glossar.neuemedienmacher.de
Impressum
Herausgeber
Neue deutsche Medienmacher e.V.
Potsdamer Straße 99
10785 Berlin
Redaktion
Konstantina Vassiliou-Enz, Ferda Ataman,
Alice Lanzke, Sina Laubenstein, Shion Kumai
Gestaltung
Farbe. Designbüro
Inhaltsverzeichnis
Wozu Formulierungshilfen? 5
Migration 16
Kriminalitätsberichterstattung 21
Minderheiten
Musliminnen und Muslime 25
Jüdinnen und Juden 34
Sinti, Sintize, Romnja und Roma 41
Rechtspopulismus, Rechtsradikale
und -extreme 56
Index 64
Der Neue deutschen Medienmacher e.V. (NdM) ist ein
gemeinnütziger Verein. Wir engagieren uns bundes-
weit mit zahlreichen Projekten für mehr inhaltliche
und personelle Vielfalt in den Medien. Wir freuen uns
über die Unterstützung unserer Arbeit durch eine Mit-
gliedschaft, eine Spende oder aktive Mitarbeit.
Infos unter www.neuemedienmacher.de
1 Obwohl es in den Medien bislang (noch) kaum gängige Praxis ist, gendern wir im NdM-Glossar mit
Sternchen *. Aus Gründen der Auffindbarkeit und der Übertragung in die Online-Fassung des Glossars,
verzichten wir allerdings bei den erläuterten Suchbegriffen darauf.
Danke
Fatih Abay, Prof. Dr. Handan Aksünger, Prof. Dr. Iman Attia,
Thomas Baumann, Anna Brausam, Claudia Dantschke,
Merfin Demir, Christina Dinar, Prof. Dr. Naika Foroutan,
Prof. Eric Anton Heuser, Amelie Hoffmann, Gilda Horvath,
Anetta Kahane, Bernd Knopf, Thomas Krüppner, Robert
Lüdecke, Yassin Musharbash, Prof. Dr. Werner Nell,
Miltiadis Oulios, Timo Reinfrank, Jan Riebe, Jana Sauer,
Dr. Susanne Schmidt, Ulrich Werner Schulze, Sana Shah,
Dr. Yasemin Shooman, Prof. Dr. Riem Spielhaus,
Dr. Stefan Vogt, Irene Wachtel, Melek Yildiz und viele
andere.
Legende 7
→
Begriff mit
Erläuterung
mpfohlener
E
Begriff
→ Empfohlener
Begriff mit
Erläuterung
Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«? 8
Die deutsche Gesellschaft hat sich verändert, sie ist bunter geworden. Das sollte
sich in der Berichterstattung wiederfinden. Gleichzeitig müssen Journalist*innen
oft vereinfachen, um komplizierte Sachverhalte für Mediennutzer*innen kurz und
verständlich darzustellen. Manchmal führt das zu einem Dilemma: Wie beschreibe
ich die Gruppe, der jemand zugehört? Wie beschreibe ich die anderen? Und wo ist
diese Trennung wirklich nötig?
Zunächst ist es sinnvoll, die Protagonist*innen zu fragen, wie sie sich selbst
nennen würden. Das ist allerdings nicht immer möglich. Zudem kann man bei der
Beschreibung von Gruppen nicht davon ausgehen, dass alle dieselbe Präferenz
haben.
Bei einer allgemeinen Bezeichnung für Einwanderer*innen und ihre Nachkom-
men läuft man Gefahr, das Bild einer homogenen Gruppe zu erzeugen. Menschen
mit Migrationsgeschichte sind jedoch keineswegs homogen: Aussiedler*innen
haben in der Regel mit Geflüchteten aus dem Libanon so wenig gemeinsam wie
kemalistische Türk*innen mit kurdischen Feminist*innen. Dennoch ist es in
der Berichterstattung manchmal nötig, eine Gruppe pauschal zu benennen. Die
vorliegenden Erläuterungen dienen der Präzisierung von Begriffen und bieten
praktische Vorschläge für die differenzierte Bezeichnung von Minderheiten, der
Mehrheit und natürlich auch von beiden.
Menschen, die eine längere Zeit hier chologie und Rassismus, Hamburg
2 Wissenschaftlicher Dienst des deutschen Bundes-
leben, sind schlicht → Einwanderer
tags, »Russlanddeutsche in der Bundesrepub-
(siehe → Einwanderungsgesellschaft lik«, Seite 2, Stand: Februar 2016 (https://www.
versus → Zuwanderungsgesellschaft). bundestag.de/blob/424502/e534deaef41f3f-
1f1efcf098f-64cb013/wd-3-036-16-pdf-data.pdf)
Armutszuwanderer wird oft als ab- deutlich wird: Es sind die über
fällige Bezeichnung für Menschen aus 82 Millionen1 Bürger*innen in Deutsch-
Südosteuropa verwendet, teils auch land gemeint.
als Synonym für → Roma, die im Zuge
der EU-Freizügigkeit nach Deutsch- Aussiedler / Spätaussiedler sind deut-
land kommen. Die große Mehrheit der sche »Volkszugehörige« und mit etwa
Menschen, die aus den EU-Beitritts- 4,5 Millionen Menschen die größte Ein-
ländern → Bulgarien und → Rumänien wanderergruppe in der Bundesrepublik.
eingewandert sind, geht jedoch einer Laut Definition des Innenministeriums
Arbeit nach oder studiert. Es handelt handelt es sich bei ihnen um »Personen
sich daher überwiegend um eine – für deutscher Herkunft, die in Ost- und
Deutschland profitable – Arbeitsein- Südosteuropa sowie in der Sowjetunion
wanderung bzw. Arbeitszuwanderung. unter den Folgen des Zweiten Weltkrie-
Bei »Armutsmigration« wird vor allem ges gelitten haben (und die) noch Jahr-
eine vermeintliche Einwanderung in zehnte nach Kriegsende aufgrund ihrer
die Sozialsysteme betont, die gesetzlich Volkszugehörigkeit massiv verfolgt«
aber ausgeschlossen ist. wurden. In der Bundesrepublik können
sie die »Statusdeutscheneigenschaft«
Aufnahmegesellschaft wird häufig als bekommen, werden damit → deutschen
Synonym für → Deutsche ohne Migrati- Staatsangehörigen gleichgestellt und
onshintergrund verwendet, wirkt dabei sind keine → Ausländer (siehe auch
jedoch ausgrenzend, da → Einwanderer → Vertriebene).
und ihre Nachkommen auch zu den
Aufnehmenden gehören. Ein klärender Deutsche Staatsangehörigkeit erwer-
Zusatz, wie multikulturelle Aufnah- ben Menschen mit der Geburt entweder
megesellschaft wäre sinnvoll, damit nach dem Abstammungsprinzip, wenn
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
sie also als Kind deutscher Eltern ge-
boren werden, oder seit 2000 auch
→ Einbürgerungen in Deutsch-
land soll Mehrstaatigkeit
17
nach dem Geburtsortprinzip. Das heißt vermieden werden, es gibt allerdings
auch Kinder, deren Eltern keine deut- viele Ausnahmen: z. B. für EU-Bür-
sche Staatsangehörigkeit besitzen, ger*innen, Schweizer*innen, US-Ame-
erhalten seither in der Regel die deut- rikaner*innen, Argentinier*innen etc.
sche Staatsbürgerschaft, wenn sie in Seit 2000 erhalten auch in Deutschland
Deutschland geboren sind (siehe geborene Kinder von → Ausländern
→ doppelte Staatsangehörigkeit, neben der Staatsangehörigkeit ihrer
→ Optionspflicht). Unter bestimmten Eltern die deutsche (siehe → Options-
Voraussetzungen (u. a. achtjähriger pflicht). Um Menschen mit doppelter
Aufenthalt) kann man durch → Ein- Staatsbürgerschaft zu benennen, ist
bürgerung deutsche*r Staatsbürger*in es sinnvoll, ihren Lebensmittelpunkt
werden. zu betonen, also z. B. Turko-Deut-
sche, oder Türkei-Deutsche statt
Displaced Persons (DPs) engl. für Ver- Deutsch-Türk*innen, Greco-Deut-
triebene. Die UN bezeichnen Personen sche, statt Deutsch-Griech*innen etc.
als displaced people, die wegen ähnlich wie bei Russlanddeutschen
bewaffneter Auseinandersetzungen, (siehe → Deutsch-Türken).
Menschenrechtsverletzungen, natür-
licher oder menschlich verursachter Einbürgerung ist der Prozess zur Er-
Katastrophen gezwungen wurden, ihren langung der deutschen Staatsbürger-
Heimatort zu verlassen, aber keine schaft. Unterschieden wird zwischen
international anerkannte Staatsgren- Anspruchseinbürgerung und Ermes-
ze überschritten haben; im Sinne der senseinbürgerung. Anspruch auf eine
UN sind DPs Binnenflüchtlinge. Als Einbürgerung hat, wer die gesetz-
historischer Begriff in der deutschen lichen Voraussetzungen dafür erfüllt
Geschichte bezieht er sich vor allem auf (z. B. mindestens acht Jahre Aufenthalt,
ehemalige KZ-Häftlinge, Kriegsgefan- Lebensunterhaltssicherung ohne Sozi-
gene und Zwangsarbeiter*innen nach alhilfe und Arbeitslosengeld II, seit 2020
dem Zweiten Weltkrieg (siehe auch auch eine »Einordnung in deutsche
→ Heimatlose Flüchtlinge). Lebensverhältnisse«). Sind nicht alle
Voraussetzungen gegeben, kann eine
Doppelte Staatsangehörigkeit Das Einbürgerungsbehörde trotzdem die
Fachwort dafür ist Mehrstaatigkeit deutsche Staatsbürgerschaft vergeben,
und beschreibt den Besitz von zwei wenn z. B. ein öffentliches Interesse
oder mehr Staatsangehörigkeiten. Dazu an der Einbürgerung besteht (bspw. bei
kommt es z. B., wenn ein Kind nach Profi-Sportler*innen) und einige Min-
dem Abstammungsprinzip automatisch destanforderungen erfüllt sind (siehe
die unterschiedlichen Staatsangehörig- auch → doppelte Staatsbürgerschaft
keiten beider Elternteile erhält. Bei und → deutsche Staatsangehörigkeit).
