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Bild 1 Typische Onshore-Windenergieanlage 2015 (3,0 MW, Gesamthöhe Bild 2 Typisches WEA-Stahlbetonkreisplattenfundament [Foto: Seewind]
196 m) Typical RC circular foundation slab of wind energy plant
Typical on-shore wind energy plant 2015 (3,0 MW, total height 196 m)
2 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 112 (2017), Heft 1
J. Akkermann, S. Weiler: Cracks in foundations of onshore wind energy plants
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Anlagen-Leben genutzt werden. Dem gegenüber steht die
selbst für Ingenieurbauwerke sehr hohe Anforderung an
die Betriebsfestigkeit. Bei WEA werden Lastspielzahlen
von 109 erreicht. Entsprechend sind Ermüdungsnachwei-
se für Beton und Betonstahl mittels Schadenskollektiven
nach der Palmgren-Miner-Regel zu führen [2].
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Qpot hängt hierbei von der Bindemittelmenge ab und er-
gibt sich bei Berücksichtigung von Flugasche zu:
n
te
Bild 8 Temperaturentwicklung beim Erhärten des Betons (3)
α(t e ) = exp b ⋅ ln 1 +
t k
Temperature development during hardening of concrete
schicht nur eine untergeordnete Bedeutung, sodass Effek- wurde vereinfachend ein nichtbindiger, dicht gelagerter
te aus Trocknungsschwinden zunächst nicht von Interesse Sand mit Reibungswinkel j = 30° angenommen.
waren.
3.3 Kalibrierung
3.2 Numerisches Modell
Anhand von Vergleichsberechnungen zu gebauten Fun-
Mithilfe eines strukturmechanischen, räumlichen Finite- damenten wurde das numerische Modell kalibriert. Hier-
Elemente-Modells wurden die transienten Vorgänge der bei zeigten sich beim Temperaturverlauf (Frischbetontem-
Erhärtung simuliert. Innerhalb der zur Verfügung stehen- peratur 20 °C) qualitativ recht gute Übereinstimmungen
den Programmmodule [11] wurden sowohl die nichtlinea- (Bild 8). Den Berechnungen wurden in Analogie zu den
ren Vorgänge der Kombination aus Wärmeentwicklung verwendeten Betonsorten die in Tab. 1 (Spalten 1a und 2)
und Hydratation als auch die zugehörigen Festigkeitsent- gezeigten, der Literatur entnommenen Materialkennwer-
wicklungen und Spannungszustände sukzessive in Zeit- te zugrunde gelegt.
schritten berechnet. Die verschiedenen thermischen
Randbedingungen wurden durch entsprechende Grenz-
schichten zum Boden, zur seitlichen Schalung, zu einer 4 Prozessauswertung
optionalen Wärmedämmung und zur Außenatmosphäre
modelliert. Die tageszeitlichen Lufttemperaturschwan- Aus der numerischen Simulation können bereits wesent-
kungen wurden durch eine Cosinusfunktion angenähert. liche Erkenntnisse gewonnen werden. Generell waren
die Temperaturverläufe mit den gemessenen vergleichbar
Der Fundamentbeton wurde als linear-elastisches Mate (Bild 8). Gegenüber den Messungen stieg die Temperatur
rial modelliert, dessen Materialkennwerte sich jedoch in im höherfesten Sockel bei der Berechnung stärker an.
Abhängigkeit vom Hydratationsgrad elementweise ent Dieser Bereich war jedoch nicht Gegenstand der Unter-
wickeln. Es wurde zwischen den beiden Betonsorten in suchungen.
Kreisplatte und Sockel unterschieden. Letzterer wurde
erst im Verlauf der Berechnung zugeschaltet, um den Es wurde eine über den Querschnitt inhomogene Tempe-
Bauablauf zu simulieren. Die Rissbildung an sich kann so raturverteilung festgestellt (Bild 9), die von den thermi-
nicht abgebildet werden. Eine Überprüfung derselben er- schen Randbedingungen abhängig war. Deutlich ist auch
folgte implizit über den Vergleich der erreichten Zug die höhere Temperatur des höherfesten Sockelbetons er-
festigkeit mit den vorhandenen Hauptzugspannungen. kennbar. Mit zunehmendem Betonalter nimmt die Tem-
Die Interaktion zwischen Fundament und Baugrund peratur nicht nur ab, sondern homogenisiert sich auch.
