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Albanologie
1
I. Einführung
Allgemeines: Geographie; Demographie
a. Geographie
Literatur:
Für Albanien
- Perikli Qiriazi: Gjeografia fizike e shqipërisë. Tiranë 2006
- Mevlan Kabo: Gjeografia fizike e Shqipërisë. 1-2. Tiranë 1991
- Ergjin Samimi: Geographie, Landschaft und Klima. In: Albanien zwischen Kreuz und
Halbmond, München 1998. S. 40-65
- Dhimitër Doka & Eqerem Yzeiri: Grundzüge der räumlichen Struktur Albaniens. In:
Österreichische Hefte. Wien 2003. S. 9-32
Für Kosovo:
- Oliver Jens Schmitt: Kosovo. Kurze Geschichte einer zentralbalkanischen Landschaft.
Wien, Köln, Weimar 2008. S. 35-38
Für Mazedonien
- Lumnije Jusufi: Die zentralgegische Mundartengruppe in Mazedonien. Wiesbaden 2011, S.
4-11
b. Demographie
Für Albanien
- Wilfried Fiedler: Einführung in die Albanologie. S. 6-7
- INSTAT: Popullsia e Shqipërisë 2001. Tiranë 2002
- Arqile Bërxholi: Ethnische und konfessionelle Struktur der Bevölkerung Albaniens. In:
Österreichische Osthefte. Wien 2003. S. 33-43
Für Kosovo
- Oliver Jens Schmitt: Kosovo. Kurze Geschichte einer zentralbalkanischen Landschaft.
Wien, Köln, Weimar 2008. S. 39-43 (Kosova)
- Konrad Clewing: Bevölkerungsentwicklung und Siedlungspolitik: Die ethnische
Zusammensetzung des Kosovo. In: Bernand Chiari / Agilolf Kesselring (Hrsg.), Kosovo.
Wegweiser zur Geschichte. Paderborn u.a.32008, S. 15-25
- Hivzi Islami: Popullsia e Kosovës. Studim Demografik ETMMK (= Enti i teksteve dhe i
mjeteve mësimore i Krahinës Socialiste Autonome të Kosovës). Prishtinë 1981
Für Mazedonien:
- Lumnije Jusufi: Die zentralgegische Mundartengruppe in Mazedonien. München, S. 18-26
Sprachkontakt
Der griechische Einfluss
- Hermann M. Ölberg: Griechisch-albanische Sprachbeziehungen. In: Serta Philologica
aenipontana II. Robert Muth (Hrsg.). Innsbruck 1972. S. 33-64 (Referat)
- Gerda Uhlisch: Neugriechische Lehnwörter im Albanischen
2
Der romanische Einfluss
- Harald Haarmann: Der lateinische Lehnwortschatz im Albanischen. Hamburg 1972.
(Referat)
- Genc Lafe: Der italienische Einfluss auf das Albanisch. Erster Teil – Allgemeine
Erörterungen. In: Ponto-Baltica 8-9. S. 47-172
- Genc Lafe: Der italienische Einfluss auf das Albanisch. ZweiterTeil – Wörterbuch der
Albanischen Italianismen. In: Ponto-Baltica 10. S. 31-120
Moderne Einflüsse
- Izer Maksuti: Internationalismen im Albanischen: Eine kontrastive Untersuchung unter
besonderer Berücksichtigung des Alltagswortschatzes – Albanisch, Deutsch, Englisch,
Französisch. Januar 2009.
- Arwanitisch
- Hans-Jürgen Sasse: Arvanitika. Die albanischen Sprachreste in Griechenland.
Wiesbaden 1991. Einleitung. S. 3-32. (Referat)
3
o die Mundart der Albaner in Peshter
- Latif Mulaku / Mehdi Bardhi: Mbi të folmen shqipe të Peshterit.
In: Studime Gjuhësore I (Dialektologji). Prishtinë 1973
- Sonstiges
o das Albanische in Mandrica/Bulgarien
Bojka Sokolova: Die Albanische Mundart von Mandrica. Berlin 1983. S. 1-
11 (Referat)
4
Bardhyl Demiraj: Leibniz’ Stellung in der Geschichte der Albanologie. In:
Albanologische und Balkanologische Studien. Festschrift für wilfried
Fiedler. M. Genesin / J. Matzinger (Hrsg.). Hamburg 2005. S. 13-29
5
I. Geographie und Demographie
Albanien (alb. Shqipëria) liegt auf der Balkanhalbinsel und grenzt im Nordwesten und
Norden an Montenegro, im Norden und Nordosten an Kosovo, im Osten an Mazedonien und
im Südosten und Süden an Griechenland. Im Westen grenzt Albanien an das Adriatische
Meer und im Südwesten an das Ionische Meer.
Zwei Drittel der insgesamt 28 748 km² umfassenden Landesfläche sind gebirgig und liegen
ca. 1 000 m über dem Meeresspiegel. Der Norden und der Osten des Landes werden von den
Albanischen Alpen eingenommen. Mit 2 694 m ist der Jezerca hier die höchste Erhebung. Im
Süden Albaniens finden sich Ausläufer des Epirus, im mittleren Teil ein stark zergliedertes
Kettengebirgsland und im Westteil des Landes gehen die Gebirgszüge in Mittelgebirge und
Hügellandschaft über. Zwischen diesem und dem Adriatischen Meer liegt das Küstenland
Niederalbaniens, das in seinem nördlichen Teil eine mit Lagunen durchsetzte
Schwemmlandebene darstellt (maximal 60 km breit, teilweise versumpft) und im südlichen
Teil Steilküste ist (Albanische Riviera).
Im gebirgigen Osten des Landes liegen auf Hochebenen große Seen wie z.B. der Ohridsee an
der Grenze zu Makedonien und der Prespasee, an dem auch Griechenland und Makedonien
Anteil haben. Wichtigster Fluss Albaniens ist der Shkumbin, längster Fluss mit rund 285 km
ist der Drin, der aus einem Zusammenfluss von Weißem und Schwarzem Drin entsteht und im
Adriatischen Meer mündet. Die Hauptstadt Albaniens ist Tirana
6
Die Albanischen Alpen
- Fläche: 2.020 km²
- im Süden durch den Fluss Drin begrenzt
- die Form einer Kuppel
- Jezerca (2.693 m) der höchste Gipfel
7
Albanien ist ein ethnisch und sprachlich sehr homogenes Land. 95% der Bevölkerung sind
Albaner, 3% Griechen und 2% sind Walachen, Roma und Slawen 1. Die offizielle und
Landessprache Albaniens ist Albanisch (alb. shqipja). Minderheitensprachen sind Griechisch
im Süden und Mazedonisch in der Nähe des Ohrid-Sees.
Albanisch ist außerdem die offizielle Sprache Kosovos und eine der beiden offiziellen
Sprachen in Mazedonien. Sie ist die Muttersprache von etwa sieben Millionen Sprechern, die
in dem zusammenhängenden albanischen Sprachgebiet in der Republik Albanien 2, in Kosovo
(alb. Kosova), in Südserbien (vor allem in den albanischen Kommunen Presheva, Medvegja
und Bujanovc), im südlichen Montenegro, im westlichen Mazedonien und im Nordwesten
Griechenlands (in der Çamëria-Region) leben.
Außerhalb dieses Sprachgebiets wird Albanisch zudem in mehreren Sprachenklaven3 in
Süditalien (Apulien, Kalabrien, Sizilien, etc.) und Südgriechenland (auf einige Ägäische
Inseln und bei Athen), in Bulgarien (Mandrica), in der Ukraine (Region Zaporija) und in
Kroatien (Zadar), sowie von vielen albanischen Emigranten in der Türkei (europäischer Teil),
in den USA, Australien, in Griechenland, in Italien, Großbritannien, Deutschland, in der
Schweiz, etc. gesprochen.
1
Aus http://www.mfa.gov.al/shqip/info.asp.
2
Der letzten Volkszählung vom 2011 zufolge gibt es in Albanien: 2.831.741 Einwohner (aus
http://www.instat.gov.al/).
3
Diese Enklaven sind infolge andauernder politischer und/oder wirtschaftlicher Emigration zwischen dem 13.
und 16. Jh. entstanden.
8
Kosovo: (Die Karte stammt aus http://de.wikipedia.org/wiki/Kosovo)
Der Kosovo liegt im Zentrum der Balkanhalbinsel und wird landschaftlich von zwei Ebenen
geprägt, die durch ein hügeliges Bergland voneinander getrennt sind: das Amselfeld (alb.
Fush-Kosova, serb.Kosovo polje) mit der Hauptstadt Priština und Metochien (alb. Rrafsh i
Dukagjinit) im Westen mit dem Zentrum Prizren. Im Westen und Süden wird das Land von
Gebirgen begrenzt.
Die Ebenen sind an den Grenzen zu den Nachbarländern von Hochgebirgen umgeben.
Zwischen ihnen liegt ein bis auf weit über 1000 m ansteigendes Mittelgebirge: Rushica, Mali i
Thatë (1750m), Carraleva und Jezerca. Im Norden und Osten finden wir das Kopaonik- und
Rogozna Gebirge. Hier ist der höchste Berg Mali i Madh mit 1260 m. Im Süden bildet das
Malet e Sharrit (Sar-Planina-Gebirge) die Grenze zu Mazedonien, und im Westen liegen das
Pashtrik-Gebirge und die Albanischen Alpen. Hier ist der höchste Berg der Gjeravica mit
2656 m in der Nähe von Deçani. Dieses ist zugleich der höchste Berg Kosovos. Im ganzen
Land findet man bis zu 1000 m hohe Vulkankuppeln. Der längste Fluss ist der Drini i Bardhë
mit 122 km, dann folgen Sitnica mit 90 km und Bistrica e Pejës mit 62 km.
In den Bergen gibt es zahlreiche Gletscherseen.
9
Die Bevölkerung
Im Kosovo leben nach einer jüngeren Schätzung etwa 2,1 Millionen Menschen, das sind 195
Einwohner pro Quadratkilometer. Davon ist über die Hälfte jünger als 25 Jahre, 33% sind
sogar unter 16 Jahre, nur 6 % der Bevölkerung ist über 65 Jahre alt.
60-65 % leben auf dem Lande, etwa 350.000 - 400.000 im Ausland. Die Bevölkerungszahl
hat sich seit 1982 verdoppelt. Die Albaner bilden mit ca. 90 % der Bevölkerung (lt. Schätzung
der Weltbank 88 %) die große Mehrheit.
Mazedonien erstreckt sich heute über eine Gesamtfläche von 25.713 km 2 zwischen den
Balkanstaaten Albanien, Kosovo, Serbien, Bulgarien und Griechenland. Der niedrigste Punkt,
der 44 m über dem Meeresspiegel liegt, befindet sich in der Nähe von Gevgelija, den
Höchsten stellt die Spitze des Großen Korab mit 2764 m über dem Meeresspiegel dar. Die
Berge machen 75 % der Gesamtfläche aus, wobei zwei Hauptgruppen festzustellen sind: die
Rhodopen und das Scharr-Gebirge.
1. Sharr-Gebirge
2. Rodopen
a. Westliche
b. Östliche
c. Podvardarska
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Demographie:
- Nationalitäten: 65% Mazedonier, ca. 30% Albaner, 3.9% Türken, 2.7% Roma, 0.5%
Walachen, 1.8 % Serben, 0.8 Bosnier und 1% Sonstige
- Religionen: Orthodoxe Christen (Mazedonier, Serben u. Roma), Muslime (Albaner,
Türken, Mazedonier, Bosnier, Roma)
- Hauptstadt: maz. Skopje / alb. Shkup
- Andere Städte: Veles, Kumanovo, Tetovo, Gostivar, Struga etc.
11
II. Zur Typologie des Standardalbanischen
Das Albanische ist eine synthetisch-analytische Sprache (Tendenz zum Analytismus), in dem
die grammatischen Funktionen und die syntaktischen Relationen zwischen den Satzgliedern
durch Affixe (Endungen und vorangestellte Artikeln (i, e, të und së beim Genitiv, bei den
Artikel-Adjektiven, Pronomina und Ordinalia, një bei Unbestimmtheit), morphonologische
Alternationen, etc. ausgedrückt werden. Mittels dieser Affixe werden die Nomina nach Kasus
(5), Numerus (2), Genus (2) und Bestimmtheit/Unbestimmtheit dekliniert und die Verben
nach Person, Numerus, Modus (6), Tempus (8), und Genus Verbi (Aktiv vs. Nicht-Aktiv)
konjugiert. Das Albanische ist eine stark flektierende Sprache; weist jedoch auch einige
agglutinierende Züge auf. Die grammatischen Morpheme sind polyvalent.
Die Adjektive, die zum großen Teil einen vorangestellten Artikel i (männlich) oder e
(weiblich) haben, stehen normalerweise hinter dem Substantiv, das sie näher beschreiben, und
kongruieren mit diesem in Kasus, Numerus und Genus (vgl. DEMIRAJ 1994:55). Hier einige
Beispiele:
Wie die Substantive werden auch die Verbalformen sowohl synthetisch, als auch analytisch
gebildet. Die analytischen bzw. analytisch-synthetischen Verbalformen dienen vor allem der
Bildung der Vergangenheits- und Futurzeiten im Indikativ, Konjunktiv, Konditional, Optativ
sowie der infiniten Verbalformen Partizip (parë 'gesehen'), Infinitiv (me pa geg. / për të parë
'um zu sehen'), Privativ (pa parë 'ohne zu sehen'), Gerundium (duke parë 'sehend') und
Absolutiv (me të parë 'als/sobald ich sah') (vgl. DEMIRAJ 1994: 55, FN 33 und 1988:86). Bei
den synthetischen Verbalformen werden bis zu fünf Kategorien in einem Morphem (1:5)
zusammengeschmolzen, z.B.:
12
synthetische analytische analytisch-
Sprache
Bildung Bildung synthetische Bildung
Die Wortstellung im albanischen Satz ist relativ frei: die SVO-Wortstellung ist jedoch
gewöhnlich. Aber auch andere Wortstellungen sind üblich. Je nach Satztyp kann auch das
Prädikat, das Objekt oder das Adverbial am Vorfeld stehen (vgl. DOMI 2001:18).
Zusammenfassend kann man sagen, die Wortstellung hat im Albanischen einen stilistischen
Ausdruckscharakter:
4
Im Gegischen ist der Infinitiv erhalten geblieben.
13
Indikativkonstruktionen, die Bildung der Zahlwörter von 11 bis 19 mit der Präposition auf,
die doppelte Objektmarkierung durch die unbetonten Formen der Personalpronomina (vgl.
Ebd. 1994:56). Hier einige Beispiele5 zur Verdeutlichung:
Sprache Beispiele
Deutsch Ich möchte schreiben.
Albanisch Dua të shkruaj.
Bulgarisch Искам да пиша.
Mazedonisch Сакам да пишувам.
Rumänisch Doresc să scriu.
Mit dem Rumänischen teilt das Albanische noch andere Übereinstimmungen, wie z.B. einige
gleich gebildete zusammengesetzte Indefinitpronomina, den vorangestellten Genitiv- und
Adjektivartikel, den Genuswechsel einiger N [+belebt] im Plural, etc. (vgl. DEMIRAJ
1994:173). In beiden Sprachen findet man auch ca. 80 alte nichtlateinische, nichtgriechische,
nichtslawische und nichttürkische Wörter. DEMIRAJ (2001:119f.) zufolge stammen sie aus der
Zeit, bevor die Slawen auf den Balkan eindrangen (also vor dem 6. Jh. nach Christi), denn sie
weisen einige phonetische Umwandlungen auf, die für die vor-slawische Periode des
Albanischen charakteristisch sind. Hier einige davon (vgl. Ebd.):
Albanisch Rumänisch
buzë 'Lippe' buzǎ 'Lippe'
bredh 'Tanne' brad 'Tanne'
moshë 'Alter' moş 'alter Mann'
nepërkë 'Viper' nǎpîrcǎ 'Viper'
5
Die Beispiele stammen zum Teil aus http://en.wikipedia.org/wiki/Balkan_linguistic_union
14
përrua 'Bach' pîrîu 'kleiner Fluss'
qafë 'Hals' ceafǎ 'Nacken'
Die albanische Sprache ist im Laufe ihrer Geschichte mit vielen anderen Sprachen 6 in
Berührung gekommen. Deren Einfluss hat sich vor allem auf die Lexik ausgewirkt, die viele
Lehnwörter lateinischer, türkischer, griechischer, slawischer und italienischer Herkunft
enthält.
Dem lateinischen Einfluss war das Albanische mehrere Jahrhunderte lang stark ausgesetzt.
Auf die Wortbildung ist dieser Einfluss nicht gering, auf die Flexion jedoch „gleich Null“ so
PEDERSEN (1905:212). Wegen der hohen Anzahl der Latinismen, die von den
Sprachhistoriker sehr oft überschätzt worden ist (laut ÇABEJ 1962:199 sind es ca. 550
Elemente), waren die Sprachwissenschaftler bis vor 30–40 Jahren der Überzeugung, das
Albanische sei eine „halbromanisierte Mischsprache“ (vgl. HAARMANN 1972:9).
Die lateinischen Lehnwörter umfassen nahezu alle Sphären des albanischen Wortschatzes und
sind in das gesamte albanische Sprachgebiet verbreitet, z.B.: mik < lat. amicus 'Freund', qind
< lat. centum 'hundert', qiell < lat. caelum 'Himmel', kështjellë < lat. castellum 'Schloss',
shërbej < lat. servire '(be)dienen' (vgl. DEMIRAJ 1988:113). Einige frühe Entlehnungen haben
so eine starke Veränderung erfahren, dass man sie nicht mehr erkennt, so etwa mbret 'König'
< lat. imperatorem 'Kaiser' (vgl. CAMAJ 1984:XIV).
Der lateinische Einfluss äußert sich auch in der Wortbildung mit einigen Prä- und Suffixen,
die im Albanischen sehr produktiv geworden sind, z.B.: stër- < lat. extra- (stërgjysh 'Vorfahr,
Ahne'), -tyrë < lat. -tūra (shëmbëlltyrë 'Bild'), -im < lat. -imen (bashkim 'Union'), -ar < lat. -
āriu (daulltar 'Trommler'), etc. (vgl. HAARMANN 1972:26-29).
Die 500 Jahren Türkenherrschaft in Albanien haben ihre Spuren auch in die albanische
Sprache hinterlassen. Die türkischen Lehnwörter drangen in alle Bereiche des albanischen
Wortschatzes ein. BORETZKY schätzt die Anzahl der Turzismen weit mehr als 1180 Elemente
ein (vgl. 1975:14).
Trotz der seit Jahrzehnten unternommenen Kampagnen für die Ersetzung der Turzismen
durch alte bzw. neue gebildete albanische Wörter (defter 'Heft' < türk. defter ist durch fletore
< alb. fletë 'Blatt' + -ore ersetzt worden oder penxhere 'Fenster' < türk. pencere durch dritare
6
Diese Berührungen kamen meistens während der Fremdherrschaften zustande. Unter osmanisch-türkischer
Herrschaft stand Albanien ungefähr 500 Jahre, bis zum 28. November 1912 als Albanien seine Unabhängigkeit
vom Osmanischen Reich erklärte.
15
< alb. dritë 'Licht' + -are), ist ein nicht geringer Teil der Entlehnungen im Gebrauch
geblieben (vgl. DEMIRAJ 1994:196). Sie haben sich an die albanische Lautstruktur so sehr
angepasst, dass sie nicht mehr als Fremdwörter angesehen werden (vgl. BYRON 1976:122); so
etwa einige Wörter aus dem alltäglichen Leben wie: çorap 'Socke, Strumpf' < türk. çorap,
dajë 'Bruder der Mutter' < türk. dayı, filxhan 'Tasse' < türk. fincan, grevë 'Streik' < türk. grev,
patëllxhan 'Aubergine' < türk. patlıcan, xhami 'Moschee' < türk. cami, etc.
Bezüglich der Morphologie ist der türkische Einfluss nicht besonders groß. Hier konnte sich
eine Reihe von Wortbildungselementen (-xhi, -çi, -li) einbürgen und produktiv werden:
sharrëxhi 'Säger', vendçe 'nach Art des Landes', kryqali 'Christ', etc. (BORETZKI 1975:34).
Nach dem Zweiten Weltkrieg, obwohl die Entwicklung des Wortschatzes im Albanischen
durch einen starken sprachpolitisch bedingten Purismus gekennzeichnet war, fanden dennoch
zahlreiche Entlehnungen vor allem aus dem Italienischen (frigorifer 'Kühlschrank' (<
frigorifero), televizor 'Fernseher' (< televisore), semafor 'Ampel' (< semaforo), etc.) und
Französischen (abazhur 'Lampenschirm' (< abat-jour), avion 'Flugzeug', ambalazh
'Verpackung' (< emballage), kalorifer 'Heizung' (< calorifère), etc.) Aufnahme in den
Wortschatz.
