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NdM-Glossar Wörter-

verzeichnis der Neuen


deutschen Medien-
macher*innen (NdM)
mit Formulierungs-
hilfen, Erläuterungen
und alternativen
Begriffen für die Be-
richterstattung in der
→  Einwanderungs-
gesellschaft.

glossar.neuemedienmacher.de
Impressum

© 2019, 8. Auflage, August 2019

Herausgeber
Neue deutsche Medienmacher e.V.
Potsdamer Straße 99
10785 Berlin

Redaktion
Konstantina Vassiliou-Enz, Ferda Ataman,
Alice Lanzke, Sina Laubenstein, Shion Kumai

Gestaltung
Farbe. Designbüro
Inhaltsverzeichnis

Wozu Formulierungshilfen? 5

Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«? 8

Migration 16

Kriminalitätsberichterstattung 21

Minderheiten
Musliminnen und Muslime 25
Jüdinnen und Juden 34
Sinti, Sintize, Romnja und Roma 41

Flucht und Asyl 46

Rechtspopulismus, Rechtsradikale
und -extreme 56

Index 64
Der Neue deutschen Medienmacher e.V. (NdM) ist ein
gemeinnütziger Verein. Wir engagieren uns bundes-
weit mit zahlreichen Projekten für mehr inhaltliche
und personelle Vielfalt in den Medien. Wir freuen uns
über die Unterstützung unserer Arbeit durch eine Mit-
gliedschaft, eine Spende oder aktive Mitarbeit.
Infos unter www.neuemedienmacher.de

Das Glossar der Neuen deutschen Medienmacher*in-


nen ist für Journalist*innen und unsere Vereinsmit-
glieder kostenfrei erhältlich. Die Inhalte werden von
den NdM ehrenamtlich erstellt.
Wozu Formulierungshilfen? 5
Als Journalist*innen1 arbeiten wir jeden Tag mit unserem Handwerkszeug, der
Sprache. Unsere Berichte sollten möglichst wertfrei, korrekt und präzise die
Sachverhalte wiedergeben. Nicht selten passiert es aber, dass Wörter wie »Einwan-
derer«, »Zuwanderer« und »Migrant« im selben Text nebeneinander verwendet wer-
den, in der Annahme, sie würden alle dasselbe bedeuten. Worin sich diese Begriffe
unterscheiden und bei welchen weiteren Themen wir ungenau oder unbedacht
formulieren, erläutern wir in diesem Glossar. Die Alternativen, die wir dazu anbie-
ten, sind als Vorschläge zu verstehen und sollen als Hilfestellung für die tägliche
Redaktionsarbeit dienen. Wir stellen sie gern zur Diskussion und freuen uns über
eine Einladung zum Redaktionsgespräch, zur Blatt- oder Sendungskritik – von
Kolleg*in zu Kolleg*in.
2013 sind auf Initiative der »Neuen deutschen Medienmacher« bundesweite Ver-
treter*innen von Medien, Wissenschaft und Verwaltung beim Bundesamt​
für Migration und Flüchtlinge zusammengekommen, um Begriffe zu diskutieren
und Definitionen abzugleichen. Die Empfehlungen für das Glossar bauen auf
diesen und vielen weiteren Diskussionen auf. Mit Hilfe zahlreicher Wissenschaft-
ler*innen, Fachleuten und Praktiker*innen, erstellen Journalist*innen aus dem
Netzwerk der NdM die Inhalte des Glossars in ehrenamtlicher Arbeit. Sie sind
unser Beitrag zu einer laufenden Debatte und nicht abschließend. Die Inhalte wer-
den regelmäßig aktualisiert und erweitert, etwa jährlich erscheint eine aktuelle
Ausgabe des Glossars. Es ist für Journalist*innen und Redaktionen kostenfrei bei
uns erhältlich. Zudem gibt es das Glossar online mit komfortabler Suchfunktion
unter www.glossar.neuemedienmacher.de.
Selbstverständlich freuen wir uns über Ihre Hinweise, Vorschläge oder Kritik:
info@neuemedienmacher.de.

1 Obwohl es in den Medien bislang (noch) kaum gängige Praxis ist, gendern wir im NdM-Glossar mit
Sternchen *. Aus Gründen der Auffindbarkeit und der Übertragung in die Online-Fassung des Glossars,
verzichten wir allerdings bei den erläuterten Suchbegriffen darauf.
Danke

Die Neuen deutschen Medienmacher danken allen betei-


ligten Wissenschaftler*innen, Expert*innen und Fach-
journalist*innen sehr herzlich für ihre Hilfsbereitschaft
und die fachliche Unterstützung bei der Erstellung des
Glossars.

Unser Dank geht an:

Fatih Abay, Prof. Dr. Handan Aksünger, Prof. Dr. Iman Attia,
Thomas Baumann, Anna Brausam, Claudia Dantschke,
Merfin Demir, Christina Dinar, Prof. Dr. Naika Foroutan,
Prof. Eric Anton Heuser, Amelie Hoffmann, Gilda Horvath,
Anetta Kahane, Bernd Knopf, Thomas Krüppner, Robert
Lüdecke, Yassin Musharbash, Prof. Dr. Werner Nell,
Miltiadis Oulios, Timo Reinfrank, Jan Riebe, Jana Sauer,
Dr. Susanne Schmidt, Ulrich Werner Schulze, Sana Shah,
Dr. Yasemin Shooman, Prof. Dr. Riem Spielhaus,
Dr. Stefan Vogt, Irene Wachtel, Melek Yildiz und viele
andere.
Legende 7

→ 
Begriff mit
Erläuterung

 mpfohlener
E
Begriff

→ Empfohlener
Begriff mit
Erläuterung
Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«? 8
Die deutsche Gesellschaft hat sich verändert, sie ist bunter geworden. Das sollte
sich in der Berichterstattung wiederfinden. Gleichzeitig müssen Journalist*innen
oft vereinfachen, um komplizierte Sachverhalte für Mediennutzer*innen kurz und
verständlich darzustellen. Manchmal führt das zu einem Dilemma: Wie beschreibe
ich die Gruppe, der jemand zugehört? Wie beschreibe ich die anderen? Und wo ist
diese Trennung wirklich nötig?
Zunächst ist es sinnvoll, die Protagonist*innen zu fragen, wie sie sich selbst
nennen würden. Das ist allerdings nicht immer möglich. Zudem kann man bei der
Beschreibung von Gruppen nicht davon ausgehen, dass alle dieselbe Präferenz
haben.
Bei einer allgemeinen Bezeichnung für Einwanderer*innen und ihre Nachkom-
men läuft man Gefahr, das Bild einer homogenen Gruppe zu erzeugen. Menschen
mit Migrationsgeschichte sind jedoch keineswegs homogen: Aussiedler*innen
haben in der Regel mit Geflüchteten aus dem Libanon so wenig gemeinsam wie
kemalistische Türk*innen mit kurdischen Feminist*innen. Dennoch ist es in
der Berichterstattung manchmal nötig, eine Gruppe pauschal zu benennen. Die
vorliegenden Erläuterungen dienen der Präzisierung von Begriffen und bieten
praktische Vorschläge für die differenzierte Bezeichnung von Minderheiten, der
Mehrheit und natürlich auch von beiden.

Afrodeutsche ist eine häufige eingewandert sind. Allochthone ist


Selbstbezeichnung von Schwarzen das Gegenteil von → Autochthone.
Menschen in Deutschland. Um Miss-
verständnissen vorzubeugen: Längst Ausländer bezeichnet Einwohner*in-
nicht alle, die sich so bezeichnen, nen ohne deutsche Staatsbürgerschaft.
haben familiäre Bezüge zu Afrika – sie Als Synonym für → Einwanderer ist
können auch aus den USA, anderen er dagegen falsch, da die meisten
europäischen Ländern und überall her- → Migranten und ihre Nachkommen
stammen (siehe auch → Schwarze keine Ausländer*innen mehr sind,
Deutsche). sondern → Deutsche. Grundsätzlich
verortet »Ausländer« Menschen im
Allochthone (griech.) wird in den Ausland und klingt nicht nach jeman-
Sozialwissenschaften als Bezeichnung dem, der*die den Lebensmittelpunkt
von Menschen oder Gruppen mit ge- in Deutschland hat.
bietsfremder Herkunft verwendet. ​
In den Niederlanden wird der Begriff Ausländischer Mitbürger wird seit
zur Beschreibung von Menschen ver- den 1970er Jahren als meistens wohl-
wendet, die selbst oder deren Eltern meinende, jedoch widersprüchliche
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
Bezeichnung für Menschen verwendet,
die seit vielen Jahren hier leben und
und spiegelt andererseits
die Unterstellung wider,
9
voraussichtlich bleiben werden. Soll dass eingewanderte Menschen
die nicht-deutsche Staatsbürgerschaft keine »echten« → Deutschen
betont werden, ist ausländische*r seien. Siehe dazu → Standard-Deut-
Bürger*in passender, da bei »Mit-Bür- sche.
ger*in« ein unnötiges »Othering« statt-
findet, d. h. ein*e Mitbürger*in ist damit Bundesrepublikaner kann als Be-
scheinbar anders als ein*e Bürger*in. zeichnung für alle Bürger*innen in der
Bundesrepublik Deutschland verwendet
Autochthone Deutsche autochthon werden, denn auch diejenigen ohne
kommt aus dem Griechischen und → deutsche Staatsangehörigkeit
bedeutet sinngemäß eingeboren, alt- haben sich für ein Leben in der Bundes-
eingesessen. Autochthone Deutsche republik entschieden.
könnte dazu dienen, → Deutsche
ohne Migrationshintergrund zu be- Copyright-Deutsche beschreibt
schreiben, hat allerdings als kaum → Herkunftsdeutsche und betont, dass
bekanntes Fremdwort wenig Aussicht, eingebürgerte Deutsche häufig nicht
sich durchzusetzen (siehe auch → Allo- als originär bzw. original deutsch wahr-
chthone). genommen werden. Der Ausdruck
Copyright-Deutsche stammt von
Biodeutsche wurde vor einigen Jahren Paul Mecheril1, Prof. für Migrations-
von »Migrationshintergründler*innen« pädagogik (siehe auch → Standard-
als Gegenentwurf mit scherzhaft-pro- deutsche).
vokantem Unterton in die Debatte
gebracht und wird inzwischen aus Deutsche steht für → deutsche
Mangel an Alternativen mitunter ernst- Staatsangehörige. Als Adjektiv oder
haft verwendet. Viele so Bezeichnete Substantiv sollte der Begriff nicht dazu
lehnen den Begriff ab, weil in ihm die dienen, eine ethnische Zugehörigkeit
Vorstellung von Genetik mitschwingt. und damit nur die → standard-deut-
Die Deutung als Kürzel für Biogra- sche Bevölkerung zu beschreiben.
fisch-Deutsche ist inzwischen verloren Denn: Fast ein Viertel der Deutschen
gegangen. stammt aus einer Einwandererfamilie.
Darüber hinaus erhalten in Deutschland
Bindestrich-Deutsche wird immer geborene Kinder von → Ausländern
häufiger als Selbstbezeichnung von seit dem Jahr 2000 in der Regel auto-
→ Menschen mit internationaler matisch die deutsche Staatsbürger-
Geschichte benutzt. Er spielt auf Be- schaft.
zeichnungen, wie → Deutsch-Türken
an, benennt einerseits ein Zugehörig- Deutsche ohne Migrationshintergrund
keitsgefühl zu mehr als einer Kultur ist zwar sperrig, aber zur Unterschei-
Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«?
dung durchaus geeignet, zumal dersel-
be Zusatz verwendet wird, der
ger*innen können in Deutsch-
land bei Kommunalwahlen
10
zur Definition von → Menschen mit abstimmen, Drittstaatsangehörige
Migrationshintergrund dient. dürfen in beiden Fällen nicht mit​­­-
­­wählen.
Deutsch-Türken usw. ist eine Möglich-
keit die Internationalität von Menschen Einheimische erzeugt ein schiefes Bild,
zu beschreiben. Dabei ist es allerdings weil viele Eingewanderte und ihre
sinnvoll, ihren Lebensmittelpunkt zu Kinder hier längst heimisch sind. Es
betonen, also Turko-Deutsche oder weckt die Assoziation von fremdländi-
Türkei-Deutsche statt Deutsch-Tür- schen → Migranten. In einem lockeren
ken, Greco-Deutsche statt Deutsch- Kontext könnte es mit dem Gegensatz
Griechen, Spanisch-Deutsche, Pol- verwendet werden: Einheimische und
nisch-Deutsche usw. Denn bei Wortzu- Mehrheimische.
sammensetzungen im Deutschen
steht die Hauptbedeutung immer am Einwanderer sind Menschen, die nach
Ende (z. B. Hausschuh). Übrigens emp- Deutschland gekommen sind, um
finden sich auch → Einwanderer ohne dauerhaft zu bleiben. Derzeit ist jedoch
deutschen Pass oft als Teil der deut- in diesem Kontext oft fälschlich die
schen Gesellschaft, also z. B. als Rede von → Zuwanderern, Menschen
Turko-Deutsche. mit Zuwanderungsgeschichte und ähn-
lichem.
Diverskulturelle empfiehlt sich auch
als Adjektiv und ist eine Alternative zur Einwanderer und ihre Nachkommen
Bezeichnung von → Menschen aus ist zwar ebenso lang wie → Menschen
Einwandererfamilien. Sie wurde von mit Migrationshintergrund, aber ein
Heidelberger Bürgern mit und ohne gutes Synonym, weil weniger abstrakt.
Einwanderungsbiografie in einem
Workshop mit den NdM beim Diversi- Fremdarbeiter ist eine Bezeichnung
ty-Day 2014 entwickelt (siehe auch für Arbeitsmigranten, die immer
→ Menschen mit internationaler noch hin und wieder in Boulevard-Me-
Geschichte). dien auftaucht. Sie ist seit der NS-Zeit
historisch belastet und sollte nur mit
Drittstaatsangehörige wird in der einer entsprechenden geschichtlichen
Fachsprache verwendet, um Menschen Einordnung verwendet werden. Als Al-
zu beschreiben, die keine Staatsange- ternative eignen sich Arbeitseinwan-
hörigkeit eines EU-Landes haben. So- derer, migrantischer Arbeiter oder
lange es rechtliche Unterscheidungen arbeitsmarktbezogener Einwanderer /
für diese Gruppen gibt, ist der Begriff Zuwanderer (Fachsprache), siehe auch
unvermeidbar. Beispiel: → Deutsche → Gastarbeiter.
haben allgemeines Wahlrecht, EU-Bür-
Gastarbeiter wurden Arbeitsein-
wanderer genannt, die seit den 1950er
geborene«, »Naturvolk«, »India-
ner« etc.
11
Jahren durch bilaterale Verträge zur
Anwerbung von Arbeitskräften aus Kanaken (polynesisch »Kanaka« =
dem Ausland kamen. Im Wort »Gast« Mensch) ist ein Schimpfwort, wird
schwang mit, dass die → Einwanderer jedoch manchmal (mit sarkastischem
nicht bleiben sollten. Der Begriff ist Unterton) als Selbstzuschreibung ver-
inzwischen veraltet, wird manchmal wendet. Wenn Protagonist*innen sie
aber noch zur Selbstbezeichnung ge- für sich selbst verwenden, kann die
braucht, z. B. als »Gastarbeiterkind«. Selbstbezeichnung in Medienberichten
Die wissenschaftliche Literatur ist da- übernommen werden, sollte aber als
zu übergegangen, ihn mit dem Zusatz solche erkennbar sein.
»sogenannte Gastarbeiter« zu versehen.
Siehe auch → Fremdarbeiter. Kinder nichtdeutscher Herkunfts-
sprache (»ndH«) ist ein abstrakter
Herkunftsdeutsche ist umstritten. Wer Fachbegriff, der vor allem im Bildungs-
allerdings »Deutsche mit türkischer bereich für Schüler*innen verwendet
Herkunft« sagt, müsste konsequenter- wird. Er ist der Versuch, bestimmte
weise auch Deutsche mit deutscher Förderbedürfnisse zu benennen, ohne
Herkunft, sprich Herkunftsdeutsche Kinder einer Herkunftsgruppe zuzuord-
sagen. nen. Leider verbirgt sich dahinter ein
defizitorientierter Blick: In der Schul-
Indigene sind laut Definition der eingangsuntersuchung wird allein der
Vereinten Nationen die Nachfahren Frage nachgegangen, ob das Kind als
der Menschen, die ein Gebiet bereits erste Sprache Deutsch gelernt hat. Ge-
bewohnten, bevor sie von Gruppen aus nauso geeignet und weniger abstrakt:
anderen Teilen der Welt unterworfen, Mehrsprachige Kinder oder Kinder
untergeordnet oder kolonialisiert wur- mit internationaler Geschichte.
den oder ihr Gebiet Teil eines Staates
wurde. Bis heute sind sie nicht maß- Latinx (sprich: La-tí-nex) ist eine Selbst-
geblich an den nationalen Regierungen bezeichnung von Menschen lateiname-
der Länder beteiligt, in denen sie leben. rikanischer Herkunft. Der Begriff hat
Weltweit gibt es schätzungsweise etwa sich als inklusive und geschlechterge-
370 Millionen Indigene in mehr als 70 rechte Alternative für Latino / Latina im
Staaten. Indigene ist als übergeordne- englischsprachigen Raum entwickelt.
tete Selbstbezeichung akzeptiert. Eben-
so kann in einem Bericht die bestimmte Menschen aus Einwandererfamilien
Gruppe beim Namen genannt werden, ist zwar sperrig, umschreibt aber tref-
z.B. Aborigines, Cherokee, Maya, fend, was gemeint ist, ohne Menschen
Tuareg, Massai usw. Unangebracht eine vermeintliche Einwanderungser-
sind Begriffe wie »Ureinwohner«, »Ein- fahrung zuzusprechen.
Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«?
Menschen mit internationaler Ge-
schichte ist eine weitere Alternativ-
Einwandererfamilien oder
→ Menschen mit internatio-
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formulierung, die im Workshop »Was naler Geschichte.
heißt hier Migrationshintergrund?«
beim Diversity-Day 2014 von Heidel- Migranten werden vom Statistischen
berger*innen zusammen mit den NdM Bundesamt als Menschen definiert,
entwickelt wurde. Der Begriff berück- die nicht auf dem Gebiet der heutigen
sichtigt, dass nicht alle Menschen mit Bundesrepublik, sondern im Ausland
ihren Familien eingewandert sind. Er geboren sind. Rund die Hälfte davon
ist umgekehrt auch verwendbar für sind → Deutsche, die andere Hälfte
Standard-Deutsche, also Menschen hat eine ausländische Staatsangehö-
ohne internationale Geschichte. rigkeit. Im Diskurs wird dieser Begriff
häufig irrtümlich als Synonym für
Menschen mit Migrationshintergrund → Menschen mit Migrationshintergrund
sind nach statistischer Definition verwendet.
• i n Deutschland lebende Auslän-
der*innen, Migrationsvordergrund eine meist
• e
 ingebürgerte Deutsche, die nach augenzwinkernd gemeinte Selbst-
1949 in die Bundesrepublik ein- bezeichnung von Menschen, deren
gewandert sind → Migrationshintergrund sichtbar ist.
• s
 owie in Deutschland geborene Kin-
der mit deutschem Pass, bei denen Mischling ist als Bezeichnung dem
sich der Migrationshintergrund Tierreich entlehnt und beruht auf der
von mindestens einem Elternteil Rassentheorie. Ist die Information
ableitet. relevant, kann die Herkunft der Eltern
Zunächst wurde »Personen mit Migra- konkret benannt werden.
tionshintergrund« in der Verwaltungs
und Wissenschaftssprache verwendet. Neubürger klingt nach soeben einge-
Doch als durch Einbürgerungen und wandert, daher ist der Begriff zwar als
das neue Staatsangehörigkeitsrecht abwechslungsreiches Synonym für
von 2000 der Begriff → Ausländer nicht → Einwanderer durchaus möglich.
mehr zutraf, um → Einwanderer und Als Synonym für Eingebürgerte ist er
ihre Nachkommen zu beschreiben, ging eher verwirrend, da er keine Verwurze-
die Formulierung auch in die Umgangs- lung in Deutschland vermuten lässt.
sprache ein (siehe auch → Einbürge-
rung und → Doppelte Staatsbürger- Neue Deutsche taucht immer häufiger
schaft). Heute wird der Begriff oft als auf und wird unterschiedlich verwen-
stigmatisierend empfunden, weil damit det: Manche gebrauchen den Begriff
mittlerweile vor allem (muslimische) synonym für → Menschen mit Migrati-
»Problemgruppen« assoziiert werden. onshintergrund. Als Selbstbezeichnung
Gute Alternativen: → Menschen aus von → Menschen aus Einwanderer-
familien soll er den Anspruch auf Zuge-
hörigkeit deutlich machen. Der Begriff
(»Niemand darf wegen ... seiner
Rasse ... benachteiligt oder be-
13
kann aber auch für eine Haltung stehen vorzugt werden.«). In der Bericht-
statt für eine herkunftsbezogene Kate- erstattung taucht es zudem auf, wenn
gorisierung: Zu den Neuen Deutschen zum Beispiel Rassismus-Debatten
zählen dann alle Menschen (mit und aus den USA wiedergegeben werden.
ohne Migrationshintergrund), die posi- Doch Begriffe wie »Rassenunruhen«
tiv zur Pluralisierung der Gesellschaft (race oder ethnic riots) oder »Rassen-
stehen. beziehungen« (race relations) sollten
nicht wortwörtlich übersetzt werden,
People of Color (PoC) ist eine Selbst- da der Begriff »race« in den USA anders
bezeichnung von Menschen mit Rassis- als im Deutschen »Ethnizität« oder
muserfahrung, die nicht als → weiß, »Herkunft« meint. Alternativen wären,
deutsch und westlich wahrgenommen neben Rassismus-Debatten, auch
werden und sich auch selbst nicht so Unruhen wegen Rassismus-Vorwurf
definieren. PoC sind nicht unbedingt u.ä.
Teil der afrikanischen Diaspora, ur-
sprünglich ist der Begriff u.a. zur Soli- Russlanddeutsche sind als → Aussied-
darisierung mit → Schwarzen Men- ler / Spätaussiedler von 1950 bis heute
schen entstanden. Schwarz und weiß nach Deutschland eingewanderte Men-
sind dabei politische Begriffe. Es geht schen aus den Nachfolgestaaten der
nicht um Hautfarben, sondern um die UdSSR. Ihre Vorfahren sind deutsche
Benennung von → Rassismus und den Siedler*innen, deshalb können sie eine
Machtverhältnissen in einer mehrheit- Statusdeutscheneigenschaft bekom-
lich weißen Gesellschaft. Inzwischen men und werden damit → deutschen
wird häufiger von BPoC ( Black Staatsangehörigen formal gleich-
and People of Color) gesprochen, um gestellt. Mit 2,3 Millionen2 Menschen
Schwarze Menschen ausdrücklich mit eigener Wanderungserfahrung
einzuschliessen. Etwas seltener kommt sind sie die zweitgrößte Gruppe von
hierzulande die Erweiterung BIPoC → Einwanderern in Deutschland.
( Black, Indigenous and People of Bezeichnungen wie Deutsch-Russen,
Color) vor, die explizit auch → indigene Russisch- bzw. Kasachischstämmige
Menschen mit einbezieht. Singular: sind für Russlanddeutsche inkorrekt
Person of Color. und werden oft als diskriminierend
wahrgenommen.
Rasse ist eigentlich seit dem Natio-
nalsozialismus (»Rassengesetze«) ein Schwarze »Wenn es um Rassismus,
Unwort in Deutschland, das im Sprach- unterschiedliche Erfahrungen und
gebrauch nicht mehr üblich ist. Den- Sozialisationen geht, ist der politisch
noch existiert es noch in zahlreichen korrekte Begriff Schwarze. In allen
Gesetzestexten wie dem Grundgesetz anderen Fällen gibt es aber meistens
Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«?
gar keinen Grund, dazu zu sagen, ob
eine Person Schwarz oder weiß ist.«
→ Migrationshintergrund
vermeintlich abweichen. Der
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(zitiert von www.derbraunemob.info). Begriff wurde durch den Migrations-
Farbige / farbig ist ein kolonialistischer pädagogen Paul Mecheril in die Debatte
Begriff und negativ konnotiert. Eine Al- eingebracht1 (siehe auch → Copyright-
ternative sind die Selbstbezeichnungen Deutsche).
→ People of Color ( PoC, Singular
Person of Color), Black and People Südländer ist ein aus der Mode gekom-
of Color ( BpoC) oder Black and mener Begriff, aber in der Beschreibung
Indigenous People of Color ( BIPoC), »südländisches Aussehen« in manchen
siehe auch → weiße Deutsche und Medien noch zu finden. Hier stellt sich
→ Schwarze Deutsche. die Frage: Was genau ist gemeint? Geo-
grafisch ist der Begriff unspezifisch
Schwarze Deutsche In Deutsch- und verortet Menschen außerhalb von
land leben mehrere hunderttausend Deutschland, obwohl sie hier geboren
Schwarze Deutsche. Dabei handelt und aufgewachsen sein könnten. Der
es sich nicht um die Beschreibung Begriff wird vor allem von → rechtsra-
einer Hautfarbe, sondern um eine poli- dikalen und → rechtsextremen Medien
tische Selbstbezeichnung. Begriffe wie verwendet.
»Farbige« oder »Dunkelhäutige« lehnen
viele ab. Die Initiative »der braune mob Türkischstämmige (Bürger*innen)
e.V.« schreibt: »Es geht nicht um »biolo- ersetzt oftmals die früher gängige Be-
gische« Eigenschaften, sondern gesell- zeichnung »Türken« und berücksichtigt,
schaftspolitische Zugehörigkeiten.« Um dass fast die Hälfte davon inzwischen
das deutlich zu machen, plädieren sie deutsche Staatsbürger*innen sind. Kor-
und andere dafür, die Zuschreibungen rekter ist allerdings die Bezeichnung
Schwarz und → Weiß groß zu schrei- Türkeistämmige, da viele → Ein-
ben (siehe auch → Schwarze und wanderer aus der Türkei Kurd*innen
→ Afrodeutsche). oder Angehörige anderer Minderheiten
sind und sich nicht als »türkisch« ver-
Secondos (f: Secondas) ist in der stehen.
Schweiz die gängige Selbstbezeichnung
von → Menschen aus Einwanderer- Weiße Deutsche wird oft in → Rassis-
familien, die ab der zweiten Generation mus-Debatten benutzt. Oft herrscht
in der Schweiz leben. Singular: Se- das Missverständnis, es ginge dabei
condo (m), Seconda (f). um eine Hautfarbe. Tatsächlich ist mit
weiß eine gesellschaftspolitische
Standard-Deutsche beschreibt Deut- Norm und Machtposition gemeint. Der
sche ohne Migrationshintergrund Begriff wird als Gegensatz zu → Peo-
und macht aufmerksam auf eine Norm- ple of Color (PoC) verwendet. Dabei
Vorstellung, von der Deutsche mit müssen sich weiße Menschen nicht
selbst als weiß oder privilegiert fühlen
(siehe auch → Schwarze, → Schwarze
15
Deutsche).

