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International Journal of Phenomenology, Hermeneutics and Metaphysics

Weltanschauung: Über einige ihrer Formen und


Funktionen

Worldview: About some of its forms and functions

Prof Dr. Karl Acham


University Graz1

ZUSAMMENFASSUNG
Der vorliegende Beitrag untersucht vergleichend einige zentrale Denkformen und
Gedankeninhalte, die seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in der Philosophie und den 117
Sozialwissenschaften mit dem Begriff der Weltanschauung in Beziehung gebracht wurden.
Beginnend mit Kants Unterscheidung von „Anschauen“ und „Erscheinen“, also der aktiven
Weltbetrachtung sowie dem rezeptiv erfahrenen Weltbild, führen die Betrachtungen weiter zu
Wilhelm Diltheys Typologie der Weltanschauungen, zum Streit zwischen Ideologie und
Wissenschaft bei Karl Marx, Joseph Schumpeter und Theodor Geiger, sowie zur Vielfalt von
Wittgensteins „Sprachspielen“ und „Lebensformen“. Zum Schluss wird die Frage erörtert,
inwiefern die Weltanschauungsanalyse – was Karl Mannheim angenommen zu haben scheint –
einen Beitrag zur Beilegung von Konflikten zwischen den ideologischen oder Weltanschauungs-
Parteien zu leisten imstande ist.

SCHLÜSSELDWÖRTER
Weltanschauung; Formen; Funktionen; Dilthey; Typologie der Weltanschauungen

ABSTRACT
This paper seeks to critically examine and compare certain key ideas related to the concept of
Weltanschauung in philosophy and the social sciences. The discussion focusses, in the main, on
Kant’s distinction between viewing (Anschauen) and appearance (Erscheinen) or between the
active, mindful perception of the world and the experience of its factually given image;
Wilhelm Dilthey’s typology of worldviews (Weltanschauungen); the contested claims, in the
writings of Karl Marx, Joseph Schumpeter and Theodor Geiger, between ideology and science;
and Ludwig Wittgenstein’s ideas of multiple “language games” and “forms of life”. The closing
part of the paper seeks to explore the possibility and scope of resolving the conflicts between

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Email: karl.acham@uni-graz.at

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political parties that are driven by either an “ideological” or “utopian“ kind of weltanschauung,
as Karl Mannheim seems to suggest.

KEYWORDS
Worldview; forms; functions; Dilthey; typology of worldviews

EINLEITUNG
ZUR URSPRÜNGLICHEN AMBIVALENZ DES BEGRIFFS DER
WELTANSCHAUUNG
Das Wort „Weltanschauung“ erscheint zuerst 1790 bei Kant in seiner Kritik
der Urteilskraft, (KANT, 1968, S. 254)2 und von dem damit Gemeinten heißt es,
dass ihm „als bloßer Erscheinung“ die „Idee eines Noumenons [...] zum
Substrat untergelegt“ werde. Der Ausdruck bezeichnet einerseits den Vorgang
des Anschauens, andererseits den des Erscheinens. Grammatisch-semantisch
gesprochen heißt das, wie Werner Betz in einer der Geschichte des Wortes
„Weltanschauung“ gewidmeten Abhandlung bemerkt, dass Kant ein Wort
gebraucht, „das“, wie beispielsweise das Wort „Übersetzung“ auch, „nicht nur
Nomen actionis ist, Bezeichnung des Vorganges, sondern das zugleich auch ein
Nomen acti, Bezeichnung des Ergebnisses darstellt. [...] Diese doppelte
Funktion wird für Kant durch das Wort Weltanschauung, erfüllt, besser als
durch die schon vorhandenen Ausdrücke ‚Weltbetrachtung’ oder ‚Weltbild’,
die jeweils nur entweder Nomen actionis oder Nomen acti sind, während eben
Weltanschauung in der Sprache Kants als Anschauung schon beides in sich
vereint.“ (BETZ, 1981, S. 19) Dass „Weltanschauung“ also durch das aktive
individuelle Anschauen gewonnen werden kann, andererseits aber ein durch
viele Anschauungen und Gewöhnungen kondensiertes Bild oder System meint,
macht den Reiz und den Erfolg des Wortes in seiner bisherigen
Begriffsgeschichte aus.
Religiöse Glaubensinhalte werden in den folgenden Betrachtungen zu den
Formen und Funktionen der Weltanschauung ausgeklammert werden. Für
diese bedürfte es einer besonderen Untersuchung.

2
Hier heißt es: "Das gegebene Unendliche [...] ohne Widerspruch auch nur denken zu können, dazu wird
ein Vermögen, das selbst übersinnlich ist, im menschlichen Gemüthe erfordert. Denn nur durch dieses
und dessen Idee eines Noumenons, welches selbst keine Anschauung verstattet, aber doch der
Weltanschauung, als bloßer Erscheinung, zum Substrat unterlegt wird, wird das Unendliche der
Sinnenwelt in der reinen intellektuellen Größenschätzung unter einem Begriffe ganz zusammengefaßt,
obzwar es in der mathematischen, durch Zahlenbegriffe nie ganz gedacht werden kann."

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1.EINIGES ZUR WEITEREN ENTWICKLUNG DES


WELTANSCHAUUNGSBEGRIFFS
In der Zeit nach Kant führte der Weg der Erkenntnisbemühungen häufig
zur vereinseitigten Analyse von entweder Anschauen oder Angeschautem, von
subjektiver Welterfahrung bzw. objektiviertem Erfahrungsresultat. Dass dabei
oftmals Weltanschauung, und zwar durch das Wörtlich-Nehmen im Sinne des
nomen actionis, zu spöttischer Kritik Anlass gab, belegt exemplarisch eine Stelle
in einem Brief Jacob Burckhardts an Gottfried Kinkel: „Vor Zeiten war ein jeder
ein Esel auf seine Faust und ließ die Welt in Frieden; jetzt dagegen hält man
sich für ‚gebildet’, flickt eine ‚Weltanschauung’ zusammen und predigt auf den
Nebenmenschen los.“ (BETZ, 1921, S. 276) Die von jeglicher Überprüfbarkeit
enthemmte Subjektivität ist es, welche hier in Betracht steht und
erkenntnistheoretische Realisten auf den Plan gerufen hat. Später erfolgte eine
Art Ontologisierung der Weltanschauung, eine Änderung der
Aufmerksamkeitsrichtung vom Vorgang zum Resultat, vom nomen actionis zum
nomen acti. Darauf ist hier im einzelnen nicht einzugehen; es mag hier der
Hinweis genügen, dass der Inhalt einer Weltanschauung zumeist entweder im
Sinne der theoretischen Vernunft als Erkenntnis, oder aber im Sinne der
praktischen Vernunft als Bekenntnis verstanden wurde. 119
Repräsentativ für eine Bestimmung der Bedeutung des Begriffs
Weltanschauung im Sinne der theoretischen Vernunft ist Rudolf Eislers
(erstmals 1899 erschienenes) Wörterbuch der philosophischen Begriffe, wo es in der
dritten Auflage aus dem Jahre 1910 heißt: „Ein philosophisches System ist die
Vereinigung allgemeiner Erkenntnisse zur Einheit einer Weltanschauung.“ Die
werthaft-präskriptive Ebene bleibt ausgeklammert. Beispielhaft für die
Bestimmung der Bedeutung dieses Begriffs im Sinne der praktischen Vernunft
wiederum sind Hegels Ausführungen über „Die moralische Weltanschauung“
in der Phänomenologie des Geistes (1807) oder – mehr als 120 Jahre später –
Theodor Litts Hinweise auf „Lebensfragen, denen nur in einer Weltanschauung
Antwort werden kann“. (LITT, 1928, S. 76) Auch in den so genannten
politischen Weltanschauungsparteien dominiert im Allgemeinen ein
Verständnis von Weltanschauung im Sinne von praktischen Lebensfragen und
von darauf gegebenen Antworten zur individuellen und kollektiven
Lebensführung. Allerdings ist der Anspruch jener Parteien in der Regel
umfassender und schließt auch Lehren ein, die sich auf bestimmte den
Menschen, die Gesellschaft und die Natur betreffende Inhalte theoretischer Art
beziehen. So handelt es sich bei ihnen um Weltanschauungen im Sinne von
„Gesamtdeutungen“,3 die verschiedentlich an die Stelle umfassender älterer
metaphysischer Weltdeutungen traten. Gelegentlich wurden sie auch in diesem

3
Solche hatte Jean Paul, wenn auch mit ungleich umfassenderem Anspruch und in naturgemäß anderer
Absicht, in seiner 1804 erschienenen Vorschule der Ästhetik dem Genie vorbehalten. – (PAUL, 1963,
§10).

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definiert, wie beispielsweise von Paul Thormeyer in seinem Philosophischen


Wörterbuch: „Weltanschauung (= metaphysisches System) ist ein durch
einheitliche Zusammenfassung alles Wissens und abschließende Betrachtung
gewonnenes Gesamtbild von der Welt.“ (THORMEYER, 1922).4
Bei diffusen Ganzheitsvorstellungen dieser Art setzten Wilhelm Diltheys
Analysen in seiner „Weltanschauungslehre“ an, mit welchen er das theoretisch-
praktische Amalgam der herkömmlichen einschlägigen Auffassungen zu
systematisieren suchte, und die ein einer wirkungsgeschichtlich höchst
bedeutsamen Typologie der Weltanschauungen ihren Ausdruck fanden.

