Abbildung 12: Katalysatorsieb am Abbildung 13: Katalysatorsieb 1 sowie


Reaktoreingang. Distanzhülse 2 am Reaktorausgang.

Das Katalysatorbett wird durch die in Abbildung 12 und Abbildung 13 dargestellten Elemente
im Reaktor fixiert: Am Reaktoreingang erfolgt dies durch einen Katalysatorsieb (l = 70 mm),
am Ausgang durch einen Sieb (l = 200 mm) sowie eine Distanzhülse (l = 80 mm). Die
Distanzhülse wurde eingeführt, um das Sumpfvolumen erhöhen zu können, was eine
einfachere weil weniger dynamische Regelung der LOHC-Abfuhr ermöglicht. Durch einen
Experimenteller Teil 81

Wechsel der Distanzhülse kann zudem leicht das Reaktionsvolumen im Reaktor variiert
werden.

Gasversorgung Reaktor
LOHC-Zufuhr
Reaktorperipherie

LOHC-Abfuhr

Abbildung 14: RI-Fließbild der Rieselbettanlage.


82 Experimenteller Teil

Das Loch in beiden Sieben dient der Durchführung eines mehrstufigen Thermoelements, mit
dem ein axiales Temperaturprofil über den Reaktor aufgenommen werden kann. Es wird ein
8-fach-Stufen-Mantel-Thermoelement NiCrNi der Firma Rössel Messtechnik eingesetzt,
welches sich in einem Edelstahlrohr 6x1 befindet und über eine Klemmringverschraubung am
Reaktor befestigt ist. Durch die Positionierung der Verschraubung ergeben sich die
Temperaturmessstellen im Reaktor wie in Abbildung 15 gezeigt.

Positionierung der Temperaturmessstellen:


144 mm 80 mm Katalysatorsieb
320 mm
497 mm
674 mm
Katalysator-

1600 mm
1250 mm
851 mm
Schüttung
1028 mm
1205 mm

1380 mm
Katalysatorsieb
270 mm
mit Distanzhülse

Abbildung 15: Schematische Übersicht der Temperaturmessstellen in der


Katalysatorschüttung über die Reaktorlänge.

Die Temperierung des Reaktors erfolgt über den mit Thermoöl (DW-Therm M90.200.02,
Huber Kältemaschinenbau) gefüllten Außenmantel (VMantel = 2,15 l). Dieser wird von unten
nach oben, gewissermaßen im Gegenstrom, durchströmt. Es wird ein Thermostaten
(Unistat T305w HT, Huber Kältemaschinenbau) mit einer Heiz- und Kühlfunktion
(PHeiz,max = 6,0 kW, PKühl,max = 10 kW) eingesetzt, wobei mit Kühlwasser gegengekühlt wird.
Außenmantel und Thermostat sind über einen Temperierschlauch (MT-350-3-M24x1,5,
Huber Kältemaschinenbau) verbunden. Schnellkupplungen (Gigalok, mit Kalrez 6375
gedichtet) erlauben eine einfache Trennung von Reaktor und Thermostat, was die
Handhabung des Reaktors insbesondere bei Katalysatorwechseln erleichtert.

Die LOHC-Abfuhr aus dem Reaktor erfolgt zyklisch: Der Flüssigkeitsspiegel im Sumpf
pendelt zwischen einem minimalen und einem maximalen Füllstand hin- und her. Dadurch
ergibt sich eine Zweipunktregelung, die vergleichsweise einfach zu realisieren ist. Die
Erfassung des Flüssigkeitsspiegels erfolgt berührungslos mittels Ultraschallsensoren
(Sonocontrol 15, Sonotec Ultraschallsensorik). Diese detektieren, ob ein Rohr mit Flüssigkeit
gefüllt ist oder nicht. In einem Steigrohr (½ ‘‘) parallel zum Rohrreaktor sind vier Sensoren
Experimenteller Teil 83

LIR 1, LIR 2, LIR 3 und LIR 4 verbaut. LIR 2 markiert den maximalen Füllstand im Reaktor,
LIR 3 den Minimalen. LIR 1 und LIR 4 haben eine sicherheitstechnische Funktion: Detektiert
LIR 1 Flüssigkeit oder LIR 4 Gas, erfolgt eine Notabschaltung der Anlage. Die Regelung
funktioniert jedoch nur, wenn über beiden Flüssigkeitssäulen der gleiche Druck herrscht. Im
Betrieb stellt sich jedoch über die Katalysatorschüttung ein Druckverlust ein. Um diesen
Einfluss auszuschließend ist zwischen Reaktoreingang und Reaktorsumpf ein
Druckausgleichsrohr (¼ ‘‘ mit seitlicher Bohrung, offenes Ende verschweißt) installiert. Für
die Ultraschallsensoren stellen hochviskose Flüssigkeiten ein Problem dar. Um auch H18DBT
detektieren zu können, werden die Sensoren mit selbstregulierenden Heizbändern (HBRC,
TBetrieb = 65 °C, Horst GmbH) beheizt.

Positionierung der Füllstandsensoren:

LIR 01

Druckausgleichsrohr
LIR 02
331 mm

280 mm
219 mm

LIR 03
134 mm

21 mm LIR 04

Abbildung 16: Schematische Übersicht der Positionierung von Füllstandsensoren und


Druckausgleichsrohr im Reaktorsumpf.

Die Positionierung der Ultraschallsensoren stellt eine Schwierigkeit dar, da eine Reihe von
gegensätzlichen Anforderungen erfüllt werden müssen: Der Abstand von LIR 2 und LIR 3
muss so gewählt sein, dass sich ein geeignetes Zeitintervall für die Schaltung des
Ablassventils ergibt. Liegen beide Sensoren zu nahe bei einander, schaltet das Ventil
durchgehend. Es kommt zu unnötigem Verschleiß und einem unruhigen Anlagenbetrieb. Mit
dem Abstand der Sensoren erhöht sich jedoch das Volumen des Sumpfes, was die
Probenahme am Reaktorausgang über V-17 beeinträchtigt. LIR 1 und LIR 4 müssen so
positioniert sein, dass nicht schon kleine Störungen zu einer unnötigen Notabschaltung der
Anlage führen. Diese können z.B. durch die Anspringzeit des Ablassventils V-19 oder durch
Pegelschwankungen bedingt durch abruptes Öffnen oder Schließen des Ventils verursacht
werden. Jedoch darf insbesondere der Abstand zwischen LIR 3 und LIR 4 nicht zu groß
84 Experimenteller Teil

gewählt werden, da sonst das Sumpfvolumen unnötig steigt. Nach einer Reihe von
Vorversuchen erwies sich das in Abbildung 16 dargestellte Setup als zweckmäßig. Mit der
getroffenen Positionierung ergibt sich ein mittleres LOHC-Volumen im Sumpf von
VSumpf ≈ 200 ml.