Insgesamt lässt sich die Lexik des Albanischen im Hinblick auf ihre Zusammensetzung und
ihre semantischen Felder folgendermaßen darstellen:
16
türkische Lehnwörter: Dinge des täglichen Bedarfs, Handwerk,
(ab 14. Jhdt.) Verwaltung, Militär, Islam u.a.
17
Geschichte des Albanischen
Überblick
1. Vorgeschichte des Albanischen
2. Geschichte des Albanischen
1. Einführung
Das Albanische ist eine indogermanische Sprache und bildet innerhalb der indogermanischen
Sprachen einen eigenen Sprachzweig.
Das Indogermanische:
o Östlicher Zweig
o Westlicher Zweig:
slawische Sprachen
baltische Sprachen
germanische Sprachen
romanische Sprachen
keltische Sprachen
o isolierte Zweige:
Armenisch
Griechisch
Albanisch
Tocharisch (7.-8. Jh.)
2. Die Frage der „Mutter“ des Albanischen – Sprache zwischen Indogermanisch und
Albanisch
- Problem: späte Schriftüberlieferung
- ungelöste Frage, eng verbunden mit der Herkunft der Albaner
- zwei Thesen:
a. Die Einwanderungsthese bzw. die Thrakische These (Thesalien/ Südbulgarien)
b. Die Autochtonitätsthese bzw. die Illyrische These
18
- Die Einwanderungsthese bzw. die - Die Autochtonitätsthese bzw. die
Thrakische These Illyrische These
- Die Gegenthese der illyrischen - Die These der Illyrischen Herkunft
Herkunft
19
- nach Klingenschmidt (1994: 221)
Urindogermanisch
Uralbanisch
Altalbanisch
(etwa 14-18. Jh.)
Altgegisch Alttoskisch
Taufformel Fluchtformel
Buzuku Pericope Evangelica
Blanchus Matranga
Neualbanisch
(19.- 20. Jh.)
LITERATUR
Demiraj, Bardhyl: Albanisch Etymologien (Untersuchungen zum albanischen Erbwortschatz)
Amsterdam, Atlanta 1997.
Demiraj, Shaban: Gjuha shqipe dhe historia e saj. Tiranë 1988.
Hock, Wolfgang: Zur Vorgeschichte des albanischen Lautsystems. (Handschrift)
Klingenschmitt, Gert: Das Albanisch als Glied der indogermanischen Sprachfamilie. In: In
honorem Holger Pederson. Jens E. Rasmusen (Hrsg.). Wiesbaden 1994. S. 221-233
Matzinger, Joachim: E mbsuame e Krështerë (Dottrina Christiana) des Lekë Matrënga von
1592. Eine Einführung in die albanische Sprachwissenschaft. Dettelbach 2006.
Pederson, Holger: Die gutturale im Albanesischen. In: KZ 36 (1900). S. 277-340
Balkansprachbund
20
1. Einführung
Sprache Beispiele
Deutsch Ich möchte schreiben.
Albanisch Dua të shkruaj.
Bulgarisch Искам да пиша.
Mazedonisch Сакам да пишувам.
7
Im Gegischen ist der Infinitiv erhalten geblieben.
8
Die Beispiele stammen zum Teil aus http://en.wikipedia.org/wiki/Balkan_linguistic_union
21
Rumänisch Doresc să scriu.
Mit dem Rumänischen teilt das Albanische noch andere Übereinstimmungen, wie z.B. einige
gleich gebildete zusammengesetzte Indefinitpronomina, den vorangestellten Genitiv- und
Adjektivartikel, den Genuswechsel einiger N [+belebt] im Plural, etc. (vgl. DEMIRAJ
1994:173). In beiden Sprachen findet man auch ca. 80 alte nichtlateinische, nichtgriechische,
nichtslawische und nichttürkische Wörter. DEMIRAJ (2001:119f.) zufolge stammen sie aus der
Zeit, bevor die Slawen auf den Balkan eindrangen (also vor dem 6. Jh. nach Christi), denn sie
weisen einige phonetische Umwandlungen auf, die für die vor-slawische Periode des
Albanischen charakteristisch sind. Hier einige davon (vgl. Ebd.):
Albanisch Rumänisch
buzë 'Lippe' buzǎ 'Lippe'
bredh 'Tanne' brad 'Tanne'
moshë 'Alter' moş 'alter Mann'
nepërkë 'Viper' nǎpîrcǎ 'Viper'
përrua 'Bach' pîrîu 'kleiner Fluss'
qafë 'Hals' ceafǎ 'Nacken'
2. Balkanphilologie / Balkanlinguistik
22
o sprachwissenschaftliche Fragen, die die Gesamtheit der Balkansprachen, ggf.
auch nur zwei oder drei Balkansprachen betreffen
- Gegenstand
o Sprachen auf dem Balkan: geographisch (Sprachen des Balkans) oder
typologisch (Balkansprachen)
Balkansprachen: „sind die Sprachen des Balkans […], die bestimmte
für die Sprachen dieses Bereiches charakteristische Merkmale
aufweisen.“ (Schaller 1975: 29)
Sprachen des Balkans: „die Gesamtheit der auf der Balkanhalbinsel
gesprochenen Sprachen […], unabhängig davon, inwieweit sprachliche
Gemeinsamkeiten vorliegen oder nicht.“ (Schaller 1975: 29)
o Balkanhalbinsel: „Sie wird im Osten begrenzt durch die Schwarzmeerküste bis
zur Mündung der Donau, im Süden durch die griechische Küste und im
Westen durch die albanische und jugoslavische Küste bis nach Triest. [Der
Norden ist problematisch, wird trotzdem] die Sava von ihrem Oberlauf bis zur
Mündung in die Donau und dann diese bis zur Mündung in das Schwarze Meer
als die natürliche Grenze […] betrachtet.“ (Schaller 1975: 29)
2.1 Sprachbund
- Sprachbund bzw. Balkansprachbund wird für Balkansprachen verwendet
- Theorie des Sprachbundes begründet von N. S. Trubetzkoy
o stützend auf typologische Merkmale der Struktur, die sich auf mehr als zwei
Nachbarsprachen beziehen
o Bei den Mitgliedern eines Sprachbundes handelt es sich um Sprachen, die
benachbart sind und in ein und demselben geographischen Raum gesprochen
werden.
o Die Mitglieder eines Sprachbundes weisen aufgrund einer konvergenten
Entwicklung eine bestimmte Anzahl von gemeinsamen Merkmalen auf.
- Gemeinsamkeiten in Wortschatz, Phraseologie, Morphologie, Syntax und auf dem
lautlichen Bereich
- „Bei den Mitgliedern eines Sprachbundes handelt es sich zumindest bei einem Teil der
Sprachen um solche, die nicht zu einer Familie gehören, die geographisch benachbart
sind und aufgrund gegenseitiger Beeinflussung eine Reihe von gemeinsamen
Merkmalen aufweisen, die sich auf den lautlichen, morphologischen oder
syntaktischen Bereich der betreffenden Sprache beziehen.“ (Schaller 1975: 58)
- Zum Balkansprachbund zählen also:
o im Kern: Albanisch, Bulgarisch, Mazedonisch und Rumänisch.
o bedingt: Serbokroatisch und Neugriechisch und
23
o nur für Einzelfragen: Türkisch.
- Zeitlich verschieden, z. T. sehr stark beschränkt > Aussagen über die Entstehung der
heutigen Gemeinsamkeiten problematisch > hypothetische Aussagen
- Typologisch lassen sich die Balkansprachen wie folgt gliedern:
1. Agglutinierende oder affigierende Sprachen: Türkisch
2. Flektierende (indg.) Sprachen:
a. (Süd)Slavische Sprachen: Serbokroatisch, Mazedonisch und Bulgarisch
b. (Ost)Romanische Sprachen: Rumänisch
c. Albanische und
d. Neugriechisch
2.2 Balkanphilologie
- Balkanphilologie ist weder rein historisch noch rein genealogisch, sondern
typologisch.
- Die Historische Entwicklung der Balkanphilologie lässt sich in zwei Schnitte
feststellen:
1. „Die Zeit der balkanphilologischen Untersuchungen von Miklosich,
Weigand usw., die so viele Parallelen zwischen den Balkansprachen
aufzeigten, dass eine erstmalige zusammenfassende Darstellung der
bisherigen Erkenntnisse und des Materials, das der Balkanphilologie zu
diesem Zeitpunkt zur Verfügung stand, durch Sandfeld ermöglicht wurde.
Am Ende dieser Epoche steht Sandfelds „Lingusitique balkanique“
(1926).“ (Schaller 45)
24
2. „Die Zeit nach Sandfelds Balkanphilologie, eingeleitet durch Trubetzkoys
Sprachbundtheorie, die dann noch weiter verfeinert wurde und auf die
Balkansprachen ihre Anwendung fand. Die Diskussion über Merkmale und
Entstehung des Balkansprachbundes reicht in die Gegenwart hinein.“
(Schaller 45)
25
- Gemeinsamkeiten haben mehrere Möglichkeiten der Entstehung:
o Genetisch bedingte Merkmale, auf ein einziges Merkmal zurückgehend, z. B.
die Zahl „Zehn“ in den Balkansprachen: Fig. 1: Demiraj 2007: 112
o Zufällige Merkmale, z. B. Übereinstimmung der Vokalsysteme des
Griechischen mit dem Serbokroatischen
o Geographisch bedingte Merkmale – Nachbarschaft –, Überlagerung einer
Sprache über die andere, z. B. der Verlust des Infinitivs in den Balkansprachen
Substratsprache: „Substrat ist eine sprachliche Beeinflussung, bei der
die Sprache X der alteingesessenen Bevölkerung nach einem
vorübergehenden allgemeinen in vorgeschichtlicher (oder
vorschriftlicher) Zeit von der Sprache Y der sozial höhergestellten
Neuankömmlinge völlig aufgesogen wird.“ (Veenker 13, zitiert nach
Schaller 55) – für die Balkansprachen wird das Thrakische am Rande
angenommen.
Adstratsprache: „Adstrat ist eine sprachliche Beeinflussung, bei der
trotz Volksvermischungen und Kontakten beide Sprachen X und Y
bestehen bleiben, da sie von genügend Angehörigen der Völker X und
Y gesprochen werden oder weil es aus anderen Gründen zu keiner
Denationalisierung gekommen ist.“ (Veenker 16, zitiert nach Schaller
55) – für die Balkansprachen kommen das Griechische und das
26
Romanische in Frage. Das Türkische dürfte keine so entscheidende
Rolle gespielt haben.
Interstrat: „Sprache der Eroberer / Sprache von Prestige […]“ (Demiraj
2007: 123):
Griechisch-Byzantinisch, z. B. Ersatz des Infinitivs
Latein-Romanisch: z. B. Kasusreduktion, Velle-Futur
Altbulgarisch, z. B. Zählweise 11-19
Türkisch-Romanisch, z. B. Kulturwörter, Wortbildungs-
elemente – Stabilisierung der Balkanismen
Bi- oder Multilingualismus (Demiraj 2007: 123):
„Ständige und intensive, multinationale Kommunikation, die
zur Gruppenmehrsprachigkeit führt.“
Z. B. die Verdopplung des Objektes im Bulgarischen,
Rumänischen, Albanischen und Griechischen.
A. Partielle Balkanismen
Beispiel (1): der Murmelvokal /ə/
- Rumänisch ǎ : geht auf ein unbetontes a zurück (cǎmașǎ aus lat. camisia ‚Hemd‘)
- Bulgarisch ъ : aus dem Urslawischen vererbt worden (urslaw. Ъ < idg. u)
- Albanisch ë : geht auch auf ein unbetontes a zurück (këmishë aus lat. camisia ‚Hemd‘)
- Annahme: Diese Phoneme sind im Rumänischen und Albanischen als Ergebnis einer
lang dauernden gegenseitigen Beeinflussung entstanden (bilateraler Balkanismus auf
phonologischer Ebene)
27
Mittelzungenvokal ist partieller Balkanismus, da er eine Gemeinsamkeit ist, die nicht in
allen Balkansprachen vorkommt (z. B. nicht im Griechischen und im Gegischen)
(weitere Bsp.: Übergang des intervokalischen n>r; unabhängiger Vorgang in Albanischen
und Rumänischen; Zusammenhang zwischen den beiden Sprachen nicht ausgeschlossen
=> bilateraler Balkanismus)
B. Totale Balkanismen
- Reduktion des Infinitivs; jedoch nur gradweise, daher nur gradualer Balkanismus
28
Alle Balkanismen auf morphologischer Ebene sind „sprachbundbildend“, da sie
tiefgreifend die Struktur der Sprache betreffen
Fazit
„Ein Sprachbund weist mindestens zwei gemeinsame Merkmale auf, die sich auf mindestens
drei nicht zur gleichen Familie gehörende Sprachen erstrecken, um genetisch bedingten
Ursprung oder einseitige Beeinflussung im Definitionsbereich des Sprachbundes
auszuschließen.“ (Schaller 1975: 58)
Altalbanische Literatur
Das Albanische, obwohl es zu den ältesten Balkansprachen zählt, ist eine recht spät schriftlich
dokumentierte Sprache. Zu den ältesten Schriftdenkmälern in albanischer Sprache gehören:
- die Übersetzung der Mathäusevangelium in Çamisch im 15. oder 16.Jh.
29
- eine katholische Taufformel in Gegisch des Erzbischofs von Durrës Pal ENGJËLLI
(1462),
- ein von dem italienischen Humanisten Thomas MEDIUS in Albanisch überlieferter Satz
in seiner Komödie Epirota (1483),
- ein Wörterverzeichnis des deutschen Ritters Arnold von HARFF (1496).
- die Wortsammlung von Pjetër Mazreku aus dem Jahre 1633
Andeutungen aus einigen Dokumenten aus 14. Jh. lassen jedoch vermuten, dass das
Albanische schon im 13. bzw. 14. Jh. geschrieben worden sein könnte. So schreibt 1332 der
französische Mönch BROCARDUS in seinem Buch „Directorium ad passagium facienda“:
“Licet Albanenses aliam omnino linguam latinam habeant et diversam tamen litteram latinam
habent in uso et in omnis suis libri.“ (Obwohl die Sprache der Albaner anders als die der
Latiner ist, verwenden diese in all ihren Büchern dennoch das lateinische Alphabet) (zitiert
nach ELSI 2000:21f.).
30
Bild 1: Gjon Buzuku (1555: fol. XIX/a): Ati ynë („Vaterunser“)
31
Bild 2: “Specchio di confessione”
32
Bild 3: Deckblatt des Dictionarium Latino-Epiroticum
- Vinzenz Zmajević
- 1706: “Concilium Albanum provinciale sive nationale / Koncili Provinciaali o
Kuvendi i Arbenit”
33
- Gjon Nikollë Kazazi
- 1743: „Dottrina Cristiana“.
- Kazazi stammt aus Gjakova (1702-1752)
- 1743 wird er Erzbischof von Skopje
- Entdeckte das Messbuch von Buzuku
- Doctrina:
- Büchlein von 46 Seiten
- Luca Matrënga
- Stammt aus Piana Degli Albanesi in Sizilien
- Das Buch ist ein Kathechismus-Übersetzung
- Einführung in Italienisch
- Diente für den privaten Unterricht in arbëresh-Familien
- Es ist das erste Werk in Toskisch
Jul Variboba
1762: „Gjella e Shën Mërīs Virgjër“
- In ital. Giulio Varibova (1724-1788)
- Stammt aus S. Giorgio Albanese (Provinz Cozenca)
34
- Sein Werk wurde in Rom veröffentlicht
- Es ist das einzige Buch in Arbëresh im 17.Jh.
- Es ist ein Poem mit 4717 Versen
- Es ist dem Leben der Heiligen Maria gewidmet
- Es enthält zudem noch Züge der Volkslieder.
Literatur:
Demiraj, Bardhyl: Gjon P. Nikollë Kazazi dhe „Doktrina“ e tij. Prishtinë 2006.
Elsie, Robert: History of Albanian Literature. New York 1995.
Ismajli, Rexhep: Tekste të vjetra. Pejë 2000.
Matzinger, Joachim: E mbsuame e Krështerë (Dottrina Christiana) des Lekë Matrënga von
1592. Eine Einführung in die albanische Sprachwissenschaft. Dettelbach 2006.
35
Das albanische Sprachgebiet ist in zwei Dialektzonen geteilt: die gegische im Norden und die
toskische im Süden. Der Fluss Shkumbin, der Mittelalbanien vom Osten nach Westen
durchfließt, bildet die geographische Grenzlinie zwischen den beiden Dialektzonen. Südlich
von Shkumbin verläuft eine Übergangszone von 10 bis 20 Kilometern Breite (Abbildung 2),
dessen Mundarten syntaktische und lexikalische Charakteristika beider Dialekte in ihrer
Struktur vereinigen (vgl. GJINARI/SHKURTAJ 2003:152, 156).
Das Gegische (geg. gegënishtja, alb. gegërishtja) wird in Nordalbanien, in Kosovo, in den
drei albanischen Kommunen Presheva, Medvegja und Bujanovc in Südserbien, in
Montenegro und in Teilen Mazedoniens gesprochen. Das Toskische (alb. toskërishtja) wird in
Südalbanien, in Teilen Mazedoniens und in Nordgriechenland (in Çamëria) gesprochen. Zum
toskischen Dialekt gehören auch die Mundarten der Arbëreshen in Italien und der Arvaniten
36
in Griechenland und die Mundart von Mandrica. Die Mundart von Zadar gehört zum
gegischen Dialekt (vgl. Ebd.:151).
Innerhalb des Gegischen und des Toskischen werden folgende Subdialekte differenziert:
Durch den Fluss Mati wird das Gegische in Nord- und Südgegisch aufgeteilt. Das
Nordgegische wird durch den Fluß Thethi ebenfalls zweigeteilt, in Nordwestgegisch und
Nordostgegisch. Das Südgegische weist auch zwei Dialektgruppen auf, das Zentralgegische
und das Gegische Mittelalbaniens („Mittelgegisch“). Als Grenze hier wird die Stadt Kruja
angenommen. Das Zentralgegische wird wiederum in zwei Mundartengruppen geteilt, in Ost-
und Westzentralgegisch. Als natürlich Grenze werden hier das Scharr-Gebirge und der Drini-
Fluss angenommen.
Das Toskische verhält sich im Vergleich zum Gegischen relativ einheitlich. Es wird durch den
Fluss Vjosa in Nordtoskisch und Südtoskisch aufgeteilt. Während das Nordtoskische als
Einheit bestehen bleibt, wird das Südtoskische weiter in Labisch und Çamisch, alb.
Labërishtja und Çamërishtja durch den Fluss Shalësi südlich von Delvina unterteilt.
Abbildung 3. aus GJINARI/SHKURTAJ (2003:161).
Die beiden Dialekte des Albanischen unterscheiden sich nicht allzu sehr von einander.
37
Die Unterschiede zwischen Gegisch und Toskisch betreffen vor allem das phonetische System
und weniger die grammatische Struktur und sind nicht überall gleich in den Dialektarealen zu
finden. Einige Unterschiede decken das ganze Dialektareal ab, andere hingegen findet man in
den meisten Mundarten. Es gibt auch einige Merkmale, die typisch für einen Dialekt sind und
dennoch in einigen Mundarten des anderen Dialektes vorkommen (vgl. GJINARI/SHKURTAJ
2003:153).
Hier die wichtigsten Unterschiede zwischen Gegisch und Toskisch, eingeteilt in zwei
Gruppen:
I. Phonologie
2. Betontes [ə]: Das betonte toskische ë [ə] entspricht dem betonten gegischen Nasalvokal â
oder ê: tosk. bëj, geg. bâj 'tun, machen'; tosk. lëm, geg. lâm 'Gebiet, Bereich'; tosk. dhën, geg.
dhên 'Schafe'. Im Toskischen kann ë [ə] in alle Position vorkommen, wie z.B. in ëmbëlsirë,
geg. âmëlsín 'Kuchen' (vgl. BYRON 1976:45; GJINARI/SHKURTAJ 2003:153).
Das Gegische lässt das unbetonte ë [ə] noch häufiger als das Toskische fallen (Elision), z.B.:
geg. urdhnoj, tosk. urdhëroj 'ich befehle, weise an' (vgl. BYRON 1976:45).
