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Gerrit Kentner
Auf geht’s!
Was ist überhaupt Sprache?
Was macht die Sprachwissenschaft?
Sprachwissenschaft als Grenzdisziplin
Willkommen
I Meine Kontaktdaten:
I Gerrit Kentner
Institut für Kognitive Linguistik
Johann Wolfgang Goethe - Universität
kentner@lingua.uni-frankfurt.de
http://user.uni-frankfurt.de/∼kentner/
Schön, dass Sie hier sind!
Mit wem habe ich es zu tun?
I Studiengang
I Germanistik?
I andere Philologien?
I Studienziel
I Magister?
I Lehramt?
I Muttersprachen
I Deutsch?
I andere?
Willkommen
Generative Sprachwissenschaft
Zwei wesentliche Fragen: Wie ist unser sprachliches Wissen im
Gehirn / Geist repräsentiert und wie kommt es da hinein?
Es geht also um (spezifische) mentale Repräsentationen und um
deren Erwerb
Antworten auf diese Fragen müssen folgenden Eigenschaften der
menschlichen Sprache gerecht werden:
I Kreativität
I Systemcharakter
I Lernbarkeit
Was ist/ was macht die Sprachwissenschaft?
Generative Sprachwissenschaft
I Kreativität:
Wir haben die Fähigkeit, eine beliebige (unendliche) Anzahl
von Sätzen auszudrücken. Sprecher sind kreativ. Der
Kreativität sind aber formale Grenzen gesetzt. Linguisten
wollen diese Grenzen abstecken.
Wie weit geht sprachliche Kreativität? Was heisst das für den
menschlichen Geist?
I Systemcharakter
I Lernbarkeit
Was ist/ was macht die Sprachwissenschaft?
Generative Sprachwissenschaft
Kreativität:
Wir haben die Fähigkeit, eine beliebige (unendliche) Anzahl von
Sätzen auszudrücken.
I Maria hat einen Apfel gegessen.
Maria hat 5487 Äpfel gegessen.
Maria hat x Äpfel gegessen (x ∈ {0...∞ })
I Ilona glaubt, dass Heiner weiss, dass Rudi gesagt hat, dass
Ulla sich erkundigt hat, ob Maria denkt, dass Paul darum
bitten sollte, dass Dieter fragen möge, ob Karlo überzeugt ist,
dass... (da capo)
I Der Hund, der die Maus, die die Katze [...] essen wollte,
verjagte, sehnte sich nach seinem Frauchen.
Was ist/ was macht die Sprachwissenschaft?
Generative Sprachwissenschaft
Kreativität:
Wir haben die Fähigkeit, neue Wörter zu erfinden oder alte Wörter
mit neuen Bedeutungen zu belegen.
I simsen
I kirschgrün
I abziehen (i.S.v. ausrauben)
Aber es gibt Grenzen der Kreativität:
I konsum-haft, *konsum-lich
I kannst Du mal den Mario ansimsen? - *kannst Du mal den
Mario anhandyen?
I Unaussprechlich: Präsens von Der Dirigent hat die Oper
uraufgeführt.
Was ist/ was macht die Sprachwissenschaft?
Generative Sprachwissenschaft
I Kreativität:
I Systemcharakter
Sprache kann als ein komplexes Regelsystem beschrieben
werden (+ Grammatik). Die Grammatik unterscheidet
verschiedene Subsysteme, die ebenfalls eigenen Regeln
unterliegen. Linguisten verstehen den Terminus ’Grammatik’
nicht so sehr als in Buchform gegossene Auflistung von
Regeln, sondern als implizites Wissen, das Sprecher einer
Sprache von ihrer Sprache haben - die Sprachkompetenz.
Linguisten wollen dieses regelhafte Wissen erforschen - es geht
also wieder um den menschlichen Geist.
I Lernbarkeit
Was ist/ was macht die Sprachwissenschaft?
Generative Sprachwissenschaft
I Kreativität:
I Systemcharakter
I Lernbarkeit
Sprache muss gelernt werden und kann als Muttersprache
mehr oder weniger mühelos gelernt werden; diese
Mühelosigkeit vermissen wir oft beim Fremdspracherwerb.
Wie kann es sein, dass kleine Kinder ein so hochkomplexes
System wie ihre Muttersprache innerhalb der ersten 3-5
Lebensjahre erlernen?
+ Sprachwissenschaft im Rahmen der Kognitionswissenschaft
Was ist/ was macht die Sprachwissenschaft?
Generative Sprachwissenschaft
Lernbarkeit
Kann der menschliche Geist die Unendlichkeit beherrschen???