2. WELTANSCHAUUNG ALS ERKENNTNISINTERESSE

a. Diltheys Typen der Weltanschauung


Für Dilthey ist die Welt ein in unterschiedlichen Erlebnissen zugänglicher
Sachverhalt, obschon ihm, wie bereits Kant, die Idee einer Einheit des darauf
bezogenen Wissens als ein regulatives Prinzip der Erkenntnis galt. Diese
Einheit des Wissens war für ihn aber nicht verbürgt durch ein „Ding an sich“,
sondern durch die Anthropologie, aus der heraus die verschiedenen
perspektivischen Formen der Welterfahrung als „Typen der Weltanschauung“
verständlich gemacht werden sollten. Die "Menschennatur", wie sie sich im
realen Lebensprozess zeigt, habe, wie Dilthey bereits in seiner Einleitung in die
Geisteswissenschaften sagt, "am Wollen, Fühlen und Vorstellen nur seine
verschiedenen Seiten". (DILTHEY, 1973, S. XVIII). So konzipiert er
- den "Naturalismus" als den positivistischen Ansatz vom Verstand her,
wie er exemplarisch von Demokrit und Hobbes vertreten und durch die
verschiedenen Sparten der Naturwissenschaften praktiziert wird;
- den "objektiven Idealismus" als den kontemplativen Ansatz vom Gefühl
her, wie er etwa von Heraklit, Leibniz, Hegel und Goethe repräsentiert
wird und sich in einer harmonisierenden Religion oder einer
gleichartigen, am besten wohl als apollinisch zu bezeichnenden
künstlerischen Weltbetrachtung ausdrückt;
- den "Idealismus der Freiheit" als den aktivistischen Ansatz vom Willen
her, wie er uns beispielsweise im Schrifttum von Plato und Kant begegnet
und wie er im ethischen, juristischen und politischen Denken und
Handeln Ausdruck findet.5
Dilthey befindet sich damit sowohl in der Tradition von David Hume,
dessen Treatise of Human Nature bekanntlich aus den drei Büchern "Of the
Understanding", "Of the Passions" sowie "Of Morals" besteht, als auch in der

4
Zitiert nach (BETZ, 1981, S. 24).
5
Siehe dazu vor allem (DILTHEY, VIII 1977, S. 73-118, S. 220-226 und S. 227-235); siehe vor allem auch
DILTHEY, V 1974, S. 403).

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von Immanuel Kant und seinen drei Kritiken, die in gewisser Hinsicht jenem
dreigliedrigen Aufbau von Humes Schlüsselwerk entsprechen.
In der Anthropologie als der Selbsterkenntnis des Menschen liegt also
nach Dilthey der Grund für die drei von ihm in seiner Weltanschauungslehre
dargelegten Erkenntnisorientierungen.6 Für ihn stand fest, dass jede
Vereinseitigung einer dieser drei Weltanschauungs-Orientierungen im Sinne
des für sie reklamierten besonderen Geltungsanspruchs zu einer dogmatischen
Metaphysik führt. Es ginge darum, zu zeigen, dass sich Einsichten, welche in
einem der von Dilthey genannten Bereiche der „geistigen Welt“ – in den
Naturwissenschaften, in Kunst und der Religion, in Ethik und der Politik –
entstanden, zu Irrtümern werden, sobald man sie verabsolutiert und auf
kategorial andersartige Sachbereiche überträgt. Notwendigerweise ist nach
Dilthey jede Weltanschauung einseitig; es ist uns, wie er ausführt, versagt, diese
Seiten zusammenzuschauen: "Das reine Licht der Wahrheit ist nur in
verschieden gebrochenem Strahl für uns zu erblicken." (DILTHEY, VIII 1977, S.
224)
Vieles als „Ideologie“ Bezeichnete ist bekanntlich durch eine solche
Verabsolutierung von Prinzipien entstanden, welche innerhalb eines
bestimmten Teilgebietes ihre unbestreitbare Gültigkeit haben, dann aber auf 121
ihnen nicht gemäße Gegenstandsbereiche zur Anwendung gebracht wurden.7
Dazu einiges noch im Folgenden.

b. Zur Wirkungsgeschichte von Diltheys Typologie der


Weltanschauungen
Auch das Werk eines Philosophen wird im Allgemeinen nicht nur
dadurch bestimmt, was es für sich genommen ist, sondern auch durch das, was
es auf dem Wege der Rezeption bewirkt hat. Diltheys Schrifttum zur
Weltanschauungsanalyse kommt in diesem Zusammenhang ein exemplarischer
Charakter zu. Schon früh – erstmals im Jahre 1908 – untersuchte Herman Nohl
in einer Dilthey verwandten Absicht den Zusammenhang von Malerei,
Kunststil und Weltanschauung.8 (NOHL, 1908; NOHL, 1920) Karl Mannheim
hat dann 1923 Beiträge zur Theorie der Weltanschauungs-Interpretation
(MANNHEIM, 1923; MANNHEIM, 1964) verfasst, in denen er auf Diltheys

6
Die anthropologische Dreigliedrigkeit der Seelenvermögen – Verstand, Gefühl und Willen – ist nicht
allein auf die begriffliche Erfassung des "Was" und des "Wie" der geschichtlich-gesellschaftlichen
Wirklichkeit bezogen, sondern auch auf die Frage "Warum?". Die Antwort darauf kann abermals
entweder durch das naturwissenschaftliche Erklären vom Verstand her gegeben werden oder durch ein
– vor allem auf Inhalte der Religion oder der Kunst bezogenes – Verstehen auf der Grundlage
gefühlsmäßiger Beziehungen.
7
Gewisse Varianten des Materialismus, Idealismus und Psychologismus können dafür als Beispiele
genannt werden.
8
Ähnlich auch. (WACH, 1932).

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Studie "Die Typen der Weltanschauung und ihre Ausbildung in den


metaphysischen Systemen" (1911) und auch auf Nohls Stil und Weltanschauung
(1920) Bezug nimmt. Aber bereits 1919 erschien die Monographie Psychologie der
Weltanschauungen von Karl Jaspers, (JASPERS, 1919; JASPERS, 1971) die vor
allem bei Psychologen und Kulturphilosophen auf große Resonanz stieß. Ein
halbes Jahrhundert nach Jaspers hat Ernst Topitsch seine
"Weltanschauungsanalyse" unter wiederholter Bezugnahme auf Dilthey
entwickelt; (TOPITSCH, 1972) auf sie wird später noch kurz Bezug genommen
werden.
Jede Komparatistik hat von bestimmten Klassifikationen und
Typenbildungen auszugehen, um einerseits Konstantes im Wandel,
andererseits auch Gleichförmiges im Verschiedenartigen nachweisen zu
können. Max Scheler hat in dieser Absicht im Anschluss an Dilthey
typologische Bestrebungen verfolgt, so zunächst in seiner 1922 erschienenen
Abhandlung "Weltanschauungslehre, Soziologie und
Weltanschauungssetzung". (SCHELER, 1963). Mit ihr legte er eine allgemeine
9

Typologie von Weltanschauungen vor, auf die drei Jahre später seine berühmt
gewordene Unterscheidung von drei "Wissensformen"– von "Erlösungs-",
"Bildungs-" und "Herrschafts"- oder "Leistungswissen" – folgte,10 (SCHELER,
1960, S. 15-190, 191-382) mit welcher Unterscheidung Scheler die von
"emanzipatorischem", "praktischem" und "technischem Erkenntnisinteresse" bei
Jürgen Habermas11 vorwegnahm. Diese Wissensformen bzw.
Erkenntnisinteressen sind Diltheys Weltanschauungstypen ähnlich: dem
"Idealismus der Freiheit", dem "objektiven Idealismus" und dem
"Naturalismus".
Unter Bezugnahme insbesondere auf den seinerseits unmittelbar von
Dilthey beeinflussten Eduard Spranger und dessen als Monographie erstmals
1921 publiziertes Werk Lebensformen hat im Hans Leisegang im Jahr 1928 sein
Buch Denkformen veröffentlicht. Mit seiner Unterscheidung von drei Typen der
Weltanschauung und mit der Kritik an der monistischen Vereinseitigung
derselben kommt Leisegang Diltheys Intentionen sehr nahe.12

9
Zur Weltanschauungsanalyse von Nationalideen siehe Schelers Abhandlung "Nation und
Weltanschauung", in: (SCHELER, 1963, S. 115-219).
10
Zeitlich vorangegangen ist Scheler in dieser Hinsicht Karl Mannheim mit seinem Versuch einer
"Typologie der Erkenntnistheorien". Siehe (MANNHEIM, 1922; wiederabgedruckt: 1964, v. a. S. 224-
235).
11
Vgl. (HABERMAS, 1965, abgedruckt in: Ders. 1968, S. 146-168).
12
Vgl.: (LEISEGANG, 1928; LEISEGANG, 1951, v. a. S. 446-454). So heißt es beispielsweise auf S. 447:
"Man kann wohl sagen, daß alle Absurditäten und Ungeheuerlichkeiten, auf die wir in der Philosophie-,
Religions- und Wissenschaftsgeschichte treffen, darauf beruhen, daß eine an einem bestimmten
Wirklichkeitsbereiche ausgebildete Denkform auf die ganze Welt mit allen ihren Erscheinungen
übertragen wird, als ob sie alle von derselben Struktur wären, wie dieses eine in sich geschlossene
Gebiet. Die großen einseitigen Weltanschauungen sind alle aus einer ungerechtfertigten Übertragung
entstanden." – Von besonderer Bedeutung für die Folgezeit waren Diltheys typologische Bestrebungen
in seiner "Philosophie der Philosophie" auch für das, was man später Philosophische Systematologie

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3. WELTANSCHAUUNG ALS POLITISCHE UNS ALS


