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STEOP EÖR LE 1: Innerstaatliches Organisationsrecht

Europäisches und öffentliches Wirtschaftsrecht I


Das europäische Recht bildet einen Rahmen für das österreichische Recht und somit das innerstaatliche österreichische
Wirtschaftsrecht.

Das öffentliche Wirtschaftsrecht baut darauf auf, dass es einen Staat gibt, dass es Verfahren gibt, wie der Staat handelt und dass
es staatliche Organe gibt, die nach diesen Bestimmungen handeln.  unter den Vorgaben des europäischen Unionsrecht  hat
Vorrang

1 LE 1: Innerstaatliches Organisationsrecht
︖ Wer sind die Organe, die mit dem Wirtschaftsrecht konfrontiert sind?
︖ Wer übt in Österreich die Staatsgewalt aus?
︖ Was ist ein Gesetz und wer darf Gesetze erlassen?
︖ Welche Grenzen sind der Gesetzgebung gesteckt?
︖ Wie entstehen Gesetze? Wer vollzieht diese?
︖ Was ist im Wirtschaftsrecht das Organisatorische?  Der Staat und seine Organisation

1.1 Die Staatsgewalt


 Unter Staatsgewalt sind jene Einrichtungen und Handlungsformen zu verstehen, die dem Staat zur
Erreichung seiner Aufgaben zur Verfügung stehen.
 Die Bestimmungen über die Staatsgewalt regeln, wer im Staat auf welche Weise allgemein verbindliche
Vorgaben erlassen und durchsetzen darf und muss.
 (Der Staat steht einer nicht staatlichen Institution gegenüber)
 Vollziehung: Es werden in beiden Fällen Gesetze vollzogen  in der Verwaltung: man kommt zu einer
Verwaltungsentscheidung; Gerichtsbarkeit: die Kontrolle dieser Verwaltungsentscheidung anhand der
Regelungen der 1. Gewalt – wird auf ihre Gesetzmäßigkeit kontrolliert
 Es gibt auch verfassungswidrige Gesetze, nicht nur Fehler bei der Verwaltung

Staatsgewalt
1. Gesetzgebung Vollziehung
(Verfassungsrecht und einfaches
Gesetzesrecht)
2. Verwaltung

3. Gerichtsbarkeit

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1.2 Gebietskörperschaften Bund, Länder, Gemeinden (Staatsgewalt aufgeteilt)


Staatsgewalt geht zwar letztlich über die parlamentarische Willensbildung vom Volk aus, ist aber zunächst auf die
Gebietskörperschaften aufgeteilt.

1.2.1 Eine Gebietskörperschaft ist eine


 Juristische Person des öffentlichen Rechts
 territoriale/räumliche Untergliederung
 werden als „Personengesamtheiten“ bezeichnet, weil sie alle Personen erfassen, die in einer örtlichen
Beziehung zu einem bestimmten geografischen Gebiet stehen
 Die Verfassung teilt bestimmte Zuständigkeiten entweder dem Bund, den Ländern oder den Gemeinden zu.
 Sie haben Hoheitsgewalt und sind Träger von Rechten und Pflichten
 Bezirke sind keine Gebietskörperschaften, sondern nur Verwaltungssprengel (also organisatorische
Einteilungen des Staatsgebiets ohne eigene Rechtspersönlichkeit)

1.2.2 Bund
 größte Gebietskörperschaft, umfasst ganzes Gebiet der Republik Österreich
 Gesetzgebungsorgane: Bundesrat (BR), Nationalrat (NR)
 Oberste Verwaltungsorgane: Bundesregierung (BReg), Bundesminister (BM), Bundespräsident (BPRäs)
 Gleichberechtigte Höchstgerichte: Verfassungsgerichtshof (VfGH), Verwaltungsgerichtshof (VwGH), Oberster
Gerichtshof (OGH)  Kontrollinstanzen für Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit

1.2.3 Länder
 Die Staatsgewalt (Gesetzgebung und Vollziehung) ist zwischen Bund und Ländern geteilt.
 Gesetzgebungsorgane: Landtage
 Obersten Verwaltungsorgane: Landesregierung (LReg – bestehend aus Landesräten unter dem Vorsitz des
LH)
 Landesverwaltungsgerichte  Länder haben auch Anteil an Staatsfunktion Gerichtsbarkeit

1.2.4 Gemeinden
 Nehmen nur Aufgaben der Verwaltung wahr
 Organe: Bürgermeister, Gemeindevorstand, Gemeinderat
 Keine Gesetzgebungskompetenz/ Gerichtsbarkeitskompetenz

1.3 Verfassungsrechtliche Grundlagen


1.3.1 Die österreichische Bundesverfassung
 Stammgesetz der österreichischen Bundesverfassung ist Bundesverfassungsgesetz (B-VG von 1.10. 1920)
 Verfassungsbestimmungen finden sich nicht nur B-VG  es gibt auch „sonstige Bestimmungen“
 Einzelne spezifische Bundesverfassungsgesetze (BVG)
 Grundrechtskataloge der österreichischen Rechtsordnung
 Staatsgrundgesetz aus dem Jahr 1867 (StGG)
 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
 Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen

 Verfassung: Gebrauchsanweisung, wie dieser Staat aufgebaut ist


 legt die Grundlagen und Grundsätze des staatlichen Handelns fest, die auch als Handlungsanleitung für
das gesellschaftliche Zusammenleben verstanden werden können
 „Spielregeln“  „Spielregelverfassung“

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1.3.2 Änderung der Bundesverfassung


 Leitfunktion und somit erschwerte Abänderbarkeit – daher besonderer Rang in der Rechtsordnung
 Verfassungsbestimmungen enthalten in der Regel Grundsätzliches über Funktionieren des Staates – es
kommt aber nicht auf den Inhalt an, sondern nur darauf, dass sie als Verfassungsbestimmung erzeugt wurde
– unabhängig von Inhalt

Gegenüberstellung Erzeugungsregeln von Gesetzen im NR


Einfaches Gesetz Verfassungsgesetz
 Anwesenheit mind. 1/3 der Abgeordneten  Anwesenheit mind. 1/2 der Abgeordneten
 Zustimmung der einfachen Mehrheit der (Präsenzquorum)
Anwesenden  Zustimmung von 2/3 der Anwesenden
 Ausdrückliche Bezeichnung als
Verfassungsgesetz oder -bestimmung

1.3.3 Grundprinzipien der österreichischen Bundesverfassung


 Ableitung sogenannter Grundprinzipien (Baugesetze) aus der Gesamtheit der Verfassungsrechtsordnung
 können nur bei einer Gesamtänderung der Bundesverfassung mit einem erschwerten Verfahren abgeändert
werden
 neben herkömmlichen Verfahren für Erzeugung von Verfassungsrecht auch Volksabstimmung notwendig (ist
nach Abschluss des Verfahrens in NR und BR und vor der Beurkundung durch den BPräs durchzuführen)

Grundprinzipien der Bundesverfassung


Grundprinzipien

republikanisches bundesstaatliches rechtsstaatliches


demokratisches Prinzip
Prinzip Prinzip Prinzip

gewaltenteilendendes
Prinzip

liberales Prinzip

sind nicht ausdrücklich als Grundprinzipien formuliert oder gekennzeichnet, sondern ergeben sich
aus dem Gesamtzusammenhang der Bundesverfassung
tragende Grundsätze der österreichischen Rechts- und Wertegemeinschaft
aufgrund erschwerter Erzeugungsbedingungen – höchste Normen innerhalb der österreichischen
Rechtsordnung
alle anderen Bestimmungen, also auch „normales“ Verfassungsrecht, müssen ihnen entsprechen
widersprechende Bestimmungen kann der VfGH aufheben (monopolisierte Gesetzesprüfung)
 Bundesverfassung kennt keine „Ewigkeitsgarantien“
 Gesamtänderung der Bundesverfassung durch EU-Beitritt 1995
 durch Beitritts-Bundesverfassungsgesetz bewerkstelligt
 mehrere Grundprinzipien wesentlich abgeändert
 bislang einzige Gesamtänderung
 auch Änderungen in der Gewaltenteilung (im europäischen Wettbewerbsrecht wirkt zB ein
Vollziehungsorgan, die Europäische Kommission, sehr weitgehend an der Rechtssetzung mit und es gibt
einen Rechtszug von der Kommission zum EuGH bzw zum EuG
 Änderung des bundesstaatlichen Prinzips

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Demokratisches Prinzip
Art 1 B-VG bestimmt programmatisch „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“

Volksbegehren
 Führt bei Unterstützung von mehr als 100.000 Personen zur verpflichteten Behandlung im NR

Volksabstimmung
 Dem Volk wird eine Gesetzes- oder Verfassungsänderung zur Entscheidung vorgelegt
 Verpflichtend bei einer Gesamtänderung der Bundesverfassung durchzuführen
 Kann fakultativ durchgeführt werden, wenn NR dies beschließt
 Zielt auf die Erlassung eines Gesetzes ab
 Ergebnis der Volksabstimmung ist bindend
 Inbetriebnahme AKW Zwentendorf

Volksbefragung
 Dem Volk wird ebenfalls eine Frage zur Abstimmung vorgelegt
 Ergebnis ist NICHT bindend
 Es wird eine konkrete Frage mit zwei alternativen Lösungsvorschlägen formuliert
 Volksbefragung über die Wehrpflicht

Diese 3 direktdemokratischen Instrumente führen NIE unmittelbar bzw. allein zur verbindlichen Rechtserzeugung 
bleibt den durch Wahl legitimierten Gesetzgebungsorganen (NR, Landtage) vorbehalten (auch in Ländern und
Gemeinden vorgesehen, allerdings seltener)

Ausnahme: teilweise Direktwahl der Organe der Vollziehung (Verwaltung)  Direktwahl BPräs, Gemeinderäte, zT
Bürgermeister

Demokratische Elemente in der Vollziehung


Mitwirkung der Bevölkerung an der Strafgerichtsbarkeit als SchöffInnen bzw. Geschworene

 Gravierende Änderungen durch EU-Beitritt

Republikanisches Prinzip
In Art 1 B-VG wird programmatisch festgelegt „Österreich ist eine demokratische Republik“  somit keine
Monarchie

 Zeitlich begrenzte, politisch und rechtlich verantwortliche Position des Staatsoberhauptes (BPräs)
 BPräs ist Bundesversammlung gegenüber rechtlich verantwortlich – kann wegen Verletzung der
Bundesverfassung durch Beschluss der Bundesversammlung vor VfGH angeklagt werden
 Keine Veränderung durch EU-Beitritt

Bundesstaatliches Prinzip
Art 2 Abs 1 B-VG lautet programmatisch „Österreich ist ein Bundesstaat“

 Staatsfunktion ist auf Bund und Länder durch Kompetenzverteilung aufgeteilt


 Zuordnung der Staatsgewalt (Gesetzgebung und Vollziehung) entweder Bund oder Ländern
 Bei Verstoß eines Gesetzes oder Vollziehungsaktes gegen Vorschriften  verfassungswidrig  kann vom
VfGH aufgehoben werden
 Beide Rechtskreise (Bundesrecht und Landesrecht) sind prinzipiell gleichgeordnet
 Bundesrecht hat nicht Vorrang
 es müssen aber die Akte der jeweils anderen Gebietskörperschaft berücksichtigt werden
 Kompetenzübergewicht zugunsten des Bundes bei Gesetzgebung
 Wichtige Stellung der Länder im Bereich der Vollziehung – Vollziehungsföderalismus
(überwiegender Teil der Verwaltungsangelegenheiten des Bundes wird von Landesorganen
vollzogen  mittelbare Bundesverwaltung) (gerichtliche Kontrolle: LVwG)
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Unmittelbare Bundesverwaltung durch eigene Bundesbehörden: Finanzverwaltung,


Telekommunikationsrecht (gerichtliche Kontrolle: BVwG)
 Mitwirkung der Länder an Bundesgesetzgebung durch den Bundesrat
 Kann Funktion einer Länderkammer in der politischen Praxis infolge des Parteienflusses und des freien
Mandats der Bundesräte allerdings nur beschränkt wahrnehmen.
 Einfluss des BR auf Bundesgesetzgebung eher gering
 BR kann idR gegen Gesetzesbeschlüsse nur suspensives Veto einlegen, NR kann Beharrungsbeschluss
fassen und sich dem BR gegenüber durchsetzen
 Ländern kommt innerhalb der Bundesverfassung relative Verfassungshoheit bzw Verfassungsautonomie zu
 Haben Befugnis innerhalb der Bundesverfassung selbst eine Verfassung zu geben
 Landesgesetzgebung und Landesverfassungsgesetzgebung dürfen die Bundesverfassung nicht berühren
 SIE DÜRFEN IHR NICHT WIDERSPRECHEN

 Änderung durch Beitritt zur EU


 Unionsrecht ist „bundesstaatsblind“  nimmt auf bundesstaatliche Kompetenzverteilung keine Rücksicht
 Ist der staatlichen Verfassungsordnung überlassen, ob Unionsrecht durch Bundes- oder Landesorgane
auszuführen ist (innerstaatliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern bleibt unberührt)
 Im Falle der Säumigkeit eines Landes geht jedoch die Zuständigkeit zur Durchführung von Unionsrecht,
insb zur Erlassung der erforderlichen Gesetze, auf den Bund über (Devolution) (nur, wenn Säumigkeit von
Gericht im Rahmen der EU festgestellt wurde) – Die Devolution der Zuständigkeit an den Bund endet
aber, sobald das Land seiner Verpflichtung nachkommt
 Bund ist verpflichtet, Länder und Gemeinden über alle Vorhaben im Rahmen der EU, die deren
Wirkungsbereich betreffen, unverzüglich zu informieren und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu
geben. – Einheitliche Stellungnahme der Länder ist für Bund verbindlich

Gewaltenteilendes Prinzip
Das B-VG beruht auf dem Gedanken, dass staatliche Funktionen (Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung)
getrennt sein müssen, um staatliche Macht zu begrenzen – Montesquieu

Ist nicht ausdrücklich festgelegt, ergibt sich aber aus

 der organisatorischen Trennung von Gesetzgebungs- und Verwaltungsorganen


 dem ausdrücklich festgeschriebenen Grundsatz der Trennung von Verwaltung und Justiz (kann in einzelnen
Angelegenheiten durch bundes- oder landesgesetzliche Regelung durchbrochen werden)
 den Unvereinbarkeitsbestimmungen (Mitgliedschaft in der BReg und gleichzeitig BPräs oder VfGH)
 dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Zusammenwirken der obersten Verfassungsorgane im Rahmen ihrer
jeweils begrenzten Kompetenzen einschließlich der damit bewirkten wechselseitigen Kontrolle (System der
„checks and balances“)

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Rechtsstaatliches Prinzip
Das Recht der demokratischen Republik Österreich geht gem Ar 1 B-VG vom Volk aus.

 Bundesverfassung konstituiert Gemeinwesen, in dem staatliche Macht nur anhand strikter (verfassungs-
)rechtlicher Vorgaben ausgeübt werden darf
 und die Richtigkeit von Entscheidungen eines Organs überprüft werden kann

Rechtsstaat formeller Sinn: Rechtsregeln für Zusammenleben der Menschen,


Durchsetzung dem Staat vorbehalten (Gewaltmonopol des Staates –
Friedenspflicht der Rechtsunterworfenen), Bindung der Staatsgewalt an
positive Rechtsvorschriften, Einrichtungen zur Sicherung der Einhaltung
der Rechtsvorschriften – Legalitätsprinzip, Rechtsschutzsystem

materieller Sinn: Rechtsordnung beruht auf verschiedenen


Wertvorstellungen (Gerechtigkeit, Humanität, Freiheit, Ordnung, …) –
Grundrechte

Rechtsstaat ist berechenbar, an Rechtssicherheit orientiert


muss Verfassungsstaat, Gesetzesstaat, Rechtsschutzstaat sein
Rechte und Pflichten der Einzelperson müssen gesetzlich relativ präzise
festgelegt und deren Durchsetzung garantiert sein
Gegenteil: Willkür der Machthaber, anarchische Strukturen
Legalitätsprinzip  Vollziehung nur aufgrund der Gesetze ausüben
 Strikte Bindung allen staatlichen Handelns an Gesetz und Verfassung
(Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung): „Die gesamte
staatliche Verwaltung darf nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden.“
 Jeder Verwaltungsakt muss im Gesetz begründet sein
 Prinzip gilt auch für Gerichtsbarkeit (jeder Gerichtsakt im Gesetz muss
begründet sein
 Vollziehung darf nur bei eigener gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich
handeln, (Vorbehalt des Gesetzes)
 Vorrang des Gesetzes: Gesetzgebung muss Vollziehungshandeln
entsprechend determinieren, für die Gewährleistung von
Vorhersehbarkeit des Verwaltungshandelns und gesetzliche
„Steuerung“;
 Beitritt Österreichs zur EU: partielle Verdrängung des österreichischen
Legalitätsprinzips durch das europäische Legalitätsprinzip (geringere
Anforderungen an die Bestimmtheit genereller Rechtsvorschriften);
Erweiterung der Vorgaben von Art 18 Abs 1 B-VG: die staatliche
Verwaltung darf nicht nur aufgrund von Gesetzen, sondern auch
aufgrund von unmittelbar anwendbarem Unionsrecht ausgeübt werden
Ermessen und  Unterschied zwischen Handlungsermessen (Behörde kann, muss aber
unbestimmte nicht handeln) und Auswahlermessen (Behörde hat die Wahl zwischen
Gesetzesbegriffe mehreren Reaktionen, sie muss aber jedenfalls handeln)
 Behörde muss vom Ermessen immer „im Sinne des Gesetzes“ Gebrauch
machen
 unbestimmte Gesetzesbegriffe
o (exakte Umschreibung nicht möglich bzw. viele verschiedene
Einzelfälle)
o Spielraum der Vollziehungsbehörden ergibt sich aus Möglichkeit des
Gesetzgebers Ermessen einzuräumen und aus Verwendung von
unbestimmten Gesetzesbegriffen
o Ist Gesetzesbegriff unbestimmt, muss Behörde ihn auslegen

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 dabei Orientierung am systematischen Zusammenhang und an


Zielsetzungen des Gesetzes
o kommen sehr häufig vor (Umschreibung nicht möglich o unpraktisch
o im Einzelfall nicht vorhersehbar)
 Ermessungsüberschreitung (Behörde überschreitet den vom Gesetz
eingeräumten Spielraum) und Ermessensmissbrauch (Behörde agiert
zwar im Ermessensspielraum, verhält sich aber nicht „im Sinne des
Gesetzes“) machen Akt rechtswidrig und bekämpfbar.
 Legalitätsprinzip verlangt, dass die Gesetzgebung die Kriterien, an denen
im konkreten Zusammenhang die „Angemessenheit“ zu beurteilen ist, im
Gesetz nennt
o Vollziehungsorgan muss dem Gesetz entnehmen können, worauf es
bei Einzelfallbeurteilung ankommt
 Inhalt, Verfahren und entscheidendes Organ müssen gesetzlich
festgelegt werden  bei Mängeln verstößt ein Gesetz gegen verankertes
Legalitätsprinzip und ist verfassungswidrig
Rechtsschutz  Rechtsordnung: wesentliches Element des Rechtsstaates
o stellt Verfahren zur Verfügung, in denen behauptete Fehler von
Vollziehungsakten (z.B. Urteile von Gerichten, Bescheide von
Verwaltungsbehörden) geltend gemacht und gegebenenfalls
beseitigt bzw. korrigiert werden können
o  Fehlerkalkül der Rechtsordnung  dient Rechtsfrieden.
 Entscheidung in geordneten Verfahren durch übergeordnete
Verwaltungsbehörden bzw Gerichte, ob Fehler vorliegt
 Rechtsstaat gewährt dem Individuum verfahrensförmigen Rechtsschutz
 Vollziehungsakte (Bescheide von Verwaltungsbehörden) – bereits
rechtskräftig – müssen auch in einem solchen Verfahren bekämpft
werden (wenn Rechtsmittelerhebung innerhalb der Frist verabsäumt
wurde und Vollziehungsakte demzufolge verbindlich ist)
 Das Rechtsschutzsystem der österreichischen Bundesverfassung ist vor
dem Hintergrund der exponierten Stellung der Gerichtshöfe des
öffentlichen Rechts zu sehen:
o Zivil- und Strafrecht: der Rechtsschutz obliegt der ordentlichen
Gerichtsbarkeit
o Verwaltungsrecht: den VwG und VwGH, in speziellen Fällen dem
VfGH
Rechtsstaatliches Prinzip der Bundesverfassung enthält Gebot:
 bei Eingriffen in die Rechtsposition des Individuums:
o 1. Zugang zu einem Rechtsschutzsystem
o 2. Rechtsschutzsystem muss so ausgestaltet sein, dass ein
Mindestmaß an faktischer Effizienz des Rechtsschutzes
gewährleistet ist
Liberales Prinzip (eng mit rechtsstaatlichem Prinzip verbunden)
 INSBESONDERE Gewährleistung der Grundrechte
 gewährt Freiheit von Einzelpersonen durch staatsgerichtete Abwehrrechte
o wie etwa in Form der Persönlichen Freiheit, Meinungs- und Pressefreiheit, Glaubens- und
Gewissensfreiheit, Eigentums- und Erwerbsfreiheit,
o Freiheit des Liegenschaftsverkehrs in Staatsgrundgesetz und Menschenrechtskonvention geregelt
 Die Position des einzelnen im Wirtschaftsleben ist von Grundrechten durchdrungen. Es soll keine staatlichen
Einschränkungen in Bezug auf Eigentum geben und falls schon, sollen diese kontrolliert werrden.

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1.3.4 Die Staatszielbestimmungen und die Gesetzesaufträge


 Zählen nicht zu Grundprinzipien der österreichischen Bundesverfassung
 Daraus lassen sich keine unmittelbaren Rechte für Rechtsunterworfene ableiten
 Änderung oder Aufhebung bedarf daher keiner Volksabstimmung
 Gewähren – ANDERS als Grundrechte – kein subjektives Recht
o Stellen aber eine Art „Programmauftrag“ an Gesetzgebung dar, die diese verwirklichen sollte

Gleichstellung von Menschen mit Behinderung


 Ergänzung des allgemeinen Gleichheitssatzes 1977 gem. Art 7 Abs 1 B-VG
o „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und
Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten
Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.“
 Schaffung eines ausdrücklichen Verbots von Diskriminierung wegen Behinderung und
Staatszielbestimmung zur Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen
Lebensbereichen
 2005: aufgrund unionsrechtlicher Verpflichtungen Erlassung des BGStG auf einfachgesetzlicher Ebene
Gleichstellung von Frauen und Männern
 Aufnahme folgender Staatszielbestimmung 1998 in die Bundesverfassung (Art 7 Abs 2 B-VG):
o „Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau.
Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern, insb. durch
Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten, sind zulässig.“
 zB Quotenregelung für öffentlichen Dienst

Umwelt- und gesellschaftsbezogene Staatsziele


 Bekennung der Republik zu den im BVG genannten Staatszielen über Nachhaltigkeit, Tierschutz,
Umweltschutz, Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung aus dem Jahr
2013
 Durch nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen soll auch zukünftigen Generationen die
bestmögliche Lebensqualität gewährleistet werden
 Verankerung des umfassenden Umweltschutzes als Staatsziel bereits im Jahr 1984
 zB VfGH hat Umweltschutzinteressen als Kriterium der Bedarfsprüfung bei Erteilung von Konzessionen für
Binnenschifffahrt angenommen

Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks


 Nach Art I Abs 3 des BVG-Rundfunk, BGBI 396/1974 ist Rundfunk eine öffentliche Aufgabe.
  besondere Bedeutung des Rundfunk für demokratische Gesellschaftsordnung und Verantwortung des
Gesetzgebers für funktionierende Rundfunkordnung soll angesprochen werden

Immerwährende Neutralität?
 26. Oktober 1955: Erklärung der Republik Österreichs, durch das BVG über die Neutralität Österreichs
o zum immerwährend neutralen Staat
 Änderung des Art 23f B-VG  Klarstellung, dass Österreich auch an humanitären Aufgaben und
Rettungseinsätzen, friedenserhaltenden Aufgaben, sowie Kampfeinsätzen bei der Krisenbewältigung,
einschließlich friedenschaffender Maßnahmen teilnehmen kann
 Österreich ist nicht daran gehindert sich neutral zu Verhalten, aber es hat keine verfassungsrechtliche und
völkerrechtliche Verpflichtung mehr dazu.
 Entscheidendes Element einer dauernden und immerwährenden Neutralität:
o Allgemeine Verpflichtung sich im Kriegsfall neutral zu verhalten
o (enthält auch sog. „Vorwirkungspflichten“, d.h. das Verbot, auch in Friedenszeiten Verpflichtungen
einzugehen, die die Neutralität im Kriegsfall gefährden würden)
  Es kann daher gesagt werden, dass Österreich nicht mehr „immerwährend neutral“ ist

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Weitere Staatszielbestimmungen und Gesetzesaufträge


 Betreffen z.B. die umfassende Landesverteidigung, den Schutz der verschiedenen Volksgruppen oder das
gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht
1.3.5 Die soziale Marktwirtschaft
 In B-VG  keine ausdrückliche Entscheidung für ein bestimmtes Wirtschaftssystem
 Marktwirtschaftliches System: Ableitung aus österreichischer BVG durch zahlreiche
Verfassungsbestimmungen  Gesetzgebung kommen deutliche Gestaltungsmöglichkeiten zu
 Soziale Marktwirtschaft: Ableitung aus einer Reihe von einfachgesetzlicher Regelungssysteme und das
System der Sozialpartnerschaft - Absicherung sozial schwacher Gruppen (Sozialversicherungsrecht,
Pensionssystem, Gleichbehandlungsgesetze)
 Diese Grundentscheidung der österr. Rechtsordnung ist heute, durch das unionsrechtlich determinierte
Bekenntnis, zu einem wettbewerbsfähigen, sozialen, marktwirtschaftlich funktionierenden Binnenmarkt auf
europäischer Ebene überlagert.

1.3.6 Landesverfassungen
 Länder haben das Recht, sich selbst Verfassungen zu geben  Landesverfassungen
o diese dürfen aber nicht gegen die Bundesverfassung verstoßen
o Bereiche, die durch B-VG nicht vorgegeben sind, können im Rahmen der relativen Verfassungshoheit
bzw Verfassungsautonomie frei geregelt werden
 zB Wahl des Bgm direkt durch Gemeindevolk oder durch Gemeinderat, Anzahl der Mitglieder der LReg –
Verhältniswahl oder Mehrheitswahl?