Der Reaktorkopf wie auch Wasserstoff- und LOHC-Zuleitung sind beheizbar. Am


Reaktorkopf ist eine Heizmanschette TIC 11 (Maßanfertigung, Horst GmbH) angebracht, um
allzu hohe Wärmeverluste über den Flansch und damit ein Abkühlen des Reaktoreingangs zu
verhindern. Sowohl Gas- als auch LOHC-Zuleitung sind mit Rohrheizungen ausgestattet, um
die Edukte vorzuwärmen (H2: 1,9 m Heizleitung, 360 W; Horst GmbH; LOHC: 4,1 m
Heizleitung, 210 W, Horst GmbH). Dadurch sollte ein Temperaturabfall im obersten Teil des
Reaktors durch den Eintritt kalten Edukts verhindert werden. Zudem wird durch eine
Eduktvorwärmung die Integration in ein Wärmenetzwerk nachgestellt, wie dies z.B. in einer
stationären Energiespeicheranwendung leicht realisierbar ist.

Die LOHC-Zuführung am Reaktorkopf erfolgt aus einer Punktquelle ohne Verteilersystem.


Verteilersysteme werden häufig in Laborreaktoren verwendet, die sich durch eine geringe
Schüttungsdicke auszeichnen, sowie in großtechnischen Reaktoren, die durch große
Reaktordurchmesser gekennzeichnet sind. Im hier untersuchten Versuchsaufbau wurde
bewusst auf die Installation eines Verteilersystems verzichtet. Es wurde davon ausgegangen,
dass die Einlaufzone am Reaktoreingang im Vergleich zur Schüttungslänge kurz ist und die
Gesamtperformance der Anlage kaum beeinträchtigt. Bei Laborreaktoren können zudem
Einlaufeffekte auch zu einer Erhöhung der Reaktionsrate führen, da Wandeffekte schwächer
ausgeprägt werden [310]. Zudem stellen selbst einfache Verteilersysteme hohe
Anforderungen an Dimensionierung und Aufbau. Lochplatten, die häufig in großindustriellen
Anlagen eingesetzt werden, müssen wohldimensioniert und vor allem völlig eben platziert
werden, um keine gegenteilige Wirkung zu erzielen. Letzteres kann weder für diesen
Versuchsaufbau noch für stationäre LOHC-Anwendungen allgemein gewährleistet werden.
Kapillarsysteme sind in der Handhabung einfacher aber aufwendiger zu fertigen und daher
schwer kommerzialisierbar. Sie bieten sich vor allem bei Laboranlagen an. Der Verzicht auf
ein gesondertes Verteilersystem ist daher für den hier untersuchten Aufbau eine einfache und
zweckmäßige Lösung. Auch auf eine Inertschüttung zur Flüssigkeitsverteilung wurde aus
praktischen Gründen verzichtet.
Experimenteller Teil 85

Eduktzufuhr und Produktabfuhr:

Der hohe Gasverbrauch der Anlage erfordert eine Wasserstoffversorgung über Gasbündel
(12 x 50 l, 300 bar). Der Druck der Gase und somit der Anlagendruck wird über
Druckminderer am Anlageneingang eingestellt: Wasserstoff und Helium sind bis 80 bar
einstellbar, Stickstoff bis 10 bar. Der Gaseingangsstrom kann über Regulierventile (V-6, V-7,
V-8) eingestellt werden. Helium wird für Dichtigkeitstest, z.B. nach Katalysatorwechsel oder
Umbauten, benötigt, Stickstoff zum Spülen des Reaktors oder zur Beaufschlagung des
Vorlagebehälters mit Überdruck, Wasserstoff als Edukt der Hydrierung.

Wasserstoff kann über drei Stränge in den Reaktor geführt werden: Über einen digitalen
Massendurchflussregler MFC (EL-Flow Select, Multi Range, 0,8 – 40 lN/min bzw.
1,3 - 65 lN/min, Bronkhorst High-Tech), einen digitalen Massendurchflussmesser MFM
(EL-Flow Select, Multi Range, 0,8 – 40 lN/min bzw. 1,3 - 65 lN/min, Bronkhorst High-Tech)
oder direkt über einen Bypass. Der MFC-Strang dient zur Druckbeaufschlagung des Reaktors,
z.B. zu Versuchsbeginn. Außerdem ist bei wärmeabfuhrlimitierten Reaktionen wie der
LOHC-Hydrierung ein MFC-gesteuerter Betrieb denkbar: Der MFC wird dabei so eingestellt,
dass gerade so viel Wasserstoff in den Reaktor einströmt, wie freiwerdende Wärme
problemlos abgeführt werden kann. Der MFM dient zur Detektion des Wasserstoffverbrauchs
der Anlage im regulären Betrieb.

Die Zu- und Abfuhr des LOHCs erfolgen über ein von Wagner Mess- und Regeltechnik
vertriebenes Gesamtsystem: Die LOHC-Zufuhr erfolgt über eine HPLC-Pumpe (Wadose,
bis 40 ml/min, Dichtungen: Kalrez + PTFE, Flusys GmbH). Daran schließt sich ein Coriolis-
Massendurchflussmesser (Cori-Flow, Bronkhorst High-Tech) an. In Vorversuchen wurde die
Pumpe über den Coriolis- Massendurchflussmesser geregelt. Durch diesen Aufbau sollte eine
möglichst große Dosiergenauigkeit über lange Laufzeiten erreicht werden. Die Ansteuerung
erfolgte mittels Flowbus. Bei Inbetriebnahme der Anlage erwies sich dieser Aufbau als wenig
geeignet, da sich durch diese Regelung kein lange Zeit stabiler Massenstrom einstellen ließ.
Daher wurde die Pumpe umgerüstet, sodass diese extern über eine RS 232 Schnittstelle
angesteuert werden kann und der Coriolis-Massenmesser lediglich eine Messfunktion hat. Die
Messwertvorgabe erfolgt über eine entsprechende Software von Wagner Mess- und
Regeltechnik. Die LOHC-Abfuhr erfolgt über ein Prozess-Regelventil (RC200, Kalrez
gedichtet, Wagner Mess-und Regeltechnik), dem ein Coriolis-Massendurchflussmesser
(Cori-Flow, Bronkhorst High-Tech) nachgeschalten ist. Im Massenmesser ist analog zur
LOHC-Zufuhr ein Regler integriert, der das Ventil steuert.
86 Experimenteller Teil