WISSENSCHAFTLICHE ORIENTIERUNG

a. Zur Herausbildung und zum Wissenschaftlichkeitsanspruch


der sogenannten Weltanschauungsparteien
Wenn, wie beispielsweise bei Max Weber, von
„Weltanschauungsparteien“ die Rede ist, so sind darunter gesinnungspolitische
Organisationen gemeint, „welche […] der Durchsetzung inhaltlicher politischer
Ideale dienen wollen“. (WEBER, 1972, S. 839)13 Die Proponenten einiger dieser
Parteien verstanden sich dabei nicht allein als Vertreter bestimmter normativer
Orientierungen, vielmehr sollten diese Orientierungen selbst wissenschaftlich
begründet sein. Diese Art der Verwissenschaftlichung der Politik, die etwa in
der Weltanschauung des „wissenschaftlichen Sozialismus“ – im Unterschied
zum bloß utopischen oder ethischen – bei Friedrich Engels ihre spezifische
Ausprägung erfahren hat, geht ideengeschichtlich vor allem auf das
Gedankengut der Saint-Simonisten zurück. 123
Saint-Simon wandte sich, wie auch sein später mit ihm zerstrittener
Sekretär Auguste Comte, gegen das, was dieser als „revolutionäre Metaphysik“
bezeichnete, nämlich ein Denken in den Kategorien des bloß Möglichen: gegen
die reine Utopie der in der Großen Revolution von den sogenannten „Freunden
des Volkes“ dekretierten Ideen von Mensch und Welt.14
Nach Ansicht der frühen Positivisten sollte unter ihrer Ägide der Ausgang
aus dem utopischen Reich des Möglichen in die wissenschaftlich abgesicherte
Welt des Wirklichen erfolgen – und doch machte sich auch unter ihnen eine

oder Metaphilosophie nennen sollte. In ausdrücklichem Anschluss an Dilthey, aber auch in der
Nachfolge früherer weltanschauungsanalytischer Bestrebungen von Heinrich Gomperz, bei dem er sich
habilitierte, verfasste Franz Kröner im Jahre 1929 eine Untersuchung, die, wie bereits deren Titel
anzeigt, ein für Diltheys Weltanschauungslehre signifikantes Thema betrifft: Die Anarchie
philosophischer Systeme (KRÖNER,1929; 1970). – Siehe dazu (ACHAM, 2001, S. 373-410).
13
Wie Weber ausführt, seien Weltanschauungsparteien an abstrakten Prinzipien orientiert und ähneln
in mancher Hinsicht den Glaubensparteien, wobei, wie bei diesen, der Zwist über die Inhalte der
Weltanschauung die Form der Häresie annehmen kann. (WEBER, 1972, S.167 f.).
14
Die frühen Positivisten misstrauten im Namen der Wirklichkeit der bloßen Beschwörung von
utopischen Möglichkeiten und jenen Menschenfreunden – angefangen von Mirabeau und Lafayette –,
die bestimmten, wer unmenschlich oder undemokratisch handelte und dachte. Wie schon Rousseau
gegen die Mehrparteiendemokratie Stellung bezogen hatte, so war auch den Hauptexponenten der
Französischen Revolution die angeblich durch den politischen Pluralismus gleichermaßen wie durch die
Gewaltenteilung bewirkte Zersplitterung des Volksgeistes ein Gräuel. Der Konsens der Vernünftigen
sollte für alle nicht Arglistigen die allgemein angesonnene Einstellung und Handlungsweise festlegen;
und so war es nur konsequent, wenn aus Sicht der radikalen Revolutionäre nicht erst die Tat, sondern
bereits der abweichende Gedanke einen Bürger verdächtig machte, nicht fest genug zur
Wertegemeinschaft der wahrhaft Aufgeklärten zu stehen.

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erstaunliche Einseitigkeit geltend. Sie bestand darin, die Methode der


empirischen Wissenschaft weit über das Gebiet hinaus auszudehnen, auf das
sie vernünftig anwendbar ist. Comtes im Jahre 1824 erschienenes System der
positiven Politik und die in diesem Buch dargelegte neue Wissenschaft der
Sozialphysik (physique sociale) wollte dazu dienlich sein, die natürlichen und
unausweichlichen Gesetze des kulturellen Fortschritts aufzudecken. In dem
nun angebrochenen, von der Erfahrungswissenschaft geleiteten Zeitalter, in
dem, wie schon Saint-Simon verkündet hatte, letztlich die „Herrschaft über
Menschen“ durch die „Verwaltung von Sachen“ ersetzt werde, komme es nach
Comte darauf an, jedem Einzelnen und jeder Nation jene wissenschaftlich
bestimmbare Tätigkeit zuzuweisen, für die sie geeignet sind. Die moralische
Ordnung sei durch ein System der Ideen und Gebräuche sicherzustellen, das
notwendig sei, um die Einzelnen in die soziale Ordnung einzuführen, unter der
sie im Geiste des Positivismus ihr Leben gestalten. John Stuart Mill, der zwei
Jahrzehnte lang unter dem Einfluss von Comtes Ideen stand, wurde durch
diese Ansichten zur Konversion veranlasst; er sprach von ihnen als dem
„vollständigsten System eines geistlichen und weltlichen Despotismus, das
jemals – vielleicht mit Ausnahme desjenigen von Ignatius von Loyola – einem
menschlichen Gehirn entsprungen ist“. (MILL, 1873, S. 213).15 Der Erfolg der
Lehren von Saint-Simon und Comte war dennoch beträchtlich; ihr Einfluss
erstreckte sich unter anderem auf so bedeutsame Politiker wie Louis-Auguste
Blanqui, den Vorläufer von Lenins Theorie der Avantgarde-Partei,16 auf Étienne
Cabet sowie Friedrich Engels, aber auch auf so namhafte Gelehrte wie Pierre
Leroux, Frédéric Le Play und Adolphe Quételet.
Von besonderer Wirkung auf Seiten der politischen Linken waren
bekanntlich die sich auf Erkenntnissen der politischen Ökonomie berufenden
Lehren des Marxismus-Leninismus; ihr antagonistisches Pendant hatten sie im
politisch rechten Lager vor allem in Gestalt der Doktrinen eines biologisch
argumentierenden Sozialdarwinismus. Arthur Schnitzler stellte in seinem
Roman Der Weg ins Freie im Blick auf die verschiedenen Parteigänger fest, dass
bei ihnen „Weltanschauung nichts als eine höhere Art von

15
Zur Kritik der frühpositivistischen Lehren siehe insbesondere auch (HAYEK, 1979, v. a. Teil 2 und 3).
(Dieses Buch ging aus sechs Artikeln hervor, die von 1941 bis 1944 in der Zeitschrift Economica
abgedruckt wurden und erstmals 1952 unter dem Titel The Counter-Revolution of Science in Glencoe, Ill.,
als Buch erschienen sind.)
16
Dieser Ansicht zufolge soll es möglich sein, dass in politischen Belangen eine aufgeklärte Minderheit
ihre Interessen mit Zwang auch gegenüber der Mehrheit durchsetzen kann. Wie Lenin ausführte, gebe
es Situationen, in denen die Avantgarde des Proletariats besser wisse, wie die Probleme der Gesellschaft
zu lösen sind als das Proletariat selbst; wenn nämlich die Mehrheit ein falsches Bewusstsein habe, sei es
nötig, als Minderheit aktiv gegen deren Willen vorzugehen. Chinas KP schloss hier an, und so war es
möglich, die von der Mehrheit der chinesischen Bevölkerung als bedrückend empfundenen Maßnahmen
Mao Zedongs unter Hinweis darauf zu rechtfertigen, dass dieser – so etwa auch in der im Jahre 1957
erfolgten Selbstkritik Zhou Enlais – als "Vertreter der Wahrheit" betrachtet und dadurch als zur
Durchführung solcher Maßnahmen autorisiert erschien.

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Gesinnungstüchtigkeit“ sei.17 Für sie war, wenn auch in unterschiedlichem


Umfang, das charakteristisch, was Max Weber als das „Zusammenzwingen“
der Sphäre der „Geltung eines praktischen Imperativs als Norm“ und jener der
„Wahrheitsgeltung einer empirischen Tatsachenfeststellung“ kritisierte,
wodurch der spezifischen Dignität jeder von beiden Abbruch getan werde.
(WEBER, 1968, S. 501). Die letzten Werte unseres Handelns in einer
Wissenschaft zu fundieren oder den Sinn des Weltgeschehens aus dem
Ergebnis einer empirischen Durchforschung ablesen zu wollen, erschien ihm
widersinnig. Es sei das „Schicksal einer Kulturepoche, die vom Baum der
Erkenntnis gegessen hat […], wissen zu müssen, daß 'Weltanschauungen'
niemals Produkt fortschreitenden Erfahrungswissens sein können, daß also die
höchsten Ideale, die uns am mächtigsten bewegen, für alle Zeit nur im Kampf
mit anderen Idealen sich auswirken, die anderen ebenso heilig sind, wie uns die
unseren.“ (WEBER, 1968, S. 154).18
Hans Kelsens Demokratietheorie schließt hier an, zumal für ihn die große
Frage lautet, „ob es eine Erkenntnis absoluter Wahrheit, eine Einsicht in
absolute Werte gibt.“ Er kontrastiert dann diese absolutistische Erkenntnis- und
Wertlehre mit der des „Kritizismus und des Positivismus, sofern man darunter
jene Richtung der Philosophie und Wissenschaft versteht, die vom Positiven, 125
das heißt vom Gegebenen, Erfassbaren, von der wandelbaren und stets sich
wandelnden Erfahrung ausgeht […]“. „Diesem Gegensatz der
Weltanschauungen“, so fügt Kelsen ergänzend hinzu, „entspricht der
Gegensatz der Wertanschauungen, speziell der politischen Grundeinstellung.
Der metaphysisch-absolutistischen Weltanschauung ist eine autokratische, der
kritisch-relativistischen die demokratische Haltung zugeordnet.“ (Kelsen, 1929,
S. 100 f.) Von einem wissenschaftlich abgesicherten ultimativen Konsens im
Blick auf die Inhalte der Politik ist bei Kelsen an keiner Stelle die Rede, vielmehr
verlagert sich die Konsensforderung von der Ebene der politischen Ziele auf die
der Verfahren zur Austragung von Konflikten über diese.

b. Der Anspruch auf Einheit der Wissenschaft und die Vielfalt


der „Sprachspiele“
Die Emphase, die auf dem Ausdruck "Wirklichkeit" liegt, führte in der
Geschichte des philosophischen Denkens der Neuzeit dazu, bestimmte

17
Siehe dazu und zur Bezugnahme von Viktor Klemperer auf Schnitzler die Ausführungen von Werner
Betz: (BETZ, 1981, S. 22 f.)
18
Nicht die sogenannten letzten „Wertaxiome“ stehen nach Weber der logischen und empirischen Kritik
offen, wohl aber die aus ihnen abgeleiteten Argumente. Gewiss hat deren stringente Kritik nicht
automatisch eine Änderung der normativen Orientierung des Kritisierten zur Folge. Seine Auffassung als
begründet auszugeben, sie aber selbst bei erwiesener Unhaltbarkeit beizubehalten, gibt Aufschluss
darüber, dass man argumentative Konsistenz und ihre Respektierung nicht als einen Wert ansieht. Im
Willen zur Rationalität steckt ja in der Tat mehr Moralität als viele wahrhaben wollen.