3. Lange/kurze Vokale: Die langen Vokale, die in Opposition zu den kurzen Vokalen stehen,
sind ein Merkmal des Gegischen. Im Toskischen gibt es hingegen nur kurze (nichtnasale)
Vokale. Allerdings findet man in einigen Gegenden in Çamëria und Labëria auch lange
Vokale: geg. /tu:f/, tosk. /'tufə/ 'Strauß, Menge'; geg. /ʃpi:/, tosk. /'ʃtəpi/ 'Haus'; geg. /mɔ:ł/,
tosk. /'mɔłə/ 'Apfel'; geg. /fɾy:m/, tosk. /'fɾymə/ 'Atem' (vgl. GJINARI/SHKURTAJ 2003:153).
38
emri, geg. vênë 'Wein' ~ tosk. verë, geg. zâni 'die Stimme'~ tosk. zëri, geg. an(ë)mik 'Feind' ~
tosk. armik. Der Rhotazismus kommt meistens bei den Partizipien vor: geg. lamë, tosk. larë
'gewaschen'; geg. lemë, tosk. lerë 'geboren'; geg. rritun (< rritunë), tosk. rritur 'gewachsen'
(vgl. PIPA 1999/5-6).
5. -ua-/-ue-: Der gegische Diphthong -ue- entspricht dem Toskischen -ua-: geg. grue, tosk.
grua 'Frau'; tosk. thua, geg. thue 'du sagst'; geg. shkue, tosk. shkuar 'gegangen'; geg. punue,
tosk. punuar 'gearbeitet'. In einigen Varietäten des Gegischen und Toskischen finden sich
auch die Varianten ū oder uo: shkūn alb. shkuan 'sind gegangen'; luoj, alb. luaj 'spielen' (vgl.
DEMIRAJ 1988: 239f.).
8. mb, nd, ng > m, n: Die toskischen Konsonantengruppen mb, nd, ng sind im Gegischen
(Ausnahme bilden hier einige Mundarten im Osten (Dibra, Reka in Mazedonien) und Norden
(Peja in Kosovo)) zu m, n geworden: tosk. mbret, geg. mret 'König'; tosk. vend, geg. vên 'Ort,
Platz'; tosk. ngrej, geg. nrej 'heben, aufheben' (vgl. GJINARI/SHKURTAJ 2003:154).
9. -nj- [ɲ]/ -j- [j]: Der intervokale palatale Nasal -nj- [ɲ] ist im Gegischen zum Approximanten
-j- [j] geworden: geg. rrâja, tosk. rrënja 'die Wurzel'; geg. brîa, tosk. brinja 'die Rippe'; geg.
hûj, tosk. hunj 'Pfählen'; geg. fto, tosk. ftonj 'Quitten' (vgl. Ebd.).
10. Wortakzent: Das Gegische hat von Oxytona in Paroxytona sogar einige Lehnwörter aus
dem Türkischen umgewandelt, während das Toskische sie in Oxytona bewahrt hat: geg.
39
tenéqe, tosk. teneqé 'Blech'; geg. shíshe, tosk. shishé 'Flasche'; geg. ba:b, tosk. babà 'Vater';
geg. pàre, tosk. parà 'Geld' (vgl. Ebd.154f.)
11. Übergang des h zu f im Gegischen: geg. bafçe 'Garten', tosk. bahçe; geg. shof 'sehen',
tosk. shoh.
1. Infinitiv: Der größte morphologische Unterschied zwischen Gegisch und Toskisch besteht
in der Existenz des Infinitivs im Gegischen, der analytisch gebildet wird (Partikel me + geg.
Partizip) und die gleichen syntaktischen Funktionen wie die synthetischen Infinitive in
anderen Sprachen erfüllt (vgl. DEMIRAJ 1988:244) z.B.: Nuk mundet mâ askurrkush me ndalue
gegët me mësue, me shkrue dhe me përdorë gjuhën e tyne. 'Niemand mehr kann jetzt den
Gegen verbieten ihre Sprache zu lernen, zu schreiben und zu verwenden' (vgl. NDRECA 2003).
Dieser wird im Toskischen fast immer mit einer Konjunktivkonstruktion wiedergegeben. Der
oben genannte Satz würde auf Toskisch etwa so lauten: Askurrkush nuk mund të ndalojë më
gegët (që) të mësojnë, të shkruajnë dhe të përdorin gjuhën e tyre.
Nur bei einem Finalsatz entspricht der gegische Infinitiv dem so genannten toskischen
„Infinitiv“, der mit den Partikeln për të + Partizip gebildet wird (vgl.
BUCHHOLZ/FIEDLER/UHLISCH 2000:696), z.B.: geg. Vojta në pazar me ble zarzavate. tosk.
Vajta në pazar për të blerë zarzavate. 'Ich ging auf den Markt, um Gemüse zu kaufen'.
2. Futurbildung: Gegisch und Toskisch bilden das Futur unterschiedlich: das Gegische bildet
es mit dem Hilfsverb kam 'haben' + geg. Infinitiv, das Toskische mit dem reduzierten
Modalverb do (dua) 'wollen' + Konjunktiv. Zum Toskischen ist weiterhin zu erwähnen, dass
in dessen südlichen Varianten die Partikel të oft weggelassen wird (vgl. CAMAJ 1984:XII),
z.B.: geg. kam me shkue, tosk./alb. do të shkoj 'ich werde gehen'.
Im Toskischen (vereinzelt aber auch im Mittelalbaniengegischen) gibt es noch eine
Futurform. Es wird genauso wie das geg. Futur gebildet, nur dass anstelle des geg. Infinitivs
wird der tosk. Infinitiv verwendet: kam për të shkuar 'ich werde gehen'. Im
Standardalbanischen ist jedoch nur das wollen-Futur zugelassen (vgl. BYRON 1976:115).
40
3. Vergangenheitsformen: Das Gegische hat zusätzlich noch drei zusammengesetzte
Verbformen der Vergangenheit, die im Toskischen fehlen. Diese drücken aus, dass die
Handlung noch lange Zeit vor dem Perfekt (kam vojt 'bin gegangen') bzw. Plusquamperfekt
(kisha vojt 'war gegangen') oder Aorist II (pata vojt 'war gegangen') abgeschlossen ist: kam
pas vojt 'bin gegangen gewesen', kisha pas vojt 'war gegangen gewesen', pata pas vojt 'war
gegangen gewesen' (vgl. GJINARI/SHKURTAJ 2003:154).
6. Genus der partizipialen Adjektive: Dieser lässt sich im Gegischen nicht nur an den
vorangestellten Artikel (i für männlich, e für weiblich) erkennen, sondern auch an deren
Endung (ø für männlich, e für weiblich) (vgl. Ebd.:155): geg. /i la:m/ ~ /ɛ 'lamɛ/, tosk./alb. /i
'laɾ(ə)/ ~ /ɛ 'laɾ(ə)/ 'gewaschen'.
41
andere Namen als die des Südens, weil es in den Süden andere Trachten-Arten gibt und diese
ihre eigenen Namen haben z.B.: im Norden: xhubleta 'Glockenrock', çakçirë 'Hose (aus
weißem Filz)', shajak 'weißer Wollfilz', etc.; im Süden fustanellë 'Fustanella (kurzer
Männerrock)', takije 'Filzkappe' etc. (vgl. SHKURTAJ 2003:75f.).
Die meistens dieser Wörter sind infolge einer phonologischen Normalisierung im
Standardalbanischen eingegangen z.B.:
NDRECA, Ardian (2003): „Të rilindet gegnishtja“, in: Phoenix 2003/1, aus:
http://www.phoenix-shkodra.de/
PIPA, Arshi (1999): „Mbi t’ashtuquejtunën „Gjuhë të njësuar““, in: Phoenix 1999/5-6,
aus: http://www.phoenix-shkodra.de/
Die Diaspora
42
Griechenland
Über die Anzahl der in Griechenland lebenden Albaner liegt kein neueres statistisches
Material vor. Man muβ hier auch zwischen dem nach Griechenland übergreifenden
albanischen Siedlungsgebiet (Çamëria, Makedonien) und der mittelalterlichen albanischen
Kolonisation in Südgriechenland (Attika, Böotien, ägäische Inseln, Peloponnes)
unterscheiden. Die Mundart dieser frühen Einwanderer (arvanitika), deren Nachfahren im 19.
Jahrhundert zum Gelingen des griechischen Freiheitskampfes massgeblich beigetragen haben,
ist heute vom Aussterben bedroht.
Ob und in welcher Anzahl noch Albaner in Nordgriechenland leben, lässt sich nicht
feststellen. Bis zu den Balkankriegen (1912-13), als Epirus und Makedonien an Griechenland
kamen, reichte das albanische Siedlungsgebiet im Süden bis zum Golf von Arta. Die
muslimischen Albaner dürften zum gröβten Teil ausgewandert oder vom
Bevölkerungsaustausch mit der Türkei betroffen gewesen sein. Die dort lebenden orthodoxen
Albaner waren bereits vor dem Anschluss weitgehend gräzisiert.
Nach offiziellen griechischen Angaben lebten 1951 insgesamt 23 000 Albaner auf
griechischem Staatsgebiet.
Italien
Bei den in Italien (vor allem in Apulien, Kalabrien und Sizilien) lebenden Albanern handelt es
sich um Einwanderer aus der Türkenzeit.
Ihre Anzahl wird auf ca. 100 000 geschätzt.Die Existenz ihrer Sprache (arbëresh), einer
archaischen Form des Toskischen, ist, vor allem durch den Einfluβ des Fernsehens und der
Schule, die allein italienischsprachig ist, bedroht. Wie in Griechenland, genieβen die Albaner
auch in Italien keine staatlich garantierten Minderheitenrechte.
Neben den vier genannten Siedlungsgebieten gibt es albanische Bevölkerungsgruppen noch in
fast allen Nachfolgestaaten des Osmanischen Reiches - in der Türkei selbst, in Bulgarien
(Mandrica), in Syrien und Ägypten.
Eine starke albanische Kolonie existiert auch in den USA. Zum Teil handelt es sich dabei um
Altemigranten, die bereits vor der albanischen Staatsgründung ausgewandert sind. Der erste
albanische Einwanderer soll 1876 nach Amerika gekommen sein. Ursprüngliches albanisches
Zentrum in den USA war Boston, von wo aus die Migranten unter der Leitung des orthodoxen
Priesters und späteren Bischofs Stylian Fan Noli eine wirksame kulturelle und politische
Aktivität zu entfalten begannen.1912 wurde die noch heute bestehende „Pan-Albanian
Federation Vatra (alb. Herd)“ gegründet. Die albanischen Emigranten in Nordamerika
spielten dann auch eine nicht unwesentliche Rolle bei der Etablierung des albanischen Staates
nach dem 1. Weltkrieg.
Nicht unerwähnt soll bleiben, daβ es in der ehemaligen Sowjetunion, in der Ukraine, eine
Kolonie von albanischen Altemigranten gibt (etwa 4 000 bezeichnen Albanisch als ihre
43
Muttersprache). Ihre Vorfahren hatten während der Türkenkriege 1768-74 und 1787-91 auf
russischer Seite gekämpft und waren dann nach Ruβland ausgewandert.
44
IV. Albanische Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart
1. Alte Geschichte
. Historische Ereignisse
- Errichtung Handelstützpunkte und Agrarkolonien an den Küsten des Schwarzen Meers
und des Mittelmeers von gr. Kolonisationen des 8.-6 Jh. v. Chr.
Entstehung von einer „griechisch-barbarischen Mischkultur“ (Münzenfund aus gr.
Adriakolonien in Epidamnos (Durrës) und Apollonia)
- 229-8 wendet sich Rom der unteren Adria zu, illyrische Flotte wird besiegt
- Königin Teuta wird zu Kriegsentschädigung verpflichtet
- 219 illyrische Küste und römischer Herrschaft
- 148 v. Chr. Bildung einer neuen Provinz bestehend aus Makedonien, Epirus und
Illyrien
- verkehrsmäßige Erschließung: Bau der bedeutendsten Straße der Antike, der Via
Egnatia
- 16-9 v. Chr. Entstehung von Revolten auf dem Balkan, die von Römern
niedergeschlagen werden
ab 29. v. Chr. Gründung von neuen Provinzen, darunter Illyricum im Jahre 9. n. Chr.
Entstehung von Städte aus Militärlagern, Veteranensiedlungen oder
Verwaltungszentren
weitgreifende Romanisierung auf dem Balkan, aber dennoch Rückzugsgebiete der
Balkanvölker, wie der Mati-Gau für die (Vor-)Albaner (Stadtmüller)
- Kultur und Lebensweise der Illyrer und Thraker: Land in Stammesgebiete geteilt,
Siedlung in Sippendörfern, oft angelehnt in Kriegeradel; Kauf- und Raubehe;
Verehrung von Ahnen, Dämonen, Tieren, Sonne, Mond; Wanderhirten und hörige
(abhängig von Grundherren) Bauern; Gewerbe und Handel schwach entwickelt
(Stadtmüller 60-70)
- 395 Trennung Ostroms von Westrom: Dalmatien zum Westen, Praevalitana
(Montenegro und Nordalbanien) zum Osten
- 5. Jh. Eindringen der Slaven auf dem Balkan
- Mitte des 7. Jh.: Niederlassung der Slaven in den Provinzen südlich der Donau
vollendet
- Anfang des 8. Jh. Ausbruch eines Streites zwischen Bildstürmern der Ostkirche und
Bildverehrern der Westkirche
o Bildstürmer werden exkommuniziert
o Kirchenprovinzen Süditalien, Illyrien und Griechenland werden der
Jurisdiktion des Patriarchen von Konstantinopel unterstellt
o Rom wendet sich Westeuropa, Frankreich und Deutsches Reich, zu
- im 9. Jh. Konsolidierung der bulgarischen Herrschaft, 1018 bricht sie zusammen
2. Mittelalterliche Geschichte
45
Auftreten der Albaner ans Licht der Geschichte
- Ptolemaios in „Geographia“ (2. Jh. n. Chr.): Albanon - urbanes Zentrum: Albanopolis
- Michael Attaleites in seiner Chronik (1034-1079): Arwaniten
- Anna Komnena, Tochter Alexios I. Komnenos (byz. Kaiser) in ihrem Geschichtswerk
Alexias (1107/08): Arbanon
„Arbanon“
- Ende des 12. Jh. unter der Herrschaft von Progon
- 1204 (nach dem Zerfall von Byzanz - Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer -
4. Kreuzzug) wird Arbanon unabhängig
- 3. Herrscher von Arbanon, Demetrios (1208-1216), Sohn von Progon trug den byz. Titel
eines Megas Archon und Panhypersebastos (etwa Großherr)
- nach seinem Tod wird Arbanon zum Spielball: 1216 Vasallenstaat von Epiros, 1230 unter
bulgarischer Herrschaft, 1253 am Kaiserreich von Nikäa angeschlossen, 1257 unter Fürst
Golem mit Epiros verbündet, nach seinem Tode vereint es sich mit Epiros
„Regnum Albanieae“
- Manfred Staufer, König von Sizilien und Sohn Kaiser Friedrichs II. besetzt 1258 Korfu,
Durrës, Vlora und Butrint
- 1268 besiegt Karl von Anjou die Staufer und wendet sich dem Osten zu.
- 1271/72 auf der Peloponnes (Achaia), danach Vlora, Kanina, Berat und Durrës
- 1272 proklamiert Karl von Neapel das Regnum Albaniae (Dreieck Durrës - Berat - Vlora)
mit ihm als König
- 1286 kommt Durrës an Byzanz, 1296 an die Serben, 1305 an Philipp von Tarent, (Enkel
und Nachfolger Karls) – Herzogtum Durazzo – hält es bis 1368
47
- Krise der Hohen Pforte ermöglicht Machtzuwachs der Provinzmachthabern: z. B. Kara
Mahmud Pascha Bushatlliu in Nord- und Mittelalbanien – Zentrum Shkodra
- 1784 versucht er Montenegro zu erobern. 1787 verbündet er sich mit den Österreichern
und Russen. Später schließt er sich den Türken wieder an. Danach erhebt er sich erneut gegen
den Sultan. Durch spanische Vermittlung erkennt ihn 1795 der Sultan wieder zum Pascha an.
Kara Mahmud erhält daraufhin Montenegro. 1796 fällt er im Kampf gegen die
Montenegriner.
Die Tanzimat-Zeit
- Unruhen im ganzen Reich führen zu Reformmaßnahmen von Seiten des Sultans
Abdülmecid I.
- 1839: Dekret zur Gleichstellung aller türkischen Untertanen unabhängig von Religion,
Reformierung von Steuer-, Rechts- und Militärwesen Tanzimat (Ordnung Reform)
- Dekret löst in Albanien bei Christen und Muslimen Widerstand aus.
- Aber auch wegen der Kriegserklärung Montenegros und Serbiens an die Türkei im Jahre
1876 bleibt dieser Reformkurs erfolglos.
49
Fürstentum Albanien
- unter Prinz zu Wied als Fürst von Albanien: 1. Nov. 1913 - 3. Sept. 1914
- erfolglose Bemühungen um den Aufbau einer albanischen Staatlichkeit
- Widerstand im Süden, vor allem von Seiten Griechenlands um die Grenzziehung und
durch einen muslimischen Aufstand in Mittelalbanien (unter Haxhi Qamili) um soziale und
religiöse Statusverbesserung
Albanien im Kommunismus
- 1944-1992: Albanien als Volksrepublik
a. unter Enver Hoxha: 1944-1985
Enteignungen und politische und religiöse Verfolgungen, Religionsverbot
1967, 1978-1992: außenpolitische Isolation
Emanzipation der Frau, starke Verbreitung der Bildung, Entstehung des
sozialistischen Realismus in Literatur
b. unter Ramiz Alia: 1944-1992
wirtschaftlicher Zusammenbruch, Einleitung des politischen
Zusammenbruchs
Ende März 1992: Neuwahlen, Anfang April: Rücktritt Ramiz Alias
50
6. April: Sali Berisha wird Staatspräsident
51
Das Albanische, obwohl es zu den ältesten Balkansprachen zählt, ist eine recht spät schriftlich
dokumentierte Sprache. Zu den ältesten Schriftdenkmäler in albanischer Sprache gehören eine
katholische Taufformel in Gegisch des Erzbischofs von Durrës Pal ENGJËLLI (1462), ein von
dem italienischen Humanisten Thomas MEDIUS in Albanisch überlieferter Satz in seiner
Komödie Epirota (1483), sowie ein Wörterverzeichnis des deutschen Ritters Arnold von
HARFF (1496). Andeutungen aus einigen Dokumenten aus 14. Jh. lassen jedoch vermuten,
dass das Albanische schon im 13. bzw. 14. Jh. geschrieben worden sein könnte. So schreibt
1332 der französische Mönch BROCARDUS in seinem Buch „Directorium ad passagium
facienda“: “Licet Albanenses aliam omnino linguam latinam habeant et diversam tamen
litteram latinam habent in uso et in omnis suis libri.“ (Obwohl die Sprache der Albaner
anders als die der Latiner ist, verwenden diese in all ihren Büchern dennoch das lateinische
Alphabet) (zitiert nach ELSI 2000:21f.).
Das erste uns bekannte Buch in albanischer Sprache ist „Das Messbuch“ (alb. Meshari) des
katholischen Kleriker Gjon BUZUKU aus dem Jahre 1555. Es wurde in Nordwestgegisch (mit
dem lateinischen Alphabet) abgefasst und weist einen recht reichen Wortschatz, sowie
festgelegte Orthographie und grammatische Formen auf, was auf die Existenz einer
vorherigen Tradition des Schreibens auf Albanisch hindeutet (vgl. DEMIRAJ 1994:54).
Die Literatur des 16.-17. Jahrhunderts war ausschließlich religiösen Inhalts: E mbsuame e
krështerë (1592) 'Der Katechismus' vom arbëreshen9 Lekë MATRËNGA (orthodoxer Priester),
das Latein-Albanisch Wörterbuch (1635) von Frang BARDHI, Pjetër BUDIS Übersetzung von
Dottrina Christiana (1618), etc.
1762 durchbrach der arbëreshe Jul VARIBOBA diese Tradition mit einem lyrisch-epischen
Gedichtzyklus. Es entwickelte sich langsam eine literarische Aktivität inner- und außerhalb
Albaniens. In Südalbanien war diese Dichtung von der zeitgenössischen türkischen und
persischen Literatur stark geprägt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erarbeitete Kostandin
KRISTOFORIDHI eine Übersetzung der Bibel in die beiden Hauptdialekten, das Gegische und
das Toskische. Bis ins 20. Jh. wurde Albanisch in einer Vielzahl von Varianten (Nordgegisch,
Nordwestgegisch, Südgegisch, Nordtoskisch, Südtoskisch, Arbëresh10) und unterschiedlichen
graphischen Systemen (lateinische, griechische und arabische Schrift) geschrieben; vom 18.