Die erreichbaren Volumenströme der beschriebenen Instrumente sind stark abhängig von den
Druckverhältnissen sowie der Viskosität des Mediums. Einerseits stellt hierbei die Viskosität
von H18DBT eine Schwierigkeit dar. Andererseits war der optimale Betriebsdruck nicht
bekannt, da er mit dieser Anlage erst bestimmt werden sollte. Zudem sollten Messungen über
einen weiten Druckbereich durchgeführt werden. Dies alles führte dazu, dass das Setup in
zahlreichen Vorversuchen an die Gegebenheiten angepasst und optimiert werden musste. Dies
geschah im Wesentlichen durch die Montage von elektrischen Heizungen, um die Viskosität
des LOHCs herabzusetzen: Die Zuleitung zur Pumpe, der Pumpenkopf an sich sowie die
Rohrleitung am Reaktorausgang wurden mit selbstbegrenzenden Heizbändern (HBRT,
TBetrieb = 120 °C, Horst GmbH) versehen. Beide Coriolis-Massendurchflussmesser wurden mit
Heizleitungen (TIC 12: l = 4.1 m, PHeiz,max = 360 W; TIC 13: l = 4.9 m, PHeiz,max = 620 W;
jeweils Horst GmbH) ummantelt. Als Betriebstemperatur wurden 90 °C festgelegt. Mit der
Temperatur ändert sich allerdings auch die Geometrie des Rohrbogens im Coriolis-
Durchflussmesser. Daher wurde der Durchflussmesser auf diese Temperatur kalibriert. Das
Prozessregelventil wurde ebenfalls mit einer Heizleitung (Horst GmbH) versehen.

Das dehydrierte LOHC wird in einem Fass (100 l Fassungsvermögen, Edelstahl 1.4541 mit
Silikon-Dichtung, Müller GmbH) vorgelegt. Der Vorlagebehälter ist baugleich mit dem
Produktbehälter. Dadurch ist ein Dauerbetrieb über vier Tagen möglich.

Messtechnische Erfassung sowie Anlagensteuerung:

Die Anlagenleistung und der erzielte Hydriergrad können online und redundant bestimmt
werden: Durch den MFM wird der Wasserstoffverbrauch und damit die Hydrierleistung der
Anlage in-situ bestimmt. Der Hydriergrad des LOHCs ergibt sich aus der Massenbilanz.
Durch das Probenahmeventil V-17 kann LOHC am Reaktorauslass entnommen werden. Die
Bestimmung des Hydriergrads erfolgt mittels NMR oder GC-MS. Allerdings muss dabei das
Sumpfvolumen beachtet werden, sodass diese Methode nur sinnvoll ist, wenn sich die Anlage
im Steady-State befindet.

Die Temperatur- und Druckanzeiger, die Temperaturregler (jeweils Typ 3216, Eurotherm)
sowie die Füllstandregelung werden in 19‘‘ Baugruppenträgern zu einer zentralen Regel-und
Steuereinheit zusammengefasst (Fa. Base Electronics). Dort sind die Notausschaltungen
hardwaretechnisch implementiert sowie die Alarme gespeichert. Die eigentlichen
Anlagenbedienung erfolgt mit der Software FlexLab (Fa. Michael Herold
Experimenteller Teil 87

EDV-Dienstleistungen). Diese erleichtert die Sollwertvorgabe, z.B. für den MFC, sowie die
Einstellung und Änderung von Alarmschwellen. Außerdem dient sie der Datenaufzeichnung
und Online Messwertdarstellung. Es werden folgende Daten erfasst: Alle Temperaturanzeigen
sowie der Reaktionsdruck, Wasserstoffstrom in MFM und MFC, LOHC-Strom an Ein- und
Ausgang sowie der Status aller Füllstandsensoren.

Sicherheitstechnische Aspekte:

Für den Betrieb der Hydrieranlage gelten die gesetzlichen Regelungen nach der
Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) analog zum Technikumsreaktor. Der eingesetzte
Hydrierreaktor wird nach Richtlinie 97/23/EG, Artikel 3 in die Druckbehälterklasse III
eingestuft. Dies ergibt sich aus dem Produkt aus maximal zulässigem Reaktionsdruck pS und
Reaktorvolumen VR von pS·VR > 200 bar·l, welches beim verwendeten Reaktor 217 bar·l
beträgt. Hieraus ergeben sich die Rahmenbedingungen der entsprechenden Prüfungen wie
bereits für den „5L-Reaktor“ beschrieben.

Für einen sicheren Betrieb müssen zusätzlich zu den gesetzlichen Vorgaben auch die
Reaktion an sich sowie der eingesetzte Reaktortyp beachtet werden. Hier kommt erschwerend
hinzu, dass die entwickelte Anlage ein Prototyp war, für den keine Betriebserfahrung
vorhanden war.

Die Hydrierung von Aromaten ist durch große freiwerdende Wärmemengen


(ΔHR = 588,6 kJ/mol für H0DBT [188]) gekennzeichnet. Das Rieselbett ist für dreiphasig
durchgeführte Reaktionen ein gängiger Reaktortyp, jedoch ist meist die Wärmeabfuhr
limitierend. Der Wärmeübergang im verwendeten Setup wird durch den hohen Gasgehalt und,
bedingt durch die geringen Stoffströme, die geringen Wechselwirkungen zwischen beiden
fluiden Phasen erschwert. Die großen Wärmemengen einerseits und die schlechte
Wärmeabfuhr andererseits machen das System anfällig für die Bildung von Hotspots sowie
für Thermal Runaways. Zudem waren keine effektivkinetischen Daten dieser oder
vergleichbarer Reaktionen im Rieselbett vorhanden.

Um diesen Gefahrenquellen gerecht zu werden, wurde für die Anlage ein Sicherheitskonzept
erstellt. Darauf basierend wurden bauliche Sicherheitsmaßnahmen installiert. Alle gesetzlich
vorgeschriebenen Prüfungen wurden durch den TÜV Süd als zugelassene
88 Experimenteller Teil

Überwachungsbehörde abgenommen. Zusätzlich dazu wurde eine Aufstellungsprüfung der


Anlage ebenfalls durch den TÜV Süd durchgeführt.

Die Anlage wurde im Hochdrucklabor der technischen Fakultät aufgebaut. Die Hydrieranlage
wird im gleichen Bunker betrieben, in dem auch der 5L-Reaktor aufgebaut ist. Die
Anlagensteuerung und der Messrechner sind im Vorraum platziert, sodass eine bauliche
Trennung zwischen der Hydrieranlage und deren Steuerung vollzogen ist. Dies ermöglicht
auch dann ein Eingreifen in den Prozess, wenn wegen eines gefährlichen Betriebszustands ein
direktes Arbeiten an der Anlage sicherheitstechnisch nicht verantwortbar ist. Gerade bei der
Entwicklung und dem Betrieb von Prototypen sind solche Betriebszustände nie gänzlich
ausgeschlossen.