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"Erscheinungen" als eine Realität von zweitrangiger Bedeutung anzusehen und


nur Beschreibungen und Erklärungen echten Erkenntniswert zuzusprechen, die
im Sinne des mos geometricus, des geometrischen Denkstils, formuliert sind.
Dagegen bezog bereits Blaise Pascal Stellung. Nach ihm besteht bekanntlich im
Denken zwar alle Würde des Menschen, wie er in den Pensées ausführt, aber es
umfasst nach ihm nicht allein den Bereich des Verstandes, sondern auch die
durch Gefühl und Willen mitbestimmte Vernunft. sei. Und so spricht Pascal
bekanntlich von einer "Logik des Herzens", und findet, das Herz habe Gründe,
die der Verstand nicht kennt. (PASCAL, 1840).
Die Philosophen des Wiener Kreises vertraten in ihrer Mehrheit eine von
derartigen Ideen abweichende philosophische Position. Obwohl sich etwa
Moritz Schlick, Karl Menger und Victor Kraft mit Fragen der Moralphilosophie
und der wissenschaftlichen Wertlehre beschäftigt hatten und sich Bela Juhos als
ein später Vertreter dieser Richtung in seinem Buch Das Wertgeschehen und seine
Erfassung intensiv mit Fragen einer von der Logik der naturwissenschaftlichen
Erkenntnis unterschiedenen geisteswissenschaftlichen Methodologie
beschäftigte, (JUHOS, 1956) dominierte im Logischen Empirismus der
naturwissenschaftliche Denkstil; und dies nicht nur in Bezug auf die
rechtfertigungslogischen, sondern insbesondere auch auf die heuristischen und
forschungstechnischen Verfahren. (Siehe dazu exemplarisch STADLER, 1982)
Wissenschaftssoziologisch betrachtet ist das Selbstverständnis der Vertreter des
Logischen Empirismus, Proponenten einer „wissenschaftlichen Philosophie“, ja
einer „wissenschaftlichen Weltauffassung“ zu sein, vor allem erklärbar unter
Hinweis auf die in Anbetracht der schon seit der Zeit um 1900 brüchig
gewordenen Kriteriologie der nicht-naturwissenschaftlichen Fächer. Halt im
Sinne von Erkenntnissicherheit schienen die logischen und empirischen
Überprüfungsverfahren zu bieten, wie sie im Bereich der Formal- und
Naturwissenschaften entwickelt worden waren.19
Doch wie schon Wilhelm Dilthey, Heinrich Rickert und Max Weber
gegenüber dem methodologischen Naturalismus gewisser ihrer in den
Kulturwissenschaften tätigen Kollegen Kritik übten, so auch nun Philosophen
und andere Kulturwissenschaftler gegenüber dem Neopositivismus. Nicht die
Form der durch Forschungstechniken und Methoden verbürgten Sicherheit für
sich genommen erschien ihnen als das Entscheidende, sondern das, worüber
wir jeweils Sicherheit suchen. Die Wahrheit über den jeweils in Betracht
stehenden Forschungsgegenstand zu gewinnen, sei das Ziel, nach dem sich die
wissenschaftliche Methode als der Weg dorthin zu richten habe. Daher sei auch
die Frage nach einem Methodenkanon der Wissenschaften, wie er der
neopositivistischen Idee der „Einheitswissenschaft“ zugrunde lag, der Frage
nach der Wahrheit nachgeordnet.

19
Stephen TOULMIN ist diesen Zusammenhängen in seinem anregenden Buch Cosmopolis: The Hidden
Agenda of Modernity (1990) nachgegangen; (TOULMIN, 1994)

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Der namhafteste Kritiker einer solchen philosophischen Orientierung der


„wissenschaftlichen Weltauffassung“ mit ihren im Sinne einer
„Einheitswissenschaft“ universalisierten Wahrheitskriterien war Ludwig
Wittgenstein. Gegen die logischen Empiristen des Wiener Kreises, die als
Realisten der Ansicht waren, es gebe eine erfahrbare Welt, die unabhängig von
den menschlichen Überzeugungen und Sprachgewohnheiten bestehe, vertrat er
die antirealistische Auffassung. Alle Erkenntnis, auch die der
Naturwissenschaften bzw. der durch sie festgestellten Tatsachen sei
eingeschmolzen in unsere Sprachspiele (language games) und habe dort ihre
Grundlage. Die Sprachspiele konstituieren jenen Bezugsrahmen (frame of
reference), innerhalb dessen jeweils die Wahrheit von Aussagen feststellbar ist.
(WITTGENSTEIN, 1977; WITTGENSTEIN, 1969) Sie selbst ruhen nicht
abermals auf einer tieferen Erkenntnisgrundlage auf. Zwischen den
Sprachspielen der Wissenschaft, der Magie, der Kunst etc. Hierarchien der
Rationalität zu bilden sei ein Unding. Sprachspiele können nicht im Vergleich
als vernünftiger oder unvernünftiger, rationaler oder irrationaler angesehen
werden – sie seien, wie Wittgenstein sagt, einfach da wie unser Leben. Und so
ist es für ihn auch naheliegend, die Idee der Wahrheit und der Gewissheit mit
dem Begriff des Gesellschaftlichen, oder genauer: der Lebensform (form of life) 127
zu verbinden.20
Wittgensteins Spätphilosophie läuft wie Diltheys
Weltanschauungsanalyse auf eine Pluralität von Anschauungen der Welt
hinaus, aber auch von dem, was uns in der Anschauung Gegenstand der
Betrachtung wird. Wie für Dilthey wäre es auch für Wittgenstein nur schlechte
Metaphysik, wollte man der Kunst, dem Recht, der Ethik Erkenntnisfunktionen
einfach deshalb absprechen, weil sie weder reine Formal- noch
Naturwissenschaften sind. Seine frühen Auffassungen über die Prinzipien der
Wissenschaft, wie er sie im Tractatus entwickelt hatte, wurden später in die Idee
von Regeln umgewandelt, welche verschiedene Sprachspiele beherrschen. Die
Bilder, die wir uns auf ihrer Grundlage von der Natur und der Gesellschaft
machen, seien ein Produkt unserer Gesellschaft, weil unserer Lebensform. Aber:
Gesellschaft und Lebensform – modelliert in welcher Art von „Bezugsrahmen“
– in einem oder in mehreren? Und wenn mehrere möglich sind: Welche
Lebensform ist wiederum für das Urteil konstitutiv, dass dieser und nicht ein
anderer Bezugsrahmen der zutreffende ist? So scheinen Wittgensteins
Überlegungen eher eine Forschungsrichtung anzuzeigen, als dass sie uns schon
den Weg gewiesen hätten.

20
„‚So sagst du also, daß die Übereinstimmung der Menschen entscheide, was richtig und was falsch
ist?’ – Richtig und falsch ist, was Menschen sagen; und in der Sprache stimmen die Menschen überein.
Dies ist keine Übereinstimmung der Meinungen, sondern der Lebensform.“ – (WITTGENSTEIN, 1960,
389; Vgl. WITTGENSTEIN, 1960, S. 300 (§23) und S. 296 (§19)). Vgl. zur Wirkungsgeschichte dieser
Auffassung die Ausführungen in Kap. 10 („Geschichtstheorie“) (WITTGENSTEIN, 1960).

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Echte Erkenntnisse als rational gerechtfertigte Kenntnisse müssen, wie


man annehmen muss, in Eigenschaften der Welt begründet sein, in welcher wir
als Beobachter und Analytiker einen bestimmten Platz einnehmen, und nicht
allein im Charakter und in den sozialen Verkehrsformen von Menschen, denen
eine solche Rechtfertigung als gültig oder ungültig erscheint. Es scheint, dass
wir hier unversehens mit einem infiniten Regress konfrontiert sind, wie er mit
der Selbstanwendung des soziologischen Relativismus verbunden ist. Roger
Trigg charakterisiert ihn folgendermaßen: "If science is socially constructed, so
is social theory, and our theory of social theory and so on. Only if there are
causal connections, as opposed to mere beliefs projecting them, can any social
constructivist thesis gain a purchase on the real world." (TRIGG, 1993, S. 168)
Die Bindung der Methode an die inhaltlichen Merkmale des jeweiligen
Bezugsrahmens sowie an die ihm korrespondierende Lebensform führt, so
scheint es, dazu, dass die Methode jene Inhalte letztlich auch bestätigen muss,
mit denen sie sich ursprünglich verbunden hat.21
Dieser Dominanz des Prozeduralen gegenüber dem Resultat, dem
Anschauen gegenüber dem Angeschauten, der Frage gegenüber der Antwort,
die heute unter anderem in der inflatorischen Rede vom „Entwurf“, vom
„Erfinden“ und von „Projekten“ zum Ausdruck kommt, entspricht auch das
mitunter geradezu manische Diskursivieren in philosophicis. Der diskursiv
hergestellte Konsens gilt bekanntlich verschiedenen deutschen Philosophen als
Quelle und Garant der normativen Geltung, und damit als Grundlage der
(lebens)praktischen Weltanschauung.22 Damit scheint die alte Hoffnung
verbunden zu sein, wonach das Eine – im Sinne des Geeinigten und
Einheitlichen – und das Wahre austauschbar sind; auch Voltaire hat einer
besonderen Variante des Prinzips unum et verum convertuntur gehuldigt,wenn
er meinte: „Es gibt nur eine Moral, wie es nur eine Geometrie gibt.“
(VOLTAIRE, 1994). Die Herstellung des Konsenses ist gleichwohl an bestimmte
Vorbedingungen gebunden, die einer „bloß“ empirischen Geltung der durch
ihn statuierten Normen vorbeugen sollen: an die „Herrschaftslosigkeit“ des
Diskurses, an die Beteiligung aller von der Anwendung der Normen
Betroffenen, an deren rationale Kompetenz sowie an deren gute oder
wohlwollende Gesinnung. Den nicht Konsentierenden einen Mangel an
Kompetenz oder hinreichend guter Gesinnung vorzuwerfen erschien daher
immer wieder als ein probates Mittel der Konsenssicherung. Schon Voltaire

21
Beim „späten Wittgenstein“, so meinte daher auch Jean Améry, poche „das Vokabular auf sich selbst“
und wolle sich „als Sprachspiel seine Legitimität affirmieren“. (AMÉRY, 1971, S. 34).
22
Die „Wahrheit“ von Normen wird dabei als Ergebnis eines realen historischen Prozesses zunächst
einmal eher vorausgesetzt als theoretisch einsichtig gemacht, eher als einer bestimmten Situation
angemessen akzeptiert, denn als wahr geglaubt. Diese Variante der Kritischen Theorie statuiert in den
jüngeren ihrer gesellschaftstheoretischen Darlegungen eine Einstellung, der zufolge es – im Unterschied
zu früheren Überzeugungen – nicht mehr darum gehe, den Glauben an normative Propositionen als
wahr zu erweisen, sondern darum, für ihre Geltung nach Maßgabe bestimmter Bedingungen und
Gesichtspunkte Anerkennung zu finden. (HABERMAS, 1973).

