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Deutsch perfekt

WIE GEHT ES EIGENTLICH DEN …

Menschen im Homeoffice?
Millionen Menschen arbeiten von zu Hause aus, viele von ihnen inzwischen
schon seit über einem Jahr. Was macht das mit denen, die durch die Pandemie
kaum mehr in die Büros kommen? Von Stephan Radomsky SCHWER

E
s ist eine große Zahl: Rund sein, wenn das Miteinander fehlt und es
das Homeoffice engl.  die B“ndung, -en 
zehn Millionen Deutsche keinen gemeinsamen Alltag gibt. Man , hier: Form der Arbeit , hier: emotionale
führen gerade eine Fernbe- wird sich fremd, die Bindung schwindet, von zu Hause aus Beziehung
ziehung. Nicht unbedingt zu am Ende steht dann oft die Trennung. eine F¡rnbeziehung führen  schw“nden 
ihren Liebsten, das vielleicht Das ist nicht nur in der Liebe so, son- ,  eine Beziehung haben, ,  weniger werden; aufhö­
bei der die Partner an ver­ ren, da zu sein
auch, vor allem aber zu den Kolleginnen, dern auch im Job.
Foto: Carlos Alberto kunichek/Shutterstock.com

schiedenen Orten leben


zum Chef, zur Firma. Seit über einem Jahr „Viele Leute fragen sich gerade, ob das, die Personalberatung, -en 
verhængen über …  ,  Firma, die für andere
geht das so, seit zum ersten Mal der Coro- was sie da als Beruf machen, überhaupt ,  … offiziell geben Firmen Angestellte für hohe
na-Lockdown übers Land verhängt wur- das Richtige ist“, sagt etwa Fabian Kien- Positionen sucht
ambival¡nt 
de. Viele, die man früher täglich traf, kennt baum, Chef der gleichnamigen Perso- ,  nicht eindeutig; so, dass “nnerlich 
man nur noch vom Bildschirm. nalberatung. „In der Routine stellen sich etwas nicht zusammen­ , hier: ≈ gedanklich
passt; hier: mit zwei Seiten
So eine Fernbeziehung ist aber eine fundamentale Fragen oft nicht, jetzt sind
ambivalente Sache: Einerseits bietet sie viele Routinen aber weg, und die Leute das M“teinander 
, hier: das Zusammenle­
enorme Freiheiten. Andererseits kann sie kommen innerlich in Bewegung.“ Sogar ben; auch: ≈ das Arbeiten
für die Partnerinnen aber auch schwierig der deutsche Fußball-Nationaltrainer im Team
Deutsch perfekt WIE GEHT ES EIGENTLICH ...?  61

