Menschen im Homeoffice?
Millionen Menschen arbeiten von zu Hause aus, viele von ihnen inzwischen
schon seit über einem Jahr. Was macht das mit denen, die durch die Pandemie
kaum mehr in die Büros kommen? Von Stephan Radomsky SCHWER
E
s ist eine große Zahl: Rund sein, wenn das Miteinander fehlt und es
das Homeoffice engl. die B“ndung, -en
zehn Millionen Deutsche keinen gemeinsamen Alltag gibt. Man , hier: Form der Arbeit , hier: emotionale
führen gerade eine Fernbe- wird sich fremd, die Bindung schwindet, von zu Hause aus Beziehung
ziehung. Nicht unbedingt zu am Ende steht dann oft die Trennung. eine F¡rnbeziehung führen schw“nden
ihren Liebsten, das vielleicht Das ist nicht nur in der Liebe so, son- , eine Beziehung haben, , weniger werden; aufhö
bei der die Partner an ver ren, da zu sein
auch, vor allem aber zu den Kolleginnen, dern auch im Job.
Foto: Carlos Alberto kunichek/Shutterstock.com
Heimarbeiter: Entweder te nur jeder dann, wenn sie fast aus- der Konz¡rn, -e die H„ns-Bœckler-
belasten Kinderbetreuung Zwanzigste im schließlich von zu Hause , Gruppe von Firmen mit
gemeinsamer Leitung
St“ftung, -en
, Organisation, die die
und Home-Schooling oder Homeoffice – im aus arbeiten“.
der St„ndort, -e
Mitglieder der deutschen
Einsamkeit, dazu kommen Wie plötzlich und stark Gewerkschaften berät und
oft die Angst vor dem Job-
Januar 2021 war der Wandel war, zeigen die
, Ort, an dem eine Firma
ist
ausbildet
verlust und die Sorge um es jeder Vierte. Zahlen: Noch 2019, also vor zus„mmenhalten
fr¡mdgehen
, m sexuelle Bezie
die Gesundheit der Liebs- der Pandemie, waren laut , hier: sich darum küm
hung(en) außerhalb einer
ten. Ständig vorhanden ist die Unsicher- Statistischem Bundesamt nur 5,5 Pro- mern, dass alle in Kontakt
Ehe oder Paarbeziehung
bleiben
heit, wie es weitergeht. Wichtig findet zent der Erwerbstätigen in Deutschland haben; hier: sich einen
der/die Vorgesetzte, -n neuen Job suchen
Steffes dabei diese Frage: Wie viel von die Hälfte ihrer Arbeitszeit oder mehr im , Chef(in)
„bhalten v¶n
der eigenen Unzufriedenheit wird dem Homeoffice. Im April 2020 lag der Anteil
die [bsprache, -n , hier: machen, dass man
Arbeitgeber zugeschrieben? laut einer repräsentativen Erhebung des , Vereinbarung Angst hat, etwas zu tun;
Das fragt sich auch Bagher Feiz-Mar- Wirtschafts- und Sozialwissenschaftli- hindern an
kommunizieren
zoughi. Man spricht mit ihm per Video- chen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung , hier: in Kontakt sein teilweise
konferenz-Software auf dem Handy, wie (WSI) dann bei 27 Prozent. Zwar sank die , hier: manchmal
nebenher
so oft in diesen Tagen. Er ist zwar einiger- Quote im Sommer zusammen mit den , nebenbei ausschreiben
, hier: publizieren
maßen regelmäßig mal im Büro, dann Infektionszahlen. Aber mit diesen Zahlen konferieren
aber ganz allein. Und kaum noch ist er stieg ab Herbst auch die Zahl der Heimar- , mit anderen bei einem bes¡tzen
Meeting über ein spezielles , hier: einem Arbeitneh
beim Kunden. Feiz-Marzoughi leitet ein beiter wieder, zuletzt bis auf 24 Prozent mer geben
Thema sprechen
Team bei Siemens Advanta, der Unter- der Erwerbstätigen im Januar 2021.