Wir kann missverständlich wirken,


wenn beispielsweise von »wir Deut-
schen« die Rede ist, aber nur Deutsche
ohne → Migrationshintergrund gemeint
sind. Als Alternative kann → Herkunfts-
deutsche passender sein (siehe auch
→ Mehrheitsgesellschaft, → Aufnahme-
gesellschaft).

Wurzeln, mit griechischen etc. wird


oft verwendet um die Herkunft von
→ Menschen mit internationaler
Geschichte zu beschreiben. Weil damit
keine Verortung in Deutschland, son-
dern vielmehr eine Entwurzelung von
→ Menschen aus Einwanderer-
familien mitschwingt, wird die Be-
schreibung teilweise kritisch gesehen.
Alternativ kann z. B. die (ehemalige)
Nationalität der Eltern genannt werden,
sofern es wirklich nötig ist.

Zuwanderer sind zunächst alle Men-


schen, die nach Deutschland ziehen.
Statistisch zählen dazu auch diejeni-
gen, die nach kurzer Zeit wieder fort-
ziehen (Abwander*innen). Die Absicht
zu bleiben ist bei Zuwander*innen
nicht unbedingt gegeben. Sprachlich
unterstreicht die Vorsilbe »zu« eher die
Nicht-Zugehörigkeit, ähnlich wie bei
beim abgewandelten »Neuzuwanderer«. 1 Mecheril, Paul und Thomas Teo (1997, Hrsg.), Psy-

Menschen, die eine längere Zeit hier chologie und Rassismus, Hamburg
2 Wissenschaftlicher Dienst des deutschen Bundes-
leben, sind schlicht → Einwanderer
tags, »Russlanddeutsche in der Bundesrepub-
(siehe → Einwanderungsgesellschaft lik«, Seite 2, Stand: Februar 2016 (https://www.
versus → Zuwanderungsgesellschaft). bundestag.de/blob/424502/e534deaef41f3f-
1f1efcf098f-64cb013/wd-3-036-16-pdf-data.pdf)

Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«?


Migration 16
Debatten um die deutsche Einwanderungsgesellschaft haben in den vergangenen
Jahren stark zugenommen. Die Begriffe, die wir dabei benutzen und ihre Bedeu-
tung wandeln sich im Laufe der Zeit. So war »Migration« ursprünglich ein Wort
aus der Zoologie (Meyers Konversationslexikon, 1906). Zum Teil verändert auch die
Gesetzgebung unsere Sprache: Nach der Staatsangehörigkeitsreform von 2000 ist
deutsche*r Staatsbürger*in, wer hier geboren ist, nicht mehr nur wer von Deut-
schen abstammt.
Im Folgenden werden alte und neue Begriffe und Regelungen im Einwande-
rungsland Deutschland erläutert. Wo es möglich oder nötig ist, werden alternative
Formulierungen angeboten, um eine unbewusst negative Konnotation der Sprache
in der Berichterstattung zu vermeiden.

Armutszuwanderer wird oft als ab- deutlich wird: Es sind die über
fällige Bezeichnung für Menschen aus 82 Millionen1 Bürger*innen in Deutsch-
Südosteuropa verwendet, teils auch land gemeint.
als Synonym für → Roma, die im Zuge
der EU-Freizügigkeit nach Deutsch- Aussiedler / Spätaussiedler sind deut-
land kommen. Die große Mehrheit der sche »Volkszugehörige« und mit etwa
Menschen, die aus den EU-Beitritts- 4,5 Millionen Menschen die größte Ein-
ländern → Bulgarien und → Rumänien wanderergruppe in der Bundesrepublik.
eingewandert sind, geht jedoch einer Laut Definition des Innenministeriums
Arbeit nach oder studiert. Es handelt handelt es sich bei ihnen um »Personen
sich daher überwiegend um eine – für deutscher Herkunft, die in Ost- und
Deutschland profitable – Arbeitsein- Südosteuropa sowie in der Sowjetunion
wanderung bzw. Arbeitszuwanderung. unter den Folgen des Zweiten Weltkrie-
Bei »Armutsmigration« wird vor allem ges gelitten haben (und die) noch Jahr-
eine vermeintliche Einwanderung in zehnte nach Kriegsende aufgrund ihrer
die Sozialsysteme betont, die gesetzlich Volkszugehörigkeit massiv verfolgt«
aber ausgeschlossen ist. wurden. In der Bundesrepublik können
sie die »Statusdeutscheneigenschaft«
Aufnahmegesellschaft wird häufig als bekommen, werden damit → deutschen
Synonym für → Deutsche ohne Migrati- Staatsangehörigen gleichgestellt und
onshintergrund verwendet, wirkt dabei sind keine → Ausländer (siehe auch
jedoch ausgrenzend, da → Einwanderer → Vertriebene).
und ihre Nachkommen auch zu den
Aufnehmenden gehören. Ein klärender Deutsche Staatsangehörigkeit erwer-
Zusatz, wie multikulturelle Aufnah- ben Menschen mit der Geburt entweder
megesellschaft wäre sinnvoll, damit nach dem Abstammungsprinzip, wenn
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
sie also als Kind deutscher Eltern ge-
boren werden, oder seit 2000 auch
→ Einbürgerungen in Deutsch-
land soll Mehrstaatigkeit
17
nach dem Geburtsortprinzip. Das heißt vermieden werden, es gibt allerdings
auch Kinder, deren Eltern keine deut- viele Ausnahmen: z. B. für EU-Bür-
sche Staatsangehörigkeit besitzen, ger*innen, Schweizer*innen, US-Ame-
erhalten seither in der Regel die deut- rikaner*innen, Argentinier*innen etc.
sche Staatsbürgerschaft, wenn sie in Seit 2000 erhalten auch in Deutschland
Deutschland geboren sind (siehe geborene Kinder von → Ausländern
→ doppelte Staatsangehörigkeit, neben der Staatsangehörigkeit ihrer
→ Optionspflicht). Unter bestimmten Eltern die deutsche (siehe → Options-
Voraussetzungen (u. a. achtjähriger pflicht). Um Menschen mit doppelter
Aufenthalt) kann man durch → Ein- Staatsbürgerschaft zu benennen, ist
bürgerung deutsche*r Staatsbürger*in es sinnvoll, ihren Lebensmittelpunkt
werden. zu betonen, also z. B. Turko-Deut-
sche, oder Türkei-Deutsche statt
Displaced Persons (DPs) engl. für Ver- Deutsch-Türk*innen, Greco-Deut-
triebene. Die UN bezeichnen Personen sche, statt Deutsch-Griech*innen etc.
als displaced people, die wegen ähnlich wie bei Russlanddeutschen
bewaffneter Auseinandersetzungen, (siehe → Deutsch-Türken).
Menschenrechtsverletzungen, natür-
licher oder menschlich verursachter Einbürgerung ist der Prozess zur Er-
Katastrophen gezwungen wurden, ihren langung der deutschen Staatsbürger-
Heimatort zu verlassen, aber keine schaft. Unterschieden wird zwischen
international anerkannte Staatsgren- Anspruchseinbürgerung und Ermes-
ze überschritten haben; im Sinne der senseinbürgerung. Anspruch auf eine
UN sind DPs Binnenflüchtlinge. Als Einbürgerung hat, wer die gesetz-
historischer Begriff in der deutschen lichen Voraussetzungen dafür erfüllt
Geschichte bezieht er sich vor allem auf (z. B. mindestens acht Jahre Aufenthalt,
ehemalige KZ-Häftlinge, Kriegsgefan- Lebensunterhaltssicherung ohne Sozi-
gene und Zwangsarbeiter*innen nach alhilfe und Arbeitslosengeld II, seit 2020
dem Zweiten Weltkrieg (siehe auch auch eine »Einordnung in deutsche
→ Heimatlose Flüchtlinge). Lebensverhältnisse«). Sind nicht alle
Voraussetzungen gegeben, kann eine
Doppelte Staatsangehörigkeit Das Einbürgerungsbehörde trotzdem die
Fachwort dafür ist Mehrstaatigkeit deutsche Staatsbürgerschaft vergeben,
und beschreibt den Besitz von zwei wenn z. B. ein öffentliches Interesse
oder mehr Staatsangehörigkeiten. Dazu an der Einbürgerung besteht (bspw. bei
kommt es z. B., wenn ein Kind nach Profi-Sportler*innen) und einige Min-
dem Abstammungsprinzip automatisch destanforderungen erfüllt sind (siehe
die unterschiedlichen Staatsangehörig- auch → doppelte Staatsbürgerschaft
keiten beider Elternteile erhält. Bei und → deutsche Staatsangehörigkeit).
Migration
Einwanderungsgesellschaft beschreibt
Deutschland als Einwanderungsland:
Teilhabe,
heit.
Chancengleich-
18
Die Menschen kommen, um dauerhaft
hier zu leben. Sie werden und sind Teil Integrationsverweigerer steht für die
der Bevölkerung. Im Gegensatz dazu diffuse Vorstellung, dass → Einwande-
betont die Bezeichnung »Zuwande- rer die deutsche Gesellschaft, ihre Wer-
rungsgesellschaft« die temporäre Dauer te und Gesetze ablehnen würden. War
des Zuzugs. Die Absicht zu bleiben früher noch die Rede von Menschen
ist bei → Zuwanderern nicht gegeben. mit »Integrationsbedarf« und »Integra-
tionsproblemen«, wurden daraus später
Gescheiterte Integration wird häufig »Integrationsunfähige« und »Integ-
als Ursache für Jugendkriminalität rationsunwillige«. Heute taucht öfter
und andere Probleme genannt. Dabei »Integrationsverweigerer« auf. Daran
wird oft unterstellt, dass zum Beispiel wird deutlich, dass → Menschen aus
Verstöße gegen Gesetze und Normen Einwandererfamilien oft eine willentli-
begangen werden, weil die deutsche che und aktive Abgrenzung unter-
Gesellschaftsordnung abgelehnt und stellt wird, was jedoch sehr selten der
stattdessen einer vermeintlich archai- Fall ist. Studien verweisen auf einen
schen Einwandererkultur mit eigenen Mangel an Chancengleichheit,
Regeln gefolgt wird. Meist sind jedoch Bildungsgerechtigkeit und fehlende
andere Ursachen zu finden, wie man- oder erschwerte Möglichkeiten zur
gelnde Chancengleichheit oder Partizipation.
Bildungsgerechtigkeit, soziale Be-
nachteiligung etc. Mehrheitsgesellschaft ist ein gängiger
Begriff, der missverständlich ist. Eigen-
Integration ist ein Begriff, der oft im tlich müsste es heißen: Mehrheits-
Zusammenhang mit → Migranten fällt bevölkerung, also die von gut 63
und als Bringschuld der Einwander*in- Millionen2 → Deutschen ohne Migra-
nen gemeint ist. Wissenschaftler*innen tionshintergrund. In einem faktischen
dagegen verwenden ihn, um Sach- Einwanderungsland funktionieren
verhalte zu beschreiben, wie Teilhabe Bezeichnungen wie »die deutsche Ge-
und Zugang zu Arbeit oder Bildung. In sellschaft« oder »die Gesellschaft in
diesem Sinn ist bspw. von Integrations- Deutschland« nicht als Synonym für
politik oder Integrationsprojekten die → Deutsche ohne Einwanderungsbezug.
Rede. In der Berichterstattung ist oft
von → gescheiterter oder »gelungener Mischehe beruht als Begriff auf der
Integration« die Rede; ebenso wie bei Rassentheorie und wurde vor allem im
der Übertragung auf Personen (→ Inte- Zuge der »Rassenhygiene« zur Zeit des
grationsverweigerer) werden gesell- Nationalsozialismus verwendet. Gute
schaftliche Probleme dadurch individu- Alternativen sind binationale, bi-
alisiert und kulturalisiert. Alternativen: kulturelle oder ggf. interreligiöse Ehe.
Neokolonialismus bezeichnet fortwir-
kende, teils neue Formen von Abhän-
der Debatte um → Muslime in
Deutschland populär wurde.
19
gigkeit und Ausbeutung nach dem Ende Der Begriff ist inhaltlich diffus und
des formalen Kolonialismus. Demnach wird verbunden mit vermeintlich → ge-
werden ehemals kolonisierte Gebiete scheiterter Integration. Er zeichnet ein
heute mit neokolonialistischen Mit- Bild homogener Minderheiten, die sich
teln indirekt von ehemaligen Kolonial- räumlich, sozial und kulturell von der
mächten beherrscht, u.a. durch finan- → Mehrheitsgesellschaft abschotten3.
zielle (z.B. durch Kredite), aber auch Ihnen wird »Integrationsunwilligkeit«
politische, technologische, militärische unterstellt, ohne zu berücksichtigen,
oder kulturelle Abhängigkeiten. Post- dass für → Integration die gesamte
kolonialismus (Postcolonial Studies) Gesellschaft verantwortlich ist. Zudem
ist eine wissenschaftliche Forschungs- ist für einen hohen Anteil von Einwan-
richtung, die davon ausgeht, dass die der*innen in manchen Stadtteilen oft
Geschichte des Kolonialimus mit den eher der Wohnungsmarkt ursächlich
historischen Unabhängigkeitserklärun- als ein Hang zu innerethnischen Nach-
gen nicht vorbei war. barschaften.

Optionspflicht Seit 2000 erhalten in Postmigrantisch stammt aus der


Deutschland geborene Kinder von Kulturszene und wurde in Deutschland
→ Ausländern neben der ausländischen von der Kulturschaffenden Shermin
Staatsangehörigkeit in der Regel auch Langhoff eingeführt. Postmigran-
die deutsche. Dabei wurde jedoch für tisch steht für den Prozess, die Gesell-
die Kinder von → Drittstaatsangehö- schaft nach erfolgter Einwanderung
rigen die Optionspflicht eingeführt: mitzugestalten. Wird Deutschland als
Zwischen dem 18. und dem 23. Geburts- → Einwanderungsgesellschaft akzep-
tag mussten sie sich für eine der beiden tiert, werden Kategorien wie → deutsch
Staatsangehörigkeiten entscheiden. Mit / nicht-deutsch bedeutungslos; in einer
der Reform des Staatsangehörigkeits- postmigrantischen Gesellschaft müs-
gesetzes von 2014 entfällt dieser Ent- sen sich → Deutsche ohne Migrations-
scheidungszwang für diejenigen jungen hintergrund auch eingliedern. Es gilt,
Leute mit → doppelter Staatsangehö- die zuvor herrschenden (Miss-) Verhält-
rigkeit, die mindestens acht Jahre in nisse gemeinsam neu zu verhandeln.
Deutschland gelebt haben, oder sechs Postmigrantisch ist nur als Adjektiv zu
Jahre hier zur Schule gingen oder verwenden.
einen Schul- oder Berufsabschluss in
Deutschland gemacht haben. Es bleibt Vertriebene sind deutsche Staats-
also kompliziert. angehörige oder sog. deutsche
»Volkszugehörige« (jur. Bezeichnung,
Parallelgesellschaft ist ein Schlag- Bundesvertriebenengesetz) und ihre
wort, das Anfang der 2000er Jahre in Nachkommen, die ihren Wohnsitz im
Migration
Zusammenhang mit dem Zweiten
Weltkrieg verloren haben. Auch → Aus-
Xenophobie (griech. xeno,
fremd) bezeichnet die ableh-
20
siedler gelten gesetzlich als Vertrie- nende Haltung gegenüber einer Gruppe,
bene. Beide Gruppen haben, ebenso die als fremd wahrgenommen wird,
wie → Spätaussiedler einen recht- aber nicht automatisch fremd sein
lichen Anspruch darauf, aus Ländern muss, wie zum Beispiel Schwarze
des ehemaligen Ostblocks in Deutsch- Deutsche oder deutsche Muslime.
land aufgenommen zu werden. In der Xenophobie ist eine Form der grup-
Bundesrepublik bekommen sie in der penbezogenen Menschenfeindlichkeit
Regel automatisch die sog. Statusdeut- (siehe auch → Fremdenfeindlichkeit,
scheneigenschaft und sind somit keine → Rassismus).
→ Ausländer.

Willkommenskultur ist zur Standard-


vokabel in der Asyldebatte geworden.
Gemeint ist meistens das Engagement
der vielen Ehrenamtlichen, die sich
für → Geflüchtete einsetzen und damit
eine Willkommenskultur schaffen.
Vorher war Willkommenskultur eher
ein politisches Leitbild für die multi-
kulturelle Aufnahmegesellschaft in
der Integrationspolitik. So wurden z. B.
in Hamburg oder Stuttgart städtische
»Welcome-Center« für Einwanderer*in-
nen eröffnet. Kritisiert wird der Begriff
z. B. vom Medienwissenschaftler Alex-
1 Bevölkerungsstand lt. Statistischem Bundesamt
ander Kissler, der darauf verweist, dass (Stand: August 2018): https:// www.destatis.
sich das Wort »Willkommen« nur auf de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelke-
den kurzen Vorgang des Kommens rung/MigrationIntegration/Migrationshinter-
beziehe, also keinen sich verstetigen- grund2010220177004. pdf?__blob=publicationFile
2 Bevölkerungsstand des Mikrozensus des Bundes-
den Zustand bezeichnen könne (siehe
instituts für Bevölkerungsforschung (Stand: Aug.
auch → Einwanderungsgesellschaft,
2018): https://www.destatis.de/DE/Publikationen/
→ Aufnahmegesellschaft). Thematisch/Bevoelkerung/MigrationIntegration/
Migrationshintergrund2010220177004.pdf?__
Xenophilie ist das Gegenteil von blob=publicationFile

→ Xenophobie und beschreibt eine 3 Vgl. »Zuwanderung wird als Bedrohung emp-
funden«: Interview mit Klaus J. Bade mit Spiegel
Neigung für fremde Dinge oder Men-
Online vom 24.11.2014 http://www.spiegel.
schen. Beides setzt eine Kategorisie- de/kultur/gesellschaft/leitkultur-debatte-zu-
rung in »fremd« und »nicht fremd« wanderung-wird-als-bedrohung-empfun-
voraus. den-a-329285-druck.html
Kriminalitätsberichterstattung 1

21
Die Berichterstattung über Straftaten nimmt in den meisten Medien viel Raum ein.
Dabei herrscht immer noch das Vorurteil, Geflüchtete oder Menschen mit inter-
nationaler Geschichte würden häufiger straffällig als biografisch Deutsche und
ihre Herkunft hätte ursächlich damit zu tun. Bei Aussagen über Kriminalität unter
bestimmten Gruppen besteht stets die Gefahr einer unzulässigen Pauschalisie-
rung und entsprechender Fehlschlüsse. Die folgenden Erläuterungen und Empfeh-
lungen sollen dazu beitragen, differenziert über Straftaten zu berichten.

