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›Kryptopische‹ Zeit-Räume.

Unterirdische und außerirdische Topographien als Reservate von Temporalität


Sabine Haupt

It would be very pleasant to read good


descriptions of these Subterraneous places.
1

Thomas Burnet: The Sacred Theory of the Earth


(Telluris Theoria Sacra, 1681)

I. (Innen, Nacht) Welchem Geheimnis sind Heinrich von Ofterdingen und der alte Bergmann auf der
Spur, als sie jene unterirdischen Höhlen betreten, die Novalis ins Zentrum von Heinrichs poetischer
Initiationsreise stellt? Es sind nicht, wie im Anschluß an Die Lehrlinge zu Sais (1797-1799) zu
vermuten wäre, die »verborgenen Schatzkammern der Natur« oder gar der »König der Metalle«, die
2 3

bei der Erkundung des Erdinneren eine Rolle spielen. Denn diese geraten nach der Begegnung mit dem
Eremiten eher in den metaphorischen Hintergrund des Geschehens. Was Heinrich und sein Mentor in
der »Verschlungenheit der Gänge« hingegen entdecken, ist die Komplexität von Zeitabläufen und
4

Zeitmodellen. In ihren Gesprächen über »die geheime Verkettung des Ehemaligen und Künftigen« 5

skizzieren sie nicht nur den Idealtypus einer organizistischen, von Wissen und Intuition, von Kultur
und Natur gleichermaßen geprägten Poesie, sie entwerfen zugleich ein aus den drei ›klassischen‹
Zeitmodi Kontinuum, Inversion und Stillstand zusammengesetztes Bild von Zeit und Geschichte, das
sich als wegweisend für die theoretische und ästhetische Umsetzung von Temporalitätserfahrung in der
Literatur des 19. und 20. Jahrhundert erweisen wird.
Die speleologische Erkundungsreise beginnt bei den hinter dem Höhleneingang liegenden fossilen
6

»Überbleibsel[n] einer uralten Zeit«, den »Zeichen eines undenklichen Altertums«, führt über 7

Anspielungen auf den Atlantismythos und vermutlich von Friedrich Schillers ›Pompeji und
8

1
Thomas Burnet: The Sacred Theory of the Earth. Illinois 1965, S. 94.
2
Novalis: Heinrich von Ofterdingen. In: Werke, hg. von Gerhard Schulz, München 1981, S. 129-290, hier: S. 180.
2

3
Ebd., S. 181.
4
Ebd., S. 180.
5
Ebd., S. 197.
6
Der Anfang der Szene erinnert stark an Reisebeschreibungen aus der Frühzeit der Speleologie, in der sich die Forscher
häufig mit dem Misstrauen und Aberglauben der einheimischen Bevölkerung konfrontiert sahen. Vgl. z.B. August Kopischs
Bericht über seine Entdeckung der Blauen Grotte auf der Insel Capri (1838). Weitere Beispiele finden sich in Ausschnitten
in: Fritz Emslander (Hg.): Reise ins unterirdische Italien. Grotten und Höhlen in der Goethezeit. Ausstellungskatalog.
Karlsruhe 2002, S. 93–99, 132–135, 146–153, 165–169 u. 192–198.
7
Heinrich von Ofterdingen, s. Anm. 2, S. 192.
8
Vgl. die von Hohenzollern erwähnten »alten Sagen von einem Riesenvolke« (ebd., S. 201). In Die Lehrlinge zu Sais spricht
Novalis von einem »verlorengegangenen Urvolk[ ], dessen entartete und verwilderten Reste die heutige Menschheit zu sein
schiene, dessen hoher Bildung sie noch die wichtigsten und unentbehrlichsten Kenntnisse und Werkzeuge zu danken hat«
(Novalis: Die Lehrlinge zu Sais. In: Werke, hg. von Gerhard Schulz, München 1981, S. 95-128, hier: S. 124). Zum antiken
2