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stellte die von der „Vernunft“ Abweichenden vorwurfsvoll vor die Alternative
fou ou fripon – Narr oder Betrüger.23 Zudem mutet eine solche der
Konsensfindung vorausgehende Einigung bezüglich der Art und Weise, wie
man Diskurse über Tatsachen zu führen und nicht gleich über die Tatsachen
selber zu sprechen hat, oft geradezu wie eine Form der diskursphilosophischen
Selbstvergessenheit an. Diese geißelte einmal Robert Spaemann mit den
Worten: „Konsens kann auf Irrtum beruhen. Dann kann er tödlich sein. Und ob
er tödlich ist oder nicht, das wird durch Tatsachen entschieden und nicht durch
Diskurse.“ (SPAEMANN, 1994, S. 257)

4. MEHRSEITIGE WELTANSCHAUUNG, SELEKTIVE


WISSENSCHAFT, EINSEITIGE IDEOLOGIE
Im Englischen findet man für den Ausdruck „Weltanschauung“ nur
vereinzelt die Lehnübersetzung „world view“; im Allgemeinen verwendet man
hier dafür, wie etwa auch im Italienischen und im Französischen, die
Bezeichnungen „ideology“ bzw. „ideologia“ und „idéologie“. Auch im Deutschen
findet sich mitunter eine Gleichsetzung der Ausdrücke „Weltanschauung“ und
„Ideologie“. Der von dieser neutralen Verwendungsweise mehrheitlich 129
abweichende Gebrauch des Wortes „Ideologie“ nötigt zu einer differenzierteren
Betrachtung, wodurch sich wiederum auch einige neue Seiten des
Bedeutungsspektrums des Begriffs der Weltanschauung erschließen.

a. Die wissenschaftliche Segmentierung der Welt und die


ideologische Festlegung auf bestimmte erklärende Variablen
Die Begründung des Wissens erfolgte in der Epoche der Säkularisierung
nicht mehr unter Bezugnahme auf eine transzendente Autorität, sondern auf
einen Faktor innerhalb der Welt, von dem man meinte, er besitze einen stärkeren
Anspruch auf unsere Loyalität: auf die Rasse, die Klasse, die Evolution oder die
Triebe. In dieser Art zu denken hat, wie Niklas Luhmann gezeigt hat,
(Luhmann, 1976) eine bestimmte Variante von Ideologie ihren Ursprung. Diese
nimmt das unbefangene Denken und Erleben nicht mehr ernst, oder jedenfalls
nicht mehr zum alltäglichen "Nennwert", sondern sucht nach einem
dahinterliegenden "Realwert", indem sie es als Wirkung von Ursachen
außerhalb des bewussten Erlebens erklärt. Ideologisches Denken ist in diesem
Sinne ein reduktionistisches Denken, durch welches die vermeintlich originären
Tatsachen des menschlichen Bewusstseins und Handelns auf ihr "wahres" Sein
zurückgeführt werden sollen. Dazu bemerkt Luhmann: "An dieser Stelle hat

23
So schreibt VOLTAIRE im Art. «Locke», ebd.: „Il y a des gens, à la vérité, qui prétendent qu'un homme
qui se vantait d'avoir un génie familier, était indubitablement un peu fou ou un peu fripon.“

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Marx seinen geschichtlichen Ort. Er arbeitet mit solchen destruierenden


Kausalerklärungen. Ihnen verdankt er seine polemische Wucht. Ganz ähnlich
verfahren andere Denker. Durkheim und die von ihm angeregte französische
Wissenssoziologie leiten die Ideenwelten einschließlich ihrer Logiken aus den
sozialen Verhältnissen einer Gesellschaft ab; Darwin bezieht den Sinn des
Verhaltens auf seine Funktion für das biologische Überleben, Freud auf seine
Funktion für die Befriedigung ursprünglicher oder verdrängter Libido, Veblen
auf seine Funktion für die Befriedigung des Bedürfnisses nach sozialem
Ansehen. Der gemeinte Sinn des Handelns wird durch solche Erklärungen zu
einer vordergründigen 'Rationalisierung' der eigentlichen Motive." (Luhmann,
1976 S. 38)
Diese Art der „Dekonstruktion“ von Alltagswissen durch Hinweis auf
eine bestimmte von der Wissenschaft aufgedeckte, „tiefer“ liegende Schicht
relativiert das Gewicht des ursprünglichen Erfahrungsinhalts. Zur Ideologie
werden solche wissenschaftlichen Weltauffassungen, sobald ihren Proponenten
das Bewusstsein dafür abhanden kommt, dass es sich hier um eine einseitige
Auszeichnung von bestimmten Wirklichkeitselementen oder Faktoren
innerhalb eines umfänglicheren Phänomenbestandes handelt. Dann kommt
auch jene Warnung zum Tragen, die – wenn auch ohne Angabe entsprechender
Quellen – immer wieder Alexander von Humboldt in den Mund gelegt wird:
„Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt
nie angeschaut haben.“ Das Erfordernis, im Gefüge von Bedingungen, die unser
individuelles und kollektives Leben beeinflussen und in gewissem Maße
steuern, Hauptursachen zu erkennen und aus ihm herauszuarbeiten, verführte
immer wieder zu monokausalem Denken. Die Auszeichnung ganz bestimmter
Bedingungen oder Variablen bildete dann die Leitidee der jeweils am Werk
befindlichen „wissenschaftlichenWeltanschauung“.
Exemplarisch für das hier Gemeinte ist der vor allem seit den 1960er
Jahren wieder heftig entbrannte Streit zwischen Milieutheoretikern
(Environmentalisten) und Nativisten (Genetizisten). Vertraten Nativisten die
Ansicht, das Verhalten der Menschen werde so gut wie zur Gänze durch ihre
Erbanlagen bedingt, so verallgemeinerten die Vertreter der Milieutheorie den
Einfluss, den Kultur und soziale Umwelt auf uns ausüben, zur Behauptung,
unser Verhalten würde so gut wie ausschließlich durch unser kulturelles und
soziales Umfeld bestimmt. Im populären psychologischen Schrifttum
bestimmten für Jahrzehnte milieutheoretische Vorstellungen die öffentliche
Meinung. Eine eigentümliche Pendelbewegung setzte mit dem Triumph der
modernen Molekularbiologie ein, insbesondere seit der erfolgreichen
Sequenzierung des Humangenoms, die im April 2003 zum Abschluss gelangte.
Eigentümlich deterministische Auffassungen schufen sich Gehör, wonach die
Biologie unser „Schicksal“ sei. Karl Kraus hätte hier – angesichts des
Pendelschlags von einer vornehmlich von Behavioristen und gewissen
Marxisten vertretenen radikalen Milieutheorie zu einem radikalen Nativismus –

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vielleicht von der Ablösung eines konvexen Irrsinns durch einen konkaven
gesprochen.
Heute wird kaum mehr jemand der von John B. Watson in seinem Buch
Behaviourism (1926) geäußerten Aufforderung folgen: "Give me a dozen healthy
infants, well-formed, and my own specified world to bring them up and I'll
guarantee to take any one at random and train him to become any type of
specialist I might select – doctor, lawyer, artist, merchant-chief and, yes, even
beggar-man and thief, – regardless of his talents, penchants, tendencies,
abilities, vocation, and race of his ancestors." (WATSON, 1930, S. 104). Heute
vertreten aber noch immer nicht wenige die der Ansicht Watsons
entgegengesetzte Ansicht, dass wir Sklaven unserer Gene sind. Mittlerweile ist
jedoch klar geworden, dass die Annahme des genetischen Determinismus nicht
haltbar ist. Einerseits gilt, dass ein menschliches Merkmal oft das Resultat vieler
Gene ist, wie umgekehrt mehrere Merkmale durch ein einziges Gen gesteuert
werden können, andererseits sind Gene nicht unabänderlich, sondern können
sich, wie die Forschungen zur Epigenetik zeigen, als Antwort auf die Umwelt
oder unseren Lebenswandel verändern. (SCHATZ, 2012, S. 108).
Dieses Beispiel aus der jüngsten Wissenschaftsgeschichte zeigt, dass von
der modernen Molekularbiologie erarbeitete Wissensinhalte ein dogmatisches 131
Festhalten weder am klassischen Behaviorismus noch am orthodoxen
Genetizismus als den vermeintlich wissenschaftlich gestützten
anthropologischen Komponenten unserer Weltanschauung zulassen.
Monokausale Theorien haben sich in der Biologie als unhaltbar erwiesen, und
hier, wie auch anderswo, war der Erfolg letztlich jenen beschieden, die die
Ursachen sorgfältig suchten und nicht einfach nur postulierten.

b. Zum pejorativen Verständnis von Ideologie: Ideologie als


defizientes Wissen
Zwei Denkweisen sind es neben der soeben erörterten Kritik an der
apriorischen Festlegung auf bestimmte erklärende Variablen, die Gegenstand
der Ideologiekritik wurden: die Kritik an dem Zurückbleiben von
Beschreibungen, Deutungen und Erklärungen der gesellschaftlich-
geschichtlichen Welt hinter dem bereits aktualisierbaren Wissensstand (a), und
dann, damit in gewisser Weise zusammenhängend, die Konfundierung von
Erkenntnisinhalten mit Wertbekenntnissen, wodurch jene verfälscht werden
(b).