Ausländerhass, Fremdenfeindlichkeit Banden wird in der Kriminalitätsbe-


sind als Synonyme für → Rassismus richterstattung häufig als Schlagwort
und rassistische Tatmotive ungenau, verwendet, um mit dem Zusatz »aus
da es selten um tatsächliche Fremde Südosteuropa« einen Hinweis auf
wie etwa Tourist*innen geht. Von der → Roma zu implizieren. Der Begriff
vermeintlichen »Ausländerfeindlich- sollte verwendet werden, wenn er
keit« sind oft deutsche Staatsangehö- juristisch angebracht ist. So definiert
rige betroffen. Werden Ausländerhass der Bundesgerichtshof eine Bande als
oder Fremdenfeindlichkeit als Motive »Zusammenschluss von mindestens
genannt, gibt das die Perspektive der drei Personen, die sich mit dem Willen
Täter*innen wieder. Präziser ist es, die verbunden haben, künftig für eine ge-
Straftaten und Motive als rassistisch, wisse Dauer mehrere selbständige, im
rassistisch motiviert, rechtsextrem, Einzelnen noch ungewisse Diebesoder
rechtsterroristisch oder neonazis- Raubtaten zu begehen«. Siehe auch
tisch zu bezeichnen (siehe → Hassver- → Clan.
brechen, Hasskriminalität).
Blutrache bezeichnet ausschließlich
Ausländerkriminalität sollte nicht als schwere Gewalttaten oder Morde zur
eine Bezeichnung für alle Straftaten Vergeltung der Tötung von Familien-
verwendet werden, die von → Auslän- mitgliedern. Mitunter wird Blutrache
dern begangen werden, sondern als zur Beschreibung anderer Straftaten
Oberbegriff für Verstöße, die nur von verwendet, die von → Einwanderern
Ausländer*innen begangen werden oder deren Nachkommen begangen
können, wie z. B. Visavergehen oder werden. Dabei handelt es sich aber in
Verstöße gegen Asylgesetze. Alle an- vielen Fällen schlicht um Rache oder
deren Straftaten können konkret be- Racheakte.
nannt werden – es ist bei Delikten,
die Ausländer*innen seltener begehen Clan gehört zu den Begriffen, die eben-
(z. B. Steuerflucht) auch nicht von so wie die Schlagworte »Großfamilie«
»Deutschen-Kriminalität« die Rede. oder »Sippe« auch ohne einen Hinweis
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
auf die Herkunft implizieren, dass es
in einem Bericht um → Einwanderer
stämmige Behrouz F.« hin-
gegen machen eher deutlich,
22
geht. Alternativ kann schlicht von einer dass Behrouz F. weder echter Kölner
kriminellen Bande die Rede sein. noch Deutscher ist oder sein kann.
Auch weil z. B. nicht alle Mitglieder
einer Familie (Kleinkinder, Großeltern) Der türkischstämmige Tatverdächtige
sämtlich kriminell sind. (besser: → türkeistämmige) Grund-
sätzlich sollte die Herkunft von Straftä-
Clan-Kriminalität ist ein stigmatisie- ter*innen oder Verdächtigen nur dann
render Begriff, der ganze Familien von genannt werden, wenn ein Bezug zur
→ Einwanderern, auch Kinder, Groß- Tat besteht und die Information zum
eltern und andere Verwandten als Verständnis notwendig ist. Das wäre
kriminell bezeichnet. Zutreffender ist etwa der Fall, wenn z.B. ein kultureller
es von organisierter Kriminalität zu oder religiöser Hintergrund bei der Ent-
berichten. Siehe → Bande. scheidung in einem Gerichtsverfahren
berücksichtigt wird. Gibt es keinen
Der Gesuchte spricht Deutsch mit tür- sachlichen Bezug zum Tathergang, wird
kischem Akzent ist in fast allen Fällen durch die explizite Nennung der eth-
eine vage Vermutung. Es ist schwer nischen Herkunft von Straftäter*innen
unterscheidbar, ob ein Mensch einen oder Verdächtigen in der Nachricht ein
türkischen, kurdischen, persischen, vermeintlich ursächlicher Zusammen-
berberischen oder anderen Akzent hang hergestellt. Zum Vergleich: Es ist
hat. Entsprechend kann in Meldungen auch nicht üblich, von deutschstämmi-
zur Fahndungshilfe wahrheitsgemäß gen Täter*innen zu sprechen.
formuliert werden spricht Deutsch
mit Akzent oder sprach Deutsch mit Ehrenmord definieren Expert*innen für
einem Akzent, der vom Zeugen als das Bundeskriminalamt so: »Tötungs-
türkisch eingeschätzt wurde. delikte, die im Kontext patriarchalisch
geprägter Familienverbände oder Ge-
Der Kölner Behrouz F. bei der Nen- sellschaften vorrangig von Männern
nung von Namen oder Alias-Namen in an Frauen verübt werden, um die aus
Berichten ist eine Verbindung mit dem Tätersicht verletzte Ehre der Familie
Wohnort zu empfehlen. Auch eine Nen- oder des Mannes wiederherzustellen«2.
nung des Wohnbezirks kann sinnvoll Teils wird die Bezeichnung jedoch all-
sein, weil sie oft mehr Aussagekraft hat gemein verwendet, zum Beispiel wenn
als die Herkunft. Vor allem in ausführli- ein türkeistämmiger Mann seine Frau
chen Berichten, ist es meist aufschluss- umbringt. In vielen Fällen würde die
reicher zu erfahren, ob Behrouz F. in gleiche Tat, begangen in einem → stan-
einem Arbeiterkiez oder Nobelviertel darddeutschen Umfeld, Familientra-
wohnt. Formulierungen wie »der Iraner gödie oder Beziehungstat genannt. Die
Behrouz F. aus Köln« oder »der iranisch- Weltgesundheitsorganisation (WHO)
verwendet für solche Taten den Begriff
Femizid. Alternative: Frauenmord
Ideologien der Ungleichwer-
tigkeit sind Weltanschauun-
23
(siehe → Mord im Namen einer ver- gen, in denen die Gleichwertigkeit und
meintlichen Ehre). Gleichberechtigung aller Menschen
grundlegend abgelehnt werden. Ideolo-
Extremismus bezeichnet laut Poli- gien der Ungleichwertigkeit sind u. a.
zei und Verfassungsschutz extreme → Rassismus, → Antisemitismus, Sexis-
politische Haltungen, mit dem Ziel mus, Sozialdarwinismus, Chauvinismus
sie gegen die freiheitlich-demokrati- sowie Homo- und Transfeindlichkeit.
sche Grundordnung durchzusetzen. Sie können sich in → Hasskriminalität
Extremist*innen handeln verfassungs- äußern.
feindlich, oft auch gewaltsam. Der
Begriff ist umstritten, weil er undiffe- Messereinwanderung ist ein propa-
renziert ist und voraussetzt, dass es gandistischer Begriff, den die AfD-Bun-
nur einen extremen linken und rechten destagsfraktion 2018 aufgebracht hat
Rand gibt. → Ideologien der Ungleich- und der von einigen Boulevard-Medien
wertigkeit und die Ablehnung der (»Messer-Angst!«) aufgenommen wurde.
Demokratie finden sich jedoch auch Für die Behauptung, Gewalttaten von
in der Mitte der Gesellschaft. Um- → Migranten mit Messern seien bun-
gangssprachlich wird Extremismus oft desweit stark angestiegen seien, gibt es
irrtümlich mit → Radikalismus gleich- keine seriösen statistischen Belege,
gesetzt. Siehe auch → Rechtsextremis- u. a. weil Landesbehörden solche Straf-
mus. taten auf sehr unterschiedliche Weise
erfassen.
Hasskriminalität, Hassverbrechen
deutsch für Hate-Crime , bezeichnet Mord im Namen einer vermeintlichen
Gewalt- und Straftaten, die z. B. durch Ehre / Mord im Namen eines altherge-
→ Rassismus, religiöse Intoleranz, brachten Begriffs von Ehre sind reflek-
Trans- oder Homofeindlichkeit und tierte Alternativen für → Ehrenmord,
Ähnlichem motiviert sind. Hasskrimi- wenn man sich in der Berichterstattung
nalität ist sinnvoll zur Benennung von vom Motiv des Täters distanzieren
Straftaten, wenn die Betroffenen von will. Die Weltgesundheitsorganisation
den Täter*innen als »anders« und nicht (WHO) verwendet für solche Morde den
als gleichwertige Menschen angesehen politischen Begriff Femizide. Handelt
werden. In der Kriminologie werden die es sich eindeutig um einen Mord im
Fachbegriffe Vorurteilskriminalität Namen einer vermeintlichen Ehre, kann
und Vorurteilsverbrechen benutzt. man der Idee der Istanbuler Initiative
Wissenschaftlich formuliert wäre das »Kadın Cinayetlerini Durduracagız« fol-
Motiv gruppenbezogene Menschen- gen: Die Frauenrechtlerinnen plädieren
feindlichkeit. für den Begriff Frauenmord als Syn-
onym, da er die Betroffenen und die Tat
Kriminalitätsberichterstattung
in den Fokus rückt. Allerdings zählen
zu den Opfern manchmal auch Männer,
24
die am vermeintlichen »Ehrbruch« be-
teiligt waren oder homosexuell sind.

Opfer ist in der Kriminalitätsbericht-


erstattung gängig als Bezeichnung für
Betroffene von Gewalt oder Diskrimi-
nierung. Mit dem Begriff werden aller-
dings Eigenschaften wie Hilflosigkeit
oder Versagen assoziiert. Eine mögliche
Alternative ist: Betroffene.

Osteuropäischer Herkunft, arabisch-


stämmig etc. sind meist mutmaßliche
Beschreibungen und sollten mit Be-
dacht verwendet werden. Grundsätzlich
sind in Fahndungshilfen nur Formulie-
rungen zu empfehlen, die auf Tatsachen
beruhen und wirklich hilfreich sind.
Die Zuordnung eines Menschen zu gro-
ßen Regionen, wie Arabien, Osteuropa,
Asien etc. sind kaum nützlich für die
Fahndung, dafür aber stark verallgemei-
nernd (siehe → der Gesuchte spricht
Deutsch mit türkischem Akzent).
1 Teile der Erläuterungen im Glossar zur Kriminali-
tätsberichterstattung sind dem Beitrag entnom-
Radikalismus beschreibt radikale men »... denn sie wissen nicht, was sie tun. Wie
politisch-ideologische Positionen, die Journalismus die Integrationsdebatte beein-
die Grundwerte unserer freiheitlichen flusst«, Konstantina Vassiliou-Enz, in »Vielfältiges

Demokratie nicht generell in Frage stel- Deutschland«, Bertelsmann- Stiftung (Hrsg.), 2014
(www. neuemedienmacher.de/denn-sie-wissen-
len. Man kann Radikalismus als eine
nicht-was-sie-tun-wie-journalismus-die-integra-
Art legale Vorstufe zum → Extremismus
tionsdebatte-beeinflusst/)
betrachten. Radikale haben zum Ziel 2 Studie »Ehrenmorde in Deutschland 1996 bis
unsere Gesellschaftsordnung grundle- 2005« von der Kriminologischen Abteilung des
gend zu verändern, bewegen sich dabei Max-Planck-Instituts im Auftrag des Bundeskri-

aber noch innerhalb der Grenzen der minalamts. Interview von 2014 dazu: http://me-
diendienst-integration.de/artikel/ehrenmord-stu-
Verfassung. »Radikale politische Auf-
die-kasselt-kein-islamrabatt.html
fassungen haben in unserer pluralisti- 3 Bundesamt für Verfassungsschutz, Glossar
schen Gesellschaft ihren Platz«, heißt (https://www.verfassungsschutz.de/de/service/
es laut Verfassungsschutz3. glossar/_lR)
Musliminnen und Muslime 25
Wer genau sind eigentlich »die Muslime«? Und gibt es »den Islam« überhaupt?
Tatsächlich ist das Themenfeld viel komplexer, als es oft wahrgenommen wird.
Bereits zur Frage, wie viele Muslim*innen in Deutschland leben, gibt es Differen-
zen.1 Die offizielle Angabe von 4,4 bis 52 Millionen muslimischen Einwohner*innen
in Deutschland ist beispielsweise eine Hochrechnung, bei der vor allem nach
Herkunftsland und nicht nach Religiosität gezählt wird. In jedem Fall aber steht
fest: Die Mehrheit der eingewanderten Menschen in Deutschland kommt nicht aus
islamischen Ländern, sondern aus christlich geprägten.
Trotzdem werden Berichte über Integrationsthemen häufig unreflektiert mit der
Islamdebatte verknüpft. Geht es um Religionsfragen von Eingewanderten, steht
ebenfalls meist nur »der Islam« im Fokus. Diese Verengung betrachten Kritiker*in-
nen als problematisch. Aus diesen Gründen ist es sinnvoll mit den gängigen Be-
griffen zum Thema Islam vertraut zu sein.

