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DOKTOR-INGENIEUR
vorgelegt von
Danksagung
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit entstanden von Juni 2012 bis Dezember 2015 am
Lehrstuhl für Chemische Reaktionstechnik der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg.
Mein größter Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Peter Wasserscheid für die Möglichkeit
diese Arbeit an seinem Lehrstuhl anzufertigen, die spannende und herausfordernde
Themenstellung, seine hervorragende Unterstützung, seinen grenzenlosen Enthusiasmus und
ganz besonders für das große, in mich gesetzte Vertrauen.
Herrn Prof. Dr.-Ing. Michael Wensing danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens.
Ebenso gilt mein Dank den weiteren Mitgliedern der Prüfungskommission, Frau Prof. Dr.
Sannakaisa Virtanen und Herrn Prof. Dr. Wilhelm Schwieger.
Dem Freistaat Bayern danke ich für die Finanzierung meiner Arbeit durch das „Bavarian
Hydrogen Center“.
Ein großer Dank gilt meinem Arbeitsgruppenleiter Dr. Andreas „Grobi“ Bösmann für die stets
gewinnbringenden Diskussionen, das stets offene Ohr und die tolle Unterstützung, die mir in
besonderer Erinnerung geblieben ist.
Herrn Dr. Detlef Freitag als Betriebsleiter des Hochdrucklabors danke ich für die gute
Unterstützung und das angenehme Miteinander.
Besonders bedanken möchte ich mich bei Michael Schmacks, Achim Mannke, Julian Karl
und Sascha Jeschke aus der Mechanikwerkstatt für die hervorragende Unterstützung
insbesondere beim Anlagenbau. Euer Engagement und eure Expertise waren bei vielen
kleinen und großen Problemen Gold wert. Ein herzlicher Dank gilt auch Frau Menuet, Frau
Singer und Frau Bittan aus dem CRT-Sekretariat für ihre Unterstützung, Alexander Busch für
die Hilfe bei allen elektrotechnischen Problemen und Hendryk Partsch für die Hilfe bei allen
EDV-Problemen.
Ein großer Dank gilt meinen Studenten Valentina Correal, Stefan Dürr, Ehsan Emamjomeh,
Melanie Eßl, Lukas Glöser, Cansu Tumay und Florian Zitzmann. Ohne eure Beiträge wäre die
II Danksagung
Arbeit in diesem Umfang nicht möglich gewesen. Danke für die stets bereichernde
Zusammenarbeit und euren Eifer bei der „Rettung der Welt“.
Bei all meinen Wegbegleitern am CRT bedanke ich mich für die Unterstützung, die
hilfreichen Diskussionen und das gute Miteinander. Die gemeinsame Zeit werde ich nie
vergessen. Danke auch den Kollegen vom TVT für die angenehme und gewinnbringende
Zusammenarbeit.
Besonders bedanken möchte ich mich bei Veit Hager, Heiko Klefer, Ines Mertens, Tobias
Müller, Daniel Pliquett und Johannes Schwegler. Danke für die schöne Zeit und die vielen
tollen Erlebnisse! Die vielen gemeinsamen Unternehmungen, Ausflüge und Urlaube haben
mir über so manches Tal der Tränen hinweggeholfen.
Ein ganz herzlicher Dank gilt meiner Familie und meinen Freunden außerhalb des Kontexts
Universität für die entgegengebrachte Unterstützung in einer entbehrungsreichen Zeit.
Inhaltsverzeichnis III
Inhaltsverzeichnis
Publikationen ............................................................................................................................ VI
Kurzfassung .............................................................................................................................VII
Symbolverzeichnis ................................................................................................................... IX
1 Einleitung ........................................................................................................................... 1
4.3.2 Hydrierung mit Gasgemischen aus Wasserstoff und Methan .......................... 120
Literaturverzeichnis ..................................................................................................................... i
6.2 Geschwindigkeitskonstanten der Hydrierung von H0NEC, H4NEC und H8NEC .. xxxi
6.10 Berechnung der Diffusionskoeffizienten von H0DBT und H0BT ......................... xlii
VI Inhaltsverzeichnis
Publikationen
Teile dieser Arbeit wurden bereits in folgenden Fachzeitschriften oder als Konferenzbeiträge
veröffentlicht:
Fachzeitschriften:
Tagungsbeiträge:
Kurzfassung
Der durch die Energiewende begründete Wandel in der Energiewirtschaft und die damit
einhergehende hohe Volatilität verfügbarer Energie macht die Entwicklung geeigneter,
großtechnisch anwendbarer Speichertechnologien notwendig. Ein vielversprechender Ansatz
ist die stoffliche Speicherung in Form von regenerativ erzeugtem Wasserstoff. Für eine
wasserstoffbasierte Energiewirtschaft braucht es wiederum passende Technologien zu dessen
Erzeugung, Nutzung und Speicherung. Als besonders zukunftsträchtig gilt die
Wasserstoffspeicherung in flüssigen organischen Wasserstoffträgern, sog. Liquid Organic
Hydrogen Carriers (LOHCs). Der Wasserstoff kann in diesen Verbindungen durch
katalytische Hydrierung chemisch gebunden und bei Bedarf durch katalytische Dehydrierung
wieder freigesetzt werden. Der Träger wird dabei nicht verbraucht und kann theoretisch
beliebig oft verwendet werden.
In dieser Arbeit wurde die Hydrierung von LOHCs unter technischen Gesichtspunkten
untersucht. Eine technische Anwendung von N-Ethylcarbazol wird durch dessen hohen
Schmelzpunkt im entladenen Zustand sowie durch die hohe Stabilität des Intermediats
H8NEC bei der Hydrierung mit dem Standardkatalysator Ru/Al2O3 erschwert. In einem
semi-batch betriebenen Laborreaktor wurden die Kinetik der einzelnen Teilreaktionen
untersucht und verschiedene kommerzielle Katalysatoren auf ihre Eignung für den jeweiligen
Teilschritt getestet. Mit ternären Mischungen aus N-Ethyl-, N-Propyl- und N-Butylcarbazol
werden Schmelzpunkte deutlich unter denen der Reinstoffe erreicht. Durch die Hydrierung
und Dehydrierung der Mischungen wurde der Einfluss der Alkylkettenlänge auf die
Reaktionsrate bestimmt.
Zur kontinuierlichen technischen Hydrierung von LOHCs wurde ein Prozess im Pilotmaßstab
entwickelt. Die Reaktion wurde in einem Dead-End betriebenen Rieselbett durchgeführt.
Neben der wissenschaftlichen Charakterisierung des Reaktors und der Hydrierreaktion sollten
zugleich signifikante Mengen an vollhydriertem Produkt hergestellt werden. Es wurde der
Einfluss der Parameter Druck, Reaktortemperatur und LOHC-Strom bestimmt und ein
praxistaugliches Betriebsfenster definiert. Zudem wurde der Prozess mit verschieden
teilhydrierten Einsatzgemischen charakterisiert. Aus Langzeitversuchen können Rückschlüsse
auf die Standzeit des Katalysators getroffen werden. Mit Benzyltoluol wurde eine weitere
LOHC-Verbindung getestet. Insgesamt wurden mit der Anlage 1,4 t LOHC hydriert, wodurch
eine umfängliche Betriebserfahrung nachgewiesen wurde.
VIII Abstract
Abstract
The change in the energy industry caused by the extension of solar and wind power and the
resulting higher volatility of available energy makes the development of suitable large-scale
storage technologies necessary. A promising approach is the chemical storage in the form of
renewable hydrogen. A so called hydrogen economy requires appropriate technologies for
generation, use and storage. The hydrogen storage in liquid organic hydrogen carriers
(LOHCs) is considered particularly promising. In these compounds hydrogen is chemically
bound by catalytic hydrogenation and, if necessary, released again by catalytic
dehydrogenation. Thereby the carrier is not consumed and can theoretically be used as often
as desired.
In this work the hydrogenation of LOHCs was studied under technical aspects. A technical
application of N-Ethylcarbazole is complicated by its high melting point in the discharged
state and by the high stability of the intermediate H8NEC in the hydrogenation with the
standard catalyst Ru/Al2O3. The kinetics of the partial reactions was studied in a lab-scale
semi-batch reactor. Various commercial catalysts were tested for their suitability for the
respective reaction step. The melting points of ternary mixtures of N-Ethyl-, N-Propyl- and
N-Butylcarbazole are significantly lower than those of the pure substances. The influence of
the alkyl chain length on the reaction rate of the hydrogenation and dehydrogenation was
determined.
A pilot-scale process for the continuous hydrogenation was developed. The reaction was
carried out in a dead end operated trickle bed. In addition to the scientific characterization,
significant quantities of fully hydrogenated product were to be produced at the same time. The
influence of the operating parameters pressure, reactor temperature and LOHC flow was
determined and a practical operation window was defined. Long-term tests were carried out to
make conclusions about the lifetime of the catalyst. Another LOHC was tested with
benzyltoluene. A total of 1.4 tonnes of LOHC was processed in the hydrogenation plant,
which demonstrated an extensive operating know-how.
Symbolverzeichnis IX
Symbolverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
BetrSichV Betriebssicherheitsverordnung
BT LOHC-System Benzyltoluol
BTEAC Benzyltriethylammoniumchlorid
CFD numerische Strömungsmechanik (engl. computational fluid dynamics)
CNT Kohlenstoffnanoröhren (engl. carbon nanotubes)
CRT Lehrstuhl für Chemische Reaktionstechnik, Erlangen
CVT Lehrstuhl für Chemische Verfahrenstechnik, Bayreuth
DBT LOHC-System Dibenzyltoluol
DFAFC Ameisensäure-Brennstoffzelle (engl. direct formic acid fuel cell)
DFT Diskrete Fourier Transformation
DMFC Direktmethanolbrennstoffzelle (engl. direct methanol fuel cell)
GC Gaschromatographie
GC-MS Gaschromatographie mit gekoppelter Massenspektrometrie
GuD Gas- und Dampf
HG Hydriergrad des LOHCs
HPLC High Performance Liquid Chromatography
HR-XPS High-Resolution X-Ray Photoelectron Spectroscopy
HXBT teilhydriertes Benzyltoluol
HXDBT teilhydriertes Dibenyzltoluol
HXLOHC teilhydrierter LOHC
H0BT Benzyltoluol
H0DBT Dibenzyltoluol
H0LOHC vollständig entladener LOHC
H0NBC N-Butylcarbazol
H0NEC N-Ethylcarbazol
H0NPC N-Propylcarbazol
H10NEC Decahydro-N-Ethylcarbazol
H12BT vollhydriertes Benzyltoluol
H12NBC Dodeca-N-Butylcarbazol
H12NEC Dodeca-N-Ethylcarbazol
H12NPC Dodeca-N-Propylcarbazol
XIV Abkürzungsverzeichnis
Smp. Schmelzpunkt
SNG regeneratives Methan (engl. synthetic natural gas)
SOEC Hochtemperaturelektrolyseur (engl. solid oxide electrolysis cell)
SOFC Hochtemperaturbrennstoffzelle (engl. solid oxide fuel cell)
TB Rieselbettreaktor
TEM Transemissionselektronenmikroskopie
TGA thermogravimetrische Analyse
TVT Lehrstuhl für Thermische Verfahrenstechnik, Erlangen
UEG untere Explosionsgrenze
5L Technikumsreaktor, sog. “5L-Reaktor”
XVI
Einleitung 1
1 Einleitung
biogener Hausmüll
600
Anteil erneuerbarer Energien
Photovoltaik
30% Biomasse
500
Wasserkraft
400 Windkraft offshore
20% Windkraft onshore
300 Mineralölprodukte
Erdgas
200
10% Steinkohle
100 Braunkohle
Kernenergie
0 0% EE-Anteil
Jahr
Abbildung 1: Bruttostromerzeugung in Deutschland nach Energieträgern für den Zeitraum
von 1990 bis 2016. Daten entnommen aus [2]
Zudem wird der Ausbau erneuerbarer Energien vermehrt als ein wichtiger Wirtschaftsfaktor
wahrgenommen: Er führt zur Entwicklung und Verbreitung innovativer Energietechnologien,
die auch für den internationalen Markt interessant sind. Außerdem wird die Importnachfrage
2 Einleitung
nach fossilen Brennstoffen gedämpft [3]. Dies alles macht die Energiewende nicht nur
umweltpolitisch wünschenswert sondern auch wirtschaftlich sinnvoll.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien lässt sich gut an der Stromzusammensetzung der
letzten Jahre nachvollziehen, welche in Abbildung 1 dargestellt ist. Betrug der Anteil
Erneuerbarer im Jahr 2000 noch 6,6 %, waren es 2016 schon 29,0 %. Ein Großteil des
Zuwachses ist hierbei auf Windkraft und Photovoltaik zurückzuführen, ein weiteres
Wachstum wird erwartet [3]. Das ist für Stromsysteme eine Herausforderung, denn je mehr
Wind und Sonne verstromt werden, desto volatiler wird der erzeugte Strom [4, 5]. Die
entstehenden Schwankungen der Stromeinspeisung müssen durch andere Kapazitäten
ausgeglichen werden. Mit dem bestehenden deutschen Kraftwerkspark ist dies nicht möglich.
Die Anfahrzeit von Braunkohlekraftwerken beträgt 5 h, die von Kernkraftwerken gar 50 h [6].
Dies führt zu der paradoxen Situation, dass für einen weiteren Ausbau der erneuerbaren
Energien der Bau von weiteren flexiblen fossilen Steinkohle- und Gaskraftwerken, welche als
Reservekraftwerke vorgehalten werden, nötig ist [6, 7]. Maximallasten der erneuerbaren
Energien werden heutzutage zudem durch das Abregeln von Windkrafträdern gedämpft [8].
Für eine zukunftsweisende Energiewirtschaft erscheinen beide Methoden untauglich.
Fortschrittlichere Lösungen sind gefragt.
Durch den Aufbau von intelligenten Stromnetzen, sog. „smart grids“, könnten je nach
Stromverfügbarkeit Verbraucher zu- und abgeschaltet und so der Stromverbrauch dem
Angebot angepasst werden [9, 10]. Häufig genannte flexible Verbrauchseinheiten sind
Waschmaschinen, Kühlschränke, Lüftungssysteme sowie Heizwärmepumpen. In der
chemischen Industrie wird über eine Flexibilisierung von stromkonsumierenden Prozessen
sowie deren Ausbau für einen diskontinuierlichen Betrieb diskutiert [9]. Durch all diese
Maßnahmen ist es möglich, den Stromverbrauch der hohen Volatilität der Stromerzeugung
anzupassen.
Wünschenswert wäre jedoch, Erzeugung und Verbrauch zeitlich zu entkoppeln. Hierzu sind
passende Energiespeichersysteme notwendig. Die Anforderungen an ein solches System sind
vielfältig: Gefordert sind hohe Energie- und Leistungsdichten, eine geringe Umweltbelastung
und -gefährdung, kurze Ansprechzeiten, lange Lebensdauern und hohe Wirkungsgrade.
Zudem muss die Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und großtechnische Realisierbarkeit
gewährleistet sein. Verschiedene Systeme versuchen diesen Ansprüchen gerecht zu werden.
Einleitung 3
Die elektrochemische Stromspeicherung mittels Batterien ist aus dem Alltag kaum
wegzudenken: Bleiakkumulatoren finden sich in Autos, Zink-Manganoxid-Zellen in
zahlreichen Haushaltsgegenständen. Lithiumionenbatterien sind wegen der geringen
Selbstentladung, der langen Lebensdauer sowie der hohe Leistungs- und Energiedichte
interessant [15-17]. Sie werden jährlich milliardenfach produziert und finden sich in tragbaren
Elektronikgeräten sowie Hybridfahrzeugen wieder [14, 18]. Gegen sie als Energiespeicher in
technischer Größenordnung sprechen jedoch die Kosten [14], die begrenzten Lithiumreserven
[19] sowie sicherheitstechnische Bedenken [10, 19]. Mit Natrium-Schwefel-Akkumulatoren
wurden bereits Systemgrößen von 34 MW realisiert [12]. Sie weisen eine hohe Energiedichte
und eine lange Lebensdauer auf und werden bereits in Japan und den USA technisch
eingesetzt [12, 17]. Allerdings müssen sie stets auf 300 °C temperiert werden, bei Abkühlung
sowie Vollentladung drohen irreparable Schäden [10, 17].
Die Speicherung großer Strom- und Energiemengen über lange Zeiträume hinweg scheint
daher nur stofflich in Form energiereicher Substanzen möglich [20, 21]. Der Schlüssel hierfür
ist die elektrolytische Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen. Bei
Bedarf kann dieser wieder zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt werden. Dadurch wird
die Entkopplung von Energieerzeugung und –verbrauch ermöglicht. Die Idee einer
wasserstoffbasierten Energiewirtschaft wurde unter dem Begriff der „Hydrogen Economy“
bereits in den 1970er Jahren geboren [22, 23], durch die Energiewende ist die großtechnische
Realisierung jedoch erstmals in greifbare Nähe gerückt [24-26]. Neben Technologien zur
Wasserstofferzeugung und -nutzung stellt die Wasserstoffspeicherung die dritte Säule dieses
Energiekonzepts dar. Gefordert sind hohe gravimetrische und volumetrische Speicherdichten,
eine hohe Reversibilität und Lebensdauer und zudem ein wirtschaftlicher und sicherer Betrieb
[27, 28]. Gegenwärtige erfolgt die technische Wasserstoffspeicherung physikalischen in
4 Einleitung
Druckgas- oder Kavernenspeichern sowie in Kryotanks. Keiner der genannten Speicher kann
jedoch derzeitig alle gestellten Anforderungen zufriedenstellend erfüllen.
2 Theoretischer Teil
Für Wasserstoff als Energievektor sprechen die hohe Energiedichte, die toxikologische
Unbedenklichkeit sowie die nahezu unbegrenzte Verfügbarkeit in Form von Wasser. In der
Industrie bildet Wasserstoff einen wichtigen Grundstoff, 2016 wurden allein in Deutschland
4,5·109 mN3 hergestellt [33]. Dadurch ist bereits ein reicher Erfahrungsschatz in Sachen
Wasserstofferzeugung und Handhabung vorhanden. Größte Wasserstoffverbraucher sind die
Ammoniaksynthese sowie die Erdölraffinierung [26]. Der Großteil des Wasserstoffs wird
heute aus fossilen Rohstoffen durch Steam Reforming von Erdgas, der partiellen Oxidation
von schweren Kohlenwasserstoffen sowie durch Kohlevergasung erzeugt [34-36].
Elektrolytisch erzeugter Wasserstoff findet industriell nur in Nischen Anwendung, z.B. wenn
sehr hohe Anforderungen an die Reinheit gestellt werden [25]. Dieser wird zumeist durch die
alkalische Wasserelektrolyse hergestellt [37-39]. Für die Wasserstoffproduktion zur
Speicherung regenerativ erzeugter Energie bietet sich besonders die Polymer Elektrolyt
Membran (PEM) Elektrolyse an [40, 41], da diese deutlich höhere Leistungsdichten erreicht
und den dynamischen Anforderungen deutlich besser gerecht wird. Daneben kann
regenerativer Wasserstoff auf vielfältige Weise direkt hergestellt werden: Aus Sonnenenergie
kann Wasserstoff direkt und stromfrei photochemisch [42-44] sowie durch thermochemische
Wasserspaltung erzeugt werden [45]. Vielversprechend sind hier insbesondere die
Stoffpaarungen ZnO/Zn [46], und Fe3O4/FeO [47, 48] sowie der Schwefel-Iod-Zyklus [49]. In
biologischen Prozessen wird regenerativer Wasserstoff aerob durch Biophotolyse [50-53]
sowie anaerob durch Dunkelfermentation [54, 55] gewonnen. Die Erzeugung von Wasserstoff
aus fossilen Energieträgern mit nachgeschalteter CO2-Abtrennung ist zwar nicht regenerativ,
jedoch klimaneutral und kann daher aufgrund ihres jetzigen technologischen
Entwicklungsstands eine wertvolle Brückentechnologie hin zu einer regenerativen
Energiewirtschaft bilden [24].
Flüssige chemische
Biogen Wasserstoffspeicher
Reformierung Stoffliche Nutzung,
fossiler Rohstoffe + z.B. in der chemischen
CO2-Abtrennung Industrie
Durch Kompression kann die volumetrische Energiedichte des Wasserstoffs wesentlich erhöht
werden. Die Druckgasspeicherung ist daher eine der gebräuchlichsten und technisch
ausgereiftesten Speichermethoden [60]. Technisch interessant ist der Druckbereich von 350
bis 700 bar. Unterhalb ist die volumetrische Energiedichte zu gering. Bei höherem Druck ist
die Abweichung vom idealen Gasverhalten so groß, dass die steigenden Anforderungen an
Theoretischer Teil 7
den Druckbehälter durch die verhältnismäßig geringe Zunahme der Gasdichte nicht
aufgewogen werden [60].