I. Zur ideologischen Retardierung von Weltanschauungen


Bei den um eine ganzheitliche Weltdeutung bemühten religiösen und
metaphysischen Weltanschauungen wie bei verschiedenen ihrer politischen

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Ersatzbildungen handelt es sich – in den Worten von Ernst Topitsch – um


„plurifunktionale Führungssysteme“, in denen Informationsvermittlung,
Handlungssteuerung und emotionale Wirkung weithin ungeschieden sind.
(Siehe dazu TOPITSCH, 1988) Sie sind gewissermaßen emotional getönte
Weltdeutungen mit eingebauter Gebrauchsanleitung. Für Topitsch, der sich in
seinem Schrifttum immer wieder auch den phylogenetischen und emotionalen
Grundlagen menschlicher Weltauffassung zugewandt hat, (Siehe dazu
TOPITSCH, 1996) bildet den Ausgangs- und Schlüsselpunkt der Analyse von
Weltanschauungen die langsame Verselbstständigung des Erkennens
gegenüber den anderen Formen unserer Weltauffassung: den normativen und
emotional-werthaften Funktionen. Wie er ausführt, erweitert das allmählich
wachsende Wissen um Tatsachen und ihre Wechselbeziehungen „zunächst
seinen autonomen Bereich im Rahmen der plurifunktionalen Führungssysteme,
bis es diesen schließlich sprengt. Dann treten die grundsätzlichen Unterschiede
zwischen Sein und Sollen, Tatsachenaussage und Werturteil hervor. Damit
wird aber auch jene vermeintliche Einheit von Erklärung und werthaft-normativer
Deutung des Universums unhaltbar, die das menschliche Denken so lange Zeit
hindurch nahezu unangefochten beherrscht hatte.“ (TOPITSCH, 1988, S. 10).
Dennoch wird im Falle von Weltanschauungen oft für alle ihre
Komponenten „Wahrheit“ in einem emphatischen Sinn behauptet. Aus dem
Bestreben um Homogenisierung ihrer Inhalte heraus wird erst gar nicht der
unterschiedliche logische Status ihrer einzelnen Komponenten in Betracht
gezogen: eine Differenzierung der Wahrheit von Informationen, der Richtigkeit
(Zweckmäßigkeit) von Handlungen und der Angemessenheit von Emotionen
unterbleibt vielfach zugunsten der Beschwörung der „Ganzheit“ der
Weltanschauung und des zwischen ihren Komponenten bestehenden
„dialektischen“ Zusammenhangs. Die "Ganzheit" hat dabei ihren Vorstellungs-
und Begriffsinhalt weitgehend eingebüßt und ist zu einem Wortzeichen
geworden, das keine intellektuellen Funktionen, sondern nur mehr Gefühle
auslöst – und nicht einmal bestimmte Gefühle, die sich auf konkrete
Gegenstände beziehen, sondern eher vage und damit solche, deren Auslegung
dem Belieben des jeweiligen Lesers oder Hörers überlassen blieb. (TOPITSCH,
1960). Die sich auf solche Ganzheiten berufenden oder sogar auf ihnen
beruhenden Weltanschauungen fallen damit hinter das Erkenntnismögliche
zurück und in dieser Retardierung werden sie zur Ideologie. Diese Ansicht
bezüglich des unzeitgemäßen, weil bereits überholten Bewusstseinszustands
von Ideologien teilt Topitsch mit dem noch zu erörternden Karl Mannheim.

II. Tatsachenaussagen, Werturteile und vorgefasste Meinungen


Mit dem von David Hume thematisierten und analysierten kategorialen
Unterschied von Sein und Sollen wurde auch auf das Verhältnis und die
Wechselbeziehungen zwischen subjektiven gefühls- und interessenbedingten

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Weltanschauung: Über einige ihrer Formen und Funktionen
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Wertungen auf der einen, und objektiven theoretischen Erkenntnissen auf der
anderen Seite aufmerksam gemacht. Zu einer Purifizierung von Wissenschaft
sollte es, wie man meinte, dadurch kommen, dass als Tatsachenaussagen
getarnte Wertungen aufgezeigt und so in ihrem Einfluss auf die
wissenschaftliche Urteilsbildung neutralisiert wurden. Nach Theodor Geiger ist
sogar jedes Werturteil eine ideologische Aussage, da es „ein subjektives
Verhältnis des Sprechenden zu einem Gegenstand“ objektiviere und so „dieses
Pseudo-Objektiv zum Aussagebestandteil eines Satzes von der Form einer
theoretischen Sachaussage“ mache. (GEIGER, 1968, S. 5; Siehe auch GEIGER,
1962). Er findet, dass auch Kunstwerken jegliche Erkenntnisintention und
Erkenntnisleistung abzusprechen sei. (GEIGER, 1949, S. 415).
Von der Auffassung Theodor Geigers deutlich abweichend hat es Joseph
Schumpeter in einer Abhandlung mit dem Titel „Wissenschaft und Ideologie“
(SCHUMPETER, 1987) für wichtig befunden zu betonen, „daß
wissenschaftliche Arbeit als solche von uns nicht verlangt, unsere Werturteile
aufzugeben oder dem Geschäft eines Befürworters eines bestimmten Interesses
zu entsagen.“ So könne jemand Anwalt eines bestimmten Interesses sein, aber
dennoch redliche analytische Arbeit leisten, denn, wie er sagt, „das Motiv für
den Beweis eines Arguments zugunsten des Interesses, dem er Gefolgschaft 133
schuldet, beweist an sich überhaupt nichts für oder gegen die Qualität der
analytischen Arbeit: Um es offener zu sagen, Parteinahme impliziert nicht die
Lüge.“ (SCHUMPETER, 1987, S. 118). Andererseits lassen sich auch viele
Beispiele dafür anführen, dass Ökonomen Behauptungen aufgestellt haben, für
deren aus ihnen gezogene Schlussfolgerungen sie nicht die geringste Sympathie
empfanden. Exemplarisch verweist Schumpeter auf die Ableitung der logischen
Konsistenz der Bedingungen (Gleichungen), die eine sozialistische Ökonomie
beschreiben. Von den meisten Menschen werde sie als Argument für den
Sozialismus gewertet; sie sei jedoch von Enrico Barone vorgebracht worden,
einem Mann, der alles eher als ein Parteigänger sozialistischer Ideale oder
Gruppierungen gewesen ist. Daher sollte es nach Schumpeter in den
Wirtschaftswissenschaften darum gehen, sich in höherem Maße als bisher den
„vorgefaßten Meinungen über den ökonomischen Prozeß“ zuzuwenden, die für
den wissenschaftlichen Charakter der einschlägigen Bemühungen oft viel
gefährlicher, weil außerhalb der Kontrolle in einem Sinne sind, in dem dies
Werturteile nicht sind. Obwohl mit diesen meist verbunden, würden diese
vorgefassten Meinungen es verdienen, unter dem Namen „Ideologie“ von den
Werturteilen getrennt erörtert zu werden. (SCHUMPETER, 1987, S. 119).
Ideologien sind nach Schumpeter „aufrichtige Aussagen über das, was
jemand zu sehen glaubt“, wobei jeder sich selbst sieht, wie er sich zu sehen
wünscht, samt einer schutzgewährenden Rechtfertigung seines Denkens und
Handelns. (SCHUMPETER, 1987, S. 121). In der Ökonomik, so führt
Schumpeter aus, bilde „unsere prä- und extraanalytische Vision des
ökonomischen Prozesses und dessen, was daran – kausal oder teleologisch –

Karl Acham
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von Bedeutung ist, den Ursprung der Ideologie“. Normalerweise werde diese
Vision dann einer wissenschaftlichen Untersuchung unterzogen und durch die
Analyse entweder verifiziert oder verworfen, so dass das ideologische Element
in gewissem Umfang verschwinde. (SCHUMPETER, 1987, S. 124). Doch der
vorwissenschaftliche Akt, den Schumpeter als Vision bezeichnet, ist
umfassender als das, was jeweils rationalisiert werden kann. So bleibe als
Ergebnis nichts anderes als „die Feststellung, daß es irgendeine Ideologie
immer geben wird […].“ Das sei aber kein Unglück. Nach Schumpeter hat diese
Unvermeidlichkeit in der Natur des Verhältnisses von Vision, Ideologie und
Wissenschaft ihren Grund: „Jener vorwissenschaftliche kognitive Akt, der der
Ursprung unserer Ideologien ist, ist auch die Voraussetzung für
wissenschaftliches Arbeiten; ohne ihn ist kein neuer Anfang in einer
Wissenschaft denkbar. Durch ihn bekommen wir neues Material für unsere
wissenschaftlichen Bestrebungen und etwas zu formulieren, zu verteidigen und
anzugreifen.“ (SCHUMPETER, 1987, S. 133).
Man könnte Schumpeters Auffassung auch folgendermaßen
umschreiben: Der vorwissenschaftliche Akt der Weltanschauung – das, was er
als „unsere prä- und extraanalytische Vision“ bezeichnet –, ist der psychische
Bereich, dem unsere fixen Ideen oder „vorgefassten Meinungen“ entspringen.
Diese können zum Gegenstand der Analyse werden, gleich wie jene Vision –
diese aber immer nur in beschränktem Umfang. Denn in der selbst von einer
„prä- und extraanalytischen Vision“ geleiteten Wissenschaft kann nicht alles
erklärt oder bewiesen werden, da jeder Beweis von grundlegenden Annahmen
abhängt, die als Voraussetzungen des Beweises nicht abermals vollständig
bewiesen werden können.