Alle Sicherheitsventile werden elektropneumatisch gesteuert. In der Wasserstoffzuleitung, der


LOHC-Zuleitung sowie in der LOHC-Abfuhrleitung sind NC-Ventile (Normally Closed)
verbaut. Dadurch ist der Reaktor im stromlosen Zustand der Anlage von der Eduktzufuhr und
Produktabfuhr entkoppelt. Die Anlage muss gegen Überdruck gesichert sein. Hierfür sind drei
Stränge parallel geschaltet, was einen sicheren sowie praktikablen Betrieb ermöglicht. Zum
einen ist eine Berstscheibe (Typ B20r100-03L, pBerst = 90-110 bar, Schlesinger GmbH)
eingesetzt. Zudem ist parallel dazu zum Schutz der Berstscheibe ein Überströmventil
(pÖffnen = 80 bar) verbaut. Im dritten Strang befindet sich ein NO-Ventil (Normally Open) mit
nachgeschaltetem Regulierventil. Dies ermöglicht einen Druckablass per Anlagensteuerung.
Das handjustierte Regulierventil verhindert einen abrupten Gasaustritt. Den drei Strängen
nachgeschaltet ist ein Druckbehälter (V = 3,8 l, pmax = 124 bar, Fa. Swagelok), um einem
Druckstoß sowie LOHC-Austrag in die Abgasleitung vorzubeugen.

Generell wurde zwischen zwei sicherheitsrelevanten Szenarien unterschieden: Einmal ist dies
das Austreten von Wasserstoff. Der andere Fall ist das Über- oder Unterschreiten eines
Schwellwerts einer messtechnischen Einrichtung, wobei Wasserstoffaustritt ausgeschlossen
wird.

Das Szenario ohne Wasserstoffaustritt sieht die Notabschaltung der Hydrieranlage vor: Es
werden alle elektropneumatischen Ventile sowie sie Pumpe stromlos geschalten. Dadurch
wird die Wasserstoff- und LOHC-Zufuhr durch das Schließen der NC-Ventile unterbunden.
Die LOHC-Abfuhr stoppt, sodass kein Reaktionsgas aus dem Reaktor in den Produktbehälter
gelangen kann. Das NO-Ventil des Reaktors öffnet und das Reaktionsgas im Reaktor wird
Experimenteller Teil 89

langsam in die Abluft abgelassen. Eine solche Notabschaltung kann durch die
Thermoelemente, den Drucksensor so wie die Füllstandregelung verursacht werden.

Der Fall eines Wasserstoffaustritts ist besonders kritisch, da im Bunker eine explosionsfähige
Atmosphäre entstehen kann. Durch die im Bunker befindlichen Anlagen sind zahlreiche
Zündquellen vorhanden, sodass ein Stromlosschalten des gesamten Bunkers zwingend
notwendig ist. Zudem muss die Wasserstoffzufuhr unterbunden werden. Die Erfassung einer
wasserstoffhaltigen Atmosphäre erfolgt über Wasserstoffsensoren (ExDetector HC 150,
Bieler + Lang GmbH). Wird ein Wert von 40 % der UEG überschritten, werden alle im
Bunker befindlichen Anlagen einschließlich deren Steuerung stromlos geschaltet sowie die
Wasserstoffzufuhr des gesamten Bunkers über ein weiteres NC-Ventil unterbunden.

3.3.3.2 Versuchsdurchführung

Vor Versuchsstart war der Reaktor auf Raumtemperatur und mit LOHC getränktem
Katalysator gefüllt. Der Katalysator verblieb nach jedem Versuch in der Anlage und wurde in
der Regel nicht gewechselt. Ein typischer Versuchsablauf gestaltete sich wie folgt:

Zunächst wurde der Vorlagebehälter mit LOHC gefüllt. Wurde teilhydrierter LOHC
verwendet, so musste dieser zunächst gemischt werden. Dies galt insbesondere dann, wenn
der Feed aus verschiedenen Chargen stammte, da es andernfalls zu einer Schichtung im
Vorlagebehälter kommen kann. Das Mischen geschah mit einem Handrührwerk
(UniMix U850, Collomix Rühr- und Mischgeräte GmbH) und wurde solange durchgeführt,
bis sich eine klare, schlierenfreie Lösung ausbildete. Die Homogenität des Feeds wurde
während eines Versuchs durch Probenahme am Ausgang des Vorlagebehälters über V-14
überprüft.

Zunächst wurde die Hydrieranlage auf Versuchstemperatur gebracht. Die Coriolis-


Massemesser wurden stufenweise auf 90 °C erwärmt. Zudem wurden alle selbstregulierenden
Heizbänder angeschlossen. Die Vorheizungen von Gas und LOHC (TIC 9 bzw. TIC 10)
sowie die Flanschheizung TIC 11 wurden auf 140 °C eingestellt. Das Temperaturniveau
wurde gewählt, um einerseits den Einsatz eines Wärmeübertragers nachzustellen und
andererseits die Dichtung des Flansches nicht über Gebühr zu strapazieren. Die
90 Experimenteller Teil

Reaktortemperatur wurde am Thermostaten eingestellt, die Temperaturregelung erfolgte


intern über eine Sollwertvorgabe für das Thermofluid.

War die Apparatur auf Reaktionstemperatur, wurde Wasserstoff eingelassen. Dies erfolgte
zunächst über den MFC, der einen definierten Gaseingangsstrom ermöglicht. War der
gewünschte Druck erreicht, folgte ein Umschalten auf den MFM zur Detektion des
Gasverbrauchs. Der gewünschte Reaktionsdruck wurde am Druckminderer, welcher der
Anlage vorgeschalten ist, eingestellt.

Anschließend wurde die LOHC-Zufuhr durch Anschalten der Pumpe gestartet. Am


Pumpensetup wurde nach hinreichender Betriebserfahrung eine Optimierung vorgenommen.
Zwischen Massenmesser und Pumpe wurde ein Dreiwegehahn installiert. Dadurch sollte ein
LOHC-Rückstrom aus der Reaktorzuleitung in die Pumpe insbesondere bei langen
Anlagenstillstandszeiten ausgeschlossen werden. Außerdem wurden so Reparatur- und
Wartungsarbeiten an der Pumpe erleichtert, da diese vom Reaktor entkoppelt betrieben
werden konnte, ohne diese vorher auszubauen. Bei Anlagenstillstand wurde der
Dreiwegehahn geschlossen. Wurde die Anlage hochgefahren, so wurde die Pumpe zunächst
mit LOHC gespült, welches über einen Bypass abgeführt wurde. War die Anlage auf Druck
und Temperatur, wurde der Versuch durch Umlegen des Dreiwegehahns gestartet.