1.4 Einfache Gesetze


 Regeln in ihrer Funktion als Steuerungs- und Ausgestaltungsinstrumente verschiedenste Sachbereiche,
Verfahren oder organisatorische Rahmenbedingungen
 Dem Gesetzgeber steht es – innerhalb verfassungsrechtlicher Grenzen – frei, jeden Sachverhalt zu regeln 
rechtspolitischer Gestaltungsspielraum
 Allgemeinverbindliche Rahmenbedingungen für alle Lebensbereiche
 Einfache Landesgesetze sind gleichrangig mit einfachen Bundesgesetzen
 Gesetzgebungsorgane – NR gemeinsam mit BR und Landtage

1.5 Stufenbau der Rechtsordnung


 Recht entsteht in Erzeugungsprozess
o Der von obersten, abstrakten Normen über mehrere Stufen
o Zu immer konkreteren Rechtsnormen führt
 Auf jeder einzelnen Stufe wird Recht gesetzt
 Rechtsetzer ist dabei stehts an übergeordnete Norm gebunden („heteronome Determinante“)
o Gestaltungsfreiheit, soweit übergeordnete Rechtsnormen keine Bindungen vorsehen („autonome
Determinante“)

 Verwaltungsbehörden und Gerichte sind


bei Erlassung von Bescheiden und Urteilen
an Gesetze und Verordnungen gebunden
o Verordnungserlassende Behörde
ist an Gesetze gebunden
o Gesetzgebung ist an Verfassung
und Verfassungsgesetzgebung und
Grundprinzipien gebunden

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1.6 Gesetzgebung
 NR übt gemeinsam mit BR Gesetzgebung aus
 BR soll Länderinteressen im Prozess der Bundesgesetzgebung wahrnehmen
 Schaffung „generell-abstrakter“ Normen
o Beziehen sich nicht auf spezifische Einzelsachverhalte und konkrete Individuen,
o Sondern entfalten in den geregelten Bereichen für die Allgemeinheit verbindliche Wirkung
 Gegenteil  „individuell-abstrakte“ Normen
o Rechtsakte, die sich auf eine bestimmte Person oder einen bestimmten Personenkreis beziehen und
nur für diese bzw diesen Rechtskraft entfalten (zB Bescheid, Urteil)
 Durch Gesetze werden politische Zielsetzungen verwirklicht

1.6.1 Bundesgesetzgebung
Regierungsvorlage von Bundesregierung
 Grundlage sind meist Ministerialentwürfe (von BReg in Form sog Regierungsvorlagen)
 zB Initiativantrag (mind. 5 NR-Abgeordnete), Gesetzesvorschläge des BR und Volksbegehren auf
Beschluss des Nationalrates
Lesung und Abstimmung im Nationalrat
 1. Lesung: Beratung über allgemeinen Inhalt  Zuweisung an Ausschuss
 2. Lesung: Bericht der Ergebnisse der Beratungen des Ausschusses an das Plenum
o Unterteilung in General- und Spezialdebatte
o Generaldebatte: generelle Zielsetzung des Gesetzesvorschlages wird diskutiert
o Spezialdebatte: es kann auf einzelne Bestimmungen oder Problemstellungen eingegangen
werden
 3 Lesung: Abstimmung im Plenum
Einfache Gesetze Verfassungsgesetz
mind 1/3 Anwesenheit mind. ½ Anwesenheit (Präsenzquorum)
mind. ½ Zustimmung mind. 2/3 Zustimmung zu (Konsensquorum)
Übermittlung an den BR zur Durchführung des Einspruchverfahrens
 Lesung und Abstimmung im Bundesrat (Durchführung des Einspruchsverfahrens
 bei Ablehnung des BR mit „suspensivem Veto“  kann durch Beharrungsbeschluss des NR
aufgehoben werden S.28
Beurkundung durch den Bundespräsidenten
bei Änderung der Grundprinzipien vorher noch Volksbefragung
Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler
Verlautbarung im BGBl (ris.bka.gv.at) und gleichzeitiges Inkrafttreten des Gesetzes
 wird mit Ablauf des Tages der Kundmachung rechtlich verbindlich

1.6.2 Landesgesetzgebung
 Erfolgt durch den jeweiligen Landtag
 Mitglieder des Landtages werden vom Landesvolk gewählt
 Gesetzgebungsverfahren ist jenem im NR sehr ähnlich
o  dem Bund kommt ausnahmsweise eine Mitwirkung an der Landesgesetzgebung zu, wenn diese zB
Abgaben zum Gegenstand hat

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1.7 Vollziehung
1.7.1 Wer handelt, wenn der Staat handelt?
 sind Bündel von Zuständigkeiten
 vom Gesetz vorgesehene Einrichtungen, die bestimmte Staatsaufgaben wahrnehmen
o zB NR ist ein Organ der Gesetzgebung
o Polizist ist Organ der öffentlichen Sicherheitsverwaltung
 Unterscheidung von
o Organ im organisatorischen Sinn  Gesetzgeber ist zuständig, ihre Organisation
1.
zu regeln (BVB durch Landesgesetzgeber)
Organe
o Organ im funktionellen Sinn  wird auch im Rahmen der mittelbaren
Bundesverwaltung tätig – somit funktionell für den Bund
 Organwalter  natürliche Personen, die Organfunktion annehmen und hinter dem
Organ stehen zB Bundespräsident ist Organ und ihr Organverwalter war Fischer
 Organ handelt für juristische Person
 Schäden können Dritte nur im Wege der Amtshaftung beim Bund geltend machen
 Organ mit Hoheitsgewalt (imperium)
 Imperium ist die rechtliche, durch Gesetz verliehene Fähigkeit, einseitig verbindliche
2. Rechtsakte zur Vollziehung von Gesetzen zu erlassen
Behörden  zB Bescheide und Urteile
o zB Bundesminister (Bundesministerium als Verwaltungs- bzw. Hilfsapparat),
BVB, LH, LReg, Verwaltungsgerichte, Landesgundverkehrsbehörde, Gemeinderat
3.  Unterscheidung ergibt sich daraus, ob innerhalb eines Organs die Willensbildung
Kollegialorgane o Allein  monokratisches Organ bzw. Behörde
– (zB Bundesminister, Landeshauptmann LH, Bundeshauptmann BH, Bgm)
monokratische o oder durch mehrere Personen  Kollegialorgane erfolgt
Organe (zB Bundesregierung, Landesregierung, Gemeinderat)

1.7.2 Vollziehung: Gerichtsbarkeit und Verwaltung


Gerichtsbarkeit
Ordentliche Gerichtsbarkeit
 Streitigkeiten zwischen Privatpersonen  Privatrecht
 Zuständigkeit: ordentliche Gerichte (sind Bundesbehörden)

Gerichtsbarkeit öffentlichen Rechts


 Angelegenheiten, in denen der hoheitlich handelnde Staat bei der Erfüllung seiner Staatsaufgaben beteiligt
ist  öffentliches Recht
 Zuständigkeit: Verwaltungsbehörden und Gerichte öffentlichen Rechts (VwG, VwGH, VfGH)

 Unterscheidung grundlegend für österreichische Rechtsordnung


o Wird meist bereits durch Materiengesetze selbst festgelegt
 Übergeordnetes Gericht hat keinerlei Weisungsbefugnis an ein untergeordnetes Gericht

S.33 Übersicht über die Staatsfunktionen

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Verwaltung
Hoheitsverwaltung Privatwirtschaftsverwaltung
 Vollziehung des öffentlichen Rechts der  Der Staat (Bund, Länder, Gemeinden) kann auch im
Verwaltungsbehörden zB Gewerbeordnung Rahmen des Privatrechts handeln und zB Verträge
 Weisungsgebundenheit: hierarchisch gegliedert – abschließen  handeln wie jede „Privatperson“
übergeordnete Organe haben Weisungsbefugnis (= „Privatrechtsfähigkeit“)
 Legalitätsprinzip: gesamte staatliche Verwaltung  Verträge unterliegen der ordentlichen
kann nur aufgrund von Gesetzen ausgeübt werden Gerichtsbarkeit
 einfaches Verwaltungshandeln bzw. schlichte  zB Gemeinde ist Eigentümer eines Seegrundstücks
Hoheitsverwaltung wie Vorbereitung von durch Fiskalgeltung der Grundrechte begrenzt
Entscheidungen, Erstellung von Gesetzesentwürfen,
Ausstellung von Urkunden, Bürotätigkeiten etc.
Prinzipien der Verwaltung
 Weisungsbindung
o Hierarchische Organisation
o die nachgeordneten Organe sind den jeweils übergeordneten Organen weisungsgebunden
 Legalitätsprinzip (Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung)
o Ausübung der gesamten staatlichen Verwaltung nur auf Grundlage von Gesetzen
o Jeder Bescheid, VO, AuvBZ muss gesetzlich begründet werden

Einfaches Verwaltungshandeln
 Behörden und Organe werden auch tätig, ohne hoheitliche Akte zu erlassen  schlichte Hoheitsverwaltung
o ist bei den meisten Staatsangelegenheiten
 Staat greift aber in subjektive Rechte von Personen ein
o  muss sich einer Rechtsform bedienen, die Kontrolle ermöglicht, um die Gesetzmäßigkeit zu
gewährleisten (Prinzip des Rechtsstaates).

Bundesverwaltung
 Höchste Ebene der Bundesverwaltung: BPräs, BReg als Kollegialorgan und Bundeskanzler, Vizekanzler
und die einzelnen BM als monokratische Organe
o ALLE sind einander gleichgeordnet (keine Weisungsbefugnis zwischen ihnen)
o und bei der Setzung bestimmter Akten voneinander abhängig
o jeder BM ist für seinen Vollziehungsbereich oberstes Verwaltungsorgan und verantwortlich
 B-VG gibt Rahmenbedingungen vor, ob und welche Angelegenheiten unmittelbar von Behörden des
 Bundes oder mittelbar von Landesbehörden zu vollziehen sind

 Unmittelbare Bundesverwaltung
o Bundeseigene Behörden werden tätig (eher Ausnahme)
z.B. Bundespolizei, Finanzämter, Studienbeihilfenbehörden
o Angelegenheiten können nur in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen werden, wenn deren
Vollziehung dem Bund übertragen ist und für die die Möglichkeit der unmittelbaren
Bundesverwaltung eröffnet wird
o Ob Angelegenheit, welche diese beiden Voraussetzungen erfüllt, tatsächlich in unmittelbarer
Bundesverwaltung vollzogen werden, entscheidet einfache Bundesgesetzgebung.
o Gegen Entscheidungen der Verwaltungsbehörden in unmittelbarer Bundesverwaltung kann
Beschwerde an das BVwG erhoben werden.
 Mittelbare Bundesverwaltung
o Landesbehörden werden tätig (BVG in Art 102 B-VG)
 zahlreiche Angelegenheiten der Bundesverwaltung werden von Landesbehörden vollzogen
o Landesbehörden (insbes. die BVB und der LH) werden für den Bund, also funktionell als
Bundesbehörden tätig, obwohl sie organisatorisch Landesbehörden sind.
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o In den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung besteht ein


Weisungszusammenhang zwischen Bundes- und Landesbehörden (der zuständige BM kann
nur dem LH Weisungen erteilen, Verbot des Weisungsdurchgriffs)
o Vorteile: Vermeidung einer doppelten Verwaltungsorganisation; Länder, die über wenig eigene
Gesetzgebung- und Vollziehungskompetenzen verfügen, werden stärker an der Staatsgewalt
beteiligt
o Aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit besteht kein Weisungszusammenhang zu Bundes- oder
Landesorganen.
Landesverwaltung
 Wird von Landesbehörden besorgt
 Jedes Bundesland ist in politische Bezirke gegliedert – Verwaltung dieser von den BVB
 LReg: Kollegialorgan, oberstes Organ der Landesverwaltung, ist gegenüber der BVB weisungsbefugt
o Über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden in Landesverwaltungssachen
entscheiden die LVwG.

Gemeinden
 besondere Rolle innerhalb der österreichischen Verwaltung
 eigener und übertragener Wirkungsbereich
 Eigener Wirkungsbereich:
o umfasst alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der örtlichen
Gemeinschaft liegen
o und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden (Art
118 Abs 2 B-VG)
o Aufgaben des jeweiligen Wirkungsbereichs sind in den die jeweiligen Angelegenheiten regelnden
Gesetzen explizit als solche zu bezeichnen  Bezeichnung wirkt konstitutiv, dh erst AUFGRUND einer
solchen einfachgesetzlichen Anordnung zählt eine bestimmte Aufgabe tatsächlich zum eigenen
Wirkungsbereich
o Kein Weisungsrecht von Behörden außerhalb des Selbstverwaltungskörpers
o Kein Instanzenzug nach außen (aber Beschwerde an VwG)
o Nach Ausschöpfung des innergemeindlichen Instanzenzugs besteht Möglichkeit der Beschwerde an
die VwG
 Übertragener Wirkungsbereich:
o Gemeinden werden funktionell für Land oder Bund tätig (Bundes- oder Landesvollziehung)
o Zuständiges Organ: Bgm
 Weisungszusammenhang zu den übergeordneten Landes- bzw. Bundesorganen (Art 119 B-VG) (6)
 zB Führung der Landeswählerevidenz (in Vollziehung von Landessachen), Meldewesen (in Vollziehung von
Bundessachen)

Andere Selbstverwaltungskörper
 neben Gemeinde noch andere, verfassungsrechtlich verankerte, Selbstverwaltungskörper
 Für sie gilt Ähnliches wie für Gemeinden: eigener und übertragener Wirkungsbereich, staatliche Aufsicht und
Weisungsfreiheit vs Weisungsbindung, etc.
 Wichtige Selbstverwaltungskörper: Kammern (Wirtschaftskammer, Arbeitskammer),
Sozialversicherungsträger, Österreichische HochschülerInnenschaft und Jägerschaften Übersicht

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STEOP EÖR LE 1: Innerstaatliches Organisationsrecht

1.7.3 Die Akte der Vollziehung

Gerichtsbarkeit Verwaltung
Bescheid
 verfahrensgebundene Entscheidung in konkreter
Verwaltungsrechtssache
Urteil und Erkenntnis:  individueller und konkreter Akt
 individuell-konkrete Rechtsakte Verordnung VO
 beziehen sich auf bestimmte Rechtssubjekte  von Verwaltungsbehörde erlassene
 verpflichten diese zu einem bestimmten Tun  generelle-abstrakte Norm zur Konkretisierung
oder Unterlassen, gestalten Rechtsverhältnisse gesetzlicher Bestimmungen
oder stellen das Bestehen oder Nichtbestehen  zB VO aufgr GewO über vereinfachte
eines Rechtsverhältnisses (konkret) fest Betriebsanlagengenehmigungen)
 Akte unterliegt nachprüfender Kontrolle durch  materiell gesehen, ist eine VO ein Gesetz, weil sie
Gerichte (VwG oder ordentlicher Gerichte) und generell-abstrakt Verhaltensweisen regelt,
durch Höchstgerichte (VfGH, VwGH, OGH)  formell (von ihrem Zusammenkommen her)
betrachtet ist die VO ein Verwaltungsakt, weil sie
von einer Verwaltungsbehörde erlassen wird (u
nicht v gesetzgebenden Organen NR u BR, Landtag)
 steht zwischen Gesetz und Bescheid
Beschlüsse: Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt
 individuell-konkrete Entscheidungen der Gerichte  Handlungen eines Organs einer Behörde aufgrund
 oft – Entscheidungen über prozessuale Fragen des Gesetzes, die ohne vorhergehendes
 zB Zurückweisung einer Klage, weil ordentliches Verfahren gesetzt werden
Angelegenheit bereits streitanhängig ist, oder  Verhaftung aufgrund Fahrens unter Alkoholeinfluss
Einstellung des Verfahrens und Überschreitung der Geschwindigkeit – ohne
Führerschein
Weisungen
 „Befehle“ eines übergeordneten Organs an ein
untergeordnetes
 Weisungen sind auch innerhalb ein- und derselben
Behörde möglich
 Weisungen richten sich immer nur an staatliche
Organe und nie an Privatpersonen (Dritte)
 Können generell-abstrakt oder individuell-konkret
sein
einfaches Verwaltungshandeln
 Umfasst jenes Verwaltungshandeln, das – wenn
auch im Zusammenhang mit der Vollziehung von
Gesetzen – formlos geschieht
 (unverbindliche) telefonische Auskunftserteilung
einer Behörde
privatwirtschaftliches Verwaltungshandeln
 Verwaltung handelt rechtstechnisch mit denselben
Mitteln wie sie auch jeder Privatperson zur
Verfügung stehen

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STEOP EÖR LE 1: Innerstaatliches Organisationsrecht

Rechtsschutz bei der Vollziehung


 Dem rechtsstaatlichen Prinzip zufolge muss es möglich sein, fehlerhafte Entscheidungen einer
Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts von einer übergeordneten Behörde auf ihre Gesetzmäßigkeit
überprüfen zu lassen
 Rechtsmittel gegen zivilrechtliche Entscheidungen: Berufung, Rekurs, Revision, Revisionsrekurs
 In gerichtlichen Strafverfahren: Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde
 höchste Instanz von Zivilrechtssachen und gerichtlichen Strafsachen: Oberster Gerichtshof OGH (manchmal
auch Oberlandesgerichte oder Landesgerichte)
 In Verwaltungsangelegenheiten sind idR die VwG als Rechtsmittelinstanz vorgesehen, sie sind mit dem
Rechtsmittel der Beschwerde anzurufen. Gegen deren Entscheidung steht der Rechtsweg an den VwGH

 Instanzenzug – ein Urteil der ersten Instanz kann durch die zweite Instanz kontrolliert werden  immer
Kontrolle übergeordneter Organe, oberste Organe haben diese Befugnis, weil sie dem Parlament
verantwortlich sind
 Ein Minister kann nicht nur für sein eigenes Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden, sondern auch
für jenes der unteren Organe und muss somit auch die Möglichkeit haben hier einzugreifen

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STEOP EÖR LE3: Grundrechte der Wirtschaft

2 LE3: Grundrechte der Wirtschaft


Allgemeines zu den Grundrechten

2.1 Was sind Grundrechte?


 verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte
 sind subjektive Rechte  Rechte des Einzelnen, die regelmäßig in rechtlichen Verfahren durchsetzbar sind
 Grundlage: in Vorschriften mit Verfassungsrang
 In erster Linie staatliche Abwehrrechte  schaffen Freiheitsraum gegenüber Eingriffen durch den Staat
 Setzen dem Handeln des Staates in all seinen Entscheidungen Grenzen
 daraus folgen Unterlassungspflichten für den Staat – gelegentlich auch positive Handlungspflichten
(Gewährleistungspflichten), die den Staat zu einem Handeln verpflichten, das erst die Inanspruchnahme des
Grundrechts ermöglicht
 meist kann nicht entnommen werden, in welcher Weise der Staat seine Handlungspflichten zu erfüllen hat
 rechtspolitischer Gestaltungsspielraum
 Handlungspflichten treten in verschiedenen Konstellationen auf
o Staat muss die Voraussetzungen für die grundrechtliche Gewährleistung schaffen (Einrichtung von
Gerichten mit RichterInnen und gesetzliche Regelung der Gerichtsorganisation und des
Gerichtsverfahrens, Wahlrecht und Sicherung des Wahlgeheimnisses, Eigentumsfreiheit,
Eheschließung)
o Schutzpflicht  Schutz der Grundrechte vor Eingriffen dritter, nichtstaatlicher Seite (gegen Gefahren
im Straßenverkehr geeignete Maßnahmen treffen – Recht auf Leben)

2.2 Wo sind Grundrechte geregelt?


 sind üblicherweise integraler Bestandteil einer Verfassungsurkunde und stehen an prominenter Stelle 
Zersplitterung der österreichischen Bundesverfassung in zahlreiche Verfassungsgesetze und
Verfassungsbestimmungen als Teile „einfacher“ Gesetze – daher kein einheitlicher Grundrechtskatalog
sondern zahlreiche Grundrechtsquellen
 Staatsgrundgesetz 1867 – allgemeinen Rechte der Staatsbürger (StGG)
 Europäische Menschenkonvention (EMRK) – völkerrechtlicher Vertrag, in Österreich seit 1964 in
Verfassungsrang, auch Konventionsrechte (Art 6 EMRK – Recht auf ein faires Verfahren) können als
verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte vor dem VfGH geltend gemacht werden
 Bedeutende Grundrechte im Stammgesetz der österreichischen Bundesverfassung B-VG vom 1.10.1920
(Gleichheitsgrundsatz, Recht auf Verfahren vor gesetzlichem Richter)
 Bundesverfassungsgesetz – Schutz der persönlichen Freiheit
 Grundrecht in „einfachem“ Gesetz – Grundrecht auf Datenschutz (§1 Datenschutzgesetz)
 Grundrechtscharta der EU
o Unionsgrundrechte binden EU und ihre Organe
o Aufgrund „Durchführung des Unionsrechts“ sind auch die Mitgliedstaaten daran gebunden
o Soweit die betreffende Garantie „in ihrer Formulierung und Bestimmtheit verfassungsgesetzlich
gewährleisteten Rechten der österreichischen BV gleicht“, für den VfGH einen Prüfungsmaßstab im
Gesetzesprüfungsverfahren und bei Prüfung von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte
o Inhaltlich sind zahlreiche verbürgten Grundrechte an die EMRK oder gemeinsame
Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten angelehnt – Unterschiede in Teilbereichen
o Enthält nicht nur für den Einzelnen durchsetzbare (=justiziable) Rechte, sondern auch sog
Grundsätze, die durch Unionsrecht oder nationales Recht umgesetzt werden können  Grundsätze
sind prinzipiell nicht justiziabel
o Unterschied zwischen Rechten und Grundsätzen liegt häufig in Formulierung (hat ein Recht auf =
Charta-Recht / „achtet“ = Charta-Grundsatz)

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STEOP EÖR LE3: Grundrechte der Wirtschaft

2.3 Welche Grundrechte gibt es?


Freiheitsrechte  schützen bestimmten Ausschnitt aus der Lebenswirklichkeit des Einzelnen gegen
Eingriffe des Staates
 Einteilung in
o Fundamentalgarantien (Recht auf Leben, Folterverbot, Verbot der
Zwangsarbeit)
o sonstige Rechte der Person (Recht auf persönliche Freiheit, Freizügigkeit,
Achtung des Privat- und Familienlebens, Hausrecht, Religionsfreiheit)
o Grundrechte des Gemeinschaftslebens (Kommunikationsfreiheiten,
Wissenschaftsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Kunstfreiheit)
o Grundrechte des Wirtschaftslebens (Erwerbsfreiheit, Eigentumsfreiheit,
Freizügigkeit des Vermögens)
Gleichheitsrechte  Hier dient das Grundrecht nicht dem Schutz eines Lebensbereiches gegenüber
Eingriffen des Staates
 aus Gleichheitsrechten folgen das Verbot der unsachlichen Differenzierung und
das allgemeine Sachlichkeitsverbot (allgemeiner Gleichheitssatz, BVG
Rassendiskriminierung)
Verfahrensgarantien  Zusammenfassung nach inhaltlichen Gesichtspunkten, die sich auf Organisation,
Ausgestaltung und Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens beziehen
 Recht auf Zugang zu Gericht, Recht auf ein Verfahren vor dem gestzl Richter
Politische Rechte  Wahlrecht, Petitionsrecht
Soziale Grundrechte  subjektive verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte
 gewähren dem Einzelnen Anspruch auf soziale Leistungen durch den Staat (Recht
auf Arbeit, Wohnung)
 österr. BV sieht solche Rechte nicht vor – aus Freiheits- und Gleichheitsrechten
können aber in gewissem Maße Ansprüche mit sozialem Bezug (=Teilhaberrechte)
abgeleitet werden
2.4 Wen verpflichten die Grundrechte?
 Verpflichten den Staat in all seinen Erscheinungsformen
 Binden sowohl die Gesetzgebung als auch die Vollziehung (Verwaltungsbehörden, Gerichte)

2.4.1 Bindung der einfachen Gesetzgebung


 Folge des Verfassungsrangs von Grundrechten (Gesetz in Hierarchie höhergestuft)
 Umfang und Reichweite der Bindung an die Grundrechte ergibt sich aus jeweiliger Grundrechtsbestimmung
 Meisten Grundrechte stehen unter sog Gesetzesvorbehalt  ermächtigt den einfachen Gesetzgeber
Grundrechte sowohl näher auszugestalten als auch zu beschränken
 EMRK schränkt Gesetzesvorbehalt ein: dass gesetzliche Eingriffe zulässig sind, soweit sie eine Maßnahme
darstellen, „die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und
Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung zur Verhinderung von
strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Gesundheit und der
Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist“
 Eingriffsschranken  Beschränkung der Grundrechte nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zulässig
 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz  Eingriff muss erforderlich, geeignet und verhältnismäßig im engeren Sinne
sein

2.4.2 Bindung der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit


 Verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte binden auch Verwaltungsbehörden und Gerichte
 Beachtung der Grundrechte bei Urteil oder Erkenntnis (Gericht) und Erlassung eines Bescheides
(Verwaltungsbehörde)
 Jeder Grundrechtseingriff bedarf entsprechender gesetzlicher Ermächtigung
 Staatliche Organe dürfen nicht willkürlich handeln – sonst Verletzung des Gleichheitssatzes

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STEOP EÖR LE3: Grundrechte der Wirtschaft

2.4.3 Fiskalgeltung der Grundrechte


 Staat ist nicht nur an Grundrechte gebunden, wenn er hoheitlich tätig wird (Bescheide)
 = Bindung des Staates als Träger von Privatrechten an die Grundrechte  Fiskalgeltung der Grundrechte
(Verträge – Dienstverträge, Auftragsverträge)

2.4.4 Mittelbare Wirkung zwischen Privatpersonen („Drittwirkung“)


 Grundrechte binden Staat, nicht aber Privatpersonen
 Grundrecht ermöglicht es Privatpersonen nicht gegenüber anderen Privatpersonen unmittelbar Ansprüche
einzuräumen
o Berufung auf ein Grundrechte zwischen Unternehmern nicht möglich
 Grundrechte wirken zwischen Privatpersonen mittelbar
o Mittelbar über die Gesetze – regeln Verhalten, dürfen Grundrechte nicht verletzen
o Behörden und Gerichte legen Gesetze bei Rechtsverhältnissen zwischen Privaten aus und wenden sie
an

2.5 Wen berechtigen die Grundrechte?


 Schützen natürliche Personen (Menschen) und grundsätzlich auch juristische Personen (AG, GmbH) vor
unverhältnismäßigen Eingriffen durch den STAAT.
 In EMRK verankerte Grundrechte sind fast ausschließlich Jedermannsrechte  jede Person kann sich darauf
berufen
 Einige der im StGG und im B-VG
verankerten Grundrechte sind dagegen
als Staatsbürgerrechte gewährleistet
(Erwerbsfreiheit, Gleichheitssatz)  nur
inländische Personen können sich darauf
berufen – wegen des in der EU und im
EWR geltenden Diskriminierung aufgrund
der Staatsangehörigkeit können sich auch
Personen aus anderen EU- bzw EWR-
Mitgliedsstaaten auf solche Grundrechte
berufen.

2.6 Wer überwacht die Einhaltung der Grundrechte?


 Überwachung obliegt vor allem dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) einer von den 3 obersten Gerichtshöfen
 VfGH prüft Rechtsgültigkeit anhand der Verfassung und überwacht, dass Gesetze grundrechts- und
verfassungskonform sind – bei Rechtswidrigkeit Aufhebung  prüft Verfassungsmäßigkeit von
o Erkenntnisse und Beschlüssen der VwG
o Gesetzen (Verwaltungsgesetze, Zivilgesetze, Strafgesetze)
o Verordnungen (Maßstab ist hier die Rechtsmäßigkeit schlechthin)
 VwG prüfen
o Bescheide, AuvBZ hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit (Rechtswidrigkeit kann auch in
Grundrechtswidrigkeit liegen)
 OGH prüft (Grundrechtsverletzungen können geltend gemacht werden)
o Urteile und Beschlüsse der ordentlichen Gerichte hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit
(Grundrechtsverletzungen können zur Rechtswidrigkeit führen, zB Verletzung des rechtlichen
Gehörs)
o Beachte: Parteiantrag auf Normenkontrolle an den VfGH kann nach der 1. Instanz bei Bedenken
gegen die Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Rechtsgrundlage erhoben werden
 EuGH
o Stellt Einhaltung der Grundrechtecharta (GRC) auf unionsrechtlicher Ebene sicher (Unionsrechtsakte
und nationale Rechtsakte dürfen nicht gegen die GRC verstoßen)
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STEOP EÖR LE3: Grundrechte der Wirtschaft

 EGMR
o Stellt die Einhaltung der EMRK sicher
o Bei Behauptung einer Konventionsverletzung Beschwerdemöglichkeit nach Ausschöpfung
innerstaatlicher Rechtsbehelfe

II. Die Erwerbsfreiheit

2.7 Schutzbereich der Erwerbsfreiheit und Eingriffe


2.7.1 Schutzbereich der Erwerbsfreiheit
 Persönlicher Schutzbereich:
o Art 6 Abs 1 StGG: „Jeder Staatsbürger kann (…) unter den gesetzlichen Bedingungen jeden
Erwerbszweig ausüben.“
o Inländische natürliche und juristische Personen
o (nach herrschender Rsp und Lehre auch EWR-Angehörige)
 Sachlicher Schutzbereich:
o Jede selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit, die auf wirtschaftlichen Erfolg gerichtet
ist  jede Erwerbstätigkeit und nicht etwa nur eine gewerbliche Tätigkeit
o Schutzbereich: sowohl der Antritt einer Erwerbsbetätigung als auch deren Ausübung

2.7.2 Eingriffe in die Erwerbsfreiheit


Eingriff = jeder staatliche Akt, der die grundrechtlich geschützte Sphäre (Schutzbereich) eines Grundrechtsträger in
belastender oder beschränkender Weise berührt

Arten der Eingriffe je nach Eingriffsintensität:

Objektive Zugangsbeschränkungen
 Beschränkungen des Zugangs zu einer Erwerbstätigkeit, die der bzw. die Betroffene nicht aus eigener Kraft
überwinden kann
 Stellen besonders gravierende Eingriffe in die Erwerbsfreiheit dar (zB Bedarfsprüfung – nur wenn in dem
betreffenden räumlichen Gebiet ein Bedarf nach dem Gewerbe besteht)

Subjektive Zugangsbeschränkungen
 Beschränkungen des Zugangs zu einer Erwerbstätigkeit, die in der Person des bzw. der Betroffenen liegen
und die diese/r aus eigener Kraft überwinden kann (zB Ausbildungserfordernisse)
 Stellt einen gewichtigen Eingriff in die Erwerbsfreiheit dar – in der Regel weniger schwer als eine objektive
Zugangsbeschränkung (Befähigungsnachweis für Betrieb einer Gaststätte)

Ausübungsbeschränkungen
 Beschränkungen der Ausübung der Erwerbstätigkeit, ohne den Zugang zur Tätigkeit einzuschränken.
 Ausübungsbeschränkungen sind weniger schwerwiegend als Zugangsbeschränkungen (zB
Ladenschlusszeiten, Werbeverbote, Vorgaben zur Preiskalkulation).
 Es wird nicht der Zugang zu einem Gewerbe untersagt, sondern lediglich das „Wie“ des Geschäftsbetriebes
reglementiert, dem Gesetzgeber steht bei Regelungen der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer
Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt)
beschränken, soweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften der Eingriff in
die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist als durch Vorschriften, die den
Zugang zum Beruf überhaupt behindern

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STEOP EÖR LE3: Grundrechte der Wirtschaft

2.8 Bindung der Gesetzgebung


Nicht jeder Eingriff in ein Grundrecht stellt eine Verletzung dieses Grundrechts dar!

Prüfung: ob der festgestellte Eingriff verfassungsgemäß oder verfassungswidrig ist

2.8.1 Gesetzesvorbehalt
 Grundrecht der Erwerbsfreiheit ist nicht ABSOLUT garantiert  Gesetzgeber darf freie Erwerbstätigkeit
beschränken
 Grds nur formeller Gesetzesvorbehalt – „unter den gesetzlichen Bedingungen“
 ABER: nach stRsp unterliegen gesetzliche Eingriffe dennoch der Verhältnismäßigkeitskontrolle (VfSlg
10.179/1984)  der Staat darf zwar Erwerbsbetätigung reglementieren, er muss aber im Hinblick auf die
von der Verfassung garantierte Erwerbsfreiheit möglichst schonend vorgehen

2.8.2 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz


 Eingriffe in die Erwerbsausübungsfreiheit sind nur zulässig, wenn sie die Verhältnismäßigkeit wahren
 Verhältnismäßigkeit =
o Öffentliches Interesse
o Eignung
o Erforderlichkeit
o Adäquanz (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn)
 Bedeutung des öffentlichen Interesses muss umso gewichtiger sein, je höher die Eingriffsintensität
 Je geringer die Eingriffsintensität, desto größer der Gestaltungsspielraum, den der Gesetzgeber bei der
Beschränkung der Erwerbsfreiheit hat!