5. DER STREIT ZWISCHEN DEN IDEOLOGIEN UND DIE


WELTANSCHAUUNGSANALYSE ALS
STREITBEILEGUNGSVERFAHREN
Im Verlauf moralisch-politischer Konfrontationen und Kontroversen ist es
immer wieder üblich gewesen, das Wort „Ideologie“ als eine Art „magische
Formel zur Entwertung gegnerischer Behauptungen“ (GEIGER, 1968, S. 5)
anzusehen. In verschiedener Hinsicht an Marx anknüpfend hat so etwa Werner
Hofmann jenes Wort in negativer Bedeutung verwendet: „Ideologien sind
unzutreffende Auffassungen und Aussagen, an deren Entstehen, Verbreitung
und Bewahrung sich gesellschaftliche Interessen […] knüpfen.“ (HOFMANN,
1968, S. 55).
Eine Einstellungsänderung gegenüber Ideologien und einer allein auf die
Weltanschauung des politischen Gegners abzielenden Ideologiekritik nahm
Karl Mannheim in seinem Buch Ideologie und Utopie vor. Im Blick auf die
Weltanschauungen des Konservativismus, des Sozialismus und des

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Liberalismus suchte er zugleich mit deren Grundmerkmalen ihre


soziogenetischen Ursprünge aufzudecken. Dies geschah in der Absicht, den
antinomischen Charakter der politischen Ideen und Interessen rational zu
deuten und ursächlich zu erklären, um auf diese Weise den Kontrahenten in
der politischen Arena den jeweiligen Gegner in seinem Denken, Fühlen und
Handeln verstehbar zu machen. So wie Wittgensteins „Sprachspiele“ – zum
Beispiel die Religion und die Wissenschaft – ihren angeblich völlig
„inkommensurablen“ Charakter in gewissem Umfang verlieren, sobald sie auf
uns wechselseitig verständliche lebenspraktische Verhältnisse bezogen werden,
aus denen sie entsprungen sind, sei es nach Mannheim auch in Bezug auf die
zueinander antinomischen Ideologien oder politischen Weltanschauungen
möglich, sie ihren Proponenten wechselseitig verständlich zu machen. Nach
Mannheim sollte eine Weltanschauungstypologie in praktischer Absicht
erfolgen und damit anderes sein als das, wofür sie beispielsweise Odo
Marquard hält: für „emeritierte Antinomien“. (MARQUARD, 1982, S. 120).
Mit dem in seinem Buch Ideologie und Utopie entwickelten
"Relationismus" trägt Mannheim den historisch-sozial wandelbaren
Bedingungen unserer Weltanschauungen Rechnung. Sie alle sind in Relation zu
bestimmten sozialen Lebensformen zu sehen und zu interpretieren. Viele 135
geistige Produkte und Handlungen sind entweder als "Ideologie" oder als
"Utopie" zu verstehen. Bringen nach Mannheim die „Utopien“ eine
Zukunftsorientierung des Denkens und Handelns zum Ausdruck, so die
„Ideologien“ einen überholten Bewusstseinszustand; sie tragen das Merkmal
des schlechten Unzeitgemäßen, des Zurückgebliebenen. Der Ausdruck
"Ideologie" wird nun von Mannheim als „partikular“ bezeichnet, wenn er sich
auf einzelne Ideen bezieht, die dem „Sein“ der diese Ideen vertretenden
Gruppe unangemessen sind; als „total“ wird der Begriff Ideologie bezeichnet,
wenn die gesamte Gedankenwelt des Gegners unter dieses Urteil fällt:
"Während der partikulare Ideologiebegriff nur einen Teil der Behauptungen des
Gegners – und auch diese nur auf ihre Inhaltlichkeit hin – als Ideologien
ansprechen will, stellt der totale Ideologiebegriff die gesamte Weltanschauung
des Gegners (einschließlich der kategorialen Apparatur) in Frage und will auch
die Kategorien vom Kollektivsubjekt her verstehen."24 (MANNHEIM, 1929, S.
54; Vgl. auch S. 228).

24
Darüber hinaus ist nach Mannheim noch eine weitere Spezifizierung der Bedeutung des
Ideologiebegriffs von Wichtigkeit: Speziell ist die Verwendung des Ideologiebegriffs, wenn ein
bestimmter Gegner in seinen Auffassungen verunsichert werden soll, allgemein hingegen, wenn man
den Mut hat, nicht nur die gegnerischen Standorte, "sondern prinzipiell alles, also auch den eigenen
Standort, als ideologisch zu sehen". Oder in anderen Worten von Mannheim: „Bisher hat man
bestimmte Gehalte bekämpft, dafür aber umso hartnäckiger die eigenen verabsolutiert; jetzt gibt es zu
viele gleichwertige, auch geistig gleichmächtige Positionen, die sich gegenseitig relativieren, als daß sich
ein einziger Gehalt oder eine einzige Position dermaßen verfestigen könnte, daß sie sich absolut
nehmen dürfte. Nur diese sozial aufgelockerte Situation macht die Tatsache sichtbar, die sonst durch […]
traditionelles Eingelebtsein bestimmter Gehalte verdeckt wird, daß nämlich jeder historische Standort

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Mannheim unterscheidet sich von den Marxisten dadurch, dass er die


"Seinsgebundenheit" des ideologischen Denkens zum Charakter alles sozialen
Denkens erklärt und folgerichtig auch von den Marxisten verlangt, sich die
Relativität ihres eigenen Denkens einzugestehen. Er bleibt aber dem Marxismus
insofern verbunden, als er der Utopie, dem über die vorhandene
Lebensordnung hinausstrebenden Wunschbild aufsteigender Klassen, eine
besondere Bedeutsamkeit zuschreibt. Diese utopische Hoffnung ist allerdings
für Mannheim nicht das Erzeugnis nur einer ganz bestimmten Klasse,
weswegen es verschiedene Formen utopischen Denkens gebe. Dies hat nicht
selten eine wechselseitige Paralysierung dieser Utopien zur Folge, und dennoch
erfordert es nach Mannheim die Passion für das Denken, in der
Wissenssoziologie jeder ideologischen Erstarrung einer Weltanschauung in
Einseitigkeit vorzubeugen. Mannheim geht es nicht darum, die Perspektivität
zu vertuschen und zu entschuldigen, sondern danach zu fragen, wie unter der
Voraussetzung solcher Perspektivität Erkenntnis und Objektivität möglich sind:
"Bei dem visuellen Bilde eines Raumgegenstandes ist es ja ebensowenig eine
Fehlerquelle, daß der Raumgegenstand wesensmäßig nur perspektivisch
gegeben sein kann, und das Problem besteht nicht darin, wie man ein
unperspektivisches Bild zustande bringen könnte, sondern wie man vielmehr
durch das Gegeneinanderhalten der verschiedenen Sichten das Perspektivische
als solches zu sehen bekommt und damit eine neuartige Objektivität erreichen
könnte." (MANNHEIM, 1929, S. 255). Der wissenssoziologische
Forschungsimpuls könne in der Folge so geleitet werden, "daß er nicht zur
Verabsolutierung der Seinsverbundenheit führt, sondern daß gerade in der
Entdeckung der Seinsverbundenheit der vorhandenen Einsichten ein erster
Schritt zur Lösung von der Seinsgebundenheit gesehen wird. Indem ich den
Sichtindex zu einer sich als absolut nehmenden Sicht hinzufüge, neutralisiere
ich in einem bestimmten Sinne schon die Sichtpartikularität." (MANNHEIM,
1929, S. 259). Im Falle des seinsverbundenen Denkens werde Objektivität etwas
anderes und Neues bedeuten: [...] „daß, wenn man [...] in verschiedenen
Aspektstrukturen steht, die 'Objektivität' nur auf Umwegen herstellbar ist,
indem man nämlich hier das in beiden Aspektstrukturen richtig, aber
verschieden Gesehene aus der Strukturdifferenz der beiden Sichtmodi zu
verstehen bestrebt ist und sich um eine Formel der Umrechenbarkeit und
Übersetzbarkeit dieser verschiedenen perspektivischen Sichten ineinander
bemüht." (MANNHEIM, 1929, S. 258). Wie nach Kenntnis der Gesetze der
geometrischen Perspektive ein Bild in eine andere Projektion übertragbar sei –
obwohl auch dieses immer ein Bild in einer bestimmten Perspektive ist –, und
wie man durch die Vielheit der Perspektiven zu einer immer größeren
"Fassungskraft", einer immer größeren "Fruchtbarkeit dem empirischen
Material gegenüber" gelangen könne, (MANNHEIM, 1929, S. 259) so erreiche

partikular ist.“ (MANNHEIM, 1929, S. 76.) Diese Auffassung wurde als „Panideologismus“ bezeichnet und
in den 1930er Jahren einer zum Teil eminent heftigen Kritik unterzogen

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man auch im Verlauf entsprechender sozialwissenschaftlicher Forschungen


weitere und tiefere Erkenntnisse.
Mannheims „Relationismus“ geht davon aus, dass nicht nur die
Sozialwissenschaftler, sondern auch die politischen Akteure bereit sind,
relational denken zu lernen. In Mannheims Absicht lag es, dass sich die
Anhänger der einander immer wieder bekämpfenden Weltanschauungen,
wenn auch nicht inhaltlich, so doch bezüglich ihres Existenzrechts wechselseitig
anerkennen. „Politisch-formaler Ausdruck dieser Ausgangslage“ ist, wie Sven
Papcke im Hinblick auf Mannheims Bestreben bemerkte, „die Demokratie, weil
nur sie im Wettbewerb um Sinnentwürfe und Führungspersonen die wirkliche
Vielschichtigkeit der soziokulturellen Muster angemessen spiegeln und
schützen kann.“ (PAPCKE, 1985, S. 176). Damit stellte sich Mannheim in
Gegensatz zu den politischen Auffassungen jener nicht eben wenigen seiner
Zeitgenossen, denen die Mehrparteiendemokratie nichts anderes bedeutete als
entweder Relativismus und Anarchie oder eine Verschleierung der Macht- und
Eigentumsinteressen weniger. Ähnlich den Auffassungen über die Möglichkeit
von Kultursynthesen, wie sie von Ernst Troeltsch und Max Scheler formuliert
worden waren, konzipierte Mannheim seine Lehre von der Möglichkeit einer
Synthese von bestimmten Elementen der schichtspezifisch herausgebildeten 137
Denkinhalte. So sehe jede soziale Schicht, aber auch jede Gesellschaft einen Teil
der geschichtlich-gesellschaftlichen Welt auf angemessene Weise, zugleich aber
einen anderen in charakteristischer Weise verzerrt oder doch unterbelichtet. Da
es aber Mannheim zufolge nicht einer sozialen Schicht oder einer politischen
Partei, gleich wie bei Troeltsch und Scheler nicht einer Nation und Kultur allein,
möglich sei, alle Partikularsichten in sich zu einer Weltanschauung im vollen
Sinne des Wortes zu vereinen, sondern nur allen sozialen Gruppierungen und
politischen Parteien bzw. Nationen und Kulturen gemeinsam, lehnt Mannheim
jede Einseitigkeit in der Erfahrung und Beurteilung der geschichtlich-
gesellschaftlichen Wirklichkeit ab.
Diese Synthese der verschiedenen partikularen Aspekte kann jedoch
Mannheim zufolge nur durch eine Gruppe von Menschen geleistet werden, die
zur Enthüllung der in den verschiedenen Weltanschauungen enthaltenen
Voraussetzungen fähig ist. Mannheim sieht diese Möglichkeiten in der schon
von Alfred Weber so bezeichneten "sozial freischwebenden Intelligenz"
angelegt. Auf die nicht unbedenkliche Unterschätzung der sozialen
Abhängigkeit der Intellektuellenschicht ist in der zum Teil äußerst heftigen
Kritik an der Mannheimschen Wissenssoziologie hingewiesen worden; sie
reicht von Max Horkheimer, Georg Lukács und Karl August Wittfogel bis zu
Joseph Schumpeter, Karl Popper und Theodor Geiger. Fraglos hat Mannheim
den Zusammenhang zwischen Erkennen und Handeln überschätzt, da er
geglaubt zu haben schien, dass jenes geradezu notwendig dieses zur Folge
haben müsse. Doch Erkennen und Wollen, aber auch Wollen und Handeln sind
bekanntlich oft weit voneinander entfernt. Aber bringt vielleicht Mannheims