Wurden früher Stahlbehälter verwendet, so gelten heute Behälter aus Kompositmaterialien als
Stand der Technik [24]. Diese verfügen über ein geringeres Behältergewicht, wodurch eine
höhere gravimetrische Speicherdichte ermöglicht wird. Zudem umgehen sie das Problem der
Wasserstoffversprödung [61]. Ein Kompositbehälter setzt sich aus dem Innenliner und dem
Laminat, welcher den Liner umgibt, zusammen. Der Innenliner besteht meist aus Stahl oder
Aluminium und verhindert die Diffusion des Wasserstoffs. Das Laminat sorgt für die
mechanische Stabilität und besteht aus mit Epoxidharz getränkten Kohlenstofffasern [61]. Ein
Nachteil an Kompositmaterialien ist deren geringe Wärmeleitfähigkeit, was eine schnelle
Druckbeaufschlagung behindert [62]. Generell sind Druckbehälter in ihrer Bauform auf
kugel- und zylinderförmige Geometrien limitiert [58]. Die gravimetrische
Wasserstoffspeicherdichte ist mit maximal 1 bis 2 wt% gering [24]. Zudem stellt der hohe
Systemdruck eine Gefahrenquelle dar [58].
Zudem muss der Kryotank stets unter der Siedetemperatur von Wasserstoff von -252 °C
gehalten werden [58]. Durch den Einsatz von Vakuumsuperisolatoren soll den hohen
Anforderungen an die Isolierung des Behälters Rechnung getragen werden [60, 63]. Ein
Wärmeeintrag durch Wärmestrahlung sowie Wärmeleitung in Rohren, Kabeln und
Halterungen lässt sich dennoch nicht verhindern [56] und muss durch das Verdampfen
flüssigen Wasserstoffs kompensiert werden. Dieser sog. „Boil-off“ ist eine Funktion der
Behälterform, -größe und –isolierung [64]. Er setzt nach drei Tagen ein und verbraucht bis zu
3 % des gespeicherten Wasserstoffs pro Tag [24, 65]. Durch hinreichend große Systemgrößen
und ein günstiges Oberflächen-Volumen-Verhältnis kann der Boil-off zwar minimiert werden,
eine Langzeitspeicherung ist durch die hohe Selbstentladungsrate dennoch nicht möglich.
8 Theoretischer Teil
Kryodrucktanks sind isolierte Druckbehälter, die bei Temperaturen von unter -252 °C und
Drücken über 240 bar betrieben werden können [66-68]. Der Wasserstoff kann dadurch als
Flüssigkeit und komprimiertes Gas gespeichert werden. Dies reduziert die Abdampfverluste
deutlich und verhindert eine vollständige Selbstentladung [62]. Der technischen Anwendung
steht jedoch gegenwärtig die Stabilität des Vakuums in der Isolierschicht entgegen, welche
nicht über einen längeren Zeitraum gewährleistet werden kann [68].
Bei physisorptiven Speichern wird der Wasserstoff durch physikalische Adsorption an der
Oberfläche eines porösen Feststoffs gebunden. Gekrümmte Oberflächen erweisen sich als
besonders günstig [58, 64]. Potentielle Speicher sind daher durch ein großes
Mikroporenvolumen sowie eine hohe spezifische Oberfläche gekennzeichnet.
Zeolithe sind neben ihrer mikroporösen Struktur auch aufgrund ihrer hohen Variabilität als
Wasserstoffspeicher interessant. Problematisch ist jedoch das hohe Gewicht der eingesetzten
Atome [69] und das vergleichsweise geringe Porenvolumen [70]. Beispielsweise wird mit
Faujasit bei -196 °C und 1 bar eine Wasserstoffspeicherdichte von 1,5 wt% erreicht [71]. Für
Theoretischer Teil 9
eine technische Anwendung ist dies deutlich zu gering und markante Steigerungen sind nicht
zu erwarten [60].
Metall-organische Gerüste (MOFs) bestehen aus Metallionen, die durch organische Moleküle
verbunden sind. Sie zeichnen sich, ähnlich wie Zeolithe, durch eine hohe spezifische
Oberfläche sowie durch eine große Vielfalt bezüglich Strukturen und chemischer
Zusammensetzungen aus, was das Potenzial der maßgeschneiderten Entwicklung von
Feststoffspeichern birgt [69]. Zwischen Speicherdichte und spezifischer Oberfläche besteht
ein nahezu linearer Zusammenhang [72]. Mit MOF-177 wurde bei -196 °C und 70 bar eine
Speicherdichte von 7,5 wt% erreicht [72]. Noch aussichtsreicher ist NU-100 mit einer
Speicherdichte von 16,4 wt% bei -196 °C und 70 bar [73]. Besonders interessant ist das
Phänomen der Gated-Adsorption: Bedingt durch die Gerüstflexibilität einiger MOFs dehnt
sich deren Struktur bei der Adsorption aus. Die Folge ist ein ausgeprägtes Hystereseverhalten,
sodass der Druck bei der Lagerung deutlich unter dem Druck des Beladevorgangs liegen kann
[74].
Kohlenstoffmaterialien sind durch eine geringe Dichte, eine gute chemische Beständigkeit
sowie eine große Formenvielfalt gekennzeichnet. Zur Wasserstoffspeicherung eignen sich
Aktivkohlen, Graphite sowie Kohlenstoffnanoröhren. Die Speicherkapazität korreliert dabei
direkt mit dem Mikroporenvolumen [70, 75]. Durch chemische Modifikation der Oberfläche
kann die Speicherkapazität erhöht werden [76]. Aktivkohlen weisen teils beachtliche
Speicherkapazitäten von bis zu 8 wt% auf. Dazu sind allerdings stets hohe Drücke sowie tiefe
Temperaturen notwendig. Von Kohlenstoffnanoröhren (CNT) werden Speicherkapazitäten
von bis zu 20 wt% bei Umgebungsbedingungen berichtet [62, 77, 78]. Die Spreizung der
Ergebnisse ist jedoch enorm, eine Reproduktion häufig nicht möglich. Daher stellen CNTs
sicherlich ein spannendes Forschungsgebiet dar, eine praktische Anwendung ist jedoch nicht
in Sicht.
Behälter und Peripherie und setzen dadurch die Speicherkapazität des Gesamtsystems
deutlich herab. Zwar sind die Abdampfverluste im Vergleich zur Speicherung flüssigen
Wasserstoffs deutlich geringer, der Aufwand dafür ist jedoch hoch. Zudem werden bei der
Adsorption beachtliche Wärmemengen frei, die bei niedrigem Temperaturniveau abgeführt
werden müssen. Technisch scheint dies nur durch die Verdampfung von Flüssigstickstoff
möglich, was jedoch wirtschaftlich sowie energietechnisch kaum tragbar ist [60].
2.1.2.2 Wasserstoffhydride
Zahlreiche Metalle sind in der Lage Wasserstoff reversibel zu binden. Die Einlagerung des
Wasserstoffs erfolgt atomar in den Zwischengitterplätzen. Für eine technische Anwendung
sind neben einer hohen Speicherkapazität und Reversibilität, ein geeignetes Betriebsfenster
sowie eine schnelle Freisetzungs- und Speicherkinetik Voraussetzung. Aufgrund seiner
Speicherkapazität von 7,7 wt% ist Magnesiumhydrid MgH2 besonders interessant, jedoch ist
eine Wasserstofffreisetzung thermodynamisch selbst bei 1 bar erst ab 300 °C möglich [84].
Der Zusatz von Additiven sowie die Verwendung von Legierungen können die
Sorptionsbedingungen verbessern, damit geht jedoch häufig eine Reduktion der
Speicherkapazität einher. Bei Mg2NiH4 betragen Desorptionstemperatur und -druck
250 - 300 °C sowie 2,1 – 3,0 bar, die Speicherkapazität reduziert sich allerdings auf 3,6 wt%
Theoretischer Teil 11
[84]. Beachtlich sind auch Mischungen von MgH2 und LiBH4 mit einer reversiblen
Speicherkapazität von 8 - 10 wt% sowie einer Desorptionstemperatur von unter 250 °C [85].
Die Kinetik der Wasserstoffaufnahme setzt sich aus den Teilschritten der dissoziativen
Adsorption an der Oberfläche, der Penetration des Wasserstoffs durch die Oberfläche sowie
der Diffusion des Wasserstoffs durch das Metall und das bereits gebildete Hydrid zusammen.
Die Desorption verläuft auf entgegengesetztem Wege [69, 84]. Kleine Partikelgrößen
verringern die Diffusionswege und verbessern so die Kinetik. Gewünscht sind
Partikeldurchmesser unter 100 µm [86]. Mit Kugelmühlen können nicht nur entsprechend
kleine Partikeln erzeugt werden. Sie führen auch zu Änderungen in der Mikrostruktur und
Fehlern in der Kristallstruktur, welche die Penetration des Wasserstoffs erleichtern [86]. Die
Kinetik kann zudem durch den Einsatz von Katalysatoren, welche die Dissoziation des
Wasserstoffs katalysieren, verbessert werden. Hierbei haben sich die Metalle Titan [87],
Nickel [88, 89] oder Palladium [86, 90, 91] bewährt.
Eine technische Anwendung ist dennoch schwierig. Bei der Hydrierung werden erhebliche
Wärmemengen frei, der Wärmeübergang wird durch die Pulverform des Speichers jedoch
erheblich erschwert. Es droht das Sintern oder Schmelzen der Alanatpartikeln [94]. Durch
12 Theoretischer Teil
Pelletierung [95] sowie den Einsatz von berippten Rohren [96] konnten bereits gute
Ergebnisse erzielt werden. Die Wärmeabfuhr bleibt dennoch heikel. Diese wird zusätzlich
durch die beträchtlichen Volumenänderungen bei der Be- und Entladung von bis zu 30 % und
der damit einhergehenden Kanalbildung erschwert [97, 98]. Durch die Pulverform reduziert
sich die Dichte im Vergleich zum Kristall bis um die Hälfte [62] und damit auch die
volumetrische Speicherkapazität. Erschwerend kommen die harschen Bedingungen für die
Beladung mit Drücken bis über 100 bar [56, 97] hinzu, weshalb der gesamte Speicher als
Druckbehälter ausgeführt werden muss.
Durch die Hydrierung von CO2 kann Wasserstoff chemisch gespeichert und in synthetischen
Kraftstoffen gebunden werden [99-101]. Je nach Produkt wird diese Technologie als
Power-to-Gas oder Power-to-Liquid bezeichnet. Potentielle CO2-Quellen sind fossile
Kraftwerke, die Zementindustrie sowie Biogasanlagen. Die Nutzung von Umgebungsluft
erscheint gegenwärtig nicht sinnvoll [102]. Als synthetische Kraftstoffe bieten sich besonders
Methan, flüssige Kohlenwasserstoffe, Methanol sowie Ameisensäure an. Da sie allesamt
Grundstoffe der chemischen Industrie sind, können sie nicht nur als Energievektor in der
Energiespeicherung sondern auch als Stoffvektor in der chemischen Industrie eingesetzt
werden [103]. Die starke Ähnlichkeit mit konventionellen Kraftstoffen erleichtert zudem die
Nutzung bestehender Infrastrukturen. Das Konzept der Nutzung von synthetischen
Kraftstoffen ist in Schema 1 zusammengefasst.
CO2
Mobilität Energie-
Pel Elektrolyse
H2 versorgung
Synthese
CH3OH HCOOH
O2
Speicher
Chemische
Industrie
2.1.3.1 Methanisierung
In der Sabatier-Reaktion wird CO2 mit Wasserstoff zu regenerativem Methan, sog. SNG
(engl. synthetic natural gas), umgesetzt. Die stark exotherme Gasphasenreaktion wird bei
einer Temperatur von 300 – 700 °C und einem Druck von bis zu 30 bar durchgeführt [104].
Als Katalysatoren sind besonders Ruthenium und Nickel geeignet [105]. Die größte
technische Herausforderung stellt die Abfuhr der Reaktionswärme dar. Meist werden
Festbettreaktoren eingesetzt, die als Hordenreaktoren ausgeführt sind [106, 107]. Durch die
Rückführung von Produktgas kann der Temperaturanstieg im Reaktor zusätzlich reduziert
werden [104, 106]. Wird ein Wirbelschichtreaktor mit integriertem Wärmeübertrager
verwendet, kann die Reaktion unter nahezu isothermen Bedingungen durchgeführt werden
[104]. Ein Nachteil ist jedoch die hohe mechanische Belastung des Katalysators. Dies führt zu
Abrieb und macht einer Feststoffabtrennung, z.B. in Form eines Zyklons, notwendig [104].
Mit dem bestehenden Erdgasnetz und Gaskraftwerken sind die nötige Infrastruktur sowie eine
etablierte Rückverstromungstechnologie bereits vorhanden [103, 108]. Für Power-to-Gas-
Anlage bietet sich besonders die Kopplung mit Biogasanlage an, da das anfallende CO2
klimaneutral ist und zudem in hohen Konzentrationen anfällt. Besonders interessant ist die
direkte Methanisierung von Biogas. Durch überschüssige erneuerbare Energie im Stromnetz
kann der Methangehalt des CH4/CO2-Gemisches sukzessive erhöht und damit der
Energiegehalt gesteigert werden. Bei hinreichend geringer Konzentration an CO2 ist sogar
eine direkte Einspeisung ins Erdgasnetz möglich [109-111].
2.1.3.3 Methanol
Industriell wird Methanol heute überwiegend aus Synthesegas hergestellt [121, 122].
Regenerativ kann Methanol durch die heterogen katalysierte Hydrierung von CO2 mit
erneuerbarem Wasserstoff erzeugt werden. Mit Kupfer-Zink-Katalysatoren findet die
Umsetzung bei 10 – 30 bar und 220 – 250 °C statt [123, 124]. Durch den flüssigen
Aggregatszustand ist Methanol gut lager- und handhabbar und kann daher leicht in die
vorhandene Kraftstoffinfrastruktur integriert werden. Die erste kommerzielle Anlage zur
Erzeugung erneuerbaren Methanols wurde 2012 in Svartseng, Island, in Betrieb genommen.
Das dabei eingesetzte CO2 ist geologischen Ursprungs [125].
2.1.3.4 Ameisensäure
Ein großer Vorteil von Ameisensäure als Wasserstoffspeicher ist deren gute Dehydrierbarkeit.
Die Wasserstofffreisetzung findet schon ab einer Temperatur von 25 °C statt [138]. Meist
werden homogene Ruthenium-oder Eisen-Katalysatoren verwendet [139-141], allerdings ist
auch der Einsatz heterogener Katalysatoren möglich [132, 142]. Da bei der Dehydrierung kein
CO als Nebenprodukt entsteht, kann das Gasgemisch direkt in einer Brennstoffzelle verstromt
werden [134, 139]. Für die Ent- und Beladung eines solchen Speichersystems konnte eine
vollständige Reversibilität über viele Zyklen hinweg gezeigt werden [143-145]. Der
Katalysator zeigte ebenfalls kein Deaktivierungsverhalten [146]. Eine mit Ameisensäure
betriebene „Wasserstoffbatterie“ scheitert gegenwärtig jedoch an einer geeigneten
CO2-Abtrennung. Auch eine direkte Verstromung von Ameisensäure in
Direktbrennstoffzellen (engl direct formic acid fuel cell, DFAFC) ist möglich [147, 148]. Der
Entwicklungsstand von DFAFCs liegt jedoch deutlich hinter dem von DMFCs [134].
Die großtechnische Nutzung aller synthetischen Kraftstoffe ist nur möglich, wenn
ausreichende Mengen an klimaneutral gewonnenem CO2 zur Verfügung stehen. Die
Umgebungsluft bildet ein großes, frei zugängliches Reservoir an CO2. Allerdings ist die
Abtrennung aufgrund der geringen Konzentration von 380 ppm aufwendig, energieintensiv
und daher gegenwärtig nicht wirtschaftlich [102]. An besseren Methoden zur
CO2-Abtrennung aus der Luft wird geforscht [99, 149]. Derzeit ist nur die Gewinnung von
CO2 aus ergiebigen Punktquellen technisch sinnvoll [102, 131]. Etabliert ist die
CO2-Abtrennung aus Erdgas. Im Rohzustand liegt der CO2-Anteil häufig über 4 vol%,
gewünscht ist jedoch ein Wert unter 2 vol% [102]. Auch die CO2-Abtrennung aus dem
Rauchgas fossiler Kraftwerke ist Stand der Technik [150, 151]. Die Zementindustrie emittiert
ebenfalls beachtliche Mengen [131]. Das CO2 ist jedoch stets fossilen Ursprungs. Durch
dessen Verwendung kann zwar der energetische Nutzen des emittierten CO2 erhöht werden,
eine regenerative Energieversorgung schließt sich jedoch aus. Das einzig regenerative und
zugleich heute technisch nutzbare CO2 stammt aus biogenen Quellen. Deren Ausbaubarkeit
ist jedoch begrenzt. Daher liegt die Zukunft synthetischer Kraftstoffe wohl ausschließlich in
Nischenanwendungen.
Theoretischer Teil 17
Bei flüssigen organischen Wasserstoffträgern (engl. liquid organic hydrogen carrier, LOHC)
erfolgt die Speicherung ebenfalls chemisch durch kovalente Bindung des Wasserstoffs. Im
Gegensatz zu synthetischen Kraftstoffen hat die Wasserstofffreisetzung jedoch nicht die
Zersetzung des Trägers zur Folge. Vielmehr kann der LOHC ähnlich einer Batterie
theoretisch beliebig oft be- und entladen werden. Es ergibt sich ein geschlossener
Stoffkreislauf, welcher in Schema 2 gezeigt ist. Die entladene Spezies ist eine aromatische
Kohlenstoffverbindung, die durch katalytische Hydrierung wiederbeladen werden kann. Die
Wasserstofffreisetzung erfolgt durch die katalytische Dehydrierung des entsprechenden
Aliphaten. Beide Reaktionen sind mit einem beachtlichen Wärmeumsatz verbunden. Dies ist
reaktionstechnisch herausfordernd und verlangt nach einem ausgefeilten Wärmemanagement.
Gleichwohl ist die starke Endothermie der Dehydrierung auch ein sicherheitstechnischer
Gewinn, da die freiwerdende Wasserstoffmenge direkt an den zugeführten Wärmestrom
gekoppelt ist.
·
Q H2
Katalytische Hydrierung
Energiereiche Energiearme
Form Lagerung & Transport Form
HXLOHC H0LOHC
Katalytische Dehydrierung
·
Q H2
Schema 2: Wasserstoffspeicherung mit flüssigen organischen Wasserstoffträgern.
2.2.1 Energiespeicherkonzepte
Die Idee der Wasserstoffspeicherung in LOHCs ist keineswegs neu. Bereits Ende der 1970er
Jahre entwickelten Taube et al. [153, 154] ein Konzept, dass die Verwendung des Stoffpaars
Methylcyclohexan/Toluol als Wasserstoffspeicher vorsah. Der Wasserstoff sollte
elektrolytisch aus Atomkraft erzeugt und diese Energiequelle so für Automobile nutzbar
gemacht werden. Scherer et al. [155-157] schlugen Ende der 1990er dasselbe Stoffsystem zur
saisonalen Energiespeicherung vor. Billiger Überschussstrom sollte im Sommer gespeichert
und im Winter genutzt werden.
Erneuerbare Energien
Lagerung Transport Verteilung
Nutzung
Pel
Hydrierung H0LOHC
Elektrolyse
Wärme-
Dehydrierung
· · H2
H2 Q Q
speicher
C
Thermokatalytische
Methanzersetzung HXLOHC
CH4
der LOHCs sowie deren Kompatibilität mit der bereits vorhandenen Kraftstoffinfrastruktur
an. Die Branche ist aufgrund ihrer Größe auch wirtschaftlich sehr interessant. Die
Anforderungen an die Entladeeinheit sind durch das begrenzte Volumen und Gewicht
allerdings hoch. Die Beladung des H0LOHCs erfolgt in diesem Konzept in großen
industriellen Einheiten [30].
Eine vollständig dezentrale Speichereinheit ist das von Teichmann et al. [32] vorgestellte
energiehandelnde Haus. Dieses ist sowohl als Element eines Smart Grids als auch Insellösung
denkbar. Die Anforderungen an die Freisetzungstechnologie sind dabei weniger streng und
eine gute Wärmeintegration wesentlich leichter realisierbar als in mobilen Anwendungen.
Allerdings ist neben dem Dehydrierstrang auch die Installation eines Hydrierstrangs
notwendig. Hier bergen besonders die kleine Dimension der Hydriereinheit sowie die
fehlende kommerzielle Verfügbarkeit von Elektrolyseuren passender Größe Probleme.
Das von Pfeifer vorgeschlagene Konzept des Liquid Organic Reaction Cycle zeigt, dass mit
LOHCs nicht nur Wasserstoff, sondern auch Wärme gespeichert werden kann. Im Falle eines
Wärmüberschusses wird die thermische Energie chemisch durch die Dehydrierung des
LOHCs gespeichert [159, 160]. Der LOHC wird in konventionellen Flüssigtanks, der
freigesetzte Wasserstoff in Druckgastanks [161] oder Metallhydriden [159] gespeichert. Bei
Wärmebedarf wird die thermische Energie durch die Hydrierung des LOHCs wieder
freigesetzt. Solarthermie-Kraftwerke sind ein mögliches Anwendungsgebiet [159, 161].