Aleviten sind eine eigenständige Reli- schaften zugewiesen werden und die
gionsgemeinschaft, die ihren Glauben als nicht zugehörig eingeordnet wird.
als Yol (mystischer Weg) bezeichnet.
Das Alevitentum hat sich aus vorisla- Islamische Beschneidung von
mischen, schiitischen und mystischen Jungen (arab. Khitan), wird von vielen
Elementen in Anatolien entwickelt, so Muslim*innen als religiöse Pflicht
dass unterschiedliche Verständnisse angesehen und ist weitgehend etablier-
darüber existieren. Zahlreiche → türkei- te Praxis. Sie wird im Laufe der Kind-
stämmige Einwanderer sind bspw. heit vor der Pubertät durchgeführt.
Aleviten, darunter auch viele Kur- Mit der Beschneidung werden Jungen
den. rituell in der islamischen Gemein-
schaft sozialisiert. In Deutschland ist
Antimuslimischer Rassismus bezeich- die Beschneidung seit 2012 gesetzlich
net die Diskriminierung von Menschen, geregelt; laut § 1631d des BGB ist sie
die aufgrund ihrer tatsächlichen oder erlaubt, wenn sie »nach den Regeln der
auch bloß zugeschriebenen Religions- ärztlichen Kunst durchgeführt« wird
zugehörigkeit als → Muslime wahr- (siehe auch → Beschneidung im Kapitel
genommen werden. Im Vergleich zu »Jüdinnen und Juden«).
den Begriffen → Islamophobie oder
→ Islamfeindlichkeit verweist die Boko Haram ist eine radikal-islamisti-
Bezeichnung antimuslimischer Ras- sche Terrormiliz, die 2009 im Nordosten
sismus auf die Vorstellung von Mus- Nigerias gegründet wurde. Offiziell
lim*innen als homogener Gruppe, der trägt die Terrorgruppe seit 2009 den
bestimmte (zumeist negative) Eigen- Namen »Jama‘atu Ahlis Sunna Lid-
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
da‘awati wal-Jihad«, der im Deutschen
»Vereinigung der Sunniten für den Ruf
Dschihadismus, Dschihadist
wird in der Regel im Zusam-
26
zum Islam und für den Dschihad« be- menhang mit militanten, gewaltbe-
deutet. Sie wird im Allgemeinen jedoch reiten → Islamisten verwendet, deren
weiterhin Boko Haram genannt, was Ideologie zufolge der → Dschihad den
meist übersetzt wird mit »Westliche bewaffneten Kampf meint, der jedem
Bildung ist verboten«. Entstanden ist Muslim vorgeschrieben sei, solange
sie aus der gleichnamigen sekten- muslimische Gebiete unter Besetzung
ähnlichen Gruppierung, die seit 2002 sind oder »Ungläubige« gegen Muslime
im Nordosten Nigerias offen als eine kämpfen.
fundamentalistisch-islamistische Ge-
meinschaft operierte. Ziel von Boko Euro-Muslime geht auf den Begriff des
Haram ist, einen islamischen Gottes- Euro-Islam zurück, den der Islamwis-
staat nach dem »Recht« der → Scharia senschaftler Bassam Tibi 1991 in die
zu errichten; 2014 rief die Miliz in den wissenschaftliche Diskussion einge-
von ihr beherrschten Gebieten im bracht hat. Der Begriff beschreibt eine
Norden Nigerias ein islamisches Kalifat bestimmte säkularisierte Form des
aus, ähnlich wie der → IS kurz zuvor Islam, die sich dadurch herausbilden
im Nordirak. soll, dass in Europa lebende Muslim*in-
nen Pflichten und Prinzipien des Islam
Burka verhüllt den ganzen Körper, den mit Werten der modernen europäischen
Kopf und das Gesicht; die Augen sind Kultur kombinieren. Mittlerweile gibt
von einem Stoffgitter verdeckt; vor es aber auch konservativere Ausle-
allem typisch in Afghanistan und teils gungen eines Euro-Islam, weshalb der
in Pakistan. Burka wird oft falsch ver- Begriff wissenschaftlich umstritten
wendet, wenn eigentlich ein Gesichts- ist. In der Berichterstattung kommt
schleier gemeint ist, der die Augen Euro-Muslim vor allem als Selbstbe-
freilässt, also ein → Niqab (siehe auch zeichnung vor.
→ Tschador).
Fatwa (arabisch) ist eine Rechtsaus-
Dschihad wird meist mit »Heiliger kunft von einer muslimischen Auto-
Krieg« assoziiert, bedeutet zunächst rität, die auf Anfrage ein religiöses oder
»Anstrengung«, »Mühe« und kann sich rechtliches Problem klärt. Anders als
auch auf einen inneren Auftrag bezie- ein Gerichtsurteil beruht die Fatwa auf
hen, z. B. beim Kampf gegen »das Böse« der persönlichen Interpretation und
im Herzen (großer Dschihad). Der klei- der jeweiligen islamischen Rechtsschu-
ne oder äußere Dschihad hingegen le ihres Verfassers. Somit können Mus-
besteht in jeder Form der zulässigen lim*innen zur gleichen Frage wider-
Verteidigung von → Muslimen (siehe sprüchliche Fatwas erhalten. Oftmals
auch → Pop-Dschihadismus). werden Fatwas als praktische Lebens-
beratung zu Alltagsfragen erlassen.
Fundamentalist stammt aus der
Geschichte der christlichen Kirchen
Hijab / Hidschab bedeutet Ver-
hüllung und wird in Deutsch-
27
und bezeichnete Angehörige einer land oft wie → Kopftuch verwendet. Ge-
Strömung im Protestantismus der USA meint ist ein Tuch, das den Kopf, meist
Anfang des 20. Jh.s. Inzwischen wird auch den Hals und teils die Schultern
der Begriff auch im politischen Kontext bedeckt, das Gesicht aber freilässt.
benutzt. Es ist aber umstritten, ob er Inspiriert durch Tradition oder Mode
auf bestimmte Strömungen im Islam gibt es viele verschiedene Trageweisen
anwendbar ist. Alternativ kann man auf des Hijab, meist liegt das Tuch relativ
Formulierungen zurückgreifen wie eng an.
rückwärtsgewandte oder konser-
vative Muslime oder altherkömmlich Imam ist das arabische Wort für den,
gläubige Muslime. Handelt es sich bei der vorne steht/vorsteht. In deutschen
den zu Bezeichnenden um militante Medien ist damit meist die religiöse
Fundamentalist*innen (allen Glaubens), Führung islamischer Gemeinden oder
kann man von Terroristen sprechen. ein Vorbeter gemeint, obwohl die Vor-
beter in türkischen Gemeinden i.d.R.
Hadith / pl. Ahadith (arab. Bericht, Hoca heißen. Zu den Aufgaben von
Erzählung) In den Ahadith wurde das Imamen in Deutschland, gehören
Reden, Handeln oder billigende Schwei- neben dem Vorbeten und Predigen,
gen des Propheten festgehalten. Die Ge- die religiöse Unterweisung für Kinder
samtheit der Ahadith bildet die Sunna; und Erwachsene, die Seelsorge und der
neben dem → Koran ist sie die zweite interreligiöse Dialog. Andere Begriffe
Hauptquelle für islamische Theologie für dieses Amt sind Scheikh und
und islamisches Recht sowie Ethik und Murshid. Frauen können z. B. als
Glaubenspraxis. weibliche Hoca, Murshida, Weize
oder Sheika einer islamischen Ge-
Halal und Haram sind aus dem Arabi- meinde vorstehen oder Funktionen
schen stammende Begriffe aus dem religiöser Autoritäten ausüben (Koran-
Koran, wobei Halal »erlaubte« Ver- interpretation, Erstellung von Rechts-
haltensweisen bezeichnet, während gutachten); Imaminnen beten meis-
Haram »Unerlaubtes« festlegt. Bei tens nur weiblichen Gläubigen vor.
Lebensmitteln sind bspw. Schweine-
fleisch und Alkohol haram, wobei viele Islamfeindlichkeit bezeichnet eine
Muslim*innen mit den Nahrungsmit- generell ablehnende Haltung gegen-
telgeboten eher individuell umgehen. über dem Islam und seinen Glaubens-
Auch für die Herstellung der Lebens- richtungen, sowie gegenüber Menschen
mittel gibt es Regeln, weshalb viele muslimischen Glaubens und ihren
Hersteller mittlerweile mit Halal-Zertifi- religiösen Praktiken. Im Gegensatz zu
katen werben (siehe auch → Koscher im → Islamophobie benennt Islamfeind-
Kapitel »Jüdinnen und Juden«). lichkeit eine aktive Ablehnung, keine
Minderheiten | Musliminnen und Muslime
diffuse Angst (Phobie, griechisch:
Angst). Synonym kann auch der Begriff
zusammensetzen. Die Terro-
rist*innen selbst lehnen diese
28
→ antimuslimischer Rassismus ver- Namen ab, weil sie im Arabischen nega-
wendet werden, weil er verdeutlicht, tive Bedeutungen haben (siehe auch
dass es dabei weniger um Religionsfra- → Pop-Dschihadismus).
gen geht, sondern vielmehr um Aus-
grenzung. Islamismus, Islamist, politischer Islam
Islam und Islamismus sind nicht das-
Islamisch bezieht sich als Adjektiv selbe. Islamismus meint zunächst die
nicht auf Menschen, sondern nur auf Verknüpfung von Islam und Politik, also
Objekte mit Islambezug und auf den den sogenannten politischen Islam.
Glauben selbst, z. B. islamische Theo- Islamismus ist daher nicht gleichzuset-
logie (nicht → muslimische ), islami- zen mit Terrorismus. Islamist zu sein
scher Feiertag, islamischer Verein bedeutet, islamistischer Gesinnung zu
oder islamische Länder. sein – das allein ist nicht verboten, son-
dern nur in Verbindung mit strafbaren
Islamischer Staat (IS) ist die derzeit Handlungen nicht erlaubt (siehe auch
gängige Bezeichnung für eine seit 2003 → Mutmaßlicher Islamist).
aktive dschihadistisch-salafistische
Terrororganisation. Zuvor nannte sie Islamkritik beschreibt die theologische,
sich ISI (Islamischer Staat im Irak), ethische oder politische Kritik am Islam
änderte ihren Namen 2013 in »al-Daw- und kann eine Form der Religionskritik
lah al-Islamiyah fi al-Iraq wa al-Sham« sein. In öffentlichen Debatten werden
(arabisch: Islamischer Staat im Irak jedoch oft auch antimuslimische oder
und der Levante3), dessen Abkürzung → islamfeindliche Äußerungen als
ISIL von der US-amerikanischen und Islamkritik bezeichnet, die weniger auf
der britischen Regierung verwendet Fakten als auf Ressentiments beruhen
wird. Die im Deutschen auch gebräuch- und sich pauschal gegen → Muslime
liche Bezeichnung ISIS (Islamischer richten (siehe auch → antimuslimi-
Staat in Irak und Syrien bzw. Großsy- scher Rassismus).
rien) vernachlässigt, dass der Macht-
anspruch der Gruppe über die beiden Islamophobie entspricht nicht der
Länder hinausreicht. 2014 änderte wörtlichen Übersetzung »Islam-Angst«,
die terroristische Organisation sich sondern ist der wissenschaftliche
namentlich erneut um in IS (Isla- Begriff für die generelle Ablehnung
mischer Staat), um Staatsgrenzen für des Islam und von tatsächlichen oder
bedeutungslos zu erklären. Manche mutmaßlichen → Muslimen. Daneben
Politiker*innen benutzen offiziell die beschreibt Islamophobie auch die
Bezeichnungen Daesh (Frankreich) stereotypisierende Darstellung von
oder DEAS / DAES (Türkei), die sich aus Muslim*innen (u. a. auf islamfeind-
den arabischen Initialen der Gruppe lichen Blogs), sowie diskriminierendes
Verhalten gegenüber muslimischen
Menschen bzw. solchen, die dafür
aus. (siehe → Kopftuch und
→ Säkulare Muslime)
29
gehalten werden. Es ist nicht ratsam
ausschließlich diesen Begriff in der Be- Koran / Qur‘an (arab. Lesung, Rezitati-
richterstattung zu benutzen, weil »Pho- on) ist die Heilige Schrift des Islams. Er
bie« im Griechischen Angst bedeutet ist in Reimprosa abgefasst und enthält
und die oben beschriebene Ablehnung gemäß dem Glauben von → Muslimen
wegen mutmaßlicher Ängste verbal die wörtliche Offenbarung Gottes, die
legitimiert wird. Alternativen sind: an den Propheten Mohammed, durch
→ Islamfeindlichkeit und → anti- den Engel Gabriel herabgesandt wurde.
muslimischer Rassismus. Der Koran ist die wichtigste Quelle für
islamische Theologie und islamisches
Kopftuch kann im Gegensatz zum Recht, sowie Ethik und Glaubenspraxis.
eher eng anliegenden → Hijab auch Dennoch umfasst er nicht alle Belange
ein locker um den Kopf geschlunge- und Fragestellungen von Muslim*in-
nes Tuch sein. Je nach Auslegung des nen. Eine weitere bedeutende Quelle
Korans, politischer Lage und persön- ist die Sunna (überlieferte Norm) des
licher Einstellung, ist es Musliminnen Propheten, in der mündlich überlieferte
freigestellt, sich zu verhüllen, oder gibt Aussprüche und Taten Mohammeds in
es eine Pflicht, die Haare zu verdecken. den → Hadith / pl. Ahadith festgehalten
Laut einer Umfrage unter Muslimin- wurden.
nen in Deutschland trägt von den stark
Gläubigen unter ihnen jede Zweite nie Kulturmuslime beschreibt Muslim*in-
ein Kopftuch.4 In Ländern wie Iran, nen, die den Islam zwar nicht prakti-
Saudi-Arabien oder den Vereinigten zieren, sich aber einer islamischen
Arabischen Emiraten sind Frauen ge- Kultur zugehörig fühlen. Der Begriff
setzlich verpflichtet, sich zu bedecken, taucht in der Berichterstattung meist
wenn sie von nicht verwandten Män- als Selbstbezeichnung auf (siehe auch
nern gesehen werden könnten. → Pop-Muslime, → Neo-Muslime, → Li-
berale Muslime, → Säkulare Muslime).
Kopftuchträgerin wird oft synonym für
praktizierende Musliminnen verwen- Liberale Muslime wurde 2010 durch
det. Grundsätzlich ist die Reduzierung die Gründung des Liberal-Islamischen
einer Person auf ein äußeres Merk- Bunds (LIB)5 als Begriff etabliert und ist
mal problematisch, vor allem bei den die Selbstbezeichnung einer Gruppe
mitunter abfällig gemeinten Begriffen von → Muslimen, die zeitgemäße Zu-
»Kopftuchfrau« oder »Kopftuchmäd- gänge zum → Koran proklamieren und
chen«. Diese Zuschreibungen sagen eine pluralistisch-freiheitliche Auffas-
wenig über die vielfältigen Gründe, sung des Islam vertreten. Der LIB grenzt
Weltanschauungen, Auslegungen und sich bewusst von den → Säkularmusli-
Glaubenspraktiken von Musliminnen men und den islamischen Verbänden
Minderheiten | Musliminnen und Muslime
(wie Ditib, Zentralrat der Muslime
usw.) ab.
aber muslimische Religion,
sondern → islamische. Ebenso
30
richtig ist islamische Länder, nicht
Mohammedaner ist ein veralteter Be- muslimische Länder.
griff und als Synonym für → Muslime
unpassend, weil Muslim*innen Mo- Mutmaßlicher Islamist taucht in
hammed nicht als Gott verehren. In der Medienberichten häufig auf und ist
Regel findet der Begriff auf einschlägig irreführend: → Islamist zu sein, ist nicht
islamfeindlichen Blogs Verwendung verboten, d. h. die Gesinnung ist nicht
und ist abfällig gemeint. strafbar. Ungesetzlich sind dagegen
islamistisch motivierte Gewalt und
Moslem, Moslemin ist eine etwas Propaganda für verbotene Organisatio-
altmodisch klingende und daher selte- nen wie den → IS. Meist sind also nicht
ner gebräuchliche Bezeichnung für Islamist*innen gemeint, sondern Ter-
→ Muslim bzw. Muslimin. rorverdächtige. Zutreffend könnte zum
Beispiel sein: »Die Polizei nahm einen
Muslime bezeichnet Angehörige der mutmaßlichen Terrorverdächtigen fest.
islamischen Religionsgemeinschaft. Die Behörden vermuten, er habe aus
Grundsätzlich gilt es zu hinterfragen, islamistischen / religiös begründe-
ob die Zuschreibung einer Religion rele- ten Motiven gehandelt.«
vant und zutreffend ist. Beispiel: Warum
wurde die Religionszugehörigkeit bei Neo-Muslime beschreibt eine in
der »ersten muslimischen CDU-Bundes- Deutschland sozialisierte und selbst-
tagsabgeordneten« Cemile Giousouf bewusste muslimische Generation, in
2013 so stark thematisiert? Häufig wird die auch Konvertit*innen inbegriffen
Muslim*innen auch als Synonym für sind. Nach Eren Güvercin beziehen
→ Einwanderer und ihre Nachkommen sich »Neo-Moslems« auf die fünf
verwendet, was sachlich falsch ist: Säulen des Islam (Glaubensbekennt-
Nur ein Viertel aller → Menschen aus nis, Fasten, tägliches Gebet, Pilgerfahrt
Einwandererfamilien in Deutschland nach Mekka, Abgabe an Bedürftige
sind Muslim*innen und es gibt deut- und Arme) und sind gesellschaftlich,
sche Muslim*innen ohne Migrations- kulturell oder politisch engagiert.
hintergrund (siehe → Euro-Muslime, Neo-Muslime ist mehr ein spieleri-
→ Kulturmuslime, → Liberale Muslime, scher Begriff als eine feste Kategorie
→ Neo-Muslime, → Pop-Muslime, (siehe auch → Pop-Muslime).
→ Säkulare Muslime).
Niqab ist ein Gesichtsschleier, der nur
Muslimisch wird als Adjektiv in Bezug die Augen freilässt. Ein Niqab wird
auf Menschen verwendet z. B. mus- teils in Verbindung mit einem langen,
limische Frau, muslimischer Schüler meist schwarzen mantelähnlichen Um-
oder muslimische Bevölkerung, nicht hang getragen (z. B. in Saudi-Arabien,
Jemen, Oman, Vereinigte Arabische
Emirate, Kuwait, Katar). In anderen
sündenloses Leben große Be-
deutung. Anhänger*innen des
31
arabischen Ländern heißt dieser Man- Pop-Dschihadismus sind Jugendliche
tel oder Umhang Abaya, im Iran aller Schichten und Nationalitäten. Sie
→ Tschador (siehe auch → Burka). werden teils schnell militant und zu
Kämpfern des → IS.
Opferfest Das islamische Opferfest
zählt zu den wichtigsten islamischen Pop-Muslime bezeichnet meist junge
Ereignissen. Es dauert vier Tage, der Muslim*innen, die konservative Reli-
Zeitpunkt berechnet sich nach dem giosität mit modernem Lebensstil zu-
islamischen Mondkalender und ver- sammenbringen und ihre Zugehörigkeit
schiebt sich jedes Jahr. Wer es sich zur deutschen Gesellschaft betonen.
leisten kann, soll laut Brauch ein Tier Der Begriff geht zurück auf das Buch
opfern bzw. schlachten (lassen) und »Zwischen Pop und Dschihad« von
das Fleisch unter den Armen verteilen. Julia Gerlach (2006). Mitunter werden
Üblich ist es, das Fleisch im eigenen Pop-Muslime als Akteur*innen einer
Umfeld zu verteilen und zum Opferfest jungen Protestkultur gesehen, deren Re-
zu gratulieren. ligiosität zwar zentral ist, aber vor allem
als Mittel zur Provokation und Abgren-
Pop-Dschihadismus bezeichnet eine zung gilt. Daher wird Pop-Muslim*in-
radikale Jugendsubkultur des → Dschi- nen teils eine Nähe zur militant-isla-
hadismus in Einwanderungsländern mistischen Szene nachgesagt (siehe
wie Deutschland. Charakteristisch sind auch → Kulturmuslime, → Neo-Muslime,
moderne Elemente der Popkultur, die → Pop-Dschihadismus).
für eine eher weltliche und politische
Propaganda genutzt werden, im Unter- Radikaler Islam / radikale Muslime sind
schied zu den stärker theologisch problematische Zuschreibungen, weil
fundierten Argumentationsmustern, sie pauschalisieren, so wie »radikales
etwa im politischen → Salafismus. Ins- Christentum« oder »radikales Juden-
trumente dieser Propaganda sind neue tum«. Gerade im Zusammenhang mit
Medien, Filmclips im Stil von Musikvi- Sicherheits- und Terrorismusdebatten
deos oder T-Shirts mit entsprechenden werden die Begriffe oft verwendet. Pas-
Insignien. Meist männliche Vorbilder sender könnte sein: religiös begrün-
vermitteln orientierungslosen Jugend- deter oder motivierter Extremismus.
lichen einen neuen Lebenssinn, in dem
Gruppenzugehörigkeit, ähnlich wie Ramadan ist der muslimische Fasten-
bei → Neonazi-Kameradschaften, wich- monat. Er berechnet sich nach dem
tig ist.6 Religiöse Inhalte dienen im islamischen Mondkalender und ver-
Pop-Dschihadismus nur als Begrün- schiebt sich jedes Jahr. Dabei verzich-
dungsmuster, vor allem haben das Para- ten Muslim*innen 29 bis 30 Tage lang,
dies-Versprechen und ein vermeintlich von Morgendämmerung bis Sonnenun-
Minderheiten | Musliminnen und Muslime
tergang, unter anderem auf Essen und
Trinken. Zum Ende des Fastenmonats
waltbereite Gruppe unter ihnen
als Salafisten zu bezeich-
32
wird drei Tage lang das Ramadan-Fest nen, in Abgrenzung zu unpolitischen
gefeiert – auch bekannt als Zucker- Salafiten7 oder Salafis. Militante
fest. Salafist*innen sind dementsprechend
gewaltbereite → Islamisten (siehe auch
Säkulare Muslime beschreibt Mus- → Pop-Dschihadismus, → Sunniten).
lim*innen, die für eine Trennung von
Staat und Religion sind und ist ein Scharia ist keine Gesetzessammlung
differenzierender Zusatz wie z. B. aus dem → Koran, sondern ein Regel-
praktizierende Muslimin. Präzise Be- werk, das auf Interpretationen des
schreibungen sind oft mehrdeutig: So Koran basiert. Neben radikalen
kann eine praktizierende Muslimin Scharia-Forderungen gibt es auch
auch ohne → Kopftuch auskommen verfassungskonforme, alternative
oder eine Frau, die ein Kopftuch trägt, Scharia-Konzepte, die Muslim*in-
durchaus säkular sein. Im Diskurs der nen im Alltag als Richtlinie religiösen
Deutschen Islamkonferenz (DIK) gelten Lebens dienen können.
nicht-organisierte muslimische Teil-
nehmer*innen als säkulare Muslim*in- Schiiten sind eine der Hauptgruppen
nen, was allerdings suggeriert, dass in unter den vielen Strömungen im Islam.
Verbänden organisierte Muslim*innen Die Spaltung erfolgte historisch auf-
automatisch nicht säkular seien. grund der Auseinandersetzungen um
die Frage der rechtmäßigen Führung
Salafismus, Salafisten wird in Deutsch- der Gemeinschaft der → Muslime, nach
land vor allem vom Verfassungsschutz dem Tod des Propheten Mohammed.
verwendet. Die so benannten Gläubigen Schiiten folgen nur dem vierten der
sind eine sehr kleine Minderheit unter Kalifen, Ali ibn Abi Talib. Dieser ist
den sunnitischen Muslim*innen und auch für die Aleviten der einzig recht-
bezeichnen sich selbst zum Teil mit mäßige Nachfolger Mohammeds.
dem auch in der Islamwissenschaft
verwendeten Terminus Salafiten, Sunniten stellen mit rund 85 bis 90 Pro-
mittlerweile ist das arabische Salafis zent weltweit die Mehrheit der Mus-
gängiger. Die Strömung bezieht sich auf lim*innen. Bei der Frage der rechtmäßi-
die »Altvorderen« (Salaf) und eine dog- gen Führung der Gemeinschaft der
matische Interpretation des → Koran, → Muslime, nach dem Tod des Prophe-
die sie als den »wahren« Islam propa- ten Mohammed, erkennen Sunniten
giert. Salafiten oder Salafis sind die vier Kalifen in der Nachfolge Mo-
jedoch keine homogene Gruppe und hammeds als rechtgeleitete Führer der
nicht grundsätzlich gewaltbereit oder Umma, der Gemeinde, an. → Salafismus
terroristisch, sondern oft unpolitisch. ist eine antimodernistische Auslegung
Expert*innen schlagen vor, nur die ge- der Religion des sunnitischen Islams.
Tschador bedeutet auf Persisch »Zelt«
und ist ein den ganzen Körper bede-
33
ckender Umhang. Er wird vor allem von
Frauen im Iran getragen.

1 Vgl. Expertise »Wer ist Moslem und wenn ja,


wie viele?« von Riem Spielhaus, Mediendienst
Integration, 2013 (https://mediendienst-inte-
gration.de/fileadmin/Dateien/Muslime_Spiel-
haus_MDI.pdf) sowie BAMF-Studie »Wie viele
Muslime leben in Deutschland«, Stand: Dez. 2016
(https://www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen/
DE/2016/20161214-studie-zahl-muslime-deutsch-
land.html)
2 Vgl. Pew Research Center (2017): »Euro-
pe‘s Growing Muslim Population«, Nov. 2017
(http://assets.pewresearch.org/wp-content/
uploads/sites/11/2017/11/06105637/FULL-
REPORT-FOR-WEB-POSTING.pdf#page=5)
sowie BAMF-Studie »Wie viele Muslime leben
in Deutschland«, Stand: Dez. 2016 (https://
www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen/
DE/2016/20161214-studie-zahl-muslime-deutsch-
land.html)
3 Levante ist eine im Deutschen etwas altmodische
Bezeichnung für die Länder des östlichen Mittel-
meeres.
4 Muslimisches Leben in Deutschland, Umfrage im
Auftrag der Deutschen Islam Konferenz (2009):
http://www.bmi.bund.de/cae/servlet/content-
blob/566008/publicationFile/31710/vollversion_
studie_muslim_leben_deutschland_.pdf
5 www.lib-ev.de
6 Siehe: »Videoclips aus dem Krieg«, Interview
mit Arabistik- und Islamismus-Expertin Claudia
Dantschke, Süddeutsche Zeitung, 4.11.2014, Seite 6
und www.sueddeutsche.de/politik/islamismus-vi-
deoclips-aus-dem-krieg-1.2202691
7 Salafismus in Deutschland, Thorsten Gerald
Schneiders (Hrsg.), transcript Verlag, Oktober
2014

Minderheiten | Musliminnen und Muslime


Jüdinnen und Juden 34
Vor der Machtübertragung an die Nationalsozialist*innen lebten etwa 500.000 bis
600.000 jüdische Bürgerinnen und Bürger in Deutschland – derzeit wird die jüdi-
sche Bevölkerung in Deutschland auf 250.000 Personen geschätzt.1 Unabhängig
davon ist Antisemitismus auch heute noch in allen Bevölkerungsgruppen präsent,
wie zahlreiche Studien2 regelmäßig belegen. Während allerdings der rassistische
Antisemitismus und der Antijudaismus kaum noch anschlussfähig an die Mehr-
heitsbevölkerung sind, dominieren mit dem israelbezogenen Antisemitismus
und antisemitischen Verschwörungstheorien »moderne« Formen der Judenfeind-
schaft, die im Folgenden erläutert werden.
Insgesamt gilt auch hier festzuhalten: Es gibt nicht »die Juden«. Der jüdischen
Minderheit gehören vielfältige Menschen mit individuellen Lebensentwürfen
und unterschiedlichen Auslegungen des eigenen Judentums an. Ein einheitliches
Gruppenbild zu schaffen, kann nicht gelingen. Präzise Bezeichnungen und Be-
griffe in der Berichterstattung können aber hilfreich sein, damit ein differenzierte-
res Bild in den Medien entsteht.