Nach Start der LOHC-Zufuhr zeigt sich ein Anlaufphase: Die Temperatur im Reaktor sowie
der Wasserstoffverbrauch steigen an. Es dauert etwa eine Stunde, bis sich ein stationärer
Betrieb einstellt. Bei den Probenahmen muss das Sumpfvolumen beachtet werden. In
Vorversuchen hatte sich gezeigt, dass bei einem Volumenstrom von 20 ml/min ca. 2 h
gewartet werden, muss bis die NMR-Analytik mit der Massenbilanz kongruent ist.

Beim Abfahren der Anlage wurden zunächst die LOHC-Zufuhr unterbunden, der Reaktor
mittels Thermostat auf Raumtemperatur abgekühlt sowie alle elektrischen Heizungen
abgeschaltet. Die Wasserstoffzufuhr wurde erst unterbrochen, sobald die Apparatur abgekühlt
war. Während des Anlagenstillstands sinkt der Wasserstoffdruck im Reaktor dennoch
zunächst ab. Dies kann durch die Reaktion an sich oder die Adsorption von Wasserstoff am
Katalysator erklärt werden. Es stellt sich im System ein Wasserstoffdruck unter dem
Reaktionsdruck ein. Erfolgte die Wasserstoffabschaltungen bei einem höheren
Temperaturniveau, stellte sich in der Anlage ein Unterdruck ein, was zu einer Notabschaltung
der Anlage führte.
Experimenteller Teil 91

Zwischenlagerung des Katalysators:

Im Laufe der Versuche zeigte sich, dass die Performance der Anlage durch die Art der
Katalysatorlagerung im Reaktor zwischen den Versuchen beeinflusst wird. Als
Standardverfahren wurde die Anlage wie oben beschrieben abgefahren. Dieses Vorgehen
entspricht der technischen Anwendung der Hydrieranlage, z.B. als Energiespeichereinheit in
einem Wohnhaus. Dort ist es weder gewünscht, einen Reaktor bei Anlagenstillstand mit
Hochdruck beaufschlagt zu haben, noch diesen stets bei Reaktionstemperatur zu halten. Im
Verlauf der Arbeit wurden auch weitere Abfahr-Szenarien untersucht. Hierbei wurden der
Einfluss von Wasserstoffdruck sowie der Reaktortemperatur im Anlagenstillstand untersucht.

Katalysatorwechsel und Präformierung:

Im Regelbetrieb wurde der Katalysator nicht gewechselt, sondern verblieb für weitere
Versuche im Reaktor. Dies ist durch die technische Anwendung begründet: In einer
technischen Anlage wird der Katalysator nur in großen zeitlichen Abständen gewechselt.
Zudem ist ein Katalysatorwechsel in der Versuchsapparatur zeit- wie kostenintensiv. Ein
Katalysatorwechsel führt zu einer Stillstandszeit der Anlage von einer Woche.

Bei einem Katalysatorwechsel musste der Reaktor zunächst aus der Hydrieranlage ausgebaut
werden. Dazu wurde eine VCR-Verschraubung im Sumpf, sowie eine VCR- (Gaszufuhr) und
Klemmringverschraubung (LOHC-Zufuhr) am Reaktoreingang gelöst. Anschließend wurde
der Flansch am Reaktorausgang geöffnet.

2
1

Abbildung 17: Gebrauchter Katalysator im Abbildung 18: Flansch am Reaktorausgang;


Reaktor vor dem Ausbau. Plastische Verformung der Dichtung (1)
sowie Katalysatoraustrag (2) sind erkennbar.
92 Experimenteller Teil

Abbildung 17 zeigt die Katalysatorschüttung im Reaktor vor dem Ausbau. Die


Katalysatorpellets sind vollständig mit LOHC benetzt und mit diesem getränkt. Durch das
LOHC im Reaktor backen Pellets aneinander und die Schüttung haftet im Reaktor. Die Pellets
wurden mit Hilfe eines dünnen Rohres aus dem Agglomerat gelöst und rieselten dann aus
dem Reaktor. Abschließend wurde der Flansch am Reaktoreingang geöffnet sowie der
Reaktor mit Aceton gereinigt.

In Abbildung 18 ist der Flansch am Reaktorausgang nach Öffnen des Reaktors gezeigt. Der
PTFE-Dichtring ist bedingt durch die thermische Beanspruchung plastisch verformt.
Allerdings hatte dies keinen Einfluss auf die Dichtheit der Anlage. Die Dichtung wurde
turnusmäßig nach jedem Öffnen des Reaktors gewechselt. Ferner zeigte sich, dass aus der
Schüttung Katalysatorpulver ausgewaschen wird. Durch einen Filter in der LOHC-Abfuhr
(Typ SS-6F-MM-2, 2 µm Porengröße, Fa. Swagelok) sollten die nachfolgenden Ventile vor
Verunreinigung und Abrasion geschützt werden. Durch ein kleines Sieb im Flansch sollte
verhindert werden, dass Pellets in die Rohrleitung gelangten.

Das Befüllen des Reaktors mit Katalysator erfolgte über den Reaktorausgang. Hierbei
bewährte sich folgendes Vorgehen: Zunächst wurde dem oberen Flansch samt
Thermoelement das obere Katalysatorsieb sowie die Zentrierhülse (Abbildung 19)
aufgesteckt. Der Reaktor wurde anschließend mit dem oberen Flansch verschlossen. Die
Zentrierhülse wurde mittels eines angeschraubten Rohres durch den Reaktor gezogen und am
Reaktorausgang fixiert. Dann wurde der Reaktor reaktorausgangsseitig mit Katalysator
(1.6 kg, 0.5 wt% Ruthenium auf AlOx) befüllt. Abschließend wurde die Zentrierhülse
abgezogen, das Thermoelement bleibt durch die Katalysatorschüttung zentriert. Das untere
Sieb sowie die Distanzhülse wurden aufgesteckt und der Reaktor ausgangsseitig mit dem
Flansch verschlossen.