Wie kann man eine Sprache lernen, wenn diese unendlich viele
Sätze hervorbringen kann?
Wohl nicht, indem sich der Sprachlerner alle Sätze merkt, die in
seiner Umgebung vorkommen (und bei Bedarf verwendet) - das
wäre kaum mit obigen Daten zur sprachlichen Kreativität vereinbar.
Es gilt, das System hinter den Sätzen zu erlernen (die Grammatik).
Was ist/ was macht die Sprachwissenschaft?
Generative Sprachwissenschaft
Lernbarkeit
Die Schwierigkeit für den Lerner besteht darin, systemrelevante
von -irrelevanter Information zu unterscheiden
Das gilt insbesondere, weil die Information in mehrfacher Hinsicht
unzureichend ist (poverty of the stimulus).
I Wir hören recht häufig unvollständige, ungrammatische Sätze
- wie entscheidet der Lerner, welche Sätze in seiner Sprache
gültig sind?
I Die Menge an ”korrekten” Sätzen kann theoretisch von
verschiedenen Grammatiken erzeugt werden - welche ist die
richtige?
I In der Regel fehlt dem Sprachlerner negative Evidenz - wie
kommt er zu der Fähigkeit zu entscheiden, welche Sätze
ungrammatisch sind?
Was ist/ was macht die Sprachwissenschaft?
Generative Sprachwissenschaft
Die Universalgrammatik
Eine mögliche Lösung des poverty of the stimulus- Problems:
der Lerner hat eine angeborene Sprachfähigkeit, eine
Universalgrammatik, die von vornherein gewisse logisch
mögliche Strukturen als faktisch unmöglich ausschliesst.
Prinzipien der UG müssen nicht gelernt werden.
Die Universalgrammatik gilt für alle Sprachen, ist also recht
abstrakt und generell.
Was ist/ was macht die Sprachwissenschaft?
Generative Sprachwissenschaft
Die Universalgrammatik
Evidenz für die Universalgrammatik kommt von sprachlichen
Universalien, d.h. Prinzipien, die in allen Sprachen Gültigkeit
besitzen. Hier drei Beispiele:
I Jede Sprache hat mindestens 2 Vokale
I Alle Sprachen besitzen Glieder, die keine eigene Bedeutung
haben (Funktionswörter, beispielsweise Artikel)
I Ein Konjunkt aus einer Koordinationsstruktur kann nicht mit
vorangestelltem Fragepronomen erfragt werden:
I Die Maria hat den Hans geküsst. - Wen hat die Maria geküsst?
I Die Maria hat den Hans und den Paul geküsst.
*Wen hat die Maria den Hans und — geküsst?
...
Was ist/ was macht die Sprachwissenschaft?
I Morphologie
I Aus welchen Wortbestandteilen besteht
’Wachstube’ ?
I Blau-beere, Stachel-beere, Erd-beere, Him(?)-beere
I Paradigmen:
laufen - lief - gelaufen
raufen - *rief/ raufte - *geraufen/ gerauft
I Dankbar+keit; *Dankbar+heit
I Aufgabe an die Morphologie: Beschreibung der
Wortbildungsmöglichkeiten und -prozesse.
Was ist/ was macht die Sprachwissenschaft?
I Syntax
Wörter stehen nicht allein, sondern typischerweise im Satz -
viele Kombinationen sind möglich - aber nicht alle:
I Der Hans will die Bücher in das Regal stellen.
I Die Bücher will der Hans in das Regal stellen.
I *Die Bücher wollen der Hans in das Regal stellen.
I In das Regal stellen will der Hans die Bücher.
I Die Bücher in das Regal stellen will der Hans.
I *Das Regal will der Hans die Bücher in stellen.
I *Der Hans die Bücher will in das Regal stellen.
I Aufgabe an die Syntax: Beschreibung aller erlaubten/
grammatischen Satzstrukturen.
Was ist/ was macht die Sprachwissenschaft?
I Semantik
Was bedeuten Wörter und Sätze?
I Da läuft etwas Graues - ein Elefant → ein grauer Elefant
Da läuft etwas Grosses - ein Elefant 9 ein grosser Elefant
I ?Das folgende Stück ist ebenfalls von Bach - allerdings von
seinem Sohn
I Alle Kinder sind nicht gekommen
I ?Colourless green ideas sleep furiously
I Schlaf endlich ein! - *Heiss endlich Paul!
I Einen Satz verstehen, heisst wissen, was der Fall ist, wenn er
wahr ist. (Man kann ihn also verstehen ohne zu wissen, ob er
wahr ist.)