zu dem Schl¢ss k¶mmen  das F„chliche ¢nd


Jogi Löw kam in den vergangenen Mo- geworden, egal ob man Vorgesetzter ist ,  zu dem Ergebnis S„chliche 
naten zu dem Schluss, dass es vielleicht oder Mitarbeiter: schnelle Absprachen, kommen ,  gemeint ist hier:
besser wäre, Schluss zu machen. der menschliche Kontakt“, sagt er. „Jetzt Arbeitsthemen
Schl¢ss m„chen 
Dass sich auch sonst etwas verändert ist es anstrengend, weil ich ständig die , hier: kündigen; auch: schwætzen süddt. 
eine Beziehung beenden , hier: sich unterhalten
in der Beziehung zwischen Arbeitneh- Sorge habe, ob ich mit allen, den Kunden
mer und Arbeitgeberin, beobachten viele, und den Mitarbeitern, ausreichend kom- das Unternehmen, -  einfach 
, Firma , hier: spontan
auch wenn es dazu noch keine genauen muniziere.“
womöglich  “n ihren Augen 
Daten gibt. „Wie viel Bindung zwischen Was früher von allein und nebenher
, vielleicht ,  ihrer Meinung nach
Mitarbeitern und Unternehmen verloren passierte, braucht jetzt einen festen Ter-
die Bereitschaft  die Einstellung, -en 
gegangen ist, wird sich erst in einigen Mo- min. Also konferiert Feiz-Marzoughi , hier: Absicht; Wunsch , hier: Art, wie man über
naten wirklich zeigen – wenn die Pande- jeden Morgen 15 Minuten per Video- etwas denkt
der Heimarbeiter, - 
mie hoffentlich vorbei ist und mehr Leute schalte mit seinem Team – damit sich alle ,  Person, die im Home­ ¢neingeschränkt 
womöglich wirklich den Job wechseln“, wenigstens virtuell einmal am Tag sehen office arbeitet , hier: ohne Grenze; ohne
Ausnahme
sagt die Ökonomin Susanne Steffes vom können. Da gehe es um Fachliches und bel„sten 
Zentrum für Europäische Wirtschafts- Sachliches zur Arbeit, „aber wir schwät- , hier: ≈ psychisch ausschließlich 
anstrengend sein für , nur
forschung (ZEW), wo sie sich vor allem zen auch einfach“, erzählt er. „Das hilft
stændig  der W„ndel, - 
mit Personalökonomik beschäftigt. „Die gegen die Lethargie.“
,  immer; dauernd , Veränderung
Bereitschaft zum Jobwechsel ist ja schon Dass die inzwischen zunimmt, bestä-
vorh„nden sein  der/die Erwerbstätige, -n 
das Extrem. Da passiert vorher vieles: viel tigt auch Ökonomin Steffes: Der erste ,  da sein , L Arbeitslose(r)
Nachdenken, Zweifel.“ Hype ums Homeoffice ist in ihren Augen
… zuschreiben  der [nteil, -e 
Gründe zum Nachdenken gibt es gera- vorbei, und die Einstellung der Menschen , hier: glauben, dass … , hier: Zahl; Teil aller
de genug. Die Corona-Pan- dazu inzwischen offenbar Schuld ist an Erwerbstätigen
demie ist aus vielen Grün- 2019 arbeite- „nicht mehr so uneinge- einigermaßen  die Erhebung, -en 
den nicht so einfach für die schränkt positiv, vor allem , ziemlich , hier: Umfrage

Heimarbeiter: Entweder te nur jeder dann, wenn sie fast aus- der Konz¡rn, -e  die H„ns-Bœckler-
belasten Kinderbetreuung Zwanzigste im schließlich von zu Hause ,  Gruppe von Firmen mit
gemeinsamer Leitung
St“ftung, -en 
,  Organisation, die die
und Home-Schooling oder Homeoffice – im aus arbeiten“.
der St„ndort, -e 
Mitglieder der deutschen
Einsamkeit, dazu kommen Wie plötzlich und stark Gewerkschaften berät und
oft die Angst vor dem Job-
Januar 2021 war der Wandel war, zeigen die
,  Ort, an dem eine Firma
ist
ausbildet

verlust und die Sorge um es jeder Vierte. Zahlen: Noch 2019, also vor zus„mmenhalten 
fr¡mdgehen 
, m sexuelle Bezie­
die Gesundheit der Liebs- der Pandemie, waren laut , hier: sich darum küm­
hung(en) außerhalb einer
ten. Ständig vorhanden ist die Unsicher- Statistischem Bundesamt nur 5,5 Pro- mern, dass alle in Kontakt
Ehe oder Paarbeziehung
bleiben
heit, wie es weitergeht. Wichtig findet zent der Erwerbstätigen in Deutschland haben; hier: sich einen
der/die Vorgesetzte, -n  neuen Job suchen
Steffes dabei diese Frage: Wie viel von die Hälfte ihrer Arbeitszeit oder mehr im , Chef(in)
„bhalten v¶n 
der eigenen Unzufriedenheit wird dem Home­office. Im April 2020 lag der Anteil
die [bsprache, -n  , hier: machen, dass man
Arbeitgeber zugeschrieben? laut einer repräsentativen Erhebung des , Vereinbarung Angst hat, etwas zu tun;
Das fragt sich auch Bagher Feiz-Mar- Wirtschafts- und Sozialwissenschaftli- hindern an
kommunizieren 
zoughi. Man spricht mit ihm per Video- chen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung , hier: in Kontakt sein teilweise 
konferenz-Software auf dem Handy, wie (WSI) dann bei 27 Prozent. Zwar sank die , hier: manchmal
nebenher 
so oft in diesen Tagen. Er ist zwar einiger- Quote im Sommer zusammen mit den , nebenbei ausschreiben 
, hier: publizieren
maßen regelmäßig mal im Büro, dann Infektionszahlen. Aber mit diesen Zahlen konferieren 
aber ganz allein. Und kaum noch ist er stieg ab Herbst auch die Zahl der Heimar- ,  mit anderen bei einem bes¡tzen 
Meeting über ein spezielles , hier: einem Arbeitneh­
beim Kunden. Feiz-Marzoughi leitet ein beiter wieder, zuletzt bis auf 24 Prozent mer geben
Thema sprechen
Team bei Siemens Advanta, der Unter- der Erwerbstätigen im Januar 2021.
die Videoschalte, -n  hochqualifiziert 
nehmensberatung des Münchener Kon- Vom Fremdgehen aber hält viele das ,  Onlinemeeting mit Video , hier: so, dass man eine
zerns. Seine Leute sitzen an verschiede- nicht ab. „Wir waren teilweise überrascht, sehr gute Aubildung und
spezielle Kenntnisse dafür
nen Standorten im In- und Ausland. Seit wie groß die Mobilität am Arbeitsmarkt
braucht
32 Jahren ist er im Unternehmen. Er hat auch in der Pandemie geblieben ist“, sagt
Erfahrung damit, Leute zusammenzuhal- Personalberater Kienbaum. Zwar wür-
ten, die nicht zusammensitzen. den insgesamt natürlich weniger Jobs
Vor Corona, sagt Feiz-Marzoughi, ausgeschrieben und besetzt, „bei hoch-
hätten ihm seine Arbeitstage viel besser qualifizierten Stellen und Führungspo-
gefallen. „Viele Dinge sind schwieriger sitionen hat die Nachfrage aber kaum
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stattd¡ssen  der Vorstand, ¿e 