20 Theoretischer Teil
Die Effizienz der Energiespeicherung wird durch den Gesamtwirkungsgrad ηges quantifiziert,
welcher nach (7) durch das Verhältnis von rückgewonnener zu eingespeister Energie definiert
ist. Zugleich ist der Gesamtwirkungsgrad das Produkt aller Systemkomponenten. Für eine
LOHC-basierte Stromspeichereinheit, wie beispielsweise das energiehandelnde Haus, sind
dies die Elektrolyse, die Hydrierung, die Dehydrierung sowie die Rückverstromung des
Wasserstoffs.
Bei der Hydrierung wird aufgrund der Exothermie der Reaktion von keinem externen
Energieaufwand ausgegangen [32, 162]. Der nötige Wasserstoffdruck wird in der Elektrolyse
erzeugt [162]. Die Energieverluste sind daher marginal, Müller et al. [103] gehen von
ηHydrierung = 98 % aus. Erfolgt die Wärmeversorgung der Dehydrierung ausschließlich aus der
Abwärme der Rückverstromung, kann diese ebenfalls als verlustfrei betrachtet werden [31,
32, 103]. Über den Gesamtwirkungsgrad entscheiden damit fast ausschließlich die Elektrolyse
sowie die Rückverstromungstechnologie.
Elektrolyse:
Gängige Elektrolyseverfahren sind die alkalische, die PEM- sowie die Hochtemperatur-
elektrolyse. Die alkalische Elektrolyse ist technisch am ausgereiftesten und wird
großtechnisch eingesetzt, wenn besonders reiner Wasserstoff gefordert ist [34, 163]. Die
Elektroden bestehen aus porösem Raney-Nickel und werden zur Gastrennung durch ein
Diaphragma getrennt [34, 164]. Als Elektrolyt dient eine 20 – 40 wt%ige KOH-Lösung [163,
164], Anoden- und Kathodenreaktion ergeben sich zu (8.1) – (8.3). Typische
Betriebstemperaturen liegen bei 80 – 90 °C [20]. Die Lebensdauer ist mit bis zu 90.000
Betriebsstunden außerordentlich hoch [20, 164]. Es kann ein Wasserstoffdruck von bis 30 bar
erzeugt werden [34, 164, 165]. Es ist ein Teillastbetrieb von minimal 20 – 40 % der
Nennleistung möglich [20, 163]. Bei geringer Last erweist sich die erhöhte Querdiffusion der
Gase als Problem [41, 163], diese ist sicherheitstechnisch bedenklich. Zudem verringert sich
Theoretischer Teil 21
Hochtemperaturelektrolyseure (engl. solid oxide electrolysis cells, SOEC) machen sich den
thermodynamischen Umstand zu Nutze, dass bei höheren Temperaturen ein größerer Anteil
der für die Wasserspaltung benötigten Energie durch Wärme gedeckt wird [20, 165]. Dadurch
22 Theoretischer Teil
reduziert sich der Bedarf an elektrischer Energie beträchtlich, beispielsweise bei einer
Temperaturerhöhung von 25 °C auf 1000 °C um 40 % [165]. SOECs machen allerdings nur
Sinn, wenn Wärme aus externen Prozessen verfügbar ist [163]. Typische
Betriebstemperaturen liegen bei 800 – 1000 °C [34, 163]. Elektroden wie Elektrolyt sind aus
keramischen Werkstoffen [164]. Anoden- und Kathodenreaktion ergeben sich zu
(10.1) - (10.3). SOECs befinden sich gegenwärtig im Entwicklungsstatus und sind nicht
kommerziell verfügbar [41, 163, 165]. Probleme bereiten die thermische Stabilität der
Werkstoffe und Dichtungen, insbesondere über lange Zeit [163, 164].
Gesamtwirkungsgrad:
Bei der Brennstoffzelle sowie dem Gas- und Dampf (GuD)-Kraftwerk wird mit 30,4 % der
höchste Gesamtwirkungsgrad erreicht. Aufgrund des geringen Temperaturniveaus der
Abwärme muss die für die Dehydrierung notwendige Energie anderweitig bereitgestellt
24 Theoretischer Teil
werden. Es wird die Verbrennung von freigesetztem Wasserstoff angenommen. Obwohl bei
Verbrennungsmotor und Gasturbine die Abwärme zur Dehydrierung genutzt wird, ist der
Gesamtwirkungsgrad geringer. Entscheidend ist hier die geringe Effizienz der
Rückverstromungstechnologie.
Teichmann et al. [31] verglichen verschiedene Freisetzungskonzepte mit PEMFC und SOFC,
welche in Schema 4 gezeigt sind. Die Wärmebereitstellung der Dehydrierung erfolgt im Falle
der PEMFC durch eine elektrische Beheizung sowie durch die Verbrennung von Wasserstoff
in einem Porenbrenner. Der Gesamtwirkungsgrad ist bei der elektrischen Beheizung mit 20 %
deutlich niedriger als beim Porenbrenner mit 28 %. Als Rückverstromungstechnologie sind
SOFCs besonders interessant, da sie einen hohen Wirkungsgrad aufweisen und zudem
Abwärme auf hohem Temperaturniveau liefern. Mit SOFCs wird mit 38 % der höchste
Gesamtwirkungsgrad erreicht. In vielen Anwendungen kann die Abwärme auch auf niedrigem
Temperaturniveau extern z.B. zum Beheizen oder Klimatisieren von Gebäuden genutzt
werden. Wird diese Energiemenge in den Wirkungsgrad mit einbezogen, sind mit
LOHC-Konzepten Energienutzungsgrade von bis zu 95 % möglich [31].
(I)
HXLOHC H2
Dehydrier- Pel
SOFC
reaktor ηges = 38 %
H0LOHC ·
Q
Q· Dehydrierung
Nutzung
( II )
HXLOHC H2
Dehydrier- PEMFC Pel
reaktor ηges = 28 %
H0LOHC
·
Q Dehydrierung
Porenbrenner
( III )
HXLOHC H2
Dehydrier- PEMFC Pel
reaktor ηges = 20 %
H0LOHC
·
Q Dehydrierung
el. Heizung
Schema 4: Konzepte zur Wärmeintegration der Dehydrierung nach Teichmann et al. [31]
Theoretischer Teil 25
H2-reich
Der niedrigere Dampfdruck, der höhere Siedepunkt sowie die mit 7,3 wt% geringfügig höhere
Speicherkapazität machen die Stoffpaarung Naphthalin/Decalin als LOHC interessant und
führten zu einer regen Forschungsaktivität [183, 190-193]. Ein deutlicher Vorteil ist zudem
der geringere Wärmeumsatz mit – 59,5 kJ/molH2 [183]. Dies reduziert die Wärmefreisetzung
bei der Hydrierung und den nötigen Wärmeeintrag bei der Dehydrierung. Die Dehydrierung
ist schon unter 200 °C möglich [183, 190, 191, 194, 195], wodurch die Wärmeintegration
26 Theoretischer Teil
wesentlich erleichtert wird. Allerdings wird die Dehydrierung durch die äußert ungünstige
Gleichgewichtslage erschwert. Der Gleichgewichtsumsatz bei 240 °C liegt bei 40 % und
nimmt mit steigender Temperatur zu [195]. Zudem sind bereits in diesem Temperaturbereich
alle Reaktanden gasförmig.
Auf der Suche nach geeigneten LOHCs insbesondere für den Automobilsektor rückten
schließlich polycyclische Heteroaromaten in den Focus der Forschung. Theoretische Arbeiten
von Pez et al. [198, 199] sowie Crabtree et al. [200, 201] zeigten, dass durch die Einführung
von Stickstoff als Fremdatom die Reaktionsenthalpie und damit der Wärmebedarf der
Dehydrierung deutlich herabgesetzt werden. Das größte Potential wurde der Verbindung
N-Ethylcarbazol (H0NEC) beigemessen. Dessen Speicherkapazität ist mit 5,8 wt% zwar
verhältnismäßig gering, eine Wasserstofffreisetzung findet aber schon bei 150 °C statt [202,
203]. In zahlreichen Studien wurden die Hydrierung [203-211] und Dehydrierung [202, 212-
216] erforscht sowie Stoffdaten [185, 217, 218] und thermodynamische Eigenschaften [186]
bestimmt, sodass N-Ethylcarbazol heute eines der am besten erforschten LOHC-Systeme ist.
Einer raschen Kommerzialisierung steht jedoch eine Reihe von Hindernissen entgegen [187]:
Gegenwärtig wird N-Ethylcarbazol aus der Destillation von Steinkohleteer gewonnen. Dies
schränkt die technische Verfügbarkeit ein und erschwert eine gleichbleibend hohe
Produktqualität. Eine weitere Hürde ist der hohe Schmelzpunkt der entladenen Spezies von
69,9 °C [219]. Für einen stets flüssigen Aggregatszustand muss eine Vollentladung verhindert
werden. Dies ist technisch schwer zu realisieren und reduziert die Speicherkapazität auf
5,2 wt% [187]. Ein interessanter Ansatz ist der Einsatz von Mischungen verschiedener
N-Alkylcarbazole. Stark et al. [220] zeigten, dass mit ternären Mischungen von N-Ethyl-,
N-Propyl- und N-Butylcarbazol Schmelzpunkte von unter 13 °C erreicht werden. Die
Theoretischer Teil 27
Eine weitere offene Frage ist die thermische Stabilität von N-Ethylcarbazol. Mehrfach wird
von einer Dealkylierung als Nebenreaktion der Dehydrierung berichtet [221-223]. Durch die
Abspaltung der Ethylgruppe entsteht Carbazol, dessen freies Elektronenpaar kaum
abgeschirmt ist. Carbazol bindet daher stärker am Katalysator. Dies reduziert die
Reaktionsgeschwindigkeit und kann eine Vergiftung des Katalysators bewirken [224]. Ein
Vergleich beider Substanzen von Sotoodeh et al. [202] liefert für die Hydrierung eine
sechsmal höhere und für die Dehydrierung eine dreimal höhere Reaktionsgeschwindigkeit für
NEC. Yang et al. [225] untersuchten die Be- und Entladung von NEC über zehn Zyklen und
berichten von einer sehr guten Reversibilität. Brückner et al. [187] stellten ab 270 °C eine
deutliche Dealkylierung fest, technisch relevante Dehydrierraten werden jedoch schon bei
230 °C erreicht.
Als gegenwärtig vielversprechendste LOHC-Systeme gelten die von Brückner et al. [187]
vorgeschlagenen isomeren Mischungen von Benzyltoluol (H0BT) und Dibenzyltoluol
(H0DBT). Beide werden großtechnisch als Wärmeträgeröl eingesetzt und sind unter den
Handelsnamen Marlotherm® LH und Marlotherm® SH bekannt. Die technische Verfügbarkeit
ist daher exzellent. Die Speicherkapazität ist mit jeweils 6,2 wt% zudem deutlich höher als bei
H0NEC. Überdies ist durch den tiefen Schmelzpunkt von -30 °C bzw. -34 °C für H0BT und
H0DBT eine Feststoffbildung praktisch ausgeschlossen. Da bei H0DBT der Siedepunkt höher,
der Dampfdruck geringer und das toxikologische Profil günstiger sind, liegt der
Forschungsschwerpunkt in erster Linie auf diesem System: Stoffdaten [217, 218, 226] und
thermodynamische Kenngrößen [188] wurden bestimmt, Methoden zur
Hydriergradbestimmung entwickelt [227, 228] und die Hydrierung [229] und Dehydrierung
[230] untersucht.
Ohne Heteroatom weist H18DBT eine höhere Reaktionsenthalpie auf als H12NEC, was im
Umkehrschluss bei der Dehydrierung höhere Wärmemengen erforderlich macht. Auch die
Reaktionstemperatur ist deutlich höher. Bei einer Dehydriertemperatur von 310 °C über
einem Pt/C-Katalysator wird mit H18DBT eine vergleichbare Freisetzungsgeschwindigkeit
erreicht wie bei der Dehydrierung von H12NEC über Pd/Al2O3 bei 230 °C [187].
Prozesstechnisch ist dies durch die höhere Siedetemperatur von 371 °C zu 270 °C für H0DBT
bzw. H0NEC unproblematisch. Für die Wärmeintegration ist dies allerdings herausfordernd.
28 Theoretischer Teil
Die Hydrierung ist ein Schlüsselschritt für die Anwendung von LOHC-Speichersystemen.
Zwar ist die Hydrierung von Aromaten allgemein bekannt, dennoch stellt die
Katalysatorauswahl, die Ermittlung geeigneter Reaktionsbedingungen und der Aufbau eines
mechanistischen Verständnisses eine umfangreiche und anspruchsvolle Aufgabe dar. Ferner
gilt es, die Reaktion durch geschickte Auswahl, Dimensionierung und Design des Reaktors
auf die Prozessebene zu überführen. Es wird auf die zwei gängigsten Vertreter
N-Ethylcarbazol und Dibenzyltoluol eingegangen.
2.2.4.1 N-Ethylcarbazol
Die Angaben über die Reaktionsordnung beider Reaktanden variieren je nach Autor. Ye et al.
[231] und Wan et al. [210, 211] gehen von einer Reaktionsordnung von null für den LOHC
und von einer Reaktionsordnung von eins für Wasserstoff aus. Ye et al. [231] bestimmte mit
einen Raney-Nickel-Katalysator eine Aktivierungsenergie von 65 kJ/mol, Wan et al. mit
Ru/Al2O3 eine Aktivierungsenergie von 27 kJ/mol [210] bzw. 31 kJ/mol [211]. Sotoodeh et
al. [203, 204] sowie Eblagon et al. [205, 207, 208] berichten umgekehrt von einer
Reaktionsordnung von null für Wasserstoff und von eins für den LOHC. Es wurde jeweils bei
70 bar gearbeitet und ein großer Wasserstoffüberschuss angenommen. Eine Druckvariation
wurde jeweils nicht durchgeführt. Sotoodeh et al. [203] bestimmten für die Hydrierung von
H0NEC im Lösungsmittel Decalin mit Ru/Al2O3 eine Aktivierungsenergie von 100 kJ/mol,
Eblagon et al. [205] für die gleiche Reaktion lösungsmittelfrei eine Aktivierungsenergie von
Theoretischer Teil 29
Schema 5: Reaktionsmechanismus der Hydrierung von H0NEC nach Sotoodeh et al. [203]
Ein umfangreiches Katalysatorscreening erfolgte durch Eblagon et al. [205]. Als Träger sind
saure Oxide besonders geeignet. Für die katalytische Aktivität ergibt sich folgende
Reihenfolge: Al2O3 > TiO2 > Zeolithe > Aktivkohle. Aluminiumoxid gilt daher als Träger der
Wahl. Die Untersuchung verschiedener Metalle liefert für Ruthenium die höchsten
Hydrierraten. Die katalytische Aktivität verschiedener Metalle für die Hydrierung von H0NEC
ergibt sich zu Ru > Rh > Pd > Pt > Ni. Als Standardsystem wird daher meist Ru/Al2O3
eingesetzt. Typische Hydrierbedingungen sind Temperaturen von 130 – 170 °C und Drücke
von 30 - 70 bar. Ein weiterer Einflussfaktor ist die Geometrie der Metallcluster. Allgemein ist
die Anzahl der aktiven Zentren umgekehrt proportional zur Clustergröße, was sich durch die
spezifische Oberfläche der Cluster erklärt. Die Aktivität und Selektivität der aktiven Zentren
30 Theoretischer Teil
ist wiederum anhängig von deren Koordination. Eblagon et al. [206] zeigten für Ru/Al2O3,
dass schwach koordinierte Sorptionsplätze, z.B. Ecken und Kanten, nicht nur aktiver als stark
koordinierte sind, sondern auch eine höhere Selektivität für das vollhydrierte Endprodukt
H12NEC aufweisen. Bei stark koordinierten Terrassenplätzen wird die Adsorption von H8NEC
sterisch erschwert, die Aktivität für den letzten Teilschritt ist dadurch gering. Hochdisperse
Katalysatoren sind daher nicht nur wegen der Anzahl sondern auch wegen der Qualität der
aktiven Zentren bevorteilt. Die hohe Stabilität der H8NEC-Spezies bleibt dennoch ein
Problem von Ruthenium-Katalysatoren.
Auf der Suche nach effizienten Katalysatoren für die Hydrierung von H8NEC untersuchten
Eblagon et al. [208] verschiedene Edelmetallnanopartikeln. Die Geschwindigkeitskonstanten
der Teilreaktionen wurden aus den Konzentrationsprofilen der Gesamtreaktion durch
Modellierung bestimmt und für verschiedene Metalle verglichen. Platin und Palladium
erweisen sich für die Hydrierung von H8NEC als besonders aktiv. Für die katalytische
Aktivität gilt: Pt > Pd > Ru. Diese Reihenfolge wird auf Unterschiede in der elektronischen
Struktur der Metalle und die damit verbundene verschieden starke Adsorption des Substrats
auf der Edelmetalloberfläche zurückgeführt. Durch die Verwendung von
Edelmetallnanopartikeln konnten Trägereinflüsse ausgeschlossen werden. Ein Vergleich
geträgerter Ruthenium- mit Rhodium-Katalysatoren liefert für Ruthenium zwar deutlich
höhere Reaktionsraten für die Hydrierung von H0NEC, bei Rhodium ist die Stabilität der
Intermediate H4NEC und H8NEC allerdings deutlich geringer [207].
2.2.4.2 Dibenzyltoluol
Die Hydrierung von Dibenzyltoluol (H0DBT) wurde erstmals von Brückner et al. [187]
beschrieben. Mit dem Katalysator Ru/Al2O3 wurde bei 150 °C und 50 bar nach 4 h
Reaktionslaufzeit Vollumsatz erreicht. Die Untersuchung des Reaktionsmechanismus mittels
1
H-NMR-Spektroskopie durch Do et al. [229] zeigte, dass die Hydrierung schrittweise durch
die Vollhydrierung der einzelnen Phenylringe abläuft. Vorzugsweise werden zunächst die
beiden äußeren Phenylringe und in einem letzten Schritt der mittlere Ring hydriert. Der
Reaktionspfad ist in Schema 6 gezeigt.
Theoretischer Teil 31
Die Hydrierung von H0DBT sowie von LOHCs allgemein wurde bislang ausschließlich in
Rührkesselreaktoren im Labormaßstab untersucht. Bei der Überführung in einen technischen
Maßstab ist der Rührkessel nur eine von vielen Optionen. Es gilt ein passendes
Reaktorkonzept zu finden, das die vielfältigen Anforderungen z.B. hinsichtlich Wärmeabfuhr,
Feststoffabtrennung sowie Umsatz und Reaktionsrate erfüllt. Als Konsens gilt die dreiphasige
Durchführung der Reaktion.
Aufgrund der hohen Anlagenflexibilität wird der Dispersionsreaktor technisch vor allem bei
der Produktion von kleinen Chargen an Feinchemikalien eingesetzt. Da sehr kleine
Katalysatorpartikeln eingesetzt werden können, sind die internen Stofftransportwiderstände
sehr gering. Der externe Stofftransport kann durch eine hinreichend hohe Rührerdrehzahl
stark reduziert werden, sodass Katalysatornutzungsgrade nahe eins möglich sind [234]. In der
Industrie werden solche Reaktoren großtechnisch jedoch ungern eingesetzt, da die Trennung
von Produkt und Katalysator technisch aufwendig ist.
Theoretischer Teil 33
Vorteile Nachteile
geringe Temperaturgradienten und geringe Umsätze durch starke
leichte Temperaturkontrolle Rückvermischung
guter Wärmetransport und hohe Wärme- aufwendige Katalysatorabtrennung
kapazität des Systems Abrasion durch feinkörnigen Katalysator
leichter Katalysatorwechsel und hohe Begünstigung homogener
Flexibilität Nebenreaktionen durch lange
kaum externe Stofftransportwiderstände Verweilzeiten
geringe intrapartikuläre Stofftransport-
widerstände durch kleine Partikelgrößen
Eine der größten Vorteile von Festbettreaktoren ist die leichte Produktabtrennung. Die
eingesetzten Katalysatorpartikeln sind jedoch deutlich größer als in Dispersionsreaktoren,
sodass eine Limitierung der Reaktionsrate durch intrapartikuläre Diffusion die Regel ist. Auch
muss mit externer Stofftransportlimitierung gerechnet werden. Die Reaktionsrate in
Festbettreaktoren ist daher häufig durch Diffusionsprozesse bestimmt. Zudem behindern der
hohe Gasgehalt sowie die geringe Turbulenz im System den Wärmetransport, was zu hohen
Temperaturgradienten im Reaktor führen kann. Der vergleichsweise einfache Aufbau ohne
bewegte Teile sowie die geringen Investitions- und Betriebskosten führen dazu, dass in der
Industrie dreiphasige Reaktionen dennoch meist in Festbettreaktoren durchgeführt werden.
Der am weitesten verbreitete Reaktortyp ist hierbei das Rieselbett. Nachfolgend soll dieser
näher vorgestellt werden.