Öffentliches Interesse
 Öffentliches Interesse kann in vielerlei Hinsichten bestehen
o Umweltschutz
o Konsumentenschutz (vgl Bsp im Buch, VfSlg 12.379/1990)
o Gesundheitsschutz
o öffentliche Ordnung etc.
 VfGH prüft dieses Kriterium nicht sehr streng  weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers
(sog „Vertretbarkeitskontrolle“)
 Es ist zu prüfen, ob die bekämpfte Vorschrift verhältnismäßig ist

Geeignetheit
 Gesetz muss zur Erreichung des im öffentlichen Interesse gelegenen Ziels geeignet sein
 Hier ebenfalls weiter Gestaltungsspielraum
o Standortbeschränkungen für Einkaufszentren  geeignetes Mittel zur Verhinderung des
„Greißlersterbens“
o Bedarfsprüfung bei der Verleihung von Taxikonzessionen  kein geeignetes Mittel zur Durchsetzung
der vom Gesetz verfolgten öffentlichen Interessen (reiner Konkurrenzschutz und ist daher mit dem
Grundrecht der Erwerbsfreiheit nicht vereinbar)

Erforderlichkeit
 Gesetz muss erforderlich sein, um das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel zu erreichen
 Gesetzgeber muss gelindestes Mittel zur Zielerreichung wählen
 Gewerbepolizeiliche, wettbewerbsrechtliche Regelungen sind weniger eingriffsintensiv als zB eine
Bedarfsprüfung
 Beachte: VfGH führt Erforderlichkeitsprüfung nur bei Erwerbsantrittsbeschränkungen durch

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STEOP EÖR LE3: Grundrechte der Wirtschaft

Adäquanz (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne)


 Abwägung zwischen Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der rechtfertigenden Gründe (Güterabwägung)
 Angemessene Relation zwischen öffentlichem Interessen und der durch Eingriff beschränkten
Grundrechtsposition – Adäquanz  bei Prüfung, ob ein Grundrechtseingriff adäquat – Güterabwägung
 Je intensiver die Beschränkung der Erwerbsfreiheit, desto gewichtiger muss öffentliches Interesse sein, zu
dessen Gunsten Eingriff vorgenommen wird

2.9 Bindung der Vollziehung


Bescheide von Verwaltungsbehörden sowie Erkenntnisse und Beschlüsse der VwG können, wenn sie den Antritt oder
die Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit untersagen oder beschränken, ebenso die Erwerbsfreiheit
verletzen

 Verbot von Grundrechtseingriffen durch Bescheid oder Entscheidung, die


o ohne gesetzliche Grundlage,
o in Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes
o oder durch verfassungswidrige Gesetzesauslegung ergehen.

III. Die Eigentumsfreiheit

2.10 Schutzbereich und Eigentumseingriffe


2.10.1 Schutzbereich
 Österreichische Verfassung schützt nicht nur Erwerbsbetätigung, sondern auch das Eigentum, das für
Writschaftstreibende mindestens ebenso wichtig ist. – nach Art 5 StGG ist das Eigentum UNVERLETZLICH
 Enteignung kann nur in den Fällen und der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt (auch ZPEMRK und
GRC sehen Schutz des Eigentums vor)
 Persönlicher Schutzbereich
o Jedermann kann sich darauf berufen
 Sachlicher Schutzbereich
o jedes vermögenswerte Privatrecht
o Eigentum, Mietrecht, Pachtrecht, Urheberrecht etc
o auch öffentlich-rechtliche Ansprüche, wenn Gegenleistung des Berechtigten gegenübersteht (zB
Arbeitslosengeld, öffentlich-rechtliche Gehaltsansprüche)
o Privatautonomie (= Recht, privatrechtliche Verträge abzuschließen)

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STEOP EÖR LE3: Grundrechte der Wirtschaft

2.10.2 Eigentumseingriffe
 Liegt vor, wenn ein durch das Grundrecht geschütztes Recht entzogen oder beschränkt wird
 Enteignung
 Entziehung einer Eigentumsposition durch hoheitlichen Akt (Gesetz, Bescheid etc.)
o an einer Sache oder vermögenswertem Recht
o und Übertragung auf einen Dritten
zB Errichtung einer Schnellstraße, Eigentümer der Grundstücke wollen nicht verkaufen
 Eigentumsbeschränkung
 Keine Entziehung des Eigentumsrechts, lediglich Einschränkung der Ausübung
o Einschränkung einer Eigentumsposition
zB Denkmalschutz
o Materielle Enteignung – können in ihrer Wirkung allerdings auch so weit gehen, dass sie praktisch
einer Entziehung des Eigentums gleichkommen
zB Umwidmung, Betretungsverbot

2.11 Bindung der Gesetzgebung


2.11.1 Gesetzesvorbehalt – Verhältnismäßigkeit
 Eigentumsfreiheit ist wie Erwerbsfreiheit nicht ABSOLUT geschützt  Gesetzgeber darf allerdings nur unter
bestimmten Voraussetzungen beschränken
 Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (bei Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen)

2.11.2 Verbot unverhältnismäßiger Enteignungen


 Konkreter Bedarf, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liegt
 Enteignetes Objekt muss zur Deckung dieses Bedarfs geeignet sein
 Es muss unmöglich sein, diesen Bedarf anders zu decken (Einigung mit Eigentümern)

2.11.3 Verbot unverhältnismäßiger Eigentumsbeschränkungen


 Müssen öffentlichem Interesse dienen
 Das öffentliche Interesse muss mit verhältnismäßigen Mitteln verfolgt werden

2.11.4 Gebot der Entschädigung


 Weder Art 5 StGG noch Art 1 1. ZPEMRK räumen Grundrechtsträger ausdrücklich Anspruch auf finanzielle
Entschädigung ein
 EGMR, VfGH leiten für Enteignung jedoch aus den gesetzlichen Bestimmungen Entschädigungsanspruch ab
 Meisten Enteignungsgesetze sehen ohnehin entsprechende Entschädigung vor, vgl § 18
Bundesstraßengesetz 1971
 Weiters: wenn enteignete Sache nicht vorgesehenem Zweck zugeführt wird  Anspruch auf
Rückübereignung, vgl § 20a Bundesstraßengesetz 1971

2.12 Bindung der Vollziehung


 Eigentumsfreiheit bindet auch Verwaltungsbehörden und Gerichte
 Eine in Eigentum eingreifende Entscheidung eines VwG verletzt das Grundrecht, wenn sie…
o ohne gesetzliche Grundlage ergeht,
o sich auf eine verfassungswidrige Rechtsgrundlage stützt
o oder eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage denkunmöglich anwendet
 Bsp im Buch: Enteignung zu bloß landschaftspflegerischen Interessen (nicht gerechtfertigt)

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STEOP EÖR LE3: Grundrechte der Wirtschaft

IV. Verfahrensgrundrechte

 Sichern dem Einzelnen die Durchsetzung seiner materiellen Rechte in einem fairen Verfahren
 verfahrensmäßig gesicherte Rechtsposition
 Gewährleisten damit das rechtsstaatliche Grundprinzip der Bundesverfassung
o Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG)
o Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 EMRK, Art 47 GRC)

2.13 Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter


 niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden

 Ursprünglich Schutz gegen sog „Kabinettsjustiz“ (Versuche der Monarchen gerichtliche Verfahren an sich zu
ziehen bzw. nach Gutdünken Richter zu bestellen oder abzusetzen)
 Heute Schutz und Wahrung der gesetzlich begründeten Behördenzuständigkeit  somit jede staatliche
Behörde – jedes Gericht und jede Verwaltungsbehörde, die mit hoheitlichen Kompetenzen ausgestattet ist
 Verbot einer Behörde ihre Zuständigkeit gesetzeswidrigerweise nicht wahrzunehmen
 Keine unterschiedlichen Berufungsbehörden für gleiche Sachverhalte

2.13.1 Bindung der Gesetzgebung


 Genaue Festlegung der Zuständigkeit (bereits im Gesetz festzulegen und sicherzustellen, dass niemand im
Einzelfall seinem gesetzlichen Richter entzogen werden kann)
 Schaffung von Behörden und Zuständigkeiten nur durch Gesetz
 Verbot konkurrierender Zuständigkeiten verschiedener Behörden

2.13.2 Bindung der Vollziehung


 Genaue Einhaltung der Zuständigkeit
 Entscheidung eines VwG verletzt Art 83 Abs 2 B-VG, wenn das VwG eine ihm gesetzlich nicht zukommende
Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise seine Zuständigkeit ablehnt und damit eine
Sachentscheidung verweigert

2.13.3 Der EuGH als gesetzlicher Richter


 Weil der AG H im Vorabentscheidungsverfahren nach Art 267 AEUV ein gesetzlicher Richter im Hinblick auf
die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts ist, wird das Grundrecht auch verletzt, wenn ein
Vorlagepflichtiges Gericht gegen die Vorlagepflicht verstößt
 In einem solchen Fall würde nämlich den Parteien insofern der gesetzliche Richter entzogen, als eine dem
EuGH vorbehaltene Frage nicht durch diesen gelöst werden könnte
 Vorlagepflichtig ist ein Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des
innerstaatlichen Rechts angefochten werden können (in Österreich VfGH, VwGH und OGH)

2.14 Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 EMRK und Art 47 GRC)
 Art 6 EMRK enthält Reihe von Mindestgarantien in Bezug auf Verfahren,
o in denen zivilrechtliche Ansprüche
o oder strafrechtliche Anklagen betroffen sind.
 Eine dem Art 6 EMRK entsprechende Regelung  enthält Art 47 GRC
o Schutzbereich des Art 47 GRC ist nicht nur auf zivilrechtliche Ansprüche und strafrechtliche Anklagen
beschränkt

2.14.1 Anwendungsbereich des Art 6 EMRK


 Verfahren über Streitigkeiten, die zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen („civil rights and
obligations“) betreffen und Verfahren über strafrechtliche Anklagen
 Anwendungsbereich: autonome Auslegung von Begriffen eines völkerrechtlichen Vertrages (NICHT im Sinne
des nationalen Rechts)
 Zivilrechtliche Ansprüche im Sinne des Art 6 EMRK umfassen
lisaaa.wu 23
STEOP EÖR LE3: Grundrechte der Wirtschaft

o Streitigkeiten unter Privaten


o Verfahren des innerstaatlichen öffentlichen Rechts, wenn Ergebnisse für zivilrechtliche Ansprüche
und Verpflichtungen unmittelbar entscheiden sind, wenn sie die Erwerbstätigkeit der Person
eingreifen oder vermögenswerte Auswirkungen haben.
 Bsp: Grundverkehrsbehördliche Genehmigungen, Enteignungsmaßnahmen, Verfahren zur Erteilung einer
Baubewilligung, Berufsverbote, sozial- und beamtenrechtliche Ansprüche etc.

 Begriff der strafrechtlichen Anklage


o bestimmt sich nach Inhalt der entsprechenden Beschuldigung und den vorgesehenen Strafen
o erfasst gerichtliches Strafrecht + Verwaltungsstrafrecht
o nach Rechtssprechung des VfGH überdies auch Disziplinarstrafen, durch welche Freiheit entzogen
wird oder die in Schwere solchen Strafen gleichkommen (zB Berufsausübungsverbote)
 Anwendungsbereich Art 6 EMRK

2.14.2 Gewährleistungsumfang
 Anspruch auf Tribunal bei zivilrechtlichen Streitigkeiten und strafrechtlichen Anlagen – verfahrensrechtliche
Mindestgarantien
 Verfahrensrechtliche Mindestgarantien:
o Zugang zu Tribunal (gesetzlich eingerichtetes, unabhängiges und unparteiisches Gericht oder eine
entsprechende unabhängige Verwaltungsbehörde)
o Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer
o Anspruch auf öffentliche mündliche Verhandlung
o Anspruch auf faires Verfahren (Gewährung von Parteiengehör)
o Zusätzliche Garantien in Strafverfahren (Unschuldsvermutung, Recht auf Verteidigung … )

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STEOP EÖR LE3: Grundrechte der Wirtschaft

2.15 Weitere Verfahrensgrundrechte


 Keine Strafe ohne Gesetz – „nulla poena sine lege“ (Art 7 EMRK)
 Recht, sich nicht selbst einer Straftat bezichtigen zu müssen (Art 90 Abs 2 B-VG)
 Recht auf wirksame Beschwerde (Art 13 EMRK)
 Doppelbestrafungsverbot – „ne bis in idem“ (Art 4 7. ZPEMRK)

 Es gibt bestimmte Bereiche, in denen kein Recht eingreifen können soll  und falls doch nur in bestimmten
Fällen – nämlich nur durch den Verfassungsgerichtshof
 Österreich ist Mitglied in der EMRK  diese hat Verfassungsstatus und somit die gleiche Ebene
 Vermögen ist grundrechtlich geschützt und man darf alles machen, was man mag (Grundrecht auf
Erwerbsfreiheit und auf Eigentum sind 2 zentrale)

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STEOP EÖR LE5: Gewerbliches Berufsrecht

3 LE5: Gewerbliches Berufsrecht


 Was ist Regelungsgegenstand bzw Regelungsziel der Gewerbeordnung?
 Was ist eine gewerbliche Tätigkeit iSd Gewerbeordnung?
 Anwendungungsbereich? Gewerbearten?
 Voraussetzungen, um Gewerbe ausüben zu dürfen?
 Gewerbelizenz und Gewerbeberechtigung (Inhalt, Berechtigter, Übertragbarkeit, Erlöschen)
 Innerstaatliches Recht  Österreichische Gewerbeordnung
 Rechte und Pflichten – verbunden mit Ausübung eines Gewerbes
 Behördenzuständigkeit?

3.1 Die Gewerbeordnung 1994 – Was regelt sie und worauf zielt sie ab?
Staatsgrundgesetz  „Jeder Staatsbürger kann (…) unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig
ausüben.“ (selbstständig oder unselbstständig)

 Erwerbsbetätigungen damit nicht völlig frei, sondern durch Reihe gesetzlicher Vorschriften reglementiert
 Zentrale Stellung: Gewerbeordnung (GewO)
o Bundesgesetz (vgl Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG)
o Ursprünge bis in das Jahr 1859 (Kundmachungspatent zur GewO)
o Stammfassung der heute geltenden GewO 1994 kundgemacht – zahlreiche Novellierungen
 Versucht Vielzahl an erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten in geordnete Bahnen zu lenken
 Ziel: Förderung der Qualität der angebotenen Leistungen und Abwehr von von Gewerben ausgehenden
Gefahren
 Verlangt für Antritt eines Gewerbes vielfach den Nachweis fachlicher Eignung und gewährt damit in
bestimmten Segmenten nur qualifizierten Fachleuten den Zugang zum jeweiligen Markt  Förderung der
Qualität im Wettbewerb („Wettbewerb der Qualifizierten“)
 Reglementierung der Ausübung des Gewerbes, um mögliche Gefahren für Kunden, Nachbarn und den
Gewerbetreibenden selbst oder sonst betroffene Personen zu verhindern bzw abzuwehren und den Schutz
der Konsumenten zu gewährleisten (Gefahrenabwehr)
 Vorschriften betreffen Ausübung gewerblicher Erwerbstätigkeiten und enthalten für einzelne Gewerbe auch
detaillierte Regelungen

3.2 Für welche Tätigkeiten gilt die GewO?


 GewO gilt nicht für sämtliche, sondern nur für bestimmte Erwerbstätigkeiten, nämlich für
o alle gewerbsmäßig ausgeübten und
o nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten, soweit sie (erlaubt)
o nicht durch die §§2 bis 4 der GewO ausgenommen sind (Länderkompetenzen, Sonderregelungen)

3.2.1 Gewerbsmäßigkeit
 Gewerbsmäßigkeit iSd § 1 Abs 2 GewO wird eine Tätigkeit ausgeübt, wenn sie
o selbständig
o regelmäßig und
o in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen,
gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist.

Selbstständigkeit
 Selbständig = auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt
 Selbständiger ist „eigener Chef“, während Unselbständige den Weisungen eines Dienstgebers/Vorgesetzten
unterliegen
 Selbständiger trägt das geschäftliche Risiko: erhält den erwirtschafteten Gewinn, muss aber auch für den
Verlust einstehen
 Beachte: Wirtschaftliche Abhängigkeit schließt Selbständigkeit nicht aus! (nur ein Auftraggeber)
lisaaa.wu 26
STEOP EÖR LE5: Gewerbliches Berufsrecht

Regelmäßigkeit
 Regelmäßig ist eine Tätigkeit, wenn sie wiederkehrend vorgenommen wird
 Einmalige Tätigkeit = regelmäßig, wenn nach konkreten Begleitumständen auf Wiederholungsabsicht
geschlossen werden kann oder wenn diese Tätigkeit längere Zeit erfordert (zB Bauarbeiten)
 Beachte: § 1 Abs 4 GewO
 Anbieten einer den Gegenstand des Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis an Personen (zB
Inserat) wird der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten

Ertragserzielungsabsicht
 Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil, dh Gewinn, zu erzielen
 Dass Ertrag tatsächlich erzielt wird, ist nicht erforderlich – Ertragserzielungsabsicht genügt
o Anbieten von Waren und Dienstleistungen gegen Entgelt bedeutet nicht automatisch, dass
Ertragserzielungsabsicht vorliegt
o Anbieten von Waren und Dienstleistungen gegen ein variables Entgelt bedeutet nicht
notwendigerweise, dass Ertragserzielungsabsicht fehlt („Pay as you wish“-Restaurant)
 Vereine nach dem Vereinsgesetz: § 1 Abs 6 GewO
o Handeln mit Gewinnabsicht, wenn Vereinstätigkeit Erscheinungsbild eines Gewerbebetriebes
aufweist und auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Mitglieder gerichtet ist

3.2.2 Keine verbotene Tätigkeit


 Für gesetzlich verbotene Tätigkeiten kann man keine Gewerbeberechtigung erhalten
o zB Vermietung von Mautvignetten, Hehlerei, Drogenhandel
 Verstoß gegen einzelne Rechtsvorschriften im Zuge der Ausübung einer erlaubten Tätigkeit spricht nicht
gegen Gewerbsmäßigkeit
o zB Verkauf geschmuggelten, gewilderten Fleisches, Verkauf außerhalb der Ladenöffnungszeiten,
Wuchergeschäfte

3.2.3 Ausnahmen
 Bei Zutreffen einer Ausnahme, unterliegt die betreffende gewerbsmäßig ausgeübte und gesetzlich nicht
verbotene Tätigkeit NICHT der GewO  Regelungen der GewO kommen nicht zur Anwendung
 Es bestehen Sondergesetze, die spezielle Regelungen für den jeweiligen Berufsstand festlegen
 Grund für Ausschluss: allgemeine
Bestimmungen der GewO für
genaue Reglementierung dieser
Tätigkeiten reichen nicht aus
(Banken, Versicherungen,
Rechtsanwälte, Notare,
Ziviltechniker, Ärzte, …)
 Gesetzgeber darf aufgrund
Kompetenzverteilung (gestützt
auf die Kompetenzgrundlage
„Angelegenheiten des
Gewerbes“) keine Sachverhalte
regeln, deren Regelung den
Ländern vorbehalten ist (Land-
und Forstwirtschaft, Berg- und
Schiführer,
Privatzimmervermietung, Kinos
und Veranstaltungsbetriebe, …)

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STEOP EÖR LE5: Gewerbliches Berufsrecht

3.3 Welche Gewerbearten gibt es?

3.3.1 Reglementierte und freie Gewerbe


Je nachdem, ob zur Ausübung eines bestimmten Gewerbes ein Befähigungsnachweis erforderlich und wie dieser zu
erbringen ist, unterscheidet die GewO zwischen reglementierten Gewerben (Unterscheidung zwischen „normal“ und
„verbunden“) und freien Gewerben.

Reglementierte Gewerbe  § 94 GewO: Aufzählung in Liste


 Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen + Erbringung eines Befähigungsnachweises
 dient der Sicherung eines hohen Leistungsstandards und dem Schutz des Kunden
 Gastgewerbe, Reisebüro, Gas- und Sanitärtechnik, Ingenieurbüros, Kosmetik
 zT Handwerke
o z.B. Augenoptik, Friseur, Bäcker, Perückenmacher (Stylist), Rauchfangkehrer, Schuhmacher,
Uhrmacher, Zahntechniker
o  Befähigungsnachweis durch Ablegung der Meisterprüfung
 verbundene Gewerbe/Handwerke
o Tätigkeitsfelder, die zu zwei oder mehreren Gewerben mit besonders engem fachlichem
Zusammenhang gehören
o Wird ein Befähigungsnachweis für ein Gewerbe (Handwerk), das zu einem verbunden Gewerbe
(Handwerk) gehört, in vollem Umfang erbracht, dürfen auch die Leistungen der anderen Gewerbe
(Handwerke), die ebenfalls Teil des verbundenen Gewerbes (Handwerks) sind, erbracht werden
o Spengler  Kupferschmied, Tischler  Bootsbauer/Bildhauer, Gärtner  Florist, Maler  Lackierer
 Politischer Gestaltungsspielraum bei Regelung des Berufszuganges
o Wird dabei in das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit eingegriffen, hat der Gesetzgeber bei der Regelung
Entwicklungen im Tatsächlichen zu berücksichtigen  technische Veränderungen eines
Berufszweiges
o Analogfotografie  Digitalfotografie
o Vergleichbare Tätigkeiten müssen grundsätzlich gleich geregelt werden
 Sonderfall Teilgewerbe
o Umfassen Tätigkeiten eines reglementierten Gewerbes, deren selbstständige Ausführung auch von
Personen erwartet werden kann, die die Befähigung hierfür auf vereinfachte Art (Lehrabschluss,
einschlägige Tätigkeit) nachweisen
 Entfall Teilgewerbe (durch GewO-Novelle 2017)  wurden zu freien Gewerben und dürfen nun ohne
Einschränkung von jeweiligen Stammgewerben ausgeübt werden (Erdbau und Betonbohren sind regl. Gew.
Baumeister zugeordnet)

Freie Gewerbe  alle Gewerbe ≠ § 94 GewO:


 Alle nicht in der Liste befindlichen Gewerbe sind freie Gewerbe

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STEOP EÖR LE5: Gewerbliches Berufsrecht

 Handelsgewerbe (ausg. Medizin, Waffen, …), Werbeagenturen, Gewerbe der Dienstleistungen im Bereich
automatische Datenverarbeitung & IT, Arbeitsvermittlung, Erzeugung kosmetischer Artikel
 Grundsatz: alle nicht reglementierten Gewerbe sind freie Gewerbe
o Stellt sicher, dass neue Tätigkeitsfelder und Berufsbilder entstehen können, ohne Erschwerung durch
Reglementierungen  Auflistung daher nicht möglich (lediglich Liste zur Orientierung ohne Gewähr)
 GewO enthält für einzelne freie Gewerbe spezielle Ausübungsvorschriften (Adressverlage, Tankstellen, …)

Beachte: Wird eine gewerbliche Tätigkeit in Form eines Industriebetriebes nach §7 GewO ausgeübt, bedarf es in
der Regel keines Befähigungsnachweises! (siehe 3.3.3)

3.3.2 Anmeldungspflichtige und bescheidbedürftige Gewerbe


 Untersuchen, ob zur Ausübung eines konkreten Gewerbes die bloße Anmeldung genügt oder noch zusätzlich
eine Zuverlässigkeitsprüfung erforderlich ist
 Auch anhand dieses Kriteriums können die unterschiedlichen Gewerbe unterteilt werden, nämlich in
o Bloße Anmeldungsgewerbe und
o bescheidbedürftige Gewerbe (diese sind aufgrund ihrer Sensibilität genehmigungspflichtig)

Anmeldungsgewerbe
 freie Gewerbe und die meisten reglementierten Gewerbe
 Gewerbeausübung ab Anmeldung  Eintrag in elektronisches Gewerberegister
o Zuvor Vorlage diverser Belege (Name, Wohnung, Alter, Staatsangehörigkeit, Befähigungsnachweis,
Firmenbuchauszug)
o Anmelder wird durch Übermittlung eines Auszugs aus dem GISA von der Eintragung verständigt
 Wer ein Gewerbe ohne die erforderliche Gewerbeanmeldung ausübt, macht sich verwaltungsrechtlich
strafbar. Liegen die Voraussetzungen für die Aufnahme des angemeldeten Gewerbes nicht vor, wird dies von
der Gewerbebehörde mit Bescheid festgestellt und die Ausübung des Gewerbes untersagt.
 Gewerbelizenz  weitere freie Gewerbe nur Anzeigepflicht (ab 05/2018)

Bescheidbedürftige Gewerbe (§ 95 GewO)


 Bei einigen reglementierten Gewerben bedarf es neben der Anmeldung zusätzlich einer
Zuverlässigkeitsprüfung.
 Sie werden in §95 GewO aufgelistet (Baumeister, chemische Laboratorien, Elektrotechnik,
Pyrotechnikunternehmen, Gas- und Sanitärtechnik, Inkassoinstitute, Reisebüros, Sicherheitsgewerbe,
Sprenungsunternehmen, Gewerbliche Vermögensberatung, Waffengewerbe)
 Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, des Schutzes von Leben und Gesundheit, des
Konsumentenschutzes etc ist bei diesen das Vorleigen der (während der gesamten Gewerbeausübung
erforderlichen) gewerbespezifischen Zuverlässigkeit des Bewerbers bereits vor Gewerbeantritt von der
Behörde anlässlich der Gewerbeanmeldung zu überprüfen
 Sind die Voraussetzungen für die Ausübung eines angemeldeten bescheidbedürftigen Gewerbes erfüllt, stellt
die Behörde dies mittels Bescheid fest.  Gewerbeausübung ab Rechtskraft des Bescheides bzgl. aller
Voraussetzungen
 Besonderes für einige Gewerbe (Waffengewerbe, Rauchfangkehrer) – zusätzlich noch Vorliegen weiterer
besonderer Voraussetzungen (zB sicherheitspolizeiliche Zuverlässigkeit beim Waffengewerbe, tatsächlicher
Bedarf dieses Gewerbes bei Rauchfangkehrern)

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STEOP EÖR LE5: Gewerbliches Berufsrecht

3.3.3 Gewerbeausübung als Industriebetrieb


 GewO kennt Industriebetrieb als eine besondere Gewerbeausübungsform
 Betriebsbeschaffenheit als Kriterium:
o hoher Kapital- und Maschineneinsatz
o serienmäßige Produktion
o größere Belegschaft
o organisatorische Trennung von technischer & kaufmännischer Führung (gegenüber den eher
handwerksmäßig betriebenen anderen Gewerben)
o  es kommt bei Beurteilung auf Gesamtbild an – nicht alle Merkmale müssen vorliegen
 Folge: kein Befähigungsnachweis erforderlich (außer bei Gewerben iSv § 7 Abs 5 GewO – Baumeister,
Herstellung von Arzneimitteln und Giften, Waffengewerbe, …)
o Dem Gewerbetreibenden ist es bei einer bestimmten Größe eines Betriebes kaum mehr möglich ist,
einen prägenden Einfluss auf die Erbringung der gewerblichen Leistung auszuüben
o Ein von ihm vorgelegter Befähigungsnachweis würde insofern weitgehend leerlaufen
o Gastgewerbe kann NICHT als Industriebetrieb ausgeübt werden

3.4 Unter welchen Voraussetzungen darf ein Gewerbe ausgeübt werden?


 Erfüllung von allgemeinen und teilweise besonderen Voraussetzungen
 Freie Gewerbe können in der Regel ohne besondere Voraussetzungen ausgeübt werden

3.4.1 Die allgemeinen Voraussetzungen


Gewerberechtliche Handlungsfähigkeit
 Gem § 8 GewO müssen natürliche Personen eigenberechtigt sein, dh
o sie müssen grundsätzlich volljährig sein (Vollendung des 18. Lebensjahres) und
o ihre rechtsgeschäftlichen Handlungen dürfen grundsätzlich nicht dem Wirkungskreis eines
Erwachsenenvertreters unterliegen
o Juristische Personen, zB GmbHs oder AGs, müssen einen Geschäftsführer bestellen, um
gewerberechtlich handlungsfähig zu sein (§ 9 Abs 1 GewO)

Unbescholtenheit
 Von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen nach § 13 GewO sind insb.
o Personen, die wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und
Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, organisierter Schwarzarbeit
oder Kridaldelikten verurteil wurden (unabhängig von Art und Höhe der Strafe), sofern die
Verurteilung noch nicht getilgt ist (dh so lange zurückliegt, dass sie aus dem Strafregister gestrichen
wurde)
o Personen, die wegen einer sonstigen Straftat zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe
oder einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen von einem Gericht verurteilt worden sind
(sofern noch nicht getilgt)
o von der Ausübung des Gastgewerbes, Personen die wegen bestimmter Suchtgiftdelikte verurteilt
wurden
o Personen, die wegen bestimmter Finanzvergehen verurteilt wurden (mit Geldstrafe von mehr als
€726,- oder mit Geld- und Freiheitsstrafe bestraft wurden, wenn seit Bestrafung noch nicht 5 J. verg)
o Personen, denen die Gewerbeberechtigung entzogen wurde (wegen schwerwiegender Verstöße
gegen die gewerberechtlichen Vorschriften)
o Personen, deren Vermögen nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken
(Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers ist dagegen noch kein
Gewerbeausschlussgrund)
o In bestimmten Fällen besteht die Möglichkeit der Nachsicht bei Vorliegen von Ausschlussgründen.