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Darstellung der Intelligenz weniger einen deskriptiven Befund als vielmehr


eine normative Erwartung zum Ausdruck? Wer Ideologie und Utopie so versteht,
wird in dem Buch vor allem auch eine Verteidigung und Rechtfertigung eines
bestimmten Typus des unparteiischen Intellektuellen im Augenblick vor dessen
durch die politischen Verhältnisse bewirktem Verschwinden sehen können. An
seine Stelle traten Ideologen, die das ihren Interessen konforme Prinzip der
Parteilichkeit mit einem geschichtsphilosophisch verbürgten
Wahrheitsanspruch koppelten.
Man wird eine grundlegende Schwäche von Mannheims unorthodoxem
Ansatz dennoch nicht übersehen können: sie hat nicht sosehr mit seiner
Erwartung zu tun, dass die Intelligenz sich auf die Umrechnung der
verschiedenen schichtspezifischen Perspektiven und damit auf das Geschäft der
Mediation zwischen den politischen Lagern verstehen könnte, sondern mit dem
Ausblenden der für ein solches Agieren maßgeblichen politisch-institutionellen
Bedingungen. Nicht die Intellektuellen, so stellte im Hinblick darauf Sven
Papcke fest, sondern „einzig die demokratische Organisation des öffentlichen
Raumes vermag vielleicht den ‚Relationismus’ zu gewährleisten.“ (PAPCKE,
1985, S. 178). Das aber setzt voraus – und darin liegt die weiterwirkende
Bedeutung von Mannheims Beitrag –, dass sich jede Theorie der
Mehrparteiendemokratie gewissermaßen auf eine Weltanschauung höherer
Ordnung einlässt, welche durch ihre Verfassungsgrundsätze die
„Seinsgebundenheit“ der „Ideologien“ und „Utopien“ und der mit ihnen
verbundenen Wertorientierungen anerkennt. Dies besagt, mit anderen Worten,
die durch die Verfassung – das funktionale Äquivalent von Mannheims
äquidistanten Intellektuellen – verbürgte Anerkennung der Einsicht, dass jeder
moralisch-politische Absolutismus unhaltbar und in seiner Geltung relativ, weil
nicht universell, sondern partikular ist. (PAPCKE, 1985).

a. Schlussbetrachtung: Universalismus, Relativismus, Toleranz


Universalismus, Relativismus und Toleranz bilden, wie Panajotis Kondylis
in einer anregenden Abhandlung zu diesen drei zentralen Begriffen der
gegenwärtig in der sogenannten westlichen Welt dominierenden
weltanschaulichen Orientierung ausführt, zusammengenommen einen
Gedankenkomplex, der sowohl epistemologische als auch politische Aspekte
hat. (KONDYLIS, 2001) Dieser Zusammenhang ist auch in den Ausführungen
zu Kelsen und Mannheim offenkundig geworden. Kondylis geht bestimmten
geschichtlich neuartigen, auch politisch brisanten Konsequenzen nach, die sich
aus der Verknüpfung der Toleranzforderung mit universalistischen und mit
relativistischen Positionen ergeben.
Aus westlicher Sicht gilt es seit der Aufklärungsphilosophie als
ausgemacht, dass in den Menschenrechten die Forderungen der Einen Vernunft
in ihrer Anwendung auf das Verhalten zwischen den Menschen und Staaten

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konkrete Gestalt angenommen haben. Nun meint Kondylis, dass allerdings auf
der materiellen und sozialpsychologischen Basis der geschichtlich beispiellosen
westlichen Wohlstandsgesellschaften jener „staatlich geschützte Pluralismus
der Glaubens- und Lebenshaltungen“ entstanden sei, „vor dessen Hintergrund
die ehedem Eine Vernunft ihre universelle kognitive und ethische Kompetenz
verlieren musste“.25 (KONDYLIS, 2001, S. 46). Als eine Folge dieser
Entwicklung stecke die bislang als universell verstandene Vernunft nicht mehr
die Grenzen des zu Tolerierenden ab, sondern sie selbst werde nur mehr als
eine Einstellung neben anderen toleriert. Auf diese Weise werde die Vernunft
dem mit ihr ursprünglich eng verknüpften Toleranzgebot untergeordnet und so
das vormals universell Geltende partikularisiert.26 Gleichzeitig damit wurde
aber der Anspruch auf Universalisierung der Toleranz gegenüber partikulären
Ansprüchen formuliert.
Hier, vor dem Hintergrund dieser Toleranzforderung, zeigt sich nun die
widersprüchliche Koexistenz von Universalismus und Relativismus in
dreifacher Hinsicht: Zunächst soll Toleranz als ethisch-politisches Gebot ebenso
universell sein wie die (alte) Vernunft, das aber, was zu tolerieren ist, kann
partikulär und relativ sein. Die universelle Anerkennung des Partikulären
findet allerdings eine Grenze insofern, als das zu tolerierende Relative und 139
Partikuläre sich in dem Maße einzuschränken hat, wie dies die Toleranz
gegenüber anderem Partikulären und Relativen erfordere. Angesichts dieser
Ambivalenz wird verständlich, warum Universalismus und Relativismus sich
einerseits als die jeweils besten Hüter der Toleranz präsentieren, andererseits
aber einander wechselseitig einer intoleranten Gesinnung verdächtigen. –
Sodann laufen, zweitens, Relativisten und Universalisten im Verlauf ihrer
Bezugnahme auf das Höchstideal der Toleranz Gefahr, in bestimmter Hinsicht
logisch inkonsistent zu werden: die Relativisten und Partikularisten dadurch,
dass sie durch die These von der Relativität aller Standpunkte und Werte einem
einzigen Standpunkt und Wert, nämlich dem der Toleranz und des Friedens,
dienen wollen; die Universalisten dadurch, dass sie zwar das Ideal der Toleranz
als ein anthropologisches Universale betrachten, aber dennoch die
kulturgeschichtlich und soziologisch nachweisbare Tatsache nicht leugnen
können, dass Toleranz als Wert und Postulat das Produkt eines bestimmten

25
Dies heißt nicht weniger, als dass sich aus der auch von Jürgen Habermas beschworenen „Einheit der
Vernunft“ die „Vielheit ihrer Stimmen“ gelöst hätte. Dazu dessen nicht ganz unkomplizierte, aber in
ähnlichem Zusammenhang geäußerte hoffnungsfrohe Bemerkung: „Meine Überlegungen laufen auf die
These hinaus, daß die Einheit der Vernunft allein in der Vielheit ihrer Stimmen vernehmbar bleibt – als
die prinzipielle Möglichkeit eines wie immer okkasionellen, jedoch verständlichen Übergangs von einer
Sprache in die andere. Diese nur noch prozedural gesicherte und transitorisch verwirklichte Möglichkeit
der Verständigung bildet den Hintergrund für die aktuelle Vielfalt des einander – auch verständnislos –
Begegnenden.“ – (HABERMAS. 1988, S. 2)
26
So gilt z. B. ungeachtet der oft bizarren Inhalte von Produkten der sogenannten Kulturindustrie
Toleranz ihnen gegenüber als Gebot höherer ethisch-humanistischer Vernunft. Vgl. in diesem
Zusammenhang (BURGER, 2001)

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Kulturkreises – oder auch einiger, aber gewiss nicht aller Kulturkreise – ist.
Während also die Universalisten die Toleranz in Anbetracht ihrer Genese als
etwas Partikuläres anzusehen haben, müssen sich Partikularisten fragen lassen,
wie sie es anstellen wollen, dass der allgemeinen Geltung des Wertes der
Toleranz die gebührende Anerkennung gesichert wird, ohne nicht doch im
Sinne der Universalisten zu argumentieren. – Und schließlich stößt, drittens,
das Prinzip der Gleichheit der Kulturen, welches von den Partikularisten als
Vorbedingung interkultureller Toleranz anerkannt wird, (Dazu BURGER, 2001;
DEMANDT, 2005) selbst bei den meisten ihrer Anhänger dann auf Grenzen,
wenn sich – beispielsweise angesichts bestimmter Terror-Attacken in
verschiedenen Regionen der Welt – die Frage stellt, ob, wann und wie man
auch Feinde der Toleranz tolerieren soll.
Die Toleranz ist zum Grundwert der für die westliche Welt als
verbindlich angesehenen moralisch-politischen Weltanschauung geworden.
Sofern Toleranz der Rechtfertigung der an der Macht Befindlichen und ihrer
politischen Orientierung gleichermaßen dient wie der Legitimierung des gegen
die Herrschenden gerichteten politischen Kampfes, ist sie sogar zur universell
nutzbaren Rechtfertigungsideologie avanciert. Und so kann auch in diesem Fall
– obschon es bereits wiederholt proklamiert wurde – von einem Ende der
Ideologie nicht die Rede sein.

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Weltanschauung: Über einige ihrer Formen und Funktionen
Aoristo)))))
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Eingereicht: 10. September 2018


Akzeptiert: 5. Oktober 2018

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