Häufig kommt noch eine weitere Aufgabe hinzu, nämlich die Entwicklung
von Gestaltungsempfehlungen (normative Komponente).
42 4 Marktforschung
4.2 Objekte
Objekte der Marktforschung sind die Makro- und Mikro-Umwelt sowie der
Innenbereich des Unternehmens. Die Makro-Umwelt setzt sich aus allen
Bereichen zusammen, die zwar den Erfolg eines Unternehmens tangieren,
von diesem selbst aber nicht oder nur in vernachlässigbarem Ausmaß beein-
flusst werden können. Im Einzelnen sind dies:
x Ökonomische Komponente: Hierzu zählen volks- und weltwirtschaftli-
che Rahmenbedingungen wie Konjunktur, langfristiges Wirtschaftswachs-
tum, Volkseinkommen, Beschäftigungs- und Auftragslage in verschiedenen
Wirtschaftszweigen, Arbeitslosenquote, Zinsniveau, Geldmenge, Handels-
hemmnisse im internationalen Warenverkehr u.ä.
x Sozio-kulturelle Komponente: Diese fokussiert sich auf die Gesell-
schaftsstruktur und umfasst Aspekte wie Bevölkerungsstruktur (Alter,
Schulabschluss, Wohn- und Arbeitsort, Nationalitäten etc.), gesellschaft-
licher Konsens bzw. Dissens sowie gesellschaftliche Werte, Normen und
fest gefügte Verhaltensweisen.
x Technologische Komponente: Diese umfasst die Bereiche der Prozess-
(z.B. neue Fertigungstechnologien), Produkt- sowie Sozialinnovationen
(etwa neue Lebensarbeitszeitkonzepte) und gilt als wesentlicher Faktor des
wirtschaftlichen Wachstums.
x Physische Komponente, d.h. das klimatische, geographische und infra-
strukturelle Umfeld, in dem ein Unternehmen agiert.
x Politisch-rechtliche Komponente: Dazu gehören die rechtlichen Rege-
lungen und andere politische Entscheidungen, die den unternehmerischen
Handlungsspielraum beschränken bzw. erweitern.
x Produktion
x Unternehmensinfrastruktur (Finanzen, Planung etc.)
x Personalwesen
Eigenforschung Fremdforschung
x Vertrautheit mit der Problemstellung x Keine Betriebsblindheit der Forschenden
x Größere Praxisrelevanz der Analyse x Interessengefärbte Ergebnisse weniger wahr-
scheinlich, d.h. mehr Objektivität
x Bessere Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten auf
den Ablauf der Studie x Einsatz von Spezialisten (z.B. bei Fragebogenge-
staltung, statistischer Auswertung der Daten)
x Weniger Kommunikationsprobleme
x Aktualität des Fachwissens
x ‚Job enrichment’ für die beteiligten Mitarbeiter
x 100% Diskretion
x Kein ‚Brain drain’ (Kenntnisse, Forschungserfah-
rungen und die aus erster Hand gewonnenen In-
formationen bleiben im eigenen Haus)
Andere Daten bezieht man am besten von Experten, die sich auf Marktfor-
schung, die Erhebung von Brancheninformationen und / oder Betriebsver-
gleiche spezialisiert haben. Die Vor- und Nachteile der Sekundärforschung
sind Abb. 18 zu entnehmen.
Vorteile Nachteile
x Zeitersparnis x Problemrelevante Daten u.U. nicht oder nur in zu
stark aggregierter Form verfügbar
x Kostenersparnis
x Systematische Erfassung und Auswertung von
Sekundärdaten nur selten möglich
x Sekundärinformationen zumeist nur qualitativer
Natur
x Auch Konkurrenten können auf externe Daten-
quellen zugreifen.
4.4.2 Befragung
Die am weitesten verbreitete Form der Feldforschung ist die Befragung, die
sich in eine schriftliche, mündliche und telefonische Variante untergliedern
lässt.
Vorteile Nachteile
x Schnelle Auskunft von vielen Auskunftspersonen x Die Teilnahmebereitschaft der Auskunftspersonen
sinkt bei längeren Fragebogen bzw. bei heiklen
x Befragte haben ausreichend Zeit zum Nachdenken
Fragen (z.B. Einkommen).
x Da keine Interviewer benötigt werden,
x Abfrage spontaner Antworten nicht möglich
- ist die Befragung leichter zu organisieren,
x Geringe Möglichkeit zur Stichprobenkontrolle (=
- entfällt der Interviewer-Einfluss (= ‚Interviewer keine Sicherheit, ob der Adressat selbst antwortet)
bias’) – und damit (nahezu vollständig) die Ge-
fahr sozial erwünschter Antworten, x Tendenziell eher geringe Rücklaufquoten (u.a. ab-
hängig vom Thema der Befragung)
- entstehen vergleichsweise geringe Kosten, was
insbesondere in großen Befragungsgebieten zu
Buche schlägt.