Tabelle 5: Vor- und Nachteile von dreiphasig betriebenen Festbettreaktoren [232, 235].
Vorteile Nachteile
leichte Katalysatorabtrennung und hohe intrapartikuläre Stofftransport-
geringer Katalysatorverlust widerstände durch große Partikelgrößen
einfache Konstruktion ohne bewegte hohe externe Stofftransportwiderstände
Teile Wandeffekte, Benetzungseffekte und
geringe Investitions- und Betriebskosten Fehlverteilungen möglich
große Reaktorgrößen hohe Temperaturgradienten durch
hohe Umsätze durch geringe schlechte Wärmeabfuhr
Rückvermischung Limitierung auf hinreichend schnelle
kaum homogene Nebenreaktionen durch Reaktionen
geringe Verweilzeit
34 Theoretischer Teil
Das Rieselbett ist ein weitverbreiteter Reaktortyp zur kontinuierlichen Durchführung von
heterogenkatalysierten Gas-Flüssig-Reaktionen. Es handelt sich hierbei um einen
Festbettreaktor, der von der Gas- und Flüssigphase kontinuierlich im Gleich- oder
Gegenstrom durchströmt wird. In industriellen Anwendungen wird der Gleichstrombetrieb
bevorzugt, da so dem Fluten des Reaktors vorgebeugt werden kann [236, 237]. Die Zufuhr der
Eduktströme erfolgt am Kopf des Reaktors. Die Flüssigkeit wird meist über ein
Verteilungssystem gleichmäßig über den Reaktorquerschnitt verteilt. Abschließend werden
die Produkte am Reaktorende abgezogen. Abbildung 3 zeigt den schematischen Aufbau
solcher Reaktoren.
Rieselbetten werden insbesondere aufgrund ihres einfachen Aufbaus in vielen Bereichen der
chemischen Industrie eingesetzt. Großtechnisch wurden Rieselbetten erstmals in den 1930er
Jahren für die Butindiolsynthese eingesetzt [241]. Weitere Anwendungsgebiete liegen in der
Aufbereitung von Industrieabwässern [242, 243] sowie in der Hydrodesulfurierung [244] und
dem Hydrocracken von Erdöl [245, 246]. Hydrierungsreaktionen im technischen Maßstab
werden ebenfalls meist in Rieselbetten durchgeführt. Beispiele hierfür sind die Hydrierung
von Benzol zu Cyclohexan im Rahmen der Dearomatisierung von Kraftstoffen [247], von
Theoretischer Teil 35
Technische Rieselbetten werden häufig bei hohem Druck betrieben. Gängig sind Drücke von
bis zu 300 bar [252]. Die Abmessungen von Industrieanlagen sind beachtlich: Es wird von
Reaktordurchmessern bis 3 m [254] und Reaktorhöhen von bis zu 30 m [235] berichtet. Die
Länge einzelner Katalysatorschüttungen kann bis zu 8 m betragen [234] und es werden
Katalysatorvolumina von bis zu 200 m3 [241] eingesetzt.
Bei den in Rieselbetten durchgeführten Reaktionen werden meist große Wärmemengen frei,
die durch den Reaktor kaum abgeführt werden können. Rieselbettreaktoren im
Industriemaßstab werden daher in der Regel adiabat betrieben [234, 241, 247, 252]. Häufig
kommen Mehrbettreaktoren zum Einsatz, wobei zwischen den Betten kaltes Reaktionsgas
injiziert und die Anlage dadurch gekühlt wird [234]. Weitere Möglichkeiten zur
Temperaturregulierung der Anlage sind die Rückführung von Gas oder flüssigem Produkt
nach Kühlung außerhalb des Reaktors sowie die teilweise Verdampfung des flüssigen
Reaktionsgemisches während der Umsetzung [241]. Wird das Rieselbett als Mehrrohrreaktor
(engl. multitubular reactor) ähnlich einem Rohrbündelwärmeübertrager ausgeführt, kann das
Wärmeabfuhrverhalten deutlich verbessert werden. Typisch sind Rohrdurchmesser von
4 - 8 cm. Trotz der Vorteile beim Wärmemanagement werden solche Anlagen in der Industrie
jedoch kaum eingesetzt [234, 255].
Einlaufeffekte Reaktorgeometrie
Wandeffekte Flüssigkeits-
fehlverteilung
Wärmeabfuhr/
Katalysator-
nicht-isotherme
deaktivierung
Effekte
Dichte
Extrapartikulärer
Stofftransport Viskosität
Flüssigkeits-
Eggshell-Typ Globale eigenschaften
Pelletform Reaktionsrate
Gaslöslichkeit
Katalysator- Betriebs- Diffusionskoeffizient
eigenschaften druck
Feed- Oberflächenspannung
Bettporosität Benetzbarkeit konzentration
Pelletdurchmesser Pelletporosität Intrapartikulärer
Stofftransport
Abbildung 4: Wechselwirkungen zwischen intrinsischer Kinetik, Stofftransportphänomenen,
Wärmetransport und Hydrodynamik in Rieselbettreaktoren.
Die Vielzahl von Effekten und deren Überlagerung machen die eindeutige Interpretation von
Messergebnissen schwierig und die Auslegung sowie das Scale-up von Rieselbettreaktoren
anspruchsvoll. In wissenschaftlichen Arbeiten werden daher meist einfache Modellsysteme
betrachtet und in der Regel nur Teilaspekte beleuchtet: Kinetische Arbeiten werden mit
einfachen Modellreaktionen wie z.B. der Hydrierung von α-Methylstyrol [256-259] oder
Cyclohexen [260] in verdünnten Lösungen und in isotherm betriebenen Laborreaktoren
durchgeführt. Die Bestimmung der Hydrodynamik sowie des Wärmetransports in
Rieselbetten erfolgt bei Umgebungsdruck in Glasschüttungen mit dem System Wasser/Luft.
Die Ergebnisse werden meist durch empirische Korrelationen auf Basis von dimensionslosen
Kennzahlen beschrieben. Die Übertragbarkeit auf Realsysteme ist jedoch fraglich, viele
Korrelationen haben eher den Charakter einer groben Abschätzung [252-254, 261].
Modellierungen existieren daher meist nur für einfache Modellsysteme. Für Realsysteme
können auf Basis von Simulationen kaum a-priori-Aussagen getroffen werden.
Theoretischer Teil 37
Das Scale-up von Rieselbetten vom Labormaßstab auf einen großindustriellen Maßstab
erfolgt in mehreren Schritten, wobei Scale-up-Verhältnisse von 10-20 gängig sind [262]. Eine
wichtige Kenngröße ist hierbei die LHSV (engl. liquid hourly space velocity), welche das
Flüssigkeitsvolumen beschreibt, das pro Reaktorvolumen und Stunde durchgesetzt wird. Beim
Scale-up wird diese Größe häufig konstant gehalten [234].
Problematisch ist hierbei, wie beim Scale-up von Rieselbetten generell, dass sich trotz
konstanter LHSV die Hydrodynamik im Bett und damit auch die Reaktionsrate ändern.
Größere Anlagen zeigen bei gleicher LHSV in der Regel deutlich höhere Reaktionsraten. Um
die Auswirkungen dieses Effekts abzumildern, wird in Laborreaktoren häufig die
Katalysatorschüttung mit feinen Inertpartikeln durchsetzt: Dadurch wird der Flüssigkeits-
Holdup im Katalysatorbett erhöht und die Reaktionsrate gesteigert [252-254, 263]. Der
Unterschied der Anlagenleistung zwischen Labor- und Industrieanlage fällt so weniger stark
aus.
Grundsätzlich wird zwischen einer schwach und einer stark wechselwirkenden Strömung
unterschieden (engl. low interaction regime und high interaction regime). Die schwach
wechselwirkende Strömung wird bei kleinen Gas- und Flüssigkeitsbelastungen beobachtet.
Sie ist durch eine schwache Interaktion beider fluider Phasen gekennzeichnet. Die Flüssigkeit
rinnt in Form eines Films oder in Bächen und Rinnsalen die Schüttung hinab. Die
Strömungsform wird daher auch als Rieselströmung oder Trickle Flow bezeichnet.
Hauptsächliche Triebkraft ist die Schwerkraft. Der verbleibende Raum wird durch die
kontinuierlich, gasförmige Phase ausgefüllt. [241, 252, 264]
Für die stark wechselwirkende Strömung sind die Scherkräfte zwischen beiden fluiden Phasen
maßgebend. Diese führen zu einer starken Interaktion beider Phasen und einem guten Stoff-
und Wärmetransport im System. Eine oder beide Phasen müssen dazu eine deutlich höhere
Geschwindigkeit aufweisen als im schwach wechselwirkenden Strömungsbereich. Es werden
drei Strömungsformen unterschieden: Die pulsierende Strömung findet bei hohen Gas- und
Flüssigkeitsströmen statt. Sie ist durch deutlich unterscheidbare Zonen mit hoher und geringer
Flüssigkeitsbelastung gekennzeichnet, die sich pulsierend in der Schüttung fortpflanzen. Bei
geringen Flüssigkeits- und hohen Gasströmen kommt es zur Sprühströmung. Die Flüssigkeit
liegt in feine Tröpfchen dispergiert vor. Geringe Gas- und hohe Flüssigkeitsbelastungen
führen zur Blasenströmung. Der Reaktor ist mit Flüssigkeit gefüllt, in welcher Gasblasen
dispergiert sind. So betriebene Reaktoren werden auch als gepackte Blasensäulen bezeichnet.
[252, 264]
Strömungsbereich zum anderen vollzieht, ist stark systemanhängig. Einfluss darauf haben u.a.
die Bettporosität der Schüttung, Pelletform und –größe, die Reaktorgeometrie sowie die
Stoffeigenschaften Dichte, Viskosität und Oberflächenspannung [267]. Die Vielzahl an
Einflussfaktoren führt dazu, dass Strömungskarten einen stark begrenzten Gültigkeitsbereich
haben und Korrelationen häufig mit einem hohen Fehler behaftet sind. Eine
Zusammenfassung solcher Korrelationen findet sich unter Al-Dahhan et al. [252]. Eine
pulsierende Strömung ist zwar für den Stoff- und Wärmeübergang wünschenswert, nachteilig
ist jedoch der deutlich höhere Druckverlust über den Reaktor im Vergleich zur
Rieselströmung. Industrieanlagen werden daher meist bei Rieselströmung, selten bei
pulsierender Strömung betrieben [264, 268, 269]. In Labor- und Pilotanlagen wird nahezu
ausschließlich bei Rieselströmung gearbeitet [234]. Der Druckverlust spielt hier aufgrund der
vergleichsweise geringen Fluidströme eine untergeordnete Rolle.
Katalysator
Sprühströmung
1,0E+2 Flüssigphase
Gasphase
1,0E+1 pulsierende
Strömung
Gasstrom [kg/m²s]
1,0E+0
1,0E-2
1,0E-3
1,0E-2 1,0E-1 1,0E+0 1,0E+1 1,0E+2 1,0E+3
Flüssigkeitsstrom [kg/m²s]
Flüssigkeits-Holdup:
Eine wichtige Größe zur Beschreibung der Hydrodynamik im Rieselbett ist der Flüssigkeits-
Holdup, welcher als Anteil des Flüssigkeitsvolumens zum gesamten Reaktorvolumen
definiert ist [261]. Bei porösen Partikeln setzt sich der Holdup aus dem intra- und dem
interpartikulärem Holdup zusammen. In der Regel ist das Porensystem bedingt durch die
40 Theoretischer Teil
Der interpartikuläre Holdup wird in einen aktiven (engl. draining) hdrain und einen inaktiven
(engl. residual) Holdup hres unterteilt. Der aktive Holdup entspricht der Flüssigkeitsmenge, die
nach einer plötzlichen Unterbrechung der Flüssigkeitszufuhr am Reaktorausgang gesammelt
werden kann. Der inaktive Holdup entspricht der Flüssigkeitsmenge, die zwischen den
Partikeln verbleibt. Häufig wird auch zwischen dynamischem (engl. dynamic) und statischem
(engl. stagnant) Holdup unterschieden. Oft werden beide Definitionen gleichgesetzt, was
streng genommen nicht richtig ist, da der inaktive Holdup ausschließlich von den
physikalischen und geometrischen Eigenschaften der Packung und Fluide abhängt, der
statische Holdup jedoch zudem von den Prozessbedingungen. [237, 261]
Der zurückbleibende Holdup ergibt sich aus dem Kräftegleichgewicht von Schwer- und
Kapillarkraft. Eine Kennzahl, die beide Kräfte vereint und sich daher in vielen Korrelationen
wiederfindet, ist die Eötvös-Zahl Eö.
∙ ∙
ö= (11)
Die Größe des abfließenden Holdups ergibt sich ebenfalls aus einem Kräftegleichgewicht. Die
Triebkraft ergibt sich aus der Schwerkraft sowie dem Druckverlust, die Widerstandskraft
besteht aus der Trägheitskraft sowie viskosen Kräften. [264]
Der aktive Holdup kann experimentell vergleichsweise einfach durch die Auslauf- bzw.
Schnellschlussmethode bestimmt werden. Hierbei wird die Flüssigkeitszufuhr schlagartig
unterbrochen und die auslaufende Flüssigkeitsmenge gemessen [261]. Der gesamte Holdup
kann mit Hilfe der Tracer-Methode durch einen Stoßinput an Reaktoreingang und einer
Detektion am Reaktorende ermittelt werden. Als Tracer können radioaktive Substanzen [272],
Farbstoffe [236] oder Salze [237, 273] eingesetzt werden. Aus einer solchen
Verweilzeitmessung kann zudem die axiale Dispersion des Systems bestimmt und so das
Reaktionssystem umfassend charakterisiert werden [236, 274]. Die Charakterisierung des
Flüssigkeitshaushalts eines Rieselbetts durch den Flüssigkeits-Holdup und den axialen
Dispersionskoeffizienten ist wesentlich aussagekräftiger und gebräuchlicher als rein über die
Verweilzeit. Die geringe Fokussierung auf die Verweilzeit mag auch daran liegen, dass sich
Theoretischer Teil 41
diese in einem Rieselbett nicht einfach über die Flüssigkeitsdosierung einstellen lässt, sondern
sich aus dem Flüssigkeitsstrom und dem Holdup ergibt.
Auch der Anlagendruck hat einen deutlichen Einfluss auf den Holdup. Statt Versuche mit
hohem Druck durchzuführen werden häufig Gase verschiedener Dichte, wie z.B. Argon,
eingesetzt. Da Gase gleicher Dichte das gleiche hydrodynamische Verhalten zeigen, kann so
bei Umgebungsdruck die Hydrodynamik von Hochdruckprozessen nachgestellt werden [252,
277]. Es zeigt sich, dass der statische Holdup unabhängig von der Gasdichte bzw. dem
Anlagendruck ist [252]. Der gesamte Holdup hingegen ist, gleiche Gasgeschwindigkeiten
vorausgesetzt, bei höherem Druck niedriger [280]. Bei gleichem Massenstrom ist keine
eindeutige Aussage möglich: Je nach Autor ist der Holdup bei hohem [280] oder niedrigem
[277] Druck höher. Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor ist die Korngröße der Schüttung. Je
feinkörniger die Schüttung, desto höher ist der Holdup [279, 282, 283]. Auch die Schüttdichte
der Pellets bestimmt den Holdup: Je höher die Schüttdichte, desto höher ist auch der Holdup
[274]. Die physikalischen Eigenschaften der Flüssigkeit stellen weitere Parameter dar.
Niedrigviskose Flüssigkeiten führen zu einem deutlich geringeren Holdup als hochviskose
[280]. Die Oberflächenspannung hat über Eö einen Einfluss auf den inaktiven Holdup, jedoch
nicht auf den aktiven [276]. Schaumbildende Flüssigkeiten zeichnen sich durch einen
besonders geringen Holdup aus [280].
Al-Dahhan et al. [252, 281], Stegeman et al. [237], Wammes et al. [276] sowie Attou et al.
[284] entnommen werden. Selbst bei einfachen Modellsystemen unterscheiden sich die
Vorhersagen je nach Korrelation teils beträchtlich [236, 281, 284]. Besonders interessant sind
die von Ellman et al. [285] sowie Attou et al. [284] entwickelten Korrelationen, da diese auf
den Ergebnissen einer Reihe von Publikationen beruhen und ihnen dadurch eine besonders
breite Basis an Messwerten zu Grunde liegt. Einige Datenpunkten weichen jedoch auch hier
deutlich von der Vorhersage ab. Eine direkte Übertragung auf Realsysteme erscheint daher
nur bedingt sinnvoll. Gleichwohl können genannte Korrelationen als grobe Abschätzung
dienen und allgemeine Tendenzen und Abhängigkeiten von den Modellsystemen auf
Realsysteme übertragen werden.
Der Druckverlust in einem Rieselbett ist eine Kenngröße, die eng mit dem Flüssigkeits-
Holdup verknüpft ist. Er entspricht der Energiedissipation, die beim Durchströmen des Gases
durch die Katalysatorschüttung entsteht [281]. Der Flüssigkeits-Holdup reduziert das
Hohlraumvolumen der Schüttung und wechselwirkt z.B. durch Reibungskräfte mit dem
Gasstrom und steht dadurch in direktem Zusammenhang mit dem Druckverlust [280]. Da der
Druckverlust bei Laborreaktoren kaum eine Rolle spielt, soll hier nicht im Detail auf diesen
eingegangen und auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen werden [275, 281, 286, 287].
In Industrieanlagen ist er hingegen ein wesentlicher Kostenfaktor und bestimmt die Größe der
eingesetzten Pellets mit. Der Größenbereich wird durch die starke intrapartikuläre
Stofftransportlimitierung bei großen Pellets und den sehr hohen Druckverlust bei kleinen
Pellets eingeschränkt. In Industrieanlagen sind Pelletgrößen von 3 – 5 mm üblich [255].
Aus reaktionstechnischer Sicht ist zudem die Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators von
besonderer Bedeutung: Ist ein Katalysatorkorn nicht vollständig mit Flüssigkeit bedeckt, führt
dies zu einer nicht-uniformen Reaktandenkonzentration an der Pelletoberfläche, wodurch die
Reaktionsrate maßgeblich beeinflusst wird [288-290]. Bei Flüssigkeiten mit niedrigem
Dampfdruck kann eine teilweise Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators zu einer deutlichen
Reduktion der Reaktionsrate führen [266]. Die hydrodynamische Größe, die diesen
Sachverhalt beschreibt, ist der Flüssigkeitsbedeckungsgrad der Katalysatorschüttung (engl.
external wetting efficiency sowie contacting effectiveness). Er ist als der Anteil der externen
Katalysatoroberfläche definiert, der mit Flüssigkeit bedeckt ist [235]. Nicht mit einbezogen
Theoretischer Teil 43
wird hier der dünne Flüssigkeitsfilm, der aufgrund von Benetzungseffekten in der Regel die
gesamte Pelletoberfläche bedeckt, jedoch nur geringe Bedeutung für die
Stofftransportvorgänge und die Reaktionsrate hat [254, 291].
Die Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators kann analog zum dynamischen und statischen
Holdup in eine dynamische und eine statische Zone unterteilt werden. Die dynamische Zone
entspricht hierbei dem abfließenden Flüssigkeitsfilm, die statische Zone der
Zwickelflüssigkeit zwischen den Katalysatorkörnern. Die dynamische Zone ist durch eine
rasche Flüssigkeitserneuerung gekennzeichnet, in der statischen Zone ist das Gegenteil der
Fall. Der Stoffaustausch zwischen statischen und dynamischen Anteilen ist vergleichsweise
gering, sodass die statischen Anteile kaum zur Reaktionsrate beitragen [272]. In der Regel
umfasst die statische Zone etwa 20-30% der Katalysatoroberfläche [292].
Wurde bislang die Flüssigkeitsversorgung des Katalysators auf der Partikelebene betrachtet,
soll nun auf die Reaktorebene eingegangen werden. Bei Rieselbettreaktoren ist eine
gleichmäßige Flüssigkeitsverteilung über den vollständigen Querschnitt und die gesamte
44 Theoretischer Teil
Da viele der Größen bereits durch die Anwendung festgelegt sind, kann die Länge der
Anlaufphase meist nur durch das Design des Flüssigkeitsverteilers verändert werden. In
Industrieanlagen haben sich bei den dort herrschenden hohen Fluidbelastungen Siebplatten
[306] besonders bewährt. In Laborreaktoren besteht das Flüssigkeitsverteilersystem meist aus
einer Vielzahl von Kapillaren, die gleichmäßig über den Reaktorquerschnitt verteilt sind.
Theoretischer Teil 45
Entsprechende Bauzeichnungen können Turek et al. [238], Herskowitz et al. [301] sowie Wu
et al. [263] entnommen werden. Eine gleichmäßige Flüssigkeitsverteilung ab Reaktoreingang
ist besonders dann wichtig, wenn mit geringen Schüttungsdicken gearbeitet wird [269, 307].