Antijudaismus ist kein Synonym für verwendet und löste mit rassistischen
→ Antisemitismus, selbst, wenn die Motiven den religiös begründeten
Motive sich teils überschneiden kön- → Antijudaismus ab; diese Rassentheo-
nen. Antijudaismus steht vielmehr rien waren eine Grundlage der Nazi-
für die religiös begründete Ablehnung Ideologie. Öffentliche antisemitische
des jüdischen Glaubens und seiner An- Hetze ist heute in Deutschland strafbar.
hänger*innen und wird deshalb auch Dazu gehört auch die Leugnung des
christlicher, historischer oder re- → Holocaust (siehe auch → sekundärer
ligiöser Antijudaismus genannt (siehe Antisemitismus, → israelbezogener
auch → sekundärer Antisemitismus, Antisemitismus, → Israelkritik).
→ israelbezogener Antisemitismus).
Antizionismus richtet sich gegen die
Antisemitismus ist eine weit verbreite- Ideologie des → Zionismus und kann
te Bezeichnung für Judenfeindschaft. daher implizit als Ablehnung des
Allgemein werden damit sämtliche Existenzrechts des Staates Israel ver-
Formen von Hass, feindlichen Einstel- standen werden. In diesem Fall kann
lungen, Äußerungen, Handlungen man auch von antizionistischem
und Vorurteilen beschrieben, die sich Antisemitismus sprechen/schreiben.
gegen Jüdinnen und Juden und alle Gleichzeitig sind nicht alle, die die
richten, die mutmaßlich als jüdisch unterschiedlichen Ideen zionistischer
wahrgenommen werden. Der Begriff Strömungen kritisieren, automatisch
wurde erstmalig im 19. Jh. öffentlich gegen die Existenz Israels. So gibt es
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
im innerisraelischen Diskurs jüdischen
Antizionismus, der nicht antisemi-
sche → Juden, vor allem in Is-
rael, Argentinien und den USA.
35
tisch ist (siehe auch → israelbezogener
Antisemitismus, → Israelkritik, → Anti- Davidstern ist ein sechszackiger Stern
semitismus). aus zwei übereinandergelegten, gleich-
seitigen Dreiecken und benannt nach
Aschkenasim / Ashkenazim / Aschke- dem jüdischen König David, der etwa
nasen sind ursprünglich nord-, mit- 1.000 → v. d. Z. lebte. Ungefähr seit dem
tel- und osteuropäische → Juden, mit 18. Jh. ist der Davidstern ein Symbol
gemeinsamer religiöser Tradition und für das Judentum und schmückt seit
Kultur. Der Begriff wurde im 9. Jh. von 1948 auch die Flagge des Staates Israel,
eingewanderten Jüdinnen und Juden nachdem er vorher von den National-
für das deutschsprachige Gebiet ge- sozialist*innen als gelber »Judenstern«
prägt und breitete sich von dort aus. missbraucht wurde, um Jüdinnen und
Heute bilden Aschkenasim die größte Juden zu kennzeichnen.
Gruppe im Judentum (siehe auch
→ Sephardim und → Misrachim). Holocaust (griech. vollständig ver-
brannt) bezeichnet die systematische,
Jüdische Beschneidung von neu- massenhafte Ermordung von Jüdinnen
geborenen Jungen, ist in der → Thora und Juden und anderer Minderheiten
vorgeschrieben und hat eine große durch die Nationalsozialist*innen.
Bedeutung im Judentum. Der heb- Eingeführt wurde der Begriff 1979 als
räische Name dafür ist Brit Mila(h) Titel der amerikanischen Fernsehserie
(»Bund der Beschneidung«). Das Ritual » Holocaust – Die Geschichte der
dient der Aufnahme in die jüdische Familie Weiß«, die auch in Deutschland
Gemeinschaft. In Deutschland ist die sehr populär war. Manche Jüdinnen
Beschneidung von jüdischen und mus- und Juden lehnen das Wort allerdings
limischen Jungen erst seit 2012 gesetz- ab, weil das Brandopfer in der → Thora
lich geregelt; laut §1631d des BGB ist sie die Obhut Gottes verspricht, und be-
erlaubt, wenn sie »nach den Regeln der vorzugen deswegen den hebräischen
ärztlichen Kunst durchgeführt« wird Begriff Shoa (auch Shoah, Schoa
(siehe auch → Beschneidung im Kapitel oder Schoah), der für »große Katast-
»Musliminnen und Muslime«). rophe« steht. Bis heute gibt es keinen
eigenen deutschen Begriff für diesen
Chassidismus ist eine religiösmystische historischen Massenmord.
Bewegung, innerhalb des → orthodoxen
Judentums, die besonders im 19. Jh. in Israelbezogener Antisemitismus be-
Osteuropa verbreitet war. Bedeutend da- zeichnet antisemitische Handlungen
bei sind → kabbalistische Konzepte und oder Äußerungen gegenüber oder in
spirituelle Erlebnisse. Heute gibt es nur Bezug auf Israel, dessen Politik oder
noch einige hunderttausend chassidi- Bürger*innen; wenn z. B. dem Staat
Israel unterstellt wird, als heimlicher
Drahtzieher der Weltpolitik zu agieren
konvertieren. Wer von Geburt
an jüdisch ist, ist nicht automa-
36
oder, wie im → sekundären Antisemitis- tisch religiös; viele Jüdinnen und Juden
mus, die israelische Politik gegenüber sind nicht gläubig, sehen sich aber als
Palästina mit der des Nationalsozialis- Teil der jüdischen Gemeinschaft – teil-
mus gleichgesetzt wird. Diese Form weise benennen sie das Judentum als
antisemitischer Gesinnung findet sich ihre kulturelle Identität statt als ihre
in der gesamten Gesellschaft wieder Religion. Einige gläubige Jüdinnen und
und ist sowohl bei linken als auch bei Juden bezeichnen sich als Volk Israel.
rechten Gruppierungen vorhanden (sie- Es ist aber ein Irrtum, Jüdinnen und
he auch → Israelkritik, → Antizionismus, Juden, die in vielen Teilen der Welt le-
→ Antisemitismus). ben, mit Israelinnen / Israelis, also den
Bürger*innen des multiethnischen
Israelkritik Mitunter werden Äuße- Staates Israel, gleichzusetzen (siehe
rungen in öffentlichen Debatten als auch → Aschkenasim, → Sephardim).
Israelkritik bezeichnet, die weniger auf
Fakten als auf antisemitischen Ressen- Kabbala ist eine mystische Tradition
timents beruhen und die sich pauschal im Judentum, bei der spirituelle Erleb-
gegen den israelischen Staat und des- nisse im Mittelpunkt stehen. Ver-
sen Bürger*innen richten. Generell soll- schiedene kabbalistische Schulen sind
ten Aspekte oder Akteur*innen, die im weltweit seit dem 13. Jh. entstanden.
Zusammenhang mit israelischer Politik Heute werden kabbalistische Konzepte
kritisiert werden, in der Berichterstat- vor allem in → chassidischen Gemein-
tung konkret benannt werden. Wenn z. den in den USA und Israel, aber auch
B. wegen der Verfolgung des jüdischen in nicht-jüdischen Kreisen fortgeführt.
Volks höhere moralische Maßstäbe an So wurde in den 1970ern das Kabbalah
die Politik Israels angelegt werden als Center in den USA gegründet, das durch
an andere Länder, handelt es sich um Prominente wie Madonna bekannt
→ israelbezogenen Antisemitismus, wurde.
nicht um differenzierte Kritik (siehe
auch → Antisemitismus, → Antizionis- Kaschrut beschreibt die jüdischen
mus, → Islamkritik). Speisegesetze. In ihnen ist festgelegt,
welche Lebensmittel erlaubt (→ ko-
Juden dem rabbinischen Religionsge- scher) und welche verboten (»treif«/
setz nach alle, deren Mutter Jüdin ist. »trefe«/»treife«) sind (siehe auch → Halal
Weil es immer mehr gemischtkonfes- und Haram im Kapitel »Musliminnen
sionelle Ehen gibt, gilt z. B. bei progres- und Muslime«).
siven Strömungen in den USA auch als
jüdisch, wer einen jüdischen Vater hat Kippa / Kippah bezeichnet die Kopf-
und jüdisch erzogen wird. Ebenso ist bedeckung, die insbesondere während
es möglich, zum jüdischen Glauben zu des Gebets und Studiums der Heiligen
Schriften von männlichen → Juden ge-
tragen wird, in → liberalen Gemeinden
Liberales Judentum bezeich-
net eine Strömung, die im 19.
37
manchmal auch von Frauen. Manche Jh. in Deutschland in Abgrenzung zur
tragen die Kippa auch im Alltag als Orthodoxie entstand. Im Gegensatz
öffentliches Bekenntnis zum Judentum zum → orthodoxen Judentum sind die
oder aus Demut und Ehrfurcht vor Gott. Geschlechter im liberalen Judentum
meistens in allen religiösen Angelegen-
Konservatives Judentum ist eine in den heiten gleichberechtigt: Dies umfasst in
USA entstandene Bewegung, deren Ur- vielen Gemeinden auch die Ordination
sprünge allerdings in Deutschland lie- von Frauen zu → Rabbinerinnen bzw.
gen. In den Vereinigten Staaten bildet Rabba. Durch Auswanderung gelangten
das konservative Judentum, neben dem die Kernideen des liberalen Judentums
liberalen Judentum, heute die größte im 19. Jh. in die USA, wo sie als Reform-
Gruppe. Konservative Jüdinnen und judentum eine andere Entwicklung
Juden legen mehr Wert auf Traditionen nahmen als in Deutschland. In Israel
als → liberale, sie passen die Religions- ist die liberale jüdische Gemeinde recht
gesetze jedoch auch zeitgemäß an. klein. Auch in Deutschland verstehen
Ähnlich wie im → orthodoxen Juden- sich die meisten Gemeinden als → or-
tum werden Gesetze wie bspw. die Spei- thodox, in jüngster Zeit entstehen al-
sevorschriften eingehalten, sie werden lerdings auch hier wieder mehr liberale
aber weniger streng ausgelegt. Zudem Gemeinden. Das liberale Judentum wird
können Frauen im religiösen Ritus des in Europa auch progressives Judentum
konservativen Judentums – je nach Ge- genannt (siehe auch → Neo-Orthodo-
meinde – mehr Rechte haben als in der xie, → Ultraorthodoxie → Konservatives
Orthodoxie. Die Begriffe »konservativ«, Judentum).
»liberal« oder »orthodox« dürfen also
keineswegs mit politischen Richtungs- Misrachim ist eine Fremdbezeichnung
bezeichnungen verwechselt werden. für nicht → aschkenasische Jüdinnen
und Juden, also auch für → Sephardim,
Koscher (hebr. rein, geeignet) ist alles, die vor allem von aschkenasischen
das religiösen jüdischen Gesetzen ent- → Juden in Israel verwendet wird.
sprechend hergestellt oder zubereitet Sie folgen dem sephardischen Juden-
wurde. Welche Speisen koscher sind tum und bezeichnen sich selbst als
bzw. trefe, also nicht koscher, wird Sepharden.
durch die → Kaschrut-Vorschriften
bestimmt. Teilweise gelten die Regeln n. d. Z. / nach der Zeitrechnung / Zeit-
auch für Materialien, wie Stoffe oder wende bzw. v. d. Z. / vor der Zeitrech-
Geschirr (siehe auch → Halal und Haram nung / Zeitwende ist eine Formulie-
im Kapitel »Musliminnen und Musli- rung, die der Jahreszählung mit Bezug
me«). auf die Geburt Jesu Christi dient, ohne
den christlichen Bezug auszudrücken.
Minderheiten | Jüdinnen und Juden
Diese Bezeichnung ist nicht nur im Ju-
dentum gebräuchlich, sondern war zum
können zum Beispiel Schuld-
gefühle aufgrund der NS-Zeit
38
Beispiel auch in der DDR üblich. sein. Der Begriff wurde erstmals im
19. Jh. verwendet, um projüdische
Neo-Orthodoxie ist hauptsächlich Linksliberale abzuwerten (siehe auch
in Westeuropa, vor allem in England, → Xenophilie).
Frankreich und Deutschland, als eine
Strömung der Orthodoxie verbreitet. Pogrom (russ.: Verwüstung) benennt
Sie wurde im 19. Jh. in Frankfurt/ Main gewaltsame Ausschreitungen gegen
gegründet. Wie beim → orthodoxen religiöse, politische, ethnische Gruppen
Judentum entspringen ihre Grund- oder andere Minderheiten. Geprägt
ideen dem traditionellen Judentum, wurde der Begriff vor allem durch die
allerdings findet eine Öffnung zur Novemberpogrome 1938, als die
westlichen Kultur statt, indem z. B. am Nazis die organisierte Zerstörung von
öffentlichen Leben teilgenommen wird jüdischen Geschäften, Häusern, Syna-
(siehe auch → Ultraorthodoxie, → Chas- gogen und die Verfolgung von → Ju-
sidismus, → Konservatives Judentum, den anordneten. Während die vom
→ Liberales Judentum). NS-Regime gelenkten Medien von der
»Judenaktion« oder »Novemberaktion«
Orthodoxes Judentum ist eine der gro- schrieben, bezeichnete der Volksmund
ßen Strömungen, neben dem → konser- die Novemberpogrome, die den Beginn
vativen und dem → liberalen Judentum. der staatlich organisierten Judenverfol-
Sowohl in Deutschland als auch in Isra- gung markierten, schnell als »Reichs-
el ist sie die Einflussreichste. Zentrales kristallnacht« – eine verharmlosende
Merkmal ist die strikte Einhaltung der Anspielung auf die unzähligen Glas-
Vorschriften (hebr.: Mizwot), also der scherben zerstörter jüdischer Geschäfte
Gebote und Verbote, die in der → Thora und Synagogen, die nach den Pogro-
festgelegt sind. Wenn eine Gemeinde men auf den Straßen lagen.
sich als orthodox bezeichnet, bedeutet
es jedoch nicht, dass alle ihre Mitglie- Rabbiner (hebr.: Meister, Lehrer) ist ein
der streng orthodox leben. Innerhalb religiöser Titel, der jüdischen Gelehr-
der Orthodoxie existieren verschiedene ten verliehen wird, die weibliche Form
Richtungen wie → Neo-Orthodoxie, lautet Rabba. Sie werden von ihrer
→ Ultraorthodoxie und → Chassidismus. Gemeinde gewählt und bezahlt. Zu
ihren Aufgaben gehören Seelsorge, in-
Philosemitismus bezeichnet die posi- terkonfessioneller Dialog, Predigen und
tive Neigung zu → Juden und jüdischer Lehren. Als Rabbi werden seit dem
Kultur, die teils wie bei → Antisemitis- Altertum jüdische Gelehrte bezeichnet,
mus von einem homogenen Kollektiv die die → Thora auslegen. Heute werden
ausgeht, dem bestimmte Eigenschaften die Begriffe Rabbiner und Rabbi oft
zugeschrieben werden. Ein Motiv synonym verwendet.
Sabbat / Schabbat / Schabbes ist der
siebte Wochentag, an dem, durch die
und Juden als Sephardim
(siehe auch → Misrachim).
39
→ Thora vorgeschrieben, keine Arbeit
verrichtet werden soll. Er beginnt am Talmud ist ein Gesetzeskodex und
Freitagabend bei Sonnenuntergang und nach dem → Tanach das bedeutendste
endet am Samstagabend nach Eintritt Schriftwerk des Judentums. Im Talmud
der Dunkelheit. steht, wie die → Thora von den ersten
→ Rabbis verstanden und ausgelegt
Sekundärer Antisemitismus äußert wurde. Er liegt in zwei Ausgaben vor,
sich bspw. in Forderungen nach einem dem Jerusalemer Talmud und dem
Schlussstrich oder in dem Vorwurf, die babylonischen Talmud. Wenn einfach
→ Juden hätten eine Mitschuld an der vom Talmud gesprochen wird, ist in der
Verfolgung durch die Nazis oder zögen Regel der babylonische gemeint.
einen Vorteil aus dem → Holocaust. Das
Phänomen konnte unmittelbar nach Tanach / Tenach ist die Heilige Schrift
1945 erstmalig beobachtet werden. Oft des Judentums. Er entstand in einem
ergibt sich diese Form des → Antisemi- 1.200 Jahre andauernden, komplexen
tismus aus einem Schuld- und Scham- Prozess als Sammlung unterschied-
gefühl wegen der Shoa (siehe auch licher religiöser und profaner jüdischer
→ israelbezogener Antisemitismus, Schriften. Der Tanach wurde etwa 100
→ Israelkritik). → n. d. Z. in 24 Bücher eingeteilt und
kanonisiert. Er erzählt die Geschichte
Semiten ist ein sprachwissenschaftli- der Schöpfung und des Volkes Israel
cher Begriff für alle, die eine semitische über einen Zeitraum von 1.300 Jahren.
Sprache sprechen, wie hebräisch, ara- Das Christentum hat alle Bücher des
mäisch oder arabisch und steht nicht Tanach, in etwas anderer Anordnung,
für eine ethnische Gruppe. Ende des 19. als Altes Testament übernommen.
Jh.s benutzten Rassentheoretiker*in-
nen den Begriff »Semiten« synonym Thora / Tora / Torah ist der erste Teil
und abwertend für → Juden, woraus der Heiligen Schrift des Judentums
die Bezeichnung → Antisemitimus für (→ Tanach) und besteht aus fünf Bü-
deren Ideologie entstand. Ansonsten ist chern. Sie ist der Grundstein jüdischen
heute nur noch in der Sprachwissen- Glaubens und eine Quelle für jüdisches
schaft von Semit*innen die Rede. Recht, Ethik und Lebensweise. Daneben
wurde die mündlich überlieferte Lehre
Sephardim sind ursprünglich die Nach- später im → Talmud festgehalten.
kommen von → Juden aus Westund
Südeuropa bzw. den Mittelmeerlän- Ultraorthodoxe Juden ist eine Fremd-
dern, die im 15. Jh. von dort vertrieben bezeichnung für all jene orthodoxen
wurden. Heute bezeichnen sich alle → Juden, die in geschlossenen Gemein-
nicht- → aschkenasischen Jüdinnen schaften, geschlechtergetrennt und
Minderheiten | Jüdinnen und Juden
nach strengen Regeln leben. Sie sind
nicht berufstätig. Die Männer studieren
Gründung Israels 1948 wurde
das zionistische Ziel erreicht.
40
lebenslang die → Thora und werden Heute wird Zionismus als Ideologie in
meistens von Spenden oder in Israel Israel sehr unterschiedlich ausgelegt,
durch den Staat finanziert. Die meisten so gibt es z. B. liberal-sozialdemokrati-
leben in den USA und in Israel (siehe schen, rechtsnationalen oder national-
auch → Orthodoxie, → liberales Juden- religiösen Zionismus. Zionismus wird
tum, → konservatives Judentum, teils undifferenziert als Kampfbegriff
→ Neo-Orthodoxie). gegen Israels Haltung im Nahost-Kon-
flikt benutzt (siehe auch → Antizionis-
Antisemitische Verschwörungs- mus, → Israelkritik).
theorien haben eine lange Tradition
und sind heute vor allem in sozialen
Netzwerken im Umlauf. Schon aus dem
12. Jh. sind Verschwörungsmythen be-
kannt, wie Legenden von Ritualmorden
oder Brunnenvergiftungen, die immer
wieder Judenverfolgungen auslösten.
Mindestens seit dem Beginn des 19.
Jh.s existiert die Verschwörungstheorie
von dem Streben der → Juden nach der
Weltherrschaft, welche auf den ge-
fälschten »Protokollen der Weisen von
Zion« beruht. Noch heute berufen sich 1 Quelle: Berman Jewish Data Bank, »World Jewish
→ Antisemiten auf diese Protokolle, an Population, 2015«, Seite 54f.

die bereits Adolf Hitler glaubte – sie 2 Vgl. exemplarisch Ulrich, Peter/Decker, Oliver/
Kiess, Johannes/Brähler, Elmar: »Judenfeindschaf-
gelten als Schlüsseldokument einer an-
ten – Alte Vorurteile und moderner Antisemitis-
geblichen jüdischen Weltverschwörung. mus«, in: Friedrich-Ebert-Stiftung/ Melzer, Ralf
(Hrsg.): »Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme
Zionismus (von Zion, dem Namen des Einstellungen in Deutschland 2012«, S. 68ff.,

Tempelberges in Jerusalem) bezeich- Bonn, 2012, (www.fes-gegen-rechtsextremismus.


de/pdf_12/ergebnisse_mitte_studie_2012.pdf),
net zum einen die historische jüdisch
PewReserachCenter: »Latest Trends in Religi-
nationalistische Bewegung, die einen
ous Restrictions and Hostilities«, 2015 (www.
jüdischen Staat gründen wollte, und pewforum.org/2015/02/26/religious-hostilities/)
zum anderen gegenwärtige politi- und Deutscher Bundestag: »Antisemitismus in
sche Strömungen. Entstanden ist der Deutschland – Erscheinungsformen, Bedingungen,

Zionismus als Teil des europäischen Präventionsansätze. Bericht des unabhängigen


Expertenkreises Antisemitismus«, Berlin, 2011
Nationalismus des 19. Jh.s. Er war
(www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/
gleichzeitig die Gegenbewegung zum Themen/Gesellschaft-Verfassung/EXpertenkreis_
→ Antisemitismus, der sich damals Antisemmitismus/bericht.pdf?__blob=publicati-
immer weiter verbreitete. Mit der onFile)
Sinti, Sintize, Romnja und Roma 41
Mit etwa zehn bis zwölf Millionen Mitgliedern sind die Angehörigen der verschie-
denen Rom*nja-Gruppen heute eine sehr große und damit natürlich sehr diverse
Minderheit in Europa. Sie ist, wie kaum eine andere, Ziel rassistischer Zuschrei-
bungen und Stereotypisierungen. Damit einher geht eine große Unwissenheit:
So berichten Angehörige von Roma-Vereinen, dass sie beispielsweise immer wie-
der gefragt werden, ob es eine eigene Roma-Religion gebe.
Auch die Berichterstattung in den deutschen Medien über Sinti*ze und Rom*nja
ist häufig negativ konnotiert, wie mehrere Studien belegen1 – sie erfährt im Zuge
der aktuellen Diskussion um Flucht und Asyl neuen Auftrieb. Hier kann eine prä-
zise und vor allem kenntnisreiche Berichterstattung aufklärend wirken. Deshalb
werden im vorliegenden Glossarkapitel bewusst auch Begriffe erläutert, die zur
Stigmatisierung beitragen (bspw. »Zigeuner« etc.) und Journalist*innen bei der
Recherche begegnen können.

Antiziganismus bezeichnet einen spe- Balkan meint geografisch die Halbinsel


zifischen → Rassismus gegen → Sinti Südosteuropas, zu der bspw. auch Grie-
und → Roma und umfasst verschiedene chenland gehört. Oft wird der Begriff in
Ebenen, die ein Ergebnis jahrhunder- Zusammenhang mit → Roma gebracht,
tealter Vorurteile sind2 : Zum einen die in mehreren Ländern in Südost-
werden Sinti*ze und Rom*nja mit dem europa eine große ethnische Minder-
Stigma → »Zigeuner« oder verwandter heit sind. Er ist dann negativ besetzt
Bezeichnungen belegt. Darauf aufbau- und wird recht ungenau als Synonym
end werden den Angehörigen der Ro- für → Bulgarien und → Rumänien
ma-Minderheiten vermeintlich von der benutzt. In der Berichterstattung wird
Norm abweichende, widersprüchliche der Begriff zudem häufig im Kontext
Eigenschaften (teils romantisierend, mit → Armutsflüchtlingen und → Asyl-
oft kriminalisierend) zugeschrieben. missbrauch verwendet.
Zuletzt beschreibt Antiziganismus
die strukturelle und institutionali- Bekenntnisfreiheit wird durch das
sierte Diskriminierung von Sinti*ze Rahmenübereinkommen zum Schutz
und Rom*nja. Ein erschwerter Zugang → nationaler Minderheiten des Europa-
zu Bildungseinrichtungen sowie die rates garantiert. Sie besagt, dass alle
andauernde Belegung mit Klischees, Angehörigen einer nationalen Minder-
gehören für viele Rom*nja zur Lebens- heit selbst wählen dürfen, ob sie sich
realität. Sie sind als Ausprägungen des dieser Minderheit zugehörig fühlen
Phänomens Antiziganismus zu ver- oder nicht. Dieses Bekenntnis ist frei,
stehen, nicht als das Phänomen selbst ein Nachweis der Gruppenzugehörig-
(siehe auch → Philoziganismus). keit darf also nicht verlangt werden.
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
→ Sinti und → Roma sind in Deutsch-
land seit 1998 als → nationale Minder-
Genaue Zahlen sind nicht
bekannt, da seit dem Ende des
42
heit anerkannt. Zweiten Weltkrieges in Deutschland
generell keine bevölkerungsstatisti-
Bulgarien Hier sind die → Roma (wie schen und sozioökonomischen Daten
in → Rumänien) nach Türk*innen die auf ethnischer Basis erhoben werden.
zweitgrößte Minderheit. Neben → Ru- Neben Deutsch sprechen sie als zweite
mänien, der Slowakei, Ungarn und der Muttersprache häufig die Minderhei-
Tschechischen Republik, gehört Bulga- tensprache → Romanes. Oft werden in
rien zu den fünf Ländern, die von der der aktuellen Diskussion → Einwande-
Europäischen Kommission 2013 länder- rer aus → Rumänien, → Bulgarien oder
spezifische Empfehlungen zur Umset- Serbien irrtümlicherweise als »Sinti
zung nationaler Roma-Integrationsstra- und Roma« bezeichnet. Auf sie würde
tegien erhielten. Sie sind Teil des von gegebenenfalls nur die Bezeichnung
den EU-Staats- und Regierungschefs Rom*nja zutreffen. Bei → Zuwanderern
2011 unterzeichneten EU-Rahmens wird jedoch nur die Staatsangehörig-
(IP/11/789) zur Integration der Rom*nja keit erfasst – es ist also nicht bekannt,
in den Mitgliedsstaaten. Selbstorga- welche Eingewanderten Angehörige der
nisierte Rom*njaverbände kritisieren, Minderheit sind4 (siehe auch → Deut-
dass die Verteilung der Gelder nicht sche Roma).
ausreichend kontrolliert werde.
Gadje / Gadsche (Singular Gadzo
Deutsche Roma sind diejenigen → Ro- / Gadscho) ist auf → Romanes die
ma, die nach Aufhebung der Leib- Bezeichnung für Nicht-Rom*nja. Die
eigenschaft in Ost- und Südosteuropa Minderheit nutzt den Begriff, um sich
ab Mitte des 19. Jahrhunderts nach von den Nicht-Rom*nja abzugrenzen –
Deutschland eingewandert sind. ähnliches ist auch in anderen Kulturen
Weitere Roma-Gruppen sind in den zu beobachten. Der genaue Wortur-
1960er Jahren als → Gastarbeiter und sprung ist umstritten.
in den 1990er Jahren, nach dem Zerfall
Jugoslawiens, als → Flüchtlinge nach Gypsy ist die englische Übersetzung
Deutschland gekommen (siehe auch des Begriffes → Zigeuner, jedoch wird
→ Deutsche Sinti & Roma, → Sinti). die Fremdbezeichnung auch als gene-
relle Beschreibung nomadischer Grup-
Deutsche Sinti und Roma sind eine pen verwendet. Ähnlich wie das deut-
→ nationale Minderheit. Sprach- sche Äquivalent ist auch dieser Begriff
forscher verorten die ursprüngliche negativ konnotiert und ein Konstrukt.
Herkunft der Sinti und Roma in Indien Er wird in englischsprachigen Ländern
und dem heutigen Pakistan. Derzeit noch häufig verwendet. In Deutschland
leben zwischen 70.000 und 150.000 hält der Begriff in der Popkultur Einzug.
→ Sinti und → Roma in Deutschland.3 Dabei wird ein romantisierendes Bild
propagiert und die Kultur der Ange-
hörigen der Roma-Minderheiten miss-
von der Mehrheitsbevölkerung
durch eine eigene Sprache, Kul-
43
achtet (siehe auch → Antiziganismus, tur, Geschichte und Identität, die sie be-
→ Philoziganismus). wahren. Im Gegensatz zu den anderen
Gruppen leben die deutschen Sinti*ze
Minderheitenrat setzt sich für die und Rom*nja nicht in angestammten
Förderung und den Schutz der vier Siedlungsgebieten. (siehe auch → Be-
→ nationalen Minderheiten in kenntnisfreiheit, → Minderheitenrat,
Deutschland ein und vertritt ihre Inter- → Minderheitensekretariat).
essen gegenüber der Bundesregierung.
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Nationalsozialistischer Genozid → Sinti
Roma gehört ihm an. Der Minderheiten- und → Roma waren während des Natio-
rat soll den Informationsfluss zwischen nalsozialismus Verfolgung und Völker-
den vier Minderheiten abstimmen und mord ausgesetzt5. Auf → Romanes gibt
fördern, aber auch gemeinsame Stel- es dafür die Begriffe Porajmos oder
lungnahmen zu aktuellen Schwerpunk- auch Pharrajmos (deutsch: »das große
themen verfassen. Verschlingen«) und Samudaripen
(deutsch »das große Töten«). Der Tag der
Minderheitensekretariat wurde 2005 Erinnerung an die Opfer des nationalso-
für die Verbände der → nationalen Min- zialistischen Genozids an den Rom*nja
derheiten in Deutschland eingerichtet. ist der 2. August. Etwa 500.000 euro-
Das Minderheitensekretariat unter- päische Sinti*ze und Rom*nja wurden
stützt die Arbeit des → Minderheitenra- durch Nationalsozialist*innen oder
tes inhaltlich und organisatorisch, als Mitglieder anderer, mit dem Deutschen
eine Verbindungsstelle zwischen den Reich verbündeter Regierungen und
Verbänden der anerkannten Minder- Bewegungen, systematisch ermordet,
heiten und Bundestag, Bundesregierung was erst 1982 von der Bundesrepub-
und Bundesrat. lik offiziell als Völkermord anerkannt
wurde. Dieser wurde in der Geschichts-
Nationale Minderheit beschreibt schreibung nach wie vor noch nicht
jene Gruppen der Bevölkerung, die in vollständig aufgearbeitet4 (siehe auch
Deutschland durch Bund und Länder → Holocaust im Kapitel »Jüdinnen und
einen besonderen Schutz und eine Juden«).
spezifische Förderung erhalten. Neben
den → deutschen Sinti und Roma Nomaden oder auch »Fahrendes Volk«,
sind auch die Lausitzer Sorben, die beruhen wie alle Begriffe, die → Sinti
dänische Minderheit und die friesische und → Roma als permanent in Be-
Volksgruppe als nationale Minderheit wegung lebende Gruppen darstellen,
anerkannt. Angehörige der nationalen auf jahrhundertealten Klischees und
Minderheiten sind → deutsche Staats- werden von vielen Gruppenangehöri-
angehörige, unterscheiden sich aber gen als verletzend empfunden. His-
Minderheiten | Sinti, Sintize, Romnja und Roma
torisch gesehen diente das Bild der
Umherziehenden dazu, einen Außen-
Roma Day (8. April) ist ein
internationaler Aktionstag, der
44
seiter*innenstatus zu erschaffen und ein Bewusstsein für die Belange der
damit Diskriminierung und gesetzliche → Sinti und → Roma schaffen sowie auf
Restriktionen zu legitimieren. Migra- deren anhaltende Verfolgung und Dis-
tionsbewegungen durch Sinti*ze und kriminierung aufmerksam machen will.
Rom*nja beruhten in der Vergangenheit Der Aktionstag erinnert darüber hinaus
oft weniger auf einem selbstgewählten an die Anfänge der Bürgerrechtsbewe-
Lebenswandel als auf ökonomischen gung, die im April 1971 bei einem Tref-
Zwängen und politischer Verfolgung. fen internationaler Vertreter*innen der
Roma-Minderheiten ihren Lauf nahm.
Philoziganismus beschreibt eine positi- Auf dem Kongress haben sich die Teil-
ve Neigung zu → Sinti und → Roma, die nehmer*innen nicht nur für die Eigen-
teils wie bei → Antiziganismus von einer bezeichnung Rom*nja entschieden,
homogenen Gruppe ausgeht und den sondern auch eine gemeinsame Flagge
Angehörigen der Roma-Minderheiten und Hymne als Symbole der Bewegung
romantisierende Stereotype zuschreibt. gewählt.
(siehe auch → Xenophilie, → Philosemi-
tismus, → Gypsy, → Zigeuner). Romanes (Alternativbezeichnung:
Roman, Romani) ist die Sprache der
Roma ist sowohl Selbstbeschreibung, → Roma. Im Laufe der Jahrhunderte
als auch allgemeiner Sammelbegriff haben sich in den jeweiligen Hei-
für eine heterogene Gruppe von Men- matländern unterschiedliche Roma-
schen, die im 13. und 14. Jahrhundert nes-Sprachen entwickelt. In Deutsch-
von Indien und dem heutigen Pakistan land ist die Minderheitensprache
nach Mittel-, West- und Nordeuropa Romanes, neben Deutsch, häufig die
gekommen sind.3 Sie bilden die größte zweite Muttersprache der Angehörigen
ethnische Minderheit in Europa. Ex- der Minderheit und ein wesentlicher
pert*innen sprechen häufig von Ro- Teil ihrer kulturellen Identität. Das
ma-Gruppen oder Angehörigen der Romanes ist mit der altindischen Hoch-
Roma-Minderheiten, da es zahlreiche sprache Sanskrit verwandt. Durch die
verschiedene Untergruppen gibt, die Verfolgung im Nationalsozialismus und
sich in Sprachen, Religionen und Ge- die fortgesetzte Diskriminierung nach
wohnheiten voneinander unterschei- 1945, ist das Romanes heute in seinem
den, bspw. Kalderasch / Kalderaš Fortbestand gefährdet.
/ Kalderara, Kalé / Kale / Cale
oder Lovara / Lowara. Im weibli- In Rumänien bilden die → Roma nach
chen Singular spricht man von Romni den Ungar*innen die zweitgrößte Min-
(Plural: Romnja), im männlichen von derheit. Zwar gibt es keine konkreten
Rom (Plural: Roma). Zahlen, schätzungsweise leben dort
aber zwischen zwei und fünf Millionen
Rom*nja. Sie erfahren seit vielen Jah-
ren schwere Repressionen. Dazu gehö-
hende Benennung eines Vol-
kes, und bezeichnet → Roma
45
ren, neben Übergriffen und körperliche muslimischen Glaubens.
Gewalt, auch die generelle Ausgrenzung
aus den Sozialsystemen. (siehe auch Zigeuner ist eine Fremdbezeichnung
→ Bulgarien). und wird von Angehörigen der
Roma-Minderheiten abgelehnt. Die ver-
Sinti ist die Bezeichnung für Nachfah- unglimpfende Bezeichnung hat ihren
ren der Roma-Gruppen, die bereits im Ursprung im Mittelalter, hält sich aller-
14. und 15. Jahrhundert in den deutsch- dings bis heute hartnäckig im öffent-
sprachigen Raum eingewandert sind. lichen Sprachgebrauch. Der Begriff ist
Sinti*ze sind die in West und Mittel- ein historisch gewachsenes Konstrukt,
europa beheimateten Angehörigen der negative oder romantisierende Ste-
der Minderheit. Die Bezeichnung wird reotype zuschreibt4 und nichts über das
jedoch nur in Deutschland, Österreich Selbstverständnis der so Bezeichneten
und Teilen Norditaliens verwendet. aussagt (siehe auch → Antiziganismus,
Außerhalb des deutschen Sprachraums → Philoziganismus).
wird → Roma als Name für die gesamte
Minderheit genutzt. Der weibliche Sin-
gular ist Sintiza (Plural: Sintize), der
männliche Singular ist Sinto (Plural:
Sinti). Eine Untergruppe der Sinti*ze
sind die Manouche, die vorwiegend in
Frankreich leben.