Migration
Einwanderungsgesellschaft beschreibt
Deutschland als Einwanderungsland:
Teilhabe,
heit.
Chancengleich-
18
Die Menschen kommen, um dauerhaft
hier zu leben. Sie werden und sind Teil Integrationsverweigerer steht für die
der Bevölkerung. Im Gegensatz dazu diffuse Vorstellung, dass → Einwande-
betont die Bezeichnung »Zuwande- rer die deutsche Gesellschaft, ihre Wer-
rungsgesellschaft« die temporäre Dauer te und Gesetze ablehnen würden. War
des Zuzugs. Die Absicht zu bleiben früher noch die Rede von Menschen
ist bei → Zuwanderern nicht gegeben. mit »Integrationsbedarf« und »Integra-
tionsproblemen«, wurden daraus später
Gescheiterte Integration wird häufig »Integrationsunfähige« und »Integ-
als Ursache für Jugendkriminalität rationsunwillige«. Heute taucht öfter
und andere Probleme genannt. Dabei »Integrationsverweigerer« auf. Daran
wird oft unterstellt, dass zum Beispiel wird deutlich, dass → Menschen aus
Verstöße gegen Gesetze und Normen Einwandererfamilien oft eine willentli-
begangen werden, weil die deutsche che und aktive Abgrenzung unter-
Gesellschaftsordnung abgelehnt und stellt wird, was jedoch sehr selten der
stattdessen einer vermeintlich archai- Fall ist. Studien verweisen auf einen
schen Einwandererkultur mit eigenen Mangel an Chancengleichheit,
Regeln gefolgt wird. Meist sind jedoch Bildungsgerechtigkeit und fehlende
andere Ursachen zu finden, wie man- oder erschwerte Möglichkeiten zur
gelnde Chancengleichheit oder Partizipation.
Bildungsgerechtigkeit, soziale Be-
nachteiligung etc. Mehrheitsgesellschaft ist ein gängiger
Begriff, der missverständlich ist. Eigen-
Integration ist ein Begriff, der oft im tlich müsste es heißen: Mehrheits-
Zusammenhang mit → Migranten fällt bevölkerung, also die von gut 63
und als Bringschuld der Einwander*in- Millionen2 → Deutschen ohne Migra-
nen gemeint ist. Wissenschaftler*innen tionshintergrund. In einem faktischen
dagegen verwenden ihn, um Sach- Einwanderungsland funktionieren
verhalte zu beschreiben, wie Teilhabe Bezeichnungen wie »die deutsche Ge-
und Zugang zu Arbeit oder Bildung. In sellschaft« oder »die Gesellschaft in
diesem Sinn ist bspw. von Integrations- Deutschland« nicht als Synonym für
politik oder Integrationsprojekten die → Deutsche ohne Einwanderungsbezug.
Rede. In der Berichterstattung ist oft
von → gescheiterter oder »gelungener Mischehe beruht als Begriff auf der
Integration« die Rede; ebenso wie bei Rassentheorie und wurde vor allem im
der Übertragung auf Personen (→ Inte- Zuge der »Rassenhygiene« zur Zeit des
grationsverweigerer) werden gesell- Nationalsozialismus verwendet. Gute
schaftliche Probleme dadurch individu- Alternativen sind binationale, bi-
alisiert und kulturalisiert. Alternativen: kulturelle oder ggf. interreligiöse Ehe.
Neokolonialismus bezeichnet fortwir-
kende, teils neue Formen von Abhän-
der Debatte um → Muslime in
Deutschland populär wurde.
19
gigkeit und Ausbeutung nach dem Ende Der Begriff ist inhaltlich diffus und
des formalen Kolonialismus. Demnach wird verbunden mit vermeintlich → ge-
werden ehemals kolonisierte Gebiete scheiterter Integration. Er zeichnet ein
heute mit neokolonialistischen Mit- Bild homogener Minderheiten, die sich
teln indirekt von ehemaligen Kolonial- räumlich, sozial und kulturell von der
mächten beherrscht, u.a. durch finan- → Mehrheitsgesellschaft abschotten3.
zielle (z.B. durch Kredite), aber auch Ihnen wird »Integrationsunwilligkeit«
politische, technologische, militärische unterstellt, ohne zu berücksichtigen,
oder kulturelle Abhängigkeiten. Post- dass für → Integration die gesamte
kolonialismus (Postcolonial Studies) Gesellschaft verantwortlich ist. Zudem
ist eine wissenschaftliche Forschungs- ist für einen hohen Anteil von Einwan-
richtung, die davon ausgeht, dass die der*innen in manchen Stadtteilen oft
Geschichte des Kolonialimus mit den eher der Wohnungsmarkt ursächlich
historischen Unabhängigkeitserklärun- als ein Hang zu innerethnischen Nach-
gen nicht vorbei war. barschaften.
→ Xenophobie und beschreibt eine 3 Vgl. »Zuwanderung wird als Bedrohung emp-
funden«: Interview mit Klaus J. Bade mit Spiegel
Neigung für fremde Dinge oder Men-
Online vom 24.11.2014 http://www.spiegel.
schen. Beides setzt eine Kategorisie- de/kultur/gesellschaft/leitkultur-debatte-zu-
rung in »fremd« und »nicht fremd« wanderung-wird-als-bedrohung-empfun-
voraus. den-a-329285-druck.html
Kriminalitätsberichterstattung 1
21
Die Berichterstattung über Straftaten nimmt in den meisten Medien viel Raum ein.
Dabei herrscht immer noch das Vorurteil, Geflüchtete oder Menschen mit inter-
nationaler Geschichte würden häufiger straffällig als biografisch Deutsche und
ihre Herkunft hätte ursächlich damit zu tun. Bei Aussagen über Kriminalität unter
bestimmten Gruppen besteht stets die Gefahr einer unzulässigen Pauschalisie-
rung und entsprechender Fehlschlüsse. Die folgenden Erläuterungen und Empfeh-
lungen sollen dazu beitragen, differenziert über Straftaten zu berichten.
Demokratie nicht generell in Frage stel- Deutschland«, Bertelsmann- Stiftung (Hrsg.), 2014
(www. neuemedienmacher.de/denn-sie-wissen-
len. Man kann Radikalismus als eine
nicht-was-sie-tun-wie-journalismus-die-integra-
Art legale Vorstufe zum → Extremismus
tionsdebatte-beeinflusst/)
betrachten. Radikale haben zum Ziel 2 Studie »Ehrenmorde in Deutschland 1996 bis
unsere Gesellschaftsordnung grundle- 2005« von der Kriminologischen Abteilung des
gend zu verändern, bewegen sich dabei Max-Planck-Instituts im Auftrag des Bundeskri-
aber noch innerhalb der Grenzen der minalamts. Interview von 2014 dazu: http://me-
diendienst-integration.de/artikel/ehrenmord-stu-
Verfassung. »Radikale politische Auf-
die-kasselt-kein-islamrabatt.html
fassungen haben in unserer pluralisti- 3 Bundesamt für Verfassungsschutz, Glossar
schen Gesellschaft ihren Platz«, heißt (https://www.verfassungsschutz.de/de/service/
es laut Verfassungsschutz3. glossar/_lR)
Musliminnen und Muslime 25
Wer genau sind eigentlich »die Muslime«? Und gibt es »den Islam« überhaupt?
Tatsächlich ist das Themenfeld viel komplexer, als es oft wahrgenommen wird.
Bereits zur Frage, wie viele Muslim*innen in Deutschland leben, gibt es Differen-
zen.1 Die offizielle Angabe von 4,4 bis 52 Millionen muslimischen Einwohner*innen
in Deutschland ist beispielsweise eine Hochrechnung, bei der vor allem nach
Herkunftsland und nicht nach Religiosität gezählt wird. In jedem Fall aber steht
fest: Die Mehrheit der eingewanderten Menschen in Deutschland kommt nicht aus
islamischen Ländern, sondern aus christlich geprägten.
Trotzdem werden Berichte über Integrationsthemen häufig unreflektiert mit der
Islamdebatte verknüpft. Geht es um Religionsfragen von Eingewanderten, steht
ebenfalls meist nur »der Islam« im Fokus. Diese Verengung betrachten Kritiker*in-
nen als problematisch. Aus diesen Gründen ist es sinnvoll mit den gängigen Be-
griffen zum Thema Islam vertraut zu sein.
Aleviten sind eine eigenständige Reli- schaften zugewiesen werden und die
gionsgemeinschaft, die ihren Glauben als nicht zugehörig eingeordnet wird.
als Yol (mystischer Weg) bezeichnet.
Das Alevitentum hat sich aus vorisla- Islamische Beschneidung von
mischen, schiitischen und mystischen Jungen (arab. Khitan), wird von vielen
Elementen in Anatolien entwickelt, so Muslim*innen als religiöse Pflicht
dass unterschiedliche Verständnisse angesehen und ist weitgehend etablier-
darüber existieren. Zahlreiche → türkei- te Praxis. Sie wird im Laufe der Kind-
stämmige Einwanderer sind bspw. heit vor der Pubertät durchgeführt.