Nach dem Katalysatoreinbau sowie der anschließenden Dichtigkeitsprüfung erfolgte die


Präformierung des Katalysators. Dazu wurde der Reaktor dreimal mit Wasserstoff gespült und
bei 140 °C und 40 bar über Nacht präformiert. Es bewährte sich, das durch die Präformierung
entstandene Wasser mittels Vakuum abzuziehen. Dadurch war es zudem möglich, das durch
den Herstellungsprozess im Katalysator vorhandene Wasser zu entfernen. Der Wasserstoff
wurde abgelassen und die Anlage dreimal mit Stickstoff gespült. Die Anlage wurde dann auf
130 °C erhitzt und über Nacht evakuiert (pabsolut = 19 mbar).
Experimenteller Teil 93

Abbildung 20 zeigt das Ergebnis der vorgestellten Prozedur. Es wird hydriertes LOHC
verglichen, welches unmittelbar nach einem Katalysatorwechsel aus der Anlage entnommen
wurde. Bei Charge 1 wurde die Anlage vor Versuchsstart evakuiert, bei Charge 2 wurde
darauf verzichtet. Charge 1 ist eine klare Flüssigkeit. Charge 2 ist stark eingetrübt, am Boden
befinden sich zudem kleine Tropfen. In diesem Hydrierversuch wies das austretende LOHC
erst nach einem Anlagenbetrieb über mehrere Stunden keine Trübung mehr auf. Dies wird
darauf zurückgeführt, dass das im System vorhandene Wasser durch das LOHC
ausgewaschen wird. Die Löslichkeit von Wasser in LOHCs nimmt mit steigender Temperatur
zu [218]. Durch das Abkühlen des LOHCs nach Verlassen des Reaktors fällt zuvor gelöstes
Wasser aus, wodurch die Trübung entsteht.

1 2

Abbildung 19: Vorrichtung zur Zentrierung Abbildung 20: Hydriertes LOHC kurz nach
des Thermoelements in axialer Richtung. einem Katalysatorwechsel mit (1) und ohne
(2) vorheriges Evakuieren.
94 Ergebnisse und Diskussion

4 Ergebnisse und Diskussion

4.1 Untersuchungen am System N-Ethylcarbazol

Eine der bekanntesten und meisterforschten LOHC-Verbindungen ist N-Ethylcarbazol


(H0NEC). Für die Hydrierung von H0NEC zeigten Eblagon et al. [205, 208], dass Ruthenium
der aktivste Edelmetallkatalysator und Aluminiumoxid der geeignetste Träger sind.
Allerdings leidet das hieraus abgeleitete Standardsystem unter der hohen Stabilität des
Intermediats H8NEC [207]. Diese hohe Stabilität ist in der technischen Anwendung nicht
erwünscht, da dadurch der Speichervorgang verlangsamt wird. Aus Arbeiten mit H0NEC ist
zudem bekannt, dass unterschiedliche Edelmetallkatalysatoren die einzelnen Teilschritte der
H0NEC-Hydrierung unterschiedlich gut katalysieren [208].

In dieser Arbeit wurden erstmals die einzelnen Teilschritte der Hydrierung von
N-Ethylcarbazol experimentell untersucht. Neben der Hydrierung des vollständig dehydrierten
Edukts H0NEC wurde die Hydrierung der stabilen Intermediate H4NEC und H8NEC
betrachtet. Hierbei wurde die Eignung der einzelnen Katalysatoren für den jeweiligen
Teilschritt ermittelt. Dazu wurde die Kinetik der Teilreaktionen für verschiedene
kommerzielle Katalysatoren experimentell bestimmt. Es wurden ausschließlich
Aluminiumoxid-geträgerte Edelmetallkatalysatoren mit einem nominellen Edelmetallgehalt
von 5 wt% eingesetzt. Eine Übersicht der eingesetzten Katalysatoren sowie deren
physikochemischer Eigenschaften ist in Tabelle 18 gegeben.

Tabelle 18: Physikochemische Eigenschaften der eingesetzten Pulverkatalysatoren.


Substanz Ru/ Al2O3 Rh/ Al2O3 Pd/ Al2O3 Pt/ Al2O3
Metallbeladung [wt%]a n.b. 4,1 4,8 5,1
Clustergröße [nm]b 19,7 0,95 7,8 3,7
3 b
Adsorbiertes Volumen [cm CO/g STP] 0,75 12,6 1,51 1,77
Mittlerer Porendurchmesser [nm]c 27,5 15,5 11,6 10,3
BET-Oberfläche [m2/g]c 117 111 159 104
Messmethode: a ICP b
CO-Chemisorption c
BET-Sorptionsmessung.
Ergebnisse und Diskussion 95

Die Bestimmung der Kinetik der Hydrierung von H0NEC war bereits Gegenstand zahlreicher
Forschungsarbeiten. Hierbei wurde stets davon ausgegangen, dass die Reaktion durch einen
Reaktanden limitiert wird und der andere Reaktand in großem Überschuss vorliegt. Einige
Autoren gingen von einer Limitierung ausschließlich durch H0NEC aus [203-205, 208, 361],
andere durch eine Limitierung des Wasserstoffs [210, 211, 231]. Die Reaktionsordnung des
limitierenden Reaktanden wurde jeweils gleich eins gesetzt. Allerdings zeigt ein Blick auf die
Stöchiometrie der Reaktion, dass die Annahme eines einzigen limitierenden Reaktanden
zumindest fraglich ist.

Die Basis nachfolgender Untersuchungen bildet ein Potenzansatz, der beide Reaktanden mit
einbezieht:

= ′ ∙ ,-/. ∙ 3
012 (15)

Bei konstantem Wasserstoffdruck kann Gleichung (15) zu (16) vereinfacht werden, wobei k
druckabhängig ist.

3
= ∙ 012 (16)

Bei den nachfolgenden Untersuchungen wurde der Wasserstoffdruck bei 36 bar konstant
gehalten. Für ausgewählte Temperaturen wurde die druckabhängige
Geschwindigkeitskonstante k bestimmt und mit einer Arrhenius-Auftragung der Stoßfaktor k0
sowie die Aktivierungsenergie EA ermittelt. Die Reaktionsordnung für den LOHC beträgt
n = 1 und wurde mit der Integral- sowie der Halbwertszeitmethode bestimmt. Die Herleitung
kann Anhang 6.1 entnommen werden. Abschließend wurde mit H0NEC eine Druckvariation
durchgeführt und die Reaktionsordnung von Wasserstoff bestimmt.

Der Gas-Flüssig-Stofftransport im Reaktor wurde nach Zieverink et al. [362] theoretisch


abgeschätzt, sodass externe Stofftransportlimitierung ausgeschlossen wird. Der
Wasserstoffeintrag liegt um mehrerer Größenordnungen über der Reaktionsrate. Eine interne
Stofftransportlimitierung wird für beide Reaktanden durch das Weisz-Prater Kriterium
ausgeschlossen. Nach einer pessimistischen Abschätzung gilt für den LOHC Φ = 0,47, für
Wasserstoff Φ = 0,024.
96 Ergebnisse und Diskussion

4.1.1 Hydrierung von N-Ethylcarbazol

Als Standardkatalysator wurde Ru/Al2O3 und als Standardtemperatur 150 °C festgelegt. Der
Betriebsdruck ergibt sich aus der Summe des Dampfdrucks des Lösungsmittels Cyclohexans
und dem Wasserstoffdruck, welcher bei 36 bar konstant gehalten wurde. Das Verhältnis von
Katalysator zu LOHC wurde auf nRu/nNEC = 0,25 % festgelegt.