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STEOP EÖR LE5: Gewerbliches Berufsrecht

Österreichische bzw gleichgestellte Staatsbürgerschaft oder legaler Aufenthalt im Inland


 Erwerbsfreiheit grundsätzlich Staatsbürgerrecht
 Gem § 14 GewO dürfen Gewerbe auch von Ausländern ausgeübt werden, sofern dies in Staatsverträgen
festgelegt ist
 Staatsangehörige eines MS der Europäischen Union (vgl Art 18 AEUV) und der EWR (gilt auch für
Familienangehörige, sofern sie ein Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedsstaat genießen)
 Bei Ausländern setzt Recht zur Ausübung eines Gewerbes deren legalen Aufenthalt in Österreich +
Aufenthaltszweck voraus (§ 14 Abs 1 GewO)
 Juristische Personen müssen Sitz oder Niederlassung im Inland haben (§ 14 Abs 4 GewO)
 Beachte Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (Sonderregelung mit Schweiz)

3.4.2 Die besonderen Voraussetzungen


Neben allgemeinen Voraussetzungen schreibt GewO für die Ausübung bestimmter Gewerbe die Erfüllung weiterer,
besonderer Voraussetzungen vor

Befähigungsnachweis
 notwendig zum Antritt reglementierter Gewerbe
 Nachweis
o fachlicher und kaufmännischer (= betriebswirtschaftlicher und rechtlicher) Kenntnisse
o Fähigkeiten und Erfahrungen zur selbständigen Ausführung der Tätigkeit
o Bei juristischen Personen hat der gewerberechtliche Geschäftsführer den entsprechenden Nachweis
zu erbringen – auch bei natürlichen Personen möglich
 Erbringung des Befähigungsnachweises auf folgende Arten:
o Festlegung bestimmter Zugangswege mittels Verordnung für einzelne reglementierte Gewerbe 
durch zuständigen Bundesminister
 Bei deren Nachweis die fachliche Qualifikation jedenfalls als erbracht anzusehen ist
 Belege: zB Zeugnisse über erfolgreich abgelegte Meisterprüfungen bei Handwerken,
Unternehmerprüfungen, Besuch einer Schule oder eines Lehrganges, Lehrabschlussprüfung,
Tätigkeit in leitender Stellung oder als Betriebsleiter, Selbstständiger
o Meisterprüfungen  Zugang zu Handwerken
 Zuständige Wirtschaftskammer Österreich hat gem §24 Abs 1 GewO die zu überprüfenden
Lernergebnisse unter Berücksichtigung der für die Berufsausübung charakteristischen
Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen durch Verordnung festzulegen
(Prüfungsordnung)
o Qualifizierte Bewerber, welche die Vorgaben der Befähigungsnachweis-Verordnungen nicht erfüllen,
können ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen auch individuell nachweisen. Ist auch dies
nicht möglich, kann die Gewerbebehörde eine der Befähigung entsprechende Beschränkung auf
Teiltätigkeiten des jeweiligen Gewerbes aussprechen.
 generell / individuell
 EU-/EWR-Bürger: Diplomanerkennungs-RL Äquivalenzprüfung durch Landeshauptmann

Zuverlässigkeit
 Überprüfung durch Behörde bei Anmeldung bescheidbedürftiger Gewerbe, ob Bewerber erforderliche
Zuverlässigkeit besitzt
 Die für die Gewerbeausübung erforderliche Zuverlässigkeit ist dann nicht gegeben, wenn der
Gewerbeinhaber schwerwiegend gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu
beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen – die insb auch zur Wahrung des Ansehens des
Berufsstandes dienen - verstößt
 fehlt zB bei schwerwiegendem Verstoß gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu
beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen

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STEOP EÖR LE5: Gewerbliches Berufsrecht

Weitere Bedingungen
 Erfüllung zusätzlicher Voraussetzungen bei einzelnen Gewerben
 sog Bedarfsprüfung – Prüfung, ob tatsächlich ein Bedarf an einem (weiteren) Rauchfangkehrer in einem
bestimmten Gebiet besteht

Voraussetzungen für den Gewerbeantritt


allgemeine Voraussetzungen besondere Voraussetzungen
gelten für ALLE Gewerbe für reglementierte Gewerbe:
 gewerberechtliche Handlungsfähigkeit  Befähigungsnachweis (generell oder individuell)
 Unbescholtenheit für bescheidbedürftige Gewerbe:
 österr./gleichgestellte StB oder legaler  Befähigungsnachweis (generell oder individuell)
Aufenthalt im Inland, der gewerbliche  Zuverlässigkeitsprüfung
Tätigkeit zulässt für sonstige Voraussetzungen:
 Bedarfsprüfung, Qualifikation der Bediensteten,
Abschluss einer Haftpflichtversicherung etc.

3.5 Wozu und wen ermächtigen Gewerbeberechtigungen?


3.5.1 Umfang der Gewerbeberechtigung
Allgemeines
 Anmeldungsgewerbe
o Inhalt und Umfang der Gewerbeberechtigung – aus Wortlaut der Gewerbeanmeldung
 Bescheidbedürftige Gewerbe
o Bescheid, mit dem festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für Gewerbeausübung erfüllt werden
(§ 29 GewO)
 Gewerbeberechtigung = Recht, ein Gewerbe auszuüben (§ 38 GewO)
 Gewerbelizenz = Recht, gewerbsmäßig Tätigkeiten auszuüben
o umfasst sämtliche Gewerbe einschließlich der Nebenrechte
o wird mit der Anmeldung eines Gewerbes durch einen Gewerbetreibenden begründet, der zum
Zeitpunkt der Anmeldung über keine Gewerbeberechtigung verfügt – bei bescheidbedürftigen
Gewerben entsteht die Gewerbelizenz erst mit Rechtskraft des Feststellungsbescheides
o wird durch Anmeldung weiterer Gewerbe erweitert
 freies Gewerbe nur anzuzeigen (§ 345 GewO)
o Eine Gewerbelizenz umfasst demnach eine oder mehrere Gewerbeberechtigungen

Weitere Befugnisse
 GewO räumt Gewerbetreibenden weitere Befugnisse ein
 Die Rechtsinstitute “Fachübergreifende Leistungen (verbundener Gewerbe)“, „Einfache Tätigkeiten und
Teilgewerbe mit vereinfachtem Zugang“ und „Sonstige Recht von Gewerbetreibenden (Nebenrechte)“
bewirken eine Abschwächung der strikten Trennung der einzelnen Gewerbe.
o Gewerbetreibende dürfen verbundene Gewerbe aus der gleichen Gruppe der Tätigkeit, für die sie
einen Befähigungsnachweis in vollem Umfang erbracht haben, ausüben
o Einzelne, einfache Tätigkeiten von reglementierten Gewerben, deren fachgemäße Ausübung keinen
sonst vorgeschriebenen Befähigungsnachweis erfordert, dürfen ausgeübt werden (typische
Kerntätigkeiten zählen nicht dazu)
 Nebenrechte
o Gewerbetreibende sind zur Ausübung in GewO aufgezählter Nebenrechte befugt
o Dürfen Leistungen anderer Gewerbe erbringen, wenn diese Leistungen die eigenen wirtschaftlich
sinnvoll ergänzen – Umfang ausdrücklich geregelt  es besteht doppelte Grenze
 Ergänzungsarbeiten dürfen höchstens 30% des Jahresumsatzes ausmachen

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STEOP EÖR LE5: Gewerbliches Berufsrecht

 Für Ergänzungsarbeiten auf Gebiet eines reglementierten Gewerbes ist zusätzlich bei jedem
Auftrag die Grenze von 15% der Auftragssumme zu beachten (S.180)
 Wirtschaftlicher Schwerpunkt und Eigenart des Betriebes müssen erhalten bleiben!
 Es dürfen von allen Gewerbetreibenden auch Waren zurückgenommen, gekauft, verkauft, vermietet und
vermittelt werden (Ausnahme: Medizinprodukte, vorb. Einzelner regl. Gewerbe)
 Weitere Nebenrechte in §§ 32 bis 34 GewO
o Arbeiten im zulässigen Umfang ihrer Gewerbeausübung planen oder Vorarbeiten und
Vollendungsarbeiten vornehmen, die der Absatzfähigkeit ihrer Produkte dienen
o Instandsetzung und -haltung von Betriebseinrichtungen (Maschinen, Anlagen, Gebäude)
o Transport von Gütern und Mitarbeitern (Werkverkehr)
o Erbringung von Dienstleistungen auf dem Gebiet des Postwesens mit Ausnahme des Geld- und
Zahlungsverkehrs, ohne besondere gesetzliche Ermächtigung einzuholen
o Allgemeines Handelsrecht, § 32 Abs 1 Z 10 GewO
o Postdienstleistungen, § 34 GewO

Für welchen örtlichen Bereich gelten Gewerbeberechtigungen?


 Gewerbeberechtigung berechtigt grundsätzlich zur Ausübung des Gewerbes auch in weiteren
Betriebsstätten
 Der Gewerbeinhaber hat der Behörde die Ausübung des Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte oder die
Verlegung des Betriebes eines Gewerbes bzw einer weiteren Betriebsstätte an einem anderen Standort
anzuzeigen  die Anzeige hat bloßen Mitteilungscharakter
 Für die Gewerbeausübung in einer weiteren Betriebsstätte kann ein Filialgeschäftsführer bestellt werden –
dieser ist der Behörde gegenüber für Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften in der weiteren
Betriebsstätte verantwortlich

3.5.2 Wen berechtigen Gewerbeberechtigungen?


 Gewerbeinhaber:
o verfügt über Gewerbeberechtigung (subjektiv-öffentliche Rechte, NICHT übertragbar)
 Gewerbetreibender:
o tatsächliche Ausübung der Gewerbeberechtigung (sofern nicht ausdrücklich anders bestimmt, ist als
Gewerbetreibender der Gewerbeinhaber einschließlich des Fortbetriebsberechtigten zu verstehen)
 Fortbetriebsberechtigter:
o hat das Recht, einen Gewerbebetrieb aufgrund der Gewerbeberechtigung einer anderen Person
fortzuführen
o im Falle des Todes des Gewerbeinhabers: Ehepartner/eingetragener Partner und Kinder
o Insolvenz: Insolvenzmasse (Masseverwalter=Geschäftsführer, §41 GewO)

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STEOP EÖR LE5: Gewerbliches Berufsrecht

3.5.3 Der gewerberechtliche Geschäftsführer


 Kein Gewerbetreibender, sondern bloßes Hilfsorgan d. Gewerbeinhabers
o verantwortlich für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde gegenüber
für die Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften
o wird als Vertreter im Namen und auf Rechnung des Gewerbeinhabers tätig und verfügt nicht selbst
über die Gewerbeberechtigung
 primär haftbar
 muss nicht gleichzeitig unternehmensrechtlicher Geschäftsführer sein
 Wenn natürliche Person Befähigungsnachweis nicht erbringen kann, hat sie gewerberechtlichen GF zu
bestellen  „volle Supplierung“
 Juristische Personen oder sonstige Gesellschaften, die ein Gewerbe ausüben, müssen JEDENFALLS einen
gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellen
 zT Bestellungspflicht (zB Gesellschaften), § 9 Abs 1 GewO
 Eigenberechtigt, Befähigungsnachweis, ≠ Scheingeschäftsführer (§ 39 Abs 2 GewO)
 Wohnsitz: Inland bzw. EWR/Schweiz (§ 39 Abs 2a GewO)
 Gewerbeinhaber hat Bestellung/Ausscheiden der Gewerbebehörde anzuzeigen (Ausnahme:
bescheidbedürftige Gewerbe)
 Frist von 6 Monaten ohne gewerberechtlichen Geschäftsführer

3.6 Wann erlöschen Gewerbeberechtigungen?


 Tod bei natürlichen Personen (bei Fortbetrieb erst mit Endigung des Fortbetriebsrechts)
 Gesellschaftsauflösung bei einer Gesellschaft
 Zurücklegung der Gewerbeberechtigung
 Entziehung der Gewerbeberechtigung durch die Behörde
o strafgerichtliche oder finanzstrafbehördliche Verurteilung & Wiederholungsgefahr
o sonstige schwerwiegende Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu
beachtenden Rechtsvorschriften
o rechtskräftige Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Kostendeckung
o die Gewerbeberechtigung eines Ausländers ist zu entziehen, wenn sich dieser nicht mehr legal in
Österreich aufhält
 Gewerbelizenz wird durch Beendigung von Gewerben gem §85 GewO eingeschränkt. Sie endet, wenn das
letzte Gewerbe, das sie umfasst hat, endet.

3.7 Die Zuständigkeit im Gewerberecht


 Vollziehung der GewO obliegt grundsätzlich dem Bund in mittelbarer Bundesverwaltung
o Sachlich zuständige Behörde soweit nicht anders bestimmt, Bezirksverwaltungsbehörde (BVB)
 In der Regel Bezirkshauptmann (BH)
 in Städten mit eigenem Statut: Bürgermeister (ausnahmsweise Magistrat – Wien)
 Rechtsschutz durch Beschwerde an: örtlich zuständiges Landesverwaltungsgericht

 UVP – Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung


 Verwaltungsverfahren: Nach der Gliederung der Staatsorganisation ist eine Gewalt zuständig ist diese
Rechtsvorschriften, die durch das europäische Unionsrecht vorgegeben sind, zu vollziehen.  wird etwas genehmigt,
unter welchen Auflagen  am Ende der Verfahren stehen Bescheide
 Gewerberecht ist inhaltlicher Mittelpunkt des Wirtschaftsrechts
 In welchem Umfang der Staat ganz definiertes wirtschaftliches Handeln reguliert
 Sobald man etwas tut, was wirtschaftlich relevant ist, tritt man mit anderen in Kontakt  mein Handeln ist auf jemand
anderen gerichtet
 Es gibt ein eigenes Apothekergesetz (steht nicht in der Gewerbeordnung)
 Es gibt ein eigenes Gewerbestrafrecht  in der Regel Geldstrafen bei Verstoß gegen Gewerbeordnung

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STEOP EÖR LE6: Betriebsanlagenrecht und Baurecht

4 LE6: Betriebsanlagenrecht und Baurecht


 Es ist notwendig, dass sich der Staat nicht nur über die entsprechende gewerbliche Ausbildung Gedanken macht
(gewerbliches Berufsrecht), sondern auch Räumliches und Anlagenthema  zweiter Teil des Gewerberechts  steht in
der Gewerbeordnung
 Es gibt auch Sonderregelungen, die dann in anderen Gesetzen geregelt sind (Ausbau eines Flughafens) 
Sonderbetriebsanlagenrecht  UVP (Umweltverträglichvergleichsprüfungsrecht (umfassenstes) stark vom
europäischen Unionsrecht abhängig
 Ist es eine Betriebsanlage nach dem Betriebsanlagenrecht?

4.1 Das Betriebsanlagenrecht


4.1.1 Grundsätzliches
 Betriebsanlagenrecht der Gewerbeordnung 1994 regelt die Voraussetzungen, unter denen ein Unternehmer
eine gewerbliche Betriebsanlage errichten und betreiben darf.
 Dem Interesse des Unternehmers an einer Genehmigung und Ausübung seiner Tätigkeit in einer Betriebsanlage
stehen regelmäßig Interessen der Nachbarn und Aspekte des Umweltschutzes entgegen.
o Nachbarn wollen keine Belästigung durch Geruch, Lärm, Staub
o Umwelt ist vor unzulässigen Verschmutzungen und anderen Beeinträchtigungen zu bewahren
 Betriebsanlagenrecht gleicht Spannungsverhältnis zwischen Interessen und Anforderungen der Wirtschaft
und einem effektiven Nachbar- und Umweltschutz aus.
o Nachbar- und Umweltschutz sind verknüpft – subjektiver Schutz der Nachbarn kann gegenüber
Behörde geltend gemacht werden und dienen häufig auch dem öffentlichen Interesse am Umwelts.
o Behörde hat subjektive individuelle Rechte der Nachbarn (sofern von diesen wahrgenommen) von
Amts wegen wahrzunehmen.
 Anlagenrechtliche Verwaltungsstrafbestimmungen (S.192)
 Zentrale Frage: Unter welchen Voraussetzungen darf eine „Anlage“ – losgelöst vom jeweiligen Inhaber – über
längere Zeit an einem bestimmten Standort betrieben werden.

4.1.2 Die gewerbliche Betriebsanlage


 § 74 Abs 1 GewO: Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu
verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist.
 Folgende Voraussetzungen müssen somit vorliegen:
o Ortsgebundenheit:
o Nicht bloß vorübergehende Tätigkeit:
o Gewerbliche Tätigkeit (§ 1 Abs 2 GewO):

Ortsgebundenheit
 Wesen der Anlage liegt in ortsfester Einrichtung
 grundsätzlich auch bei beweglichen Einrichtungen möglich; Anlage muss ausschließlich oder überwiegend und
für längere Zeit an einem bestimmten Standort liegen.
 zB Foodtrucks mit nicht bloß vorübergehendem Standplatz

Nicht bloß vorübergehende Tätigkeit


 es ist auf die zeitliche Nutzungsabsicht abzustellen
 Betriebsanlage ist dazu bestimmt nicht nur vorübergehend, sondern regelmäßig der Entfaltung einer
gewerblichen Tätigkeit zu dienen
 Nicht gegeben, wenn Einrichtung nur für bestimmte Zeit aufgestellt und nach Beenden wieder beseitigt wird
 Soll Zeltfeste ohne Genehmigungsverfahren ermöglichen
 bis zu 4 Wochen dauernde Tätigkeit – kann als bloß vorübergehend angesehen werden

Gewerbliche Tätigkeit
 Selbständigkeit, Regelmäßigkeit, Ertragsabsicht

lisaaa.wu 35
STEOP EÖR LE6: Betriebsanlagenrecht und Baurecht

4.2 Wann ist eine Betriebsanlage genehmigungspflichtig?


4.2.1 „Normalanlagen“
 Eine Genehmigungspflicht nach § 74 Abs 2 GewO besteht dann, wenn eine gewerbliche Betriebsanlage abstrakt
geeignet ist bestimmte Schutzgüter (Leben, Gesundheit) zu beeinträchtigen.
 Zu den (persönlichen/sachlichen) Schutzgütern zählen bspw:
o Das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der ArbeitnehmerInnen, der Nachbarn
oder der Kunden
o Das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn
o Die Belästigung der Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub etc.
o Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs.
 Es ist somit zu prüfen, ob eine bestimmte Anlage Gefährdungen oder Belästigungen iSd GewO hervorrufen
kann – ist schon anzunehmen, wenn Einwirkungen nicht auszuschließen sind
o In diesem Fall  Einleitung eines Betriebsanlagengenehmigungsverfahren (durch Antrag d. Untern.)

4.2.2 IPPC-Betriebsanlagen (§ 77a GewO)


 = Integrated Pollution Prevention and Control; basiert auf EU-RL
 Integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
o Bestimmte, besonders umweltgefährdende Betriebe
 Aufzählung in Anlage 3 der GewO
o Zusätzliche Genehmigungsvoraussetzungen notwendig
 Geeignete Vorsorgemaßnahmen gegen Umweltverschm., Maßnahmen gegen Unfälle)
 Vereinfachtes Verfahren (§ 359b GewO) ist ausgeschlossen  verfahrensrechtliche Sonderregelungen
 Bsp: Gasturbinen, Metallgießereien, bestimmte Anlagen zur Herstellung von Chemikalien

4.2.3 Seveso III-Betriebsanlagen (§§ 84a ff GewO)


(zwei Stufen über Normalanlagen – Anlagen, bei denen gefährliche Stoffe verarbeitet werden – chemische Industrie
– es kann leicht zu Störfällen kommen und deshalb ist es zu einer eigenen Anlagenart gekommen (durch EU))

 Basiert auf EU-RL


o  Seveso III-RL zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen
 Betriebe, in denen besonders gefährliche Stoffe verarbeitet/gelagert werden
 Aufzählung in Anlage 5 (6?) der GewO
 Zusätzliche Anforderungen müssen erfüllt werden (Sicherheitskonzepte- und berichte; Notfallpläne, weitere
Anforderungen zur Unfallverhinderung)
o Ergreifung der notwendigen Maßnahmen, um schwere Unfälle zu verhüten und deren Folgen für
Mensch und Umwelt zu begrenzen
 Bsp: Verarbeitung von Wasserstoff, hochentzündlichen Gasen, Schwefelwasserstoff etc.

4.2.4 „Bagatellanlagen“ (§359b GewO)


Bagatellanlagen (eine Steigerung nach unten von den Normalanlagen – eine Einheit unter Normalanlagen 
vereinfachtes Genehmigungsverfahren)

 Grundsätzlich geeignet Schutzgüter zu beeinträchtigen, allerdings nur in einem geringeren Grad als bei der
Normalanlage
 Für in der BagatellanlagenVO aufgezählte Anlagen ist jedenfalls ein vereinfachtes Verfahren durchzuführen.
 Betriebsanlagen zur Ausübung des Gastgewerbes gem § 142 Abs 1 Z 2 bis 4 GewO 1994, mit weniger als 200
Plätzen und in denen weder musiziert noch Musik wiedergegeben wird (Bach ist okay)
 Vereinfachtes Verfahren wird angewendet:
 Bsp: § 1 Z 1 BagatellVO: Betriebsanlagen zur Ausübung des Gastgewerbes gem § 142 Abs 1 Z 2 bis 4 GewO
1994, mit weniger als 200 Plätzen und in denen weder musiziert noch Musik wiedergegeben wird.
 Vereinfachtes Verfahren wird angewendet:

lisaaa.wu 36
STEOP EÖR LE6: Betriebsanlagenrecht und Baurecht

 Nachbarn kommt keine (unbeschränkte) Parteistellung im Genehmigungsverfahren zu


o Lediglich Parteistellung in der Frage, ob eine Bagatellanlage vorliegt
 Für die Wahl des Verfahrens ist die Prognose über die Unbedenklichkeit der Betriebsanlage nicht als
Zulässigkeitskriterium heranzuziehen

4.2.5 Nicht genehmigungspflichtige Betriebsanlagen


 Es unterliegt der Gewerbeordnung und kann überprüft werden, um es zu betreiben brauche ich allerdings
keine Genehmigung
 Es kann im Vorhinein ausgeschlossen werden, dass im Gesetz angeführte Belästigungen/Beeinträchtigungen
herbeigeführt werden
 Teilweise Ausnahme von Anlagen/eingesetzten Maschinen durch Verordnung (GenehmigungsfreistellungsVO)
 Bsp: Kosmetik-, Fußpflege-, oder Frisörbetriebe, reine Bürobetriebe – Einzelhandelsbetriebe mit Betriebsfläche
bis zu 600 m²
 Beachte: Dennoch kann eine baurechtliche Genehmigung notwendig sein!
o Bauordnungen der Länder verfolgen andere Ziele als das Gewerberecht

4.3 Das Genehmigungsverfahren


4.3.1 Allgemeines
 Eine Anlage ist nur dann genehmigungsfähig, wenn
o nach dem Stand der Technik (§ 77 GewO) sowie
o dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaft zu erwarten ist,
dass, überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden Auflagen
o voraussehbare Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit von Menschen sowie Gefährdungen
des Eigentums oder sonstiger dinglicher Rechte vermieden werden
o Es müssen dadurch ebenso Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen auf ein
zumutbare Maß beschränkt werden
 Gegenstand der Genehmigung ist nicht der Typus einer Betriebsanlage, sondern die KONKRETE Betriebsanlage
 Die Behörde muss jegliche Aspekte im Einzelfall prüfen
 Genehmigungskriterien sind im vereinfachten Verfahren dieselben wie bei Normalanlagen

Nachbarn und Parteistellung


 Parteistellung hat, wer die Nachbareigenschaft erfüllt
 Nachbarn sind alle Personen, die
o durch die Errichtung,
o den Bestand
o oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt sind
o oder deren Eigentum
o oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten.
 = jeder der sich längere Zeit im möglichen Immissionsbereich aufhält
 Können sich auf Genehmigungskriterien, die dem Schutz der Nachbarn dienen, berufen
 Einwendungen müssen zeitgerecht erhoben werden, ansonsten Präklusion (Ausschluss aus der Parteistellung)
 Idee dahinter: es soll alles am Tisch liegen, was die Behörde braucht

4.3.2 Genehmigungskriterien
Folgende Genehmigungskriterien sind – vereinfacht dargestellt – zu unterscheiden:

1. Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum


 Gefährdung von Leben und Gesundheit
o Einwirkungen auf den menschlichen Organismus, der mehr als die bloße Belästigung darstellen
o Des Gewerbetreibenden, der mitarbeitenden Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden

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STEOP EÖR LE6: Betriebsanlagenrecht und Baurecht

o Es ist auf die konkret betroffene Person abzustellen (zb besonders sensible Person oder Person mit
Vorerkrankungen)
 Gefährdung des Eigentums:
o Substanz des Eigentums muss betroffen sein oder ers Nutzen des Eigentums unmöglich
o Bloßer Wertverlust stellt keine Eigentumsgefährdung dar

 voraussehbare Gefährdungen sind in jedem Fall unbedingt zu vermeiden

2. Belästigungen der Nachbarn (Nachbarn aber auch Behörde)


 Belästigungen sind von einer Betriebsanlage ausgehende Emissionen, die zwar nicht gesundheitsschädlich
sind, aber das Wohlbefinden stören.
o Gegenstück zur Gefährdung des Lebens
o Lediglich Störungen (zb Lärm, Staub, Geruch, etc.) des Wohlbefindens der Nachbarn, die in ihrer Art
und Nachhaltigkeit eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit nicht erreichen
 Es ist auf den Durchschnittsmenschen sowie die derzeitigen Verhältnisse abzustellen
 Nur physische Einwirkungen !!!  keine sittlichen Beeinträchtigungen
 Nachbarn müssen solche Belästigungen, sofern sie das zumutbare Maß nicht überschreiten, hinnehmen!
 Ob zumutbar, hat Behörde zu entscheiden
 Bei Untersuchung im Einzelfall stützt sich Behörde in der Regel auf Gutachten v. SV

 Im Gegensatz zu Gesundheitsgefährdungen müssen Belästigungen nicht vermieden, sondern nur auf ein
zumutbare Maß beschränkt werden!

3. Beeinträchtigung öffentlicher Interessen


 Behörde hat sie zu berücksichtigen, können von den Parteien allerdings nicht vorgebracht werden
 Betrifft Religionsausübung in Kirchen, Unterricht in Schulen, Betrieb von Kranken- und Kuranstalten und
sonstige Anlagen und Einrichtungen, die dem öffentlichen Interesse dienen (zb Kindergarten)
 Betrifft die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr
wesentlich zu beeinträchtigen

 Beeinträchtigungen müssen – allenfalls durch behördlich vorgeschriebene Auflagen – auf ein zumutbare Maß
beschränkt werden (sind solche Auflagen nicht möglich, hat die Behörde die Genehmigung zu versagen!

Beachte: Die GewO schützt alle Anlagen und Einrichtungen, die öffentlichen Interessen dienen (zB
Wasserversorgungsanlagen, Badeanstalten, Kindergärten, Sportstätten) vor Beeinträchtigungen durch gewerbliche
Betriebsanlagen

4. Nachteilige Einwirkungen auf Gewässer


 Nachteilige Einwirkungen auf Gewässer müssen auf ein zumutbares Maß beschränkt werden
 Möglicherweise auch wasserrechtliche Genehmigung notwendig
 Beachte: Den Nachbarn steht ein isoliertes Recht auf Prüfung der nachteiligen Einwirkungen einer
Betriebsanlage auf die Beschaffenheit der Gewässer NICHT zu, auch wenn damit eine Gefährdung ihres
Eigentums, sonstiger dinglicher Rechte oder ihrer Gesundheit verbunden wäre

5. Luftschadstoffe
 Eine Anlage darf grundsätzlich Luftschadstoffe emittieren
 Behörde hat die Emission von Luftschadstoffen nach dem Stand der Technik zu begrenzen
„Minimierungsgebot“
 Besonderes für bereits vorbelastete Gebiete
o Es liegen bestimmte Überschreitungen von Emissionsgrenzwerten vor
o Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn Emissionen der Anlage keine relevante Zusatzbelastung
darstellen  „Irrelevanzklausel“ (wenn bestehende sich erhöhen ist es nicht so schlimm, wie wenn
in einem anderen Bereich neue entstehen)

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STEOP EÖR LE6: Betriebsanlagenrecht und Baurecht

o Zusatzbelastungen müssen in diesem Fall erforderlichenfalls durch Maßnahmen zur Senkung der
Immissionsbelastung soweit ausgeglichen werden, dass in einem realistischen Szenario langfristig
keine weiteren Grenzwertüberschreitungen anzunehmen sind „Kompensationsklausel“
  durch Diese Regelung soll im Interesse des Umweltschutzes ein bestimmtes Qualitätsniveau der Luft
gesichert werden

6. Abfall
 Einem Ansuchen um Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage ist ein Abfallwirtschaftskonzept
anzuschließen
o Prüfung durch Gewerbebehörde
o Erforderlichenfalls Vorschrift bestimmter Auflagen durch Behörde
 Sind nach dem Stand der Technik zu vermeiden, zu verwerten oder, wenn dies wirtschaftlich nicht vertretbar
ist, ordnungsgemäß zu entsorgen

Verfahrenskonzentration
 Verfahrenskonzentration: Andere bundesrechtliche Genehmigungsvorschriften sind gem § 356b GewO
anzuwenden
o Forstgesetz
o Strahlenschutzgesetz
o Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen
o Eingeschränkt Wasserrecht
 Landesregelungen (zB Bauordnung) sind nicht umfasst
 Es werden Verfahren, die sonst getrennt geführt werden, konzentriert  Verfahrenskonzentration 
einheitlicher Bescheid
 Vorteil: verfahrensvereinfachung, Auswirkungen gesamthaft anschauen, man hat alles im Blick

Genehmigungsverfahren – Fallbeispiel
Nach dem Einbringen der notwendigen Unterlagen und der Einleitung des behördlichen Verfahrens, treffen auch
schnell Einwendungen der Nachbarn ein:

 Ulrich wohnt im Haus gegenüber, ist pensionierter Univ. Prof. der BOKU und passionierter Ornithologe. Er
befürchtet, dass durch das Abspielen der lauten Musik seltene Vögel, die sich im Nachbarhaus eingenistet
haben, vertrieben werden.
o Keine Verletzung in seinem subjektiven Recht
 Lise wohnt über dem angedachten Restaurant und wendet ein, dass sie ihren Balkon nicht mehr richtig
nutzen könne, da der Abzug der Küche direkt unter diesem austritt
o Gefährdung des Eigentums? Gefährdung der Gesundheit/Belästigung?
 Bernd ist besonders lärmempfindlich und hat sein Büro direkt neben dem Restaurant. Er hat die
Befürchtungen, dass dieser ihn und seine Kunden stören würde und weist darauf hin, dass ein zusätzliches
Restaurant in seiner Gegend nichts zu suchen hätte.
o Gefährdung der Gesundheit? Bloße Belästigung der Gesundheit?
 Ergebnis: Die Einwände von Lise und Bernd sind im behördlichen Verfahren zu berücksichtigen.