46 4 Marktforschung
Vorteile Nachteile
x Die Auskunftsbereitschaft ist größer als bei der x Vergleichsweise hohe Kosten
schriftlichen Befragung, u.a. weil der Interviewer
x Tendenziell erhöhter Zeitaufwand
psychologische Hemmschwellen und Zweifel der
Befragten im direkten Gespräch ausräumen kann. x (Ungewollter) Einfluss des Interviewers auf den
Befragten und damit Tendenz zu sozial erwünsch-
x Kontrollierbare Gesprächssituation
ten Antworten (= ‚Interviewer bias’)
x Geringere Gefahr von Missverständnissen durch
Rückfragen (sowohl Befragter als auch Intervie-
wer)
Bei telefonischen Befragungen findet seit geraumer Zeit der Computer An-
wendung (sog. CATI = Computer Aided Telephone Interviewing). Mit-
tels Software können so Stichprobenauswahl, Instruktionen für den Inter-
viewer sowie die Dokumentation der Antworten via Bildschirm gesteuert
werden.
Computer können grundsätzlich auch für die schriftliche und persönliche Be-
fragung genutzt werden, wobei grundsätzlich zwei Varianten zu unterschei-
den sind:
x CAPI (= Computer Assisted Personal Interviewing): Eingabe durch
Interviewer
x CSAQ (= Computerized Selfadministered Questioning): Eingabe
durch die Auskunftsperson
Befragung
‚Home'-Befragung
‚Office'-Befragung
‚In hall'-Befragung
‚Street'-Befragung
‚Store'-Befragung
48 4 Marktforschung
4.4.3 Beobachtung
Die Beobachtung ist gekennzeichnet durch eine systematische Erfassung von
sinnlich wahrnehmbaren Verhaltensweisen bzw. Eigenschaften von Personen
im Augenblick ihres Auftretens durch den Beobachter (vgl. im Folgenden
Böhler 1982, S. 92 - 96; Hüttner 1999, S. 158 - 167; Meffert 1992, S. 198 -
200; Bruhn 2001, S. 103 - 105; Meffert 2000, S. 154 - 155; Nieschlag/Dichtl/
Hörschgen 2002, S. 451 - 453). Grundsätzlich lassen sich Labor- und Feldbe-
obachtung unterscheiden.
Weit verbreitet ist die sog. Kundenbeobachtung, bei der die Kunden beim
Einkaufsvorgang beobachtet werden, ohne dass diese das bemerken. Hierbei
handelt es sich um eine Beobachtung im Feld (= reales Handelsunterneh-
men), die in der Regel standardisiert (= anhand eines Fragebogens bzw. eines
Lageplans) und persönlich (= durch einen Beobachter) durchgeführt wird.
Denkbar wäre hier auch die apparative Beobachtung mittels einer Kamera.
Der wesentliche Vorteil der Beobachtung liegt darin, dass man im Gegensatz
zur Befragung nicht auf die Mitarbeit der Probanden angewiesen ist.
Daneben lassen sich bestimmte Sachverhalte durch den Einsatz apparativer
Verfahren mit vergleichsweise großer Genauigkeit erfassen (z.B. Verhalten des
Kunden am Point-of-Sale). Als Nachteile sind anzuführen:
x Komplexere psychische Prozesse, die beim Verbraucher ablaufen, sind ei-
ner Beobachtung nicht zugänglich.
x Bei bestimmten Fragestellungen treten Repräsentativitätsprobleme auf.
Diese können auf (zu) kleine Stichproben bei Laborversuchen oder unter-
schiedliche Kundengruppen bei Beobachtungen in Geschäften je nach Ta-
ges-, Wochen- und Jahreszeit zurückzuführen sein.
x Im Falle einer offenen Beobachtung, bei der ein Proband im Gegensatz
zur verdeckten Beobachtung weiß, dass er beobachtet wir, verändert er
u.U. sein ursprüngliches Verhalten (sog. Beobachtungseffekt).
4.4.4 Experiment
4.4.4.1 Grundstruktur
Als Experiment bezeichnet man eine wiederholbare und unter kontrollierten,
vorher festgelegten Umweltbedingungen durchgeführte Untersuchung. (vgl.,
auch im Folgenden, Böhler 1982, S. 33 - 53; Meffert 1992, S. 206 - 212;
Bruhn 2001, S. 105 - 108; Meffert 2000, S. 158 - 161). In der Marktforschung
soll mit Hilfe von Experimenten geklärt werden, ob und inwieweit der Ein-
satz oder die Variation von Marketingvariablen (= unabhängige Variablen; et-
4.4 Primär- versus Sekundärforschung 49
4.4.4.2.2 Laborexperimente
Laborexperimente werden unter künstlichen Bedingungen durchgeführt und
sollen Teilaspekte der Realität simulieren. Sie verfügen im Vergleich zu Feld-
experimenten über eine höhere interne Validität, da sie etwaige Störeinflüsse
weitgehend ausschalten. Als Nachteile sind die höhere Realitätsferne, die sich
negativ auf die externe Validität auswirkt, sowie die Beeinflussung der Pro-
banden durch die Testsituation zu nennen.