Aleviten, darunter auch viele Kur- Mit der Beschneidung werden Jungen
den. rituell in der islamischen Gemein-
schaft sozialisiert. In Deutschland ist
Antimuslimischer Rassismus bezeich- die Beschneidung seit 2012 gesetzlich
net die Diskriminierung von Menschen, geregelt; laut § 1631d des BGB ist sie
die aufgrund ihrer tatsächlichen oder erlaubt, wenn sie »nach den Regeln der
auch bloß zugeschriebenen Religions- ärztlichen Kunst durchgeführt« wird
zugehörigkeit als → Muslime wahr- (siehe auch → Beschneidung im Kapitel
genommen werden. Im Vergleich zu »Jüdinnen und Juden«).
den Begriffen → Islamophobie oder
→ Islamfeindlichkeit verweist die Boko Haram ist eine radikal-islamisti-
Bezeichnung antimuslimischer Ras- sche Terrormiliz, die 2009 im Nordosten
sismus auf die Vorstellung von Mus- Nigerias gegründet wurde. Offiziell
lim*innen als homogener Gruppe, der trägt die Terrorgruppe seit 2009 den
bestimmte (zumeist negative) Eigen- Namen »Jama‘atu Ahlis Sunna Lid-
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
da‘awati wal-Jihad«, der im Deutschen
»Vereinigung der Sunniten für den Ruf
Dschihadismus, Dschihadist
wird in der Regel im Zusam-
26
zum Islam und für den Dschihad« be- menhang mit militanten, gewaltbe-
deutet. Sie wird im Allgemeinen jedoch reiten → Islamisten verwendet, deren
weiterhin Boko Haram genannt, was Ideologie zufolge der → Dschihad den
meist übersetzt wird mit »Westliche bewaffneten Kampf meint, der jedem
Bildung ist verboten«. Entstanden ist Muslim vorgeschrieben sei, solange
sie aus der gleichnamigen sekten- muslimische Gebiete unter Besetzung
ähnlichen Gruppierung, die seit 2002 sind oder »Ungläubige« gegen Muslime
im Nordosten Nigerias offen als eine kämpfen.
fundamentalistisch-islamistische Ge-
meinschaft operierte. Ziel von Boko Euro-Muslime geht auf den Begriff des
Haram ist, einen islamischen Gottes- Euro-Islam zurück, den der Islamwis-
staat nach dem »Recht« der → Scharia senschaftler Bassam Tibi 1991 in die
zu errichten; 2014 rief die Miliz in den wissenschaftliche Diskussion einge-
von ihr beherrschten Gebieten im bracht hat. Der Begriff beschreibt eine
Norden Nigerias ein islamisches Kalifat bestimmte säkularisierte Form des
aus, ähnlich wie der → IS kurz zuvor Islam, die sich dadurch herausbilden
im Nordirak. soll, dass in Europa lebende Muslim*in-
nen Pflichten und Prinzipien des Islam
Burka verhüllt den ganzen Körper, den mit Werten der modernen europäischen
Kopf und das Gesicht; die Augen sind Kultur kombinieren. Mittlerweile gibt
von einem Stoffgitter verdeckt; vor es aber auch konservativere Ausle-
allem typisch in Afghanistan und teils gungen eines Euro-Islam, weshalb der
in Pakistan. Burka wird oft falsch ver- Begriff wissenschaftlich umstritten
wendet, wenn eigentlich ein Gesichts- ist. In der Berichterstattung kommt
schleier gemeint ist, der die Augen Euro-Muslim vor allem als Selbstbe-
freilässt, also ein → Niqab (siehe auch zeichnung vor.
→ Tschador).
Fatwa (arabisch) ist eine Rechtsaus-
Dschihad wird meist mit »Heiliger kunft von einer muslimischen Auto-
Krieg« assoziiert, bedeutet zunächst rität, die auf Anfrage ein religiöses oder
»Anstrengung«, »Mühe« und kann sich rechtliches Problem klärt. Anders als
auch auf einen inneren Auftrag bezie- ein Gerichtsurteil beruht die Fatwa auf
hen, z. B. beim Kampf gegen »das Böse« der persönlichen Interpretation und
im Herzen (großer Dschihad). Der klei- der jeweiligen islamischen Rechtsschu-
ne oder äußere Dschihad hingegen le ihres Verfassers. Somit können Mus-
besteht in jeder Form der zulässigen lim*innen zur gleichen Frage wider-
Verteidigung von → Muslimen (siehe sprüchliche Fatwas erhalten. Oftmals
auch → Pop-Dschihadismus). werden Fatwas als praktische Lebens-
beratung zu Alltagsfragen erlassen.
Fundamentalist stammt aus der
Geschichte der christlichen Kirchen
Hijab / Hidschab bedeutet Ver-
hüllung und wird in Deutsch-
27
und bezeichnete Angehörige einer land oft wie → Kopftuch verwendet. Ge-
Strömung im Protestantismus der USA meint ist ein Tuch, das den Kopf, meist
Anfang des 20. Jh.s. Inzwischen wird auch den Hals und teils die Schultern
der Begriff auch im politischen Kontext bedeckt, das Gesicht aber freilässt.
benutzt. Es ist aber umstritten, ob er Inspiriert durch Tradition oder Mode
auf bestimmte Strömungen im Islam gibt es viele verschiedene Trageweisen
anwendbar ist. Alternativ kann man auf des Hijab, meist liegt das Tuch relativ
Formulierungen zurückgreifen wie eng an.
rückwärtsgewandte oder konser-
vative Muslime oder altherkömmlich Imam ist das arabische Wort für den,
gläubige Muslime. Handelt es sich bei der vorne steht/vorsteht. In deutschen
den zu Bezeichnenden um militante Medien ist damit meist die religiöse
Fundamentalist*innen (allen Glaubens), Führung islamischer Gemeinden oder
kann man von Terroristen sprechen. ein Vorbeter gemeint, obwohl die Vor-
beter in türkischen Gemeinden i.d.R.
Hadith / pl. Ahadith (arab. Bericht, Hoca heißen. Zu den Aufgaben von
Erzählung) In den Ahadith wurde das Imamen in Deutschland, gehören
Reden, Handeln oder billigende Schwei- neben dem Vorbeten und Predigen,
gen des Propheten festgehalten. Die Ge- die religiöse Unterweisung für Kinder
samtheit der Ahadith bildet die Sunna; und Erwachsene, die Seelsorge und der
neben dem → Koran ist sie die zweite interreligiöse Dialog. Andere Begriffe
Hauptquelle für islamische Theologie für dieses Amt sind Scheikh und
und islamisches Recht sowie Ethik und Murshid. Frauen können z. B. als
Glaubenspraxis. weibliche Hoca, Murshida, Weize
oder Sheika einer islamischen Ge-
Halal und Haram sind aus dem Arabi- meinde vorstehen oder Funktionen
schen stammende Begriffe aus dem religiöser Autoritäten ausüben (Koran-
Koran, wobei Halal »erlaubte« Ver- interpretation, Erstellung von Rechts-
haltensweisen bezeichnet, während gutachten); Imaminnen beten meis-
Haram »Unerlaubtes« festlegt. Bei tens nur weiblichen Gläubigen vor.
Lebensmitteln sind bspw. Schweine-
fleisch und Alkohol haram, wobei viele Islamfeindlichkeit bezeichnet eine
Muslim*innen mit den Nahrungsmit- generell ablehnende Haltung gegen-
telgeboten eher individuell umgehen. über dem Islam und seinen Glaubens-
Auch für die Herstellung der Lebens- richtungen, sowie gegenüber Menschen
mittel gibt es Regeln, weshalb viele muslimischen Glaubens und ihren
Hersteller mittlerweile mit Halal-Zertifi- religiösen Praktiken. Im Gegensatz zu
katen werben (siehe auch → Koscher im → Islamophobie benennt Islamfeind-
Kapitel »Jüdinnen und Juden«). lichkeit eine aktive Ablehnung, keine
Minderheiten | Musliminnen und Muslime
diffuse Angst (Phobie, griechisch:
Angst). Synonym kann auch der Begriff
zusammensetzen. Die Terro-
rist*innen selbst lehnen diese
28
→ antimuslimischer Rassismus ver- Namen ab, weil sie im Arabischen nega-
wendet werden, weil er verdeutlicht, tive Bedeutungen haben (siehe auch
dass es dabei weniger um Religionsfra- → Pop-Dschihadismus).
gen geht, sondern vielmehr um Aus-
grenzung. Islamismus, Islamist, politischer Islam
Islam und Islamismus sind nicht das-
Islamisch bezieht sich als Adjektiv selbe. Islamismus meint zunächst die
nicht auf Menschen, sondern nur auf Verknüpfung von Islam und Politik, also
Objekte mit Islambezug und auf den den sogenannten politischen Islam.