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STEOP EÖR LE6: Betriebsanlagenrecht und Baurecht

4.4 Auflagen
 Mit Genehmigungsbescheid sind von der Behörde allfällige Auflagen anzuführen
 Auflagen enthalten belastende Gebote und Verbote
 Ziel der Auflage ist es den Schutzzweck der GewO zu sichern (notwendig, um die nach den Umständen im
Einzelfall voraussehbaren Gefährdungen zu vermeiden, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen
sind auf ein zumutbares Maß zu beschränken
 Auflagen müssen
o bestimmt
o geeignet
o erforderlich und
o behördlich erzwingbar sein.
o Dürfen eingereichtes Projekt nicht in seinem Wesen verändern.
 Genehmigung darf nicht allein verwehrt werden, weil die Behörde feststellt, dass Schutzgüter der GewO
beeinträchtigt werden
o Sie muss von Amts wegen prüfen, ob Genehmigungshindernisse durch Vorschreibung zulässiger
Auflagen beseitigt werden können
o Für Zulässigkeit ist weder Zustimmung des Bewilligungswerbers noch der Nachbarn entscheidend
o Es kommt NICHT auf die wirtschaftliche Tragbarkeit der Auflage an!!!
 ist eine pflichtenbegründende Nebenbestimmung in einem dem Hauptinhalt nach begünstigenden Bescheid.
 Haben akzessorischen Charakter
o Werden erst dann relevant, wenn von Begünstigung Gebrauch gemacht wird (Inbetriebnahme der
Anlage)

4.4.1 Auflagen dürfen das Projekt nicht in seinem Wesen verändern


 Auflagen dürfen das Wesen der Betriebsanlage nicht verändern
o Behörde darf durch Auflagen nur soweit modifizieren, solange dieses im Wesen unberührt bleibt
o Änderung des Projektes und anschließende Genehmigung ist nicht erlaubt (wenn neues Produkt)
o Kann Genehmigung durch Auflagen, die Wesen unverändert lassen, nicht erreicht werden 
versagen der Genehmigung

4.4.2 Bestimmtheit
 Auflagen müssen konkrete Ge- bzw Verbote („Befehle“) enthalten
 Klare Formulierung der Auflagen
o sodass der Verpflichtete jederzeit erkennen kann, ob er Auflagen einhält
o da Missachtung strafbar ist
 „während der Winterzeit“ ist nicht ausreichend bestimmt

4.4.3 Geeignetheit
 Auflagen müssen zur Erreichung des Ziels geeignet sein
 Erfüllung muss faktisch möglich sein – auch technisch durchführbar

4.4.4 Erforderlichkeit
 Vorgeschriebene Auflagen müssen erforderlich sein
 Bestehen mehrere Möglichkeiten zur Erreichung des Schutzzwecks, ist jene Maßnahme zu wählen, die den
Unternehmer am wenigsten belastet

4.4.5 Behördliche Erzwingbarkeit


 Auflagen müssen so gestaltet sein, dass sie von der Behörde durchgesetzt werden können.
o Setzt Formulierung der Auflage voraus, deren Einhaltung von Behörde überprüft werden kann
o („nach Möglichkeit zu vermeiden“ ist nicht erzwingbar)

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STEOP EÖR LE6: Betriebsanlagenrecht und Baurecht

4.5 Betrieb der Anlage während anhängiger Beschwerdeverfahren


Genehmigung
Antrag Einwendungen Rechtsmittel
(evtl inkl Auflagen)

 Um zu verhindern, dass Nachbarn Projekte durch Zeitverzögern zu Fall bringen können, besteht die
Möglichkeit vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides die Anlage zu errichten und zu
betreiben.
o Recht kann auch durch die Behörde ausgeschlossen werden
o Bestimmung dient den Unternehmen als Überbrückung bis zur Entscheidung durch das
Verwaltungsgericht bei länger andauernden Verfahren und soll Investitionen der Unternehmer
begünstigen
o Achtung ! Betreiber trägt das Risiko, dass der Genehmigungsbescheid aufgehoben oder abgeändert
wird.
 Anlage müsste nachträglich angepasst oder sogar abgerissen werden

4.6 Nachträgliche Änderungen von Betriebsanlagen


Es kann notwendig sein, bereits genehmigte Betriebsanlagen zu verändert.
 Genehmigungspflicht (Besteht eine Genehmigungspflicht?)
 Genehmigungsverfahren (Falls Genehmigungspflicht – nach welchen Regelungen geht die Gewerbebehörde dabei vor?) –
Verwaltungsentscheidung am Ende des Prozesses
 Auflagen (mit ganz bestimmten Auflagen  Inhalte, die in einer Bewilligung stehen – allerdings muss man bestimmte Dinge erfüllen
– bestimmte technische Einrichtungen, Fenster, Einschränkungen, Vorgaben bei der Errichtung und dem Betrieb dieser
Betriebsanlage)
 Nachträgliche Änderungen (Erweiterung, Vergrößerung, Aufstockung)  stellt keine Neuerrichtung dar, sondern eine nachträgliche
Änderung der bestehenden Anlage  besteht der Bedarf, dass sich die Gewerbebehörde damit beschäftigt?

Unterscheidung von 2 Fallgruppen:

4.6.1 Änderung der Betriebsanlage auf Initiative von Gewerbetreibenden (§ 81 GewO)


 Wird technisch überholte Fabrik auf neuesten Stand gebracht (alte Rotationsmaschinen nicht rentabel)
o Frage, ob solche Modernisierung gewerbebehördliche Bewilligung erfordert
 GewO sieht vor, dass auch Änderung einer rechtskräftig genehmigten Betriebsanlage behördlicher
Genehmigung bedarf,
o wenn dies zur Wahrung der umschriebenen Interessen erforderlich ist
 Genehmigungsvoraussetzungen sind ident mit denen für die Errichtung
 Genehmigungspflicht entfällt jedoch in §81 Abs 2 GewO explizit aufgezählten Fällen  keine Genehmigung:
o Änderungen, die Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen
o Ersatz von Maschinen, Geräten, Ausstattungen durch gleichartige Maschinen, Ersatzinvestitionen
o Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzepts
 Anzeigepflicht bei Änderungen, die Emissionsverhalten nicht nachteilig beeinflussen und auf Grund des
Einzelfalles erwarten lassen, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden
Auflagen Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit von Personen vermieden und Beeinträchtigungen
oder nachteilige Einwirkungen auf ein zumutbare Maß beschränkt werden
 Wiederum Prüfung, ob etwaige Schutzgüter betroffen sein könnten
o falls ja  Genehmigungspflicht
 Beispiele
o Aufstellung eines Billardtisches in einem Kaffeehaus  „Änderung der Betriebsanlage“
 Genehmigungspflicht
o Public Viewing  Temporäre Änderung einer bereits genehmigten Betriebsanlage
 Vorübergehend  weder anzeige- noch genehmigungspflichtig
o Tausch einer defekten Video-Wall durch gleichwertigen neuen Ersatz
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STEOP EÖR LE6: Betriebsanlagenrecht und Baurecht

 Anzeige- und genehmigungsfrei


o Alte, ausrangierte Ausstattungen müssen nicht (mehr) für Kontrollzwecke aufbewahrt werden
 Unmittelbare Entsorgung oder Verkauf möglich

4.6.2 Änderung der Betriebsanlage aufgrund behördlicher Anordnung (§§ 79, 79b GewO)
 Behörde hat die Möglichkeit auf nachträgliche auftretende Gefahren zu reagieren und zusätzliche Auflagen
vorzuschreiben
o Ergeben sich trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid vorgesehenen Auflagen Gefährdungen der
Schutzgüter, hat Behörde andere oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben
 Mögliche Gründe
o Fehleinschätzung der Sachverständigen im Genehmigungsverfahren
o Vorliegen neuer technischer Erkenntnisse über Auswirkungen der Betriebsanlage
o In unzureichenden Auflagen des Genehmigungsbescheides
 Nachträgliche Auflagen dienen Anpassung der Genehmigung an tatsächliche Gefährdungs- und
Belästigungssituation
o Dürfen nicht vorgeschrieben werden, wenn sie unverhältnismäßig sind
o Wenn der mit Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mittels Auflagen
angestrebten Erfolg steht
o Beachte: Auflagen zum Schutz der Gesundheit und des Lebens können NIEMALS unverhältnismäßig
sein
 Frist zur Anpassung kann vorgesehen werden (maximal 5 Jahre)
o Wenn es dem Inhaber der Anlage wirtschaftlich nicht zuzumuten ist, die Umsetzung neuer Auflagen
sofort vorzunehmen
o Sofern im Hinblick auf die Schutzinteressen der GewO keine Bedenken bestehen
 Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen ist auch für Fall vorgesehen, dass trotz Einhaltungen des
Abfallwirtschaftskonzepts und der im Bescheid vorgeschriebenen Auflagen die gem GewO
wahrzunehmenden Interessen nicht hinreichend gewahrt sind
 Dürfen Wesen der Anlage nicht verändern

4.6.3 Sanierungskonzept
 Würden Auflagen Wesen der Betriebsanlage verändern, muss Anlageninhaber Sanierungskonzept vorlegen
 Dieses muss verhältnismäßig sein
 Entspricht vorgelegtes Sanierungskonzept den gesetzlichen Voraussetzungen, hat Behörde Sanierung mit
Bescheid zu genehmigen
o Entsprechende Sanierungsfrist ist festzulegen
o Vorlage eines Sanierungskonzepts kommt außerdem im Zusammenhang mit Sanierungen gem
Immissionsschutzgesetz-Luft in Betracht

4.7 Überwachung von Betriebsanlagen


 Nach GewO gilt
o Regelmäßige Kontrolle der Betriebsanlagen im Interesse
 Des Umweltschutzes
 Der Interessen der Nachbarn
o Aufteilung der Aufgabe durch Gesetz auf Anlagenbetreiber und Behörde

4.7.1 Überwachung durch den Anlagenbetreiber selbst


 Anlagenbetreiber muss regelmäßig selbst prüfen oder prüfen lassen, ob Anlage den
Bewilligungsvoraussetzungen bzw den sonst geltenden gewerberechtlichen Vorschriften entspricht
o Wenn nicht anders bestimmt, alle 5 Jahre
o Bei Bagatellanlagen, alle 6 Jahre
 Prüfbescheinigung

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STEOP EÖR LE6: Betriebsanlagenrecht und Baurecht

o Ist über jede wiederkehrende Prüfung auszustellen


o Werden darin Mängel festgehalten, hat Inhaber der Anlage Prüfungsbescheinigung unverzüglich der
Behörde vorzulegen
 Und in angemessener Frist Darstellung von Maßnahmen zur Mängelbehebung vorzulegen
 Im Falle eines gewerberechtlichen Geschäftsführers – treffen diesen die Prüfpflichten

4.7.2 Überwachung durch die Behörde


 Soweit zur Vollziehung der gewerberechtlichen Vorschriften erforderlich, sind Organe der zuständigen
Bezirksverwaltungsbehörde und die von diesen Behörden herangezogenen Sachverständigen berechtigt,
o Betriebe und deren Lagerräume
o Während der Betriebszeiten
o Zu betreten und zu besichtigen
o Kontrollen des Lagerbestandes vorzunehmen
o In alle Geschäftsunterlagen Einsicht zu nehmen
o Beweismittel zu sichern (amtswegige Überprüfungen)
  Jederzeitiges Betretungs-/Überprüfungsrecht
 Kein subjektiv-öffentliches Recht der Nachbarn auf Überprüfung
o Auch kein Antragsrecht und Recht auf Einleitung eines Verfahrens seitens der Nachbarn
 Unter bestimmten Voraussetzungen ist Behörde zum Einschreiten verpflichtet
 Konsequenz einer amtswegigen Überprüfung
o Es kann zur Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens
o Oder zu einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen kommen
o Anlagenrechtliche Verwaltungsstrafbestimmungen sind in GewO geregelt
 Im Falle bestimmter – leichter – Verwaltungsübertretungen, die Betriebsanlagen betreffen (Verletzung von
Auflagen im Genehmigungsbescheid oder Gastgärten betreffende Verwaltungsübertretungen) ist es dem
Anlageninhaber durch Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustanden möglich, ein
Verwaltungsstrafverfahren zu verhindern („beraten statt strafen“)
o Voraussetzung: verwaltungsstrafrechtlich geschütztes Rechtsgut und Intensität seiner
Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Gewerbetreibenden müssen leicht sein
o Gewerbebehörde hat Gewerbebetreibenden mit Ziel einer möglichst wirksamen Beendigung des
strafbaren Verhaltens oder der strafbaren Tätigkeiten zu beraten und ihn schriftlich unter Angabe
der festgestellten Sachverhalte aufzufordern, innerhalb einer angemessenen Frist den
Rechtvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustand herzustellen
 Wird der schriftlichen Aufforderung fristgerecht entsprochen, ist weitere Verfolgung wegen
jener Verwaltungsübertretungen, denen die Übertretung der Rechtsvorschriften und
behördlichen Verfügungen zugrunde liegt, unzulässig
 Zusätzliches S.211

Genehmigungspflichtige Betriebsanlagen

Normalanlagen Bagatellanlagen Seveso III-/ IPPC-Anlagen

Genehmigungskriterien Rechtsschutz
 Leben, Gesundheit, Eigentum  Verwaltungsgericht
 Abfall der Länder
 Luftqualitäts- und Gewässerschutz  Bezirksverwaltungsbehörde
 Belästigung (Nachbarn)
 Beeinträchtigung öffentlicher Interessen
Nicht genehmigungspflichtig sind ungefährliche Anlagen wie zB Büros
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STEOP EÖR LE6: Betriebsanlagenrecht und Baurecht

4.8 Die Zuständigkeit im Betriebsanlagenrecht


 Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung
 Genehmigung und Überwachung der Betriebsanlagen im Sinne der GewO fällt in die Kompetenz der
Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft/Magistrat/Bürgermeister)
o Antrag auf Genehmigung einer Anlage ist daher bei Bezirkshauptmannschaften, in Städten mit
eigenem Statut beim jeweiligen Bürgermeister und in Wien beim Magistrat der Stadt Wien
einzubringen
 Rechtsmittel gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde sind an das zuständige
Landesverwaltungsgericht zu richten.
 Beispiel: Fridolin will eine Bäckerei in Bad Erlach (Bezirk Wiener Neustadt) eröffnen. Zuständige Behörde ist
die BH Wiener Neustadt. Gegen Bescheide der BH kann Fridolin das Landesverwaltungsgericht
Niederösterreich anrufen.

4.9 Das Baurecht


Baurecht im privatrechtlichen Sinn Öffentliches Baurecht
 Bereiche des bürgerlichen Rechts (Eigentums-  Allgemeines Baurecht (zB Verfahren der
oder Vertragsverhältnisse) Bauführung)
 Baupolizei (Überwachung des Baus,
Bewilligungsverfahren)
 Bautechnische Vorschriften (Material- und
Ausführungssicherheit)

 Erfordert eine gewerbliche Betriebsanlage die Einrichtung oder Änderung einer baulichen Anlage, benötigt
Unternehmer in der Regel auch eine Genehmigung der BauO
o Des jeweiligen Bundeslandes (Baurecht)  Kumulationsprinzip
 Umstand der Genehmigung einer Anlage bedingt nicht automatisch,
o Dass Anlage auch nach baurechtlichen Bestimmungen zulässig sein muss
 Verfahrenskonzentration (in GewO vorgesehen) ist im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nicht auf
Baurecht anwendbar
 Baurecht wägt zwischen dem Recht des Grundeigentümers, auf seinem Grund beliebig zu bauen, und
diversen öffentlichen Interessen ab.
 Schützenswerte öffentliche Interessen sind Emissionsschutz, Lärmschutz etc., Umweltschutz (Vermeidung
von gefährlichen Baustoffen etc), Sicherheit von Personen

4.9.1 Regelungsgegenstand
 Öffentliches Baurecht:
o Gesamtheit jener (öffentlich-rechtlichen) Vorschriften, die das Bauen regeln
 Ziele und Inhalte baurechtlicher Regelungen
o Sicherheit und einwandfreie Beschaffenheit von Bauwerken
 Vor allem in technischer Hinsicht
o Dient dem Schutz der Nachbarn
o Aspekte des Ortsbild- und Umweltschutzes
 Enge Verzahnung des Baurechts mit Raumordnungsrecht
o Baurechtliche Bescheide (Bauplatzerklärung, Baubewilligung) müssen raumordnungsrechtlichen
Vorgaben (Flächenwidmungsplan) entsprechen

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STEOP EÖR LE6: Betriebsanlagenrecht und Baurecht

 Baurecht ist kein Bundesgesetz


o es ergibt sich aus der Verfassung, dass die Bundesländer dafür zuständig sind gewisse Regelungen zu
erlassen  in Gesetzgebund und Vollziehung Landeskompetenz
o es gibt 9 unterschiedliche Bauordnungen/Baugesetze
o Unterschiede hinsichtlich Einteilung in bewilligungspflichtige, anzeigepflichtige, freie Bauvorhaben
 Baurecht wird auf der untersten Ebene vollzogen – in einer der ca. 2100 Gemeinden
o wenn man baut, ist dies meist bewilligungspflichtig, da ein nicht ordnungsgemäß errichtetes
Gebäude lebensgefährlich ist – wie viel Abstand muss zur Grenze gehalten werden, wie hoch darf
gebaut werden

 für Betriebsanlage (Gebäude) wird man in der Regel sowohl eine baurechtliche Genehmigung (nach Landesgesetz)
als auch eine gewerbliche Betriebsanlagengenehmigung brauchen  DAS HEISST: gewerberechtliche, …
baurechtliche Genehmigung (Naturschutzgesetz, Wassergesetz, Forstschutzgesetz)

4.9.2 Kategorien von Bauvorhaben


Bewilligungspflichtige Bauvorhaben
 Grundsätzlich Neubauten (Errichtung neuer Gebäude)
 Zubauten (Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung)
 Umbauten (grundlegende Änderungen eines Gebäudes)
 Bewilligungspflicht auch für Änderungen oder Instandsetzungen von Bauwerken, wenn diese
o von Einfluss auf Festigkeit,
o die gesundheitlichen Verhältnisse,
o die Feuersicherheit
o oder auf subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind

Anzeigepflichtige Bauvorhaben
 Durchführung bestimmter Bauvorhaben ohne Bewilligungsverfahren
o Lediglich Anzeige an die Behörde nötig
 Nach Vorlage vollständiger Unterlagen darf grundsätzlich mit Bauführung begonnen werden
o Ergibt Prüfung der Angaben in Bauplänen, dass die zur Anzeige gebrachten Baumaßnahmen nicht
den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen oder einer Baubewilligung bedürfen, hat Behörde
binnen sechs Wochen Bauführung mit schriftlichem Bescheid zu untersagen
 Beispiele: Abänderung von Badezimmern und Sanitäranlagen, Loggienverglasungen, Austausch von Fenstern

Freie Bauvorhaben
 §62a listet Vorhaben auf, für die weder Bewilligung noch Anzeige erforderlich ist
 Beispiele: Badehütten, Verkaufsstände, Telefonhütten, öffentliche Toiletten

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STEOP EÖR LE6: Betriebsanlagenrecht und Baurecht

4.9.3 Verfahren/Zuständigkeit
 Baubewilligungsverfahren ist – wie Betriebsanlagengenehmigungsverfahren – Mehrparteienverfahren
o Unter Beziehung der Nachbarn des geplanten Vorhabens
 Instanzenzug in Bauangelegenheiten
o 1. Instanz – Bürgermeister der Gemeinde, in dessen Gebiet Bauwerk errichtet werden soll
o 2. Instanz – Entscheidungen des Gemeinderates oder des Gemeindevorstandes
 Möglichkeit einer zweiten (Verwaltungs-)Instanz innerhalb der Gemeinde ist nicht
verpflichtend
 Kann vom jeweiligen Landesgesetzgeber ausgeschlossen werden
o Nach Erschöpfung des Instanzenzuges der Gemeinde  kann Beschwerde beim Verwaltungsgericht
des jeweiligen Landes erhoben werden
 Beispiel: Wien: Gemeindeebene – der Magistrat, Berufung gegen Bescheid bei (Landes-)Verwaltungsgericht
Wien

Bauwerke nach Wiener Bauordnung

bewilligungspflichtig anzeigepflichtig bewilligungsfrei


Neubauten, Zubauten, größere Badezimmereinbau, Fenstertausch Verkaufsstände, Telefonhütten
Instandsetzungen
Genehmigungsverfahren ähnlich jenem der Gewerbeordnung

Rechtsschutz
In Wien In Ländern, in denen der innergemeindliche
Instanzenzug nicht ausgeschlossen wurde

Landesverwaltungsgericht Wien Landesverwaltungsgericht

Magistrat Gemeinderat/Gemeindevorstand

Bürgermeister

Fallbeispiel
 Welches Gesetz für Bauvorhaben von Joachim und Johanna
o Niederösterreichische Bauordnung, da das Grundstück in Baden liegt
 Um welche Art von Bauwerk handelt es sich im konkreten Fall
o Neubau, weshalb es sich um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben handelt
 Welche Behörde?
o Bürgermeister von Baden in der 1. Instanz  weil in Baden

Baurecht spielt deshalb mit, weil man in der Praxis beides braucht

 Gewerberechtliche Berufsberechtigung
 Baurechtliche Berechtigung

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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

5 LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz


 Wie läuft das Verfahren zur Bewilligung einer Betriebsanlage ab? Wer nimmt am Verfahren teil?
 Wie (mit welchem rechtlichen Instrument) entscheidet die Behörde?
 Warum ist nach der Verfassung Rechtsschutz geboten?
 Welche Rechtsmittel und -befehle kann man gegen Verwaltungsakte eingreifen?
 Bei welcher Stelle muss man sie einbringen?
 Welche Rechtsschutzeinrichtung entscheidet darüber?

5.1 Verfahrensrecht und materielles Recht


 Verwaltungsverfahrensrecht regelt jene Verfahren,
o die Behörden bei Vollziehung von Verwaltungsrecht (Baurecht, Gewerberecht,
Straßenverkehrsrecht, Sicherheitspolizeirecht etc.) anzuwenden haben,
o um zu einer Entscheidung zu gelangen
o Voraussetzung für verwaltungsbehördliches Handeln
 Wie kann eine Betriebsanlagen- oder Baubewilligung erlangt werden?
 Wie läuft ein Strafverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung ab?
 Wie überwacht die Behörde Betriebsanlage?
 Wie verfügt sie gegebenenfalls Betriebsschließungen?
o Gesetzliche Regelungen über das Verfahren von Verwaltungsgerichten
 Bundesgesetzgeber nach bundesstaatlicher Kompetenzverteilung
o zuständig für Verfahren vor den Verwaltungsbehörden (Art 11 Abs 2 B-VG)
o und Verfahren vor den VwG (Art 136 Abs 2 B-VG) zu regeln
 Verfahren vor den Verwaltungsbehörden
o Grundsätzlich Führung nach den Vorgaben des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG)
 Regelungen für Erlassung von Strafbescheiden durch Verwaltungsbehörden
o enthält Verwaltungsstrafgesetz (VStG)
  Soweit die einzelnen Materiengesetze keine Sondervorschriften enthalten, richtet sich ein
Verwaltungsverfahren nach den Vorschriften des AVG (für allgemeine Verfahren) bzw. des VStG (für
Strafverfahren)
 Das Vollstreckungsverfahren ist im VVG geregelt
o Maßgeblich, wenn es bereits ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren haben
o Man stellt sich die Frage, was passiert, wenn der Verpflichtung des Bescheides nicht nachgekommen
wird
o Inhalt des Bescheides kann vollstreckt werden (mit Zwangsmitteln in Realität umgesetzt werden) –
baupolizeilicher Entfernungsauftrag (falls Aufforderung nicht nachgekommen wird, beauftragt
Behörde ein Unternehmen – Kosten werden auf Person überwälzt  Ersatzvornahme)
 EGVG (Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen
o Ganz kurz, steht in der Praxis am Anfang
o bestimmt, wann diese Gesetze anzuwenden sind
o enthält auch Katalog von Verfahren, für die keines dieser Verwaltungsverfahrensgesetze gilt
 entweder Sonderverfahrensrecht (so besonders und anders, dass es ins AVG nicht passt)
 Bereich, in dem es überhaupt keine Verfahrensgesetzregelung gibt
 zB Steuerrecht, Abgabenrecht (BAO)  Verfahrensrecht für gesamten Steuerbereich

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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

5.2 Das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde


5.2.1 Die Zuständigkeit
Allgemeines
 Behörde kann
o Von Amts wegen (also von sich aus)
o Oder aufgrund eines Antrages tätig werden
 Vor Tätigwerden muss sie prüfen, ob sie überhaupt zuständig ist und in betreffender Angelegenheit
Rechtsakte setzen darf
o Entscheidet Behörde ohne zuständig zu sein  Entscheidung gesetzeswidrig und bekämpfbar
o Einhaltung der Zuständigkeitsordnung ist durch Grundrecht auf Verfahren vor dem gesetzlichen
Richter auch verfassungsrechtlich gewährleistet
 Dies und das Legalitätsprinzip verpflichten dabei auch den Gesetzgeber, die Zuständigkeit
gesetzlich eindeutig zu regeln
 Behördliche Zuständigkeit
o Mit Frage der verfassungsrechtlich bestimmten Vollziehungskompetenz des Bundes, der Länder und
der Gemeinden verbunden (weil sich daraus erst ergibt, ob nach Verfassung „richtige“ Behörde tätig)
 Festlegung der sachlichen Zuständigkeit
o Gesetzgeber ist an Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern gebunden
 Verfassungsrechtliche Vorgaben Art 10 – 15 B-VG
 Darüber hinaus: Sonderbestimmungen über Vollziehung
  Anhand der Kompetenzverteilung im B-VG und der auf dieser Grundlage ergehenden
Materiengesetze (Gewerbeordnung) sowie des AVG ergibt sich die konkrete, sachlich
zuständige Behörde.
 Soweit keine eigene Regelung in Materiengesetzen, ist in Angelegenheiten der mittelbaren
Bundesverwaltung die Bezirksverwaltungsbehörde (BVB) zuständig (in der Regel
Bezirkshauptmann, in Städten mit eigenem Statut ist der Bürgermeister BVB und in Wien der
Magistrat der Stadt Wien)
 Festlegung der örtlichen Zuständigkeit
o Besonders wichtig, wenn es mehrere sachlich zuständige Behörden gibt
 Weil dann örtliche Zuständigkeit erst festlegt, welche von diesen Behörden im jeweiligen Fall
zuständig ist
o Jede Behörde hat eigenen, örtlichen Wirkungsbereich (BH für politischen Bezirk)
o Frage: welcher Anknüpfungspunkt (zB Wohnsitz des Antragsstellers oder Standort der
Betriebsanlage) heranzuziehen ist
 Wichtig, um festzustellen, in wessen örtlichen Wirkungsbereich Angelegenheit fällt
 Wird in Materiengesetzen und subsidiär wiederum im AVG geregelt
o § 3 AVG stellt bei Verwaltungssachen, die sich auf unbewegliche Güter (zB Betriebsanlagen)
beziehen, auf Standort ab, in allen anderen Fällen auf Sitz der Unternehmen bzw Wohnsitz der
Antragsteller

Zuständigkeit im Betriebsanlagenverfahren
 Zuständig für Betriebsanlagenverfahren ist örtlich zuständige BVB (grundsätzlich der BH, in Städten mit
eigenem Statut der Bgm und in Wien kraft Sonderregelung der Magistrat der Stadt Wien)

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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

5.2.2 Die Parteistellung


 Unterscheidung des AVG zwischen Beteiligten und Parteien
o Wichtige Unterscheidung

Allgemeines: Beteiligte & Parteien


Beteiligter Partei
 Person, welche die Tätigkeit einer Behörde in  Person, die am Verfahren vermöge eines
Anspruch nimmt oder auf die sich die Tätigkeit einer Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses
Behörde bezieht aktiv teilnimmt, also durch den Gegenstand des
 Person, deren Interesse durch das betreffende Verfahrens in ihren subjektiven Rechten
Verfahren in faktischer, meist wirtschaftlicher unmittelbar berührt ist (§ 8 AVG)
Hinsicht, nicht aber in rechtlicher Hinsicht berührt  nur Parteien können aktiv am Verfahren teilnehmen
wird (gilt auch für mündliche Verhandlungen)
o Mieter (Erhaltung der Bausubstanz  nur  „Parteienöffentlichkeit“
Hauseigentümer haben Parteistellung in o Grundsatz herrscht im Verfahren vor der
baurechtlichen Räumungs- und Behörde
Abbruchverfahren) o Gegensatz zur „Volksöffentlichkeit“ (im
Verfahren vor den VwG, zivilgerichtlichen,
strafgerichtlichen Verhandlungen)
o Nur Parteien des konkreten Verfahrens dürfen
teilnehmen
o Beteiligte sind einer mündlichen Verhandlung
zwar beizuziehen, verfügen aber (wie auch
sonst im Verfahren) lediglich über ein
Anhörungsrecht

Parteienrechte Parteienrechte
Bloßen Beteiligten kommen Verfahrensrecht nicht zu. Insb. Parteiengehör, Akteneinsicht, Ablehnung von
Sie sind aber, wenn eine mündliche Verhandlung nichtamtlichen Sachverständigen und Dolmetschern,
stattfindet, von der Behörde darüber in Kenntnis zu Zustellung des Bescheides, Erhebung von Rechtsmitteln
setzen und dürfen an der Verhandlung teilnehmen.
Eine Partei ist IMMER AUCH gleichzeitig Beteiligter eines Verfahrens, hingegen kann ein Beteiligter auch Partei eines
Verwaltungsverfahrens sein, MUSS es aber NICHT:

Parteistellung bei rechtlichem Interesse


 Ob „Rechtsanspruch“ oder „rechtliches Interesse“
o Den Materiengesetzen zu entnehmen
 In einem gewerberechtlichen Verfahren der GewO
 In einem Bauverfahren der jeweiligen Bauordnung
  enthalten oftmals eine explizite Regelung über Parteistellung, woraus abzuleiten ist, dass
den damit erfassten Personen ein „Rechtsanspruch“ oder ein „rechtliches Interesse“
eingeräumt werden soll.
 Nicht immer legen die betreffenden Verwaltungsvorschriften aber explizit fest, ob einer
Person ein subjektives öffentliches Recht bzw Parteistellung eingeräumt werden soll.
o Parteistellung?
 Klärung, ob die Person durch die Tätigkeit einer Behörde rechtlich „betroffen“ ist, indem sie
ihre rechtlich geschützten Interessen gegenüber der Behörde verfolgt (Errichtung einer
Betriebsanlage, Nachbar wehrt sich gegen Gestank) oder ihr von der Rechtsordnung eine
Verpflichtung auferlegt wird (Denkmalschutz)
 Partei ist Person, die durch Gegenstand des Verfahrens in subjektiven Rechten unmittelbar berührt wird
 Subjektives Recht = gesetzliche Vorschriften schützen Interesse einer Person mit der Zielsetzung, dass die
Person ihr geschütztes Interesse in einem Verfahren durchsetzen können soll

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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

 Auslegungsfrage – „Schutzzweck der Norm“ (Schutznormtheorie)


 Will Gesetzgeber konkrete Interesse einer Person gesetzlich besonders schützen oder lediglich
Allgemeininteresse?