abgenommen“ – bei genau denen also, finden, dass sie dort effektiver arbeiten , hier: ≈ zur Lösung für , hier: Mitglied der
die zurzeit besonders oft im Homeoffice und Familie und Beruf leichter kombinie- dieses Problem Gruppe, die eine Firma oder
sitzen. Gleichzeitig sieht ZEW-Ökono- ren können. Das Verhältnis zum Home­ einen Verein leitet
die Zweisamkeit 
min Steffes nicht, dass sich die Unter- office, es hat eben zwei Seiten. ,  Zusammenleben und int¡rn 
Handeln (nur) zu zweit; , hier: innerhalb einer
nehmen größere Gedanken um die Mit- Zumindest an manchen Orten hat
hier: Arbeiten im Büro Firma
arbeiter-Bindung machen. Stattdessen das Bewusstsein für das Problem in-
die Studie, -n  Homeoffice-müde 
möchten sie am liebsten einfach zurück zwischen auch das Topmanagement er- , wissenschaftliche ,  so, dass man keine Lust
zur alten Zweisamkeit: So haben zwei reicht. „Immer nur daheim zu sein, auch Untersuchung mehr auf Homeoffice hat
Drittel der Firmen laut einer Studie des das kann auf Dauer belastend sein“, sagt der/die Beschæftigte, -n  Die St“mmung kippt. 
Instituts der deutschen Wirtschaft nicht zum Beispiel Boris Scukanec Hopinski, , hier: Angestellte(r) ,  Die Atmosphäre wird
plötzlich schlechter.
vor, ihren Beschäftigten nach der Coro- bei der Münchener Hypo-Vereinsbank „nderth„lb 
na-Krise mehr Homeoffice zu ermögli- Vorstand fürs operative Geschäft. Auch , eineinhalb die Führungskraft, ¿e 
,  Person, die in einem
chen als davor. ihn erreicht man per Video im Home­ ¢mkrempeln 
Betrieb oder einer Or­
, m komplett ändern
Ein Fehler, glaubt office – wo auch sonst? Nur ganisation eine leitende
Feiz-Marzoughi. „So wie 15 bis 20 Prozent der Leute eher  Position hat
, hier: ≈ mehr
es war, wird das Arbeiten aus seiner Zentrale kom- verz“chten auf 
der Mehrwert  , hier: freiwillig nicht
jedenfalls nicht wieder men zurzeit ins Büro. Zwar
, hier: m (noch ein) machen
werden. Wie es genau wird, lieferten interne Befragun- Vorteil
nahbar 
da sind der Fantasie keine gen bisher keinen Hinweis verschw“mmen  ,  menschliche Nähe
Grenzen gesetzt.“ Für viele darauf, dass die Mitarbeiter , hier: sich mischen, zeigen
seiner Leute zum Beispiel der Bank Homeoffice-müde weil es keine deutlichen
Viele mögen Unterschiede mehr gibt
das Konz¡pt, -e 
war das Homeoffice am würden oder die Stimmung ,  Idee; Programm