Wittgenstein
Was bisher geschah
Was bisher geschah
I Der Sprachbegriff
I Einordnung der Linguistik in die Genealogie der
Wissenschaften
I Kernbereiche der Grammatik (Phonologie, Morphologie,
Syntax, Semantik)
Begriffsklärung
Was ist angesichts Bichsels Gedicht über die Beziehung von Form
und Bedeutung zu sagen?
I Arbitrarität (s.o.)
Zuordnung von Laut und Bedeutung ist willkürlich.
Sprache als Zeichensystem
Was ist angesichts Bichsels Gedicht über die Beziehung von Form
und Bedeutung zu sagen?
I Konventionalität (s.o.)
Zuordnung kann nicht von jedem Benutzer nach Belieben
vorgenommen werden. Zuordnung muss innerhalb der
Sprechergemeinschaft einigermassen stabil sein, ansonsten
scheiterte Kommunikation.
Sprache als Zeichensystem
Was ist angesichts Bichsels Gedicht über die Beziehung von Form
und Bedeutung zu sagen?
I Assoziativität:
Zeichenform und -inhalt sind unterschiedliche aber
miteinander verbundene Gedächtnisinhalte.
Zeichenmodelle
I Kreis: Schallphänomen
I Zeichen in dreifacher Hinsicht:
I Symbol (Beziehung zum Bezeichneten)
I Index/ Anzeichen (Beziehung zum Sender)
I Signal (Appell an Empfänger)
Dimensionen des Zeichens
Das System Sprache ist nicht als eine Liste von Zeichen zu
verstehen, aus der ein Sprecher bestimmte Elemente für seine
Äusserungen wählt und aneinanderreiht.
Die sprachlichen Zeichen sind nicht einfach aufgelistet, sondern
haben systematische, regelhafte Beziehungen untereinander. Eine
Sprache sprechen heisst daher, Regeln zu folgen (was Kreativität
nicht ausschliesst!).
I Syntagmatische Beziehungen
I Paradigmatische Beziehungen
I Analyse und Kombinatorik der Zeichen
Sprache als Zeichensystem
I Syntagmatische Beziehungen
I Beziehung zwischen benachbarten sprachlichen Elementen in
einer komplexen Einheit (Syntagma)
semantische Beziehung: Der Hund bellt / *Die Ente bellt
grammatische Beziehung: Der Hund bellt / *Der Hund bellen
I Paradigmatische Beziehungen
I ’vertikale’ Beziehung zwischen sprachlichen Elementen.
Austauschbarkeit / Substituierbarkeit von Elementen einer
Klasse (eines Paradigmas)
semantisches Paradigma:
Der Hund {bellt, knurrt, winselt, jault, *spricht ...}
morphosyntaktisches Paradigma:
Der Hund {bellt, bellte, hat gebellt, *bellten ...}
Sprache als Zeichensystem
Analysierbar in
I Laute ohne eigene Bedeutung { v, œ, K, t, 5}
I Wortbestandteile mit Bedeutung {Wort + er }
Kombinierbar mit
I anderen Wörtern zu Sätzen und Texten
Sprache als Zeichensystem
I Morphologie (4 Sitzungen)
I Phonetik / Phonologie (4-5 Sitzungen)
I Syntax (Rest des Semesters)
im kommenden Semester folgen: mehr Syntax, Semantik,
Pragmatik und je nach Zeit ein wenig Historische Linguistik und
Psycholinguistik
Aufgaben
I Wir haben grosse Probleme, einen Satz wie ”Der Mediziner,
der die Ministerin, die den Handwerker, dessen Geliebte Rosen
über alles liebt, überraschte, befragte, kritisierte den
Präsidenten.” zu verstehen.
Ist das ein Problem der Kompetenz oder der Performanz?
I Die Beziehung vom Symbol zum bezeichneten Gegenständ
oder Sachverhalt gilt als arbiträr. Was heisst das? Ist die
Beziehung zwischen der Zeichenkette ”Hans küsst Maria” und
dem entsprechenden Sachverhalt willkürlich? Warum? Was
könnte daran nicht willkürlich sein?
I Gestik und Mimik gelten als nonverbale / nichtsprachliche
Zeichenkategorie. Wie ist das bei Nutzern der
Gebärdensprache?
I es wurden verschiedene semiotische Modelle (meist dreieckig)
vorgestellt. Schauen Sie sich diese noch einmal an und
entwirren Sie die verschiedenen Dimensionen des darin
Dargestellten.