Jh. an sogar in mehreren Originalalphabeten.
9
Arbëreshe heißen die im Spätmittelalter eingewanderten Albaner in Süditalien und auf Sizilien.
10
Arbëresh heißt auch die Sprache der Arbëreshën Italiens.
52
Im 19. Jh. entwickelte sich ein albanisches Nationalbewusstsein, die etwa 1830 mit der
Bewegung der Nationalen Wiedergeburt (alb. Lëvizja e Rilindjes Kombëtare) des albanischen
Volkes bei den Arbëreshen Italiens begann und mit der Unabhängigkeit Albaniens 1912
endete. Eine der Hauptziele der Bewegung war das Erlernen und die Vereinheitlichung der
albanischen Sprache, sowie ihre Bereicherung und Säuberung von Fremdwörtern (vgl.
DHRIMO 2001:130).
Dies vollzog sich in drei Etappen:
In der ersten Etappe, von den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts bis 1912, wurden die
Grundlagen des Standardalbanischen gelegt. Die Vereinheitlichung des albanischen Alphabets
1908 auf dem Kongress von Manastir (heute Bitola, Mazedonien) war der erste Schritt um
beide Varianten des Literaturalbanischen (Toskisch und Gegisch) anzunähern. Es wurde
beschlossen das lateinische Alphabet zu übernehmen und es mit zwei diakritischen Zeichen (ë
und ç), sowie neun Digraphen (dh, gj, ll, nj, rr, sh, th, xh und zh) zu ergänzen, die das
Wiedergeben der weiteren Laute ermöglichen sollten. Das albanische Alphabet besteht aus 36
Buchstaben-Phonemen (7 Vokale und 29 Konsonanten) (vgl. FIEDLER 2001:110).
Diese Periode zeichnete sich durch „Konvergenz und Zusammenwirken zwischen den
Dialekten“, durch den erhöhten „Normalisierungsgrad der Sprache“, und durch ihre
„wortbildende Produktivität“ aus (vgl. DHRIMO 2001:130 und BYRON 1976:53-56).
Die zweite Etappe, die von 1912 bis 1944 dauerte, wurde von zwei Balkankriegen und zwei
Weltkriegen geprägt. Es war eine besonders schwere Zeit für Albanien und seine
Bevölkerung, wobei die Hälfte der Nation und ihres Territoriums ausgeklammert und
Montenegro, Serbien und Griechenland zugeschlagen wurde. Im Jahr 1913 wurde durch einen
Regierungsbeschluss Albanisch erstmals offizielle Sprache des kurz zuvor proklamierten
Staates (vgl. DHRIMO 2001:130).
Eine wichtige Rolle für die Vereinheitlichung der albanischen Literatursprache spielten auch
die Albanische Literarische Kommission von Shkodra (1916-1918) und die Kongresse für
Unterrichtswesen von Lushnja (1920) und Tirana (1922 und 1924). Deren Beschlusse waren
die Mundart11 der Stadt Elbasan zur grammatischen Basis einer sich langsam herausbildenden
gemeinsamen albanischen Literatursprache zu machen. Doch obwohl die Mundart von
Elbasan 1923 die Amtssprache Albaniens wurde, “the two main literary variants continued
their convergence, but at the same time consolidated themselves as separate entities” (vgl.
LLOSHI 2006:95).
Die Bezeichnungen Mundart und Dialekt werden in der vorliegenden Arbeit nicht synonym verwendet.
11
Mundart bezieht sich auf die lokale Sprachvarietät, während Dialekt als Oberbegriff gemeint ist.
53
Mit der Machtübernahme durch den Kommunisten beginnt auch die letzte Etappe der
Vereinheitlichung der albanischen Literatursprache. Damals existierte in Albanien eine
bidialektale literarische Tradition: das Literaturgegische und das Literaturtoskische, die sich
bis dahin parallel entwickelt hatten, zeigten aber dessen ungeachtet quantitative Unterschiede,
was die Anzahl der Veröffentlichungen betrifft. Die südliche Koine (das Toskische) hatte nun
an Bedeutung und Verbreitung gewonnen. Doch dies habe laut BECI (2003/2) keineswegs
eine entscheidende Rolle bei der Vereinheitlichungsfrage gespielt. Es sind eher die
Nachkriegsereignisse, die den von dem Entstehungsprozess der Literatursprache
eingeschlagenen Weg umgeleitet haben.
Um den Prozess der Vereinheitlichung der Literatursprache zu beschleunigen, wurde eine
zielgerichtete und forcierte Sprachpolitik betrieben. Es wurden Schulen im ganzen Land
gebaut, sogar „in den entlegensten Orten“, um den Analphabetismus zu bekämpfen, der
damals rund 80% betrug (DHRIMO 2001:132).
Nach der Ausrufung der Volksrepublik Albaniens im Januar 1946 wurde beschlossen, die
südliche Koine als Sprache der Schule und der Massenmedien zu verwenden (vgl.
KÖDDERITZSCH 1997:64). Das Ziel der Massenmedien, die von der Partei kontrolliert wurden,
war es, das Volk auf den Weg der Partei und des Marxismus-Leninismus zu bringen. Um dies
zu erreichen, wurden nur jene Artikel und Bücher veröffentlicht (auf Toskisch), die mit der
Ideologie der Partei übereinstimmten (vgl. BYRON 1976:35).
Bis 1944 hatte das Gegische denselben Status wie das Toskische genossen: beide waren
Literatursprachen und wurden gleichermaßen verwendet. Nach 1944 wurde das Gegische
gesellschaftlich stetig herabgestuft. In den sechziger Jahren fand es noch in der schöngeistigen
Literatur Anwendung, später nur noch im Varieté. Das Gegische verlor somit ihr Prestige und
wurde von einer hohen Standardvarietät (High-Variety) zu einer niedrigen Sprachvarietät
(Low-Variety) abgestuft. Inzwischen gewann Toskisch, das Dialekt des immer mehr
politischen und kulturell dominanten Südens, mehr Prestige und wurde zu einem nationalen
Standard erhoben (vgl. BYRON 1976:65 und FERGUSON 1959:327f.).
Auch in Kosovo, wo das Gegische verwendet wurde, gab es Versuche die Literatursprache zu
vereinheitlichen. Nach der wissenschaftlichen Konferenz von Prishtina (1968) beschlossen
die inzwischen unter jugoslawischer Herrschaft stehenden Albaner die „Regeln der
albanischen Rechtschreibung, Entwurf“ (1967) des Instituts für Geschichte und
Sprachwissenschaft in Tirana zu übernehmen. Sie wollten somit Einheitlichkeit mit ihrem
Mutterland nach dem Prinzip „eine Nation – eine Sprache“ trotz der aufgezwungenen
Grenzen zu zeigen (vgl. Ebd.:134).
54
Mit dem Kongress für die Rechtsschreibung der albanischen Sprache (alb. Kongresi i
Drejtshkrimit të Gjuhës Shqipe), der vom 20. - 25.11.1972 in Tirana abgehalten wurde und an
dem auch Delegierte aus Kosovo, Mazedonien, Montenegro und von den Arbëreshen aus
Italien teilnahmen, schließt sich der Prozess der Vereinheitlichung der albanischen
Literatursprache ab. Es wurde beschlossen, das Toskische als Grundlage für die
vereinheitlichte albanische Schriftsprache im gesamten albanischen Sprachgebiet zu
übernehmen. Von nun an war der Gebrauch des Gegischen in Schulen, Ämtern, Literatur und
den Medien verboten. Auf dem Rechtsschreibungskongress wurden nicht nur Regelungen im
Bereich der Rechtschreibung getroffen, sondern auch im morphologischen System, das
ursprünglich sehr reich an Varianten war, und in bestimmten Fragen der Syntax (vgl. FIEDLER
2001:110).
55
VI. Abriss der Entwicklungsgeschichte der Albanologie
I. Die Periodisierung der Albanologie als Chronik der albanischen Studien aus der
Perspektive der Germanistik
Man könnte die Geschichte der albanischen Sprachwissenschaft insgesamt grob in zwei
Perioden teilen:
Erste Periode: von 1635 (das Erscheinungsjahr von Frang Bardhis „Dictionarium latino-
epirotecum“) bis 1854 (Eingliederung der Albanologie in die Indogermanistik)
Schwerpunkte:
Ermittlung des Albanischen anhand vorhandener Literatur (Lehrbücher, Grammatiken
und Lexika bzw. Wortsammlungen)
Ermittlung der sprach-ethnischen Kultur der Albaner (Abstammungsfrage)
56
äußert darin schon das Postulat, dass man bei der Untersuchung der albanischen Lexik
zwischen den Erb- und den Lehnwörtern zu unterscheiden habe. Er besorgte sich zu diesem
Zweck eine Liste albanischer Wörter und verwies dabei auf „Parallelismen“ zu anderen
Sprachen. Einiger seiner Wortgleichungen haben bis heute Bestand. Seiner Meinung nach ist
das Albanische mit dem Keltischen und Lateinischen verwandt. Damit stellt sich Leibniz
gegen die damals vorherrschende Ansicht, dass das Albanische eine slawische Sprache sei,
wie es in verschiedenen Wortsammlungen zuvor vertreten wurde.
Die Stellung Leibniz’ in der Geschichte der Albanologie wird zum Schluss dieser
chronologischen Darstellung ausführlich behandelt, basierend auf dem Artikel von Bardhyl
Demiraj (Bardhyl Demiraj: Leibniz’ Stellung in der Geschichte der Albanologie. In:
Albanologische und Balkanologische Studien. Festschrift für Wilfried Fiedler. M. Genesin / J.
Matzinger (Hrsg.). Hamburg 2005. S. 13-29).
- Eine Synthese dieser frühen wissenschaftlichen Bemühungen stellt das Werk des
königlichen bayerischen Generalmajor Karl Joseph Ritter von Xylander (1794-1854) dar.
Er war Autor mehrerer militärwissenschaftlichen Abhandlungen. Mit ihm beginnt erstmals die
grammatische Beschreibung des Albanischen.
Wo und unter welchen Umständen er sich mit dem Albanischen vertraut machte, ist bisher
nicht geklärt. Falls er in Begleitung des Königs Otto in Griechenland war, konnte er in
unmittelbare Berührung mit Albanischsprechenden gelangt sein. (vgl.Camaj) Jedenfalls sind
57
die Kentnisse Xylanders über das Abanische nicht gering, und was noch höher zu bewerten
ist: er ist darin beachtlich sicher.
J. Xylander versucht auf den ersten 84 Seiten seines Werkes „Die Sprache der Albaner oder
Schkipetaren“ das Albanische beschreibend zu ordnen und zu gliedern.
Im Anschluss daran folgen Textproben (S. 84-154): das Vaterunser und das Gleichnis vom
Verlorenen Sohn mit wörtlicher Übersetzung, das Evangelium des Markus, der Brief des
Apostels Paulus an die Epheser, Teile aus der Apokalypse des Johannes (5. Kapitel),
Bruchstücke aus Volksliedern nach Byron und Hobhouse. Große Anerkennung verdient auch
sein Wörterbuch mit den Teilen Deutsch-Albanesisch und Albanesisch-Deutsch (S. 155-274).
Es folgen Andeutungen über die verwandtschaftliche Stellung, die Herkunft und Abstammung
der albanischen Sprache. Er vertritt gegenüber anders lautenden Strömungen seiner Zeit 1835
die These, dass das Albanische „ursprünglich indisch-germanisch“ sei. Er bestätigte, dass das
Albanische nicht durch Entlehnungen aus den benachbarten Sprachen in neuerer Zeit eine
europäische Sprache geworden ist, sondern dass es „in seiner Basis den ältesten
Stammsprachen“ zugehörig ist, zumal „auch diese Basis selbst ursprünglich indisch-
germanisch ist“. (Camaj)
Mit Xylander schließt die „vorwissenschaftliche Periode“ (Jokl) der Bemühungen um das
Albanische.
- 1716 druckte die Propaganda Fide die erste Grammatik der albanischen Sprache, die
„Osservazioni grammaticlai nella lingua albanese“. Verfasser war der Franziskaner
Francesco Maria da Lecce, der als Missionar jahrzehntelang in Albanien gelebt hatte. Die
Grammatik enthielt auch einen Sprachführer mit Grußformeln, Redewendungen usw. Sie
wurde mehrfach nachgedruckt und diente bis in das 19. Jahrhundert als Hilfsmittel zum
Erlernen des Albanischen.
- Im Jahr 1807 veröffentlichte Angelo Masci (1758–1821) in Neapel sein bekanntes Werk
Discorso sull'origine, costumi, e stato attuale della nazione Albanese. Mit überwiegend
klassische Werke als Quellen Masci gruppiert Illyrisch, Mazedonisch und Epirotisch in eine
Sprachfamilie, die er als die Ursprache des Albanischen betrachtet, die es aber nicht benennt
und identifiziert.
- Auf Leibniz und Thunmann stützt sich in der Hauptsache Conrad Malte-Brun (1775-1826),
der der Frage nach Volksart und Sprachverwandtschaft der Albaner im 3. Bande seiner
Annales des voyages (Paris, 1809) eine gehaltvolle zusammenfassende Erörterung widmet.
b. wissenschaftliche Periode
1. 1854 – 1942
- Anfänge: Franz Bopp (1791-1867), Begründer der wissenschaftlichen Albanologie und der
Indogermanistik, ordnete in seiner Akademievorlesung am 18. Mai 1854 in Berlin das
Albanische erstmals wirklich nach der wissenschaftlichen Kriterien seiner Zeit den
58
indogermanischen Sprachen zu. (Über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen
Beziehungen).
In der Einleitung zu seinem bahnbrechenden Werk (S. 1) schreibt er: „ Ich habe in einer
früheren, noch unveröffentlichten Abhandlung (gelesen am 23. Febr. 1843) die Zahlwörter
und Pronomina des Albanesischen behandelt, und ich bin durch meine damaligen
Untersuchungen zu der Überzeugung geführt worden, daß die genannte Sprache zwar
entschieden der indoeuropäischen Familie angehört, aber in ihren Grundbestandtheilen mit
keiner der übrigen Sanskritschwestern unseres Erdtheils in einem engeren, oder gar in einem
Abstammungsverhältnisse steht. […]“ (Fiedler, S. 16)
- August Schleicher (Schüler von Franz Bopp) entwarf einen Stammbaum der
indogermanischen Sprachen und fand dabei einen Zweig für das Albanische/ Albanesische.
Anhand der eingezeichneten gestrichelten Linie, kann man erkennen, dass er sich nicht sicher
mit der Einordnung des Albanesischen war.
Für die Beantwortung der durch die Forschung inzwischen herausgestellten albanologischen
Probleme bedurfte es eines umfassenderen sprachlichen und ethnologischen Materials. Vom
österreichischen Konsul in Janina Johann Georg von Hahn (1811-1869), der Albanien aus
eigener Anschauung gut kannte, wurde 1854 das erste umfassende Werk über Albanien
vorgelegt, das sich ausführlich ethnologischen und sprachlichen Fragestellungen widmete
(Albanesiche Studien, Heft I-III, Jena 1854). Mit seinem Werk wurde der Albanologie eine
breite Basis geschaffen. Es barg eine solche Fülle in sich, dass es auch heute noch eine
Fundgrube ist und seine Veröffentlichung als ein Neubeginn der Albanologie gelten kann.
Den größten Nutzen daraus zog wiederum die etymologisch ausgerichtete Wortforschung, die
auf vergleichendem Wege allmählich eine historische Lautlehre des Albanischen
herausarbeitete.
Hahns wissenschaftliche Bedeutung liegt in der allseitigen Erforschung Albaniens, das er auf
drei Reisen sehr gut kennen lernte. Er verfasste die erste wissenschaftliche Grammatik des
Albanischen, ein reichhaltiges Wörterbuch und bis heute wertvolle Notizen zur Geographie,
Archäologie, Geschichte und Volkskunde des Landes. Außerdem sammelte er griechische
und albanische Märchen und entwarf ein System der Sagen- und Märchendeutung und -
vergleichung.
(Grimm, Gerhard, „Hahn, Johann Georg von“, in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 510
f. [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd11870060X.html)
- Demetrio Camarda ( Dhimitër Kamarda geb. 1821 in Piana degli Albanesi – 1882)
(Saggio di grammatologia comparata sulla lingua albanese, Livorno 1864) bemühte sich
besonders, eine enge genetische Zusammengehörigkeit von Griechisch und Albanisch zu
beweisen. Seine zahlreichen falschen Etymologien rühren daher, dass er griechische Lehn-
und Fremdwörter oft als Erbgut des Albanischen betrachtete. Dennoch ist Camardas Werk
für die Albanologie nicht ohne Bedeutung. Camarda hat manche Lautregel richtig erkannt, so
59
die Entwicklung von sk- zu h-, ganz abgesehen davon, dass er wertvolles Dialektmaterial
bietet.
- Der Wiener Slawist Franz von Miklosich (1813 – 1891) bemühte sich unter den
Erforschern des Albanischen als erster um eine systematische Zuordnung und Bestimmung
der Lehnwörter des Albanischen.
- Bedeutende Verdienste um die Erforschung des Albanischen erwarb sich auch der dänische
Indogermanist Holger Pedersen (1867-1953), der neben einer Beschreibung des südlichen
toskischen Dialekts, des Çamischen, sich in vielen Aufsätzen mit der Sprachgeschichte des
Albanischen auseinandergesetzt hat. Besonders wertvoll ist Pedersens Erkenntnis, dass das
Albanische in seiner lautlichen Entwicklung die uridg. Tektalreihe (Velar – Palatal –
Labiovelar) getrennt hält, was für die Frage nach Kentum ~ Satem Charakter von Bedeutung
ist.
Mit Pedersens Untersuchungen war sicherer Boden beschritten, auf dem die vergleichende
Lautlehre weiterbauen konnte.
- Der Leipziger Romanist Gustav Weigand (1860-1930) widmete sich ebenfalls dem
Albanischen und generell auch balkanologischen Fragen. Sein bedeutendstes Werk ist die in
Leipzig 1913 erschienene albanische Grammatik, die auf dem Mittelalbanischen (von
Elbasan) basiert.
- Einer der bedeutendsten und produktivsten Erforscher des Albanischen war der Wiener
Indogermanist Norbert Jokl13 (1877 – [verschwunden] 1942), der eine umfangreiche Anzahl
13
Er studierte indogermanische Sprachwissenschaft bei Paul Kretschmer (1866-1956) und Romanistik bei Wilhelm Meyer-
Lübke (1861-1936) sowie Slavistik bei Vratoslav Jagi (1838-1923) und Václav Vondrák (1859-1925). Als Hauptfach wählte er
Slavistik, u.a., weil er von Kindheit her des Tschechischen mächtig war. Im Jahre 1903 trat er während des Studiums als
60
von übergreifenden, aber auch detaillierten Behandlungen zum Albanischen vorgelegt hat:
Studien zur albanischen Etymologie und Wortbildung (1911- Habilitationsschrift), Albanisch
(1917), und eine verlorene Sammlung für ein etymologisches Wörterbuch.
Norbert Jokl ist Verfasser von ca. sechzig wissenschaftlichen Aufsätzen über die
albanische Sprache. Von besonderer Bedeutung ist eine Abhandlung “Linguistisch-
kulturhistorische Untersuchungen aus dem Bereiche des Albanischen” Berlin 1923.
Seine “Einführung in die vergleichende historische Grammatik des Albanischen” an der er
von 1913-1937 mühsam und akribisch arbeitete, bleibt unveröffentlicht. Sie befindet sich
zusammen mit anderen Manuskripten des Jokl in der Handschriftenabteilung der
Österreichischen Nationalbibliothek in Wien.
- 2. Seit 1945
Praktikant in den Dienst der Universitätsbibliothek ein und nach einer zweiten Promotion summa cum laude im März 1908 war
er - ab 1923 als Oberbibliothekar - bis zur Beendigung seiner Laufbahn tätig. Im Jahre 1913 erlangte er die venia legendi an der
Universität Wien mit besonderer Berücksichtigung des Albanischen, Slawischen und Baltischen und zehn Jahre später wurde er
außerordentlicher Professor, eine Stelle, die er bis zu seiner Zwangspensionierung aus Rassengründen am 20. Mai 1938
bekleidete. Jokl begann albanisch mit der Hilfe von Gjergj Pekmezi (1872-1938) und anderen Albanern in Wien zu lernen. Aus
seinem “Vorläufigen Bericht über seine nordostgegischen Dialektstudien,” den er im Jahre 1914 der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften vorlegte, wurde schon klar, dass sein Augenmerk primär den Regionalunterschieden des Nordalbanischen
galt. Norbert Jokl unterrichtete an der Universität Wien von 1913 bis 1938 und wurde seinerzeit zu einer führenden Figur der
deutschsprachigen Albanologie. Im Jahre 1937 anlässlich des 25. Jahrestages der Unabhängigkeit Albaniens wurde ihm die
Auszeichnung “Kommandeur des Skanderbegordens” verliehen. Damals besuchte er Albanien zum ersten und zum letzten
Mal.