Anfang nicht so einfach zu die persönliche kippt. Trotzdem versucht die Flexibilität 
plaudern 
, hier: ≈ Absicht, sich an
organisieren. Inzwischen Freiheit – die Bank, „positive Impulse den Wünschen des Arbeit­
, hier: sich unterhalten

sind sie aber ganz darauf gleichzeitig zu setzen“, damit die Ange- gebers zu orientieren, z. B. unterschætzen 
mehr Stunden zu arbeiten , hier: nicht für wichtig
eingerichtet. stellten den Kontakt zum
„Jetzt ist natürlich die
fehlen ihnen die Haus nicht verlieren, sagt Corona-bed“ngt 
halten

Frage: Kann ich diese Leu- Kollegen. Scukanec Hopinski: klare


,  verursacht durch die Quartal, -e 

Quelle: Dies ist eine einfachere Version eines Texts aus der Süddeutschen Zeitung.; Illustration: Natalya Levish/Shutterstock.com
Corona-Pandemie ,  eines der vier Viertel des
te nach anderthalb Jahren Information und Orientie- Kalenderjahres (z. B. April
verw“schen 
zwingen, wieder alles umzukrempeln, um rung für Mitarbeiter etwa oder Kommu- bis Juni)
, hier: unklar oder
zurück ins Büro zu kommen?“ Feiz-Mar- nikationstrainings für Führungskräfte. undeutlich werden længst 
, hier: ≈ gar; überhaupt
zoughi glaubt das nicht. Eher erwartet Auf Kontrolle zu verzichten und beklagen 
er nach der Pandemie eine Mischung: nahbar zu sein, das hält Personalberater , hier: sagen, dass man dr„nbleiben 
unzufrieden ist wegen , hier: Interesse zeigen;
berufliche Reisen, wenn sie wirklich not- Kienbaum für den richtigen Weg: „Füh- Nähe zeigen
wendig sind oder einen Mehrwert brin- rungskräfte, die auch mal menschlich sein ers¡tzen 
, hier: an der Stelle einer f„llen 
gen, Homeoffice dort, wo es geht und ge- können, haben gerade mehr Erfolg.“ Gera- Sache sein , hier: zu hören sein
wünscht wird. Und er findet: Dann muss de die Nähe aber braucht im Homeoffice der/die Befragte, -n  kl“ngen nach 
man auch darauf achten, dass Arbeit und Konzept und Disziplin, sagt ZEW-Öko- ,  Person, der bei einer , hier: machen, dass man
Privates nicht verschwimmen. „Viele nomin Steffes: „Es gibt keine zufällige Umfrage Fragen gestellt an … denkt
werden
halten das für Flexibilität, ich finde das Begegnung, kein ungeplantes Plaudern.
gefährlich.“ Das wird völlig unterschätzt.“ Ein Mitar- das Bew¢sstsein 
, hier: Wisen und Über­
Dass diese Trennung im Corona-be- beitergespräch pro Jahr oder sogar eines zeugung, dass man über
dingten Homeoffice verwischt, beklagten pro Quartal reichten jedenfalls längst etwas nachdenken muss
laut der WSI-Umfrage im Januar schon 61 nicht aus, um dranzubleiben.
Prozent der Beschäftigten. Im April 2020 Offenheit, Nahbarkeit, Vertrauen,
hatte die Quote noch bei 56 Prozent ge- Nähe – wenn es ums Thema Homeoffice
legen. Auch stieg der Anteil derer, die geht, fallen gerade sehr viele Vokabeln,
fanden, Telefon- und Videokonferenzen die ein wenig nach Paartherapie klingen.
könnten den persönlichen Kontakt zu Aber vielleicht ist es genau das, was viele
den Kollegen nicht ersetzen, von schon Firmen und vor allem viele Angestellte
hohen 74 auf nun 77 Prozent. Gleichzei- nach der Pandemie erst mal brauchen: ein
tig aber mögen die meisten Befragten die bisschen Zeit zusammen und vielleicht
persönliche Freiheit im Homeoffice. Sie ein bisschen Hilfe.

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