50 4 Marktforschung
4.4.5 Spezialformen
4.4.5.1 Panels
Panels sind Erhebungen, die bei einem konstanten Teilnehmerkreis (Perso-
nen, Einkaufsstätten, Unternehmen) in (regelmäßigen) zeitlichen Abständen
zu einem gleichen Untersuchungsgegenstand durchgeführt werden. Hierbei
existieren verschiedene Varianten (vgl. im Folgenden Meffert 1992, S. 213 -
220; Günther/Vossebein/Wildner 1998).
Bei einem weiteren Vertreter, den Handelspanels, lassen sich Groß- und
Einzelhandelspanel unterscheiden, wobei letztere die häufigsten Vertreter die-
ser Spezies sind. Ähnlich wie beim Haushaltspanel werden auch hier regelmä-
ßig Daten (in zweimonatigem Rhythmus) erhoben. Die Datenerhebung ge-
schieht durch Besuche speziell ausgebildeter Mitarbeiter bei den Handelsun-
ternehmen, die am Panel teilnehmen. Sie führen bei ihrem Besuch eine relativ
aufwendige Inventur durch.
4.4.5.2 Scanning
Schließlich ist das Scanning als spezielle Form der Datengewinnung zu nen-
nen (vgl. Meffert 1992, S. 226; Zentes 2001, S. 1508). Hierunter versteht man
Verkaufsdatensysteme auf Basis von elektronischen Kassenterminals und
4.5 Prognose 51
4.5 Prognose
Eine Prognose ist eine auf Erfahrung bzw. Beobachtungen oder theoreti-
schen Erkenntnissen beruhende Aussage über künftige Ereignisse. Man un-
terscheidet zwischen Entwicklungsprognose, bei der eine Zeitreihe in die Zu-
kunft verlängert wird, ohne dass die Unternehmung den zu prognosti-
zierenden Sachverhalt beeinflussen könnte oder wollte (z.B. die Entwicklung
der Einwohnerzahl im Absatzgebiet), und Wirkungsprognose, bei der die
voraussichtliche Konsequenz einer getroffenen Maßnahme ermittelt wird
(z.B. Erfolg von Produktinnovation, neuer Verpackung, Werbekampagne; vgl.
Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, S. 537 - 554).
Qualitative Verfahren liefern auf der Basis von Erfahrung und Intuition
Zukunftseinschätzungen. Hierzu zählen:
x Szenario-Technik
Dieses Verfahren zielt darauf ab, in sich konsistente Zukunftsbilder (=
Szenarien) zu entwickeln (vgl. von Reibnitz 1987). Auf der Basis der ge-
genwärtigen Situation wird versucht, den Endzustand des Prognosege-
genstandes unter verschiedenartigen Rahmenbedingungen zu antizipieren
und davon ausgehend mögliche Auswirkungen auf das Untersuchungsfeld
abzuleiten. Beispielsweise wird versucht vorauszusagen, wie sich der Ab-
satz von Pkws im Falle unterschiedlicher Kraftstoffpreise im nächsten
Jahr entwickeln wird (etwa Preis für 1 Liter Superbenzin: Szenario 1 =
1,10 Euro, Szenario 2 = 1,50 Euro, Szenario 3 = 2 Euro).
x Delphi-Methode
Hierbei handelt es sich um ein qualitatives Prognoseverfahren auf der Ba-
sis von Expertenbefragungen, bei dem die jeweiligen Antworten der Be-
fragten ausgewertet, aggregiert und den Betroffenen in anonymer, meist
gebündelter Form zurück übermittelt werden. Dieser Vorgang wird mit ei-
ner gegebenenfalls präzisierten Fragestellung im Regelfall mehrfach wie-
derholt, um auf diese Weise ein Gruppenurteil zu dem interessierenden
Sachverhalt zu erhalten (vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, S. 160).
4.6 Kontrollaufgaben
Aufgabe 4.1: Typen von Studien
Füllen Sie die Lücken im Text mit den entsprechenden Begriffen aus.
x ...................................... dienen dazu, ein Problem zu erkennen und zu struktu-
rieren.
x ...................................... sollen ein Problem systematisch erfassen und beschrei-
ben.
x ...................................... unterstützen darin, Ursache/Wirkungsbeziehungen zu
erkennen.
x ...................................... dienen der Entwicklung von Gestaltungsempfehlungen.