61
In diesem Zusammenhang bleiben noch zwei weitere etymologische Wörterbücher zu
erwähnen, die fast gleichzeitig erschienen sind: Das Buch „Albanische Etymologien“ von
Bardhyl Demiraj (Amsterdam-Atlanta 1997) und „Albanian Etymological dictionary“ von
Vladimir Orel (Leiden-Boston-Köln 1998).
62
Agnia Desnickaja ist eine russische Sprachwissenschaftlerin.
Werke: „Albanskij jazyk i ego dialekty“ (1968) (Die albanische Sprache und ihre Dialekte)
63
Unter Wissmann und auf Empfehlung des Slawisten Alois Schmaus kommt 1961 der
in Rom frisch promovierte Martin Camaj mit einem zweijährigen DAAD-Stipendium
als Lektor für Albanisch nach München.
Martin Camaj:
o Gelehrter und Schriftsteller (wichtigster Vertreter der albanischen Exilliteratur
der Nachkriegszeit), geb. 1925 in Nordalbanien.
o 1946 nach der Machtergreifung der Kommunisten in Albanien flieht zunächst
nach Kosova, später nach Belgrad, wo er beim Slawisten Henrik Barić auch
studiert.
o Seine Promotion absolviert er in Rom bei dem Albanologen Ernest Koliqi.
o 1961-1963 Lektor für Albanisch
o Danach als Lehrbeauftragter bis 1965, wo Camaj seine Habilitation unter
Wissmann abschließt.
o 1965-1971 Fortsetzung der albanologischen Veranstaltungen, 1971 wird
Camaj erster Professor für Albanologie in München, dem einzigen Studienfach
im gesamten Westeuropa
o Sommer 1990 wird Camaj emeritiert, 1992 stirbt er in Lenggries
o Schwerpunkt unter Camaj: reine albanische Sprachwissenschaft
Wilfried Fiedler
o WiSe 1990/91 wird der Albanologe und Balkanologe Wilfried Fiedler
Professor für Albanologie
o Auch unter Fiedler bleibt der sprachwissenschaftliche Schwerpunkt bestehen
o SoSe 1998 wird Fiedler emeritiert → Albanologie soll im Zuge der
Sparmaßnahmen der LMU abgeschafft werden. → Auf groß angelegten
Initiativen ehemaliger Albanologie-Studenten, deutschen Albanologen, der
kosovarischen Migration in Deutschland und politischem Eingreifen Albaniens
in den Jahren 1998-2000 wird die Albanologie im Jahre 2001 mit Bardhyl
Demiraj wieder besetzt
Rexhep Ismajli
o In den Jahren 1999-2000 vertritt Rexhep Ismajli, führender Albanologe in
Kosova, den Lehrstuhl für Albanologie. Danach kehrt er nach dem Krieg nach
Kosova zurück und wird dort Leiter der Akademie der Wissenschaften
Kosovas. Auch Ismajli konzentriert sich nur auf Sprachwissenschaft.
Bardhyl Demiraj
64
o Prof. Demiraj übernimmt im WiSe 2000/01 als Vertretung den Lehrstuhl, ab
SoSe 2001 als Lehrstuhlinhaber der Albanologie
o Schwerpunkt bleibt unter Prof. Demiraj auch Sprachwissenschaft, aber auch
andere Gebiete, wie alb. Literatur, alb. Gewohnheitsrecht, alb. Folklore usw.
o Das Lehrangebot wird durch den ERASMUS auch mit italo-albanischen
Veranstaltungen, gehalten von Professoren aus Italien.
o Die politische Wende für Albanien ermöglicht auch die Einsetzung von
Albanologen aus Albanien
o Die politische Wende im gesamten Balkan führt auch zu der Erhöhung der
Studentenzahl der Albanologie, wodurch auch kulturelle Aktivitäten an der
LMU jeden Semesters stattfinden.
o Seit 2005 finden hier jährlich auch deutsch-albanische Kulturtage statt, die im
Zentrum eine wissenschaftliche Tagung haben.
65
1. Das Lautsystem der albanischen Sprache
Das albanische Alphabet und die lautlichen Werte
b. Vokalismus
- Standard: a [a], e [e ], ë [ə], i [i], o[ɔ], u [u], y [y]
- Die Vokale lassen sich artikulatorisch nach drei Kriterien klassifizieren:
o Vertikale Zungenbewegung (Höhenbewegung, Hebung und Senkung)
o Horizontale Zungenbewegung (sagittale, vordere oder hintere Lage der Zunge)
o Lippenrundung (rund: r)
66
o Vokale sind um so kürzer, je weiter sie von der Tonstelle entfernt sind
o je mehr Silben ein Wort enthält, desto kürzer sind die einzelnen Silben
o Vokallänge auch an der Morphemgrenze beim Zusammentreffen zweier
Vokale: [pa::nəsi]= paanësi „Neutralität“,
c. Konsonantimus
Das Inventar der albanischen Konsonanten besteht aus 29 Phonemen
67
/m/i „Maus“ /dh/i „Ziege“ /sh/i „Regen“ /n/i (d.) „gerade“
/t/i „du“ /p/i „trinke“ /s/i „wie“ /nj/i (d.) „eins“
/d/i „weiß“ /r/i „neu“ (i) /z/i „schwarz“ /th/i „Schwein“
/h/i „Asche“ /rr/i „sitze“ /gj/i „Brust“
- Im Auslaut sind alle Vokale möglich. Konsonanten ebenfalls alle. In der Kombination
-VCC und -VCCC (d.h. als letztes -C) sind alle Kombinationen möglich, nur Sonanten
(r, rr, ll, nj) und zh können nicht als letztes -C erscheinen.
- Sämtliche mögliche Kombinationen von Vokalen und Konsonanten prägen die
Lautstruktur der Wurzel-/Stammmorpheme, der Affixe sowie die der gram. Formative
bzw. Endungen.
V: a?
VC: ar „Gold“, esh „Igel“
CV: ka „Ochse“, mi „Maus“
CVC: det „Meer“, nuk „nicht“
- In zwei- und mehrsilbigen Wörtern erscheinen alle Kombinationen, soweit sie die
Silbenstruktur zulässt:
V + CV: anë „Seite“
V + CK: yen „er wacht“
V+CVC: agim „Dämmerung“
VC+CV: algë „Alge“
VC + CVC: ëndërr „Traum“
CV+V: thua „Nagel“
CV+CV: ditë „Tag“
CV +CVC: dimër „Winter“
V+V: ua „es ihnen“ (Objektbezeichnung)
Silbenstruktur
68
- Sieht man von den Pronominalbildungen ab, so ist für einsilbige Nomina und
(Substantive, Adjektive + Numeralia) und Verben eine Lautstruktur von maximal 6
und minimal 2 Segmenten belegt:
- Bei den Pronominalbildungen melden sich noch weitere Strukturen: VV: ai „er“
e. Wortakzent
Mit Blick auf dem Standart-Albanischen und den heutigen Zustand der Mundarten lässt
sich folgendes zusammenfassen:
Literatur:
- Oda Buchholz / Wilfried Fiedler: Albanische Grammatik. Leipzig 1978, S. 27-59
- Anastas Dodi: Fonetika dhe fonologjia e gjuhës shqipe. Tiranë 2004
- Loyd Gary Bevington: Albanian Phonology. Wiesbaden 1974
69
IX. Albanische Morphologie
Wortarten:
Nach ihrem Hauptmerkmal unterscheiden sich zuerst zwei Gruppen von Wortarten
voneinander: die flektierbaren und unflektierbaren. Je nach ihrer Funktion und Semantik im
Satz wird jede Gruppe in Untergruppen untergliedert.
1. Verben (wie: djeg „brennen“, punoj „arbeiten“, mësoj „lernen“, luaj „spielen“, lexoj
„lesen“, udhëtoj „fahren“, këndoj „singen“, harroj „vergessen“, fluturoj „fliegen“, uroj
„wünschen“)
- Person (1-3), Numerus (Sg. und Pl.), Genus verbi (Aktiv – Nichtaktiv),
Modus (Indikativ, Konjunktiv, Konditional, Optativ, Imperativ, Admirativ) und
Tempus (Vergangenheit, Präsens, Futur)
2. Das Substantiv
Das Substantiv wird im Albanischen im Wesentlichen durch vier Kategorien charakterisiert:
Genus, Numerus, Kasus und Bestimmtheit.
Genus
Die Substantive sind in ihrer überwiegenden Mehrheit Maskulina oder Feminina. Die
Zahl der Neutra ist gering.
o Feminin: -ë/-a (vajzë ~ vajza „Mädchen“), -e/-ja (lule ~ lulja „Blume“)
o Maskulin: -C/-i (gisht ~ gishti „Finger”), -k, -g, -h, -V/-u (plak ~ plaku „Alte“,
zog ~ zogu „Vogel“, krah ~ krahu „Arm“
o Neutrum: substantivierte Verben (ec „gehen“ > të ecurit „Das Gehen“)
Numerus
Die Kategorie des Numerus umfasst zwei Subkategorien, den Singular und den Plural.
o Pluralbildung in allen Balkansprachen relativ kompliziert, Albanisch am
kompliziertesten
Identität von Singular- und Pluralform: nxënës „Schüler“ ~ nxënës
„Schüler“
Flexive zur Bildung der Pluralform: ulli „Olive“ ~ ullinj „Oliven“
Konsonantenwechsel: g > gj: zog „Vogel“ ~ zogj „Vögel“
70
k > q: mik „Freund“ ~ miq „Freunde“
ll > j: popull „Volk“ ~ popuj „Völker“
l > j: muskul „Muskel“ ~ muskuj „Muskel“
r > j: lepur „Hase“- lepuj „Hasen“
o Genitiv und Dativ haben im Singular wie im Plural bei allen Substantiven die
gleiche Endung – das wichtigste formale Merkmal zur Unterscheidung der
beiden Kasus ist die obligatorische Anwesenheit des Gelenkartikels vor dem
Substantiv im Genitiv und das Fehlen desselben beim Dativ, z. B.: Gen: i djalit
„des Jungen“; Dat: djalit „dem Jungen“. Der Dativ dient im Albanischen
hauptsächlich dem Ausdruck des indirekten Objektes.
71
o Akkusativ. Er tritt am häufigsten als Kasus des direkten Objektes im Satz auf.
Er kommt auch mit Präpositionen vor. Ein Substantiv im Akkusativ kann –
auch ohne Präposition – zum Ausdruck von Adverbialbestimmungen
verwendet werden, z. B.: Agimi mëson gjithë ditën. „Agim lernt den ganzen
Tag“.
Bestimmtheit
Bei der Deklination der Substantive werden jeweils zwei Formen – die unbestimmte Form
und die bestimmte Form – unterschieden. Die Bedingungen für die Verwendung der
bestimmten Form der Substantive im Albanischen entsprechen in vielen Fällen denen für die
Verwendung der Substantive mit dem Artikel im Deutschen. Der Gebrauch der unbestimmten
Form der Substantive im Albanischen entspricht in vielen Fällen der Verwendung der
Substantive mit „ein (eine)“ bzw. ohne Artikel im Deutschen. Die Artikelendung kann im
Nominativ folgende Formen haben: Sg: -i oder -u für Maskulina; - a für Feminina; -t oder -të
oder -it für Neutra; Pl: -t oder -të oder -it für alle Genera.
3. Das Adjektiv
Positiv: es stellt als Grundstufe die unmarkierte, neutrale Form dar. Die Eigenschaft wird
nicht verglichen, ihr werden keine weiteren semantischen Werte hinzugefügt:
Äquativ: Die gegebene Eigenschaft ist auf der gleichen Stufe wie die Eigenschaft der
Vergeichsgröße(n). Dabei sind zweigliedrige Verbindungen Adv.+ Präp. erforder-
lich: aq ... sa ...; po aq ... sa ...; po aq ... sa edhe; sa ... aq (edhe) ...:
Beispiele: Vendimi i gjykatës ndaj tij ishte (po) aq i drejtë sa edhe i merituar. „Das
Gerichtsurteil gegen ihn war ebenso gerecht wie verdient“ Agimi është (po) aq i
zgjuar sa Petriti „Agim ist ebenso klug wie Petrit.“ Disa studentë janë sa të zellshëm
72
aq edhe inteligjentë “Einige Studenten sind genauso fleißig wie inteligent“. Sa i
gjallë qe kur fliste, aq i heshtur bëhej kur studionte „So lebhaft er war, wenn er
sprach, so schweigsam wurde er, wenn er studierte.“
Wenn eine Eigenschaft auf „noch Näheres“ bezogen wird, kann kaq statt aq
erscheinen, vgl.: Ajo është kaq e pacipë sa (që) s’mund ta marrësh me mend. „Sie ist
so unverschämt, wie du es dir nicht vorstellen kannst“
Häufig wird die Eigenschaft durch die Adverbien aq / kaq vor dem Adjektiv
außerhalb eines Vergleichs gegeben, vgl.: Kjo është një gjë kaq interesante! „Das ist
eine so interessante Sache!“ Ligjërata nuk ishte aq e gjatë. „Der Vortrag war nicht so
lang“.
Komparativ
a) Komparativ der relativen Überlegenheit: Die Eigenschaft ist auf einer höheren Stufe
als die der Vergleichsgröße(n). Dabei ist die zweigliedrige Verbindung më ... se (sesa,
nga) ... erforderlich:
Anm.: Vor më + Adj. können Elemente wie shumë, pak, akoma, edhe, ca „etwas“
stehen, vgl.: Kopshti Anglez është shumë më i bukur se Livadhi i Terezës.
Manchmal kann das zweite Glied weggelassen werden, wenn die Bezugsgröße
bekannt oder zu erahnen ist, vgl. Kopshti Anglez është shumë më i bukur (se
Livadhi i Terezës).
In unpersönlichen Konstruktionen mit ka „es gibt“ geht dem Adjektiv meist das
Substantiv gjë voran, vgl.: S’ka gjë më të keqe, kur s’të beson asnjeri. „Es gibt
nichts Schlimmeres, als wenn keiner einem glaubt“
b) Komparativ der relativen Unterlegenheit: Die gegebene Eigenschaft ist auf einer
niedrigeren Stufe als die der Vergleichsgröße(n). Formal wird dieser Unterschied
durch den Einschub des Adverbs pak zwischen më und Adjektiv:
Beispiel: Vera ishte më pak e mërzitur se herët e tjera. „Vera war weniger betrübt als
die anderen Male.“
Der Komparativ kann auch als Bestandteil von Konstruktionen mit sa ... aq verwendet
werden, um die proportionale Abnahme des Grades von Eigenschaften auszudrücken:
Superlativ
73
Er bezeichnet den höchsten Grad einer Eigenschaft gegenüber den verglichenen oder
vergleichbaren Werten. Als Komparativpartikel dient më. In prädikativer Fuktion kommt das
Adjektiv immer substantiviert vor: më + Adj., vgl.: futbollisti më i mirë = më i miri
(futbollist)
Adjektive im Superlativ treten auch in partitiven Präpositionalgruppen, die meist als Prädikata
fungieren, auf, wenn einer Klasse von Vergleichsgrößen, zu der das Individuum gehört, eine
Eigenschaft auf der Höchststufe zugewiesen ist. Die meist vorkommenden Präpositionen sind:
nga, prej, ndër.
Beispiel: Goethe është njëri/një ndër shkrimtarët më të mëdhenj në botë. „Goethe ist
einer der größten Schriftsteller der Welt.“
4. Das Zahlwort
Die Zahlwörter bezeichnen Zahlen oder zählbare Mengen bzw. Merkmale von Individuen. Es
handelt sich um eine heterogene Wortart, deren Subklassen sich morphologisch und
syntaktisch weitgehend wie Substantive, Adjektive oder Pronomina verhalten. In der alb.
Grammatik lassen sich mindestens vier Subklassen unterscheiden:
Ihrer Struktur nach sind sie einfache oder abgeleitete Zahlwörter. Davon ist nur tre m. ~ tri
„drei“ genusabhängig (sowie mit „drei“ gebildete Zahlwörter aus anderen Zwischenebenen).
Zur Bezeichnung abstrakter Zahlbegriffe bleibt aber auch dieses Zahlwort unflektiert: tre (3 +
8 = 11)
Als einfache Zahlwörter werden një ... dhjetë, -zet, qind, mijë, milion, miliard betrachtet.
74
Indeterminiert ~ determiniert
Die Nominalgruppe (= NG), die eine attributive oder isolierte Kardinalzahl enthält, ist
indeterminiert, wenn sie sich auf eine bestimmte Anzahl von Gegenständen (= Individuen)
bezieht. Unter diesem Aspekt werden sie in der Regel nicht flektiert. Einen Sonderfall stellt
nur një dar. Wenn es isoliert vorkommt, bleibt es im Nominativ und Akkusativ oft unflektiert:
Beispiele: Më jep një (biletë)! Më mungon një (sent). Një (plesht) e pashë me sytë e mi
para disa sekondash.
Beispiele: Në çdo tre studentë njëri (= Në çdo tre studente njëra) merret me sport.
Njërit (/njërës) prej nesh nuk i dhanë lejën.
Eine NG, die eine attributive oder isolierte Kardinalzahl enthält, ist determiniert, wenn sie auf
eine bekannte Anzahl von Individuen in ihrer Gesamtheit referiert. Da ist selbstverständlich
von mehr als einem Individuum die Rede. In solchen Situationen bedient man sich des
vorangestellten Artikels të: të katër (burrat) ~ të katra (gratë)
Bildung: a) Artikel + Grundzahlwort + -t(ë) (für die Ordinalia 2. – 5.): i dytë … i pestë
Zahlsubstantive
Sie werden durch Suffigierung -sh oder -ø gebildet: njësh-i „die Eins“, katr-a „die Vier“
u.a.
Bruchzahlen
Für die Bezeichnung von ½, ¼, ¾ werden auch die Substantive gjysmë “halbes“, çerek
„viertel“ verwendet.
5. Pronomina:
75
a) Personalpronomina: unë “ich”, ti “du”, ai/ajo “er/sie” u.a.
b) Reflexivpronomina: (vet)vete, best. (vet)vetja “selber”.
c) Identifizierende Pronomina: vetë “selbst” (nicht flektiv).
d) Reziprokpronomina: njëri-tjetrin „dem einen und/oder dem anderen)
u.a.
e) Possessivpronomina: im “mein”, yt “dein” u.a.
o Übereinstimmung in Kasus, Numerus, Genus mit dem Besitzer
und mit dem Besitz (wie im Deutschen)
f) Demonstrativpronomina: ky ”dieser” ~ ai “jener” u.a.
g) Interrogativpronomina: kush “wer?”, cili “wer?” u.a.
h) Relativpronomina: i cili “der”, që “dass” (nichtflektiv) u.a.
i) Indefinitpronomina: njëri “einer”, njerí “jemand” u.a.
Das Verb (Vollverb) ist im Alb. – wie im Dt. - geeignet, Handlungen, Zustände,
Zustandsveränderungen und dgl. zu bezeichnen. Es erscheint in finiter und infiniter
Gestalt. Als finites Verb ist es Träger einer – im Alb. besonders großen – Zahl von
morphologischen Kategorien, als infinites Verb zeigt es sich in dieser Hinsicht stark
begrenzt.
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Transitive Verben:
o Fordern semantisch ein Akkusativobjekt – direktes Objekt: lexoj „lesen“,
shoh „sehen“
o Sie sind passivfäfig: Unë lexoj librin. „Ich lese das Buch“. Libri lexohet nga
të gjithë të rinjtë. „Das Buch wird von allen jungen Leuten gelesen“
Intransitive Verben fordern überhaupt kein Objekt: fle „schlafen“, eci „gehen“
Sie bezeichnen Vorgänge (Zustände, Bewegungen u.a.), die sich nur auf das
Subjekt beziehen.