wurde mittels nichtlinearer, dreiachsialer Federelemente Die Temperaturgradienten führen erwartungsgemäß zu
mit Haft- und Gleitreibungsmöglichkeit modelliert. Es Eigenspannungszuständen mit Zugspannungen an der
Beton 1a 1b 2
C35/45 C35/45 C50/60
Zement CEM III/A 32,5 N CEM III/A 42,5 N-LH/NA CEM III/A 42,5 N
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Bild 9 Temperaturentwicklung im Querschnitt bei numerischer Simulation
Temperature development in section from numerical simulation
Bild 13 Zeitliche Entwicklung von Zugfestigkeit und Zugspannung am Rand bei verschiedenen Randbedingungen: a) oberer Rand, b) mittlerer Rand
Time-history of tensile strength development and stresses on edge under different boundary conditions: a) upper edge, b) middle edge
beeinflussen. Es wurde daher vergleichend ein bei WEA- Zudem ist die Applikation einer Dämmung und der Ver-
Fundamenten schon verbauter C35/45 angenommen bleib derselben über einen Zeitraum von bis zu 15 Tagen
(Tab. 1, Spalte 1b). Zur Erreichung der gewünschten baupraktisch sehr hinderlich, da die Fundamente in der
Betonfestigkeitsklasse wurde hier ein höherfester LH-Ze- Regel kurz nach dem Ausschalen ihre Erdüberschüttung
ment mit einer maximalen Hydratationswärme QCsp(7 Ta- erhalten und die Turmmontage beginnt.
ge) ≤ 270 kJ/kg verwendet, der gleichzeitig geringer do-
siert wurde. Hieraus ergibt sich rechnerisch ein um ca.
25 % vermindertes Wärmefreisetzungspotential Qpot. Er- 5.3 Einfluss Bauteilgeometrie
wartungsgemäß wirkt sich die geringere Temperatur
entwicklung positiv auf die Randspannungen aus, ein Bei einer Variation der Bauteilgeometrie im Rahmen der
Überschreiten der zeitlichen Zugfestigkeit kann jedoch verwendeten Fundamentgrößen (Bild 5) zeigte sich prin-
auch hierdurch nicht ausgeschlossen werden (Bild 13b). zipiell ähnliches Verhalten, die maximalen Zugspan-
Eine Rissbildung bleibt also wahrscheinlich. nungswerte traten jedoch mit zunehmender Bauteildicke
später auf (Bild 13).
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e ffektive Betonfläche Ac,eff unter Beachtung der Bauteil- Da die nach Eurocode 2 mittels der Betonzugfestigkeit
dicke h berechnet: belastungsbasiert ermittelten Rissbreiten in Summe die
Gesamtbauteilverformungen oftmals überschreiten [12],
A c,eff fct,eff wurden Vergleichsrechnungen nach aktuellen Modellen
σ s = fct,eff ⋅ = unter Berücksichtigung der Verformungskompatibilität
As ρeff
[12, 13] durchgeführt. Es wird zwischen „Primär- und
(5)
h Sekundärrissen“ unterschieden: Primärrisse entstehen als
2,5 d1 + 0,1 ⋅ − 5 ⋅ d1 Trennrisse aus dem globalen Rissprozess des Bauteil
mit A c,eff = b ⋅ min d1 .
betons; die kleineren Sekundärrisse begleiten diese durch
5 d1 die Verbundwirkung der Bewehrung bedingt, sodass sich
über den Abstand lcr von zwei Primärrissen der Breite wp
Eine Auswertung der Umfangszugspannung σt über die mit n Sekundärrisspaaren die integrale Verformung wbeh
Bauteilhöhe (Bild 12) rechtfertigt die Annahmen von annähernd zu
Gl. (5). Eine weitere Abminderung der Zugspannungen
aufgrund von „Eigenspannungszuständen“ bzw. nicht w beh = w p ⋅ (1 + 0,9 ⋅ n) (7)
linearer Spannungsverteilungen erscheint nicht gerecht-
fertigt. Hiermit ergibt sich die rechnerische Rissbreite wk ergibt. Deren integrale Summe muss aus der Verträglich-
mit begünstigendem Ansatz des tension stiffening bei ge- keitsbetrachtung der behinderten, integralen Bauteilver-
gebenem Stabdurchmesser ds zu: längerung εbeh entsprechen:
m m
w k = sr,max ⋅ (εsm − εcm )
∑ w beh,i = ∑ ε beh,i ⋅ lcr,i . (8)
(6) i=1 i=1
σ s ⋅ ds σ s f Es
= ⋅ − 0,4 ⋅ ct,eff 1 + ⋅ ρeff . Nach [12] ergibt sich die Primärrissbreite zu:
3, 6 ⋅ fc,eff Es Es ⋅ ρeff Ec,eff
σ f d
In Tab. 2 sind die entsprechenden Rechenergebnisse für w p = s − 0,39 ⋅ ct,eff ⋅ 0,18 s (9)
E
s ρeff ⋅ E s ρeff
die in Bild 5 dargestellten Bewehrungsführungen zusam-
mengefasst. Es wurde hierbei vereinfachend von einem
Reifegrad der Zugfestigkeit von αct = 0,7 ausgegangen. σs f
mit = (1 + n ⋅ 0,3) ct,eff . (10)
Für beide Bewehrungstypen erweist sich die am oberen Es ρeff ⋅ Es
Rand vorhandene Umfangsbewehrung zur Rissbreiten
beschränkung auf wk ≤ 0,3 mm als bei Weitem nicht aus- Wie bereits in [13] eingehend untersucht, sind die ent-
reichend. scheidenden Parameter zur Berechnung der Rissbreiten
der Primärrissabstand lcr und die Anzahl n der Sekundär-
risspaare. Insbesondere lcr ist bauteilgeometrieabhängig.