Eine Faustregel besagt, dass die Länge der Anlaufphase in Labor- und Pilotanlagen ohne
Verteilersystem etwa 1/3 bis 2/3 m beträgt [234]. Besonders interessant ist in diesem
Zusammenhang die Arbeit von Herskowitz et al. [301], in der die Verteilung von Wasser in
einer Katalysatorschüttung untersucht wurde. Dort wird gezeigt, dass sich ohne
Verteilersystem für einen Reaktordurchmesser von 4 cm eine Gleichgewichtsverteilung schon
nach 15 cm einstellt. Bei einem Durchmesser von 11,4 cm sind 50 cm nötig. Schubert et al.
[299] berichten über ein vergleichbares System, dass die zur Gleichgewichtseinstellung nötige
Länge etwa dem Reaktordurchmesser entspricht. In Pilotanlagen spielt das Anlaufverhalten
eine untergeordnete Rolle, sodass meist auf ausgefeilte Verteilersysteme verzichtet wird.
In Labor- und Pilotanlagen wird die Gleichgewichtsverteilung der Flüssigkeit stark durch
Wandeffekte bestimmt. Die Schüttung weist an der Wand eine deutlich höhere Bettporosität
auf. Dadurch strömt die Flüssigkeit bevorzugt in dieser Zone sowie an der Reaktorwand selbst
abwärts. Ob der Randgängigkeit eine entscheidende Bedeutung zukommt, hängt maßgeblich
vom Verhältnis von Reaktordurchmesser zu Katalysatordurchmesser dC/dP ab. Beispielsweise
konnte Baldi zeigen, dass für dC/dP < 10 über 20 % der Flüssigkeit als Wandströmung
abfließen [264]. Je nach Autor kann ab dC/dP = 18 [301], 20 [238, 308] bzw. 25 [309] der
Wandeinfluss vernachlässigt werden. Häufig wird dieses Kriterium in Laboranlagen jedoch
nicht erfüllt. Generell führen Wandeffekte zu einer Reduktion der Anlagenleistung. In diesem
Zusammenhang ist besonders eine Veröffentlichung von Stanek et al. [310] interessant,
welche die Hydrierung von Cyclohexen behandelt. Dort wird gezeigt, dass eine
ungleichmäßige Flüssigkeitsverteilung, die durch die zentrale Flüssigkeitsaufgabe in der Mitte
des Reaktorquerschnitts erzeugt wird, zu einer höheren Reaktionsrate führt als eine
gleichmäßige Flüssigkeitsverteilung. Dies wird dadurch erklärt, dass bei einer gleichmäßigen
Flüssigkeitsverteilung die Wandströmung deutlich ausgeprägter ist. In der Forschung ist die
Größe der Katalysatorpellets häufig durch die industrielle Anwendung sowie die
kommerzielle Verfügbarkeit vorgegeben. Um unter diesen Umständen Wandeffekte zu
vermeiden, hat es sich bewährt, die Katalysatorschüttung mit feinkörnigen Inertpartikeln zu
durchsetzen, um so die Bettporosität insbesondere an der Wand zu verringern [263, 308].
Aufgrund der hohen praktischen Relevanz gibt es eine Vielzahl von Veröffentlichungen zur
Flüssigkeitsverteilung in Rieselbetten. Eine Übersicht kann Kundu et al. [266] sowie Atta et
46 Theoretischer Teil
al. [300] entnommen werden. Als Modellsystem haben sich die Fluide Wasser und Luft in
Glaskugelschüttungen etabliert. Eine Übertragung auf Realsysteme ist jedoch aufgrund der
Vielzahl an Wechselwirkungen und Einflussfaktoren schwierig [299]. Hilfreich sind
aussagekräftige Modellierungen, wobei CFD-basierte Modelle am leistungsfähigsten sind
[300, 304]. Eine Übersicht verschiedener Modelle kann Atta et al. [300] entnommen werden.
Selbst damit ist eine genau Voraussage der Strömung im Rieselbett jedoch kaum möglich,
sodass das Design von Verteilersystemen in der Industrie selbst heutzutage v.a. auf
Erfahrungswerten und Heuristik beruht [300].
Die Reaktionsrate in Rieselbetten wird neben der intrinsischen Kinetik durch eine Vielzahl
von Stofftransportphänomenen sowie hydrodynamischen und thermischen Effekten bestimmt.
Für eine wissenschaftliche Beschreibung ist es sinnvoll, die Reaktionskinetik von Rieselbetten
auf verschiedenen Skalen zu betrachten. Die Mikrokinetik beschreibt die
Reaktionsgeschwindigkeit am aktiven Zentrum des Katalysators unter Ausschluss von
Stofftransportphänomenen und wird experimentell in einem Rührkesselreaktor mit
Katalysatorsuspension bestimmt.
Aufgrund der Komplexität der ablaufenden Prozesse ist eine Makrokinetik zur Beschreibung
von Rieselbetten nicht ausreichend. Daher führten Turek et al. [238] den Begriff der
effektiven Prozesskinetik ein. Diese beschreibt die Kinetik des gesamten Reaktors. Neben
Theoretischer Teil 47
dem Stofftransport und der intrinsischen Kinetik umfasst diese auch das Temperaturprofil des
Reaktors sowie die Hydrodynamik des Systems. Besonders wichtig sind hierbei die
Flüssigkeitsdeckung des Katalysators sowie die Flüssigkeitsverteilung im Reaktor. Für die
Erforschung und Entwicklung von Rieselbetten sind jedoch auch die Mikro- und
Makrokinetik von Bedeutung: Die Auswahl des aktiven Metalls sowie des Trägermaterials
erfolgt anhand der Mikrokinetik. Zudem dient die Mikrokinetik als Referenz bei der
Bestimmung der Katalysatorausnutzung in Rieselbettreaktoren z.B. in Form eines
Katalysatornutzungsgrades [238, 315]. In der Regel ist die Reaktionsrate von
Rieselbettreaktoren stark stofftransportlimitiert. Durch die Makrokinetik kann der Einfluss der
Stofftransportprozesse quantifiziert und eine anwendungsgerechte Korngröße bestimmt
werden [259, 313, 314]. Der Vergleich von Makrokinetik und effektiver Prozesskinetik
erlaubt für isotherm betriebene Laborreaktoren zudem die Quantifizierung von
Flüssigkeitsverteilungs- und Flüssigkeitsdeckungseffekten. In Abbildung 6 sind die drei
Skalen bildlich zusammengefasst.
Abbildung 6: Drei Skalen zur Bestimmung der Kinetik von Rieselbetten nach Valerius et al.
[315].
Häufig wird die Reaktionsrate in Rieselbettreaktoren durch den Stofftransport der Reaktanden
bestimmt. Oft ist der gasförmige Reaktand in der Flüssigphase schlecht löslich, sodass die
Reaktion durch den Stofftransport des gasförmigen Reaktanden limitiert wird. Eine
Stofftransportlimitierung kann im Gas/Flüssig-Grenzfilm, im Flüssig/Fest-Grenzfilm oder im
gesamten Film vorliegen [315]. Meist wird der gasseitige Widerstand sowie der Stofftransport
48 Theoretischer Teil
durch den Film vernachlässigt und der Stofftransport durch einen Stoffübergang Gas/Flüssig
sowie Flüssig/Fest beschrieben. Der Stofftransport von der Gasphase zur Pelletoberfläche
wird durch den globalen Stoffübergangskoeffizienten klsa beschrieben, der sich nach (12) aus
dem Stofftransportkoeffizienten an der Gas/Flüssig-Grenzfläche kla sowie an der
Pelletoberfläche ksa ergibt [234, 278, 315, 316]:
1 1 1
= + (12)
Ist der Katalysator nicht vollständig mit Flüssigkeit bedeckt, findet der Stofftransport zudem
durch die Gas/Fest-Grenzfläche statt. Der Stofftransport ist aufgrund der dünnen
Flüssigkeitslage auf dem Pellet geringer als bei reinen Gasphasenreaktionen, jedoch deutlich
höher als durch die flüssigkeitsbedeckte Pelletoberfläche [317]. Die Verbesserung des
Stofftransports durch die teilweise Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators kann zu einer
deutlichen Erhöhung der Reaktionsrate im Vergleich zum vollständig flüssigkeitsbedeckten
Katalysator führen [269, 288, 318-320]. Zur externen Stofftransportlimitierung kommt häufig
eine intrapartikuläre Diffusionslimitierung durch Porendiffusion hinzu [321]. Ist die Reaktion
sowohl durch den gasförmigen als auch den flüssigen Reaktanden limitiert, erhöht sich die
Komplexität der Stofftransportphänomene zusätzlich. Eine schematische Darstellung des
externen Stofftransports des gasförmigen Reaktanden kann Abbildung 7 entnommen werden.
a
ci,l° ci.l°
ci,g Katalysator- ci,g
ci,l
ci,s pellet
kga
kla ksa
klsa y
Aufgrund der großen praktischen Bedeutung ist die Bestimmung von kla und ksa Gegenstand
zahlreicher Forschungsaktivitäten. Experimentell kann kla durch physikalische [278] und
Theoretischer Teil 49
chemische [316, 322, 323] Absorptionsmessungen bestimmt werden. Der Wert von kla hängt
sowohl von den Betriebsbedingungen als auch von den physikalischen Eigenschaften der
Fluide ab. Eine Erhöhung der Gas- und Flüssigkeitsströme führt zu einer Erhöhung von kla
[258, 322-324]. Eine Druckerhöhung bewirkt bei gleichbleibendem Massenstrom eine
Reduktion von kla [322], bei gleichbleibender Gasgeschwindigkeit eine Erhöhung von kla
[252, 258]. Kleine Partikeldurchmesser führen, bedingt durch die größere spezifische
Oberfläche, zu einer Erhöhung von kla [258]. Zudem ist die Morphologie der Schüttung
entscheidend: Poröse Katalysatorkörner weisen ein höheres kla als Glaskugelschüttungen auf
[254, 278]. Auch die physikochemischen Eigenschaften der Flüssigkeit, z.B. die Viskosität,
haben einen Einfluss [322-324].
Die Messungen werden in der Regel mit dem Fluidsystem Wasser/Luft durchgeführt. Um eine
Übertragung auf Realsysteme zu gewährleisten, werden die Ergebnisse in Korrelationen
basierend auf dimensionslosen Kennzahlen zusammengefasst. Beispielhaft hierfür sind die
Arbeiten von Goto et al. [278] und Morsi et al. [323]. Übersichten verschiedener
Korrelationen finden sich bei Turek et al. [258], Morsi et al. [323] sowie Iliuta et al. [325].
Die Übertragbarkeit auf Realsystem ist jedoch häufig fraglich [238, 326, 327]. Je nach
Korrelationen unterscheiden sich die Vorhersagen teils beträchtlich [258], sodass sie eher den
Charakter einer groben Abschätzung haben [254]. Besonders interessant ist diesbezüglich eine
von Larachi et al. [324] mittels künstlicher neuraler Netzwerke entwickelte Korrelation. Sie
umfasst die experimentellen Daten zahlreicher Veröffentlichungen und ist ob der breiten
Datenbasis besonders belastbar. Das Konfidenzintervall ist mit ± 48 % jedoch beträchtlich.
Die experimentelle Bestimmung von ksa erfolgt meist durch das Auflösen von
schwerlöslichen Feststoffpartikeln beispielsweise aus Benzoesäure [265, 328] oder
β-Naphthol [278]. Auch eine elektrochemische Bestimmung ist möglich [329]. Der Wert von
ksa wird hauptsächlich durch den Flüssigkeitsstrom sowie die Partikelgröße bestimmt: Eine
Erhöhung des Flüssigkeitsstroms und damit der Flüssigkeitsgeschwindigkeit sowie eine
Reduktion der Partikelgröße führen zu einer deutlichen Erhöhung von ksa [265, 278, 323, 324,
328]. Bei kleinen Gasgeschwindigkeiten hat der Gasstrom keinen Einfluss auf ksa [265, 323].
Hohe Gasströme führen zu einer Rippenbildung im Film, wodurch die Durchmischung im
Film gesteigert und ksa erhöht wird [265]. Der Betriebsdruck bzw. die Gasdichte haben
keinen Einfluss auf ksa [265]. Die Übertragung der Ergebnisse der Modellsysteme auf
Realsysteme erfolgt analog zu kla durch Korrelationen mit dimensionslosen Kennzahlen.
Beispielhaft hierfür sind die Arbeiten von Goto et al. [278], Specchia et al. [328] sowie
50 Theoretischer Teil
Larachi et al. [324]. Teils liefern die Korrelationen jedoch deutlich verschiedene Ergebnisse
[265, 330]. Eine Übersicht von Arbeiten zu ksa findet sich sowohl bei Satterfield et al. [265]
als auch bei Specchia et al. [328].
Ob der externe Stofftransport die Reaktionsrate limitiert, kann a priori durch ein Kriterium
von Satterfield et al. [Satterfield 1969] bestimmt werden. Ist Gleichung 13 erfüllt, muss der
externe Stofftransport berücksichtigt werden und es gilt ci,s < 0,95 · ci˚. Hierbei ist ci,s die
Konzentration des Stoffes i an der Katalysatoroberfläche und ci,l˚ die
Gleichgewichtskonzentration in der Flüssigphase.
10 ∙
°
−ν ∙ > (13)
3∙ ,
Welche externen Transportschritte reaktionslimitierend sind, kann durch die Modellierung der
Reaktion im Rieselbettreaktor und eine anschließende Sensitivitätsanalyse bestimmt werden.
Eine Übersicht solcher Arbeiten kann Tabelle 7 entnommen werden. Die Art der Limitierung
ist deutlich systemspezifisch, sodass kein allgemeiner Trend abgeleitet werden kann.
Intrapartikulärer Stofftransport:
Auch der intrapartikuläre Diffusionseinfluss kann a priori nach Satterfield et al. [234]
abgeschätzt werden. Ist Gleichung (14) erfüllt, wird eine Limitierung der Reaktionsrate durch
Porendiffusion ausgeschossen.
/2 ∙ ∙ 1 − $%&''
<1 (14)
, ∙ ( ,&))
Theoretischer Teil 51
Experimentell kann der Einfluss der Porendiffusion auf die Reaktionsrate durch eine
Variation der Korngröße des Katalysators bestimmt werden. Um externe
Stofftransportlimitierung sowie Benetzungseffekte auszuschließen, wird der Festbettreaktor
bei hinreichend hohen Fluidgeschwindigkeiten als reiner Flüssigphasenreaktor mit
gasgesättigter Lösung betrieben. Alternativ ist der Einsatz eines Rührkessels mit
Katalysatorkorb möglich. Ist die Reaktionsrate unabhängig von der Korngröße, kann eine
Porendiffusionslimitierung ausgeschlossen werden [313, 332, 333]. Häufig sind im Rieselbett
durchgeführte Reaktionen jedoch stark porendiffusionslimitiert. Diese interne
Stofftransportlimitierung kann durch einen internen Katalysatornutzungsgrad ηint beschrieben
werden, welcher als Verhältnis der Reaktionsgeschwindigkeit ohne externe
Stofftransportlimitierung rSTR zur intrinsischen Reaktionsgeschwindigkeit rintr definiert ist
[334]. Es gilt: ηint = rSTR/rintr. Experimentell kann ηint in einem Flüssigphasenreaktor durch
Variation der Fluidgeschwindigkeit bestimmt werden. Dabei macht man sich zu Nutze, dass
ks von der Fluidgeschwindigkeit abhängt, die Porendiffusion hingegen nicht. Beispielhaft
hierfür sind die Arbeiten von Morita et al. [259] sowie Leung et al. [335].
cl,1
Reaktionsrate
cl,2
cl,3
Flüssigkeitsstrom
Abbildung 8: Abhängigkeit der Reaktionsrate von Flüssigkeitsstrom und
Eingangskonzentration des flüssigen Reaktanden nach [269].
Für die Reaktionsrate eines Rieselbetts mit teilweise flüssigkeitsbedecktem Katalysator ergibt
sich typischerweise ein Bild wie in Abbildung 8 dargestellt. Eine Erhöhung des
Flüssigkeitsstroms hat bei kleinen Strömen eine starke Erhöhung der Reaktionsrate zur Folge,
da hier die Reaktion in erster Linie durch die Flüssigkeitsversorgung limitiert wird. Mit dem
Flüssigkeitsstrom erhöht sich auch die Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators, wodurch der
Stofftransport des gasförmigen Reaktanden behindert wird. Die Folge ist ein Maximum der
Reaktionsrate bei teilweiser Flüssigkeitsbedeckung. Jenseits dieses Maximums ist die
Reaktionsrate vor allem durch den gasförmigen Reaktanden limitiert. Die Reaktionsrate sinkt
mit steigendem Flüssigkeitsstrom ab, bis schließlich ein Plateau erreicht wird, das durch die
vollständige Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators gekennzeichnet ist. Die Höhe und
Position des Maximums sowie in geringem Maße die Höhe des Plateaus hängen von der
Eingangskonzentration des flüssigen Reaktanden ab. Zugleich zeigt die Abbildung, wie sich
die Reaktionsrate über die Reaktorlänge durch die Abnahme der Konzentration des flüssigen
Reaktanden verändert. Bei teilweiser Flüssigkeitsbedeckung des Katalysators ist der Einfluss
der Konzentration des flüssigen Reaktanden besonders hoch. [269]
54 Theoretischer Teil
Bei Rieselbettreaktoren kommt dem Wärmetransport eine besondere Bedeutung zu, da viele
in diesem Reaktortyp durchgeführte Reaktionen stark exotherm sind, die Wärmeabfuhr
hingegen vergleichsweise schlecht ist. Aufgrund der geringen Wärmekapazität des Gases
erfolgt der größte Anteil der Wärmeabfuhr über die Flüssigphase. Eine ungenügende
Wärmeabfuhr führt zur Ausbildung von Hot Spots, was zu Selektivitätsproblemen und zum
Sintern oder Deaktivieren des Katalysators führen kann. Außerdem sind Hot Spots auch
sicherheitstechnisch bedenklich. Daher sind die mechanistische Beschreibung sowie die
Quantifizierung der Wärmeübertragung in diesem komplexen dreiphasigen System wichtig.
Der Wärmetransport erfolgt in mehreren Schritten und auf verschiedenen Ebenen. Allgemein
wird davon ausgegangen, dass das Katalysatorpellet vollständig mit Flüssigkeit getränkt und
damit kein merklicher intrapartikulärer Temperaturgradient vorhanden ist [346, 347].
Anspruchsvoller gestaltet sich der Wärmetransport vom Katalysatorpellet an das umgebende
Fluid, welcher durch einen Partikel-Fluid Wärmeübergangskoeffizienten hfs beschrieben wird.
Der letzte Schritt umfasst die Beschreibung des Wärmeübergangs über den gesamten Reaktor,
welcher die Wärmeleitung innerhalb des Katalysatorbetts sowie den Wärmeübergang vom
Katalysatorbett zur Reaktorwand beinhaltet.
Boelhouwer et al. [349] verwendeten zur Bestimmung von hfs eine Eigenentwicklung
basierend auf einer Kupferkugel, deren Temperatur konstant über der Fluidtemperatur
gehalten wird. Aus dem Stromverbrauch wird hfs bestimmt. Die erzielten Ergebnisse
bestätigen Marcandelli et al.: Eine Erhöhung des Flüssigkeitsstrom führt zu einer Zunahme
von hfs, eine Erhöhung der Gasgeschwindigkeit hingegen kaum. Der Übergang von der
Rieselströmung zur pulsierenden Strömung bewirkt eine sprunghafte Erhöhung von hfs. Alle
Abhängigkeiten für hfs können durch die Korrelation Nufs = 0,111·Rel0,8·Pr1/3 beschrieben
werden.
Eine weitere Messmethode zur Bestimmung von hfs ist die thermische Anemometrie. Mit
dieser Methode werden im Allgemeinen höhere Werte für hfs gemessen [349, 350]. Huang et
al. [350] gelangen zeitlich hochaufgelöste Messungen, welche besonders im Bereich der
pulsierenden Strömung interessante Ergebnisse lieferten: Die pulsierende Strömung ist durch
das dynamische Wechselspiel einer flüssigkeitsreichen und einer gasreichen Phase
gekennzeichnet, wobei hfs in der flüssigkeitsreichen Phase um einen Faktor vier erhöht ist.
Die Rieselströmung kann als ausschließlich gasreiche Phase verstanden werden. Zudem
konnten die generellen Abhängigkeiten des Wärmeübergangskoeffizienten von Flüssigkeit-
und Gasgeschwindigkeit sowie dem Strömungsregime, wie in [348, 349] beschrieben,
bestätigt werden.