Traveller Die derart bezeichneten


Gruppen in Irland, Großbritannien und
1 Vgl. exemplarisch Markus End: »Antiziganismus
den USA wählen als Selbstbezeichnung in der deutschen Öffentlichkeit. Strategie und
meist den Begriff Pavee. Sie haben Mechanismen medialer Kommunikation«, Studie
eine andere Herkunft, Siedlungsge- für das Dokumentations- und Kulturzentrum Deut-
schichte und Sprache als die europäi- scher Sinti und Roma, Heidelberg 2014
2 Terno Drom: Arbeitsdefinition Antiziganismus
schen Rom*nja und sprechen nicht
www.ternodrom.de/themen/antiziganismus/
→ Romanes, sondern Shelta. Dies weist
3 Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher
zwar Merkmale des Romanes auf, be- Sinti und Roma: www.sintiundroma.de/sinti-roma.
ruht aber auf der irischen (gälischen) html
Sprache und dem Englischen. Ihre 4 Bundeszentrale für politische Bildung; Ein un-

Diskriminierungsgeschichte ist der der bekanntes Volk? Daten, Fakten und Zahlen. Zur
Geschichte und Gegenwart der Sinti und Roma
europäischen Rom*nja sehr ähnlich.
in Europa: www.bpb.de/internationales/europa/
sinti-und-roma-in-europa/179536/ein-unbekann-
Xoraxaia / Horahane ist ein Religio- tes-volk-daten-fakten-und-zahlen?p=0
nym, also eine auf der Religion beru- 5 www.romahistory.com/de/node/54

Minderheiten | Sinti, Sintize, Romnja und Roma


Flucht und Asyl 46
Asylpolitik ist eines der beherrschenden Medienthemen der vergangenen Jahre.
Weil Regelungen und Vorhaben sich zurzeit laufend ändern, versuchen wir im
Folgenden, vor allem längerfristig gültige Begriffserläuterungen anzubieten.
Generell sind Asylrecht und -politik sehr komplexe Themen, bei denen in
der Berichterstattung einiges durcheinander geraten kann. Was zum Beispiel ist
der rechtliche Unterschied zwischen Asyl und Flüchtlingsschutz? Zudem ist
der Themenkomplex emotional aufgeladen: In vielen Begriffen schwingen politi-
sche Haltungen oder Forderungen mit. Im Glossar erläutern wir die Hintergrün-
de und warum es zum Beispiel sinnvoll ist, neutral klingende Schlagwörter, wie
»Flüchtlingskrise« zu überdenken.

Abschiebung bezeichnet die unter AnkER-Zentrum abgekürzt für Ankunft,


Zwang erfolgende Ausreise eines Entscheidung und Rückführung. → Ge-
→ Ausländers aus Deutschland. In vie- flüchtete sollen in diesen Lagern so
len Fällen findet sie unter Anwendung lange wohnen müssen, bis ihre → Asyl-
von polizeilicher Gewalt sowie in Be- verfahren endgültig abgeschlossen
gleitung von Polizeibeamt*innen statt. sind. Danach sollen sie auf zugewiese-
Behörden verwenden dafür den Begriff ne Wohnorte verteilt oder direkt → ab-
»Rückführung«, der von Flüchtlings- geschoben werden können. Es wird
hilfsorganisationen als euphemistisch kritisiert, dass Asylverfahren oft viele
kritisiert wird. Monate lang dauern und die Menschen
sich in dieser Zeit nicht frei bewegen
Abschiebungsverbot Wird kein Asyl können. Auch sei in diesen Einrichtun-
und keine Eigenschaft als → Flüchtling gen keine unabhängige Verfahrungs-
zuerkannt, kann für → Asylsuchende und Rechtsberatung gewährleistet. Seit
ein sogenanntes zielstaatsbezogenes August 2018 gibt es sieben AnkER-Zent-
Abschiebungsverbot erteilt werden, ren, alle befinden sich in Bayern.
wenn Gefahr für Leib, Leben und Frei-
heit nach einer → Abschiebung besteht. Armuts- oder Wirtschaftsflüchtlinge
So → geschützte Personen erhalten den sind abwertende Bezeichnungen, die
nationalen → subsidiären Schutz, mit aussagen sollen, dass → Asylsu-
einer Aufenthaltserlaubnis in der Regel chende vor allem aus wirtschaftlicher
für ein Jahr, haben aber weniger Rechte Not fliehen und damit das Grundrecht
als anerkannte → Flüchtlinge sowie auf Asyl ausnutzen würden. Dagegen
subsidiäre Schutzberechtigte nach spricht, dass die Anerkennungsquoten
europäischem Recht (siehe → Asyl und für Schutzsuchende in den letzten
Flüchtlingsschutz). Jahren deutlich gestiegen sind. Der-
zeit werden hauptsächlich Menschen
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
aus den → Maghreb-Staaten sowie
→ Roma als vermeintliche Armuts-
die vor allem in den 1980er
und 1990er Jahren verbreitet
47
flüchtlinge bezeichnet, die jedoch oft waren. Sie suggerieren, dass es notwen-
fliehen, weil sie starker Diskriminie- dig sei, die Aufnahme von → Geflüch-
rung ausgesetzt sind. Wenn Menschen teten zu verhindern – diese werden
tatsächlich aus wirtschaftlichen deshalb Naturkatastrophen gleichge-
Gründen einreisen, kann auch von setzt. Wie die Parole »Das Boot ist voll«
Arbeitseinwanderung gesprochen werden die oben genannten Begriffe als
werden (siehe auch → Armutszuwande- populistische Floskeln und emotional
rer, → Asylmissbrauch, Asylbetrug). aufgeladene Angstmacherei kritisiert.
Inzwischen werden oft die Varianten
Asyl Deutschland ist eines der weni- → Flüchtlingsstrom oder »Flüchtlings-
gen Länder, in dem das Recht auf Asyl welle« gebraucht, die dieselben Asso-
in der Verfassung festgeschrieben ist: ziationen wecken.
»Politisch Verfolgte genießen Asyl-
recht«, heißt es in § 16a Grundgesetz. Asylbetrüger Während »Scheinasylant«
Doch dieses Recht wurde 1993, nach und »Asylschmarotzer« heutzutage vor
einer Welle rassistischer und auslän- allem Begrifflichkeiten der → rechts-
derfeindlicher Gewalttaten, mit dem extremen Szene sind, findet sich die
sogenannten »Asylkompromiss« stark Bezeichnung »Asylbetrüger« teilweise
eingeschränkt und ist weitgehend auch in Mainstream-Medien. So wurden
vom EU-Recht abgelöst. Lediglich ein bspw. → Flüchtlinge bezeichnet, die
bis zwei Prozent der → Asylbewerber sich angeblich als Syrer*innen ausge-
erhalten in Deutschland Asyl nach ben würden, um ihre Chance auf Asyl
dem Grundgesetz (»Asylberechtigte«), zu erhöhen. Bundesinnenminister Tho-
weil sie durch den Herkunftsstaat oder mas de Maizière behauptete im Oktober
staatsähnliche Akteure verfolgt werden 2015, 30 Prozent aller Schutzsuchen-
(wie zum Beispiel den afghanischen den, die sich als Syrer*innen ausgeben
Taliban vor 2001).1 würden, seien gar keine. Für diese Zahl
fehlt allerdings jeglicher Beleg (siehe
Asylanten der Begriff ist negativ kon- auch → Armutsflüchtlinge, → Asylmiss-
notiert. Er wird häufig dann verwendet, brauch).
wenn → Geflüchtete als Bedrohung
oder Belastung betrachtet werden und Asylbewerber sind juristisch gesehen
nicht als Schutzsuchende. Weitere Personen, die einen Antrag auf Aner-
Alternativen: → Asylsuchende, ggf. kennung als politisch Verfolgte gestellt
→ geschützte Personen und Asyl- haben, deren Verfahren beim Bundes-
berechtigte. amt für Migration und → Flüchtlinge
aber noch nicht abgeschlossen sind. Bis
Asylantenschwemme, Asylantenflut zum Antrag gilt man für die Behörden
oder Asylantenstrom sind Metaphern, als »Asylbegehrender« oder → Asyl-
suchender. Allerdings ist der Begriff
»Asylbewerber« irreführend, weil ein
das Recht auf → Asyl an sich
infrage stellen wollen. Bereits
48
Grundrecht auf Asyl besteht; Menschen 2001 wurde im Zuwanderungsbericht
bewerben sich nicht um Grundrechte, des Bundesinnenministeriums gefor-
sie haben sie einfach. Alternative Be- dert, den Begriff nur im Zusammenhang
griffe: → Geflüchtete oder Schutz- mit Einzelfällen zu verwenden. Ein
suchende. Recht einzufordern bzw. zu beantragen,
ist kein Missbrauch, selbst wenn das
Asylkritiker / Asylgegner wären im Begehren erfolglos bleibt. Missbräuch-
eigentlichen Wortsinn eher Kritiker*- lich ist erst der Betrugsversuch (siehe
innen der Asylgesetzgebung, wie z. B. auch → Asylbetrüger).
der → Residenzpflicht für → Geflüchte-
te. Tatsächlich sind Asylkritiker*innen/ Asylsuchende wird in der Öffentlich-
-gegner*innen oft Euphemismen für keit oft synonym zum Begriff → Flücht-
diejenigen, die sich → rechtsextrem, linge gebraucht. Im Sprachgebrauch
→ rechtsradikal oder rassistisch gegen des UNHCR ist ein Asylsuchender
Geflüchtete äußern. Die Begriffe werden aber eine Person, die einen Antrag auf
häufig als Selbstbezeichnungen von → Anerkennung als politisch Verfolgter
Rechtsextremen, → Rechtsradika- gestellt hat, den Status als → Flüchtling
len oder → Rechtspopulisten benutzt. oder Asylberechtigter aber noch nicht
Da das Recht auf → Asyl im Grund- erhalten hat.
gesetz niedergeschrieben ist, kann
dessen vollkommene Ablehnung als Asyl und Flüchtlingsschutz sind keine
verfassungsfeindlich eingestuft wer- Synonyme, sondern unterschiedliche
den. In der Berichterstattung können rechtliche Schutzformen. Einen An-
Menschen mit rechtsextremen Positio- spruch auf → Asyl haben nur politisch
nen als Rechtsextreme bezeichnet verfolgte → Geflüchtete in Deutschland,
werden. Die Nachrichtenagentur dpa gemäß Art. 16 a im Grundgesetz. Der
verwendet die Begriffe Asylkritiker/ → Flüchtlingsschutz dagegen wird nach
Asylgegner seit Juli 2015 nicht mehr, der → Genfer Flüchtlingskonvention
weil sie beschönigend sind. gewährt. Außerdem gibt es auch → Ab-
schiebungsverbote auf Grundlage der
Asylmissbrauch ist ein politisches Antifolterkonvention der Vereinten
Schlagwort, das seit den 1980er Jahren Nationen, der Europäischen Menschen-
vor allem dann verwendet wird, wenn rechtskonvention und anderer interna-
es um eine Einschränkung des Asyl- tionaler Abkommen.
rechts geht, ähnlich wie die Begriffe
»Asyltourismus« oder »Sozialtouris- Ausweisung ist ein Verwaltungsakt und
mus«. Gleichzeitig handelt es sich um betrifft → Geflüchtete, deren Antrag auf
einen Kampfbegriff von → Rechtsra- → Asyl rechtskräftig abgelehnt wurde
dikalen oder → Rechtsextremen, die oder auch → Ausländer, die Straftaten
begangen haben oder eine Gefahr für
die Sicherheit des Landes darstellen.
De-facto-Flüchtlinge haben
entweder keinen Antrag auf
49
Menschen, die nach Erhalt des Auswei- → Asyl gestellt oder ihr Asylantrag
sungsbescheids nicht freiwillig gehen, wurde abgelehnt. Die Bezeichnung
droht die → Abschiebung. de-facto-Flüchtling ist kein Rechts-
begriff, taucht aber hin und wieder
Bleibeperspektive Der Begriff soll die auf, meistens für Personen, denen aus
Kategorisierung von → Asylsuchenden humanitären Gründen die Rückkehr
in solche mit guter/günstiger Bleibe- in ihr Heimatland nicht zumutbar ist
perspektive und jene mit schlechter/ (z. B. wegen drohender Todesstrafe oder
geringer Bleibeperspektive zulassen. Folter im Herkunftsland), siehe auch
Letztere sind Menschen aus Ländern → Duldung.
mit einer relativ hohen Anzahl von
Asylsuchenden bei zugleich niedriger Dritte Welt ist ein veralteter Begriff
→ Schutzquote. → Geflüchtete mit für Länder und Regionen, die aus einer
guter Bleibeperspektive erhalten einen europäischen Sicht als unterentwi-
schnelleren Zugang zu Sprach- und ckelt gelten. Zur Zweiten Welt gehörten
Integrationskursen. Die Einteilung in demnach sogenannte Schwellenländer,
»gute« und »schlechte« → Flüchtlinge die Erste Welt sind hochentwickel-
läuft einem Grundgedanken des Asyl- te Industrieländer. Diese Hierarchie
rechts, der individuellen Prüfung der wird kritisiert, zudem wird damit eine
Fluchtgründe, zuwider. Verantwortung von Ungleichheiten
verschleiert. Geeigneter sind die Be-
Bleiberecht bezeichnet die Aufent- griffe Globaler Süden und Globaler
haltserlaubnis für → Ausländer, die sich Norden. Sie sind nicht geografisch zu
schon länger ohne Aufenthaltstitel in verstehen (auch Australien liegt im
Deutschland aufhalten, weil sie zum Süden), sondern beschreiben eine be-
Beispiel als abgelehnte → Asylsuchende nachteiligte oder privilegierte Position
→ geduldet wurden. In Deutschland in einer globalisierten Welt. Siehe auch
wird der Begriff auch als politische For- → Neokolonialismus.
derung und synonym zum international
gebräuchlicheren Begriff Legalisie- Dublin-Verfahren Im Dublin-Verfahren
rung verwendet. Voraussetzungen für wird der für die Prüfung eines Asyl-
die sog. gesetzliche Bleiberechts- und antrags zuständige europäische Staat
Altfallregelung sind unter anderem festgestellt. Grundlage dafür ist ein
objektive Abschiebehindernisse, ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den
mehrjähriger Aufenthalt in Deutsch- EU-Mitgliedsstaaten, Norwegen, Island,
land, eine Arbeitsstelle sowie Integra- Liechtenstein und der Schweiz (Dub-
tionsnachweise. lin-Staaten). Die wichtigste Regel darin
besagt, dass ein Schutzsuchender in
dem europäischen Staat Asyl beantra-
Flucht und Asyl
gen muss, in den er nachweislich zu-
erst eingereist ist. Nur → unbegleitete
nen und Kinder nach Deutsch-
land holen können und diese
50
Minderjährige haben das Recht, zu ihrer dann ebenfalls ein Aufenthaltsrecht be-
Familie zu gehen oder dort aufgenom- kommen. Voraussetzungen dafür sind
men zu werden, wo sie sich aufhalten. z. B. ausreichender Wohnraum und die
Kritik an diesem Verfahren gibt es, weil Möglichkeit, den Lebensunterhalt für
dadurch vor allem die ärmeren süd- die Familie sichern zu können. Nach-
und osteuropäischen Staaten für die ziehende Ehepartner*innen müssen in
Asylverfahren verantwortlich gemacht der Regel einfache Deutschkenntnisse
werden (siehe auch → sichere Dritt- nachweisen. Mit dem sog. Asylpaket
staaten). II, das Anfang 2016 in Kraft trat, wurde
die Möglichkeit des Familiennach-
Duldung betrifft Menschen ohne einen zugs allerdings stark eingeschränkt: So
Aufenthaltstitel, von deren → Abschie- können Personen, die lediglich interna-
bung jedoch vorübergehend abgesehen tionalen → subsidiären Schutz erhalten,
wird, weil ihnen eine erhebliche Gefahr erst nach zwei Jahren einen Antrag auf
für Leib und Leben droht oder eine Ab- Familiennachzug stellen.
schiebung nicht möglich ist (zum Bei-
spiel, weil in dem Herkunftsland Krieg Flüchtlinge sind laut → Genfer Flücht-
herrscht oder sie keine Papiere haben). lingskonvention von 1951 Personen,
Durch die Duldung wird der Aufenthalt die aus begründeter Furcht vor der
zwar nicht rechtmäßig, aber es ent- Verfolgung ihrer Person wegen ihrer
fällt die Strafbarkeit wegen »illegalen Rasse, Religion, Nationalität oder Zuge-
Aufenthalts« (siehe auch → Illegale hörigkeit zu einer bestimmten sozialen
Migranten). Gruppe Schutz in einem anderen Land
suchen. In amtlichen Statistiken gelten
Exilierte kann als alternative Bezeich- die Bezeichnungen Flüchtlinge und
nung für → Flüchtlinge oder Schutz- Asylberechtigte nur für Menschen,
suchende benutzt werden. Der Begriff die schon Schutzstatus besitzen: Asyl-
Exilierte betont, dass geflüchtete berechtigte werden nach dem Asylrecht
Menschen sich dazu gezwungen sehen, im Grundgesetz anerkannt, Flüchtlin-
ihre Heimat aufgrund von lebensbe- gen wird → Flüchtlingsschutz nach der
drohlichen oder menschenunwürdigen Genfer Konvention gewährt. Sprachlich
Verhältnissen zu verlassen, auch wenn ist der Begriff »Flüchtling« umstritten.
sie nicht von staatlicher Seite des Lan- So sind Worte mit dem Ableitungssuffix
des verwiesen werden. »-ling« im Deutschen verkleinernd und
teils negativ konnotiert (vgl. Eindring-
Familiennachzug ist ein feststehender ling, Schönling, Schädling etc.). Gleich-
Begriff im Asylverfahren. Er besagt, zeitig werden Menschen durch die
dass anerkannte → Flüchtlinge (→ Ge- Bezeichnung »Flüchtling« auf einen Teil
schützte Personen) ihre Ehepartner*in- ihrer Biografie reduziert. Alternative
Begriffe: → Geflüchtete, Schutz-
suchende oder ggf. → Geschützte
Einreise von → Geflüchteten
beschrieben wird. Sie vermit-
51
Personen (siehe → Asyl- und Flücht- teln das Bild eines Naturphänomens,
lingsschutz). das sich seinen Weg nach Deutschland
bahnt oder das Land überschwemmt.
Flüchtlingskrise ist ein häufig benutztes Dies suggeriert, dass die Politik macht-
Schlagwort in der Asyldebatte. Er sagt los einer Naturgewalt ausgesetzt ist und
aus, dass es eine Krise wegen → ge- weist damit den Schutzsuchenden
flüchteter Menschen gebe. Dies kann selbst die Verantwortung für asylpoli-
kritisch hinterfragt werden: Gemessen tische oder strukturelle Probleme bei
an 60 Millionen Menschen, die 2015 ihrer Aufnahme in Deutschland zu. An-
weltweit auf der Flucht waren und der gemessener wäre es, zum Beispiel eine
Zahl von 82 Millionen Einwohner*innen konkrete Zahl zu nennen, ggf. Vergleiche
in Deutschland, erscheinen knapp eine anzustellen, von Fluchtmigration
Million Menschen, die nach Deutsch- zu sprechen (siehe auch → Asylanten-
land kamen, nicht sehr viel. Zudem strom).
weist der Begriff »Flüchtlingskrise«
die Verantwortung den geflüchteten Freiwillige Ausreise / Rückkehr ist ein
Menschen zu, anstatt die Ursachen für beschönigender Begriff für die Ausreise
Probleme z. B. im Versagen deutscher bzw. Rückkehr, die → Asylsuchenden
Politik oder Strukturen zu suchen. Ent- nahegelegt wird, deren Asylantrag
sprechend könnte von einer Krise der abgelehnt wurde. Lehnen sie ab, muss
Asylpolitik oder neutraler von Flucht- nach spätestens 30 Tagen die → Ab-
migration oder Fluchtbewegung die schiebung erfolgen.
Rede sein.
Geflüchtete wird seit einiger Zeit als
Flüchtlingsschutz wird nach der → Gen- Alternativbegriff für → Flüchtlinge
fer Flüchtlingskonvention gewährt. verwendet, weil damit die als kleinma-
Darüber hinaus gibt es → subsidiären chend und teils abwertend empfundene
Schutz und → Abschiebungsverbote für Endung »-ling« umgangen wird. Da es
→ Geflüchtete.Einen Rechtsanspruch sich um keinen juristischen Begriff
auf Asyl in Deutschland haben nur poli- handelt, ist er bei der Berichterstattung
tisch Verfolgte, so wäre z. B. ein Bürger- in vielen Fällen einsetzbar: geflüch-
krieg allein kein Asylgrund, aber ein tete Menschen können auch jene sein,
Grund für → subsidiären Schutz (siehe die keinen offiziellen Flüchtlingsstatus
auch→ Asyl und Flüchtlingsschutz, haben. Weitere Alternativen: Schutz-
→ Kontingentflüchtlinge). suchende, → Exilierte, → Asylsu-
chende (ggf. → Geschützte Personen).
Flüchtlingsstrom, -zustrom, Flücht-
lingswelle sind Metaphern in der aktu- Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist
ellen Berichterstattung, mit denen die die wichtigste völkerrechtliche Verein-
Flucht und Asyl
barung darüber, wer als → Flüchtling
anerkannt wird und damit internatio-
Begriff nur noch in manchen
Medien und in → rechtspopu-
52
nalen Schutz genießt. Das »Abkommen listischen Kreisen benutzt. Gängiger ist
über die Rechtsstellung der Flücht- es, von illegaler oder irregulärer
linge«, wie die GFK eigentlich heißt, Migration zu sprechen; eine bekannte
wurde 1951 verabschiedet. Mittlerweile Parole von Flüchtlingsorganisationen
haben über 100 Staaten die GFK unter- lautet »Kein Mensch ist illegal«, d. h.
zeichnet, darunter auch Deutschland. nur Handlungen können ungesetzlich
Im deutschen Aufenthaltsrecht ist sein. Die Nachrichtenagentur Asso-
festgelegt, dass niemand abgeschoben ciated Press (AP) hat deshalb bereits
werden darf, der die Flüchtlingsdefini- 2013 beschlossen, den Terminus nicht
tion der GFK erfüllt (siehe auch → Asyl mehr zu verwenden. In Frankreich ist
und Flüchtlingsschutz, → Flüchtlings- die Selbstbezeichnung Sans Papiers
schutz). üblich, papierlose Migranten. Weitere
Alternativen: illegalisierte Migranten,
Geschützte Personen bezeichnet alle irreguläre Migranten oder undoku-
Menschen, die unter → Asylschutz, mentierte Migration.
→ Flüchtlingsschutz, → Subsidiärem
Schutz und → Abschiebungsverbot Königsteiner Schlüssel ist ein Vertei-
stehen. lungsschlüssel, der die Aufteilung von
→ Flüchtlingen in die Bundesländer
Heimatlose Flüchtlinge auf Englisch regelt. Mit ihm wird jährlich neu fest-
→ Displaced Persons (DPs) genannt, gelegt, wie viele Schutzsuchende ein
sind Menschen und ihre Nachkom- Bundesland aufnimmt. Die Verteilung
men, die während des Zweiten Welt- richtet sich nach den Steuereinnahmen
kriegs verschleppt wurden, nach 1945 (2/3 Anteil bei der Bewertung) und der
aber nicht mehr in ihre Heimatländer Bevölkerungszahl (1/3 Anteil bei der
zurückkehren konnten, zum Beispiel Bewertung).
aufgrund veränderter Landesgrenzen.
Die meisten Heimatlosen sind ehemali- Kontingentflüchtlinge sind → Ge-
ge Zwangsarbeiter*innen aus Ost- und flüchtete aus Krisenregionen, die im
Südosteuropa, die während des Zweiten Rahmen nationaler oder internationaler
Weltkriegs in deutschen Industriebe- Hilfsaktionen staatlich aufgenommen
trieben arbeiten mussten. werden. Kontingentflüchtlinge durch-
laufen nicht das Asylverfahren und
Illegale Migranten wurde bis vor kur- erhalten vorübergehend Schutz in
zem von der Bundesregierung oder in Deutschland. Als Kontingentflüchtlinge
EU-Rechtsakten für Menschen verwen- wurden zum Beispiel auch → jüdische
det, die ohne Genehmigung einreisen Emigrant*innen aus der ehemaligen
oder sich ohne gültige Papiere in einem UdSSR bezeichnet. Oft wird heutzutage
Land aufhalten. Mittlerweile wird der von → Flüchtlingen gesprochen, die in
festgelegter Anzahl aus humanitären
Gründen aufgenommen werden (das
»Spanne von jährlich 180.000
bis 220.000« nicht überstiegen
53
galt z.B. für Menschen aus Syrien). werden. Der Begriff Obergrenze wurde
dabei vermieden, weil eine solche Be-
Maghreb-Staaten (arabisch: Westen, grenzung rechtlich nicht zulässig ist.
wörtlich: Ort, wo die Sonne untergeht) Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht
ist die zusammenfassende Bezeich- und hat Verfassungsrang.
nung für die drei nordafrikanischen
Staaten Tunesien, Algerien und Marok- Prinzip der Nicht-Zurückweisung be-
ko. Teilweise werden auch Libyen zeichnet nach internationalem Recht
und Mauretanien dazugezählt. Im Mai das Prinzip, nach dem ein → Flüchtling
2016 wurden Tunesien, Algerien und nicht in einen unsicheren Staat ausge-
Marokko per Bundestagsabstimmung wiesen werden darf.
zu → sicheren Herkunftsländern erklärt,
was die Abschiebung von → Geflüch- Residenzpflicht bezeichnet die Ver-
teten aus diesen Ländern erleichtert. pflichtung von → Asylsuchenden und
Menschenrechtsorganisationen kri- → Geduldeten, ihren Wohnsitz in der
tisieren, dass dies für keines der drei Stadt, dem Landkreis oder dem Bundes-
Länder zutrifft. land zu nehmen, in dem sich die für sie
zuständige Ausländerbehörde befindet.
Menschenschmuggel Viele Schutz- Wollen sie diesen Bereich verlassen,
suchende sind auf Menschenschmugg- müssen sie zuvor schriftlich um Erlaub-
ler*innen angewiesen, wenn sie nach nis bitten. Diese Restriktion mit dem
Europa gelangen wollen (andere Be- positiv konnotierten Verb »residieren«
zeichnungen sind → Schlepper oder zu umschreiben, ist beschönigend.
→ Schleuser). In der Debatte wird Men- Zudem steht eine solche Pflicht in
schenschmuggel oft fälschlicherweise Widerspruch zum Grundsatz der Freizü-
mit Menschenhandel gleichgesetzt. gigkeit gemäß Artikel 26 der → Genfer
Menschenhandel ist jedoch eine andere Flüchtlingskonvention. Anfang 2015
Straftat. Menschenhändler verdienen wurde die Residenzpflicht (§ 56 Asylge-
nicht in erster Linie am Transport der setz) gelockert: Seitdem dürfen sich
Betroffenen, sondern an der anschlie- Schutzsuchende in der Regel, nach
ßenden Ausbeutung. Ablauf von drei Monaten, frei im Bun-
desgebiet bewegen. → Asylbewerber
Obergrenze ist ein politisches Schlag- und Geduldete, deren Lebensunterhalt
wort. Es suggeriert, das Recht auf nicht gesichert ist, wird der Wohnsitz
Asyl in Deutschland könne auf eine weiter durch eine Auflage (Wohnsitz-
bestimmte Anzahl von Personen be- auflage) eingeschränkt. Das Integra-
schränkt werden. Anfang 2018 einigte tionsgesetz führte Mitte 2016 zudem
sich die Regierungskoalition auf die den § 12a AufenthG neu ein, der unter
Formulierung: künftig könne eine bestimmten Bedingungen eine Wohn-
Flucht und Asyl
sitzauflage für anerkannte → Flüchtlin-
ge festlegt.
Sekundärmigration beschreibt
die Bewegung von Flüchtlingen
54
von einem Mitgliedsstaat der EU zu
Schlepper und Schleuser Flucht- einem anderen. Im Europäischen Parla-
helfer werden in der Berichterstattung ment wird der Terminus »Secondary
oft mit Schlepper*innen oder Schleu- Migration / Movement« benutzt, im
ser*innen gleichgesetzt, obwohl die Deutschen ist Binnenmigration ver-
Begriffe unterschiedliche Bedeutungen ständlicher. Der Gegenbegriff von Se-
haben: Fluchthelfer*in ist die wertfreie kundärmigration ist Primärmigration,
Bezeichnung für jemanden, der anderen also eine Fluchtmigration in Länder
zur Flucht verhilft. Geht es allerdings an der europäischen Außengrenze.
nicht um Hilfe, sondern vor allem um
Profit, sind Schlepper*in oder Schleu- Sichere Drittstaaten sind die EU-Staa-
ser*in die angemessenen Bezeichnun- ten sowie Norwegen und die Schweiz,
gen, da sie laut Duden jemanden be- in denen → Asylsuchenden »nach den
schreiben, der andere »gegen Bezahlung verfassungsrechtlichen Vorgaben« alle
illegal von einem Land in ein anderes Rechte auf Grundlage der → Genfer
bringt«. Der juristisch korrekte Begriff Flüchtlingskonvention zugestanden
dafür lautet → Menschenschmuggler. werden. Haben Schutzsuchende
sichere Drittstaaten erreicht, wird
Schutzquote bezeichnet den Anteil ihnen die Einreise nach Deutschland an
aller Asylanerkennungen, Gewäh- der Grenze verweigert; wer aus einem
rungen von → Flüchtlingsschutz und »sicheren Drittstaat« einreise, kann sich
Feststellungen eines → Abschiebungs- lt. § 26a Asylgesetz nicht mehr auf das
verbotes innerhalb eines Zeitraums, Grundrecht auf Asyl berufen. Die glei-
bezogen auf die Gesamtzahl dieser Ent- che Regel gilt auch im → Dublin-Ver-
scheidungen im betreffenden Zeitraum. fahren für die oben genannten Länder
Zudem bedeutet die auf das Herkunfts- sowie Island und Liechtenstein.
land bezogene Gesamtschutzquote,
den Anteil solcher Entscheidungen, be- Sichere Herkunftsländer sind Länder,
zogen auf die Zahl der im betreffenden bei denen aufgrund der allgemeinen
Zeitraum getroffenen Entscheidungen, politischen Verhältnisse angenom-
zu Personen aus dem entsprechenden men wird, »dass dort weder politische
Herkunftsland. In den Medien ist oft Verfolgung noch unmenschliche oder
nur von einer »Schutzquote« die Rede. erniedrigende Bestrafung oder Behand-
Dieser Begriff ist aber unscharf, weil er lung stattfindet« (GG § 16a). Die Einstu-
sich sowohl auf die Gesamtschutz- fung erfolgt nicht einheitlich durch die
quote, als auch auf die Asylanerken- EU, sondern nur durch die jeweiligen
nungsquote beziehen kann. Regierungen ihrer Mitgliedsstaaten
und fällt unterschiedlich aus. Deshalb
wäre durch die Bundesregierung als
sicher eingestufte Herkunftsländer
eine zwar lange, aber treffendere Be-
aufnahmeeinrichtungen der
Schulbesuch teils monatelang
55
zeichnung. Asylgesuche von → Geflüch- verwehrt. Seit Ende 2015 werden
teten aus Ländern, die als sicher gelten, allein geflüchtete Kinder und Ju-
werden schneller bearbeitet und in der gendliche – wie Erwachsene – über
Regel abgelehnt. Asylsuchende haben eine Quotenregelung bundesweit ver-
nur eine Woche Zeit, Widerspruch ein- teilt. Grundlage dafür ist das »Gesetz
zulegen und können innerhalb von vier zur Verbesserung der Unterbringung,
Wochen ab Antragstellung → abgescho- Versorgung und Betreuung ausländi-
ben werden. scher Kinder und Jugendlicher«, in dem
bspw. die umstrittenen medizinischen
Subsidiärer Schutz kann von → Ge- Verfahren zur Alterseinschätzung wei-
flüchteten nach der Europäischen Men- terhin als Möglichkeit zur Schätzung
schenrechtskonvention in Anspruch des Alters vorgesehen sind.
genommen werden, wenn ihr Asylan-
trag vom Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge abgelehnt wurde. Sie wer-
den als subsidiär Schutzberechtigte
anerkannt, wenn sie den Behörden
stichhaltige Gründe dafür vorbringen
können, dass ihnen im Herkunftsland
ein ernsthafter Schaden droht. Dann
wird ein einjähriger Schutz gewährt,
mit Möglichkeit zur Verlängerung auf
drei Jahre.