Glauben selbst, z. B. islamische Theo- Islamismus ist daher nicht gleichzuset-
logie (nicht → muslimische ), islami- zen mit Terrorismus. Islamist zu sein
scher Feiertag, islamischer Verein bedeutet, islamistischer Gesinnung zu
oder islamische Länder. sein – das allein ist nicht verboten, son-
dern nur in Verbindung mit strafbaren
Islamischer Staat (IS) ist die derzeit Handlungen nicht erlaubt (siehe auch
gängige Bezeichnung für eine seit 2003 → Mutmaßlicher Islamist).
aktive dschihadistisch-salafistische
Terrororganisation. Zuvor nannte sie Islamkritik beschreibt die theologische,
sich ISI (Islamischer Staat im Irak), ethische oder politische Kritik am Islam
änderte ihren Namen 2013 in »al-Daw- und kann eine Form der Religionskritik
lah al-Islamiyah fi al-Iraq wa al-Sham« sein. In öffentlichen Debatten werden
(arabisch: Islamischer Staat im Irak jedoch oft auch antimuslimische oder
und der Levante3), dessen Abkürzung → islamfeindliche Äußerungen als
ISIL von der US-amerikanischen und Islamkritik bezeichnet, die weniger auf
der britischen Regierung verwendet Fakten als auf Ressentiments beruhen
wird. Die im Deutschen auch gebräuch- und sich pauschal gegen → Muslime
liche Bezeichnung ISIS (Islamischer richten (siehe auch → antimuslimi-
Staat in Irak und Syrien bzw. Großsy- scher Rassismus).
rien) vernachlässigt, dass der Macht-
anspruch der Gruppe über die beiden Islamophobie entspricht nicht der
Länder hinausreicht. 2014 änderte wörtlichen Übersetzung »Islam-Angst«,
die terroristische Organisation sich sondern ist der wissenschaftliche
namentlich erneut um in IS (Isla- Begriff für die generelle Ablehnung
mischer Staat), um Staatsgrenzen für des Islam und von tatsächlichen oder
bedeutungslos zu erklären. Manche mutmaßlichen → Muslimen. Daneben
Politiker*innen benutzen offiziell die beschreibt Islamophobie auch die
Bezeichnungen Daesh (Frankreich) stereotypisierende Darstellung von
oder DEAS / DAES (Türkei), die sich aus Muslim*innen (u. a. auf islamfeind-
den arabischen Initialen der Gruppe lichen Blogs), sowie diskriminierendes
Verhalten gegenüber muslimischen
Menschen bzw. solchen, die dafür
aus. (siehe → Kopftuch und
→ Säkulare Muslime)
29
gehalten werden. Es ist nicht ratsam
ausschließlich diesen Begriff in der Be- Koran / Qur‘an (arab. Lesung, Rezitati-
richterstattung zu benutzen, weil »Pho- on) ist die Heilige Schrift des Islams. Er
bie« im Griechischen Angst bedeutet ist in Reimprosa abgefasst und enthält
und die oben beschriebene Ablehnung gemäß dem Glauben von → Muslimen
wegen mutmaßlicher Ängste verbal die wörtliche Offenbarung Gottes, die
legitimiert wird. Alternativen sind: an den Propheten Mohammed, durch
→ Islamfeindlichkeit und → anti- den Engel Gabriel herabgesandt wurde.
muslimischer Rassismus. Der Koran ist die wichtigste Quelle für
islamische Theologie und islamisches
Kopftuch kann im Gegensatz zum Recht, sowie Ethik und Glaubenspraxis.
eher eng anliegenden → Hijab auch Dennoch umfasst er nicht alle Belange
ein locker um den Kopf geschlunge- und Fragestellungen von Muslim*in-
nes Tuch sein. Je nach Auslegung des nen. Eine weitere bedeutende Quelle
Korans, politischer Lage und persön- ist die Sunna (überlieferte Norm) des
licher Einstellung, ist es Musliminnen Propheten, in der mündlich überlieferte
freigestellt, sich zu verhüllen, oder gibt Aussprüche und Taten Mohammeds in
es eine Pflicht, die Haare zu verdecken. den → Hadith / pl. Ahadith festgehalten
Laut einer Umfrage unter Muslimin- wurden.
nen in Deutschland trägt von den stark
Gläubigen unter ihnen jede Zweite nie Kulturmuslime beschreibt Muslim*in-
ein Kopftuch.4 In Ländern wie Iran, nen, die den Islam zwar nicht prakti-
Saudi-Arabien oder den Vereinigten zieren, sich aber einer islamischen
Arabischen Emiraten sind Frauen ge- Kultur zugehörig fühlen. Der Begriff
setzlich verpflichtet, sich zu bedecken, taucht in der Berichterstattung meist
wenn sie von nicht verwandten Män- als Selbstbezeichnung auf (siehe auch
nern gesehen werden könnten. → Pop-Muslime, → Neo-Muslime, → Li-
berale Muslime, → Säkulare Muslime).
Kopftuchträgerin wird oft synonym für
praktizierende Musliminnen verwen- Liberale Muslime wurde 2010 durch
det. Grundsätzlich ist die Reduzierung die Gründung des Liberal-Islamischen
einer Person auf ein äußeres Merk- Bunds (LIB)5 als Begriff etabliert und ist
mal problematisch, vor allem bei den die Selbstbezeichnung einer Gruppe
mitunter abfällig gemeinten Begriffen von → Muslimen, die zeitgemäße Zu-
»Kopftuchfrau« oder »Kopftuchmäd- gänge zum → Koran proklamieren und
chen«. Diese Zuschreibungen sagen eine pluralistisch-freiheitliche Auffas-
wenig über die vielfältigen Gründe, sung des Islam vertreten. Der LIB grenzt
Weltanschauungen, Auslegungen und sich bewusst von den → Säkularmusli-
Glaubenspraktiken von Musliminnen men und den islamischen Verbänden
Minderheiten | Musliminnen und Muslime
(wie Ditib, Zentralrat der Muslime
usw.) ab.
aber muslimische Religion,
sondern → islamische. Ebenso
30
richtig ist islamische Länder, nicht
Mohammedaner ist ein veralteter Be- muslimische Länder.
griff und als Synonym für → Muslime
unpassend, weil Muslim*innen Mo- Mutmaßlicher Islamist taucht in
hammed nicht als Gott verehren. In der Medienberichten häufig auf und ist
Regel findet der Begriff auf einschlägig irreführend: → Islamist zu sein, ist nicht
islamfeindlichen Blogs Verwendung verboten, d. h. die Gesinnung ist nicht
und ist abfällig gemeint. strafbar. Ungesetzlich sind dagegen
islamistisch motivierte Gewalt und
Moslem, Moslemin ist eine etwas Propaganda für verbotene Organisatio-
altmodisch klingende und daher selte- nen wie den → IS. Meist sind also nicht
ner gebräuchliche Bezeichnung für Islamist*innen gemeint, sondern Ter-
→ Muslim bzw. Muslimin. rorverdächtige. Zutreffend könnte zum
Beispiel sein: »Die Polizei nahm einen
Muslime bezeichnet Angehörige der mutmaßlichen Terrorverdächtigen fest.
islamischen Religionsgemeinschaft. Die Behörden vermuten, er habe aus
Grundsätzlich gilt es zu hinterfragen, islamistischen / religiös begründe-
ob die Zuschreibung einer Religion rele- ten Motiven gehandelt.«
vant und zutreffend ist. Beispiel: Warum
wurde die Religionszugehörigkeit bei Neo-Muslime beschreibt eine in
der »ersten muslimischen CDU-Bundes- Deutschland sozialisierte und selbst-
tagsabgeordneten« Cemile Giousouf bewusste muslimische Generation, in
2013 so stark thematisiert? Häufig wird die auch Konvertit*innen inbegriffen
Muslim*innen auch als Synonym für sind. Nach Eren Güvercin beziehen
→ Einwanderer und ihre Nachkommen sich »Neo-Moslems« auf die fünf
verwendet, was sachlich falsch ist: Säulen des Islam (Glaubensbekennt-
Nur ein Viertel aller → Menschen aus nis, Fasten, tägliches Gebet, Pilgerfahrt
Einwandererfamilien in Deutschland nach Mekka, Abgabe an Bedürftige
sind Muslim*innen und es gibt deut- und Arme) und sind gesellschaftlich,
sche Muslim*innen ohne Migrations- kulturell oder politisch engagiert.
hintergrund (siehe → Euro-Muslime, Neo-Muslime ist mehr ein spieleri-
→ Kulturmuslime, → Liberale Muslime, scher Begriff als eine feste Kategorie
→ Neo-Muslime, → Pop-Muslime, (siehe auch → Pop-Muslime).
→ Säkulare Muslime).
Niqab ist ein Gesichtsschleier, der nur
Muslimisch wird als Adjektiv in Bezug die Augen freilässt. Ein Niqab wird
auf Menschen verwendet z. B. mus- teils in Verbindung mit einem langen,
limische Frau, muslimischer Schüler meist schwarzen mantelähnlichen Um-
oder muslimische Bevölkerung, nicht hang getragen (z. B. in Saudi-Arabien,
Jemen, Oman, Vereinigte Arabische
Emirate, Kuwait, Katar). In anderen
sündenloses Leben große Be-
deutung. Anhänger*innen des
31
arabischen Ländern heißt dieser Man- Pop-Dschihadismus sind Jugendliche
tel oder Umhang Abaya, im Iran aller Schichten und Nationalitäten. Sie
→ Tschador (siehe auch → Burka). werden teils schnell militant und zu
Kämpfern des → IS.
Opferfest Das islamische Opferfest
zählt zu den wichtigsten islamischen Pop-Muslime bezeichnet meist junge
Ereignissen. Es dauert vier Tage, der Muslim*innen, die konservative Reli-
Zeitpunkt berechnet sich nach dem giosität mit modernem Lebensstil zu-
islamischen Mondkalender und ver- sammenbringen und ihre Zugehörigkeit
schiebt sich jedes Jahr. Wer es sich zur deutschen Gesellschaft betonen.
leisten kann, soll laut Brauch ein Tier Der Begriff geht zurück auf das Buch
opfern bzw. schlachten (lassen) und »Zwischen Pop und Dschihad« von
das Fleisch unter den Armen verteilen. Julia Gerlach (2006). Mitunter werden
Üblich ist es, das Fleisch im eigenen Pop-Muslime als Akteur*innen einer
Umfeld zu verteilen und zum Opferfest jungen Protestkultur gesehen, deren Re-
zu gratulieren. ligiosität zwar zentral ist, aber vor allem
als Mittel zur Provokation und Abgren-
Pop-Dschihadismus bezeichnet eine zung gilt. Daher wird Pop-Muslim*in-
radikale Jugendsubkultur des → Dschi- nen teils eine Nähe zur militant-isla-
hadismus in Einwanderungsländern mistischen Szene nachgesagt (siehe
wie Deutschland. Charakteristisch sind auch → Kulturmuslime, → Neo-Muslime,
moderne Elemente der Popkultur, die → Pop-Dschihadismus).