Der Wärmeübergang in einem Rieselbettreaktor wurde erstmals von Weekman et al. [351] für
das Modellsystem Wasser/Luft durch ein pseudo-homogenes, einparametrisches Modell
beschrieben. In Analogie zum Fourierschen Gesetz wird die Wärmeleitung im Katalysatorbett
56 Theoretischer Teil
Aufbauend auf dem Ansatz von Weekman et al. führten Specchia et al. [353] einen
Wärmeübergangskoeffizienten hw ein, der den Wärmeübergang zwischen
Katalysatorschüttung und Reaktorwand beschreibt. Dieses zweiparametrische Modell
unterteilt den Wärmetransport in eine Wärmeleitung innerhalb der Schüttung sowie einen
Wärmeübergang zwischen Schüttung und Reaktorwand. Die effektive radiale
Wärmeleitfähigkeit λe setzt sich, analog zu Weekman et al. [351], aus drei Anteilen
zusammen, wobei λe von λe,tl dominiert wird. λe nimmt mit dem Flüssigkeitsstrom zu, eine
Erhöhung des Gasstroms sowie eine Änderung des Strömungsregimes haben hingegen kaum
einen Einfluss. [353]
bekannt, wobei eine detaillierte Übersicht Chu et al. [354] und Lamine et al. [355]
entnommen werden kann. Das zweiparametrische Modell ist als Lehrmeinung und
wissenschaftliches Fundament zur Beschreibung des Wärmetransports in Rieselbettreaktoren
etabliert. Brauchbare Vorhersagen sind jedoch nur für das System Wasser/Luft und sphärische
Partikeln möglich [357]. Außerdem unterscheiden sich die Korrelationen teils beträchtlich
voneinander, sodass diese zwar eine Abschätzung der Größenordnung erlauben, die Fehler
aber beträchtlich sind [358].
Für die Auslegung und Beschreibung von Reaktoren ist ein einfacheres, einparametrisches
Modell vorteilhaft. Hierbei wird der Wärmetransport im Reaktor ausschließlich durch den
globalen Wärmeübergangskoeffizienten ht beschrieben. Ist dieser bekannt, kann aus der
axialen Durchschnittstemperatur die abgeführte Wärmemenge und, anders herum, aus der
abzuführenden Wärmemenge die zu erwartende Durchschnittstemperatur im Reaktor
bestimmt werden. Außerdem kann die Reaktionsrate im Reaktor aus der axialen
Durchschnittstemperatur abgeschätzt werden. [357]
Das einparametrische Modell wurde erstmals von Mariani et al. [358] vorgestellt und mit dem
zweiparametrischen verglichen. In der Studie wurde am Modellsystem Wasser/Luft die
Wärmeabfuhr bei Rieselströmung mit Glaskugelschüttungen betrachtet. Durch Variation der
Kugelgröße wurde der Einfluss des Bettaspektverhältnisses a (a = dC/dP) untersucht, welches
als Verhältnis Rohrdurchmesser zu Partikeldurchmesser definiert ist. Es zeigte sich, dass das
einparametrische Modell insbesondere bei kleinem a besser geeignet ist. Das
zweiparametrische Modell lieferte erst ab a > 15 hinreichend genaue Abschätzungen. Ein
Vorteil, da die meisten Mehrrohrreaktoren im Bereich niedriger Bettaspektverhältnisse
(5 < a < 15) betrieben werden [357].
In einer weiterführenden Studie untersuchten Taulament et al. [357] den Einfluss von
Partikelgröße und –form auf ht bei Riesel- und pulsierender Strömung. Hierbei wurden auch
zylinderförmige Pellets eingesetzt. Diese können geometrisch durch das
Partikelaspektverhältnis ϕ (für Zylinder ϕ = dZylinder/hZylinder) und den Sauter-Durchmesser deq,
der den Kugeldurchmesser bei gleicher spezifischer Oberfläche angibt
(deq = 6·VZylinder/AZylinder), beschrieben werden. Es zeigte sich, dass ht mit dem
Flüssigkeitsstrom zunimmt, mit dem Gasstrom hingegen kaum. Dies steht im Einklang mit
58 Theoretischer Teil
anderen Arbeiten [348, 349, 351, 353, 355]. Die Schüttungsgeometrie hat ebenfalls
maßgeblichen Einfluss: Ht nimmt mit steigendem Partikeldurchmesser bzw. abnehmendem
Bettaspektverhältnis a zu. Außerdem kann ht durch ein kleines ϕ, sprich möglichst längliche
Zylinder gesteigert werden. Dies wird durch die Inhomogenität der Schüttung am Reaktorrand
und das dadurch erhöhte Hohlraumvolumen erklärt. Dies führt zu einer überproportionalen
Flüssigkeitsbeladung in dieser Zone und damit zu einer Erhöhung von ht. Der Effekt ist umso
größer, je kleiner a und ϕ sind und je größer der Flüssigkeitsstrom ist. Allerdings wurde in der
Studie mit vergleichsweise hohen Fluidströmen gearbeitet. [357]
Die in [358] und [357] abgeleiteten Korrelationen können Tabelle 11 entnommen werden.
Gängig ist die Beschreibung durch die dimensionslosen Kennzahlen Nusselt-Zahl Nut,
Prandtl-Zahl Pr sowie den Reynolds-Zahlen für Flüssigkeitsstrom Rel und Gasstrom Reg.
Abschließend sei noch auf den Einfluss des Drucks auf ht hingewiesen. Habtu et al. [359]
zeigten, dass durch Druckerhöhung der Wärmtransport deutlich verbessert werden kann.
Theoretischer Teil 59
Einen Schwerpunkt der Arbeit bildet die Entwicklung eines kontinuierlichen Prozesses zur
Hydrierung von H0DBT. Als Reaktorkonzept wird das Rieselbett gewählt. Um eine raschere
Verfügbarkeit des hydrierten Materials zu ermöglichen wird auf etwaige kleinere
Versuchsaufbauten verzichtet und die Anlage direkt im Technikumsmaßstab realisiert. Es
wird ein großtechnisch kommerziell verfügbarer, pelletförmiger Katalysator Ru/Al2O3
eingesetzt. Es sollen simultan signifikante Mengen an vollhydriertem Produkt hergestellt,
Betriebserfahrung an einem Prototypen gesammelt sowie die Anlage umfassend
wissenschaftlich charakterisiert werden. Für ein weiteres Scale-up wird ein Numbering-up des
bestehenden Rohrreaktors in Form eines Rohrbündelreaktors angedacht. Unterschiede zu
klassischen, industriell eingesetzten Rieselbettreaktoren sind die geringen Fluidströme sowie
das niedrigere Bettaspektverhältnis.
3 Experimenteller Teil
3.1.1 LOHCs
erhitzt und mit einem Magnetrührer dispergiert. Nach Erreichen des Vollumsatzes nach 3 h
wird der Ansatz auf Raumtemperatur abgekühlt sowie die Phasen voneinander getrennt.
Toluol wird von der organischen Produktphase abgezogen und das Produkt über Nacht unter
Vakuum getrocknet. Anschließend wird das Produkt zweimal in Ethanol rekristallisiert und
getrocknet. Die Analyse sowie Quantifizierung der Reinheit erfolgte mittels GC-MS und
NMR. In Tabelle 14 sind alle für die Synthese sowie im Rahmen der Arbeit verwendeten
Chemikalien aufgeführt.
Die Isolation der Intermediate H4NEC und H8NEC erfolgte am Lehrstuhl für Thermische
Verfahrenstechnik, Erlangen, durch die destillative Auftrennung von Reaktionsmischungen,
welche sich durch einen hohen Anteil an Zwischenstufen auszeichneten [185]. In Tabelle 15
64 Experimenteller Teil
3.1.2 Katalysatoren
3.1.3 Gase
Im Rahmen der Forschungsarbeit wurde eine Reihe von Gasen eingesetzt. Wasserstoff wurde
stets in 300 bar Flaschen in der Qualität 5.0 von Linde bezogen. Zur Durchführung von
Dichtigkeitstests an den Hydrieranlagen wurde Helium verwendet, da dieses leicht zu
detektieren ist und so die Suche nach Leckagen erleichtert wird. Der Laborreaktor wurde mit
Argon und die Technikumsanlagen mit Stickstoff gespült. Zudem wurde der
Technikumsreaktor mit Stickstoff beaufschlagt, um das hydrierte Produkt aus der Anlage
abzulassen und zugleich den Katalysator abzutrennen. Methan wurde für die
Mischgasversuche mit H2/CH4-Gasgemischen gebraucht. In Tabelle 17 sind alle verwendeten
Gase zusammengefasst.
66 Experimenteller Teil
Gaschromatographie:
Kernresonanzspektroskopie:
Diese Messmethode bietet sich für die quantitative Analyse des Systems DBT an, da keine
Rücksicht auf entstehende Isomere genommen werden muss. Das Auftreten diverser
Konstitutions- und Konfigurationsisomere erschweren den Einsatz der mit
Massenspektrometrie gekoppelten Gaschromatographie. Die Vielzahl an Isomeren führt zu
einer großen Anzahl an Peaks, die sich darüber hinaus überlagern und somit eine Auswertung
sehr aufwendig und wenig praktikabel machen. Ferner wurde die NMR-Spektroskopie zur
Analyse von Syntheseansätzen verwendet.
Die Messungen wurden mit einem JNM-ECX 400-Spektrometer der Firma Jeol durchgeführt.
Als Lösungsmittel wurde Chloroform-D verwendet. Die Auswertung der gemessenen
Spektren erfolgte mit der Software Jeol DeltaTM v5.0.4.
68 Experimenteller Teil
CO-Chemisorption:
Ein Katalysator wird maßgeblich durch die Dispersion, die spezifische Oberfläche und
Clustergröße des aktiven Metalls charakterisiert. Diese Größen wurden experimentell mittels
Kohlenstoffmonoxid-Puls-Chemisorption aus der Menge an adsorbiertem CO bestimmt. Es
wird davon ausgegangen, dass pro aktivem Oberflächenatom genau ein CO-Molekül
gebunden wird.
Es wurde das Messgerät AutoChem II 2920 des Herstellers Micromeritics verwendet. Alle
Katalysatorproben wurden vor der eigentlichen Messung in-situ präformiert.
Transmissionselektronenmikroskopie:
Die verwendeten Aufnahmen wurden von A. Kern mit einem Philips CM300 mit Ultra-twin
Objektivlinse bei einer Beschleunigungsspannung von 300 kV aufgenommen. Die
Auswertung erfolgte mit Hilfe der Software ImageJ.
Sorptionsmessungen:
Hilfe einer Linearisierung dieser Gleichung wird die BET-Oberfläche des Katalysators
bestimmt.
Aus der Sorptionsisotherme wurde mittels DFT die Porengrößenverteilung im Mikro- und
Mesoporenbereich sowie der mittlere Porendurchmesser bestimmt. Die physikalische
Grundlage hierfür bildet die Porenkondensation, die abhängig vom Porenradius bei
verschiedenem Druck einsetzt. Diese Abhängigkeit wird durch die Kelvin-Gleichung
beschrieben.
Die Messungen wurden an einem Gerät des Typs Quantachrome Quadrasorb SI durchgeführt.
Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA):
Die Röntgenfluoreszenzspektroskopie ist eine Methode der Elementaranalyse und dient der
quantitativen wie qualitativen Bestimmung von chemischen Elementen. Wird ein Atom mit
ausreichend hoher Energie, z.B. durch Röntgen- oder Gammastrahlung, angeregt, so werden
kernnahe Elektronen aus inneren Elektronenschalen herausgeschlagen. Die elektronische
Struktur des Atoms wird instabil und Elektronen aus energiereicheren Orbitalen fallen in die
freien Orbitale. Die freiwerdende Energie ist elementspezifisch und wird in Form von
Röntgenfluoreszenzstrahlung abgegeben.
Mit RFA wurde die Elementzusammensetzung von frischem sowie in der Hydrierung
eingesetztem Katalysator bestimmt und miteinander verglichen. Dabei stand der Nachweis
von chlor- und schwefelhaltigen Katalysatorgiften im Focus. Die Messungen wurden an
einem Gerät des Typs M4 Tornado von Bruker durch A. Bösmann durchgeführt.
Thermogravimetrie:
Durch die thermogravimetrische Analyse (TGA) sollte die Menge an organischen Substanzen
insbesondere auf dem gebrauchten Katalysator bestimmt werden. Hierzu wird die Probe bei
einem definiertem Spülgasstrom kontinuierlich erhitzt und die Massenabnahme
aufgezeichnet.
Die Messungen wurden an einem Messgerät des Typs Setaram Setsys durchgeführt. Zunächst
wird die Probe unter dem Spülgas Helium auf 450 °C erhitzt, wobei flüchtige organische
Substanzen ausgetragen werden. Abschließend wird die Temperatur 90 min gehalten und das
Spülgas auf Luft gewechselt, um die verbleibenden organischen Bestandteile zu oxidieren.
70 Experimenteller Teil
3.3 Versuchsanlagen
Ein Schritt in Richtung technischer Anwendung wurde mit dem Technikumsreaktor gemacht,
welcher auch als „5L-Reaktor“ bezeichnet wird. Der ebenfalls im Semi-Batch-Mode
betriebene Rührkesselreaktor zeichnete sich gegenüber dem Laborreaktor durch ein fast
zwanzigfach größeres Reaktorvolumen aus (VR = 5,3 l gegenüber 300 ml). Die Versuche
wurden ohne Lösungsmittel durchgeführt. Der Katalysator verblieb nach einem Versuch im
Reaktor und wurde in der Regel nicht gewechselt. Die Gasversorgung war so gestaltet, dass
Mischgasversuche durchgeführt und die Hydrierleistung der Anlage in-situ bestimmt werden
konnten.
Mit der Entwicklung der Rieselbett-Anlage wurde der Schritt zur kontinuierlichen Hydrierung
vollzogen. Diese fungierte als Prototyp einer Wasserstoff-Beladeeinheit, wie sie z.B. in einem
energiehandelnden Haus zur Anwendung kommen kann. Die Anlage wurde so dimensioniert,
dass mit ihr eine technisch relevante Hydrierleistung erzielt werden konnte. Numbering-up
ermöglicht eine leichte Anpassung an diverse Anwendungsszenarien. Der
Forschungsschwerpunkt dieser Anlage lag in der Charakterisierung des Leistungsvermögens
der Anlage über einen weiten Parameterbereich sowie mittels kinetischer Messungen und der
Untersuchung der Stabilität des Katalysators über lange Laufzeiten hinweg. Nachfolgend
werden die Anlagen im Detail vorgestellt.
Experimenteller Teil 71
3.3.1 Laborreaktor
3.3.1.1 Anlagenaufbau
Der Rührkesselreaktor (VR = 300 ml, Parr Instrument Company) ist für einen Druck bis
200 bar und eine Temperatur bis 300 °C zugelassen. Eine Berstscheibe (pBerst = 3000 psig,
Fike® Corporation) dient als Überdrucksicherung. Die Anlage wird mit Helium auf Dichtheit
geprüft, das Inertgas Argon dient zum Spülen. Über V-1 wird das Reaktionsgas Wasserstoff
zugeführt. Der Druckablass in die Abluft erfolgt über V-4. Der detaillierte Anlagenaufbau
kann Abbildung 9 entnommen werden.
3.3.1.2 Versuchsdurchführung
Zunächst wurde die Reaktionsmischung aus LOHC, Katalysator und Lösungsmittel in den
Reaktor gegeben und die Anlage durch einen Drucktest auf Dichtheit geprüft. Der
Dichtungsring (Viton) wurde nach jedem Versuch gewechselt. Der Reaktor wurde bei einer
Rührerdrehzahl von 300 rpm schrittweise auf Reaktionstemperatur aufgeheizt. Der
gewünschte Wasserstoffdruck wurde am Druckminderer eingestellt und anschließend die
Gaszufuhr geöffnet. Der Versuch wurde durch die Erhöhung der Rührerdrehzahl auf
1200 rpm gestartet.
Der Reaktionsfortschritt wurde durch Proben bestimmt, die mittels GC bzw. GC-MS
analysiert wurden. Um einen Versuch zu beenden wurde die Wasserstoffzufuhr unterbunden
und die Reaktortemperatur herabgesetzt. Unterschritt diese 40 °C, wurde der Druck
abgelassen und die Anlage dreimal mit Argon gespült. Der Reaktor wurde abgebaut und die
Anlage mit Aceton gereinigt.
In einem typischen Versuch wurden 20 mmol LOHC in 150 ml Cyclohexan eingesetzt. Das
Verhältnis von LOHC zu katalytisch aktivem Metall betrug nRu/Rh/Pt/Pd/nLOHC = 1/400. Bei
einem Standardversuch wurde mit einem Systemdruck von 41,5 bar und bei einer
Reaktortemperatur von 150 °C gearbeitet. Der Dampfdruck des Lösungsmittels betrug hierbei
5,5 bar, der Wasserstoffdruck 36 bar. Bei Temperaturvariationen wurde der Wasserstoffdruck
konstant gehalten und der Gesamtdruck um den sich ändernden Lösungsmitteldampfdruck
korrigiert.
Bei der Hydrierung von teilhydrierten Zwischenstufen musste beim Aufheizen beachtet
werden, dass die Katalysatoren auch eine Dehydrieraktivität aufweisen. Um eine Reaktion
während des Aufheizvorgangs zu verhindern, wurde der Reaktor mit einem geringen
Wasserstoffdruck beaufschlagt. In der Praxis hatten sich pH2 = 13 bar bewährt. Die Zugabe
des restlichen Wasserstoffs erfolgte, sobald die Reaktionstemperatur erreicht war.
Experimenteller Teil 73
3.3.2 Technikumsreaktor
Von der BWM Forschung und Technik GmbH wurde eine Hydriereinrichtung übernommen,
die im Kern aus einem semibatchweise betriebene Rührkesselreaktor mit VR = 5,3 l bestand.
Vor Inbetriebnahme erfolgten umfangreiche Umbauarbeiten, um einen effizienten Betrieb zu
ermöglichen und zugleich wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Zudem galt es
durch das Erstellen eines Sicherheitskonzepts sowie die Installation von
Sicherheitseinrichtungen einen sicheren Betrieb der Anlage am Institut zu ermöglichen.
3.3.2.1 Anlagenaufbau
Abgas
Gasversorgung Abluft
Reaktor
Thermostat Reaktorperipherie
Der Autoklav (Typ Versoclave 3/5, Büchi Glas Uster) hat ein Reaktorvolumen von VR = 5,3 l
und ist für eine Druck bis 100 bar und eine Temperaturen bis 250 °C zugelassen. Der Druck
im Reaktor kann durch ein Manometer PI 1 und einen digitalen Druckaufnehmer PIR 2
bestimmt werden. Die Temperierung der Anlage erfolgt über zwei voneinander unabhängige
Systeme. Der Reaktor ist von einem Doppelmantel (VMantel = 2 l) umschlossen. Dieser wird
mit einem Ölbad durch einen Thermostaten (HT60-M2, Julabo) temperiert, welcher sowohl
eine Heiz- als auch eine Kühlfunktion besitzt. Die Reglung des Thermostaten kann extern
über einen Temperaturfühler TIC 1 (Pt 100) im Reaktortopf erfolgen. Um Temperaturspitzen
bedingt durch die großen freiwerdenden Wärmemengen abzufangen ist eine Kühlschlange im
Reaktortopf installiert. Die Steuerung der Kühlwasserzufuhr erfolgt über einen weiteren
Temperaturfühler TIR 2, welcher das Ventil V-14 schaltet.
Eine Probenahme ist über Ventil V-15 durch eine Entnahmeleitung mit Fritte möglich. Die
Probenahmestrecke wird mit einem selbstregulierenden Heizband (HBRT, TBetrieb = 120 °C,
Horst GmbH) beheizt. Der Auslass des Produkts erfolgt durch ein Ventil mit aufgeschraubter
Sinterfritte (0,5 - 2 µm, Büchi Glas Uster) am Reaktorboden. Dadurch wird eine In-Situ-
Abtrennung des Katalysators vom LOHC erreicht und der Mehrfachgebrauch des eingesetzten
Katalysators wesentlich erleichtert. Die Fritte ist 2 cm vom Reaktorboden abgesetzt. Dadurch
wird die Dicke des Filterkuchens über der Fritte reduziert, wodurch ein schnelleres Entleeren
des Reaktors erreicht wird.
Der Autoklav wurde im Hochdrucklabor der Technischen Fakultät in einem Bunker aufgebaut
und ist durch Wellschläuche an die dort installierte Gasversorgung angeschlossen. Durch
Druckminderer an der Anlage kann der gewünschte Gasdruck eingestellt werden. Helium,
Experimenteller Teil 75
Methan und Stickstoff werden aus Druckgasflaschen bezogen, welche via V-1, V-18 und V-7
mit der Gaszuleitung verbunden sind.
Wasserstoff wird aus Flaschenbündeln bezogen. Dieser kann über drei Stränge in den Reaktor
geleitet werden. Über V-2 und das Regulierventil V-6 gelangt der Wasserstoff in die Anlage
ohne messtechnisch erfasst zu werden. Zwei weitere Stränge ermöglichen die Detektion des
eingeströmten Wasserstoffs: Über V-3 und den Massenstromregler MFC (EL-Flow Select,
1.8 – 90 lN/min, Bronkhorst High-Tech) kann die Anlage mit einem definierten
Wasserstoffstrom gefüllt werden. Über V-4 und den Massenstrommesser MFM (EL-Flow
Select, 1.8 – 90 lN/min, Bronkhorst High-Tech) wird der einströmende Wasserstoffstrom
gemessen.