Hilfsverben:
o Kopulaverb: jam „sein“ – stellt Beziehung zwischen Subjekt und
Prädikativ her: Agimi është mësues. „Agim ist Lehrer“
77
Vazhdoj të punoj „ich setze die Arbeit fort“
Finite Verbformen
o Im Albanischen fünf Kategorien: drei Personen, zwei Numeri, zehn
Tempora, zwei Genera und sechs Modi.
a) die sog. einpersönlichen Verben (= folje njëvetore): das Subjekt ist vorhanden, oder
läßt sich aus dem Kontext feststellen. So sind z.B. Verben, die sich auf Vorgänge
beziehen:
- die (nur) bei den Tieren vorkommen: hingëllin (kali ) “(das Pferd) wiehert“
- Naturerscheinungen: fryn (era) „(es) weht (der Wind)“
- Einige intransitive Verben, wenn sie im Nichtaktiv verwendet werden: ndalohet
„es ist verboten“
78
besteht aus drei Teilkategorien: Aktiv, Passiv, Reflexiv (in der alb. Grammatik wird auch dem
Medium der Status einer Teilkategorie anerkannt). Formal wird Genus verbi aber nur durch
zwei Bildungen ausgedrückt: Aktiv bzw. Nichtaktiv. Die Wahl der einen oder anderen
Teilkategorie bezieht sich auf die Verbindung des Verbs zu Subjekt und Objekt. (Die
Herstellung von Verbindungen dieser Art ist an und für sich die Aufgabe der Kategorie des
Genus Verbi).
79
hundert (Jahre alt) werden“ (bei Geburtstagen), paç „mögest
haben/ bekommen)
Beispiele: kam – paç-a; laj – la-fsh-a
- Präsens. Generelle Aussagen: Oksidi i karbonit është shumë i helmët. “Kohlenmonoxid ist
sehr giftig“; Ausdruck der aktuellen Gegenwart: Pse hesht? „Warum schweigst
du?“; Ausdruck der Zukunft: Nesër kemi gjashtë orë mësim. „Morgen haben wir sechs
Stunden Unterricht“; Ausdruck der Vergangenheit (Praesens historicum; vor allem statt
Aorist, Imperfekt oder Perfekt): Më 1464 për shqiptarët fillon periudha e fundit e rezistencës
së udhëhequr nga Skënderbeu kundër shkelësve turq.“Im Jahre 1464 beginnt für die
Albaner die letzte Periode des von Skanderbeg geführten Widerstandes gegen die
türkischen Eindringlinge“.
80
Sicherheit“; Darstellung von Handlungen, die sich in der Vergangenheit wiederholen: Herë
pas here kthente kokën. „Von Zeit zu Zeit wandte er den Kopf“
- Plusquamperfekt. Darstellung von Ereignissen, die vor einem bestimmten Zeitpunkt der
Vergangenheit abgeschlossen waren und mit diesem Zeitpunkt verbunden sind: E kuptoi ai se
çdo gjë kishte marrë fund. „Und er begriff, dass alles zu Ende war“.
- Aorist II. Darstellung von Ereignissen, die vor einem bestimmten Zeitpunkt der
Vergangenheit abgeschlossen waren und – in der Regel – mit diesem Zeitpunkt nicht mehr
verbunden sind: Si pat vënë gjithshka në rregull, u nis për në punë. „Nachdem er alles in
Ordnung gebracht hatte, ging er zur Arbeit“.
- Futur Imperfekt
Häufig ist die Verwendung vom Ausdruck der Zukunft in der Vergangenheit, auch bei
nichtrealisierten Handlungen.
E tmerruar mendonte çastin kur do të mbetej vetëm me të. „Entsetzt dachte sie an den
Moment, an dem sie mit ihm allein sein würde“
-Futur Perfekt
Diese Form signalisiert eine Handlung, deren zukünftiger Vollzug vor einer anderen
bevorstehenden Handlung vom Standpunkt der Gegenwart (im Redemoment) erwartet
wird.
Ata do të pendohen për këtë sherr të madh, por atëherë do të jetë vonë …. Shumë gjak do të
jetë derdhur. „Sie werden diesen schlimmen Streit bereuen, aber dann wird es zu spät
sein…. Viel Blutt wird vergossen sein.
- Futur Plusquamperfekt
Es ist mit drei obligatorischen Merkmalen sehr stark markiert: Erwartung,
Doppelzeitigkeit und (relative) Vergangenheit.
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Die überwiegend temporale Verwendung zum Ausdruck von Doppelzeitigkeit
(Nachzeitigkeit zur Vergangenheit) kommt in der indirekten Rede vor: Ai tha: Gjer
(nesër në vitin 2000) do ta kem mbaruar këtë punë. „Er sagte: Bis morgen (bis zum Jahre
2000) werde ich diese Arbeit fertig(gestellt) haben.
Konjugationsklassen
Unregelmäßige Verben
- Suppletive unregelmäßige Verben
Konjugation I
umfasst Verben, deren Stamm auf ein Vokal oder eine Vokalgruppe auslautet und in der 1. Ps.
Sg. Präs. Ind. Akt. die Endung –j haben, vgl.: puno-j „arbeiten“, la-j „waschen“, shkrua-j
„schreiben“u.a. Hierzu gehört die Mehrheit der alb. Verben.
Konjugation II
umfasst Verben, deren Stamm auf einen Konsonanten auslautet, vgl.: hap „öffnen“, mat
„messen“ u.a.
Konjugation III
umfasst Verben, deren Stamm auf einen Vokal auslautet, und die in den drei Personen im
Singular Ind. Akt. die Endung Null haben, vgl.: di „wissen“, pi „trinken“, ha „essen“ u.a
Literatur: Oda Buchholz / Wilfried Fiedler: Albanische Grammatik. Leipzig 1987. S. 60-193
82
ALBANISCHE LITERATUR
1. Einführung
Rilindja (Wiedergeburt) bezeichnet die albanische Nationalbewegung in der Zeit
zwischen etwa 1870 und der Unabhängigkeitserklärung Albaniens am 28. November
1912.
Gründung der Liga von Prizren (10.Juni 1878) – Reaktionen auf den Frieden von
Stefano – Stichdatum für den Beginn dieser Bewegung
Beschluss der Liga: Grenzziehungen von San Stefano durch Waffengewalt verhindern
und die Albaner als Nation im Berliner Kongress (13.Juni 1878) vertreten
Scheitern beider Vorhaben: im Mai 1881 waren alle Beschlüsse des Berliner
Kongresses vollständig ausgeführt.
Albanische „Kulturrevolution“
o Bildung einer albanischen Nation
o Mittel: Literatur
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Außer auf Albanisch schrieb Frashëri Türkisch, Persisch und Griechisch. Daneben las
er Französisch und Lateinisch. Er war einer der wenigen Männer, denen die
literarische Kultur des Westens und des Orients gleichermaßen vertraut und wertvoll
war.
Werke
Bagëti e bujqësija, 1886
Luletë e verësë, 1890
Fletore e Bektashinjet, 1896 (Erläuterung der Bektashi-Traditionen)
Istori' e Skënderbeut, 1898 (Die Geschichte Skanderbegs)
Qerbelaja, 1898 (Ein Poem über die Schlacht von Kerbela )
In der rumänischen Hauptstadt erschienen auch die großen Lyriksammlungen, für die Naim
Frashëri in erster Linie bekannt ist: ‘Vieh- und Landwirtschaft’ (alb. Bagëti e bujqësija),
Bukarest l886, ein nach Vergil inspiriertes bukolisches Gedicht mit heimatlichem Bildwerk,
das sich unter seinen Landsleuten großer Beliebtheit erfreute; ‘Frühlingsblüten’ (alb. Luletë e
verësë), Bukarest 1890, in der er in 23 Gedichten die Schönheit der albanischen Natur
besang; ‘Das Paradies und geflügelte Worte’ (alb. Parajsa dhe fjala fluturake), Bukarest
1894, wo seine Verbundenheit mit den Helden der Nation und mit den geistigen Traditionen
des Morgenlandes, vor allem der persischen Mystik besonders zum Vorschein kam;
‘Geschichte Skanderbegs’ (alb. Istori e Skenderbeut), Bukarest 1898, ein historisches Epos in
11.500 Versen und 22 Gesängen, das als politisches Vermächtnis des Dichters zu verstehen
war - zu seiner Zeit war dies das meistgelesene Buch der albanischen Literatur -; und
‘Kerbela’ (alb. Qerbelaja), Bukarest 1898, ein schiitisches Epos in 25 Gesängen über den Tod
Husseins, des Enkels des Propheten Mohammed, im irakischen Kerbela im Jahre 680. Als
Vorlage zu ‘Kerbela’ dienten die epischen Werke seiner Vorgänger: ‘Myhtarnameja,’ ca
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1868, von Shahin Bey Frashëri und ‘Hadikaja,’ ca 1842, von Dalip Frashëri, beide Werke
noch bis heute unveröffentlicht. Von entschiedener Bedeutung für unser Verständnis der
Lehre der Bektaschi ist sein ‘Notizbuch der Bektaschi’ (alb. Fletore e Bektashinjët), Bukarest
1896.
Die eigentliche Bedeutung Naim Frashëris als Dichter der Rilindja liegt vor allem in der
politischen Botschaft seiner Lyrik, die im Sinne der Bektaschi auf eine Überwindung der
Trennung der Albaner in verschiedenen Konfessionen und auf die Schaffung eines
einheitlichen Volks- und Nationalbewusstseins abzielte. Aus dem ungeschliffenen
Albanischen des 19. Jahrhunderts half Naim Frashëri eine Literatursprache zu schaffen. Sein
Einfluss auf albanische Schriftsteller im frühen 20. Jahrhundert war außerordentlich.
O malet e Shqipërisë! E ju o lisat e gjatë, Oh Berge Albaniens und ihr, hohe Bäume
Fushat e gjera me lule, q’u kam nër mënt dit’ e natë, Breite, blumenreiche Ebenen, euch gelten
[…] meine Gedanken Tag und Nacht […]
Ti, Shqipëri më ep nderë, më ep emërin Shqipëtar, Du Albanien, bescherst mir die Ehre und den
Namen Albaner
Zemrënë ti ma gatove plot dëshirë dhe me zjarr. Mein Herz hast du mit Lust und Feuer erfüllt
Shqipëri! Ò mëma ime! Ndonëse jam i mërguar, Albanien! Oh meine Mutter! Wo immer ich
im Exil weile,
Dashurinë tënde kurrë, zemëra s’e ka harruar. Wird mein Herz deine Liebe nie vergessen.
(Frashëri 2001:27) (Elsie 1988:29)
4. Jeronim De Rada
Etwa zur selben Zeit wie die Autoren der Rilindja wirkte in Italien Girolamo de Rada (1814-
1903). Sein literarisches Schaffen war von den geistigen Strömungen seiner italienischen
Heimat beeinflusst, dem politischen Liberalismus des Risorgimento und der Romantik in
der italienischen Literatur. Seine teils im Dialekt der Arbëresh, teils auf Italienisch verfassten
Werke sind aber in der halb mythischen mittelalterlichen albanischen Geschichte angesiedelt.
Von Bedeutung sind die Canti di Milosao, die Canti storici albanesi di Serafina
Thopia und Skënderbeu i pafat (dt. Der unglückliche Skanderbeg). 1848 gründete de Rada die
Zeitung „L'Albanese d'Italia“, eine zweisprachige italienisch-albanische Publikation und die
erste Zeitung überhaupt, in der albanischsprachige Artikel abgedruckt wurden.
85
1836 veröffentlichte de Rada sein erstes größeres Werk aus eigener Feder. Es handelte sich
um die Këngët e Milosaos ("Die Lieder des Milosao"), in der de Rada die Liebesgeschichte
von Milosao, der im 15. Jahrhundert Sohn eines Fürsten von Shkodra gewesen sein soll, mit
Rina, Tochter eines Schafhirten, erzählt. Für dieses Poem hatte er sich von der albanischen
Volkspoesie inspirieren lassen. Bald darauf musste de Rada sein Jurastudium wegen einer in
Neapel ausgebrochenen Cholera-Epidemie unterbrechen und er kehrte nach Kalabrien zurück.
Bei seinen bald folgenden Veröffentlichungen verarbeitete er wiederum legendenhafte Stoffe
aus der mittelalterlichen albanischen Geschichte. 1839 erschien die erste Version der Canti
storici albanesi di Serafina Thopia, moglie del principe Nicola Ducagino ("Historische
albanische Lieder der Serafina Thopia, Gattin des Fürsten Nikola Dukagjin") und Skënderbeu
i pafat ("Der unglückliche Skanderbeg").
5. Pashko Vasa (1825-1892) war vor allem politisch tätig. Die meisten seiner Werke schrieb
es in fremden Sprachen. Auf Albanisch schrieb er das bekannte Poem O moj Shqypni, das die
Liebe zur Heimat thematisiert und bis heute eine Art heimliche Hymne der Albaner ist.
Zur zweiten Generation der Literaten zählen Gjergj Fishta aus Shkodra, Asdreni aus Korca,
Andon Zako Çajupi aus der südalbanischen Gegend Zagoria und der aus Konica stammende
Faik Konica. Sie traten um 1900 mit ihren ersten Werken an die Öffentlichkeit und prägten
dann das literarische Leben in den ersten beiden Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit
Albaniens im Lande selbst und in der Diaspora.
Andon Zako Çajupi (1866-1930), stammend aus Gjirokastra, stirbt im Exil bei Kairo.
Werke: Baba Tomorri (1902), Katërmbëdhjetë vjeç dhëndërr (1902), Pas vdekjes
(1910)
Aleksander Stavre Drenova, genannt Asdreni, 1872 - 1947, stammend aus Korça,
stirbt im Exil in Rumänien. Sein Werk ist umfangreich und vielgestaltig, wobei die
Lyrik überwiegt. 1904 veröffentlichte Asdreni seine erste Sammlung von 99
Gedichten (Rreze dielli). Sein zweiter Gedichtband (Ëndrra e lotë) wurde 1912
86
veröffentlicht. Asdrenis dritte Gedichtsammlung (Psallme murgu) erschien 1930.Aus
seiner Feder stammt der Text der albanischen Nationalhymne.
Faik Konica (1876-1942) stammend aus Konica, stirbt im Exil in Boston. Konica war
in erster Linie Diplomat, Literaturkritiker und -förderer. Er gründete 1897 in Brüssel
die Zeitschrift „Albania“. Die Zeitschrift veröffentlichte Beiträge in Französisch und
Albanisch. Faik Konica trat weniger als Autor denn als Organisator und Förderer des
albanischen literarischen Lebens in Erscheinung. Er setzte sich für eine einheitliche
albanische Schriftsprache und auch für die Sammlung und Veröffentlichung älterer
Texte ein. Werke: Satire Dr. Gjilpëra.
Der Franziskanerpater Gjergj Fishta (1871-1940) führte 1902 das Albanische als
Unterrichtssprache am katholischen Gymnasium von Shkodra ein. 1908 war er
Mitbegründer der einflussreichen Kulturvereinigung Bashkimi (dt. Eintracht), daneben
war er auch als Redakteur und Herausgeber zweier Zeitungen tätig. 1908 vertrat er
Shkodra und die katholische Kirche auf dem Kongress von Monastir, der endgültig
das lateinische Alphabet als verbindlich für die albanische Schriftsprache festlegte.
1899 gründete er den Kulturverein Bashkimi, der ein albanisches Alphabet festlegen
wollte, Schulbücher sowie ein Wörterbuch publizierte. 1908 nahm er als dessen
Vertreter am Kongress von Monastir teil und wurde zum Vorsitzenden des
entscheidenden, elfköpfigen Komitees gewählt. 1913 gründete er die Zeitschrift Hylli i
Dritës, das mit wenigen Unterbrechungen bis 1944 publiziert wurde und zum
wichtigsten Publikationsorgan für die nordalbanische, gegische Kultur wurde.
87
Beispiel aus Mrizi i Zanava:
Gjuha Shqipe
Porsi kanga e zogut t'verës, Wie der Sang des Sommervogels,
qi vallzon n'blerim të prillit; Der auf grüne Aue springt,
porsi i ambli flladi i erës, Wie des Lüftchens holdes Wehen,
qi lmon gjit e drandofillit; Das der Rose Blätter küsst,
porsi vala e bregut t'detit, Wie der Meereswoge Donner,
porsi gjâma e rrfès zhgjetare, Wie der Krach, der folgt dem Blitzstrahl,
porsi ushtima e nji tërmetit, Wie des Erdbeben Tosen,
ngjashtu â gjuha e jonë shqyptare. Die albanische Sprache kliengt,
[…]. […]
Pra, mallkue njai bir Shqyptari, Drum verflucht sei der Albaner,
qi këtë gjuhë të Perëndis', Der die Sprache unser’ Herrgott’s,
trashigim, që na la i Pari, Dieses Erbe uns’rer Ahnen,
trashigim s'ia len ai fmis; Nicht den Kindern hinterlässt!
edhe atij iu thaftë, po, goja, Und der Mund mög’ dem verdorren,
që përbuzë këtë gjuhë hyjnore; Der die Himmelsprache höhnt,
qi n'gjuhë t'huej, kur s'asht nevoja, Der zwecklos in fremder Sprache
flet e t'veten e lèn mbas dore. Spricht und seine lässt beiseite!
(Lambertz 1949:12f.)
Literatur:
Akademia e Shkencave e RPS së Shqipërisë. Historia e letërsisë shqiptare 1983.
Bartl, Peter: Albanien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg 1995.
Elsie, Robert: Einem Adler gleich. Anthologie albanischer Lyrik vom 16. jahrhundert bis zur
Gegenwart. Hildesheim, Zürich, New York, 1988.
Elsie, Robert: History of Albanian Literature. New York 1995.
Frashëri, Naim: Istori’ e skenderbeut. Bukuresht 1898.
Frashëri, Naim: Bagëti e Bujqësia, Lulet e verës, Vjersha të tjera. Tiranë 2001.
Lambertz, Maximilian: Gjergj Fishta und das Albanische Heldenepos Lahuta e Malcis Die
Laute des Hochlandes. Eine Einführung in die Sagenwelt. Leipzig 1949.
de.wikipedia.org/wiki/Girolamo_de_Rada
88
Die Literatur der Zwischenkriegszeit (1912-1939)
Die neue politische Situation nach dem Ersten Weltkrieg bewirkten eine deutliche
Erweiterung des Themenspektrums in der albanischen Literatur. Während die 1920er Jahre
noch von den Traditionen der Rilindja geprägt waren, fand die albanische Literatur im
Jahrzehnt vor dem Zweiten Weltkrieg Anschluss an moderne europäische Entwicklungen. Die
absolute Dominanz patriotischer Themen wurde gebrochen, und die Autoren der
Zwischenkriegszeit wandten sich nun vermehrt anderen Stoffen zu. Neue Thematik: die
sozialen und wirtschaftlichen Missstände jener Zeit.
Die Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg können als kurze Blütezeit der modernen albanischen
Literatur gelten. Trotz gewisser Einschränkungen unter dem autoritären Zogu-Regime
erreichte das intellektuelle Leben Albaniens einen bemerkenswerten Höhepunkt. Die
literarische Entwicklung wurde nicht nur von in Albanien lebenden Autoren getragen,
vielmehr waren auch viele im Ausland lebende Autoren daran beteiligt. Zwischen den
Exilgemeinden in Rumänien, Italien, den USA und dem Mutterland gab es einen regen
Austausch.
Hauptvertreter:
Fan Stilian Noli (1882-1965), stammend aus Adrianopel, stirbt im Exil in Florida.
war ein orthodoxer albanischer Bischof und Politiker. 1924 bekleidete er für kurze
Zeit das Amt des albanischen Ministerpräsidenten. Noli übertrug die liturgischen
Texte der Orthodoxie ins Albanische, und er übersetzte einige Dramen Shakespeares.
Er schrieb auch einen Skanderbeg-Roman, ein Drama Die Israeliten und die Philister
und eine Studie über den Komponisten Ludwig van Beethoven.
Werke
Librë e Shërbesave të Shënta të Kishës orthodoxe. Boston 1909.
Georg Castrioti Scanderbeg (1405-1468). New York 1947.
Beethoven and the French Revolution . New York 1947. (deutsch unter dem
Titel: Eroica. Das heftige Leben des Ludwig van Beethoven. Kiel 1990).
Izraelitë e Filistinë. (Die Israeliten und die Philister - Drama).
Lasgush Poradeci (Lasgush Poradeci ist das Pseudonym von Llazar S. Gusho,
geboren 1899 in Pogradec am Ohër-See) veröffentlichte zwei Bände, die rund 100
Gedichte enthalten: 1933 erschien Vallja e yjve (Der Tanz der Sterne) und 1937 Ylli i
zemrës (Der Stern des Herzes). Der erste Band enthält Gedichte, die Poradeci in den
Jahren 1921 bis 1924 verfasst hatte. Im zweiten Band finden sich neben neueren
Gedichten auch überarbeitete Versionen von bereits veröffentlichten Gedichten. In den
89
folgenden Jahren publizierte er noch vereinzelte Gedichte in Zeitschriften.