Atlantis-Mythos vgl. Platon: Timaios (21b-24e, 25d) und Kritias (108e, 113c-121c), Aristoteles: Metereologie (352a/b),
Lukrez: De rerum natura (V, 396ff.). In der Literatur des 19. Jahrhunderts erscheint das Atlantismotiv dann häufig
gekoppelt an Georges Cuviers Kataklysmentheorie. So verlegt Bulwer-Lytton, der Autor des Science Fiktion-Romans The
coming race (1871), den Ursprung seiner ›Vril-ya‹-Riesen nach Atlantis: Durch eine Naturkatastrophe sei »der Teil der
oberen Welt, in dem die Vorfahren dieser Rasse siedelten, überschwemmt worden. […] Eine Schar dieser unglücklichen,
von der Sintflut heimgesuchten Rasse hatte in den Höhlen höhergelegener Felsen vor den anschwellenden Wassern Zuflucht
genommen, und bei den Streifzügen durch das Höhlensystem verloren sie die Oberwelt auf immer.« (Edward Bulwer-

1
Herkulaneum‹ (1797) ausgelöste Spekulationen über ein aus dem Erdinneren aufsteigendes
9

Menschengeschlechts: 10

»… wäre es möglich, daß unter unseren Füßen eine eigene Welt in einem ungeheuern Leben sich bewegte? daß unerhörte
Geburten in den Festen der Erde ihr Wesen trieben, die das innere Feuer des dunkeln Schoßes zu riesenmäßigen und 11

geistesgewaltigen Gestalten auftriebe? Könnten dereinst diese schauerlichen Fremden, von der eindringenden Kälte
hervorgetrieben, unter uns erscheinen, während vielleicht zu gleicher Zeit himmlische Gäste, lebendige, redende Kräfte der
Gestirne über unseren Häuptern sichtbar würden?«, 12

bis hin zur Begegnung mit Friedrich von Hohenzollern, von dem es ausdrücklich heißt: »Er sah weder
alt noch jung aus, keine Spuren der Zeit bemerkte man an ihm.« Der Eremit besitzt Bücher, eine Zither
13

und eine Ritterrüstung, sein Tisch besteht aus einer grabmalartigen Steinplatte, deren Inschrift von
einer Rückkehr ins »Vaterland« berichtet. Schließlich liest Heinrich in einem in »provenzalischer
14

Sprache« geschriebenen Buch seine eigene Lebensgeschichte, wobei er sich mit rätselhaften Bildern
15

der Zukunft konfrontiert sieht.


Der Besuch im Erdinnern scheint das gewöhnliche Zeitgefüge aus den Angeln zu heben: Während der
mittelalterliche Eremit in einer Art mystischer Zeitlücke lebt, die selbst historische Prozesse reversibel
erscheinen läßt, wird der chronologische Ablauf der Zeit – retrospektiv – im geologisch-
paläontologischen Zeitraffer erkennbar. Entsprechend anspruchsvoll klingt Hohenzollerns
geschichtsphilosophisches Credo: »Indes nur dem, welchem die ganze Vorzeit gegenwärtig ist, mag es
gelingen, die einfache Regel der Geschichte zu entdecken«, eine Maxime, die sich Heinrich zu Herzen
16

nimmt und die es ihm selbst schließlich gestattet, sein Publikum mit einem »herrliche[n] Gesang« vom
»Ende der Trübsale, der Verjüngung der Natur und der Wiederkehr eines ewigen goldenen Zeitalters« 17

zu bewegen. Symptomatisch wird diese im triadischen Geschichtsmodell angelegte Utopie vor allem in