Parteirechte
Nur Parteien kommen grundlegende Verfahrensrechte („Parteirechte“) zu

 Recht auf Stellungnahme („Parteiengehör“)


 Recht auf Akteneinsicht
 Recht auf Zustellung des Bescheides
 Recht zur Erhebung von Rechtsmitteln
 Recht, nichtamtliche Sachverständige/Dolmetscher wegen Befangenheit abzulehnen

Diese Verfahrensrechte schützen das Interesse der Partei auf Durchsetzung ihres materiellen subjektiven Rechts
 Und stellen selbst subjektive Rechte dar  Verletzung bekämpfbar
o Werden diese Rechte verwehrt  rechtswidrig
o Mittels Rechtsmittel bekämpfbar (idR mit Beschwerde an das VwG)

Recht auf Akteneinsicht


 Fundamentales Recht der Parteien im Verwaltungsverfahren
 Eng mit dem Recht auf Gehör verbunden
o Erst Möglichkeit, sich im Verfahren über alle relevanten Tatsachen und Anträge sowie behördliche
Erhebungen informieren zu können, ermöglicht es der Partei, sich im Verfahren zu diesen Fragen zu
äußern, und so das Parteiengehör vollumfänglich wahrzunehmen
 Einsicht in Verfahrensunterlagen (Schriftstücke, Protokolle, Pläne, Videos, …)
 Erstellung von Abschriften und Kopien
 Elektronischer Zugriff auf Aktenbestandteile („e-Government“)
 Umfasst grundsätzlich sämtliche Verfahrensunterlagen und ist ALLEN Parteien des Verfahrens in gleichem
Umfang und in der GLEICHEN Weise zu gewähren
 Grenze: Interessen Dritter, Gefährdung der Aufgaben der Behörde
o Hinsichtlich der von der Gefährdung betroffenen Aktenbestandteile
o In den Akten stehen viele wichtige Daten – vor allem bei Konkurrenz (Apotheken) und bei
Ermittlungsergebnissen problematisch  möglicherweise Teil der Akten unter Beschluss
 Verweigerung der Einsichtnahme kann nicht direkt bekämpft werden  im Zuge des Rechtsmittels gegen
abschließenden Bescheid

Parteistellung im Betriebsanlagenverfahren
a) Antragsteller
 Ist immer Partei
o Egal, was die Gewerbeordnung sagt oder nicht sagt
o Im Bewilligungsverfahren wird über die Interessen des Betriebsanlagenwerbers entschieden  er ist
direkt betroffen
 Erfüllt Anlage alle gesetzlichen Voraussetzungen, hat Antragsteller ein subjektives Recht (Rechtsanspruch)
auf Erteilung der Bewilligung

b) Nachbarn
 Nachbarn haben grundsätzlich Parteistellung
 Jene Personen, die durch Errichtung, Bestand oder Betrieb der Betriebsanlage gefährdet oder belästigt
werden könnten oder deren Eigentum gefährdet werden könnte (§ 75 Abs 2 GewO)
 Erhalten durch Parteistellung Möglichkeit, sich gegen negative Einwirkungen von Betriebsanlagen, die in
ihrer unmittelbaren Nachbarschaft gelegen oder geplant sind, zur Wehr zu setzen

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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

 subjektives Recht auf körperliche Unversehrtheit, Freiheit von unzumutbaren Belästigungen und Schutz ihres
Eigentums, § 74 Abs 2 GewO iVm § 8 AVG
 Betreiber von Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten, Schulen, Heimen etc, jeweils in dem Ausmaß, in
dem es um den Schutz der beherbergten Personen geht
 Bloß vorübergehend in benachbarten Gebäuden aufhältige Personen (Schulkinder, Hotelgäste etc.) haben
keine Parteistellung

 Die durch GewO geschützten öffentlichen Interessen (insb Schutzgüter: Leben und Gesundheit von
Gewerbetreibenden, Kunden und Nachbarn, Eigentum oder sonstige dingliche Rechte von Nachbarn, Schutz
vor Belästigung der Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder in anderer Weise)
o Hat die Behörde von Amts wegen, also ohne Parteienaufforderung, wahrzunehmen
o Gemeinde muss von der Behörde gehört werden  lediglich Beteiligtenstellung

5.2.3 Der Ablauf des Verwaltungsverfahrens – zeitliche Dimension


Einleitung des Verfahrens
Gliederung in 3 Abschnitte

 Einleitung
 Ermittlungsverfahren
 Erledigung

a) Einleitung auf Antrag oder von Amts wegen


 Auf Antrag (wenn im überwiegenden Interesse der Partei, zB Baubewilligung)
 Amtswegig (wenn im öffentlichen Interesse, zB Denkmalschutz, baupolizeilicher Entfernungsauftrag)

 Antragseinbringung im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren (§ 353 GewO)


o Betriebsbeschreibung (samt Auflistung verwendeter Maschinen)
o Erforderliche Pläne und Skizzen
o Abfallwirtschaftskonzept (zu erwartende Abfälle, Vorkehrungen zur Verm., Verw., Ents.)
o Technische Unterlage bezüglich Beurteilung des Projekts und zu erwartenden Emissionen

b) Verkehr zwischen Behörde und Partei


 Kommunikation zwischen den beteiligten Seiten des Verfahrens

 Partei hat grundsätzlich sämtliche Möglichkeiten der herkömmlichen und modernen Kommunikation
(schriftlich, Brief, Fax, E-Mail etc.)
 Verbesserungsauftrag bei fehlerhaftem Anbringen
o Behörde hat Verpflichtung Mangel im Antrag aufzuzeigen
o Zunächst Fristsetzung zur Verbesserung
o ERST BEI NICHTEINHALTUNG  Zurückweisung, wenn nicht verbessert wird (§ 13 Abs 3 AVG)
 Manuduktionspflicht der Behörde, wenn Partei nicht rechtsanwaltlich vertreten ist
o Begrenzte Pflicht den Parteien zu erklären, welche Auswirkungen Entscheidungen haben 
Belehrung

c) Befangenheit der Behörde


 Um fairen Ablauf des Verfahrens und sachlich richtige Entscheidung zu gewährleisten,
o Sieht AVG Regelungen vor, die Unparteilichkeit der Behörde sicherstellen
 Verwaltungsorgan hat Befangenheit selbst wahrzunehmen
o Und sich der Ausübung des Amtes zu enthalten und seine Vertretung zu veranlassen
 Kein Recht auf Ablehnung wegen Befangenheit nach AVG
 es kann (nur) Rechtsmittel gegen abschließenden Bescheid erhoben werden

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Das Ermittlungsverfahren
Der Entscheidung der Behörde geht ein Ermittlungsverfahren voraus, in dem die Behörde den maßgeblichen
Sachverhalt erhebt, um auf Grundlage dieser Sachverhaltsermittlung eine Entscheidung fällen zu können.

a) Grundsätze des Ermittlungsverfahrens


 Ermittlungsverfahren = Herzstück des Verwaltungsverfahrens
 Dient ALLEN Parteien dazu, ihre rechtlichen Standpunkte darzulegen und Interessen geltend zu machen

FOLGENDE GRUNDSÄTZE PRÄGEN ERMITTLUNGSVERFAHREN:

(1) Offizialmaxime und Grundsatz der materiellen Wahrheit


 Behörde muss maßgeblichen SV selbst feststellen
o Keine Bindung an Parteienanträge
o Verpflichtung, alles zu unternehmen, bis sie sich selbst über wahre Situation im Klaren ist
 Grundsatz der materiellen Wahrheit
 Kein „Außerstreitstellen“ von Tatsachen durch die Parteien
 zB: Gewerbetreibender einigt sich mit Nachbarn auf Entschädigung wegen Gefährdung seiner Gesundheit –
Behörde muss dennoch alle Interessen der GewO verfolgen, unabhängig, ob Nachbar das wünscht oder nicht

(2) Grundsatz der arbiträren Ordnung


 Behörde bestimmt den Gang des Verfahrens, „Herrin des Verfahrens“
o Ob sie Sachverständige hört
o Welche Zeugen sie vernimmt, …
 Im Betriebsanlagenverfahren prüft Behörde nach Einbringen des Ansuchens, ob gesetzliche Voraussetzungen
für Erteilung der Betriebsanlagenbewilligung erfüllt sind
o Stellt fest, ob Schutzinteressen der GewO berührt werden
o Selbstständige Prüfung der Unterlagen oder Heranziehen eines Sachverständigengutachtens
 Behörde veranlasst die Antragsteller, fehlende Unterlagen nachzureichen

(3) Grundsatz der freien Beweiswürdigung


 Es gibt keine festen Beweismittel
o Die Behörde würdigt Beweise nach freier Überzeugung
o als Beweismittel kann alles verwendet werden, was zur Feststellung des SV geeignet ist
 Behörde muss ihre Entscheidung in der Sache begründen und somit nachvollziehbar erklären,
o welche Bedeutung sie welchen Beweismitteln zugemessen hat
 Beweismittel: Urkunden, Zeugenaussagen, Vernehmung, Sachverständigengutachten etc.
 Unmittelbare Wahrnehmung durch die Behörde selbst

(4) Recht auf Parteiengehör


 Behörde muss den Parteien Gelegenheit geben, alles vorzubringen
o Was deren Rechtsstandpunkt stützt
o Und sich mit jedem Parteivorbringen auseinandersetzen
o (auch, wenn der Behörde die Sinnhaftigkeit eines Vorbringens nicht einsichtig ist)
 Besonders wichtiger Grundsatz des Verwaltungsverfahrens
 Sicherstellung, dass die Interessen und Rechte der Parteien ausreichend berücksichtigt werden
 Grundsätzlich kann Parteiengehör ausschließlich schriftlich wahrgenommen werden
o Partei kann aber ihr Vorbringen auch mündlich bei Behörde zu Protokoll geben
o In Praxis häufig lediglich schriftlich (Verleihung Staatsbürgerschaft, Verleihung akad. Grade)
o Keine verpflichtende mündliche Verhandlung
o Behörde muss entscheiden, ob mündliche Verhandlung zur vollständigen Ermittlung des
Sachverhalts erforderlich
 Zwingende Durchführung einer mündlichen Verhandlung in bestimmten Verfahren
o Betriebsanlagengenehmigungsverfahren, Baugenehmigungsverfahren
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(5) Effizienzprinzip
 Behörde hat bei Führung des Verfahrens auf mögliche Zweckmäßigkeit, Einfachheit und Kostenersparnis zu
achten
 Recht auf Parteiengehör darf nicht geschmälert werden
 Feststellung der materiellen Wahrheit darf nicht darunter leiden

b) Die mündliche Verhandlung


 Wenn mündliche Verhandlung, dann Grundsatz der Parteiöffentlichkeit
o Alle am Verfahren teilnehmenden Parteien haben Recht auf Teilnahme an Verhandlung
o Nur Parteienöffentlichkeit (nicht Volksöffentlichkeit)
 Häufig Augenscheinsverhandlung
o Mündliche Verhandlung an Ort und Stelle der zu errichtenden Betriebsanlage
o Geleitet von Behördenvertreter
 Zwingende mündliche Verhandlung im Bau- und Betriebsanlagengenehmigungsverfahren
 Ziel:
o Der Behörde durch unmittelbare Wahrnehmung, Informationen über tatsächliche Vorgänge oder
Gegebenheiten zu verschaffen
o Alle Parteien erhalten Gelegenheit zum Projekt Stellung zu nehmen und Einwendungen zu erheben

c) Präklusion
 = Verlust der Parteistellung
 Spielt im Mehrparteienverfahren große Rolle
 Antragssteller kann Parteistellung NICHT verlieren
o Alle anderen müssen Einwendungen erheben, um Stellung nicht zu verlieren
 Parteien präkludieren,
o wenn sie nicht rechtzeitig (während der Amtsstunden bis zum Tag vor Beginn der Verhandlung,
spätestens in der mündlichen Verhandlung)
o rechtserhebliche (rechtlich relevante) Einwendungen erheben
 NICHT RECHTLICH RELEVANT sind
o Wenn deren Meinung nach Gegend „verschandelt“ wird oder öffentlicher Verkehr beeinträchtigt
wird
o Sind öffentliche Interessen  müssen von Behörde gegebenenfalls selbst aufgegriffen werden
 Voraussetzungen
o Partei muss über Verhandlung informiert worden sein
o Persönliche Verständigung oder entsprechende Kundmachung (zB Amtstafel)
 Folgen einer Präklusion
o Verlust der Parteirechte
o Keine Akteneinsicht des laufenden Verfahrens
o Keine Zustellung des Bescheides über Erteilung der Bewilligung
o Keine Möglichkeit der Erhebung von Rechtsmittel gegen Entscheidung der Behörde
o  Betroffene können KEINEN Einfluss mehr nehmen
o Eingrenzung der am Verfahren Beteiligten auf jene, die sich aktiv beteiligen
 Führt zu Verfahrenskonzentration
 Quasi-Wiedereinsetzung (§ 42 Abs 3 AVG)
o Unter bestimmten Voraussetzungen
 Ausnahme Antragsteller: dieser kann nicht präkludieren
 Ratio  Verfahrenskonzentration!

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d) Das vereinfachte Verfahren bei Bagatellanlagen


 Bagatellanlagenverfahren nur in Bezug auf bestimmte Anlagen möglich
(§ 359b GewO, BagatellanlagenVO)
o Ges Betriebsfläche <= 800m² und elektrische Anschlussleistung <= 300 kW, Verordnungen
 Von einer gewerblichen Betriebsanlage ausgehende abstrakte Gefährdung kann nicht ausgeschlossen
werden
o Aber Gefahren und Belästigungen bestehen sicher nicht oder sicherlich nur in geringem Maß
 Nachbarn haben grundsätzlich keine Parteistellung
o Weder Erhebung von Einwendungen
o Noch Beschwerde gegen Bewilligung
o Nur in Bezug auf die Frage, ob eine Bagatellanlage vorliegt
 ALLEIN Behörde ist zum Schutz der Interessen der GewO berufen!
 Bewilligungskriterien sind dieselben wie bei einer Normalanlage!

Exkurs: Verfahren in Bausachen


 Richtet sich in erster Linie nach AVG
o daneben Bauordnungen der Länder (Gesetzeskompetenz der Länder)
 Regelmäßig Augenscheinsverhandlung (Bauherr (Antragsteller), sämtliche Nachbarn)
o Während Bauverhandlung haben Nachbarn Möglichkeit, Einwendungen zu erheben
 Subjektive Rechte
o Einhaltung von Abstandsregel
o Regeln über Gebäudehöhe
o Schutz vor Emissionen
o (kein subjektives Recht ist bspw der Ortsbildschutz)
 Wurde der Emissionsschutz bspw bereits durch ein anderes Verfahren
(Betriebsanlagengenehmigungsverfahren bereits durch den Nachbarn vorgebracht und von der Behörde für
nichtig empfunden, darf dieser dies beim Bauverfahren nicht mehr einwenden, da sich bereits eine Behörde
damit befasst hat und es evtl zu Konflikten zwischen den Behörden kommen könnte.

Die Erledigung des Verfahrens: Der Bescheid


a) Was ist ein Bescheid?
 eine auf Grund eines Verfahrens erlassene,
 konkret normative Erledigung
 einer Verwaltungsbehörde,
 die sich ihrem Inhalt nach an individuell bestimmbare Rechtsunterworfene (Person/en) richtet.

 Zentrales Element des österr. Verwaltungsrechts  individuelle Rechtsquelle


o Verfassungsrechtlich wichtig  Rechtsschutzsystem auf diesen Bescheid ausgerichtet
 Verwaltungsgerichtsbarkeit  Entscheidungen ergehen in Form von Beschlüssen und Erkenntnissen
 Ergehen meist schriftlich (mündliche Verkündung möglich)

Bescheid ≠
 Verordnungen einer Behörde
o Nicht individuell an bestimmte Personen, sondern an die Allgemeinheit gerichtet (wie Gesetze)
o (Straßenverkehrsordnung, BagatellanlagenVO)
o Können nicht vor VwG bekämpft werden, sondern eingeschränkte Möglichkeiten vor VfGH
 Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (AuvBZ – verfahrensfreier Akt)
o Bestimmte Akte, die individueller Art sind
o Gehen von Verwaltungsbehörde aus und sind somit Hoheitsakte
o Stehen NICHT am Ende eines Verfahrens  OHNE detailliertes Verfahren
o zB Festnahme, Beschlagnahme, Stilllegungsanordnung

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 Privatrechtliche Verträge (Privatwirtschaftsverwaltung)


o Staat agiert wie Unternehmen in der Privatwirtschaft
o Zweiseitige Akte, die keine Hoheitsakte sind
o Bundesministerium kauft Computeranlagen bei MediaMarkt  Kaufvertrag

 Bescheide weisen gelegentlich Fehler auf


o Einige führen zur Nichtigkeit des Bescheides
o Andere berühren das gültige Zustandekommen eines Bescheides nicht, sondern machen Bescheid
bloß rechtswidrig  somit anfechtbar bzw vernichtbar
o Beachte: „Fehlerkalkül“ der Rechtsordnung!
 Raumordnung unterschiedet zwischen normativer Existenz, die gegeben ist, und der
Rechtsmäßigkeit eines Rechtsaktes, die in solchem Fall fehlt
  Rechtsschutzsystem baut darauf auf
 Welche Folgen bestimmte Fehler haben, ergibt sich aus Rechtsordnung

Bescheid-Mindesterfordernisse
= jene Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit überhaupt ein Bescheid vorliegt:

 Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu kennzeichnen


 Behördenqualität der bescheiderlassenden Stelle
 Bezeichnung der bescheiderlassenden Stelle
 Bezeichnung des Adressaten/der Adressatin
 Spruch (es wird etwas rechtserheblich ausgesprochen)  Kernstück
 Begründung, wenn dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich entsprochen wird oder wenn über
Einwendungen von Parteien abgesprochen wird
 Unterschrift und Feststellbarkeit des/der Genehmigenden

 Das Fehlen der Angabe der bescheiderlassenden Behörde oder des Bescheidadressaten, der Spruch oder der
Name des Genehmigten liegt im Sinne des Fehlerkalküls ABSOLUTE Nichtigkeit vor!

Bei Fehlen anderer Merkmale (zB Rechtsmittelbelehrung, Begründung, Einhaltung von Verwaltungsvorschriften) liegt
allenfalls eine Rechtswidrigkeit des wirksam zustande gekommenen Bescheids, aber keine absolute Nichtigkeit des
Bescheides vor.

 Jeder Bescheid muss eine Rechtsmittelbelehrung enthalten, wenn es ein rechtsgültiger Bescheid sein soll
(steht eine falsche Frist, so gilt die längere gesetzliche Frist)
 Ein Bescheid entsteht, kann aber bekämpft werden, wenn Folgendes fehlt oder fehlerhaft ist
o Begründung
o Rechtsmittelbelehrung
o Einhaltung von Verwaltungsvorschriften
 Nebenbestimmungen in Bescheiden
o Auflagen (insb. Im Betriebsanlagenrecht)
o Bedingungen, Befristungen (Bewilligung erst, wenn etwas Anderes gegeben ist; Bewilligung so lange,
bis etwas Anderes gebaut wird / befristete Genehmigung in Bescheid angegeben)

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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

b) Welche Bescheide gibt es? – Unterscheidung je nach Inhalt


 Leistungsbescheide
o Schreiben Erfüllung einer bestimmten Leistung vor
o Wenn vorgeschriebene Leistung nicht freiwillig erbracht wird
  zwangsweise Vollstreckung der Behörde (BESONDERS – nur bei Leistungsbescheiden)
o Strafbescheid (Geldstrafe), Abbruchbescheid, Vorschreibung einer Steuer
 Rechtsgestaltungsbescheide
o Begründen, gestalten oder heben ein Rechtsverhältnis auf
o Rechtsposition dessen, der es bekommt, vorher eine andere als nachher, weil seine Rechtssphäre
gestaltet wird  Rechtssphäre wird gestaltet
o Bau-, Betriebsanlagengenehmigung, Entzug der Gewerbeberechtigung
 Feststellungsbescheid
o Er stellt rechtserhebliche Dinge fest  stellen Bestehen oder Nichtbestehen eines
Rechtsverhältnisses mit rechtlicher Verbindlichkeit fest
o Feststellung, ob Bagatell- oder Normalanlage (wegen Parteistellung der Nachbarn, Verfahrensart, …)

c) Nebenbestimmungen in Bescheiden
(1) Auflagen
 Können in Zusammenhang mit begünstigenden Bescheiden ergehen
 Durch Auflage werden Bescheidadressaten, wenn er die zuerkannte Berechtigung in Anspruch nimmt,
Verpflichtungen auferlegt
 Behörde achtet darauf, dass Entscheidung im Konsensweg zwischen Gewerbetreibenden, Nachbarn und
Behörde erreicht wird  dass Berücksichtigung aller Interessen und somit Einhaltung der Auflagen als
gewährleistet erscheint, dass Bedenken der Nachbarn angemessen entsprochen wird (schalldichte Tür)

(2) Bedingungen
 Machen Eintritt oder Erlöschen der in einem Bescheid angeordneten Berechtigung oder Verpflichtung von
einem zukünftigen (ungewissen) Ereignis abhängig.
 Bewilligung zum Bau eines Schleppliftes liegt nur vor, wenn mit der Errichtung eines Sesselliftes begonnen
wird  so lange liegt Bau des Schleppliftes auf Eis

(2) Befristung
 Verknüpft Eintritt oder Beendigung der im Bescheid ausgesprochenen Berechtigung oder Verpflichtung mit
einem zukünftigen gewissen Ereignis (Datum, Ablauf einer Zeitspanne)
 Genehmigung für Zeitraum von 1. Mai bis 30. September eines bestimmten Jahres

d) Wie wird ein Bescheid erlassen?


 Legalitätsprinzip (keine Vollziehung ohne Gesetz)
o  Bescheid kann nur Ergebnis einer Gesetzes-/VO-Anwendung sein
o mitunter Entscheidungsspielraum (Ermessen) der Behörde
o aufgrund vorgesehener strikter Bindung der Verwaltung an das Gesetz
 Behörde hat von der Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung auszugehen
 Erlassen ist der Bescheid mit
o mündlicher Verkündung oder
o wirksamer Zustellung an den Adressaten/die Adressatin
 Ab dem Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides beginnt der Lauf der Rechtsmittelfrist

e) Wann ist der Bescheid rechtskräftig und was bedeutet das?


Rechtskraft bedeutet Unabänderlichkeit des Bescheides
 Grundsätzlich sollen ab einem gewissen Zeitpunkt Bescheide nicht mehr abgeändert werden können
o Selbst dann nicht, wenn sie rechtswidrig sind
o Rechtssicherheit und Rechtsfrieden vor Rechtsrichtigkeit (Rechtsmäßigkeit)
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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

 Formelle Rechtskraft
o Unanfechtbarkeit mit ordentlichen Rechtsmitteln
o Tritt grundsätzlich erst ein, wenn während der Rechtsmittelfrist kein Rechtsmittel gegen einen
Bescheid erhoben wird oder das VwG über eine gegen einen bescheid erhobene Beschwerde
entschieden hat
o Die Erhebung einer Erkenntnisbeschwerde an den VfGH oder einer Revision an den VwGH gegen
eine Entscheidung des VwG stellt ein außerordentliches Rechtsmittel dar,
 Das den Eintritt der formellen Rechtskraft grundsätzlich nicht hemmt

 Materielle Rechtskraft (= Folge der formellen Rechtskraft)


o Unwiderrufbarkeit
o Unwiederholbarkeit
o Verbindlichkeit
o Behörde kann frühere Entscheidung nicht widerrufen oder abändern
 Auch Partei kann in derselben Sache nicht nochmals eine Entscheidung begehren
o Bescheid wird durch Eintritt der Rechtskraft zu einer auf die Bescheidempfänger speziell
zugeschnittenen (individuellen) verbindlichen Rechtsnorm

 Durch Rechtskraft bewirkte Unabänderlichkeit relativ


o Ausnahmsweise Durchbrechung der Rechtskraft (Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn neue
Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die zu einer anderen Entscheidung geführt hätten,
Vorschreiben nachträglicher Auflagen für Betriebsanlagen)

f) Persönliche und dingliche Wirkung des Bescheides


 Bescheide entfalten grundsätzlich persönliche Wirkung  trifft den Bescheidadressaten
 Da es auf persönliche Umstände des Berechtigten bzw des Verpflichteten ankommt,
o Gelten die mit Bescheid verbundenen Rechte und Pflichten nur gegenüber den Bescheidadressaten
o (zB Gewerbeberechtigung, Staatsbürgerschaft, akademischer Grad)
 Dingliche Wirkung trifft die Betriebsanlage oder das Bauwerk
o Bescheid haftet an Betriebsanlage und nicht am Unternehmer
o Wird Betriebsanlage veräußert, geht Bewilligung auf Erwerber der Betriebsanlage über
 Wird Gasthaus verkauft, geht Betriebsanlagenbescheid über.
o Neuer Inhaber benötigt aber eine Gewerbeberechtigung, weil es sich dabei um keinen dinglichen
Bescheid handelt, sondern der entsprechende Bescheid nur persönliche Wirkung entfaltet

g) Der Mandatsbescheid
 ausnahmsweise
 Bescheid ohne vorangegangenes Ermittlungsverfahren
 Nur unter zwei Voraussetzungen zulässig
o Festlegung von Geldleistungen (nach feststehendem Maßstab  Tarif oder Statut)
o Gefahr im Verzug (und Behörde muss somit unaufschiebbare Maßnahmen setzen)
o zB Bedrohung der Gesundheit, Austritt unüblicher Emissionen

e) Exkurs: Akte unmittelbarer verwaltunsgbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (AuvBZ)


 Prinzipiell bedarf verwaltungsbehördlicher Eingriff in subjektive Rechte einer bestimmten Form  Bescheid
 Voraussetzung für Bescheid: Durchführung eines Verfahrens
 „verfahrensfreie Verwaltungsakte“ = Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und
Zwangsgewalt
o Mitunter ist in Gesetzen und Verordnungen vorgesehen, dass Verwaltungsbehörden ohne ein
vorangehendes Verfahren in die subjektiven Rechte von Personen eingreifen dürfen

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 Individuell an bestimmten Adressaten gerichtete einseitige Erteilung eines Befehls bzw. die Ausübung von
Zwang durch ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung
 Spezieller Rechtsschutz  Maßnahmenbeschwerde, Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG
 Beispiele: Festnahme durch Polizei, Entnahme von Warenproben durch Gewerbebehörde, Beschlagnahme
von Gegenständen durch Organe der öffentlichen Aufsicht, Schließung eines Betriebes durch die
Gewerbebehörde, Abnahme des Führerscheins durch Polizei

Zustellung und Fristen


 Rechtliche Wirksamkeit des Bescheides durch Zustellung/Verkündung
o sofern nicht mündlich verkündet, muss Bescheid den am Verfahren beteiligten Parteien zugestellt
werden
o durch Post (Rsa, Rsb), Organe der Behörde, elektrische Zustellung oder Hinterlegung im Akt (und
Kundmachung an Amtstafel der Behörde – wenn Behörde Bescheidadressaten nicht erreich kann)
o nähere Regelung im Zustellgesetz
 auf nicht elektronischem Weg entweder ohne (Einwurf in Postkasten) oder mit Zustellnachweis (Bestätigung
bei Übergabe durch Zusteller (Postbote) auf Rückschein – RS)
o RSa  Übergabe nur an Empfänger
 wenn es um Ladungsbescheide geht, die für Fall des Nichterscheinens vor der Behörde
Zwangsmittel androhen – besonders wichtige Fälle
o RSb  darf auch von Ersatzempfängern an gleicher Adresse entgegengenommen werden
 Wenn nachweisbarer Zeitpunkt der Zustellung für Rechtsmittelfristen wichtig ist
 Rechtsmittelfrist beginnt mit Zustellung zu laufen (§ 7 Abs 4 VwGVG)
o Beschwerde an VwG muss binnen 4 Wochen ab Bescheidzustellung erhoben werden

5.3 Rechtsschutz
 Sicherung der Einhaltung des Rechts
o Gewährleistung durch Rechtsschutzeinrichtungen
 Überprüfung der Entscheidung einer Verwaltungsbehörde mit Hilfe eines Rechtsmittels (Partei hat Mögl)
o Wesentliches Element des Rechtsstaates
 Es muss möglich sein, Fehler von Staatsorganen zu verhindern oder zu korrigieren
 Rechtsordnung rechnet von vornherein mit Fehlern, weil
o Auch für Staat (Bund, Länder, Gemeinden) und seine Organe können letztlich nur Menschen handeln
o Wo Menschen handeln, passieren Fehler
 Rechtsstaat muss als „Rechtsschutzstaat“ entsprechende Verfahren zur Verfügung stellen, in denen
behauptete Fehler von Vollzugsakten beseitigt werden können
o Konsequenz: Rechtsstaat geht davon aus, dass der Einzelne „seine Sache“ auch selbst in die Hand
nimmt
 Es gibt aber andererseits ein wesentliches Interesse an Rechtssicherheit

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o  dass Vollzugsakte nicht zeitlich unbegrenzt von einer Aufhebung im Rechtsmittelweg bedroht ist
o Insbesondere dann, wenn Personen daraus eine Berechtigung erhalten
o !!! Wer aus Bescheid ein Recht erhalten hat, möchte sich zukünftig darauf verlassen können !!!
 Daher knüpft Rechtsordnung typischerweise die Geltendmachung von Rechtsmitteln und somit die
Bekämpfung von Fehlern an Fristen  Rechtsmittelfristen
 Wird ein Bescheid wegen allfälliger Rechtswidrigkeit NICHT fristgerecht bekämpft,
o Nimmt Partei in Kauf, dass der Bescheid – so wie er ist – UNABÄNDERLICH verbindlich wird

5.3.1 Rechtsstaatsprinzip und Rechtsschutz


 Rechtsstaatsprinzip ist eines der Grundprinzipien der österreichischen Bundesverfassung
 Legalitätsprinzip  dem Rechtsstaatsprinzip zugehörig
o (Art 18 B-VG): „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt
werden.“
o Strikte Bindung des staatlichen Handelns an das Gesetz
 Um Einhaltung der Bindung an das Gesetz auch sicherstellen zu können, ist der Rechtsstaat daher
notwendigerweise auch Rechtsschutzstaat
o Darauf ergibt sich Notwendigkeit eines effektiven Systems von Rechtsschutzeinrichtungen, die diese
Bindung gewährleisten
o  Entscheidungen müssen überprüft werden können. Es muss ausreichender Rechtsschutz
gewährleistet werden

Sinn und Zweck des Rechtsmittels oder Rechtsbehelfes


 Die Ermöglichung der Kontrolle der Rechtsmäßigkeit des staatlichen Handelns
 Dem Bürger wird dadurch Möglichkeit gegeben, seine gesetzlichen Rechte zu sichern

Ziel des Rechtsschutzsystems


 Rechtswidriges Handeln zu beseitigen
o um zu verhindern, dass rechtswidriger Weise in subjektive Rechte des Rechtsmittelwerbers
eingegriffen wird

5.3.2 Die Rechtsschutzeinrichtungen

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Allgemeines
 Gliederung der Gerichtsbarkeit
o in ordentliche Gerichtsbarkeit
o und Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts
 Zusammen bilden diese ein umfassendes System von Rechtsschutzeinrichtungen, welche es ermöglichen,
dass die Rechtmäßigkeit jedes staatlichen Handelns von einem unabhängigen Gericht überprüft werden kann
(bei ordentlicher Gerichtsbarkeit: Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Privaten)

Zentrales Unterscheidungsmerkmal zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung


 organisatorische Stellung
 Gerichtsbarkeit ist nur Gesetz verpflichtet und wird von unabhängigen (weisungsfreien), unabsetzbaren und
unversetzbaren Organen (Richtern) ausgeübt.