Wiederkehrende Themen waren der Ohridsee, die Liebe und vereinzelt auch
patriotische Themen.
Es dämmert der See
Am Waldgestade herbstlich rund
Der schlummernd See liegt unbegrenzt,
Er ist entflammt am tiefen Grund
Dem Feuer gleich und goldgekränzt.
In Flammenpracht erglüht der Quell,
Der zauberisch funkelnd blitzt und blinkt,
Wenn auch sein Stern, der tags so hell,
In Ruh und Liebe nun versinkt.
Am Bergesfuß verlischt er ganz,
Die Stadt in düstres Schwarz sich hüllt.
Und sacht erglimmt der Sterne Glanz,
Von Rätseln, Schönheit ganz erfüllt!
Versinkend alles nun vergeht,
Mein Auge sich daran berauscht,
Das neue Sehnen nur versteht
Des Dichters Geist, der trunken lauscht.
(Übersetzung: Hans Joachim Lanksch)
Literatur:
Bartl, Peter: Albanien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg 1995.
Elsie, Robert: Einem Adler gleich. Anthologie albanischer Lyrik vom 16. Jahrhundert bis zur
Gegenwart. Hildesheim, Zürich, New York 1988.
Elsie, Robert: History of Albanian Literature. New York 1995.
de.wikipedia.org/wiki/Migjeni
90
Literatur der Nachkriegszeit
1. Einführung
Albanien im Zweiten Weltkrieg
- 1939-1943: Albanien im italienischen Imperium
- 1943-1944: Albanien unter deutsche Besatzung
- 29. Nov. 1944: Räumung Shkodras, Abzug der letzten Verbände der Wehrmacht, Bildung
einer albanischen kommunistischen Regierung und Einzug in Tirana
Albanien im Kommunismus
- 1944-1992: Albanien als Volksrepublik
a. unter Enver Hoxha: 1944-1985
Enteignungen und politische und religiöse Verfolgungen, Religionsverbot
1967, 1978-1992: außenpolitische Isolation
Emanzipation der Frau, starke Verbreitung der Bildung, Entstehung des
sozialistischen Realismus in Literatur
c. unter Ramiz Alia: 1944-1992
wirtschaftlicher Zusammenbruch, Einleitung des politischen
Zusammenbruchs
Ende März 1992: Neuwahlen, Anfang April: Rücktritt Ramiz Alias
91
1961 veröffentlichten Ismail Kadare und Dritëro Agolli, die zur neuen Schriftstellergeneration
gehörten, ihre ersten größeren Gedichtsammlungen. Sie stiegen in der Folgezeit ins
sozialistische Establishment auf, waren Parlamentsabgeordnete und Agolli wurde 1973
Vorsitzender des Schriftstellerverbands.
Ismail Kadare wandte sich bald der Prosa zu und er verfasste in den folgenden Jahrzehnten
zahlreiche Romane. Seit den 1970er Jahren war er der einflussreichste Schriftsteller seines
Landes. Als einziger wurde er auch im Ausland bekannt und geschätzt. Seine Bücher wurden
in zahlreiche europäische Sprachen übersetzt. Kadares Bekanntheit und Beliebtheit
ermöglichten es ihm, in seinen Werken – wenn auch in verklausulierter Form – die
gesellschaftlichen Zustände in Albanien zu reflektieren und in gewissem Umfang auch zu
kritisieren. In dieser Hinsicht war sein Wirken fast singulär, andere Autoren sind damals
schon für weniger deutliche Worte ins Gefängnis gekommen. Er ist auch in der Gegenwart ein
produktiver und in Albanien viel beachteter Autor.
Werke
Der General der toten Armee („Gjenerali i ushtrisë së vdekur“, 1963).
Die Festung („Kështjella“, 1970).
Chronik in Stein („Kronikë në gur“, 1971).
November einer Hauptstadt („Nëntori i një kryeqyteti“, 1975
Der große Winter („Dimri i madh“, 1977).
Der Schandkasten („Pashallëqet e mëdha“, 1978).
Die Brücke mit den drei Bögen („Ura me tri harqe“, 1978)
Doruntinas Heimkehr („Kush e solli Doruntinën?“, 1979).
Der zerrissene April („Prilli i thyer“, 1980).
Die Schleierkarawane („Sjellësi i fatkeqësisë - Islamo nox“, 1984
Konzert am Ende des Winters („Koncert në fund të dimrit“, 1988
Die Akte H. („Dosja H“, 1990).
Der Palast der Träume („Pallati i ëndërrave“, 1996).
Dritëro Agolli, der nach einer politischen Säuberungswelle 1973 an die Spitze des
Schriftstellerverbands kam, hatte seine Karriere mit zwei Gedichtbänden und einigen
regimekonformen Novellen über den Partisanenkampf begonnen. Bei den Lesern geschätzt
wurde er vor allem für seine Satire Shkëlqimi dhe rënia e shokut Zylo, einer Kritik an der
sozialistischen Bürokratie.
92
Sterjo Spasse (1914-1989), geboren bei Korça, gestorben in Tirana: Seine Werke:
Pse? (1935), Afërdita (1944), Afërdita përsëri në fshat (1955)
Petro Marko (1913-1991), stammend aus Himara. Hasta la vista (1958), Qyteti i
fundit (1960), Një emër në katër rrugë (1973)
Beispiel:
Chronik in Stein (Originaltitel: Kronikë në gur) ist ein Roman aus dem Jahr 1971. Es gehört
zu den berühmtesten Werken des international preisgekrönten Autors.
Das Buch gilt als „literarisches Denkmal“ an seine Heimatstadt Gjirokastra, die ausführlich
beschrieben wird mit ihren burgähnlichen Wohnhäusern aus Stein, die am steilen Berghang
erbaut wurden.
„Alles in dieser Stadt war alt und steinern, die Strassen und Brunnen ebenso wie die
Dächer ihrer mächtigen jahrhundertealten Häuser, die mit grauen, riesigen Schuppen
gleichenden Steinplatten gedeckt waren. […] In jedem Reisenden, der sie zum ersten
Mal erblickte, weckte die Stadt sofort das Verlangen, Vergleiche anzustellen. Doch
kaum war ihr der Reisende in die Falle gegangen, machte die Stadt den Vergleich
zunichte, denn sie war eine Stadt, die nichts anderem glich. Sie duldete nicht lange
einen Vergleich, so wie sie nicht lange Regen. Hagel, Regenbogen und die bunten,
fremden Fahnen duldete, die über ihren Dächern austauchten und wieder
verschwanden, so flüchtig und irreal, wie sie selbst dauerhaft und konkret war. […]
und gewiss war dies der einzige Ort auf der Welt, wo jemand, der am Straßenrand
ausglitt, nicht in den Graben stürzte, sondern womöglich auf das Dach eines hohen
Hauses“ (Kadare 1992:5)
Literatur:
Akademia e Shkencave e RPS së Shqipërisë. Historia e letërsisë shqiptare 1983.
Bartl, Peter: Albanien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg 1995.
Elsie, Robert: Einem Adler gleich. Anthologie albanischer Lyrik vom 16. Jahrhundert bis zur
Gegenwart. Hildesheim, Zürich, New York 1988.
Elsie, Robert: History of Albanian Literature. New York 1995.
93
1. Einleitung
Begriffsdefinition
Exil (lat. Exsilium „Verbannung“) Verbannung, Verbannungsort (Wahrig 1997:452)
Verschiedene Exilsituationen: Flucht, „freiwillige“ Auswanderung, „innere
Emigration“
Albanisches Exil: 1924-1939 aufgrund dem politischen Druck von Seiten Zogus
o Fan Noli
o Faik Konica
o Luigj Gurakuqi
Martin Camaj
Martin Camaj wurde am 21.7.1925 in Temal geboren, einem kleinen Berghirtendorf im
unzugänglichen Hinterland des nordalbanischen Kulturzentrums Shkodra. In Shkodra
besuchte er die italienische Schule Collegium Xaverianum. Nach dem Abitur arbeitete er als
Lehrer in den heimatlichen Bergen. Er war eine Zeit lang am Widerstand gegen die
kommunistischen Partisanen beteiligt und musste dann in den Untergrund gehen, bis ihm die
Flucht vor dem neuen Regime ins benachbarte Jugoslawien gelang.
1949-1955 studierte er in Belgrad Slawistik, Romanistik und Albanologie. Er begann, an einer
Dissertation über den altalbanischen Autor Buzuku zu arbeiten und übersiedelte 1956 mit
Hilfe seiner ehemaligen italienischen Lehrer nach Rom, wo er 1960 seine Dissertation
94
abschloss. Ab 1961 lehrte er Albanisch an der Münchener Universität als Lektor, Dozent und
von 1971 bis 1990 als Inhaber der von ihm ins Leben gerufenen Professur für Albanologie.
Martin Camaj hat hauptsächlich Lyrik, Prosa und wissenschaftliche Werke über die
albanische Sprache und ihre Dialekte verfasst. Seine beiden ersten Gedichtbände hat er bereits
in der Belgrader Zeit veröffentlicht. Sein lyrisches Werk umfasst neun Bände, daneben
erschienen drei Romane und ein Band Novellen. Lyrik von Camaj wurde ins Italienische,
Englische und Deutsche übersetzt.
Literarisches Schaffen
Nji fyell ndër male - Prishtina 1953
Kanga e vërrinit - Prishtina 1954
Djella - Rom 1958
Legjenda - Rom 1964
Lirika mes dy moteve - München 1967
Rrathë - München 1967
Njeriu më vete dhe me të tjerë - München 1978
Shkundullima - München 1985
Poezi (1953-1967) - München 1981
Dranja: Madrigale - München 1981
Karpa - München 1987
Poetry (Nema & Buelli) - New York 1990
Palimpsest - München/New York 1991
Kandili Argjandit (Schauspiel) - Cosenza 1993
Forschung
Schwerpunkte des Schaffens von Camaj galten den Dialekten der Arbëreshen in Italien und
der albanischen Schriftsprache. Anfangs hatte er das Hauptaugenmerk seiner Forschungen
noch auf historische Texte gelegt, danach der Sprachgeschichte. Sein übergeordnetes
Forschungsziel galt den Varietäten der albanischen Sprache.
1969 publizierte er erstmals sein Lehrbuch der albanischen Sprache, eines der ersten
modernen Albanischlehrbücher. Das 1984 publizierte Werk Albanian Grammar verstand er
als Synthese aller seiner Arbeitsgebiete.
1974 veröffentlichte er zusammen mit Uta Schier-Oberdorffer die Sammlung Albanische
Märchen.
Il Messale di Gjon Buzuku - Rom 1961
Albanische Wortbildung. Die Bildungsweise der älteren Nomina - Wiesbaden 1966
Lehrbuch der albanischen Sprache - Wiesbaden 1969
La parlata albanese di Greci in provincia di Avellino - Florenz 1971
95
Racconti popolari di Greci (Katundi) in provincia di Avellino e di Barile (Barili) in
provincia di Potenza - Rom 1972
Albanische Märchen - Köln-Düsseldorf 1974
Die albanische Mundart von Falconara Albanese in der Provinz Cosenza - München
1977
Cuneus Prophetarum a Petro Bogdano - München 1977
Albanian Grammar with Exercises, Chrestomathy and Glossaries - Wiesbaden 1984
La parlata arbëreshedi San Costantino Albanese in provincia di Potenza - Rende
1991
Zur Topographie und Geschichte der Landschaft Himara in Südalbanien. - München
1991
Beispiel:
[…] […]
Ernest Koliqi
Ernest Koliqi: Schriftsteller, Politiker, Professor, Literatukritiker
96
o Geboren 1903 in Shkodra (Shiroka). Er besucht das „Collegio S. Francesco
Saverio“ in Shkodra. Nach der Schulzeit wird er nach Italien zum studieren
geschickt.
o 1918 gründet er dort zusammen mit anderen Studenten die Zeitschrift „Noi
Giovani“, in der seine ersten Gedichte in italienischer Sprache zu finden sind.
o 1921 kehrt er aus seinem langen italienischen Aufenthalt nach Albanien
zurück, wo er sich der albanischen Sprache erneut widmet. Dem Journalismus
und der Dichtung bleibt er aber treu. 1923 gründet er mit Anton Harapi (1888-
1946) und Nush Topalli die Zeitschrift „Ora e maleve“, ein Organ der
oppositionellen Katholischen Demokratischen Partei in Shkodra.
o 1924 wird die Zeitschrift von Zogus Organe eingestellt und Koliqi, wie viele
andere albanische Intellektuelle und „die Revolutionäre“, sieht sich
gezwungen, das Land zu verlassen. Er geht nach Jugoslawien. Drei Jahre
verbringt er dort, zunächst in Montenegro, später in Tuzla. 1929 geht er in die
albanische Kolonie Zadar.
o Zogu versucht die exilierten „Revolutionäre“ durch verschiedene Amnestien
nach Albanien zu holen. Viele kehren auch zurück und darunter auch koliqi im
Jahre 1930. In den drei Jahren Heimataufenthalt arbeitete er als Lehrer für
albanische Literatur in Vlora und Shkodra.
o 1933 verlässt Koloqi Albanien. Wahrscheinlich wurde ihm der Freiraum
immer kleiner und der Kreis der Jungen immer radikaler. Er schrieb sich an der
Universität von Padova ein. 1936 wurde er dort Lektor für albanische Sprache.
Ein Jahr später schließt er seine akademischen Studien ab.
o 1937 wird er nach Rom als Lektor für albanische Sprache berufen, um ein Jahr
später den neu gegründeten Lehrstuhl für albanische Sprache und Literatur zu
erhalten.
o 1939 wird Koliqi von den italienischen Besatzern zum Unterrichtsminister
Albaniens ernannt. Koliqi gründete eine Arbeitsgruppe von ausgewählten
Forschern und Schriftstellern jener Zeit:
Kongress für albanische Studien (1940) in Tirana
Die Reihe „Studime e tekste“
1941 wurde in Tirana die zweibändige Anthologie „shkrimtarët
shqiptar“ veröffentlicht. Die Folklorensammlung „Visarët e kombit“,
von denen bis dahin nur drei Bände erscheinen waren, erreichte unter
der Leitung von Koliqi eine Gesamtauflage von 14 Bänden; ein Werk,
das bis heute nicht überholt worden ist.
97
o Sein größtes Verdienst ist die Bemühung um die Rettung des Albanologen
Norbert Jokl, den er im Dezember 1937 in Wien persönlich antraf. Jokl sollte
wegen seiner jüdischen Herkunft nach Polen deportiert worden. Er wurde vom
Ministerpräsidenten Shefqet Vërlaci auf Forderung von Koliqi zum
„Organisator der albanischen staatlichen Archive und Bibliotheken“ ernannt,
und somit der Deportation zu entkommen. Der Versuch scheiterte. Jokl kam
mit dem Deportationszug, der aus einer Brücke stürzte, um.
o Koliqi wird zum Leiter des Instituts der albanischen Studien in Tirana ernannt.
o 1943 verlässt er Albanien wieder, diesmal für immer. Er geht nach Rom, wo er
Jahrzehnte als Professor für Albanische Sprache und Literatur arbeitete.
o 1975 stirbt er in Rom
Koliqis Werke
o 1924 dramatische Dichtung „Kushtrimi i Skanderbeut“
o 1929 Novelle „Hija e maleve“, welchen ihn zum Schöpfer der albanischen
Novelle tauft
o 1932 „Poetët e mëdhenj t’Italis“
o 1933 Gedichtband „Gjurmat e stinve“
o 1936 „L’epica popolare albanese“ – Abschlussarbeit
o 1936 „Poetët e mëdhenj t’Italis“ Bd. II
o Gründung der Zeitschrift „Shejzat“ 1957 und der Reihe „Studi albanesi“ 1965
o In Prosa und Poesien bringt sein Heimweh zum Ausdruck und verschafft dem
Westen ein Überblick über das Leben in den Bergen Nordalbaniens
Literatur:
Bartl, Peter: Albanien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg 1995.
Elsie, Robert: Einem Adler gleich. Anthologie albanischer Lyrik vom 16. Jahrhundert bis zur
Gegenwart. Hildesheim, Zürich, New York 1988.
Elsie, Robert: History of Albanian Literature. New York 1995.
Xhyra-Entorf, Jonida: Soziokulturelle Aspekte bei Martin Camajs Prosawortschatz. Eine
Untersuchung im Rahmen der interpretativen Semantik. Wiesbaden 2006.
www.martin-camaj.de/
Albanische Folklore
98
1. Einführung
Die Folklore ist eine „Sammelbezeichnung für Überlieferungsgut eines Volkes (Lieder,
Musik, Tänze, Trachten, Brauchtum) […]“ (Hell 2003: 273).
Dazu zählen im Einzelnen:
Volksdichtungen in Prosaform: Volkssagen, Märchen, Fabel und Witze
Poetische Dichtungen – homophon oder Polyphon gesungen
Musikalische Dichtungen – musikalische Instrumente
Volkstänze
andere Dichtungsarten: Sprichwörter und Rätsel
Sprichwörter und Rätsel sind Gegenstand des Fremdsprachunterrichts.
Volksdichtungen in Prosaform wird unter Mythologie erfasst.
Relevant in diesem Rahmen bleibt die Volksmusik und die Volkstrachten
2. Die Volksmusik
zwei Bereiche der Musik, Vokal- und Instrumentalmusik, darunter wiederum Lied und
Tanz
99
Eine besondere Art stellen die Klagelieder dar.
3. Volkstrachten
3.1. Trachtenanzug – männliche Tracht
das albanische Siedlungsgebiet wird in drei Gruppen aufgeteilt:
100
das Gebiet mit der fustanella-Tracht
das mit der Tracht mit langem Hemd und knielangem, vorne offenem Mantel (dollama)
das Gebiet mit der tirq-Tracht
o traditionell für den Norden typisch gewesen, hätte sich aber seit dem 19. Jh.
sich weiter nach Süden ausgebreitet.
Die Tracht besteht aus einer langen Hose, den tirq, die aus weißem Filz besteht und mit
einer schwarzen Litze verziert ist. Der weiße Filz wird in manchen Regionen braun
oder schwarz gefärbt, da die Hose auch im Alltag gebraucht wird. Zu der Hose kommt
eine Weste aus demselben Material und derselben Nähweise wie die Hose. Ergänzt
wird das Bild noch durch das baumwollene, bestickte Hemd und den Gürtel, die von
den Frauen selbst hergestellt werden. Auch die Socken werden aus bunten Wollfäden
gehäkelt. Die regionalen Unterschiede ergeben sich in der Verbindung der Länge der
Beinteile, in der Weite und Länge des Beckenteils sowie in deren Verbindung
zueinander.
Einen weiteren lokalen Unterschied stellt der Filzhut dar, der in Mittelalbanien platt
gedrückt ist, weiter nördlich dagegen rund ist.
101
Dazu kommt ein Umhang, der unterschiedlich lang und weit und aus unterschiedlichem
Material hergestellt ist.
Die dafür benötigte Unterhose hat entweder bestickte bzw. gewebte Beine, oder bestickte
bzw. gehäkelte lange Socken.
An der Länge und Weite des Hemdes und des Mantels stellt man weitere Unterteilungen
dieser Gruppe fest:
knielanges Hemd und kurzer Wollmantel in den Gebieten Çermenika, Mokra, Martanesh
und Dibra
längeres Hemd und Wollmantel in Mirdita, Lura, Prelli, Kurbin und Benda, langes
weites Hemd mit sehr weitem Wollmantel in der Küstenzone, Myzeqe, Fushë-Krujë und
Dumre
sehr langes Hemd mit langem offenem Tuch- oder Filzmantel in den Gebieten Saranda,
Gjirokastra und Përmet, Kolonja. Diese Tracht weist die größten Ähnlichkeiten mit
den Trachten anderer Balkanvölker auf (Gjergji 2001: 182).
Hinzu kommt die Tracht mit den Pluderhosen (dimi). Die Tracht ist orientalischen
Ursprungs, und war anfangs hauptsächlich unter der islamisierten Stadtbevölkerung
oder auch auf dem stadtnahen Land verbreitet (Gjergji 2001: 188). Erst später muss
diese Tracht auch das rurale Flachland erfasst haben.