In Abbildung 21 ist die zeitabhängige Produktverteilung des Referenzversuchs dargestellt.


Der Verlauf ist typisch für eine Folgereaktion. Charakteristisch für die Hydrierung von
H0NEC sind größere Mengen der Zwischenprodukte H4NEC und H8NEC. Zudem werden
geringe, technisch nicht relevante Mengen von H6NEC nachgewiesen, jedoch nicht H10NEC.
Von H12NEC werden drei Fraktionen detektiert, welche auf die verschiedenen Isomere des
Produkts zurückgeführt werden. Bemerkenswert ist der hohe Gehalt an H8NEC, welcher einen
Maximalwert von 70 % erreicht und auf die geringe Aktivität von Ru/Al2O3 für die
Hydrierung von H8NEC zurückgeführt wird. Der Standardversuch wurde viermal
durchgeführt. Die Messungenauigkeit des Stoffmengenanteils beträgt in der Spitze ± 0.047,
meist jedoch deutlich unter ± 0.02. Sie ist damit vergleichbar mit anderen ähnlichen
Versuchen aus der Literatur [208, 363, 364]. Die Messungenauigkeit wird in erster Linie auf
Druck- und Temperaturschwankungen im Reaktor während des Versuchs zurückgeführt.

Im Vergleich zu vorangegangenen Arbeiten weist das hier untersuchte System eine


außerordentlich hohe Aktivität auf. Die Anfangsaktivität des Katalysators beträgt
4,2·10-3 molNEC·gRu-1·s-1. Im Gegensatz dazu erzielten Sotoodeh et al. [204] mit einem
kommerziellen, Aluminiumoxid geträgerten Ruthenium-Katalysator bei gleicher Temperatur
und einem Druck von 70 bar eine Aktivität von 0,097·10-3 molNEC·gRu-1·s-1. Die Aktivitäten
anderer Arbeiten sind teils deutlich geringer [203, 205, 207]. Es wird angenommen, dass diese
gravierenden Unterschiede auf verschiedene Reinheitsgrade von H0NEC zurückzuführen sind.
Die Reinheit von H0NEC unterscheidet sich je nach Hersteller teils deutlich. Eine
Schlüsselrolle spielen hierbei Organoschwefelverbindungen. Diese wirken als Katalysatorgift
und sind in Steinkohleteer enthalten, welcher Ausgangspunkt der konventionellen Herstellung
von N-Ethylcarbazol ist. Das in dieser Arbeit verwendete N-Ethylcarbazol wurde synthetisch
hergestellt und am Institut destilliert, um Verunreinigungen zu entfernen.
Ergebnisse und Diskussion 97

1,0
H0NEC
H4NEC
0,8 H8NEC
H12NEC

0,6
xHXNEC [-]

0,4

0,2

0,0
0 30 60 90 120
t [min]
Abbildung 21: Zeitabhängige Produktverteilung der Hydrierung von H0NEC im Basisfall.
(T = 150 °C; pH2 = 36 bar; nRu/nH0NEC = 0,25 %; LM: Cyclohexan; Kat.: Ru/Al2O3)

In weiteren Versuchen wurde die Katalysatorauswahl um Rh/Al2O3 erweitert und für beide
Katalysatoren die Aktivierungsenergie sowie der Stoßfaktor bestimmt. Bei Ru/Al2O3 wurde
der Temperaturbereich von 130 °C bis 190 °C untersucht, bei Rh/Al2O3 von 90 °C bis 150 °C.

1,0 1,0
Ru, 130 °C H0NEC
H4NEC Rh, 130 °C
0,8 H8NEC 0,8
H12NEC
xHXNEC [-]

xHXNEC [-]

0,6 0,6 H0NEC


H4NEC
0,4 0,4 H8NEC
H12NEC

0,2 0,2

0,0 0,0
0 30 60 90 120 0 30 60 90 120
t [min] t [min]
Abbildung 22: Zeitabhängige Produktverteilung der Hydrierung von H0NEC bei 130 °C.
(pH2 = 36 bar; nKat/nH0NEC = 0,25 %; LM: Cyclohexan; Kat.: Ru/Al2O3 bzw. Rh/Al2O3)

In Abbildung 22 werden beide Katalysatoren bei einer Reaktortemperatur von 130 °C


miteinander verglichen. Der Rhodium-Katalysator ist hierbei das deutlich aktivere System. Er
zeigt mit 7,65·10-3 molNEC·gRu-1·s-1 eine deutlich höhere Anfangsaktivität für die Hydrierung
98 Ergebnisse und Diskussion

von H0NEC als der Ruthenium-Katalysator mit 1,83·10-3 molNEC·gRu-1·s-1. Damit ist der
Rhodium-Katalysator das aktivste bekannte System zur Hydrierung von H0NEC. Mit
Rh/Al2O3 wird zudem bereits nach 45 min eine nahezu vollständige Hydrierung erreicht.
Außerdem ist der maximale Gehalt an H8NEC mit 36 % deutlich geringer. Die deutlich
höhere Aktivität des Rhodium-Katalysators wird in erster Linie auf dessen deutlich geringere
Clustergröße im Vergleich zum Ruthenium-Katalysator zurückgeführt. Nach [207] ist
Ruthenium bedingt durch seine elektronische Struktur zwar das aktivere Metall für die
Hydrierung von H0NEC, die Ergebnisse legen jedoch nahe, dass dieser Effekt durch die
geringere Clustergröße und die damit verbundene größere Oberfläche des Rhodiums mehr als
kompensiert wird.