Ordentliche Gerichtsbarkeit
 Gerichte, die für Zivil- und Strafsachen (ausgenommen Verwaltungsstrafrecht) zuständig sind
 Oberste Instanz in Zivil- und Strafsachen ist der Oberste Gerichtshof (OGH)  einer der 3 Höchstgerichte
 Bei Vorgehen gegen Vertrag zwischen Privaten

Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts


 Lässt sich weiter in Verwaltungsgerichtsbarkeit und Verfassungsgerichtsbarkeit unterteilen
 Verwaltungsgerichtsbarkeit
o VwG des Bundes und der Länder sowie VwGH
 Kontrolle der VwG bezieht sich unmittelbar auf individuell hoheitliche Akte (Bescheide, AuvBZ) von Behörden
 VwGH
o prüft mögliche Verletzungen in einem einfach gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht durch
Entscheidung eines VwG
 VfGH nimmt Verfassungsgerichtsbarkeit wahr
o Prüft Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten
o Oder ob eine Verletzung durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (Gesetz oder
Verordnung) vorliegt.
o Ist als einziges Gericht befugt, verfassungswidrige Normen aufzuheben – also aus dem
Rechtsbestand zu ENTFERNEN
 Vorgehen gegen Akt der (hoheitlichen) Verwaltung – Bescheid

Rechtsschutzeinrichtungen 1. Instanz
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (mit 1.1.2014)
 Einführung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der
öffentlichen Verwaltung
 Es hat sich gezeigt, dass Anforderungen des Unionsrechts und des Völkerrechts (EMRK, GRC) die
Gewährleistung des Rechtsschutzes durch unabhängige gerichtliche Stellen verlangen
 Seither gibt es grundsätzlich keinen administrativen Instanzenzug mehr  gegen Bescheide kann mit
Beschwerde direkt an zuständiges VwG vorgegangen werden
o Ein von Behörde erlassener Bescheid kann daher prinzipiell von ZWEI nachgelagerten
verwaltungsgerichtlichen Instanzen (VwG, VwGH) überprüft werden
o Zudem besteht gegen Entscheidungen der VwG Möglichkeit einer Entscheidungsbeschwerde an den
VfGH
 Überprüfung von Entscheidungen der Behörden auf ihre Übereinstimmung mit der
Verfassung (VfGH sowie mit einfachen Gesetzen und Verordnungen (VwGH)

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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

 „9+2 Modell der Verwaltungsgerichte“


o Somit 11 Verwaltungsgerichte 1. Instanz
 9 Landesverwaltungsgerichte  Landesorgane
 2 Verwaltungsgerichte des Bundes (Bundesverwaltungsgericht - BVwG,
Bundesfinanzgericht - BFG)  Bundesorgane
 Ausnahme von Regel, dass es gegen verwaltungsbehördliche Entscheidungen keinen administrativen
Instanzenzug gibt, bildet eigener Wirkungsbereich der Gemeinden
o Nach wie vor administrativer (zweistufiger) Instanzenzug möglich
o Gegen erstinstanzliche Bescheide des Bgm ist grundsätzlich mit Berufung an zuständige
Berufungsbehörde der Gemeinde (idR Gemeinderat) vorzugehen
o Berufung kann sich stets nur gegen einen Bescheid richten
o Gegen Entscheidung der Berufungsbehörde steht dann Beschwerde an das VwG offen
o In einigen Bundesländern abgeschafft  nach erstinstanzlichem Bescheid sogleich Beschwerde VwG
 Entscheidung erfolgt grundsätzlich durch Einzelmitglieder (Einzelrichter)

Rechtsmittel im Verwaltungsverfahren

Unterschied zwischen Rechtsmittel und Rechtsbehelf


 Rechtsmittel  soll bewirken, dass eine einmal erlassene Entscheidung – bevor sie rechtskräftig wird –
bekämpft werden
o und in der Regel von einer oberen Instanz kontrolliert werden kann
 Rechtsbehelfe  erfordern keinen Bescheid und keine verwaltungsgerichtliche Entscheidung
o Sie dienen idR dazu, eine ungünstige prozessuale Situation zu beseitigen
o (hat man etwa Rechtsmittelfrist versäumt, so dient Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand dazu, dass man wieder so gestellt wird, als hätte man Frist nicht versäumt
o – ob im konkreten Fall ein Bescheid erlassen wurde, ist nicht relevant)

Unterschied zwischen aufsteigenden (devolutiven) und nicht aufsteigenden (remonstrativen) Rechtsmitteln


 Aufsteigend (devolutiv)
o Übergeordnete Verwaltungsbehörde (Gemeinderat oder Gemeindevorstand) oder übergeordnetes
VwG ist zur Entscheidung berufen
 Nicht aufsteigend (remonstrativ)
o Dieselbe Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat
o Bekämpfung mittels Vorstellung  Ermittlungsverfahren, das bisher noch nicht durchgeführt wurde,
soll nachgeholt werden
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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

Unterschied zwischen ordentlichen und außerordentlichen Rechtsmitteln


 Ordentliche Rechtsmittel
o Richten sich gegen einen Bescheid
o Und schließen bei rechtzeitiger Einbringung den Eintritt der formellen Rechtskraft AUS
 Beschwerde an das VwG, Berufung und der Devolutionsantrag in den Angelegenheiten des
eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde  sind devolutiv
 remonstrative Vorstellung gegen einen Mandatsbescheid
 Außerordentliche Rechtsmittel
o Sind entweder gegen Entscheidungen des VwG oder gegen Bescheide einer Behörde gerichtet,
 Die bereits rechtskräftig ergangen sind
o NUR unter bestimmten Umständen soll ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren wegen
Bedenken gegen die Richtigkeit der Entscheidung nochmals durchgeführt werden
 Revision an den VwGH
 Erkenntnisbeschwerde an den VfGH
 Antrag auf Wiederaufnahme des behördlichen Verfahrens und des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens
 Bei Untätigkeit der Behörde im Hinblick auf eine Bescheiderlassung steht die Säumnisbeschwerde an das
VwG offen,
o Ausnahmsweise – in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinden – der
Devolutionsantrag

5.3.3 Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten


Organisation
 Die VwG sind „echte“ Gerichte im Sinne des B-VG
o Richter an den VwG verfügen über dieselben richterlichen Unabhängigkeitsgarantien
(Unabhängigkeit, Unabsetzbarkeit, Unversetzbarkeit) wie die der ordentlichen Gerichte
 Zuständigkeit zur Regelung der Organisation der VwG ist
o Zwischen Bund und Ländern geteilt
 Bund regelt Organisation der VwG des Bundes (BVwG, BFG) und des VwGH
 Länder regeln Organisation der Landesverwaltungsgerichte
 (1 Organisationsgesetz für jedes LVwG)
 VwG entscheiden grundsätzlich durch Einzelmitglieder
o Bundesgesetzgebung ermächtigt dazu, Fachsenate einzurichten und Mitwirkung von fachkundigen
Laienrichtern vorzusehen
o Bestimmte Entscheidungsbefugnisse können an Rechtspfleger übertragen werden (gegen deren
Entscheidung ist Vorstellung an zuständiges Mitglied des VwG zulässig)

Sachliche Zuständigkeiten
Welche Rechtsschutzeinrichtung über Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen von
Verwaltungsbehörden zu befinden hat, bestimmt sich nach

 dem B-VG
o Nach Kompetenzverteilung
o Nach Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit
 den aufgrund des B-VG erlassenen Gesetzen
o Verfahrens- und Materiengesetze

 Sachliche Zuständigkeit der Rechtsschutzeinrichtungen richtet sich danach, ob ein Rechtsakt in mittelbarer
oder unmittelbarer Bundesverwaltung, in Landesverwaltung oder im Rahmen der Gemeindeverwaltung
gesetzt wurde.

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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

o Grundsätzlich Generalklausel zugunsten der VwG der Länder bei Verteilung der Zuständigkeiten
zwischen den VwG
o Verteilung der Zuständigkeiten kann aber durch den einfachen Bundesgesetzgeber oder
Landesgesetzgeber idR unter Einhaltung bestimmter Zustimmungserfordernisse verschoben werden

die Verwaltungsgerichte entscheiden über


 Bescheidbeschwerden
 Maßnahmenbeschwerden (Kontrolle der AuvBZ)
 Säumnisbeschwerden (man hat keinen Bescheid erhalten  keine Entscheidung – Verwaltungsbehörde hat
nicht innerhalb von 6 Monaten oder innerhalb einer anderen Frist eine Entscheidung getroffen  man kann
Bescheid zum VwG bringen und diese anstelle der Verwaltungsbehörde entscheiden)
 Weitere Zuständigkeiten können durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen werden.
o Vergaberecht (Staat kauft bestimmte Dinge wie Privater) – soll von Verwaltungsgerichten und nicht
von ordentlichen Gerichten entschieden werden
o Hier aber kein weiteres Thema

a) Bundesverwaltung
mittelbare Bundesverwaltung
 „Normalfall“
 Immer, wenn eine Angelegenheit grundsätzlich im Bereich der Vollziehung aufgrund der
Kompetenzverteilung des B-VG dem Bund zugewiesen ist
o Aber durch Behörden der Länder vollzogen wird
 In diesen Angelegenheiten besteht grundsätzlich Zuständigkeit der LVwG

BezirksVB LVwG VwGH/VfGH


unmittelbare Bundesverwaltung
 Bund wird organisatorisch durch eigene Behörde (Bundesverwaltungsbehörde, Datenschutzbehörde, …) tätig
 In diesen Angelegenheiten besteht grundsätzlich Zuständigkeit des BVwG
  Bund vollzieht durch eigene Organe

Bundesbehörde BVwG/BFG VwGH/VfGH


b) Landesverwaltung
 Besteht nach Kompetenzartikeln keine ausdrückliche Bundeskompetenz in einer Sache, wird diese im
Wirkungsbereich der Länder geregelt und vollzogen
o Generalklausel  alles, was nicht dem Bund zugewiesen ist, ist zwingend Landessache
o B-VG enthält keine ausdrückliche Auflistung der Landeskompetenzen
 Bund kann in bestimmten Materien Grundsatzgesetze erlassen
o Die von den Landesgesetzgebern durch Landesgesetze ausgestaltet werden
o  letztere werden von den Ländern vollzogen
 In diesen Angelegenheiten besteht grundsätzlich eine Zuständigkeit der VwG der Länder

BVB LVwG VwGH/VfGH

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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

c) Gemeindeverwaltung
Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs
 Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der Gemeinde liegen
o und geeignet sind, innerhalb der örtlichen Grenzen durch die Gemeinde besorgt zu werden
 idR Beibehaltung des (administrativen) gemeindeinternen Instanzenzuges
o Bgm als 1. Instanz, 2. und letzte administrative Instanz Gemeinderat
 Erst nach Ausschöpfung des gemeindeinternen Instanzenzuges, steht Beschwerde an VwG
o Gemeindeordnung (oder Materiengesetze) kann auch Gemeindevorstand als Berufungsbehörde
vorsehen oder gemeindeinternen Instanzenzug gänzlich ausschließen  gleich VwG
Gemeinderat/
Bürgermeister LVwG VwGH/VfGH
Gemeindevorstand

Angelegenheiten im übertragenen Wirkungsbereich


 Besorgt Gemeinde nach Maßgabe von Bundes- oder Landesgesetzen im Auftrag und nach Weisungen des
Bundes bzw der Länder
o  nachgeordnete Behörde des Landes
 Organ des übertragenen Wirkungsbereiches ist der Bgm
 Es gibt KEINEN (administrativen) innergemeindlichen Instanzenzug
o Bescheide des Bgm unterliegen unmittelbar der Kontrolle des zuständigen VwG

Bürgermeister LVwG VwGH/VfGH


Örtliche Zuständigkeit
 Amtssprengel der LVwG umfasst jeweiliges Gebiet des Bundeslandes
 Bestimmung des VwGVG knüpft dabei an Zuständigkeitsregelung des AVG an
o Bei unbeweglichen Gütern: nach der Lage des Gutes
o Bei Unternehmen: nach dem Ort der Tätigkeit
o Ansonsten: Hauptwohnsitz/Sitz
 Ausnahme bei Verwaltungsstrafsachen
o Anwendung stets jenes LVwG, in dessen Sprengel der Sitz der Behörde liegt, die Bescheid erlassen
bzw nicht erlassen hat
 Maßnahmenbeschwerden gegen AuvBZ
o Zuständigkeit richtet sich nach dem Ort, an dem der Akt begonnen wurde
 Falls Zuständigkeit nicht gem VwGVG bestimmbar ist
o Ist VwG Wien zuständig

Aufgaben – VwG sind insb zur Entscheidung über folgende Beschwerden berufen
 Bescheidbeschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit
 Maßnahmenbeschwerden gegen AuvBZ wegen Rechtswidrigkeit
 Säumnisbeschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde innerhalb
der gesetzlichen Frist
 Übertragung sonstiger Zuständigkeiten durch Bundes- und Landesgesetze der VwG
o Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der
Gesetze
o Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in Angelegenheiten des
öffentlichen Auftragswesens
o Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten
o Beschwerden, Streitigkeiten oder Anträge in sonstigen Angelegenheiten

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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

Verfahrensrechtliche Besonderheiten
 VwG verfügen über eigene Verfahrensordnung  Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)
o BFG ist davon ausgenommen
o AVG sowie die Sonderverfahrensbestimmungen der Materiengesetze sind subsidiär anwendbar
 In Verwaltungsstrafsachen das VStG

Besonderheiten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens


 Parteistellung der Behörde, deren Rechtsakt oder Untätigkeit bekämpft wird
 Volksöffentlichkeit: VwG haben öffentliche, mündliche Verhandlung durchzuführen
o Kann aus bestimmten Gründen entfallen  Öffentlichkeit kann von Verhandlung ausgeschl. werden

Beschwerdelegitimation und Beschwerdefrist


 Legitimierte Beschwerde an VwG, wenn man sich durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde
o in seinen Rechten verletzt behauptet
 angefochtener Bescheid muss über subjektive Rechte oder Pflichten des Beschwerdeführers absprechen und
dessen Rechtssphäre nachteilig berühren
 wird nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides auf Beschwerde verzichtet
o geht Beschwerdelegitimation verloren  unwiderruflich
 Frist zur Erhebung der Bescheidbeschwerde  4 Wochen ab Kundmachung
o Durch Behörde nicht verlängerbar
o Aber Wiedereinsetzung in vorigen Stand zugänglich

Form und Inhalt der Beschwerde


 Beschwerde ist schriftlich einzubringen

Hat folgende Inhalte


 Bezeichnung des angefochtenen Bescheides
 Bezeichnung der belangten Behörde (die Bescheid erlassen hat)
 Angabe von Gründen, auf die sich Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (Unzuständigkeit der belangten
Behörde, inhaltliche Rechtswidrigkeit, unrichtige Beweiswürdigung, Verletzung von Verfahrensvorschriften)
o Ob diese Gründe tatsächlich vorliegen, ist für Zulässigkeit der Beschwerde IRRELEVANT
 Begehren  Beschwerdebegehren lautet idR auf Abänderung des angefochtenen Bescheides im Sinne des
Beschwerdeführers
o auf ersatzlose Behebung des Bescheides
o oder auf Aufhebung unter Zurückweisung der Angelegenheit
o zur Erlassung eines neuen Bescheides an Behörde
 Angaben zur Rechtsrichtigkeit der Beschwerde
o Hat jene Angaben zu umfassen, die Beurteilung erlauben, ob Beschwerde rechtzeitig erhoben wurde
(Datum der Zustelltun/Verkündung des Bescheides)

 Im Beschwerdeverfahren besteht kein Neuerungsverbot


o Es können sowohl neue Tatsachen als auch neue Beweise vorgebracht werden
 Welche der bescheiderlassenden Behörde nicht bekannt waren
 Beschwerdemitteilung an andere Parteien – müssen darüber in Kenntnis gesetzt werden und
sich äußern können
 Rechtzeitig eingebrachte und zulässige Bescheidbeschwerde hat aufschiebende Wirkung
o Angefochtener Bescheid ist NICHT vollstreckbar
o Im Bescheid auferlegten Leistung sind vorläufig nicht zu erbringen, zuerkannte/aberkannte Rechte
treten vorläufig nicht ein, Feststellung sind nicht verbindlich
o Aufschiebende Wirkung kann von Behörde oder vom VwG ausgeschlossen werden (in
Verwaltungsstrafsachen allerdings nicht)

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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

Entscheidung über die Beschwerde


Beschwerdevorentscheidung

 Liegt im Ermessen der Behörde, ob sie Beschwerde unter Anschluss des Verfahrensakts entweder dem VwG
vorlegt oder eine Beschwerdevorentscheidung erlässt
 Behörde kann Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufheben, abändern, abweisen oder die Beschwerde
zurückweisen
o Ist dabei (wie VwG) an Beschwerdegründe und Beschwerdebegehren gebunden)
 Beschwerdevorentscheidung
o Stellt „Selbstkontrolle“ der Verwaltung dar
o Ist „zweite Chance“ für Verwaltungsbehörde
o Gegen Beschwerdevorentscheidung kann Vorlageantrag erhoben werden
 Binnen zwei Wochen
 Somit wird Beschwerde dem VwG zur Entscheidung vorgelegt
 VwG hat aufgrund eines Vorlageantrages Beschwerdevorentscheidung auf Rechtmäßigkeit
zu kontrollieren (nach Beschwerdebehauptungen)

Entscheidung durch das Verwaltungsgericht


 VwG entscheidet grundsätzlich „in der Sache selbst“
o Entscheidet VwG in Sache, ist Rechtssache durch
Erkenntnis zu erledigen
o VwG ist bei Entscheidung an Beschwerdevorbringen
gebunden,
o hat jedoch eine die Angelegenheit inhaltlich erledigende
Entscheidung in der Sache zu treffen, die an die Stelle
des verwaltungsbehördlichen Bescheides tritt
 VwG hat grundsätzlich dann in Sache zu entscheiden, wenn
maßgeblicher Sachverhalt feststeht oder Feststellung des
maßgeblichen Sachverhaltes durch das VwG selbst im Interesse
der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen
Kostenersparnis verbunden ist
o Kriterien werden von Judikatur weit interpretiert, sodass
im Regelfall Sachentscheidung zu ergehen hat
 Verwaltungsgericht hat Möglichkeit Bescheid aufzuheben und
Angelegenheit an Verwaltungsbehörde zurückzuverweisen
o Sieht sich Fall völlig neu an und trifft völlig neue
Entscheidung
o Belangte Behörde hat neuen Bescheid zu erlassen
o Bindung an die Rechtsansicht des VwG
o Kommt in Judikatur nur bei besonders schwerwiegenden Ermittlungsmängeln der Behörde in
Betracht
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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

 Hebt VwG angefochtenen Bescheid auf, ist Behörde verpflichtet, in betreffender Rechtssache
o unverzüglich den der Rechtsanschauung des VwG entsprechenden Rechtszustand herzustellen
 Ist Beschwerde verspätet oder unzulässig, hat sie das VwG zurückzuweisen (durch Beschluss)
o VwG hat in der Sache selbst keine neue Entscheidung zu treffen
o Angefochtener Bescheid bleibt in Kraft
 Wird Beschwerde zurückgezogen, ist Verfahren einzustellen (durch Beschluss)

Ablauf des Bescheidbeschwerdeverfahrens vor den Verwaltungsgerichten

zu bekämpfender Bescheid

Beschwerdefrist 4 Wochen
Beschwerde einzubringen bei der
Verwaltungsbehörde
Beschwerde keine Beschwerde
aufschiebende Wirkung Bescheid wird vollstreckbar

2 Monate

Beschwerdevorentscheidung
durch bescheiderlassende
Behörde
Entscheidung durch das VwG
Frist 2 Wochen  Einstellung des Verfahrens
 Zurückweisung der Beschwerde
kein Vorlageantrag  Aufhebung des angefochtenen Bescheides
Beschwerde- und Zurückverweisung der Angelegenheit an
Vorlageantrag
vorentscheidung wird die Behörde
vollstreckbar  Sachentscheidung

 Erkenntnisse der VwG sind im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen
o Sie sind stets zu begründen
 Hat Verhandlung in Anwesenheit von Parteien stattgefunden
o Hat das VwG das Erkenntnis mit wesentlichen Entscheidungsgründen gleich zu verkünden
 Verkündung des Erkenntnisses entfällt, wenn Verhandlung nicht durchgeführt (fortgesetzt) worden ist oder
o Wenn das Erkenntnis nicht sogleich nach Schluss der mündlichen Verhandlung gefasst werden kann
o Und jedermann die Einsichtnahme in das Erkenntnis gewährleistet ist
 Den Parteien ist (auch bei mündl Verh) eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zuzustellen, wenn
dies zumindest von einer Partei beantragt wurde
o Wird kein derartiger Antrag gestellt oder verzichten alle Parteien auf Erhebung einer Revision an den
VwGH und einer Erkenntnisbeschwerde an den VfGH, kann Ausfertigung des Erkenntnisses in
gekürzter Form erfolgen
 In diesen Fällen: weder Revision an VwGH noch Erkenntnisbeschwerde an VfGH

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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

5.4 Rechtsmittelverfahren vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts


5.4.1 Allgemeines
 Entscheidungen (Erkenntnisse und
Beschlüsse) eines VwG können durch
Gerichtshöfe öffentlichen Rechts
o Überprüft werden  VwGH und
VfGH
o Jedoch nur noch eingeschränkt
o Ausgeschlossen ist Kontrolle einer
Entscheidung eines Höchstgerichts
durch das andere
 Diese stehen gleichwertig auf
derselben Ebene

Zuständigkeit
 Parallele Zuständigkeit zwischen VwGH und
VfGH
 Abgrenzung der Zuständigkeit erfolgt
vorwiegend anhand des Prüfungsmaßstabes
 VfGH
o Entscheidungen im Rahmen der sog Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit,
 Inwieweit der Rechtsmittelwerber durch Entscheidung eines VwG in seinen
verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde
 Oder eine Verletzung durch Anwendung einer rechtswidrigen generell Norm vorliegt
 VwGH
o Überprüft lediglich eine mögliche Verletzung eines einfachgesetzlich gewährleisteten subjektiven
Rechts
 Rechtsmittelwerber kann bei Entscheidungen des VwG sowohl in verfassungsgesetzlich als auch in einem
einfachgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt sein
o Zuständigkeit begründet sich daher maßgeblich durch die vom Beschwerdeführer behauptete
Rechtsverletzung
o Auch Parallelbeschwerde möglich – gleichzeitig an beide Gerichtshöfe
o MÖGLICH: zunächst Beschwerde an VfGH und bei Ablehnung Antrag auf Abtretung an den VwGH
 Umgekehrt NICHT MÖGLICH!!!