102
Literatur
103
Das albanische Gewohnheitsrecht
1. Einführung
- Albanisch kanun,-i: mündlich überliefertes altes Gewohnheitsrecht / Gesetzeswerk
- Kanun oft mit dem Kanun des Lek Dukagjini gleichgesetzt, da dieser am besten
dokumentiert wurde und als erster schriftlich festgehalten wurde
- Es gibt auch andere regionale Varianten:
o im Norden
Kanun i Maleve / Kanuni i Malësisë së Madhe / Kanuni i Lekëve
Kanuni i Skënderbeut / Kanuni i Arbërisë
o im Süden:
Zakoni i Musë Ballgjinit
Kanuni i Papazhulit / Shartet e Labërisë/ Shartet e Idriz Sulit
- die Bezeichnungen sind Lehnwörter:
o kanun (< griech.)
o doke (< griech.? / Erbwort?)
o ligj (< lat.)
o zakon (< slav.)
o sharte (< türk.)
- 15. Jahrhundert wird als Zeitgrenze des albanischen Gewohnheitsrechtes gesehen.
Davor historisch nicht belegt.
- historisch und aktuell parallel Gültigkeit mehrere Rechtssysteme > häufige
Auseinandersetzungen (Robel 1975: 232)
„In den weniger als 100 Jahren seiner Eigenständigkeit hat Albanien […] eine Reihe völlig
verschiedener Herrschafts- und Rechtssysteme durchlaufen […]. Es kann daher nicht
verwundern, dass Albanien vor diesem Hintergrund weder eine geschriebene oder
gewachsene Rechtstradition, noch eine kontinuierliche Rechtsentwicklung vorweisen kann,
zumal die meisten Rechtssetzungsakte der jeweiligen Zentralregierung vom Grossteil der
Bevölkerung ohnehin nie angenommen wurden, orientierte sich diese primär an den
Grundsätzen des (letztlich bis heute) in seinem Bewusstsein tief verankerten
Gewohnheitsrechts, mündlich überlieferten archaischen Spruchsammlungen nach Art von
Rechtsspiegeln, die über Jahrhunderte Sitte und Brauchtum geprägt hatten und alleinige
Grundlage der gesellschaftlichen Ordnung mit Patriarchat, Stammesverband, Großfamilie,
Blutrache usw. waren.“ (Stoppel 2003: 7)
- schriftliche Fixierung im Vergleich zu anderen europäischen Völker am spätestens
o Hinweise:
Hyacinthe Hecquard, Paris 1858
Ami Boué, Paris 1840
104
Johann Georg von Hahn, Wien 1869 (Reise durch die Gebiete des Drin
und Wardar): „Rechtsbräuche“
o Beobachtungen:
Reiseberichte
o Unvollständige Sammlungen:
Antonio Baldacci, 1901: Kodex von 21 Artikeln
Theodor Ippen, Leipzig 1916
Ludwig Thallóczy
Edith Durham, 1928
o systematische Darstellung:
erstmals vom Franziskanerpater Shtjefën Gjeçovi (1874-1929) am Ende
des 19. Jahrhunderts in der Version des Kanun des Lek Dukagjin
gesammelt und in der Folge in Teilen publiziert. Die erste vollständige
Publikation erschien 1933 in Shkodra.
o basierend auf Gjeçov:
Slavatore Villari, Roma 1940
Margaret Hasluck, Cambridge 1954
Marie Amelie Freiin von Godin, 1953, 1956
Surja Popovci, Priština 1968
Franz Baron Nopsca, unveröffentlicht (?)
- Während der kommunistischen Diktatur in Albanien verboten; der Staat konnte seine
Rechtshoheit landesweit durchsetzen.
- Seit dem Zusammenbruch des Kommunismus anfangs der 1990er Jahre hat sich
insbesondere die Blutrache wieder etabliert. Erst nach den Unruhen von 1997 konnte
ein langsamer Rückgang der Blutrache-Konflikte durchgesetzt werden.
- 1990 haben sich in Kosovo, Mazedonien und Montenegro über eine Million Albaner
in verschiedenen Ritualien versöhnt. Die Anlässe dort wurden von einer Gruppe um
den Soziologen Anton Ceta († 1995) organisiert.
- In Albanien gibt es seit einigen Jahren ein sogenanntes Versöhnungsprojekt, Komitee
der Nationalen Aussöhnung, Vorsitzender Gjin Marku, bisher aber nur mit kleinen
Erfolgen.
- Da der Kanun bis heute tief im Denken der nordalbanischen Albaner verwurzelt ist,
entsteht oft ein Konflikt zwischen modernen Gesetzen und dem Kanun.
- der bekannteste und der am besten erhaltene Kanun ist Kanuni i Lekë Dukagjinit im
Norden Albaniens
105
- Den Kern des Kanuns bildet der Stamm.
- Familie / familja > Brüderschaft / vllaznia > Sippe / gjnia > Stamm / fisi > Volk / Kom
106
2.2. „Besa“
- Im Strafrechtsbereich ist der Kanun noch von der Ehrverletzung geprägt, wobei der
Begriff des Gottesfriedens als Teilaspekt der Besa bereits bekannt ist.
- Der ganze Kanun baut auf der Ehre auf, aus der sich zahlreiche Pflichten, wie die
negativ konnotierte Blutrache, oder wie das positiv konnotierte Gastrecht und die Besa
ableiten.
- Letztere lässt sich nicht direkt ins Deutsche übersetzen, sondern umfasst die Begriffe
gegebenes Wort, Versprechen, Ehre, Ehrenwort und Gottesfriede.
- Besa bei der Blutrache
o Die Besa schützt Bedrohte vor Blutrache für gewisse Zeiten oder Orte.
o Sie entbindet gleichzeitig den Verpflichteten, die Blutrache auszuüben.
o Die Besa konnte einerseits zwischen Personen oder Familien vereinbart
werden. Sie wurde zum Beispiel für wichtige Besorgungen, Feldarbeit,
familiäre Feiern oder kirchliche Feiertage gewährt. Meist wurde auch dem
Mörder für gewisse Zeit nach einer Blutrachetat Besa gewährt.
- Besa für Vieh und Hirten
o Stämme erlaubten untereinander, das andere Stammesgebiet zu bestimmten
Zeiten und auf bestimmten Strecken bereisen zu dürfen.
- Die allgemeine Besa unterband alle Sühnetaten in Kriegszeiten.
- Ein besonderes Versprechen ist dasjenige der Schwurjungfrauen, niemals eine
sexuelle Beziehung einzugehen, dafür ein Leben wie ein Mann führen zu können.
107
gezwungen werden und eine dem zukünftigen Bräutigam mitgegebene Patrone
ermächtigt diesen, sie zu erschießen, falls sie zu fliehen versucht.
§ 32. Detyrët e burrit ndaj gruen § 32. Die Pflichten des Mannes gegen die
Burri a n’detyrë: Frau
a) me u perkujdesë per veshë e mbathë e per Der Mann ist verpflichtet:
gjithshka të lypet per me mbajtë jeten; a) für Kleider und Schuhe und den gesamten
b) me e ruejtë nderen e grues e mos me e Lebensunterhalt der Frau zu sorgen;
lane me u ankue per kurrnji nevojë. (Gjeçov b) die Ehre der Frau zu schützen und ihr
1999: 11) keinen Grund zu geben, sich wegen
Entbehrung eines Notwendigen beklagen zu
müssen. (Godin 23)
108
Literatur
Fox, Leonard: Kanuni i Lekë Dukagjinit / The Code of Lekë Dukagjini. New York 1989.
Gjeçovi, Shtjefën: Kanuni i Lekë Dukagjinit. Tiranë 1999.
Godin, Marie Amelie Freiin von: Das albanische Gewohnheitsrecht. In: Zeitschrift für
vergleichende Rechtswissenschaft, Band 56 (1953), S. 1-46, Band 57 (1954), S. 5-73, Band
58 (1956), S. 121-198
Greve, Nadine (2009): Albaniens eingeschworene Jungfrauen. 2009. In: http://politik-
gesellschaft-europa
Kaser, Karl: Die albanische Stammesgesellschaft. In: Albanien. Reichtum und Vielfalt alter
Kultur. München 2001.
Robel, Gert: Betrachtungen zum nordalbanischen Gewohnheitsrecht. In: Südosteuropa unter
dem Halbmond. FS Georg Stadtmüller. München 1975. S. 227-235
Stoppel, Wolfgang: Die Strafgesetzte Albaniens. Tiranë 2003.
109
Albanische Mythologie
1. Einführung
- Mythologie (gr.):
o Gesamtheit der Mythen eines Volkes
o Wissenschaft, die sich mit der Entstehung und dem Wesen der Mythen befasst
- Mythos (gr.):
o die früheste in Worte gefasste Überlieferung eines Volkes in Götter-, Tier-,
und Heldensagen sowie in Weltentstehungs- und Weltuntergangsbildern.
- mythisch (gr.):
o sagenhaft, urzeitlich
- Quellen der Mythologie
o interdisziplinär
Mythen der antiken Kulturvölker, Mythologisches Namengut,
Archäologische Funde
o bezogen auf die albanische Kultur
Folklore (Märchen, Volkslieder, Volksfeiertage …)
Literatur, z. B. Gjergj Fishta
- alb. Mythologie:
„Der alb. Volksglaube ist reichhaltig, von alter Tradition und, vor allem im nordalb. Bergland,
bis in die neueste Zeit außergewöhnlich lebendig. Da die christliche und die
mohammedanische Religion die alb. Kultur nicht entscheidend beeinflußten, haben sie
heidnische Vorstellungen nicht verdrängen und wenig umdeuten können. Aus diesem Grunde
läßt sich die alb. Mythologie zwar nach Landschaften, aber kaum nach Konfessionen (Islam,
Röm.-Kath., Griech.-Orth.) trennen.“ (Lambertz 461)
110
2. Gestalten der albanischen Mythologie
1. Fallbeispiel: Dämonen
alte Gottheiten wurden entweder zu Dämonen oder zu christlichen Heiligen, bei Albanern
wie bei anderen Völkern
Wetterdämonen
Verbti / Verbi (‚der Blinde’) – Gott, Wetterdämon, Gewitterdämon: Er herrscht über
Feuer, Wasser und Nordwind. Betrachtet auch als Feind aller Unreinlichkeit, auch
mächtiger als der liebe Gott. (Stadtmüller 1954: 217)
Shurdhti / Shurdhi (‚der Taube’) – Wetterdämon: Er wird mit Gewehrschüssen begrüßt.
Viele Örtlichkeiten tragen seinen Namen. (Stadtmüller 1954: 217)
Talás – Dämon des Sturmwindes vom Meer (Stadtmüller 1954: 217f.)
Sonnengott Mithras (Stadtmüller 1954: 218f.)
o Lebt in der Figur Moses, in der des Propheten Elias weiter.
o alb. Shendelli, Shënli, shën Ilia, Abaz Ali.
o Ihm gewidmete Kirchen und Kapellen liegen immer sehr hoch.
o Gegner von Elias ist der Dämonenfürst Dukljan, der in der Volksüberlieferung
von Dalmatien und Montenegro erscheint.
2. Fallbeispiel: Drachengestalten
Kulshedra (Stadtmüller 1954: 224):
o riesiges graues Weib mit hängenden Brüsten, oder drachenartiges Wesen mit
langem Schwanz und neun Zungen, aus dem Mund Feuer speiend und am
ganzen Körper mit rotem Wollhaar bedeckt.
o Bei ihrem Erscheinen brechen Gewitter los.
o Sie frisst Menschen auf und stellt die Menschenschädel um ihr Haus aus.
o Die albanische Kulshedra ist ein alter Gewitterdämon.
o Entstehung eine Kulshedra:
o Schlange > bolla (50 Jahre alt) > bullar (100 Jahre alt) > rrshaja (200 Jahre
alt) > kulshedra
o Ihre dämonischen Gegner sind ebenfalls Gewitterdämonen: die Drangues
Die Drangues
o Sie sind das gleichsam das positive Prinzip im Gegensatz zu negativen Prinzip
der Kulshedra
o Sie sind menschlicher oder wenigstens irdischer Herkunft, mit
übermenschlichen Kräften, auch eine Riese.
o In dieser Rolle taucht auch der hl. Georg auf.
o Drangues sind Kulshedra-Töter, ein Dämon tötet den Drachen.
111
3. Fallbeispiel: Dämonische Züge in der Heiligenverehrung
Shënepremte = römisch-katholisch hl. Veneranda, Zoja Prenne, Zoja Bukurus = lat. Venus
(Lambertz 497): In Nordalbanien hat sie einen Fest- und Kalendertag, den 26. Juli
(Annatag). Sie ist ein beliebter Frauenname. Oft von Frauen verehrt, die sich an ihrem
Tag schmücken und schminken. (Stadtmüller 1954: 242f.)
„Nji kso kremtash âsht edhe festa e bjeshkëvet, quejtë Shna Prendja. Nuk ka shtëpi qi nuk
pjek fërlik, qi s’gaton fëerli e qi në këtë ditë nuk kërkon mjaltin e ri.“ (Palaj 2000: 43)
Shën Gjergji = der hl. Georg: Er gilt als gewaltiger Held, er tötet den Brunnendrachen und
rettet die Tochter des Königs, heiratet sie aber nicht, sondern geht in die Wüste als
Heiliger. Der hl. Georgstag wird in Mazedonien auch von Muslimen gefeiert, an dem
man Eier bemalt.
„Kreme me rrjedhje ilire âsht sigurisht kremtimi i prendverës, dita e Shën Gjergjit. Dyer
shtëpijash, mjelca, djepa do të rrethohen me njomëz. Burrat në Dukagjin lidhin belin e kryet
me kunora kurpnash. Në Malësi të Madhe përshëndeten në ketë ditë me shoqishojnë, tue
lëshuem fytyrës nji grusht njomëz.“ (Palaj 2000: 43)
112
Literatur
Çabej, Eqrem: Gestalten des albanischen Volksglaubens. In: Studien zur Sprachwissenschaft
und Kultur. Innsbruck 1968. S. 279-287
Lambertz, Maximilian: Albanische Märchen. Wien 1922.
Lamberz, Maximilian: Gjergj Fishta und das Albanische Heldenepos Lahuta e Malcís Die
Laute des Hochlandes. Eine Einführung in die Sagenwelt. Leipzig 1949.
Lambertz, Maximilian: Die Mythologie der Albaner. S. 456-509
Neues großes Lexikon in Farbe. Köln 2003
Palaj, Atë Bernardin: Mitologji, doke dhe zakone shqiptare. Prishtinë 2000
Sick, Annerose: Mythologie der Antike. München 2003
Stadtmüller, Georg: Altheidnischer Volksglaube und Christianisierung in Albanien. In:
Orientalia Christiana Periodica. Vol. 20, Nr. 3-4. Roma 1954. S. 211-246
113
Volksglaube
„Das offizielle Christentum bzw. der offizielle Islam, zu dem sich die Albaner
bekennen, ist gewissermaßen nur ein Firnis, unter dem noch der alte
vorchristliche Volksglaube des antiken Balkan wohl erhalten ist. […]
Im albanischen Volksglauben unserer Zeit sind die ursprünglich heidnischen
und die ursprünglich christlichen Vorstellungen so unlöslich eng
verschmolzen, daß eine Scheidung der beiden religiösen
Entwicklungsgeschichten überhaupt nur für wissenschaftliche Betrachtung
möglich ist. Im Volksglauben wird dies alles als eine Einheit empfunden, ohne
daß man sich der inneren Widersprüche bewusst ist.“ (Stadtmüller 1954: 213f.)
2. Andere Volksglauben
böser Blick
o alb. syni / syri i keq
o richtet Schaden an, vor allem bei Kindern, Tieren und Wertobjekten
o Als Amulett dagegen hängt man den Tieren einen Holzlöffel um den Hals, den
Kindern klebt man kleine Münzen auf die Strin oder beschmiert sie mit Ruß
am Stirn oder an der Nasespitze.
o Auch Knoblauch hilft dagegen.
o Bestimmte Menschen haben diesen Blick, die man vermeidet.
der Kukuck
o alb. qyqja
o der Unglücksvogel (zog i zi) und der Trauervogel
o Sein Ruf gilt als Trauerruf.
o Redewendungen: kuku për mu: (‚Ich ärmster’), qyqja unë (‚Ich ärmste’)
o In der Volkssage klagt der Kuckuck um den verlorenen Bruder oder die
verlorene Schwester
114
die Schlange
o in Südalbanien als Hausgeist mit dem Namen Vitoreja
o wohnt in den Hausmauern
o kündigt freudige und traurige Ereignisse durch schwaches Pfeifen an
o Deshalb wird die Tötung einer Schlange für mehr als ein schlechtes Omen
gehalten.
lugat,-i
o Geist, synonym mit va(m)pir und vurvollak
o über ganz Albanien verbreitet
o es handelt sich dabei um einen Toten, der nachts sein Grab verlässt, in sein
Haus zurückkehrt und Unfug treibt
o in der Tommor-Gegend verschwindet er beim Anzünden seines Grabes, tut
man es nicht, entwickelt er sich zu einem kukuth
kukuth,-i
o Geist mit Menschengestalt
o die arme Seele eines Geizhalses oder das Endprodukt eines nicht beseitigten
lugat
o da er Unheil bringt, nennt man einen bösen Menschen, er sei ein kukuth
3. Die Geisterwelt
Die Geisterwelt besteht aus guten und bösen Wesen, die sich im Kapfe gegenüberstehen.
Die bösen Geister wollen dem Menschen schaden, die guten dagegen wachen über ihn.
Jeder Mensch, jedes Tier, Quellen und Flüsse haben einen Schutzgeist, die Ora.
Ora
o feenartiges weibliches Wesen, die die Aufgabe und die Geschicke hat, ihrem
Schützling zu helfen
o Das Leben eines Neugeborenen wird von der Versammlung der Ora
vorherbestimmt.
o Am dritten Tag der Geburt erscheinen die drei fatije, sprechen ihr Wünsche aus
und bestimmen das Lebensschicksal des Kindes.
o Weisse Ora bringt Glück, schwarze Unglück
o Ihr Charakter ist dem ihres Schützlings angepasst
Zâna
o Fee und Muse der Berge, ein göttliches Wesen voll Mut und Wildheit
o Haust in den albanischen Hochbergen
o Wichtige Figur in den nordalb. Heldenepen
o Sie könne heimtückisch, schadenbringend und grausam sein.
Hie (hije: Schatten)
o Gespenstiges Wesen im Tormorr-Gebiet
115
o eine Fee mit edelsteingeschmückter Goldhaube
Mauthi
o in Elbasan, Fee
o in Gold gekleidet, mit einem edelsteinbesetzten Fes
o albanisierte griechische Nymphe Amaltheia
Die Schöne der Erde / E bukura e dheut
o Lieblingsgestalt der Volksmärchen
o eine Fee von unvergleichlicher Schönheit
o mächtige Helferin der Menschen, gütiger Geist, in Märchen auch tückisch und
boshaftig
o wohnt in der Unterwelt, bewacht von einem Riesenhud, Unterweltgöttin
Shtojzovalle
o elfenartige Wesen, die Feld, Wald und Wiese beleben oder
o Geister, die in der Luft schweben
o Sie sind gutartig, heiter und hilfreich
Floçka
o Wassernixe, die am Fluss einen Goldschatz hütet und Menschen ins Wasser
lockt
Hyjrija e detit
o auch Wassernixe, (< türk. Hyrija, die schöne Huris im Paradies)
die Xhin
o elfenhafte Geisterwesen, die Schaden bringen oder Hilfe leisten können
o stehen in der Mitte zwischen Mensch und Geist
o Gestalt eines Mannes oder einer Frau
o Ursprünglich aus dem Orient
o Christliches und islamisches Glaubensgut
Literatur
Çabej, Eqrem: Gestalten des albanischen Volksglaubens. In: Studien zur Sprachwissenschaft
und Kultur. Innsbruck 1968. S. 279-287
Lambertz, Maximilian: Albanische Märchen. Wien 1922.
Lamberz, Maximilian: Gjergj Fishta und das Albanische Heldenepos Lahuta e Malcís Die
Laute des Hochlandes. Eine Einführung in die Sagenwelt. Leipzig 1949.
Lambertz, Maximilian: Die Mythologie der Albaner. S. 456-509
Neues großes Lexikon in Farbe. Köln 2003
Palaj, Atë Bernardin: Mitologji, doke dhe zakone shqiptare. Prishtinë 2000
Sick, Annerose: Mythologie der Antike. München 2003
Stadtmüller, Georg: Altheidnischer Volksglaube und Christianisierung in Albanien. In:
Orientalia Christiana Periodica. Vol. 20, Nr. 3-4. Roma 1954. S. 211-246
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