Unbegleitete minderjährige Flücht-


linge (umF) Bezeichnung für Schutz-
suchende, die noch nicht volljährig
sind und ohne sorgeberechtigte Be-
gleitung aus ihrem Heimatland fliehen.
Von den weltweit knapp 60 Millionen
→ Geflüchteten, die es 2015 gab, sind
laut UN-Flüchtlingshilfe etwa 50 Pro-
zent unter 18 Jahre alt. Europäisches
Recht schreibt vor, dass unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge besonders 1 Die Erklärung zum Begriff wurde der Begriffs-
liste »Flüchtlingsdebatte: Die wichtigsten Begriffe
geschützt werden, wozu etwa der ge-
für den Journalisten-Alltag« vom Mediendienst
setzlich garantierte sofortige Zugang zu Integration entnommen (Stand Juli 2016): https://
Schule und Ausbildung gehört. In der mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/
Praxis wird allerdings Kindern in Erst- Informationspapier_Begriffe_Asyldebatte.pdf

Flucht und Asyl


Rechtspopulismus, Rechtsradikale 56
und -extreme
Populist*innen machen sich die klassischen Mechanismen des Journalismus zu-
nutze, indem sie sprachliche Tabus brechen – allein die Berichterstattung darüber
dient ihren Zwecken. Wenn Medienschaffende vermeiden wollen, sich instrumen-
talisieren zu lassen, können sie rassistische oder demokratiefeindliche Sprache
als solche benennen, falls sie in Berichten wiedergegeben werden muss.
Im Folgenden werden einige Begriffe aufgelistet, die häufig gebraucht werden,
um z. B. Minderheiten herabzuwürdigen oder verfassungsfeindliche Gesinnungen
salonfähig zu machen. Die Erläuterungen und alternativen Vorschläge sind als
Hilfestellung und Impulse für alle gedacht, die ihrem journalistischen Auftrag für
aufklärende und kritische Berichterstattung gerecht werden wollen.

Altparteien sind lt. Duden Parteien selten gehört würden. Deren »Sorgen«
mit langer parlamentarischer Tradi- prägten allerdings seit Jahren den
tion. Der Begriff wurde für Nazipropa- Diskurs, flankiert von Sarrazins Buch
ganda, z. B. von Joseph Göbbels benutzt, »Deutschland schafft sich ab« (2010).
um die NSDAP als neue, vorgeblich Die Ängste der Betroffenen davor, dass
junge politische Partei zu propagieren. → Rassismus in Deutschland allmäh-
Er wird heute in diskreditierender Ab- lich salonfähig wird und reale Folgen
sicht für (bewährte) demokratische für sie hat, waren in Politik und Medien
Parteien im Bundestag verwendet. weniger präsent. Entsprechend kann
von den unterschiedlichen Sorgen
Ausländer mit deutschem Pass taucht aller Bürger berichtet oder von den Ein-
erstaunlicherweise immer wieder stellungen islamfeindlicher Bürger
auf, ist sachlich falsch und als diskri- gesprochen werden.
minierender Widerspruch zu sehen.
Vermutlich sind damit Deutsche mit Bürgerlich (konservativ) wird zum Teil
internationaler Geschichte, also mit als beschönigende Beschreibung illi-
eigener Einwanderungserfahrung oder beraler Haltungen verwendet. Bürgerli-
→ Migrationshintergrund gemeint. cher Konservativismus in Deutschland
Siehe auch → Passdeutsche. ist freiheitlich-demokratisch geprägt
und nicht → radikal – anders als viele
Besorgte Bürger ist 2014 im Zuge der politische Positionen rechter Kreise, die
ersten Pegida-Demonstrationen in sich selbst als bürgerlich bezeichnen.
Dresden als Euphemismus für Men-
schen mit → islamfeindlichen Einstel- Christlich-jüdisch als solche → Leit-
lungen aufgekommen. Es entstand eine kultur oder solches Abendland wird oft
Debatte, ob »besorgte Bürger*innen« zu eine in Deutschland vorherrschende
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
kulturelle Ordnung bezeichnet. Die
begriffliche Verbindung ist historisch
gezielten sprachlichen Tabu-
brüchen durch → Rechtsradi-
57
falsch (siehe → Antijudaismus) und kale und → Rechtsextreme erwähnt.
dient häufig der Abgrenzung gegenüber Meist geht es um die Frage, ob sich
→ Muslimen. Alternativ können z. B. eine Grenze dahin verschoben hat, dass
verfassungsgemäße Werte genannt menschenfeindliche und verhetzende
werden, zu denen sich Gläubige aller Aussagen nun sagbar seien. Eine solche
Religionen, wie auch nicht gläubige Infragestellung kann jedoch einem Zu-
Menschen in Deutschland bekennen geständnis an jene gleichkommen, die
sollten. versuchen derartige Aussagen in die
Mitte des gesellschaftlichen und me-
Deutschenfeindlichkeit wird in rechts- dialen Diskurses zu holen. Siehe auch
radikalen und -extremen Kreisen → Political Correctness.
benutzt, um zu behaupten, → weiße
Deutsche seien von → Rassismus durch Heimat beschreibt, als persönlich
eingewanderte Menschen, insbesonde- definierter Begriff, den Ort an dem
re Muslim*innen betroffen. Da diesen Menschen sich heimisch fühlen, egal
Minderheiten strukturelle Macht in ob sie dort geboren sind oder nicht.
Deutschland fehlt, trifft der Vorwurf Entsprechend können → Menschen mit
nicht zu, wenn es etwa zu Beleidi- internationaler Geschichte eine Ver-
gungen oder Mobbing kommt. Der bundenheit zu mehreren Heimaten
ideologisch aufgeladene Begriff soll empfinden. Politisch wird der Heimat-
tatsächlich existierenden Rassismus begriff teils weiterhin nationalistisch
relativieren und eine Täter-Opfer- interpretiert (vgl. → Volk). Eine der we-
Umkehr propagieren. nigen Äußerungen des ersten Bundes-
heimatministers Seehofer (CSU) dazu
Ethnopluralismus ist ein rassistische lautete »Heimatpolitik ist stets eine
Theorie der → Neuen Rechten, die da- Politik der Vielfalt«.1 Siehe auch
von ausgeht, es gäbe unveränderte kul- → Einwanderungsgesellschaft.
turelle Identitäten verschiedener Völker
und → Kulturkreise, die vor Fremden zu Heimatschutz bezieht sich heute teils
schützen seien, um eine »Reinhaltung« auf den Denkmalschutz (Schweiz)
der Kulturen zu erreichen. Dass ein und ist ebenso ein militärischer Begriff.
solches Apartheids-System in einer glo- Er ist belastet, weil → Neonazis ihn häu-
balisierten Welt nicht möglich ist und fig benutzen (aus der neonazistischen
eine Weiterentwicklung aller Kulturen Vereinigung »Thüringer Heimatschutz«
der Welt vor allem durch Austausch be- ist der NSU entstanden). Zudem wird
fördert wurde, wird ausgeblendet. Heimatschutz von → Rechtsradikalen
und → Rechtsextremen auch als Argu-
Grenze des Sagbaren wird in der ment für mehr Umweltschutz und
Berichterstattung oft im Kontext von daraus folgend gegen Einwanderung
Rechtspopulismus, Rechtsradikale und -extreme
vorgebracht, um die »deutsche Natur«
zu erhalten.
In einer globalisierten Welt
kann von geschlossenen Kul-
58
turkreisen nicht ausgegangen werden.
Islamisierung ist ursprünglich ein Anstatt bspw. von einem unbestimmten
historischer Begriff (analog zur Chris- islamischen Kulturkreis zu sprechen,
tianisierung). Re-Islamisierung ist der bietet es sich an präziser zu formulieren
Fachbegriff für eine wachsende Be- und stattdessen z. B. Muslime arabi-
deutung islamischer Religionen in der scher Länder zu benennen.3
heutigen Zeit. Als politisches Schlag-
wort verwendet, wird »Islamisierung« Leitkultur wurde als Begriff vom
mit Radikalisierung assoziiert. Dabei Göttinger Politologen Bassam Tibi ge-
wird → Muslimen unterstellt, den Islam prägt, dem zufolge sich → Migranten
generell → radikal auszulegen oder in heterogenen Einwanderungsgesell-
→ extremistisch zu agieren. Nicht nur schaften den herrschenden kulturellen
in → rechtspopulistischen Kreisen ist Normen anzupassen hätten, ohne die
der Begriff verbreitet, um vor einer ver- eigene Kultur aufgeben zu müssen.
meintlichen → Überfremdung durch Der Begriff wurde 2000 vom damaligen
den Islam und seinen (mutmaßlichen) CDU-Generalsekretär Friedrich Merz
Anhänger*innen zu warnen. Der alar- übernommen, der bemängelte, es gebe
mistische Begriff sollte in der Bericht- keine deutsche Leitkultur mehr. Dabei
erstattung nicht unreflektiert benutzt ging es nicht um gemeinsame Werte,
werden. Auf Deutschland bezogen wäre sondern um einen Katalog dessen, was
eine solche Gefahr durch die rund 6%2 → Einwanderer sich zu eigen machen
Muslim*innen, die hier leben, vollkom- sollten, wollten sie in Deutschland le-
men unrealistisch. ben. Der Begriff wird im Zuge der Asyl-
debatte als Schlagwort in der bürger-
Kulturbereicherer ist zynisch gemeint lichen Mitte benutzt, kursiert aber auch
und stammt aus der → rechtsextremen unter radikalen Rechten.
Szene. Der Begriff bezeichnet → Men-
schen aus Einwandererfamilien. Er soll Lügenpresse ist ein politisches Schlag-
die radikale Ablehnung einer Bereiche- wort zur Diffamierung der Medien.
rung Deutschlands durch → Men- Ab den 2000er Jahren nutzten es vor
schen mit internationaler Geschichte allem → Neonazis und → Rechtsex-
ausdrücken. treme, es wurde bei Pegida-Demos
häufig skandiert, heute hetzen auch
Kulturkreis stammt aus der Völkerkun- rechts-radikale Politiker*innen mit die-
de (19. Jh.) und war eine rassistische sem oder ähnlichen Begriffen gegen
Vorstellung homogener Ethnien, die in journalistische Medien. Dahinter
sich abgeschlossen in bestimmten Regi- steht die Verschwörungstheorie, dass
onen leben (siehe auch → Ehtnopluralis- in den Medien, vermeintlich plan-
mus). Diese Lehre ist längst widerlegt. mäßig und gesteuert, Desinformation
betrieben würde. Entsprechend werden
verächtlich gemeinte Chiffren, wie
Neue Rechte beschreibt lt.
Verfassungsschutz → Rechts-
59
→ Staatsfunk, »System-« oder »Main- extreme, die sich seit den 70er Jahren
stream- Medien«, benutzt. »Lügenpres- gegen Ideen der Aufklärung und der
se« war 2014 das Unwort des Jahres4. Gleichheit der Menschen richten. Sie
beabsichtigten eine Intellektualisierung
Meinungsdiktatur herrscht in Deutsch- des Rechtsextremismus, mit dem Ziel
land zwar nicht (Art. 5 GG Meinungs- das politische System in Deutschland
freiheit), in rechten Kreisen wird grundlegend zu verändern. Wissen-
trotzdem in zahlreichen Meinungs- schaftlich betrachtet zählt die AfD
bekundungen bemängelt, man könne mangels Intellektualität nicht dazu5,
seine Meinung nicht mehr äußern. Das obwohl die Partei teils als parlamentari-
Ziel dieser Strategie ist, sich als an- scher Arm der Neuen Rechten gesehen
geblich unterdrückte Freiheitskämp- wird.
fer*innen darzustellen und rassistische
Aussagen zu relativieren. Siehe auch Passdeutsche stammt aus dem Vo-
→ Sprachpolizei und → Zensur. kabular von → Rechtsextremen und
wurde zum Beispiel in Texten der NPD
Neonazi Kurzform von Neo-National- verwendet: Dort gibt es → Deutsche
sozialist. Neonazis beziehen sich und »Passdeutsche« (also nicht richtige
geistig, politisch sowie in der Sym- Deutsche). Letztere sollen damit als
bolik und den Aktionsformen auf den »undeutsch« abgewertet werden.
Nationalsozialismus. Die neonazisti-
sche Szene pflegt das NS-Erbe sowie Political Correctness (engl. politische
Traditionen von SA- und SS-Verbänden. Korrektheit) kurz: PC, entstand in den
Neonazismus ist die radikalste und 1970er Jahren in den USA und bezeich-
aggressivste Variante des heutigen nete die Forderung nach diskriminie-
→ Rechtsextremismus. Jeder Neonazi rungsfreier Sprache. Seit den 1990er
ist rechtsextrem, aber nicht jeder Jahren wird der Begriff von → Rechts-
Rechtsextreme ist Neonazi. Viele extremisten, → Rechtsradikalen und
Rechtsextreme beziehen sich nicht → Rechtspopulisten strategisch umge-
mehr auf den Nationalsozialismus und deutet und dient als politischer Kampf-
sind auch nicht mehr an den typischen begriff, um öffentlichkeitswirksam
Symbolen der 1990er Jahre zu erkennen eine angebliche → Meinungsdiktatur
(Glatze, Stiefel, Bomberjacke). Rassis- und → Zensur zu behaupten. Ziel ist es,
tische oder rechtsextreme Ideologien das Bestreben um diskriminierungs-
können in allen Spektren der Gesell- arme Sprache und Handlungen sowie
schaft herrschen, z. B. bei selbsternann- differenzierte Berichterstattung zu
ten → Asylgegnern. diffamieren. Siehe auch → Grenze des
Sagbaren.