die Videoschalte, -n hochqualifiziert
nehmensberatung des Münchener Kon- Vom Fremdgehen aber hält viele das , Onlinemeeting mit Video , hier: so, dass man eine
zerns. Seine Leute sitzen an verschiede- nicht ab. „Wir waren teilweise überrascht, sehr gute Aubildung und
spezielle Kenntnisse dafür
nen Standorten im In- und Ausland. Seit wie groß die Mobilität am Arbeitsmarkt
braucht
32 Jahren ist er im Unternehmen. Er hat auch in der Pandemie geblieben ist“, sagt
Erfahrung damit, Leute zusammenzuhal- Personalberater Kienbaum. Zwar wür-
ten, die nicht zusammensitzen. den insgesamt natürlich weniger Jobs
Vor Corona, sagt Feiz-Marzoughi, ausgeschrieben und besetzt, „bei hoch-
hätten ihm seine Arbeitstage viel besser qualifizierten Stellen und Führungspo-
gefallen. „Viele Dinge sind schwieriger sitionen hat die Nachfrage aber kaum
62 WIE GEHT ES EIGENTLICH ...? Deutsch perfekt
Anfang nicht so einfach zu die persönliche kippt. Trotzdem versucht die Flexibilität
plaudern
, hier: ≈ Absicht, sich an
organisieren. Inzwischen Freiheit – die Bank, „positive Impulse den Wünschen des Arbeit
, hier: sich unterhalten
sind sie aber ganz darauf gleichzeitig zu setzen“, damit die Ange- gebers zu orientieren, z. B. unterschætzen
mehr Stunden zu arbeiten , hier: nicht für wichtig
eingerichtet. stellten den Kontakt zum
„Jetzt ist natürlich die
fehlen ihnen die Haus nicht verlieren, sagt Corona-bed“ngt
halten
Quelle: Dies ist eine einfachere Version eines Texts aus der Süddeutschen Zeitung.; Illustration: Natalya Levish/Shutterstock.com
Corona-Pandemie , eines der vier Viertel des
te nach anderthalb Jahren Information und Orientie- Kalenderjahres (z. B. April
verw“schen
zwingen, wieder alles umzukrempeln, um rung für Mitarbeiter etwa oder Kommu- bis Juni)
, hier: unklar oder
zurück ins Büro zu kommen?“ Feiz-Mar- nikationstrainings für Führungskräfte. undeutlich werden længst
, hier: ≈ gar; überhaupt
zoughi glaubt das nicht. Eher erwartet Auf Kontrolle zu verzichten und beklagen
er nach der Pandemie eine Mischung: nahbar zu sein, das hält Personalberater , hier: sagen, dass man dr„nbleiben
unzufrieden ist wegen , hier: Interesse zeigen;
berufliche Reisen, wenn sie wirklich not- Kienbaum für den richtigen Weg: „Füh- Nähe zeigen
wendig sind oder einen Mehrwert brin- rungskräfte, die auch mal menschlich sein ers¡tzen
, hier: an der Stelle einer f„llen
gen, Homeoffice dort, wo es geht und ge- können, haben gerade mehr Erfolg.“ Gera- Sache sein , hier: zu hören sein
wünscht wird. Und er findet: Dann muss de die Nähe aber braucht im Homeoffice der/die Befragte, -n kl“ngen nach
man auch darauf achten, dass Arbeit und Konzept und Disziplin, sagt ZEW-Öko- , Person, der bei einer , hier: machen, dass man
Privates nicht verschwimmen. „Viele nomin Steffes: „Es gibt keine zufällige Umfrage Fragen gestellt an … denkt
werden
halten das für Flexibilität, ich finde das Begegnung, kein ungeplantes Plaudern.
gefährlich.“ Das wird völlig unterschätzt.“ Ein Mitar- das Bew¢sstsein
, hier: Wisen und Über
Dass diese Trennung im Corona-be- beitergespräch pro Jahr oder sogar eines zeugung, dass man über
dingten Homeoffice verwischt, beklagten pro Quartal reichten jedenfalls längst etwas nachdenken muss
laut der WSI-Umfrage im Januar schon 61 nicht aus, um dranzubleiben.
Prozent der Beschäftigten. Im April 2020 Offenheit, Nahbarkeit, Vertrauen,
hatte die Quote noch bei 56 Prozent ge- Nähe – wenn es ums Thema Homeoffice
legen. Auch stieg der Anteil derer, die geht, fallen gerade sehr viele Vokabeln,
fanden, Telefon- und Videokonferenzen die ein wenig nach Paartherapie klingen.
könnten den persönlichen Kontakt zu Aber vielleicht ist es genau das, was viele
den Kollegen nicht ersetzen, von schon Firmen und vor allem viele Angestellte
hohen 74 auf nun 77 Prozent. Gleichzei- nach der Pandemie erst mal brauchen: ein
tig aber mögen die meisten Befragten die bisschen Zeit zusammen und vielleicht
persönliche Freiheit im Homeoffice. Sie ein bisschen Hilfe.