für eine eher weltliche und politische
Propaganda genutzt werden, im Unter- Radikaler Islam / radikale Muslime sind
schied zu den stärker theologisch problematische Zuschreibungen, weil
fundierten Argumentationsmustern, sie pauschalisieren, so wie »radikales
etwa im politischen → Salafismus. Ins- Christentum« oder »radikales Juden-
trumente dieser Propaganda sind neue tum«. Gerade im Zusammenhang mit
Medien, Filmclips im Stil von Musikvi- Sicherheits- und Terrorismusdebatten
deos oder T-Shirts mit entsprechenden werden die Begriffe oft verwendet. Pas-
Insignien. Meist männliche Vorbilder sender könnte sein: religiös begrün-
vermitteln orientierungslosen Jugend- deter oder motivierter Extremismus.
lichen einen neuen Lebenssinn, in dem
Gruppenzugehörigkeit, ähnlich wie Ramadan ist der muslimische Fasten-
bei → Neonazi-Kameradschaften, wich- monat. Er berechnet sich nach dem
tig ist.6 Religiöse Inhalte dienen im islamischen Mondkalender und ver-
Pop-Dschihadismus nur als Begrün- schiebt sich jedes Jahr. Dabei verzich-
dungsmuster, vor allem haben das Para- ten Muslim*innen 29 bis 30 Tage lang,
dies-Versprechen und ein vermeintlich von Morgendämmerung bis Sonnenun-
Minderheiten | Musliminnen und Muslime
tergang, unter anderem auf Essen und
Trinken. Zum Ende des Fastenmonats
waltbereite Gruppe unter ihnen
als Salafisten zu bezeich-
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wird drei Tage lang das Ramadan-Fest nen, in Abgrenzung zu unpolitischen
gefeiert – auch bekannt als Zucker- Salafiten7 oder Salafis. Militante
fest. Salafist*innen sind dementsprechend
gewaltbereite → Islamisten (siehe auch
Säkulare Muslime beschreibt Mus- → Pop-Dschihadismus, → Sunniten).
lim*innen, die für eine Trennung von
Staat und Religion sind und ist ein Scharia ist keine Gesetzessammlung
differenzierender Zusatz wie z. B. aus dem → Koran, sondern ein Regel-
praktizierende Muslimin. Präzise Be- werk, das auf Interpretationen des
schreibungen sind oft mehrdeutig: So Koran basiert. Neben radikalen
kann eine praktizierende Muslimin Scharia-Forderungen gibt es auch
auch ohne → Kopftuch auskommen verfassungskonforme, alternative
oder eine Frau, die ein Kopftuch trägt, Scharia-Konzepte, die Muslim*in-
durchaus säkular sein. Im Diskurs der nen im Alltag als Richtlinie religiösen
Deutschen Islamkonferenz (DIK) gelten Lebens dienen können.
nicht-organisierte muslimische Teil-
nehmer*innen als säkulare Muslim*in- Schiiten sind eine der Hauptgruppen
nen, was allerdings suggeriert, dass in unter den vielen Strömungen im Islam.
Verbänden organisierte Muslim*innen Die Spaltung erfolgte historisch auf-
automatisch nicht säkular seien. grund der Auseinandersetzungen um
die Frage der rechtmäßigen Führung
Salafismus, Salafisten wird in Deutsch- der Gemeinschaft der → Muslime, nach
land vor allem vom Verfassungsschutz dem Tod des Propheten Mohammed.
verwendet. Die so benannten Gläubigen Schiiten folgen nur dem vierten der
sind eine sehr kleine Minderheit unter Kalifen, Ali ibn Abi Talib. Dieser ist
den sunnitischen Muslim*innen und auch für die Aleviten der einzig recht-
bezeichnen sich selbst zum Teil mit mäßige Nachfolger Mohammeds.
dem auch in der Islamwissenschaft
verwendeten Terminus Salafiten, Sunniten stellen mit rund 85 bis 90 Pro-
mittlerweile ist das arabische Salafis zent weltweit die Mehrheit der Mus-
gängiger. Die Strömung bezieht sich auf lim*innen. Bei der Frage der rechtmäßi-
die »Altvorderen« (Salaf) und eine dog- gen Führung der Gemeinschaft der
matische Interpretation des → Koran, → Muslime, nach dem Tod des Prophe-
die sie als den »wahren« Islam propa- ten Mohammed, erkennen Sunniten
giert. Salafiten oder Salafis sind die vier Kalifen in der Nachfolge Mo-
jedoch keine homogene Gruppe und hammeds als rechtgeleitete Führer der
nicht grundsätzlich gewaltbereit oder Umma, der Gemeinde, an. → Salafismus
terroristisch, sondern oft unpolitisch. ist eine antimodernistische Auslegung
Expert*innen schlagen vor, nur die ge- der Religion des sunnitischen Islams.
Tschador bedeutet auf Persisch »Zelt«
und ist ein den ganzen Körper bede-
33
ckender Umhang. Er wird vor allem von
Frauen im Iran getragen.
Antijudaismus ist kein Synonym für verwendet und löste mit rassistischen
→ Antisemitismus, selbst, wenn die Motiven den religiös begründeten
Motive sich teils überschneiden kön- → Antijudaismus ab; diese Rassentheo-
nen. Antijudaismus steht vielmehr rien waren eine Grundlage der Nazi-
für die religiös begründete Ablehnung Ideologie. Öffentliche antisemitische
des jüdischen Glaubens und seiner An- Hetze ist heute in Deutschland strafbar.
hänger*innen und wird deshalb auch Dazu gehört auch die Leugnung des
christlicher, historischer oder re- → Holocaust (siehe auch → sekundärer
ligiöser Antijudaismus genannt (siehe Antisemitismus, → israelbezogener
auch → sekundärer Antisemitismus, Antisemitismus, → Israelkritik).
→ israelbezogener Antisemitismus).
Antizionismus richtet sich gegen die
Antisemitismus ist eine weit verbreite- Ideologie des → Zionismus und kann
te Bezeichnung für Judenfeindschaft. daher implizit als Ablehnung des
Allgemein werden damit sämtliche Existenzrechts des Staates Israel ver-
Formen von Hass, feindlichen Einstel- standen werden. In diesem Fall kann
lungen, Äußerungen, Handlungen man auch von antizionistischem
und Vorurteilen beschrieben, die sich Antisemitismus sprechen/schreiben.
gegen Jüdinnen und Juden und alle Gleichzeitig sind nicht alle, die die
richten, die mutmaßlich als jüdisch unterschiedlichen Ideen zionistischer
wahrgenommen werden. Der Begriff Strömungen kritisieren, automatisch
wurde erstmalig im 19. Jh. öffentlich gegen die Existenz Israels. So gibt es
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
im innerisraelischen Diskurs jüdischen
Antizionismus, der nicht antisemi-
sche → Juden, vor allem in Is-
rael, Argentinien und den USA.
35
tisch ist (siehe auch → israelbezogener
Antisemitismus, → Israelkritik, → Anti- Davidstern ist ein sechszackiger Stern
semitismus). aus zwei übereinandergelegten, gleich-
seitigen Dreiecken und benannt nach
Aschkenasim / Ashkenazim / Aschke- dem jüdischen König David, der etwa
nasen sind ursprünglich nord-, mit- 1.000 → v. d. Z. lebte. Ungefähr seit dem
tel- und osteuropäische → Juden, mit 18. Jh. ist der Davidstern ein Symbol
gemeinsamer religiöser Tradition und für das Judentum und schmückt seit
Kultur. Der Begriff wurde im 9. Jh. von 1948 auch die Flagge des Staates Israel,
eingewanderten Jüdinnen und Juden nachdem er vorher von den National-
für das deutschsprachige Gebiet ge- sozialist*innen als gelber »Judenstern«
prägt und breitete sich von dort aus. missbraucht wurde, um Jüdinnen und
Heute bilden Aschkenasim die größte Juden zu kennzeichnen.
Gruppe im Judentum (siehe auch
→ Sephardim und → Misrachim). Holocaust (griech. vollständig ver-
brannt) bezeichnet die systematische,
Jüdische Beschneidung von neu- massenhafte Ermordung von Jüdinnen
geborenen Jungen, ist in der → Thora und Juden und anderer Minderheiten
vorgeschrieben und hat eine große durch die Nationalsozialist*innen.
Bedeutung im Judentum. Der heb- Eingeführt wurde der Begriff 1979 als
räische Name dafür ist Brit Mila(h) Titel der amerikanischen Fernsehserie
(»Bund der Beschneidung«). Das Ritual » Holocaust – Die Geschichte der
dient der Aufnahme in die jüdische Familie Weiß«, die auch in Deutschland
Gemeinschaft. In Deutschland ist die sehr populär war. Manche Jüdinnen
Beschneidung von jüdischen und mus- und Juden lehnen das Wort allerdings
limischen Jungen erst seit 2012 gesetz- ab, weil das Brandopfer in der → Thora
lich geregelt; laut §1631d des BGB ist sie die Obhut Gottes verspricht, und be-
erlaubt, wenn sie »nach den Regeln der vorzugen deswegen den hebräischen
ärztlichen Kunst durchgeführt« wird Begriff Shoa (auch Shoah, Schoa
(siehe auch → Beschneidung im Kapitel oder Schoah), der für »große Katast-
»Musliminnen und Muslime«). rophe« steht. Bis heute gibt es keinen
eigenen deutschen Begriff für diesen
Chassidismus ist eine religiösmystische historischen Massenmord.