1/T [K-1] 1/T [K-1]


2,1E-3 2,2E-3 2,3E-3 2,4E-3 2,5E-3 2,3E-3 2,5E-3 2,7E-3
-5,5 -5,0
Ru Rh
-6,0
-6,0

-6,5
ln(k)
ln(k)

-7,0
-7,0
y = -6153,3x + 7,6 -8,0 y = -9268,8x + 16,8
-7,5 R² = 0,997 R² = 0,998
-8,0 -9,0

Abbildung 23: Arrhenius-Auftragung der Hydrierung von H0NEC für die Katalysatoren
Ru/Al2O3 und Rh/Al2O3.
(T = 90 - 190 °C; pH2 = 36 bar; nKat/nH0NEC = 0,25 %; LM: Cyclohexan)

Für jeden Versuch wurde die Geschwindigkeitskonstante für die Hydrierung von H0NEC
bestimmt. Die Aktivierungsenergie sowie der Stoßfaktor wurden für beide Katalysatoren
jeweils durch eine Arrhenius-Auftragung bestimmt. Diese sind in Abbildung 23 dargestellt.
Für Ru/Al2O3 beträgt die Aktivierungsenergie für die Hydrierung von H0NEC 51,2 kJ/mol,
für Rh/Al2O3 beträgt diese 77,7 kJ/mol. Die kinetischen Daten beider Katalysatoren sind in
Tabelle 19 zusammengefasst. Die Geschwindigkeitskonstanten aller Versuche können
Anhang 6.2 entnommen werden.

Tabelle 19: Aktivierungsenergie EA und Stoßfaktor k0 der Hydrierung von H0NEC.

Katalysator k130°C [s-1] k0 [s-1] EA [kJ/ mol] R2


Ru/ Al2O3 4,62E-4 4,92E+1 51,2 0,997
Rh/ Al2O3 1,97E-3 1,47E+7 77,7 0,998
Ergebnisse und Diskussion 99

4.1.2 Hydrierung von Tetrahydro-N-Ethylcarbazol

In den vorangegangenen Untersuchungen wurde gezeigt, dass H4NEC ein vergleichsweise


stabiles Intermediat der Hydrierung von H0NEC darstellt. In der technischen Anwendung ist
jedoch die rasche vollständige Hydrierung von H0NEC wünschenswert. Die Hydrierung von
H4NEC ist hierfür ein wesentlicher Schritt. Um diesen näher zu beleuchten wurde die
Hydrierung von H4NEC mit verschiedenen Katalysatoren untersucht. Hierzu wurde isoliertes
H4NEC verwendet, welches aus der Destillation von teilhydrierten Mischungen gewonnen
wurde [185].

1,0 1,0
Ru, 170 °C H0NEC
H4NEC Rh, 130 °C
0,8 H8NEC 0,8
H12NEC
xHXNEC [-]

xHXNEC [-]

0,6 0,6 H0NEC


H4NEC
H8NEC
0,4 0,4 H12NEC

0,2 0,2

0,0 0,0
0 30 60 90 120 0 30 60 90 120
t [min] t [min]
1,0
Pd, 170 °C H0NEC
H4NEC
0,8 H8NEC
H12NEC
xHXNEC [-]

0,6

0,4

0,2

0,0
0 30 60 90 120
t [min]
Abbildung 24: Zeitabhängige Produktverteilung der Hydrierung von H4NEC.
(T = 130 bzw. 170 °C; pH2 = 36 bar; nKat/nH0NEC = 0,25 %; LM: Cyclohexan; Kat.: Ru/Al2O3,
Rh/Al2O3 bzw. Pd/Al2O3)
100 Ergebnisse und Diskussion

Es wurden die Katalysatoren Ru/Al2O3, Rh/Al2O3 und Pd/Al2O3 bei verschiedenen


Temperaturen untersucht und jeweils die Geschwindigkeitskonstante der Reaktion bestimmt.
Bei Ru/Al2O3 wurde der Temperaturbereich von 130 °C bis 190 °C untersucht, bei Rh/Al2O3
von 90 °C bis 150 °C und bei Pd/Al2O3 von 110 °C bis 170 °C. Da alle untersuchten
Katalysatoren über eine Hydrier- und eine Dehydrieraktivität verfügen, verlangte die
Einstellung des Startpunkts eines Versuchs ein gewisses Fingerspitzengefühl. Das Aufheizen
des Reaktors erfolgte bei mittlerem Wasserstoffdruck. Abweichungen von der ursprünglichen
Zusammensetzung des Einsatzstoffes ergeben sich durch die Hydrierung und Dehydrierung
während des Aufheizvorgangs.

Die Konzentrationsprofile der Hydrierung von H4NEC sind in Abbildung 24 gezeigt. Auch
hier ist Rh/Al2O3 der mit Abstand aktivste Katalysator. Er erreicht bei 130 °C eine
vergleichbare Aktivität wie das Referenzsystem Ru/Al2O3 erst bei 170 °C. Die
unterschiedliche Aktivität der beiden Katalysatoren lässt sich auch durch die
Geschwindigkeitskonstante bei 130 °C belegen. Für den Rhodium-Katalysator beträgt diese
1,97E-3 s-1, für den Ruthenium-Katalysator 3,62E-4 s-1. Die hohe Aktivität von Rh/Al2O3
wird in erster Linie auf die sehr geringe Clustergröße des Rhodiums zurückgeführt. Im
Vergleich zu Ru/Al2O3 weist Pd/Al2O3 trotz kleinerer Metallcluster eine wesentlich geringere
Aktivität auf. Dies lässt auf eine deutlich geringere Aktivität des Palladiums für die
Hydrierung von H4NEC schließen.

Für jeden untersuchten Katalysator wurden die Aktivierungsenergie sowie der Stoßfaktor
ermittelt. Die entsprechenden Arrhenius-Auftragungen sind in Abbildung 25 dargestellt. Für
Ru/Al2O3 beträgt die Aktivierungsenergie 39,5 kJ/mol, für Rh/Al2O3 77,7 kJ/mol und für
Pd/Al2O3 68,4 kJ/mol. Eine Übersicht der kinetischen Daten der Hydrierung von H4NEC
findet sich in Tabelle 20. Die Geschwindigkeitskonstanten aller Versuche können Anhang 6.2
entnommen werden.

Tabelle 20: Aktivierungsenergie EA und Stoßfaktor k0 der Hydrierung von H4NEC.

Katalysator k130°C [s-1] k0 [s-1] EA [kJ/ mol] R2


Ru/ Al2O3 3,62E-4 3,95E+1 39,5 0,986
Rh/ Al2O3 1,97E-3 7,77E+1 77,7 0,998
Pd/ Al2O3 5,38E-5 3,44E+4 68,4 0,992
Ergebnisse und Diskussion 101

1/T [K-1] 1/T [K-1]


2,1E-3 2,2E-3 2,3E-3 2,4E-3 2,5E-3 2,3E-3 2,5E-3 2,7E-3
-5
Ru Rh
-6,5
-6

-7,0 -7
ln(k)

ln(k)
-8
-7,5 y = -9342,5x + 16,5
y = -4756,4x + 3,9 -9 R² = 0,999
R² = 0,986
-8,0 -10

1/T [K-1]
2,2E-3