Tab. 2 Ermittlung der Rissbreiten wk nach Eurocode 2 [5] und [12]
Die in [12, 13] angegebenen Näherungen für Wände und
Calculation of crack width wk acc. to Eurocode 2 [5] und [12] Bodenplatten sind für die vorliegende Problematik der
Kreisplatte in Umfangsrichtung (Bild 11) nicht ohne
Fundament 1 (hoch) 2 (flach)
Weiteres anwendbar. Es wird daher zur Bestimmung von
Beton C35/45 C35/45 lcr und n vereinfachend davon ausgegangen, dass die
fct,eff 2,24 N/mm2 2,24 N/mm2 Zwangskraft der mittleren Betonzugkraft Ft(t) in Um-
Ec,eff 27 200 N/mm2 27 200 N/mm2 fangsrichtung zum Zeitpunkt der Rissbildung entspricht.
h/d1 165 cm/7,25 cm 85 cm/7,25 cm
Hieraus ergibt sich die behinderte Betondehnung zu:
Ac,eff Gl. (5) 0,31 m2/m 0,23 m2/m
Ft(t) σ (t) ⋅ A c,eff f
Bewehrung ∅25–150 mm ∅25–250 mm ε beh = = t = ct,eff (11)
Ec,eff ⋅ A c,eff Ec,eff ⋅ A c,eff Ec,eff
As; ρeff 32,7 cm2/m; 1,06 % 19,6 cm2/m; 0,85 %
Berechnung nach Eurocode 2 [5] Als zu bestimmende Freiwerte verbleiben jetzt die Anzahl
ss Gl. (5) 212,2 N/mm2 262,4 N/mm2 der Sekundärrisspaare n zwischen den Primärrissen und
sr,eff 0,66 m 0,81 m
die Anzahl der Primärrisse m über den äußeren Funda-
mentumfang. Aufgrund der Beobachtungen von Rissbil-
wk Gl. (6) 0,42 mm 0,64 mm
dungen an gebauten Fundamenten und aufgrund der Tat-
Berechnung nach Bödefeld [12] sache, dass zum Einstellen von mehr als einem Sekundär-
Sekundärrisspaare n 1 1 risspaar eine gewisse freie Verformung zwischen den
Primärrisse m; lcr 8; 9,5 m 5; 13,9 m Primärrissen nach dem Zeitpunkt der Erstrissbildung ge-
Gesamtrisszahl 24 15 geben sein muss, was aufgrund der Bauteilgeometrie mit
Primärriss ss Gl. (11) 275,9 N/mm2 341,1,9 N/mm2
Kontakt zum Boden nicht zutrifft, wird in Übereinstim-
mung mit [13] von n = 1 ausgegangen. Hieraus lassen sich
Primärriss wp Gl. (9) 0,41 mm 0,63 mm
mit Gln. (7), (8) und (11) der Primärrissabstand lcr und
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Literatur
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themen/statistiken. [12] Bödefeld, J.: Rissmechanik in dicken Stahlbetonbauteilen
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2012. [13] Schlicke, D.: Mindestbewehrung zwangbeanspruchter Be-
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[4] Bellmer, H.: Schäden an Tragstrukturen für Windenergie- Graz, Dissertation, 2014.
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[5] DIN EN 1992-1-1:2011-01; DIN EN 1992-1-1/NA:2013-04:
Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton-
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Autoren
sungsregeln und Regeln für den Hochbau mit Nationalem
Anhang. Prof. Dr.-Ing. Jan Akkermann
[6] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: DAfStb-Richtlinie Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft
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