Bewegung, innerhalb des → orthodoxen
Judentums, die besonders im 19. Jh. in Israelbezogener Antisemitismus be-
Osteuropa verbreitet war. Bedeutend da- zeichnet antisemitische Handlungen
bei sind → kabbalistische Konzepte und oder Äußerungen gegenüber oder in
spirituelle Erlebnisse. Heute gibt es nur Bezug auf Israel, dessen Politik oder
noch einige hunderttausend chassidi- Bürger*innen; wenn z. B. dem Staat
Israel unterstellt wird, als heimlicher
Drahtzieher der Weltpolitik zu agieren
konvertieren. Wer von Geburt
an jüdisch ist, ist nicht automa-
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oder, wie im → sekundären Antisemitis- tisch religiös; viele Jüdinnen und Juden
mus, die israelische Politik gegenüber sind nicht gläubig, sehen sich aber als
Palästina mit der des Nationalsozialis- Teil der jüdischen Gemeinschaft – teil-
mus gleichgesetzt wird. Diese Form weise benennen sie das Judentum als
antisemitischer Gesinnung findet sich ihre kulturelle Identität statt als ihre
in der gesamten Gesellschaft wieder Religion. Einige gläubige Jüdinnen und
und ist sowohl bei linken als auch bei Juden bezeichnen sich als Volk Israel.
rechten Gruppierungen vorhanden (sie- Es ist aber ein Irrtum, Jüdinnen und
he auch → Israelkritik, → Antizionismus, Juden, die in vielen Teilen der Welt le-
→ Antisemitismus). ben, mit Israelinnen / Israelis, also den
Bürger*innen des multiethnischen
Israelkritik Mitunter werden Äuße- Staates Israel, gleichzusetzen (siehe
rungen in öffentlichen Debatten als auch → Aschkenasim, → Sephardim).
Israelkritik bezeichnet, die weniger auf
Fakten als auf antisemitischen Ressen- Kabbala ist eine mystische Tradition
timents beruhen und die sich pauschal im Judentum, bei der spirituelle Erleb-
gegen den israelischen Staat und des- nisse im Mittelpunkt stehen. Ver-
sen Bürger*innen richten. Generell soll- schiedene kabbalistische Schulen sind
ten Aspekte oder Akteur*innen, die im weltweit seit dem 13. Jh. entstanden.
Zusammenhang mit israelischer Politik Heute werden kabbalistische Konzepte
kritisiert werden, in der Berichterstat- vor allem in → chassidischen Gemein-
tung konkret benannt werden. Wenn z. den in den USA und Israel, aber auch
B. wegen der Verfolgung des jüdischen in nicht-jüdischen Kreisen fortgeführt.
Volks höhere moralische Maßstäbe an So wurde in den 1970ern das Kabbalah
die Politik Israels angelegt werden als Center in den USA gegründet, das durch
an andere Länder, handelt es sich um Prominente wie Madonna bekannt
→ israelbezogenen Antisemitismus, wurde.
nicht um differenzierte Kritik (siehe
auch → Antisemitismus, → Antizionis- Kaschrut beschreibt die jüdischen
mus, → Islamkritik). Speisegesetze. In ihnen ist festgelegt,
welche Lebensmittel erlaubt (→ ko-
Juden dem rabbinischen Religionsge- scher) und welche verboten (»treif«/
setz nach alle, deren Mutter Jüdin ist. »trefe«/»treife«) sind (siehe auch → Halal
Weil es immer mehr gemischtkonfes- und Haram im Kapitel »Musliminnen
sionelle Ehen gibt, gilt z. B. bei progres- und Muslime«).
siven Strömungen in den USA auch als
jüdisch, wer einen jüdischen Vater hat Kippa / Kippah bezeichnet die Kopf-
und jüdisch erzogen wird. Ebenso ist bedeckung, die insbesondere während
es möglich, zum jüdischen Glauben zu des Gebets und Studiums der Heiligen
Schriften von männlichen → Juden ge-
tragen wird, in → liberalen Gemeinden
Liberales Judentum bezeich-
net eine Strömung, die im 19.
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manchmal auch von Frauen. Manche Jh. in Deutschland in Abgrenzung zur
tragen die Kippa auch im Alltag als Orthodoxie entstand. Im Gegensatz
öffentliches Bekenntnis zum Judentum zum → orthodoxen Judentum sind die
oder aus Demut und Ehrfurcht vor Gott. Geschlechter im liberalen Judentum
meistens in allen religiösen Angelegen-
Konservatives Judentum ist eine in den heiten gleichberechtigt: Dies umfasst in
USA entstandene Bewegung, deren Ur- vielen Gemeinden auch die Ordination
sprünge allerdings in Deutschland lie- von Frauen zu → Rabbinerinnen bzw.
gen. In den Vereinigten Staaten bildet Rabba. Durch Auswanderung gelangten
das konservative Judentum, neben dem die Kernideen des liberalen Judentums
liberalen Judentum, heute die größte im 19. Jh. in die USA, wo sie als Reform-
Gruppe. Konservative Jüdinnen und judentum eine andere Entwicklung
Juden legen mehr Wert auf Traditionen nahmen als in Deutschland. In Israel
als → liberale, sie passen die Religions- ist die liberale jüdische Gemeinde recht
gesetze jedoch auch zeitgemäß an. klein. Auch in Deutschland verstehen
Ähnlich wie im → orthodoxen Juden- sich die meisten Gemeinden als → or-
tum werden Gesetze wie bspw. die Spei- thodox, in jüngster Zeit entstehen al-
sevorschriften eingehalten, sie werden lerdings auch hier wieder mehr liberale
aber weniger streng ausgelegt. Zudem Gemeinden. Das liberale Judentum wird
können Frauen im religiösen Ritus des in Europa auch progressives Judentum
konservativen Judentums – je nach Ge- genannt (siehe auch → Neo-Orthodo-
meinde – mehr Rechte haben als in der xie, → Ultraorthodoxie → Konservatives
Orthodoxie. Die Begriffe »konservativ«, Judentum).
»liberal« oder »orthodox« dürfen also
keineswegs mit politischen Richtungs- Misrachim ist eine Fremdbezeichnung
bezeichnungen verwechselt werden. für nicht → aschkenasische Jüdinnen
und Juden, also auch für → Sephardim,
Koscher (hebr. rein, geeignet) ist alles, die vor allem von aschkenasischen
das religiösen jüdischen Gesetzen ent- → Juden in Israel verwendet wird.
sprechend hergestellt oder zubereitet Sie folgen dem sephardischen Juden-
wurde. Welche Speisen koscher sind tum und bezeichnen sich selbst als
bzw. trefe, also nicht koscher, wird Sepharden.
durch die → Kaschrut-Vorschriften
bestimmt. Teilweise gelten die Regeln n. d. Z. / nach der Zeitrechnung / Zeit-
auch für Materialien, wie Stoffe oder wende bzw. v. d. Z. / vor der Zeitrech-
Geschirr (siehe auch → Halal und Haram nung / Zeitwende ist eine Formulie-
im Kapitel »Musliminnen und Musli- rung, die der Jahreszählung mit Bezug
me«). auf die Geburt Jesu Christi dient, ohne
den christlichen Bezug auszudrücken.
Minderheiten | Jüdinnen und Juden
Diese Bezeichnung ist nicht nur im Ju-
dentum gebräuchlich, sondern war zum
können zum Beispiel Schuld-
gefühle aufgrund der NS-Zeit
38
Beispiel auch in der DDR üblich. sein. Der Begriff wurde erstmals im
19. Jh. verwendet, um projüdische
Neo-Orthodoxie ist hauptsächlich Linksliberale abzuwerten (siehe auch
in Westeuropa, vor allem in England, → Xenophilie).
Frankreich und Deutschland, als eine
Strömung der Orthodoxie verbreitet. Pogrom (russ.: Verwüstung) benennt
Sie wurde im 19. Jh. in Frankfurt/ Main gewaltsame Ausschreitungen gegen
gegründet. Wie beim → orthodoxen religiöse, politische, ethnische Gruppen
Judentum entspringen ihre Grund- oder andere Minderheiten. Geprägt
ideen dem traditionellen Judentum, wurde der Begriff vor allem durch die
allerdings findet eine Öffnung zur Novemberpogrome 1938, als die
westlichen Kultur statt, indem z. B. am Nazis die organisierte Zerstörung von
öffentlichen Leben teilgenommen wird jüdischen Geschäften, Häusern, Syna-
(siehe auch → Ultraorthodoxie, → Chas- gogen und die Verfolgung von → Ju-
sidismus, → Konservatives Judentum, den anordneten. Während die vom
→ Liberales Judentum). NS-Regime gelenkten Medien von der
»Judenaktion« oder »Novemberaktion«
Orthodoxes Judentum ist eine der gro- schrieben, bezeichnete der Volksmund
ßen Strömungen, neben dem → konser- die Novemberpogrome, die den Beginn
vativen und dem → liberalen Judentum. der staatlich organisierten Judenverfol-
Sowohl in Deutschland als auch in Isra- gung markierten, schnell als »Reichs-
el ist sie die Einflussreichste. Zentrales kristallnacht« – eine verharmlosende
Merkmal ist die strikte Einhaltung der Anspielung auf die unzähligen Glas-
Vorschriften (hebr.: Mizwot), also der scherben zerstörter jüdischer Geschäfte
Gebote und Verbote, die in der → Thora und Synagogen, die nach den Pogro-
festgelegt sind. Wenn eine Gemeinde men auf den Straßen lagen.
sich als orthodox bezeichnet, bedeutet
es jedoch nicht, dass alle ihre Mitglie- Rabbiner (hebr.: Meister, Lehrer) ist ein
der streng orthodox leben. Innerhalb religiöser Titel, der jüdischen Gelehr-
der Orthodoxie existieren verschiedene ten verliehen wird, die weibliche Form
Richtungen wie → Neo-Orthodoxie, lautet Rabba. Sie werden von ihrer
→ Ultraorthodoxie und → Chassidismus. Gemeinde gewählt und bezahlt. Zu
ihren Aufgaben gehören Seelsorge, in-
Philosemitismus bezeichnet die posi- terkonfessioneller Dialog, Predigen und
tive Neigung zu → Juden und jüdischer Lehren. Als Rabbi werden seit dem
Kultur, die teils wie bei → Antisemitis- Altertum jüdische Gelehrte bezeichnet,
mus von einem homogenen Kollektiv die die → Thora auslegen. Heute werden
ausgeht, dem bestimmte Eigenschaften die Begriffe Rabbiner und Rabbi oft
zugeschrieben werden. Ein Motiv synonym verwendet.