Die Aufzeichnung der Messdaten erfolgt mit einer LabVIEW-basierte Software (Michael
Herold EDV-Dienstleistungen). Es werden die Messgrößen Zeit, Temperatur (TIR 2), Druck
(PIR 2), sowie des Massenstroms an Wasserstoff von MFM und MFC erfasst. Darüber hinaus
wird das Signal des MFM automatisch zur integralen Größe MFM Z verarbeitet und
festgehalten. Die Messfühler TIR 2 und PIR 2 sind zudem in die Alarmüberwachung
integriert. Die Überschreitung eines zulässigen Maximalwerts führt zur Notabschaltung der
Anlage. Alle Maßnahmen sind hardwaretechnisch in einer Schaltleiste (Fa. BASE
Electronics) hinterlegt.
Sicherheitstechnische Aspekte:
Um den genannten Gegebenheiten gerecht zu werden, wurden für die Anlage ein
Sicherheitskonzept erstellt sowie bauliche Sicherheitsmaßnahmen installiert. Alle gesetzlich
vorgeschriebenen Prüfungen sowie zusätzlich eine Aufstellungsprüfung wurden durch den
TÜV Süd als zugelassene Überwachungsbehörde durchgeführt.
Die Anlage wurde im Hochdrucklabor der technischen Fakultät aufgebaut. Die Hydrieranlage
befindet sich in einem Bunker, der mit Ex-geschützter Belüftung und Beleuchtung
ausgestattet ist. Anlagensteuerung und Messrechner sind in einem Vorraum platziert. Diese
bauliche Trennung ermöglicht ein sicheres Arbeiten auch bei undefinierten, potentiell
gefährlichen Betriebszuständen.
Das Szenario ohne Wasserstoffaustritt führt zur Notabschaltung der Hydrieranlage: Dies
beinhaltet das Abstellen des Rührer sowie das Anstellen der Zusatzkühlung durch Öffnen von
V-14. Zudem wird die Gaszufuhr durch Schließen von SV 1 unterbunden und der Druck aus
dem Reaktor langsam über SV 3 abgelassen. Hierdurch wird das Nachströmen von
Reaktionsgas verhindert. Der Gaseintrag in die Flüssigkeit sowie die Reaktortemperatur
werden herabgesetzt. Das im Reaktor befindliche Reaktionsgas wird abgeblasen bzw. reagiert
langsam ab. Hardwaretechnisch wird dies durch das Stromlosschalten des Rührers sowie der
Ventile SV 1 und SV 3 (Typ SS-HBS6MM-C bzw. SS-HBS6MM-O, Swagelok) und des
Magnetventils V-14 (Typ MV 2215 G, Riegler & Co KG) realisiert.
Der Fall eines Wasserstoffaustritts ist besonders kritisch, da im Bunker eine explosionsfähige
Atmosphäre entstehen kann. Durch die im Bunker befindlichen Anlagen sind zahlreiche
Zündquellen vorhanden, sodass ein Stromlosschalten aller im Bunker befindlichen Anlagen
zwingend notwendig ist. Zudem muss die Wasserstoffzufuhr unterbunden werden. Baulich ist
dies durch die Installation von Wasserstoffsensoren (ExDetector HC 150,
Bieler + Lang GmbH) gelöst. Wird ein Wert von 40 % der unteren Explosionsgrenze (UEG)
überschritten, werden alle im Bunker befindlichen Anlagen einschließlich deren Steuerungen
stromlos geschaltet sowie die Wasserstoffzufuhr des Bunkers über ein weiteres NC-Ventil
(Normally Closed) unterbunden.
3.3.2.2 Versuchsdurchführung
nach dem Hydrierversuch in der Anlage. Es wurden stets 1600 g H0DBT eingesetzt. Es wurde
mit einem Verhältnis nRu/nLOHC von 0,25 mol% gearbeitet, was 29,68 g Katalysatorpulver
entspricht.
Das H0LOHC wurde durch eine Füllöffnung in den Reaktor eingebracht. Nach Verschließen
der Öffnung wurde der Reaktor mit Stickstoff bei 10 bar auf Dichtheit geprüft und
anschließend inertisiert. Der Autoklav wurde anschließend per Thermostat bei
eingeschaltetem Rührwerk auf Reaktionstemperatur erhitzt und die Datenaufzeichnung der
LabView-Software gestartet. Nach Erreichen der Reaktionstemperatur wurde der Rührer
gestoppt und der Reaktor langsam mit Wasserstoff befüllt, bis der gewünschte
Reaktionsdruck erreicht war. Die Einstellung des Reaktionsdrucks erfolgte am
Druckminderer, wobei V-4, V-8 und V-11 vollständig geöffnet waren. Dadurch wurde ein
unerwünschtes Nachströmen von Wasserstoff in den Autoklaven vermieden. Abschließend
wurde die Nullprobe gezogen.
Anschließend wurde der Rührer gestartet. Dies führt zu einem gesteigerten Gaseintrag in die
Flüssigkeit und einer erhöhten Reaktionsrate, was als Startpunkt des Hydrierversuchs definiert
wurde. Während des Versuchs wurden in definierten Zeitintervallen Proben gezogen und der
Hydriergrad (HG) des LOHCs durch NMR bestimmt. Der Hydriergrad wurde auch in-situ aus
dem MFM-Signal über die Massenbilanz bestimmt. Durch die Kombination beider
Messmethoden war eine redundante Analytik gegeben.
Nach Versuchsende wurde die Gaszufuhr durch das Schließen von V-10 unterbunden. Der
Reaktor wurde mittels Thermostat und Zusatzkühlung auf Umgebungstemperatur abgekühlt.
Das Reaktionsgas wurde über V-12 abgelassen und der Autoklav mehrmals mit Stickstoff
gespült. Das Ablassen des LOHCs erfolgte über V-16 durch eine Sinterfritte, wobei diese
einen erheblichen Filterwiderstand besitzt. Um diesen zu überwinden wurde mit 40 bar
Inertgas gearbeitet und das Produkt auf 100 °C erhitzt, was zu einer Viskositätserniedrigung
führt. Mit den beschriebenen Maßnahmen konnte der Reaktor innerhalb von 8-10 Stunden
entleert werden.
3.3.3 Rieselbett-Anlage
3.3.3.1 Anlagenaufbau
Für die kontinuierliche Hydrierung von LOHCs wurde das Reaktorkonzept des Rieselbetts
gewählt. Es wurde eine Anlage im Pilotmaßstab realisiert, welche als „erste Generation“
kontinuierlicher LOHC-Hydrieranlagen gelten kann. Die Auslegung der reaktorperipheren
Bauteile erfolgte nach der Leistungsanforderung an die Anlage hinsichtlich der gewünschten
Hydrierleistung. Die Dimensionen des Rohrreaktors liegen im Rahmen üblicher Pilotanlagen.
Die Anlage sollte hinsichtlich ihres Leistungsvermögens charakterisiert werden.
Die Anlage ist als Dead-End ausgeführt: Der Reaktor ist ein senkrecht stehendes Rohr, das als
Doppelmantel ausgeführt und mit einer Katalysatorschüttung gefüllt ist. LOHC und
Wasserstoff werden vom Kopf auf den Reaktor aufgegeben. Die Katalysatorschüttung
befindet sich in einer Wasserstoffatmosphäre und wird von einem LOHC-Film umströmt, der
die Schüttung entlang rinnt. Am unteren Ende des Reaktors steht ein LOHC-Sumpf, von dem
periodisch LOHC abgezogen wird.
Hydrierreaktor:
Abbildung 14 gibt ein Überblick über die Anlage. Der Reaktor weist einen Innendurchmesser
von dC = 38 mm und eine Rohrlänge von l = 1600 mm auf. Er wurde am CRT von M.
Schmacks konstruiert (Tmax = 300 °C, pS = 120 bar, VR = 1,81 l) und von der Firma Halmosi
aus Edelstahl (1.4571) gefertigt. Der Reaktor wird eingangs- wie ausgangsseitig über einen
Flansch mit PTFE-Dichtung (PTFE virginal, 75x60 du x 1,5 mm, Rala GmbH) verschlossen.
Der Reaktionsdruck wird mit einem Drucksensor (Typ S-10, Wika) am Reaktorkopf erfasst.
Das Katalysatorbett wird durch die in Abbildung 12 und Abbildung 13 dargestellten Elemente
im Reaktor fixiert: Am Reaktoreingang erfolgt dies durch einen Katalysatorsieb (l = 70 mm),
am Ausgang durch einen Sieb (l = 200 mm) sowie eine Distanzhülse (l = 80 mm). Die
Distanzhülse wurde eingeführt, um das Sumpfvolumen erhöhen zu können, was eine
einfachere weil weniger dynamische Regelung der LOHC-Abfuhr ermöglicht. Durch einen
Experimenteller Teil 81
Wechsel der Distanzhülse kann zudem leicht das Reaktionsvolumen im Reaktor variiert
werden.
Gasversorgung Reaktor
LOHC-Zufuhr
Reaktorperipherie
LOHC-Abfuhr
Das Loch in beiden Sieben dient der Durchführung eines mehrstufigen Thermoelements, mit
dem ein axiales Temperaturprofil über den Reaktor aufgenommen werden kann. Es wird ein
8-fach-Stufen-Mantel-Thermoelement NiCrNi der Firma Rössel Messtechnik eingesetzt,
welches sich in einem Edelstahlrohr 6x1 befindet und über eine Klemmringverschraubung am
Reaktor befestigt ist. Durch die Positionierung der Verschraubung ergeben sich die
Temperaturmessstellen im Reaktor wie in Abbildung 15 gezeigt.
1600 mm
1250 mm
851 mm
Schüttung
1028 mm
1205 mm
1380 mm
Katalysatorsieb
270 mm
mit Distanzhülse
Die Temperierung des Reaktors erfolgt über den mit Thermoöl (DW-Therm M90.200.02,
Huber Kältemaschinenbau) gefüllten Außenmantel (VMantel = 2,15 l). Dieser wird von unten
nach oben, gewissermaßen im Gegenstrom, durchströmt. Es wird ein Thermostaten
(Unistat T305w HT, Huber Kältemaschinenbau) mit einer Heiz- und Kühlfunktion
(PHeiz,max = 6,0 kW, PKühl,max = 10 kW) eingesetzt, wobei mit Kühlwasser gegengekühlt wird.
Außenmantel und Thermostat sind über einen Temperierschlauch (MT-350-3-M24x1,5,
Huber Kältemaschinenbau) verbunden. Schnellkupplungen (Gigalok, mit Kalrez 6375
gedichtet) erlauben eine einfache Trennung von Reaktor und Thermostat, was die
Handhabung des Reaktors insbesondere bei Katalysatorwechseln erleichtert.
Die LOHC-Abfuhr aus dem Reaktor erfolgt zyklisch: Der Flüssigkeitsspiegel im Sumpf
pendelt zwischen einem minimalen und einem maximalen Füllstand hin- und her. Dadurch
ergibt sich eine Zweipunktregelung, die vergleichsweise einfach zu realisieren ist. Die
Erfassung des Flüssigkeitsspiegels erfolgt berührungslos mittels Ultraschallsensoren
(Sonocontrol 15, Sonotec Ultraschallsensorik). Diese detektieren, ob ein Rohr mit Flüssigkeit
gefüllt ist oder nicht. In einem Steigrohr (½ ‘‘) parallel zum Rohrreaktor sind vier Sensoren
Experimenteller Teil 83
LIR 1, LIR 2, LIR 3 und LIR 4 verbaut. LIR 2 markiert den maximalen Füllstand im Reaktor,
LIR 3 den Minimalen. LIR 1 und LIR 4 haben eine sicherheitstechnische Funktion: Detektiert
LIR 1 Flüssigkeit oder LIR 4 Gas, erfolgt eine Notabschaltung der Anlage. Die Regelung
funktioniert jedoch nur, wenn über beiden Flüssigkeitssäulen der gleiche Druck herrscht. Im
Betrieb stellt sich jedoch über die Katalysatorschüttung ein Druckverlust ein. Um diesen
Einfluss auszuschließend ist zwischen Reaktoreingang und Reaktorsumpf ein
Druckausgleichsrohr (¼ ‘‘ mit seitlicher Bohrung, offenes Ende verschweißt) installiert. Für
die Ultraschallsensoren stellen hochviskose Flüssigkeiten ein Problem dar. Um auch H18DBT
detektieren zu können, werden die Sensoren mit selbstregulierenden Heizbändern (HBRC,
TBetrieb = 65 °C, Horst GmbH) beheizt.
LIR 01
Druckausgleichsrohr
LIR 02
331 mm
280 mm
219 mm
LIR 03
134 mm
21 mm LIR 04
Die Positionierung der Ultraschallsensoren stellt eine Schwierigkeit dar, da eine Reihe von
gegensätzlichen Anforderungen erfüllt werden müssen: Der Abstand von LIR 2 und LIR 3
muss so gewählt sein, dass sich ein geeignetes Zeitintervall für die Schaltung des
Ablassventils ergibt. Liegen beide Sensoren zu nahe bei einander, schaltet das Ventil
durchgehend. Es kommt zu unnötigem Verschleiß und einem unruhigen Anlagenbetrieb. Mit
dem Abstand der Sensoren erhöht sich jedoch das Volumen des Sumpfes, was die
Probenahme am Reaktorausgang über V-17 beeinträchtigt. LIR 1 und LIR 4 müssen so
positioniert sein, dass nicht schon kleine Störungen zu einer unnötigen Notabschaltung der
Anlage führen. Diese können z.B. durch die Anspringzeit des Ablassventils V-19 oder durch
Pegelschwankungen bedingt durch abruptes Öffnen oder Schließen des Ventils verursacht
werden. Jedoch darf insbesondere der Abstand zwischen LIR 3 und LIR 4 nicht zu groß
84 Experimenteller Teil
gewählt werden, da sonst das Sumpfvolumen unnötig steigt. Nach einer Reihe von
Vorversuchen erwies sich das in Abbildung 16 dargestellte Setup als zweckmäßig. Mit der
getroffenen Positionierung ergibt sich ein mittleres LOHC-Volumen im Sumpf von
VSumpf ≈ 200 ml.
Der hohe Gasverbrauch der Anlage erfordert eine Wasserstoffversorgung über Gasbündel
(12 x 50 l, 300 bar). Der Druck der Gase und somit der Anlagendruck wird über
Druckminderer am Anlageneingang eingestellt: Wasserstoff und Helium sind bis 80 bar
einstellbar, Stickstoff bis 10 bar. Der Gaseingangsstrom kann über Regulierventile (V-6, V-7,
V-8) eingestellt werden. Helium wird für Dichtigkeitstest, z.B. nach Katalysatorwechsel oder
Umbauten, benötigt, Stickstoff zum Spülen des Reaktors oder zur Beaufschlagung des
Vorlagebehälters mit Überdruck, Wasserstoff als Edukt der Hydrierung.
Wasserstoff kann über drei Stränge in den Reaktor geführt werden: Über einen digitalen
Massendurchflussregler MFC (EL-Flow Select, Multi Range, 0,8 – 40 lN/min bzw.
1,3 - 65 lN/min, Bronkhorst High-Tech), einen digitalen Massendurchflussmesser MFM
(EL-Flow Select, Multi Range, 0,8 – 40 lN/min bzw. 1,3 - 65 lN/min, Bronkhorst High-Tech)
oder direkt über einen Bypass. Der MFC-Strang dient zur Druckbeaufschlagung des Reaktors,
z.B. zu Versuchsbeginn. Außerdem ist bei wärmeabfuhrlimitierten Reaktionen wie der
LOHC-Hydrierung ein MFC-gesteuerter Betrieb denkbar: Der MFC wird dabei so eingestellt,
dass gerade so viel Wasserstoff in den Reaktor einströmt, wie freiwerdende Wärme
problemlos abgeführt werden kann. Der MFM dient zur Detektion des Wasserstoffverbrauchs
der Anlage im regulären Betrieb.
Die Zu- und Abfuhr des LOHCs erfolgen über ein von Wagner Mess- und Regeltechnik
vertriebenes Gesamtsystem: Die LOHC-Zufuhr erfolgt über eine HPLC-Pumpe (Wadose,
bis 40 ml/min, Dichtungen: Kalrez + PTFE, Flusys GmbH). Daran schließt sich ein Coriolis-
Massendurchflussmesser (Cori-Flow, Bronkhorst High-Tech) an. In Vorversuchen wurde die
Pumpe über den Coriolis- Massendurchflussmesser geregelt. Durch diesen Aufbau sollte eine
möglichst große Dosiergenauigkeit über lange Laufzeiten erreicht werden. Die Ansteuerung
erfolgte mittels Flowbus. Bei Inbetriebnahme der Anlage erwies sich dieser Aufbau als wenig
geeignet, da sich durch diese Regelung kein lange Zeit stabiler Massenstrom einstellen ließ.
Daher wurde die Pumpe umgerüstet, sodass diese extern über eine RS 232 Schnittstelle
angesteuert werden kann und der Coriolis-Massenmesser lediglich eine Messfunktion hat. Die
Messwertvorgabe erfolgt über eine entsprechende Software von Wagner Mess- und
Regeltechnik. Die LOHC-Abfuhr erfolgt über ein Prozess-Regelventil (RC200, Kalrez
gedichtet, Wagner Mess-und Regeltechnik), dem ein Coriolis-Massendurchflussmesser
(Cori-Flow, Bronkhorst High-Tech) nachgeschalten ist. Im Massenmesser ist analog zur
LOHC-Zufuhr ein Regler integriert, der das Ventil steuert.
86 Experimenteller Teil
Die erreichbaren Volumenströme der beschriebenen Instrumente sind stark abhängig von den
Druckverhältnissen sowie der Viskosität des Mediums. Einerseits stellt hierbei die Viskosität
von H18DBT eine Schwierigkeit dar. Andererseits war der optimale Betriebsdruck nicht
bekannt, da er mit dieser Anlage erst bestimmt werden sollte. Zudem sollten Messungen über
einen weiten Druckbereich durchgeführt werden. Dies alles führte dazu, dass das Setup in
zahlreichen Vorversuchen an die Gegebenheiten angepasst und optimiert werden musste. Dies
geschah im Wesentlichen durch die Montage von elektrischen Heizungen, um die Viskosität
des LOHCs herabzusetzen: Die Zuleitung zur Pumpe, der Pumpenkopf an sich sowie die
Rohrleitung am Reaktorausgang wurden mit selbstbegrenzenden Heizbändern (HBRT,
TBetrieb = 120 °C, Horst GmbH) versehen. Beide Coriolis-Massendurchflussmesser wurden mit
Heizleitungen (TIC 12: l = 4.1 m, PHeiz,max = 360 W; TIC 13: l = 4.9 m, PHeiz,max = 620 W;
jeweils Horst GmbH) ummantelt. Als Betriebstemperatur wurden 90 °C festgelegt. Mit der
Temperatur ändert sich allerdings auch die Geometrie des Rohrbogens im Coriolis-
Durchflussmesser. Daher wurde der Durchflussmesser auf diese Temperatur kalibriert. Das
Prozessregelventil wurde ebenfalls mit einer Heizleitung (Horst GmbH) versehen.
Das dehydrierte LOHC wird in einem Fass (100 l Fassungsvermögen, Edelstahl 1.4541 mit
Silikon-Dichtung, Müller GmbH) vorgelegt. Der Vorlagebehälter ist baugleich mit dem
Produktbehälter. Dadurch ist ein Dauerbetrieb über vier Tagen möglich.
Die Anlagenleistung und der erzielte Hydriergrad können online und redundant bestimmt
werden: Durch den MFM wird der Wasserstoffverbrauch und damit die Hydrierleistung der
Anlage in-situ bestimmt. Der Hydriergrad des LOHCs ergibt sich aus der Massenbilanz.
Durch das Probenahmeventil V-17 kann LOHC am Reaktorauslass entnommen werden. Die
Bestimmung des Hydriergrads erfolgt mittels NMR oder GC-MS. Allerdings muss dabei das
Sumpfvolumen beachtet werden, sodass diese Methode nur sinnvoll ist, wenn sich die Anlage
im Steady-State befindet.
Die Temperatur- und Druckanzeiger, die Temperaturregler (jeweils Typ 3216, Eurotherm)
sowie die Füllstandregelung werden in 19‘‘ Baugruppenträgern zu einer zentralen Regel-und
Steuereinheit zusammengefasst (Fa. Base Electronics). Dort sind die Notausschaltungen
hardwaretechnisch implementiert sowie die Alarme gespeichert. Die eigentlichen
Anlagenbedienung erfolgt mit der Software FlexLab (Fa. Michael Herold
Experimenteller Teil 87
EDV-Dienstleistungen). Diese erleichtert die Sollwertvorgabe, z.B. für den MFC, sowie die
Einstellung und Änderung von Alarmschwellen. Außerdem dient sie der Datenaufzeichnung
und Online Messwertdarstellung. Es werden folgende Daten erfasst: Alle Temperaturanzeigen
sowie der Reaktionsdruck, Wasserstoffstrom in MFM und MFC, LOHC-Strom an Ein- und
Ausgang sowie der Status aller Füllstandsensoren.