5.4.2 Der Verwaltungsgerichtshof


 Ist für sämtliche Rechtsmaterien des öffentlichen Rechts sachlich zuständig
o Nicht wie bei VwG nach der zu vollziehenden Kompetenz bestimmt
 Keine örtliche Unterteilung  Zuständigkeit für gesamtes Bundesgebiet
 Entscheidet in letzter Instanz bspw sowohl über Gewerberechts-, Abgabenrechts- und Asylrechtssachen

1. Grundlagen und Organisation


 Zentrale Bestimmungen zur Einrichtung des VwGH finden sich im BV-G
o Sowohl VwGH als auch VwG müssen aus 1 Präsidenten, 1 Vizepräsidenten und der „erforderlichen
Zahl“ von Mitgliedern (Senatspräsidenten und Hofräten) zusammengesetzt sein
o Bestimmungen über persönliche Eignung der Richter, Unvereinbarkeitsregelungen, Möglichkeit der
Erlassung eines Gesetzes über Organisation des VwGH (durch VwGG und darauf basierende
Geschäftsordnung des VwGH erfolgt)
 Richter des VwGH sind hauptberuflich tätig
o Richterliche Unabhängigkeitsgarantien
 VwGH entscheidet in Senaten  bestehend aus 3, 5 oder 9 RichterInnen
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2. Zuständigkeit
Art 133 B-VG: „Der Verwaltungsgerichtshof erkennt über

 Revisionen gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit


 Anträge auf Fristsetzung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht
 Kompetenzkonflikte zwischen Verwaltungsgerichten oder zwischen einem Verwaltungsgericht und dem
Verwaltungsgerichtshof“
 Zusätzliche Kompetenzen können durch Gesetz festgelegt werden
 Nicht in Zuständigkeit des VwGH fallen
o Bereits aufgrund expliziter Anordnung der Bundesverfassung all jene Kompetenzen, die in
Zuständigkeit des VfGH fallen

3. Revision
 Wichtigste Kompetenz des VwGH
 Damit können sich Betroffene an den VwGH wenden, wenn sie Entscheidungen eines VwG bekämpfen
wollen
 Nur im Revisionsverfahren ist inhaltliche Überprüfung einer Entscheidung eines VwG möglich
 Voraussetzung für Revision ist Vorliegen eines Erkenntnisses oder Beschlusses des VwG
o Sowie Erhebung der Revision innerhalb von 6 Wochen ab Zustellung – Anwaltszwang
 Formalvoraussetzungen der Revision
o Muss ausführen, in welchen (einfachgesetzlich gewährleisteten) subjektiven Rechten der
Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (auch Unionsrecht)
 VwGH kann nur dann angerufen werden, wenn Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage von
„grundsätzlicher Bedeutung“ abhängt
o Dann, wenn Entscheidung des VwG von bisheriger Rechtsprechung des VwGH abweicht
o Eine solche Rechtsprechung fehlt
o Oder die zu lösende Rechtsfrage in bisheriger Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wurde
 Ob Revision zulässig, hat VwG bereits bei Erlassung seines Erkenntnisses auszusprechen
 Bei Beschlüssen ist Revision nur eingeschränkt zulässig
 Lässt VwG Revision zu, spricht man von einer ordentlichen Revision
 Wird Zulässigkeit vereinen, kann der Rechtsmittelwerber dennoch eine Revision (sog außerordentliche
Revision) erheben
o Beschwerdeführer muss selbst darlegen, warum eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung
vorliegt
 Der VfGH ist weder bei ordentlicher noch außerordentlicher Revision dazu verpflichtet, die Revision auch
tatsächlich zu behandeln
o Sondern kann Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung selbstständig beurteilen und
daher auch zu einer abweichenden Einschätzung kommen
 kann auch von der vor dem VwG belangten, bescheiderlassenden Behörde erhoben werden
o in Ausnahmefällen auch vom zuständigen Bundesminister

4. Entscheidungsmöglichkeiten des VwGH


 entscheidet grundsätzlich mittels Erkenntnis in der Sache selbst,
o wenn unabhängige Rechtssache entscheidungsreif ist
o regelmäßig  wenn bereits das VwG in Sache selbst (inhaltlich) entschieden hat und
Sachentscheidung im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersprarnis liegt
 Sachverhalt muss bereits durch bescheiderlassende Behörde oder VwG festgestellt worden sein

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 Zurückweisung/Einstellung mit Beschluss


 Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung
durch Erkenntnis
o Man spricht von Kassation
o Sollte keine Sachentscheidung in Frage kommen
o Wenn unzuständiges VwG entschieden hat oder
Entscheidung inhaltlich rechtswidrig ist
o Verfahren tritt wieder in Stand zurück, in dem es
vor Entscheidung des VwG war  VwG muss
erneut in Sache entscheiden  ist dabei an
Rechtsansicht des VwGH gebunden
 Entscheidung in der Sache durch Erkenntnis
o Ist Entscheidung des VwG inhaltlich
rechtskonform  Abweisung der Revision mittels
Erkenntnis
 Fehlen prozessuale Voraussetzungen, ist die Revision hingegen zurückzuweisen
 In Sonderfällen ist zudem auch eine Einstellung durch Beschluss möglich

5.4.3 Der Verfassungsgerichtshof


Einleitung
 Obliegt zunächst Kontrolle von Entscheidungen der VwG mit Blick auf Einhaltung der Grundrechte
 Grundrechtsgerichtshof  in zahlreichen Prüfungsverfahren werden insb Grundrechte als Kontrollmaßstab
herangezogen
 Neben Kontrolle der VwG, folgende Kompetenzen
o Kompetenzgerichtsbarkeit
o Verordnungsprüfung (Überprüfung von Verordnungen auf Gesetzesmäßigkeit)
o Gesetzesprüfung (Überprüfung von Gesetzen auf Verfassungsmäßigkeit)
o Wahlgerichtsbarkeit (Überprüfung, geg Aufhebung von Wahlen)
o Staatsgerichtsbarkeit (Entscheidung über Anklagen gegen oberste Bundes- und Landesorgane
o Untersuchungsausschüsse
o  Politisches Gericht

Organisation
a) Mitglieder
 14 Mitglieder
o Präsident
o Vizepräsidentin
o 12 weitere Mitglieder
o 6 Ersatzmitglieder
 müssen persönliche bzw fachliche Voraussetzungen erfüllen
 Mitglieder werden vom Bundespräsidenten bestellt
 Vorschlag erfolgt
o Durch die Bundesregierung (Präsident, Vizepräsidentin, 6 Mitglieder, 3 Ersatzmitglieder)
o Durch den Nationalrat (3 Mitglieder und 2 Ersatzmitglieder)
o Durch den Bundesrat (3 Mitglieder und 1 Ersatzmitglied)
 Amt endet mit 31.12. des Jahres, in dem das Mitglied das 70. Lj vollendet hat
 Ausübung des Amts des Verfassungsrichters ist formal nebenberufliche Tätigkeit
o Mitglieder der Bundesregierung, der Landesregierung, allgemeinen Vertretungskörpern dürfen dem
VfGH NICHT angehören
 Sind an keinerlei Weisungen gebunden

lisaaa.wu 70
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b) Spruchkörper
 Entscheidungen fallen grundsätzlich im Plenum (Präsident, Vizepräsidentin, 12 Mitglieder)
o Ausnahmsweise „kleine Besetzung“ (Präsident, Vizepräsidentin, 4 Mitglieder)
o Präsident stimmt nur dann mit, wenn eine Pattsituation besteht
 Anwesenheit von einem Vorsitzenden und mindestens acht Mitgliedern notwendig
 Entscheidung mit Stimmenmehrheit (7 zu 6)
 Geheime Abstimmung

Erkenntnisbeschwerde (Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit)
 Entscheidungen der VwG können vom VfGH überprüft werden, soweit Beschwerdeführer in seinen
verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder durch Anwendung von rechtswidrigen Verordnungen,
Gesetzen oder Staatsverträgen in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet
 Voraussetzungen für Beschwerde
o Vorleigen eines Erkenntnisses oder Beschlusses eines VwG
o Erhebung der Beschwerde innerhalb von 6 Wochen ab Zustellung
o Beschwerde muss konkrete Angaben über Sachverhalt enthalten + ausdrückliche Behauptung, in
verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder durch Anwendung einer rechtswidrigen
generellen Norm in Rechten verletzt zu sein
 Rechtsverletzung muss zumindest möglich sein
o Beschwerdebegehren muss auf Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses
lauten
 Kommen dem VfGH Bedenken der Verfassungs- und Gesetzeskonformität der im verwaltungsgerichtlichen
Verfahren anwendbaren generellen Rechtsnormen, hat er ein Gesetzes- bzw Verordnungsprüfungsverfahren
von Amts wegen einzuleiten
o In diesem Fall Unterbrechung des Entscheidungsbeschwerdeverfahrens
o Nach Abschluss Weiterführung und Entscheidung
 Entscheidung des VfGH im Beschwerdeverfahren lautet auf
o Ablehnung durch Beschluss
o Zurückweisung oder Einstellung durch Beschluss
o Entscheidung in der Sache durch Erkenntnis
 Ablehnung der Behandlung der Beschwerde
o Wenn Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat
o Wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist
o  Ablehnung muss einstimmig erfolgen und wird meist in „kleiner Besetzung“ getroffen
 Mangelt es an Prozessvoraussetzung oder weist die Beschwerde an sich einen Mangel auf, der trotz
Verbesserungsauftrags nicht beseitigt wurde, ist sie zurückzuweisen
 Sachentscheidung kann entweder in Aufhebung des Erkenntnisses oder Beschlusses bestehen oder in der
Abweisung der Beschwerde, weil eine solche Verletzung nicht vorliegt.
o Eine inhaltliche Entscheidung „in der Sache“ durch den VfGH kommt (anders als beim VwGH) nicht in
Betracht
 Hebt VfGH Entscheidung des VwG auf, hat dies dieselbe Wirkung wie Kassation durch den VwGH
o Verfahren wird in Stand vor der Entscheidung des VwG „zurückgesetzt“
o VwG muss erneut entscheiden
o Ist dabei an Rechtsansicht des VfGH gebunden

Verordnungs- und Gesetzesprüfungsverfahren


 Dem VfGH obliegt Prüfung von generellen Rechtsvorschriften  Normenkontrolle
o Gegenstand der Prüfung sind Verordnungen und Gesetze
o Auch Prüfung von Staatsverträgen auf ihre Rechtsmäßigkeit

lisaaa.wu 71
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a) Maßstab der Prüfung


 Verfassungsgesetze: Übereinstimmung mit Grundprinzipien der Bundesverfassung
 Gesetze: Verfassungsrecht
 Verordnungen: Gesetzesmäßigkeit
 Stufenbau der Rechtsordnung

 Unionsrecht stellt im verfassungsgerichtlichen Verfahren prinzipiell keinen Prüfungsmaßstab dar


o Ausgenommen von diesem Grundsatz sind Rechte der EU-Grundrechte-Charta, die in Formulierung
und Bestimmtheit verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der österreichischen
Bundesverfassung gleichen
o Bilden Prüfungsmaßstab im Verfahren der generellen Normenkontrolle

b) Antragsberechtigung
 Konkretes Normenkontrollverfahren: ordentliche Gerichte, VwG und VfGH (von Amts wegen)
o Sämtliche Gerichte sind antragsberechtigt
o VfGH hat von Amts wegen ein Verordnungs- oder Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten, wenn die
betreffende Verordnung/Gesetz vom VfGH in einem bei ihm anhängigen Verfahren anzuwenden ist
o Das eigentliche Verfahren wird unterbrochen und nach Klärung weitergeführt
 Abstraktes Normenkontrollverfahren: bspw 1/3 der Mitglieder des Nationalrats bei Bundesgesetzen
o Hat nichts mit bestimmten Verfahren zu tun  ohne Anlassfall
o Recht auf Initiierung eines Normenkontrollverfahrens durch
 Bundesregierung sowie 1/3 der Mitglieder des Landtages bei Landesgesetzen
 Landesregierungen sowie 1/3 der Mitglieder des Nationalrates bzw des Bundesrates bei
Bundesgesetzen
 Individualantrag/Parteiantrag auf Normenkontrolle
o Parteiantrag auf Normenkontrolle
 Jede Person, die als Partei einer vom ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen
Rechtssache wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung oder eines
verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet
o Individualantrag
 Um Rechtsschutzlücken zu vermeiden
 Direkte Anfechtung eines Gesetzes oder einer Verordnung beim VfGH
 Person muss durch Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes oder Gesetzeswidrigkeit einer
Verordnung in Rechten verletzt sein
 Es muss zumutbar sein, diese Frage im Rahmen eines Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens
anhängig zu machen

c) Entscheidung
Entscheidungsmöglichkeiten:
 Aufhebung des Gesetzes/der Verordnung
o Gesetzeswidrig oder verfassungswidrig
o Ist betreffende Vorschrift nicht mehr in Kraft, spricht der VfGH aus, dass Verordnung/Gesetz
rechtswidrig war
o Unverzügliche Kundmachung durch Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt bzw durch
Landeshauptmann im Landesgesetzblatt
 Aufhebung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft
 Antrag abweisen
o Gesetz/Verordnung ist/war nicht rechtswidrig
 Antrag zurückweisen

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STEOP EÖR LE7: Verwaltungsverfahren und nationaler Rechtsschutz

Anlassfallwirkung
 Ergreiferprämie

Außerkrafttreten
 Grundsätzlich mit Ablauf des Tages der Kundmachung
 Frist (max 6 Monate VO/18 Monate Gesetz) kann vorgesehen werden
 Die Verordnungs- oder Gesetzesbestimmung ist bis zum Ablauf der Frist weiterhin anzuwenden und kann
auch nicht mehr bekämpft werden
o Rechtssicherheit und Vermeidung von Rechtslücken wird der Vorrang vor der Einzelfallgesrechtigkeit
eingeräumt
 Ausnahme: nur für den „Anlassfall“  Beschwerdeführer, die Fall beim VfGH anhängig
gemacht werden  für sie ist aufgehobene Bestimmung NICHT anzuwenden

Der Verfassungsgerichtshof kann nicht entscheiden, er kann nur eine Aufhebung und eine Abweisung sein

Zuständigkeiten

VwGH VfGH

Kompetenz-
Kompetenzkonflikte
gerichtsbarkeit

Fristsetzungsantrag Gesetzprüfung

Revision Verordnungsprüfung

Erkenntnisbeschwerde

Abtretung an den VwGH binnen


zwei Wochen zu beantragen bei
Ablehnung/Abweisung

 Soweit die einzelnen Materiengesetze keine Sondervorschriften enthalten, richtet sich ein Verwaltungsverfahren nach den
Vorschriften des AVG (Allgemeines Verwaltungsstrafgesetz) bzw. des VStG – Verwaltung, das kein Strafverfahren ist/Verwaltung
Strafverfahren (subsidiäre Anwendung – Anwendung, wenn es keine andere gibt)
 Das Vollstreckungsverfahren ist im VVG (Verwaltungsvollstreckungsgesetz) geregelt
 EGVG bestimmt, wann diese Gesetze anzuwenden sind (Einführungsgesetz zu den Verwaltungsgesetzen – es steht, in welchen
Verfahren das AVG, das VStG und das VVG anzuwenden ist  ist ein Kompass, welches muss angewendet werden? Es gibt auch
einen Katalog, für Verfahren, für das nichts der oben genannten gilt – steht in der Praxis am Beginn und nicht zum Schluss

lisaaa.wu 73
STEOP EÖR LE2: Organisationsrecht der EU

6 LE2: Organisationsrecht der EU


 Was ist die EU und wie ist sie aufgebaut?
 Welche Unionsrechtsvorschriften gibt es?
 Was ist das Besondere am Unionsrecht und wie verhält sich das Unionsrecht zum nationalen Recht?

6.1 Was ist die EU?


6.1.1 Die Ursprünge der Europäischen Union – die drei Europäischen Gemeinschaften (EGKS, EAG, EWG)
Gründung der EU 1993 markiert bedeutendsten Schritt des nahezu 70 Jahre andauernden Prozesses der
Europäischen Integration

EU nimmt heute in vielen Bereichen ehemals staatliche Aufgaben wahr und beeinfluss das in den Mitgliedstaaten
geltende Recht weitreichend

Schritte bis zu Entstehung der EU – Entwicklungsschritte der EU


1948 Gründung der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECC)
 Organisation des Wiederaufbaus des zerstörten Europas und die Auteilung der Hilfen, die
durch den Marshallplan ausgeschüttet werden
Seit 1961 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
 federführend bei Erlassung von Doppelbesteuerungsabkommen – Vertragsentwürfe, die 2 oder
mehr Staaten verwenden können  bei grenzüberschreitenden Steuerangelegenheiten
Mai 1949  Gründung des Europarats
 Schaffung einer engeren Verbindung zwischen den Mitgliedern
 Schaffung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR – wenn alle innerstaatlichen Instanzen ausgeschöpft
sind)
o EMRK – als einziges in Österreich im Verfassungsrang, bedeutender Einfluss auf
Unionsrecht (EuGH und Grundrechtssprechung)
 Hat keine Hoheitsgewalt  er hat keine Rechtssetzungsbefugnis (strikt von EU zu trennen)
 Inzwischen verfügt er über 47 Vertragspartner
1949 Gründung der NATO
 internationale Organisation ohne Hoheitsrechte
 Mitgliedstaaten erhalten volle Souveränität
1951 Beginn der tatsächlichen unionsrechtlichen Zusammenarbeit – 1. Schritt zur EU
 Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) – völkerrechtlicher
Vertrag (Schuman, Monnet)
 Erstmalige Zusammenarbeit von Staaten in einem Bereich, der bisher stets den Staaten selbst
vorbehalten war.
 Vorrangiges Ziel: gemeinsame Kohle- und Stahlproduktion von Frankreich und Deutschland und
Stellung eines gemeinsamen, unabhängigen Organs – waren Schlüsselindustrien nach dem
Weltkrieg  man wollte einen erneuten Ausbruch verhindern
 Mitglieder: Frankreich, Deutschland, Belgien, Italien, Luxemburg, Niederlande
Folge:
 Mitgliedsstaaten haben in genannten Bereichen ihre Souveränitätsrechte abgegeben
 sie gründeten ein von den Nationalstaaten unabhängiges Organ  Nationalstaaten waren an
Organ gebunden
 Vertrag war auf 50 Jahre beschränkt
1955 Konferenz von Messina
„Die Regierungen […] halten dafür, daß der Augenblick gekommen ist, eine neue Phase auf dem
Wege zum Bau Europas einzuleiten. Sie sind der Ansicht, dass dies vor allem auf wirtschaftlichem
Gebiet zu erfolgen hat. Sie erachten es als notwendig, die Schaffung eines Vereinigten Europas
durch den Ausbau der gemeinsamen Institutionen, durch die schrittweise Fusion der nationalen
Wirtschaften, durch die Schaffung eines gemeinsamen Markts und durch die schrittweise
Koordination ihrer Sozialpolitik fortzusetzen. […].“
lisaaa.wu 74
STEOP EÖR LE2: Organisationsrecht der EU

1957  Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen


(1958) Atomgemeinschaft (EAG bzw EURATOM) durch die „Römischen Verträge“
 „Grundlage für einen immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker“
 „durch gemeinsames Handeln den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt ihrer Länder zu
sichern, indem sie die Europa trennenden Schranken beseitigen“
 „Vorsatz, die stetige Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen ihrer Völker als
wesentliches Ziel anzustreben“
Idee: Durch eine zunächst sektorale Integration der Wirtschaftsbeziehungen der Mitgliedstaaten
sollte in weiterer Folge ein „Spill over“-Effekt auch eine Integration in weiteren Politikbereichen
bewirken  gemeinsame Wirtschaftszusammenarbeite erfordert auch politische Zusammenarbeit
1992 völkerrechtlicher Vertrag von
(1993) Maastricht
 Tatsächliche Gründung der EU
(namentlich)
 Einführung von GASP (gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik) und
PJZ (polizeiliche und justizielle
Zusammenarbeit)
 EWG, Euratom und EGKS wurden
unter das „gemeinsame Dach“ der
EU gestellt  führte zu 3 Säulen
der EU
 EWG wurde in Europäische
Gemeinschaft (EG) unbenannt
 Schaffung einer Währungsunion
 Unionsbürgerschaft
 Sah eine Revision vor, die beim
Vertrag von Amsterdam umgesetzt wurde
1997 Vertrag von Amsterdam
(1999)  Regelung über verstärkte Zusammenarbeit einzelner Mitgliedstaaten
o sollte engere Zusammenarbeit einzelner Mitgliedstaaten ermöglichen, während die
anderen auf dem bereits erreichten Level der Integration verbleiben konnten  „Europa
der mehreren Geschwindigkeiten“
 Anpassung der EU an bevorstehende Osterweiterung
 Politikbereiche aus der 3. Säule wurden in die 1. Säule übernommen
 Stärkung des europäischen Parlaments
o  nun vor allem 3 Funktionen: Anhörung, Zustimmung und Mitbestimmung
2001 Vertrag von Nizza
(2003)  Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen
 weitere institutionelle Änderungen
 Sanktionsverfahren der EU wurde geschafften  EU kann mit einstimmigem Beschluss einem
Mitgliedstaat Abstimmungsrechte entziehen
2007 Vertrag von Lissabon
(2009)  Säulenstruktur wurde aufgegeben (nur mehr EAG besteht
als eigene spezielle Organisation)  EU und EAG verzahnt
 Wichtigste Neuerungen:
o Verhandlung über Verfassungsvertrag von Europa
(Zusammenfassung der verschiedenen
Gründungsverträge in 1 einziges Dokument) –
scheiterte aber am NAMEN – meisten Reformen
wurden aber übernommen !!!
o EU erhielt Rechtspersönlichkeit (wurde Rechtsnachfolgerin der EG), weiterh Sonders GASP
o Europäisches Parlament bekam neue Befugnisse (gleichberechtigter
Gesetzgebungsvertreter mit Rat)
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STEOP EÖR LE2: Organisationsrecht der EU

o Grundrechtecharta (GRC) wurde rechtsverbindlich


o Kompetenzverteilung wurde explizit festgeschrieben
o neue Gesetzgebungsbefugnisse für die EU (zB im Bereich Sicherheit, Justiz)
 Souveränitätsgewalt der EU
o Einführung der Bürgerinitiative
o Möglichkeit des Austritts wurde explizit verankert
o Kompetenzverteilung wurde in den AEUV explizit festgehalten
o EU beruft sich aufs demokratische Prinzip (auch direktdemokratische Mittel – europäische
Bürgerinitiative  1.000.000 Unterschriften nötig)

1995 Beitritt Österreich

2020 Brexit
heute Vertrag über Arbeitsweise der EU (AEUV) – ursprünglich EGV
geltende Vertrag über EU (EUV)
Verträge Vertrag über Europ. Atomgemeinschaft (EAGV)

6.2 Wie ist die EU aufgebaut?


6.2.1 Die EU
Primärrecht ist im Prinzip das Verfassungsrecht der EU (andere Unterteilung: Sekundärrecht)
Vertrag über die Europäische Union (EUV)
 enthält Grundlagenbestimmungen über Werte, Ziele, Aufgaben, Ermächtigungen, Organe der EU etc.
 Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
 Beispiele:
o Art 2 EUV: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde,
Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte [...].“
o Art 3 Abs 1 EUV: „Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu
fördern.“
o Art 4 Abs 1 EUV: „Alle der Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten verbleiben
gemäß Artikel 5 bei den Mitgliedstaaten.“
o Art 13 EUV: „[...] Die Organe der EU sind [...].“

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)


 enthält institutionelle (Organe/Verfahren) und materielle (Zuständigkeiten/Kompetenzen)
Ausführungsbestimmungen
 legt fest, in welchen Politikbereichen und unter welchen Umständen die EU-Maßnahmen setzen darf
 Beispiele:
o Art 4 Abs 1 AEUV: „Die Union teilt ihre Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten, wenn ihr die Verträge
außerhalb der in den Artikeln 3 und 6 genannten Bereiche eine Zuständigkeit übertragen.“
o Art 84 AEUV: „Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen
Gesetzgebungsverfahren […] Maßnahmen festlegen […].“

EUV und AEUV sind rechtlich GLEICHRANGIG und gleich WICHTIG


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STEOP EÖR LE2: Organisationsrecht der EU

Allgemeine Rechtsgrundsätze und Grundrechtecharta


 GRC  geschriebener Grundrechtevertrag
o Hält wichtigste Grundrechte explizit schriftlich fest
o Verpflichten Union und ihre Organe und sorgen für Rechtschutz der Unionsbürger
o Gilt auch für die Mitgliedsstaaten bei Durchführung des Unionsrechts
o Stützt sich auf EMRK (EMRK IST GRUNDLEGEND)
 Art 6 Abs 1 EUV: „Die Union erkennt die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der Charta der
Grundrechte […] niedergelegt sind; die Charta der Grundrechte und die Verträge sind rechtlich gleichrangig.“
 Art 1 GRC: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.“
 Art 20 GRC: „Alle Personen sind vor dem Gesetz gleich.“
 Allgemeine Rechtsgrundsätze: Art 6 Abs 3 EUV: „Die Grundrechte […] sind als allgemeine Grundsätze Teil
des Unionsrechts.“
 Quelle des Völkerrechts
 Rechtsgrundsätze können aus den Verfassungen der Mitgliedstaaten durch wertende Rechtsvergleichung
abgleitet werden.
 Aber auch bspw Entscheidungen des EuGH
 Grundrechte sind als allgemeine Grundsätze anerkannt
o EuGH gewinnt allgemeine Grundsätze aus wertender Rechtsvergleichung
 Sieht sich nationale Verfassungen durch und sucht nach Gemeinsamkeiten

6.2.2 Die GASP


 Entwicklung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, um der EU in ihrem Gewicht als
Welthandelsmacht angemessenes Auftreten in wichtigen Fragen der Weltpolitik zu ermöglichen
 Schaffung des Amtes des „Hohen Vertreters“  EU spricht mit 1 Stimme
o Sitzt dem Auenministerrat vor
o Ist Vizepräsident der Europäischen Kommission
o Nimmt an Sitzungen des Europäischen Rates teil
o Möglichkeit, selbständig Rechtsetzungsinitiativen zu ergreifen
 Außen- und Sicherheitspolitik zählt zu Bereichen, in denen Mitgliedstaaten nur beschränkt bereit sind,
Souveränität bzw Eigenständigkeit an EU abzugeben
o Deshalb in diesem Bereich nach wie vor Sonderregelungen
o Treffung von Entscheidungen weiterhin vielfach im Rahmen zwischenstaatlicher Zusammenarbeit
o Ergehende Beschlüsse benötigen einstimmige Zustimmung aller Mitgliedstaaten und richten sich
nur an Mitgliedstaaten, nicht an einzelne Unionsbürger

6.3 Was ist Supranationalität?


 Recht, das von einer überstaatlichen Institution Gesetz wird und die rechtsunterworfenen Staaten auch gegen
ihren Willen (insb durch Mehrheitsbeschlüsse bzw Beschlüsse unabhängiger Organe) bindet

 Unionsrecht ist überstaatliches Recht


o kein nationales Recht
o kein Völkerrecht

Charakteristiken:
 Staaten können gegen ihren Willen gebunden werden (Mehrheitsbeschlüsse)
o  Ausnahme GASP, hier grundsätzlich Einstimmigkeit
 Rechtsakte können sich an Staaten UND unmittelbar an BürgerInnen richten
o  Durchgriffswirkung – unmittelbare Geltung und Anwendbarkeit
o Vorrang vor nationalem Recht
 unabhängige Organe (zB Europäische Kommission)
 eigene, obligatorische Gerichtsbarkeit (Gerichtshof der EU) mit ausschließlicher Zuständigkeit

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STEOP EÖR LE2: Organisationsrecht der EU

6.4 Welche Institutionen gibt es in der EU?


 EU nimmt viele Funktionen wahr, die sonst typischerweise Staaten zustehen
 Organe sind mit ihren Pendants in den Mitgliedstaaten grundsätzlich vergleichbar
 Kommunikation mit Organen in allen Sprachen der Mitgliedstaaten möglich  keine einheitliche Sprache

Mitglieder Aufgaben
 Staats- & Regierungschefs  oberstes politisches Steuerungsorgan der EU
aller 27 Mitgliedstaaten fundamentale Rolle!!!
 Präsident als Vorsitz
(Charles Michel) (Wahl für 2 Jahre,
 legt allgemeine politische Zielvorstellungen der Union fest
1* Wiederwahl) Mediator,  Gabe der für Entwicklung der EU notwendigen Impulse
Moderater, kann inhaltliche Ansätze  Politische Gesamtleitung der EU
Europäischer einbringen, Außenvertretung der EU,  Ist in der GASP federführend tätig
während Tätigkeit kein nationales
Rat Amt! trifft politische Grundsatzentscheidungen (auch bei EU-
Beitrittsfragen)
 Präsident EU- Kommission
 wählt Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik
 nominiert Präsidenten der Kommission
 ernennt Kandidaten (EZB)
 Treffen mindestens vierteljährlich in Brüssel
 28 FachministerInnen der  zentrales Entscheidungsorgan und Gesetzgeber mit EU
Mitgliedstaaten (zB  Erlassung wesentlicher Rechtsakte und Abschluss internationaler
Finanzminister bei Wirtschaft
Abkommen gemeinsam mit Europäischem Parlament 
und Finanzen S.57)
Rat der Europ. gemeinsam Hauptrechtssetzungsorgan
 wechselnder Vorsitz alle 6
Union  Agiert aufgrund allgemeiner Zielvorstellungen des europäischen
Monate
(Ministerrat Rates
oder Rat)  Rolle des Gesetzgebers
 qualifizierte Mehrheit: doppelte Mehrheit  Mehrheit der
EU-Staaten (mind 15 / 55%) repräsentiert von mind 65% der
EU-Bevölkerung – Sperrminorität aus 4 Ländern
705 direkt gewählte Vertreter  beschließt Gesetze (= Gesetzgebung) mit Rat der europ. Union
der europäischen Bürger/innen  wichtiges demokratisches Element
für 5 Jahre (Ö hat 19
 Haushaltskontrolle mit Rat (EU- Budget kontrollieren)
Abgeordnete)
– jährlicher Gesamthaushaltsplan
insgesamt dürfen es nicht mehr als
751 (inkl Präsident) sein  Wahl des Kommissionspräsidenten
kein Land darf weniger als 6 und  Hoher Vertreter für GASP und übrige Mitglieder der
weniger als 96 haben (richtet sich Europäischen Kommission müssen sich im
Europäisches nach Bevölkerungsdichte im Bestellungsverfahren als Kollegium einem
Parlament (EP) Nationalstaat)
Zustimmungsvotum des Europäischen Parlaments stellen
 Kontrolle der Kommission (Misstrauensvotum)
 Interparlamentarische Zusammenarbeit: mit nationalen
Parlamenten (Austausch)
ordentliches Gesetzgebungsverfahren: EP mit Rat legislativ tätig seit
VvL – bei besonderem Gesetzgebungsverfahren müssen beide
Organe beteiligt sein
 Tagung vierteljährlich in Brüssel und 12 Mal im Jahr in Straßburg

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STEOP EÖR LE2: Organisationsrecht der EU

27 KommissarInnen für 5  vertritt und wahrt EU- Interessen („Motor der Integration und
Jahre ohne politische Hüterin der Verträge“ bzw. „EU-Regierung“)
Verpflichtungen gegenüber
 Fördert allgemeine Unionsinteressen und ergreift geeignete
Herkunftsland  sind NUR der
EU verpflichtet
Maßnahmen
(je einer für bestimmten Politikbereich  Setzt Unionsrecht um
zB Verkehr, Handel)  Gesetzgebungsverfahren darf grundsätzlich nur von der
Kommission erlassen werden 
Präsident: Ursula von der Leyen Gesetzgebungsinitiativmonopol
Kommissar für Österreich: o Vorlage neuer Vorschläge für Rechtsvorschriften bei
Johannes Hahn (ÖVP) Parlament und Rat (wie Nationalrat innerstaatlich)
o „Motor der Integration“
Europäische  Übt Tätigkeit in voller Unabhängigkeit aus (ist nur dem
Kommission Unionswohl verpflichtet – NICHT den Mitgliedstaaten)
o Kommissionsmitglieder dürfen sich nicht an
Regierungen einzelner Länder wenden
 Vergabe von Finanzmitteln
 Überwachung der Einhaltung der Verträge durch Mitgliedsstaaten
delegierte Rechtsetzung: durch Rat zur Erlassung von Rechtsakten
berechtigt absolute Mehrheit bei Abstimmung notwendig
 Kommissionspräsidentin legt Leitlinien für Kommission
fest, ist für interne Organisation zuständig, kann
Kommissionsmitglied dazu auffordern Amt
niederzulegen, entscheidet über Zuständigkeitsbereiche
einzelner Kommissare
Europäischer Gerichtshof 27 nominierte Richter für 6 Jahre (durch Regierungen der
(EuGH) Mitgliedstaaten)
Sitz in Luxemburg  Ausübung der gesamten unionsunmittelbaren Gerichtsbarkeit
 Auslegungs- und Verwerfungsmonopol für Unionsrecht
2. Instanz der EU  Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten
11 Generalanwälte
Ausarbeitung von Gutachten und Unterbreitung von
Entscheidungsvorschlägen (= Schlussanträge)  für Richter nicht
bindend, folgen ihnen aber häufig
Aufgaben des EuGH
 Auslegung des Unionsrechts (Auslegungsmonopol und
Verwerfungsmonopol) – hat ein nationales Gericht Zweifel, wie
Gerichtshof eine Vorschrift des Unionsrechts zu verstehen ist, kann es den
der EuGH um Auslegung ersuchen  Einleitung eines
Europäischen Vorabentscheidungsverfahrens
Union o Vorlageberechtigt sind allein Gerichte der Mitgliedstaaten
 Durchsetzung von Unionsrecht (Vertragsverletzung)
 Rechtmäßigkeitskontrolle von Unionsrecht (Verwerfungsmonopol)
 Gewährleistung einer funktionierenden EU
o Überprüft die Gültigkeit der Handlungen der Organe der EU
 Sanktionsmaßnahmen gegen EU-Institutionen
 Tagt in Kammern – Plenum (alle) nur bei schwierigen
Entscheidungen
Europäisches Gericht (EuG)  2 RichterInnen pro Mitgliedstaat
 Entscheidungen über bestimmte Klagen im ersten Rechtszug und
1. Instanz der EU gegen Entscheidungen der Kommission und des Gerichtes für