Sabbat / Schabbat / Schabbes ist der
siebte Wochentag, an dem, durch die
und Juden als Sephardim
(siehe auch → Misrachim).
39
→ Thora vorgeschrieben, keine Arbeit
verrichtet werden soll. Er beginnt am Talmud ist ein Gesetzeskodex und
Freitagabend bei Sonnenuntergang und nach dem → Tanach das bedeutendste
endet am Samstagabend nach Eintritt Schriftwerk des Judentums. Im Talmud
der Dunkelheit. steht, wie die → Thora von den ersten
→ Rabbis verstanden und ausgelegt
Sekundärer Antisemitismus äußert wurde. Er liegt in zwei Ausgaben vor,
sich bspw. in Forderungen nach einem dem Jerusalemer Talmud und dem
Schlussstrich oder in dem Vorwurf, die babylonischen Talmud. Wenn einfach
→ Juden hätten eine Mitschuld an der vom Talmud gesprochen wird, ist in der
Verfolgung durch die Nazis oder zögen Regel der babylonische gemeint.
einen Vorteil aus dem → Holocaust. Das
Phänomen konnte unmittelbar nach Tanach / Tenach ist die Heilige Schrift
1945 erstmalig beobachtet werden. Oft des Judentums. Er entstand in einem
ergibt sich diese Form des → Antisemi- 1.200 Jahre andauernden, komplexen
tismus aus einem Schuld- und Scham- Prozess als Sammlung unterschied-
gefühl wegen der Shoa (siehe auch licher religiöser und profaner jüdischer
→ israelbezogener Antisemitismus, Schriften. Der Tanach wurde etwa 100
→ Israelkritik). → n. d. Z. in 24 Bücher eingeteilt und
kanonisiert. Er erzählt die Geschichte
Semiten ist ein sprachwissenschaftli- der Schöpfung und des Volkes Israel
cher Begriff für alle, die eine semitische über einen Zeitraum von 1.300 Jahren.
Sprache sprechen, wie hebräisch, ara- Das Christentum hat alle Bücher des
mäisch oder arabisch und steht nicht Tanach, in etwas anderer Anordnung,
für eine ethnische Gruppe. Ende des 19. als Altes Testament übernommen.
Jh.s benutzten Rassentheoretiker*in-
nen den Begriff »Semiten« synonym Thora / Tora / Torah ist der erste Teil
und abwertend für → Juden, woraus der Heiligen Schrift des Judentums
die Bezeichnung → Antisemitimus für (→ Tanach) und besteht aus fünf Bü-
deren Ideologie entstand. Ansonsten ist chern. Sie ist der Grundstein jüdischen
heute nur noch in der Sprachwissen- Glaubens und eine Quelle für jüdisches
schaft von Semit*innen die Rede. Recht, Ethik und Lebensweise. Daneben
wurde die mündlich überlieferte Lehre
Sephardim sind ursprünglich die Nach- später im → Talmud festgehalten.
kommen von → Juden aus Westund
Südeuropa bzw. den Mittelmeerlän- Ultraorthodoxe Juden ist eine Fremd-
dern, die im 15. Jh. von dort vertrieben bezeichnung für all jene orthodoxen
wurden. Heute bezeichnen sich alle → Juden, die in geschlossenen Gemein-
nicht- → aschkenasischen Jüdinnen schaften, geschlechtergetrennt und
Minderheiten | Jüdinnen und Juden
nach strengen Regeln leben. Sie sind
nicht berufstätig. Die Männer studieren
Gründung Israels 1948 wurde
das zionistische Ziel erreicht.
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lebenslang die → Thora und werden Heute wird Zionismus als Ideologie in
meistens von Spenden oder in Israel Israel sehr unterschiedlich ausgelegt,
durch den Staat finanziert. Die meisten so gibt es z. B. liberal-sozialdemokrati-
leben in den USA und in Israel (siehe schen, rechtsnationalen oder national-
auch → Orthodoxie, → liberales Juden- religiösen Zionismus. Zionismus wird
tum, → konservatives Judentum, teils undifferenziert als Kampfbegriff
→ Neo-Orthodoxie). gegen Israels Haltung im Nahost-Kon-
flikt benutzt (siehe auch → Antizionis-
Antisemitische Verschwörungs- mus, → Israelkritik).
theorien haben eine lange Tradition
und sind heute vor allem in sozialen
Netzwerken im Umlauf. Schon aus dem
12. Jh. sind Verschwörungsmythen be-
kannt, wie Legenden von Ritualmorden
oder Brunnenvergiftungen, die immer
wieder Judenverfolgungen auslösten.
Mindestens seit dem Beginn des 19.
Jh.s existiert die Verschwörungstheorie
von dem Streben der → Juden nach der
Weltherrschaft, welche auf den ge-
fälschten »Protokollen der Weisen von
Zion« beruht. Noch heute berufen sich 1 Quelle: Berman Jewish Data Bank, »World Jewish
→ Antisemiten auf diese Protokolle, an Population, 2015«, Seite 54f.
die bereits Adolf Hitler glaubte – sie 2 Vgl. exemplarisch Ulrich, Peter/Decker, Oliver/
Kiess, Johannes/Brähler, Elmar: »Judenfeindschaf-
gelten als Schlüsseldokument einer an-
ten – Alte Vorurteile und moderner Antisemitis-
geblichen jüdischen Weltverschwörung. mus«, in: Friedrich-Ebert-Stiftung/ Melzer, Ralf
(Hrsg.): »Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme
Zionismus (von Zion, dem Namen des Einstellungen in Deutschland 2012«, S. 68ff.,
Diskriminierungsgeschichte ist der der bekanntes Volk? Daten, Fakten und Zahlen. Zur
Geschichte und Gegenwart der Sinti und Roma
europäischen Rom*nja sehr ähnlich.
in Europa: www.bpb.de/internationales/europa/
sinti-und-roma-in-europa/179536/ein-unbekann-
Xoraxaia / Horahane ist ein Religio- tes-volk-daten-fakten-und-zahlen?p=0
nym, also eine auf der Religion beru- 5 www.romahistory.com/de/node/54
Altparteien sind lt. Duden Parteien selten gehört würden. Deren »Sorgen«
mit langer parlamentarischer Tradi- prägten allerdings seit Jahren den
tion. Der Begriff wurde für Nazipropa- Diskurs, flankiert von Sarrazins Buch
ganda, z. B. von Joseph Göbbels benutzt, »Deutschland schafft sich ab« (2010).
um die NSDAP als neue, vorgeblich Die Ängste der Betroffenen davor, dass
junge politische Partei zu propagieren. → Rassismus in Deutschland allmäh-
Er wird heute in diskreditierender Ab- lich salonfähig wird und reale Folgen
sicht für (bewährte) demokratische für sie hat, waren in Politik und Medien
Parteien im Bundestag verwendet. weniger präsent. Entsprechend kann
von den unterschiedlichen Sorgen
Ausländer mit deutschem Pass taucht aller Bürger berichtet oder von den Ein-
erstaunlicherweise immer wieder stellungen islamfeindlicher Bürger
auf, ist sachlich falsch und als diskri- gesprochen werden.
minierender Widerspruch zu sehen.
Vermutlich sind damit Deutsche mit Bürgerlich (konservativ) wird zum Teil
internationaler Geschichte, also mit als beschönigende Beschreibung illi-
eigener Einwanderungserfahrung oder beraler Haltungen verwendet. Bürgerli-
→ Migrationshintergrund gemeint. cher Konservativismus in Deutschland
Siehe auch → Passdeutsche. ist freiheitlich-demokratisch geprägt
und nicht → radikal – anders als viele
Besorgte Bürger ist 2014 im Zuge der politische Positionen rechter Kreise, die
ersten Pegida-Demonstrationen in sich selbst als bürgerlich bezeichnen.
Dresden als Euphemismus für Men-
schen mit → islamfeindlichen Einstel- Christlich-jüdisch als solche → Leit-
lungen aufgekommen. Es entstand eine kultur oder solches Abendland wird oft
Debatte, ob »besorgte Bürger*innen« zu eine in Deutschland vorherrschende
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
kulturelle Ordnung bezeichnet. Die
begriffliche Verbindung ist historisch
gezielten sprachlichen Tabu-
brüchen durch → Rechtsradi-
57
falsch (siehe → Antijudaismus) und kale und → Rechtsextreme erwähnt.
dient häufig der Abgrenzung gegenüber Meist geht es um die Frage, ob sich
→ Muslimen. Alternativ können z. B. eine Grenze dahin verschoben hat, dass
verfassungsgemäße Werte genannt menschenfeindliche und verhetzende
werden, zu denen sich Gläubige aller Aussagen nun sagbar seien. Eine solche
Religionen, wie auch nicht gläubige Infragestellung kann jedoch einem Zu-
Menschen in Deutschland bekennen geständnis an jene gleichkommen, die
sollten. versuchen derartige Aussagen in die
Mitte des gesellschaftlichen und me-
Deutschenfeindlichkeit wird in rechts- dialen Diskurses zu holen. Siehe auch
radikalen und -extremen Kreisen → Political Correctness.
benutzt, um zu behaupten, → weiße
Deutsche seien von → Rassismus durch Heimat beschreibt, als persönlich
eingewanderte Menschen, insbesonde- definierter Begriff, den Ort an dem
re Muslim*innen betroffen. Da diesen Menschen sich heimisch fühlen, egal
Minderheiten strukturelle Macht in ob sie dort geboren sind oder nicht.