Rechtspopulismus, Rechtsradikale und -extreme


Rassismus ist, wenn strukturell be-
nachteiligte Gruppen oder einzelne
von Politiker*innen können
als rechtsextrem einge-
60
Menschen aufgrund tatsächlicher schätzt werden. Siehe auch → Rechtsra-
oder vermeintlicher körperlicher oder dikal, → Neue Rechte, → Rechtspopulis-
kultureller Merkmale (z. B. Hautfarbe, mus, → Extremismus.
Herkunft, Sprache, Religion) pauschal
abgewertet und ausgegrenzt werden. Rechtspopulismus dient oft als Be-
Beim klassischen Rassismus wird schreibung für die Politik rassistischer
eine Ungleichheit und Ungleichwertig- Protestparteien. In der Forschung ist
keit wegen vermeintlicher biologischer umstritten, ob es sich bei Rechtspopu-
Unterschiede behauptet. Im Kultur- lismus um eine Ideologie handelt oder
rassismus wird die Ungleichheit und um einen Politikstil von Parteien der
Ungleichwertigkeit mit angeblichen radikalen Rechten (vgl. → rechtsra-
Unterschieden zwischen den »Kul- dikal). Der Soziologe Wilhelm Heitmey-
turen« zu begründen versucht6 (siehe er kritisiert den Begriff »Rechtspopulis-
auch → Hasskriminalität, → antimusli- mus« als verharmlosend und spricht
mischer Rassismus). von einem autoritären Nationalradi-
kalimus8. Fest steht: Rechtspopulist*in-
Rechtsextremismus benennt lt. Ver- nen arbeiten mit Gegensätzen, die von
fassungsschutz Bestrebungen, die sich einem »reinen → Volk« sowie einer
gegen die im Grundgesetz verankerte »korrupten (politischen) Elite« aus-
Gleichheit der Menschen richten und gehen und mit einem Nationalismus,
die universelle Geltung der Menschen- bei dem → Migranten, insbesondere
rechte ablehnen. Das verfassungs- → Geflüchtete, als Eindringlinge und
feindliche, rechtsextreme Weltbild Bedrohung dargestellt werden. Vertre-
ist geprägt von einer Überbewertung ter*innen des Rechtspopulismus bzw.
ethnischer Zugehörigkeit. Individuelle Rechtsradikale treten oft als ver-
Rechte treten zugunsten »volksge- meintliche Hüter*innen der demokrati-
meinschaftlicher« Konstrukte zurück. schen Ordnung auf.
Weitere wesentliche Bestandteile sind
→ Antisemitismus und ein autoritäres Rechtsradikal beschreibt eine zum Ext-
Staatsverständnis7. Oft wird damit le- remen neigende politisch-ideologische
diglich das veraltete Bild typischer Einstellung, weit rechts der Mitte des
→ Neonazis der 1990er Jahre (Glatze, politischen Spektrums. Oft verfolgen
Stiefel, Bomberjacke) verbunden. Es gibt radikale Rechte nationalistische
aber auch in der Mitte der Gesellschaft und anti-liberale Ziele, um echte oder
Menschen mit rechtsextremer und/oder angebliche Probleme zu beseitigen
neonazistischer Gesinnung. So können und gesellschaftliche Verhältnisse
mit dem verallgemeinernden Begriff grundlegend zu ändern9. Dabei stellen
Rechtsextreme auch → Asylgegner Rechtsradikale die Grundwerte un-
gemeint sein. Selbst manche Aussagen serer freiheitlichen Demokratie nicht
generell in Frage7 – im Gegensatz zu
→ Rechtsextremen, die klar verfas-
hängig von Staat und Regie-
rung zu erfüllen.
61
sungsfeindlich sind (vgl. → Radikalis-
mus, → Extremismus). Entsprechend Überfremdung ist ein politisches
kann man beispielsweise von der AfD Schlagwort, das von → Rechtsextremen
als einer rechtsradikalen Partei und teils auch in der Politik verwen-
sprechen oder konkreter von einer det wird. Es dient meist als Argument
autoritären nationalradikalen Partei. gegen die multikulturelle Gesellschaft
Siehe → Rechtspopulismus. in Deutschland, z. B. in Debatten um
den Bau von Moscheen. Dahinter steckt
Remigration meint als populistische häufig eine – → völkisch-nationalis-
Parole die Ausweisung oder → Ab- tische – Vorstellung, in der als nicht
schiebung von → Migranten oder → Ge- deutsch empfundene Menschen und
flüchteten aus Deutschland. Die Forde- ihre Kultur eine Gefahr für die »deut-
rung wird von → Rechtsradikalen und sche Identität«, das »→ Volk« oder die
→ Rechtsextremen erhoben, als Mittel innere Sicherheit Deutschlands sind.
gegen die pluralistische → Einwande- Dass die Bundesrepublik bspw. wirt-
rungsgesellschaft. Dahinter steht oft- schaftlich von Einwanderung profitiert
mals die Verschwörungstheorie, es sei und sie sich demografisch positiv aus-
ein geplanter »Bevölkerungsaustausch« wirkt, wird dabei ausgeblendet. »Über-
oder eine »Umvolkung« im Gange, die fremdung« wurde bereits 1993 zum
umgekehrt werden müssten. Siehe Unwort des Jahres gewählt.11
auch → Ethnopluralismus.
Volk meint im politischen Sinn die
Sprachpolizei ist ein Begriff der in gesamte Bevölkerung eines Landes.
rechten Kreisen oft verwandt wird, Heute wird der Begriff von → Rechts-
wenn Betroffene sich kritisch über he- radikalen und → Rechtsextremen meis-
rabwürdigende Bezeichnungen äußern, tens darüber definiert, wer nicht dazu
wie z. B. dem N-Wort10. Da in Deutsch- gehört – i.d.R. sind es → Muslime (auch
land Meinungsfreiheit herrscht (Art. 5 die deutschen) und → Ausländer. Bun-
GG), ist es beiden Seiten unbenommen deskanzlerin Merkel drückte es 2016
Kritik zu äußern. Vgl. → Meinungs- dagegen sehr simpel aus, sie befand:
dikatur und → Zensur. »Alle sind das Volk.«12

Staatsfunk diffamierende und fak- Völkisch ist ein belasteter histori-


tisch falsche Bezeichnung für den scher Begriff und begründet die Zuge-
öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In hörigkeit zum deutschen Volk durch
Deutschland wird der öffentlich-rechtli- Rassentheorien (NS-Sprache: »Volks-
che Rundfunk nach dem Solidarprinzip gemeinschaft«). Er wurde während der
durch Rundfunkgebühren finanziert, Nazi-Zeit oft als Synonym für national-
um seinen Informationsauftrag unab- sozialistisch verwendet. Versuche von
Rechtspopulismus, Rechtsradikale und -extreme
radikalen Rechten die Begriffe »völ-
kisch« und »Volksgemeinschaft« positiv
62
zu besetzen, sind bislang gescheitert.

Zensur wäre im Sinne des Grundge-


setzes eine staatliche Kontrolle von Me-
dien, vor ihrer Veröffentlichung (Vor-
zensur) und ist in Deutschland verboten
(Art. 5 GG). Die Meinungsfreiheit hat
dort ihre Grenzen, wo andere Rechte
verletzt werden, z. B. durch Volksver-
hetzung. Werden strafbare Inhalte im
Internet nachträglich gelöscht, ge-
schieht das im Rahmen der Straf-
verfolgung und / oder des Netzwerk-
durchsetzungsgesetzes, NetzDG. Teil-
weise wird eine »Zensur« beklagt, wenn
online gegen rassistische Äußerungen
und für zivile Umgangsformen appel-
liert wird. Tatsächlich zeigt dies ledig-
1 Horst Seehofer »Warum Heimatverlust die
lich gute Manieren, Anstand und eine
Menschen so umtreibt«, Gastbeitrag, FAZ vom
Meinungsvielfalt im demokrati-
29.04.2018 (http://www.faz.net/aktuell/politik/
schen Diskurs. Vgl. → Sprachpolizei, inland/innenminister-horst-seehofer-zum-the-
→ Meinungsdiktatur. ma-heimat-15565980.html)
2 Vgl. Pew Research Center (2017): »Euro-
pe’s Growing Muslim Population «, Nov. 2017
(http://assets.pewresearch.org/wp-content/
uploads/sites/11/2017/11/06105637/FULL-
REPORT-FOR-WEB-POSTING.pdf#page=5)
sowie BAMF-Studie »Wie viele Muslime leben
in Deutschland«, Stand: Dez. 2016 (https://
www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen/
DE/2016/20161214-studie-zahl-muslime-deutsch-
land.html)
3 Erläuterung von Prof. Eric Anton Heuser, verkürzte
Fassung des Gastbeitrags »Hasswort: Kulturkreis«,
11.11.2016, https://uebermedien.de/9357/hass-
wort-kulturkreis-eric-anton-heuser/
4 Sprachkritische Aktion, Unwort des Jahres
2014 (http://www.unwortdesjahres.net/index.
php?id=48)
5 Samuel Salzborn: Angriff der Antidemokraten.
Die völkische Rebellion der Neuen Rechten, Beltz
Juventa, 2017
63
6 Angelehnt an die Erläuterung im Glossar des
Informations- und Dokumentationszentrums
für Antirassismusarbeit e.V.: www.idaev.de/glos-
sar/?qlChar=R
7 Bundesamt für Verfassungsschutz, Glossar
(https://www.verfassungsschutz.de/de/service/
glossar/_lR)
8 Wilhelm Heitmeyer, Autoritäre Versuchungen,
Suhrkamp, 2018
9 Bundeszentrale für politische Bildung, Dossier
Rechtsextremismus (http://www.bpb.de/politik/
extremismus/rechtsextremismus/173908/glos-
sar?p=52)
10 Bundeszentrale für politische Bildung, Dossier
Afrikanische Diaspora (http://www.bpb.de/gesell-
schaft/migration/afrikanische-diaspora/59448/
das-nwort)
11 Sprachkritische Aktion, Unwort des Jahres
1993 (http://www.unwortdesjahres.net/index.
php?id=29)
12 Videobotschaft zum Tag der deutschen Einheit
2016, (https://www.youtube.com/watch?v=IU8Uq-
HAt26M)

Rechtspopulismus, Rechtsradikale und -extreme


Index B
Balkan 41
A Banden 21
Abschiebung 46 Bekenntnisfreiheit 41
Abschiebungsverbot 46 Beschneidung, islamische 25
Afrodeutsche 8 Beschneidung, jüdische 35
Aleviten 25 Besorgte Bürger 56
Allochthone 8 Biodeutsche 9
Altparteien 56 Bindestrich-Deutsche 9
AnkER-Zentrum 46 BIPoC 13
Antijudaismus 34 BPoC 13
Antimuslimischer Rassismus 25 Bleibeperspektive 49
Antisemitismus 34 Bleiberecht 49
Antiziganismus 441 Blutrache 21
Antizionismus 34 Boko Haram 25
Armuts-/Wirtschaftsflüchtlinge 46 Bürgerlich (konservativ) 56
Armutszuwanderer 16 Bulgarien 42
Aschkenasim/Ashkenazim/ Bundesrepublikaner 9
Aschkenasen 35 Burka 26
Asyl 47
Asyl und Flüchtlingsschutz 48
Asylanten 47 C
Asylantenschwemme, -flut, -strom 47 Chassidismus 35
Asylbetrüger 47 Christlich-jüdisch 56
Asylbewerber 47 Clan 21
Asylkritiker/Asylgegner 48 Clan-Kriminalität 22
Asylmissbrauch 48 Copyright-Deutsche 9
Asylsuchende 48
Aufnahmegesellschaft 16
Ausländer 8 D
Ausländer mit deutschem Pass 56 Davidstern 35
Ausländerhass, De-facto-Flüchtlinge 49
Fremdenfeindlichkeit 21 Der Gesuchte spricht Deutsch
Ausländerkriminalität 21 mit türkischem Akzent 22
Ausländischer Mitbürger 8 Der Kölner Behrouz F. 22
Aussiedler / Spätaussiedler 16 Der türkischstämmige
Ausweisung 48 Tatverdächtige 22
Autochthone Deutsche 9 Deutsch-Türken 10
Deutsche 9
Deutschenfeindlichkeit 57
Deutsche ohne G
Migrationshintergrund 9 Gadje / Gadsche 42
Deutsche Roma 42 Gastarbeiter 11
Deutsche Sinti und Roma 42 Geflüchtete 51
Deutsche Staatsangehörigkeit 16 Genfer Flüchtlingskonvention 51
Displaced Persons 17 Gescheiterte Integration 18
Diverskulturelle 10 Geschützte Personen 52
Doppelte Staatsangehörigkeit 17 Grenze des Sagbaren 57
Dritte Welt 49 Gypsy 42
Drittstaatsangehörige 10
Dschihad 26
Dschihadismus, Dschihadist 26 H
Dublin-Verfahren 49 Hadith / Ahadith 27
Duldung 50 Halal und Haram 27
Hasskriminalität, Hassverbrechen 23
Heimat 57
E Heimatlose Flüchtlinge 52
Ehrenmord 22 Heimatschutz 57
Einbürgerung 17 Herkunftsdeutsche 11
Einheimische 10 Hijab / Hidschab 27
Einwanderer 10 Holocaust 35
Einwanderer und
ihre Nachkommen 10
Einwanderungsgesellschaft 18 I
Ethnopluralismus 57 Ideologien der Ungleichwertigkeit 23
Euro-Muslime 26 Illegale Migranten 52
Exilierte 50 Imam 27
Extremismus 23 Indigene 11
Integration 18
Integrationsverweigerer 18
F Islamfeindlichkeit 27
Familiennachzug 50 Islamisch 28
Fatwa 26 Islamischer Staat 28
Flüchtlinge 50 Islamisierung 58
Flüchtlingskrise 51 Islamismus, Islamist,
Flüchtlingsschutz 51 politischer Islam 28
Flüchtlingsstrom, -zustrom, -welle 51 Islamkritik 28
Freiwillige Ausreise / Rückkehr 51 Islamophobie 28
Fremdarbeiter 10 Israelbezogener Antisemitismus 35
Fremdenfeindlichkeit 21 Israelkritik 36
Fundamentalist 27
J Messereinwanderung 23
Juden 36 Migranten 12
Migrationsvordergrund 12
Minderheitenrat 43
K Minderheitensekretariat 43
Kabbala 36 Mischehe 18
Kanaken 11 Mischling 12
Kaschrut 36 Misrachim 37
Kinder nichtdeutscher Mohammedaner 30
Herkunftssprache 11 Mord im Namen einer
Kippa / Kippah 36 vermeintlichen Ehre 23
Königsteiner Schlüssel 52 Moslem, Moslemin 30
Konservatives Judentum 37 Muslime 30
Kontingentflüchtlinge 52 Muslimisch 30
Kopftuch 29 Mutmaßlicher Islamist 30
Kopftuchträgerin 29
Koran / Qur’an 29
Koscher 37 N
Kulturbereicherer 58 n. d. Z. / nach der Zeitrechnung /
Kulturkreis 58 Zeitwende 37
Kulturmuslime 29 Nationale Minderheit 43
Nationalsozialistischer Genozid 43
Neo-Muslime 30
L Neokolonialismus 19
Latinx 11 Neo-Orthodoxie 38
Leitkultur 58 Neonazi 59
Liberale Muslime 29 Neubürger 12
Liberales Judentum 37 Neue Deutsche 12
Lügenpresse 58 Neue Rechte 59
Niqab 30
Nomaden 43
M
Maghreb-Staaten 53
Mehrheitsgesellschaft 18 O
Meinungsdiktatur 59 Obergrenze 53
Menschen aus Einwandererfamilien 11 Opfer 24
Menschen mit internationaler Opferfest 31
Geschichte 12 Optionspflicht 19
Menschen mit Migrations- Orthodoxes Judentum 38
hintergrund 12 Osteuropäischer Herkunft,
Menschenschmuggel 53 arabischstämmig 24
P Schwarze Deutsche 14
Parallelgesellschaft 19 Secondos / Secondas 14
Passdeutsche 59 Sekundärer Antisemitismus 39
People of Color 13 Sekundärmigration 54
Philosemitismus 38 Semiten 39
Philoziganismus 44 Sephardim 39
Pogrom 38 Sichere Drittstaaten 54
Political Correctness 59 Sichere Herkunftsländer 54
Pop-Dschihadismus 31 Sinti 45
Pop-Muslime 31 Sprachpolizei 61
Postmigrantisch 19 Staatsfunk 61
Prinzip der Nicht-Zurückweisung 53 Standard-Deutsche 14
Subsidiärer Schutz 55
R Südländer 14
Rabbiner 38 Sunniten 32
Radikaler Islam / radikale Muslime 31
Radikalismus 24 T
Ramadan 31 Talmud 39
Rasse 13 Tanach / Tenach 39
Rassismus 60 Thora / Tora / Torah 39
Rechtsextremismus 60 Traveller 45
Rechtspopulismus 60 Tschador 33
Rechtsradikal 60 Türkischstämmige 14
Remigration 61
Residenzpflicht 53
Roma 44 U
Roma Day (8. April) 44 Überfremdung 61
Romanes 44 Ultraorthodoxe Juden 39
Rumänien 44 Unbegleitete minderjährige
Russlanddeutsche 13 Flüchtlinge 55

S V
Sabbat / Schabbat / Schabbes 39 v. d. Z. / vor der Zeitrechnung /
Säkulare Muslime 32 Zeitwende 37
Salafismus, Salafisten 32 Verschwörungstheorien,
Scharia 32 antisemitische 40
Schiiten 32 Vertriebene 19
Schlepper / Schleuser 54 Volk 61
Schutzquote 54 Völkisch 61
Schwarze 13
W
Weiße Deutsche 14
Willkommenskultur 20
Wir 15
Wirtschafts-/ Armutsflüchtling 46
Wurzeln, mit griechischen etc. 15

X
Xenophilie 20
Xenophobie 20
Xoraxaia / Horahane 45

Z
Zensur 62
Zigeuner 45
Zionismus 40
Zuwanderer 15
Notizen 69
70
Die Neuen deutschen Medienmacher*innen
(NdM) sind ein bundesweiter Zusammenschluss
von Medienschaffenden mit unterschiedlichen
kulturellen Hintergründen, die sich als gemein-
nütziger Verein seit 2009 für mehr Vielfalt in den
Medien und Einwanderungsperspektiven im
öffentlichen Diskurs einsetzen. Das Netzwerk
ist politisch unabhängig, nationalitäten- und
konfessionsübergreifend. Zu den NdM zählen
sich über Tausend Medienschaffende aus ganz
Deutschland. Sie arbeiten als feste und freie
Journalist*innen für deutsche Medien – in Print,
Online, TV und Hörfunk.

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