Sicherheitstechnische Aspekte:
Für den Betrieb der Hydrieranlage gelten die gesetzlichen Regelungen nach der
Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) analog zum Technikumsreaktor. Der eingesetzte
Hydrierreaktor wird nach Richtlinie 97/23/EG, Artikel 3 in die Druckbehälterklasse III
eingestuft. Dies ergibt sich aus dem Produkt aus maximal zulässigem Reaktionsdruck pS und
Reaktorvolumen VR von pS·VR > 200 bar·l, welches beim verwendeten Reaktor 217 bar·l
beträgt. Hieraus ergeben sich die Rahmenbedingungen der entsprechenden Prüfungen wie
bereits für den „5L-Reaktor“ beschrieben.
Für einen sicheren Betrieb müssen zusätzlich zu den gesetzlichen Vorgaben auch die
Reaktion an sich sowie der eingesetzte Reaktortyp beachtet werden. Hier kommt erschwerend
hinzu, dass die entwickelte Anlage ein Prototyp war, für den keine Betriebserfahrung
vorhanden war.
Um diesen Gefahrenquellen gerecht zu werden, wurde für die Anlage ein Sicherheitskonzept
erstellt. Darauf basierend wurden bauliche Sicherheitsmaßnahmen installiert. Alle gesetzlich
vorgeschriebenen Prüfungen wurden durch den TÜV Süd als zugelassene
88 Experimenteller Teil
Die Anlage wurde im Hochdrucklabor der technischen Fakultät aufgebaut. Die Hydrieranlage
wird im gleichen Bunker betrieben, in dem auch der 5L-Reaktor aufgebaut ist. Die
Anlagensteuerung und der Messrechner sind im Vorraum platziert, sodass eine bauliche
Trennung zwischen der Hydrieranlage und deren Steuerung vollzogen ist. Dies ermöglicht
auch dann ein Eingreifen in den Prozess, wenn wegen eines gefährlichen Betriebszustands ein
direktes Arbeiten an der Anlage sicherheitstechnisch nicht verantwortbar ist. Gerade bei der
Entwicklung und dem Betrieb von Prototypen sind solche Betriebszustände nie gänzlich
ausgeschlossen.
Generell wurde zwischen zwei sicherheitsrelevanten Szenarien unterschieden: Einmal ist dies
das Austreten von Wasserstoff. Der andere Fall ist das Über- oder Unterschreiten eines
Schwellwerts einer messtechnischen Einrichtung, wobei Wasserstoffaustritt ausgeschlossen
wird.
Das Szenario ohne Wasserstoffaustritt sieht die Notabschaltung der Hydrieranlage vor: Es
werden alle elektropneumatischen Ventile sowie sie Pumpe stromlos geschalten. Dadurch
wird die Wasserstoff- und LOHC-Zufuhr durch das Schließen der NC-Ventile unterbunden.
Die LOHC-Abfuhr stoppt, sodass kein Reaktionsgas aus dem Reaktor in den Produktbehälter
gelangen kann. Das NO-Ventil des Reaktors öffnet und das Reaktionsgas im Reaktor wird
Experimenteller Teil 89
langsam in die Abluft abgelassen. Eine solche Notabschaltung kann durch die
Thermoelemente, den Drucksensor so wie die Füllstandregelung verursacht werden.
Der Fall eines Wasserstoffaustritts ist besonders kritisch, da im Bunker eine explosionsfähige
Atmosphäre entstehen kann. Durch die im Bunker befindlichen Anlagen sind zahlreiche
Zündquellen vorhanden, sodass ein Stromlosschalten des gesamten Bunkers zwingend
notwendig ist. Zudem muss die Wasserstoffzufuhr unterbunden werden. Die Erfassung einer
wasserstoffhaltigen Atmosphäre erfolgt über Wasserstoffsensoren (ExDetector HC 150,
Bieler + Lang GmbH). Wird ein Wert von 40 % der UEG überschritten, werden alle im
Bunker befindlichen Anlagen einschließlich deren Steuerung stromlos geschaltet sowie die
Wasserstoffzufuhr des gesamten Bunkers über ein weiteres NC-Ventil unterbunden.
3.3.3.2 Versuchsdurchführung
Vor Versuchsstart war der Reaktor auf Raumtemperatur und mit LOHC getränktem
Katalysator gefüllt. Der Katalysator verblieb nach jedem Versuch in der Anlage und wurde in
der Regel nicht gewechselt. Ein typischer Versuchsablauf gestaltete sich wie folgt:
Zunächst wurde der Vorlagebehälter mit LOHC gefüllt. Wurde teilhydrierter LOHC
verwendet, so musste dieser zunächst gemischt werden. Dies galt insbesondere dann, wenn
der Feed aus verschiedenen Chargen stammte, da es andernfalls zu einer Schichtung im
Vorlagebehälter kommen kann. Das Mischen geschah mit einem Handrührwerk
(UniMix U850, Collomix Rühr- und Mischgeräte GmbH) und wurde solange durchgeführt,
bis sich eine klare, schlierenfreie Lösung ausbildete. Die Homogenität des Feeds wurde
während eines Versuchs durch Probenahme am Ausgang des Vorlagebehälters über V-14
überprüft.
War die Apparatur auf Reaktionstemperatur, wurde Wasserstoff eingelassen. Dies erfolgte
zunächst über den MFC, der einen definierten Gaseingangsstrom ermöglicht. War der
gewünschte Druck erreicht, folgte ein Umschalten auf den MFM zur Detektion des
Gasverbrauchs. Der gewünschte Reaktionsdruck wurde am Druckminderer, welcher der
Anlage vorgeschalten ist, eingestellt.
Nach Start der LOHC-Zufuhr zeigt sich ein Anlaufphase: Die Temperatur im Reaktor sowie
der Wasserstoffverbrauch steigen an. Es dauert etwa eine Stunde, bis sich ein stationärer
Betrieb einstellt. Bei den Probenahmen muss das Sumpfvolumen beachtet werden. In
Vorversuchen hatte sich gezeigt, dass bei einem Volumenstrom von 20 ml/min ca. 2 h
gewartet werden, muss bis die NMR-Analytik mit der Massenbilanz kongruent ist.
Beim Abfahren der Anlage wurden zunächst die LOHC-Zufuhr unterbunden, der Reaktor
mittels Thermostat auf Raumtemperatur abgekühlt sowie alle elektrischen Heizungen
abgeschaltet. Die Wasserstoffzufuhr wurde erst unterbrochen, sobald die Apparatur abgekühlt
war. Während des Anlagenstillstands sinkt der Wasserstoffdruck im Reaktor dennoch
zunächst ab. Dies kann durch die Reaktion an sich oder die Adsorption von Wasserstoff am
Katalysator erklärt werden. Es stellt sich im System ein Wasserstoffdruck unter dem
Reaktionsdruck ein. Erfolgte die Wasserstoffabschaltungen bei einem höheren
Temperaturniveau, stellte sich in der Anlage ein Unterdruck ein, was zu einer Notabschaltung
der Anlage führte.
Experimenteller Teil 91
Im Laufe der Versuche zeigte sich, dass die Performance der Anlage durch die Art der
Katalysatorlagerung im Reaktor zwischen den Versuchen beeinflusst wird. Als
Standardverfahren wurde die Anlage wie oben beschrieben abgefahren. Dieses Vorgehen
entspricht der technischen Anwendung der Hydrieranlage, z.B. als Energiespeichereinheit in
einem Wohnhaus. Dort ist es weder gewünscht, einen Reaktor bei Anlagenstillstand mit
Hochdruck beaufschlagt zu haben, noch diesen stets bei Reaktionstemperatur zu halten. Im
Verlauf der Arbeit wurden auch weitere Abfahr-Szenarien untersucht. Hierbei wurden der
Einfluss von Wasserstoffdruck sowie der Reaktortemperatur im Anlagenstillstand untersucht.
Im Regelbetrieb wurde der Katalysator nicht gewechselt, sondern verblieb für weitere
Versuche im Reaktor. Dies ist durch die technische Anwendung begründet: In einer
technischen Anlage wird der Katalysator nur in großen zeitlichen Abständen gewechselt.
Zudem ist ein Katalysatorwechsel in der Versuchsapparatur zeit- wie kostenintensiv. Ein
Katalysatorwechsel führt zu einer Stillstandszeit der Anlage von einer Woche.
Bei einem Katalysatorwechsel musste der Reaktor zunächst aus der Hydrieranlage ausgebaut
werden. Dazu wurde eine VCR-Verschraubung im Sumpf, sowie eine VCR- (Gaszufuhr) und
Klemmringverschraubung (LOHC-Zufuhr) am Reaktoreingang gelöst. Anschließend wurde
der Flansch am Reaktorausgang geöffnet.
2
1
In Abbildung 18 ist der Flansch am Reaktorausgang nach Öffnen des Reaktors gezeigt. Der
PTFE-Dichtring ist bedingt durch die thermische Beanspruchung plastisch verformt.
Allerdings hatte dies keinen Einfluss auf die Dichtheit der Anlage. Die Dichtung wurde
turnusmäßig nach jedem Öffnen des Reaktors gewechselt. Ferner zeigte sich, dass aus der
Schüttung Katalysatorpulver ausgewaschen wird. Durch einen Filter in der LOHC-Abfuhr
(Typ SS-6F-MM-2, 2 µm Porengröße, Fa. Swagelok) sollten die nachfolgenden Ventile vor
Verunreinigung und Abrasion geschützt werden. Durch ein kleines Sieb im Flansch sollte
verhindert werden, dass Pellets in die Rohrleitung gelangten.
Das Befüllen des Reaktors mit Katalysator erfolgte über den Reaktorausgang. Hierbei
bewährte sich folgendes Vorgehen: Zunächst wurde dem oberen Flansch samt
Thermoelement das obere Katalysatorsieb sowie die Zentrierhülse (Abbildung 19)
aufgesteckt. Der Reaktor wurde anschließend mit dem oberen Flansch verschlossen. Die
Zentrierhülse wurde mittels eines angeschraubten Rohres durch den Reaktor gezogen und am
Reaktorausgang fixiert. Dann wurde der Reaktor reaktorausgangsseitig mit Katalysator
(1.6 kg, 0.5 wt% Ruthenium auf AlOx) befüllt. Abschließend wurde die Zentrierhülse
abgezogen, das Thermoelement bleibt durch die Katalysatorschüttung zentriert. Das untere
Sieb sowie die Distanzhülse wurden aufgesteckt und der Reaktor ausgangsseitig mit dem
Flansch verschlossen.
Abbildung 20 zeigt das Ergebnis der vorgestellten Prozedur. Es wird hydriertes LOHC
verglichen, welches unmittelbar nach einem Katalysatorwechsel aus der Anlage entnommen
wurde. Bei Charge 1 wurde die Anlage vor Versuchsstart evakuiert, bei Charge 2 wurde
darauf verzichtet. Charge 1 ist eine klare Flüssigkeit. Charge 2 ist stark eingetrübt, am Boden
befinden sich zudem kleine Tropfen. In diesem Hydrierversuch wies das austretende LOHC
erst nach einem Anlagenbetrieb über mehrere Stunden keine Trübung mehr auf. Dies wird
darauf zurückgeführt, dass das im System vorhandene Wasser durch das LOHC
ausgewaschen wird. Die Löslichkeit von Wasser in LOHCs nimmt mit steigender Temperatur
zu [218]. Durch das Abkühlen des LOHCs nach Verlassen des Reaktors fällt zuvor gelöstes
Wasser aus, wodurch die Trübung entsteht.
1 2
Abbildung 19: Vorrichtung zur Zentrierung Abbildung 20: Hydriertes LOHC kurz nach
des Thermoelements in axialer Richtung. einem Katalysatorwechsel mit (1) und ohne
(2) vorheriges Evakuieren.
94 Ergebnisse und Diskussion
In dieser Arbeit wurden erstmals die einzelnen Teilschritte der Hydrierung von
N-Ethylcarbazol experimentell untersucht. Neben der Hydrierung des vollständig dehydrierten
Edukts H0NEC wurde die Hydrierung der stabilen Intermediate H4NEC und H8NEC
betrachtet. Hierbei wurde die Eignung der einzelnen Katalysatoren für den jeweiligen
Teilschritt ermittelt. Dazu wurde die Kinetik der Teilreaktionen für verschiedene
kommerzielle Katalysatoren experimentell bestimmt. Es wurden ausschließlich
Aluminiumoxid-geträgerte Edelmetallkatalysatoren mit einem nominellen Edelmetallgehalt
von 5 wt% eingesetzt. Eine Übersicht der eingesetzten Katalysatoren sowie deren
physikochemischer Eigenschaften ist in Tabelle 18 gegeben.
Die Bestimmung der Kinetik der Hydrierung von H0NEC war bereits Gegenstand zahlreicher
Forschungsarbeiten. Hierbei wurde stets davon ausgegangen, dass die Reaktion durch einen
Reaktanden limitiert wird und der andere Reaktand in großem Überschuss vorliegt. Einige
Autoren gingen von einer Limitierung ausschließlich durch H0NEC aus [203-205, 208, 361],
andere durch eine Limitierung des Wasserstoffs [210, 211, 231]. Die Reaktionsordnung des
limitierenden Reaktanden wurde jeweils gleich eins gesetzt. Allerdings zeigt ein Blick auf die
Stöchiometrie der Reaktion, dass die Annahme eines einzigen limitierenden Reaktanden
zumindest fraglich ist.
Die Basis nachfolgender Untersuchungen bildet ein Potenzansatz, der beide Reaktanden mit
einbezieht:
= ′ ∙ ,-/. ∙ 3
012 (15)
Bei konstantem Wasserstoffdruck kann Gleichung (15) zu (16) vereinfacht werden, wobei k
druckabhängig ist.
3
= ∙ 012 (16)
Bei den nachfolgenden Untersuchungen wurde der Wasserstoffdruck bei 36 bar konstant
gehalten. Für ausgewählte Temperaturen wurde die druckabhängige
Geschwindigkeitskonstante k bestimmt und mit einer Arrhenius-Auftragung der Stoßfaktor k0
sowie die Aktivierungsenergie EA ermittelt. Die Reaktionsordnung für den LOHC beträgt
n = 1 und wurde mit der Integral- sowie der Halbwertszeitmethode bestimmt. Die Herleitung
kann Anhang 6.1 entnommen werden. Abschließend wurde mit H0NEC eine Druckvariation
durchgeführt und die Reaktionsordnung von Wasserstoff bestimmt.
Als Standardkatalysator wurde Ru/Al2O3 und als Standardtemperatur 150 °C festgelegt. Der
Betriebsdruck ergibt sich aus der Summe des Dampfdrucks des Lösungsmittels Cyclohexans
und dem Wasserstoffdruck, welcher bei 36 bar konstant gehalten wurde. Das Verhältnis von
Katalysator zu LOHC wurde auf nRu/nNEC = 0,25 % festgelegt.
1,0
H0NEC
H4NEC
0,8 H8NEC
H12NEC
0,6
xHXNEC [-]
0,4
0,2
0,0
0 30 60 90 120
t [min]
Abbildung 21: Zeitabhängige Produktverteilung der Hydrierung von H0NEC im Basisfall.
(T = 150 °C; pH2 = 36 bar; nRu/nH0NEC = 0,25 %; LM: Cyclohexan; Kat.: Ru/Al2O3)
In weiteren Versuchen wurde die Katalysatorauswahl um Rh/Al2O3 erweitert und für beide
Katalysatoren die Aktivierungsenergie sowie der Stoßfaktor bestimmt. Bei Ru/Al2O3 wurde
der Temperaturbereich von 130 °C bis 190 °C untersucht, bei Rh/Al2O3 von 90 °C bis 150 °C.
1,0 1,0
Ru, 130 °C H0NEC
H4NEC Rh, 130 °C
0,8 H8NEC 0,8
H12NEC
xHXNEC [-]
xHXNEC [-]
0,2 0,2
0,0 0,0
0 30 60 90 120 0 30 60 90 120
t [min] t [min]
Abbildung 22: Zeitabhängige Produktverteilung der Hydrierung von H0NEC bei 130 °C.
(pH2 = 36 bar; nKat/nH0NEC = 0,25 %; LM: Cyclohexan; Kat.: Ru/Al2O3 bzw. Rh/Al2O3)
von H0NEC als der Ruthenium-Katalysator mit 1,83·10-3 molNEC·gRu-1·s-1. Damit ist der
Rhodium-Katalysator das aktivste bekannte System zur Hydrierung von H0NEC. Mit
Rh/Al2O3 wird zudem bereits nach 45 min eine nahezu vollständige Hydrierung erreicht.
Außerdem ist der maximale Gehalt an H8NEC mit 36 % deutlich geringer. Die deutlich
höhere Aktivität des Rhodium-Katalysators wird in erster Linie auf dessen deutlich geringere
Clustergröße im Vergleich zum Ruthenium-Katalysator zurückgeführt. Nach [207] ist
Ruthenium bedingt durch seine elektronische Struktur zwar das aktivere Metall für die
Hydrierung von H0NEC, die Ergebnisse legen jedoch nahe, dass dieser Effekt durch die
geringere Clustergröße und die damit verbundene größere Oberfläche des Rhodiums mehr als
kompensiert wird.
-6,5
ln(k)
ln(k)
-7,0
-7,0
y = -6153,3x + 7,6 -8,0 y = -9268,8x + 16,8
-7,5 R² = 0,997 R² = 0,998
-8,0 -9,0
Abbildung 23: Arrhenius-Auftragung der Hydrierung von H0NEC für die Katalysatoren
Ru/Al2O3 und Rh/Al2O3.
(T = 90 - 190 °C; pH2 = 36 bar; nKat/nH0NEC = 0,25 %; LM: Cyclohexan)
Für jeden Versuch wurde die Geschwindigkeitskonstante für die Hydrierung von H0NEC
bestimmt. Die Aktivierungsenergie sowie der Stoßfaktor wurden für beide Katalysatoren
jeweils durch eine Arrhenius-Auftragung bestimmt. Diese sind in Abbildung 23 dargestellt.
Für Ru/Al2O3 beträgt die Aktivierungsenergie für die Hydrierung von H0NEC 51,2 kJ/mol,
für Rh/Al2O3 beträgt diese 77,7 kJ/mol. Die kinetischen Daten beider Katalysatoren sind in
Tabelle 19 zusammengefasst. Die Geschwindigkeitskonstanten aller Versuche können
Anhang 6.2 entnommen werden.
1,0 1,0
Ru, 170 °C H0NEC
H4NEC Rh, 130 °C
0,8 H8NEC 0,8
H12NEC
xHXNEC [-]
xHXNEC [-]
0,2 0,2
0,0 0,0
0 30 60 90 120 0 30 60 90 120
t [min] t [min]
1,0
Pd, 170 °C H0NEC
H4NEC
0,8 H8NEC
H12NEC
xHXNEC [-]
0,6
0,4
0,2
0,0
0 30 60 90 120
t [min]
Abbildung 24: Zeitabhängige Produktverteilung der Hydrierung von H4NEC.
(T = 130 bzw. 170 °C; pH2 = 36 bar; nKat/nH0NEC = 0,25 %; LM: Cyclohexan; Kat.: Ru/Al2O3,
Rh/Al2O3 bzw. Pd/Al2O3)
100 Ergebnisse und Diskussion
Die Konzentrationsprofile der Hydrierung von H4NEC sind in Abbildung 24 gezeigt. Auch
hier ist Rh/Al2O3 der mit Abstand aktivste Katalysator. Er erreicht bei 130 °C eine
vergleichbare Aktivität wie das Referenzsystem Ru/Al2O3 erst bei 170 °C. Die
unterschiedliche Aktivität der beiden Katalysatoren lässt sich auch durch die
Geschwindigkeitskonstante bei 130 °C belegen. Für den Rhodium-Katalysator beträgt diese
1,97E-3 s-1, für den Ruthenium-Katalysator 3,62E-4 s-1. Die hohe Aktivität von Rh/Al2O3
wird in erster Linie auf die sehr geringe Clustergröße des Rhodiums zurückgeführt. Im
Vergleich zu Ru/Al2O3 weist Pd/Al2O3 trotz kleinerer Metallcluster eine wesentlich geringere
Aktivität auf. Dies lässt auf eine deutlich geringere Aktivität des Palladiums für die
Hydrierung von H4NEC schließen.
Für jeden untersuchten Katalysator wurden die Aktivierungsenergie sowie der Stoßfaktor
ermittelt. Die entsprechenden Arrhenius-Auftragungen sind in Abbildung 25 dargestellt. Für
Ru/Al2O3 beträgt die Aktivierungsenergie 39,5 kJ/mol, für Rh/Al2O3 77,7 kJ/mol und für
Pd/Al2O3 68,4 kJ/mol. Eine Übersicht der kinetischen Daten der Hydrierung von H4NEC
findet sich in Tabelle 20. Die Geschwindigkeitskonstanten aller Versuche können Anhang 6.2
entnommen werden.
-7,0 -7
ln(k)
ln(k)
-8
-7,5 y = -9342,5x + 16,5
y = -4756,4x + 3,9 -9 R² = 0,999
R² = 0,986
-8,0 -10
1/T [K-1]
2,2E-3