Deutschland fehlt, trifft der Vorwurf Entsprechend können → Menschen mit
nicht zu, wenn es etwa zu Beleidi- internationaler Geschichte eine Ver-
gungen oder Mobbing kommt. Der bundenheit zu mehreren Heimaten
ideologisch aufgeladene Begriff soll empfinden. Politisch wird der Heimat-
tatsächlich existierenden Rassismus begriff teils weiterhin nationalistisch
relativieren und eine Täter-Opfer- interpretiert (vgl. → Volk). Eine der we-
Umkehr propagieren. nigen Äußerungen des ersten Bundes-
heimatministers Seehofer (CSU) dazu
Ethnopluralismus ist ein rassistische lautete »Heimatpolitik ist stets eine
Theorie der → Neuen Rechten, die da- Politik der Vielfalt«.1 Siehe auch
von ausgeht, es gäbe unveränderte kul- → Einwanderungsgesellschaft.
turelle Identitäten verschiedener Völker
und → Kulturkreise, die vor Fremden zu Heimatschutz bezieht sich heute teils
schützen seien, um eine »Reinhaltung« auf den Denkmalschutz (Schweiz)
der Kulturen zu erreichen. Dass ein und ist ebenso ein militärischer Begriff.
solches Apartheids-System in einer glo- Er ist belastet, weil → Neonazis ihn häu-
balisierten Welt nicht möglich ist und fig benutzen (aus der neonazistischen
eine Weiterentwicklung aller Kulturen Vereinigung »Thüringer Heimatschutz«
der Welt vor allem durch Austausch be- ist der NSU entstanden). Zudem wird
fördert wurde, wird ausgeblendet. Heimatschutz von → Rechtsradikalen
und → Rechtsextremen auch als Argu-
Grenze des Sagbaren wird in der ment für mehr Umweltschutz und
Berichterstattung oft im Kontext von daraus folgend gegen Einwanderung
Rechtspopulismus, Rechtsradikale und -extreme
vorgebracht, um die »deutsche Natur«
zu erhalten.
In einer globalisierten Welt
kann von geschlossenen Kul-
58
turkreisen nicht ausgegangen werden.
Islamisierung ist ursprünglich ein Anstatt bspw. von einem unbestimmten
historischer Begriff (analog zur Chris- islamischen Kulturkreis zu sprechen,
tianisierung). Re-Islamisierung ist der bietet es sich an präziser zu formulieren
Fachbegriff für eine wachsende Be- und stattdessen z. B. Muslime arabi-
deutung islamischer Religionen in der scher Länder zu benennen.3
heutigen Zeit. Als politisches Schlag-
wort verwendet, wird »Islamisierung« Leitkultur wurde als Begriff vom
mit Radikalisierung assoziiert. Dabei Göttinger Politologen Bassam Tibi ge-
wird → Muslimen unterstellt, den Islam prägt, dem zufolge sich → Migranten
generell → radikal auszulegen oder in heterogenen Einwanderungsgesell-
→ extremistisch zu agieren. Nicht nur schaften den herrschenden kulturellen
in → rechtspopulistischen Kreisen ist Normen anzupassen hätten, ohne die
der Begriff verbreitet, um vor einer ver- eigene Kultur aufgeben zu müssen.
meintlichen → Überfremdung durch Der Begriff wurde 2000 vom damaligen
den Islam und seinen (mutmaßlichen) CDU-Generalsekretär Friedrich Merz
Anhänger*innen zu warnen. Der alar- übernommen, der bemängelte, es gebe
mistische Begriff sollte in der Bericht- keine deutsche Leitkultur mehr. Dabei
erstattung nicht unreflektiert benutzt ging es nicht um gemeinsame Werte,
werden. Auf Deutschland bezogen wäre sondern um einen Katalog dessen, was
eine solche Gefahr durch die rund 6%2 → Einwanderer sich zu eigen machen
Muslim*innen, die hier leben, vollkom- sollten, wollten sie in Deutschland le-
men unrealistisch. ben. Der Begriff wird im Zuge der Asyl-
debatte als Schlagwort in der bürger-
Kulturbereicherer ist zynisch gemeint lichen Mitte benutzt, kursiert aber auch
und stammt aus der → rechtsextremen unter radikalen Rechten.
Szene. Der Begriff bezeichnet → Men-
schen aus Einwandererfamilien. Er soll Lügenpresse ist ein politisches Schlag-
die radikale Ablehnung einer Bereiche- wort zur Diffamierung der Medien.
rung Deutschlands durch → Men- Ab den 2000er Jahren nutzten es vor
schen mit internationaler Geschichte allem → Neonazis und → Rechtsex-
ausdrücken. treme, es wurde bei Pegida-Demos
häufig skandiert, heute hetzen auch
Kulturkreis stammt aus der Völkerkun- rechts-radikale Politiker*innen mit die-
de (19. Jh.) und war eine rassistische sem oder ähnlichen Begriffen gegen
Vorstellung homogener Ethnien, die in journalistische Medien. Dahinter
sich abgeschlossen in bestimmten Regi- steht die Verschwörungstheorie, dass
onen leben (siehe auch → Ehtnopluralis- in den Medien, vermeintlich plan-
mus). Diese Lehre ist längst widerlegt. mäßig und gesteuert, Desinformation
betrieben würde. Entsprechend werden
verächtlich gemeinte Chiffren, wie
Neue Rechte beschreibt lt.
Verfassungsschutz → Rechts-
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→ Staatsfunk, »System-« oder »Main- extreme, die sich seit den 70er Jahren
stream- Medien«, benutzt. »Lügenpres- gegen Ideen der Aufklärung und der
se« war 2014 das Unwort des Jahres4. Gleichheit der Menschen richten. Sie
beabsichtigten eine Intellektualisierung
Meinungsdiktatur herrscht in Deutsch- des Rechtsextremismus, mit dem Ziel
land zwar nicht (Art. 5 GG Meinungs- das politische System in Deutschland
freiheit), in rechten Kreisen wird grundlegend zu verändern. Wissen-
trotzdem in zahlreichen Meinungs- schaftlich betrachtet zählt die AfD
bekundungen bemängelt, man könne mangels Intellektualität nicht dazu5,
seine Meinung nicht mehr äußern. Das obwohl die Partei teils als parlamentari-
Ziel dieser Strategie ist, sich als an- scher Arm der Neuen Rechten gesehen
geblich unterdrückte Freiheitskämp- wird.
fer*innen darzustellen und rassistische
Aussagen zu relativieren. Siehe auch Passdeutsche stammt aus dem Vo-
→ Sprachpolizei und → Zensur. kabular von → Rechtsextremen und
wurde zum Beispiel in Texten der NPD
Neonazi Kurzform von Neo-National- verwendet: Dort gibt es → Deutsche
sozialist. Neonazis beziehen sich und »Passdeutsche« (also nicht richtige
geistig, politisch sowie in der Sym- Deutsche). Letztere sollen damit als
bolik und den Aktionsformen auf den »undeutsch« abgewertet werden.
Nationalsozialismus. Die neonazisti-
sche Szene pflegt das NS-Erbe sowie Political Correctness (engl. politische
Traditionen von SA- und SS-Verbänden. Korrektheit) kurz: PC, entstand in den
Neonazismus ist die radikalste und 1970er Jahren in den USA und bezeich-
aggressivste Variante des heutigen nete die Forderung nach diskriminie-
→ Rechtsextremismus. Jeder Neonazi rungsfreier Sprache. Seit den 1990er
ist rechtsextrem, aber nicht jeder Jahren wird der Begriff von → Rechts-
Rechtsextreme ist Neonazi. Viele extremisten, → Rechtsradikalen und
Rechtsextreme beziehen sich nicht → Rechtspopulisten strategisch umge-
mehr auf den Nationalsozialismus und deutet und dient als politischer Kampf-
sind auch nicht mehr an den typischen begriff, um öffentlichkeitswirksam
Symbolen der 1990er Jahre zu erkennen eine angebliche → Meinungsdiktatur
(Glatze, Stiefel, Bomberjacke). Rassis- und → Zensur zu behaupten. Ziel ist es,
tische oder rechtsextreme Ideologien das Bestreben um diskriminierungs-
können in allen Spektren der Gesell- arme Sprache und Handlungen sowie
schaft herrschen, z. B. bei selbsternann- differenzierte Berichterstattung zu
ten → Asylgegnern. diffamieren. Siehe auch → Grenze des
Sagbaren.
S V
Sabbat / Schabbat / Schabbes 39 v. d. Z. / vor der Zeitrechnung /
Säkulare Muslime 32 Zeitwende 37
Salafismus, Salafisten 32 Verschwörungstheorien,
Scharia 32 antisemitische 40
Schiiten 32 Vertriebene 19
Schlepper / Schleuser 54 Volk 61
Schutzquote 54 Völkisch 61
Schwarze 13
W
Weiße Deutsche 14
Willkommenskultur 20
Wir 15
Wirtschafts-/ Armutsflüchtling 46
Wurzeln, mit griechischen etc. 15
X
Xenophilie 20
Xenophobie 20
Xoraxaia / Horahane 45
Z
Zensur 62
Zigeuner 45
Zionismus 40
Zuwanderer 15
Notizen 69
70
Die Neuen deutschen Medienmacher*innen
(NdM) sind ein bundesweiter Zusammenschluss
von Medienschaffenden mit unterschiedlichen
kulturellen Hintergründen, die sich als gemein-
nütziger Verein seit 2009 für mehr Vielfalt in den
Medien und Einwanderungsperspektiven im
öffentlichen Diskurs einsetzen. Das Netzwerk
ist politisch unabhängig, nationalitäten- und
konfessionsübergreifend. Zu den NdM zählen
sich über Tausend Medienschaffende aus ganz
Deutschland. Sie arbeiten als feste und freie
Journalist*innen für deutsche Medien – in Print,
Online, TV und Hörfunk.