Lytton: Das kommende Geschlecht. Roman. München 1999, S. 37f.) Beweis für die vorsintflutliche Zivilisation seien jene
»in den tiefsten Abgründen des Erdinneren« verborgenen »riesige[n] Städte, deren Ruinen für die Kultur von Geschlechtern
Zeugnis ablegten, die vor Noahs Zeit blühten.« (ebd., S. 38). Zum Atlantis-Mythos vgl. auch Punkt IV.
9
Angeregt wurde das Gedicht durch die 1796 wieder aufgenommenen Grabungen, über die bereits Winckelmann in seinem
Herculanischem Sendschreiben berichtet hatte. Der Anfang lautet: »Welches Wunder begibt sich? Wir flehten um trinkbare
Quellen, / Erde! dich an, und was sendet dein Schoß uns herauf! / Lebt es im Abgrund auch? Wohnt unter der Lava
verborgen / Noch ein neues Geschlecht? Kehrt das entflohne zurück?« (Friedrich Schiller: Sämtliche Werke. Darmstadt
1987, S. 234ff., hier: S. 234). Vgl. auch die folgenden Verse aus der im selben Jahr publizierten ›Klage der Ceres‹: »Führt
8

der gleiche Tanz der Horen / Freudig nun den Lenz zurück, / Wird das Tote neu geboren / Von der Sonne Lebensblick!«
(ebd., S. 190-194, hier: 193). Die eigentümliche Verquickung von mythologischer Wiedergeburt und Archäologie wird um
1800 zu einem literarischen Topos.
10
Es steht zu vermuten, daß Edward Bulwer-Lytton (The coming race) direkt oder über die Vermittlung des deutschen
Religions-, Sprach- und Literaturwissenschaftlers Max Müller, bei dem er Vorlesungen hörte und dem er seinen Roman
widmete, sowohl mit Schillers Gedicht wie auch mit der zitierten Novalis-Passage vertraut war.
11
Eine ebenso wie Bulwer-Lyttons ›kommendes Geschlecht‹ zwischen Mythos und wissenschaftlicher Hypothese
angesiedelte Erscheinung sind die unterirdischen Riesen in Jules Vernes Voyage au centre de la terre (1864), die jedoch –
Vernes paläontologisch archäologischen Interessen entsprechend – mit »struppiger Mähne« (Jules Verne: Reise zum
Mittelpunkt der Erde. Zürich 1976, S. 334) auftreten und »vorsintflutlichen Hirten» (ebd.) gleichen.
12
Novalis: Heinrich von Ofterdingen, s. Anm. 2, S. 193. Das von Bulwer Lytton entworfene Geschlecht der ›Ana‹ bzw.
›Vril-ya‹ entspricht dieser doppelten Vorgabe: als unterirdische, über übermenschliche Geistes- und Körperkräfte
verfügende, zugleich aber höchst anmutig durch die unterirdischen Hohlräume fliegende Riesen vereinigt es sowohl
chtonische wie siderische Merkmale. Vorbild für die fliegenden Subterrianer ist Robert Paltocks Life and Adventures of
Peter Wilkins (1750).
Heinrich von Ofterdingen, s. Anm. 2, S. 194.
13

Ebd., S. 196.
14

Ebd., S. 205.
15

Ebd., S. 197.
16

Ebd., S. 162.
17

2
der Vision der heilsgeschichtlichen »Erfüllung« im zweiten Teil des Romans, die als mystische
Verräumlichung der Zeit Gestalt annimmt. Auf die Frage: »Wo gehn wir denn hin?« erfolgt die viel
zitierte Antwort: »Immer nach Hause«. Diese regressive Wendung steht in enger motivischer und
18

gedanklicher Verbindung zum Mutter/Venus-Komplex, d.h. zu jener in diversen Texten


19

unterschiedlichster Provenienz verwendeten Assoziation des Berginneren mit einem weiblich-


mütterlichen Prinzip. Zurückverfolgen läßt sich dieses auch bei Goethe auf einem organizistisch
20

hylozoistischen Naturbegriff, d.h. auf der Vorstellung eines der Materie immanenten Lebensprinzip
beruhende Mythologem auf spätantike und frühneuzeitliche Auffassungen, die das Innere der Erde als
leibliches Körperinnere, als beseelten Uterus imaginieren und bis in die Neuzeit auch den Bergbau
prägen. Ob in Tiecks Runenberg (1804), in Goethes Faust (1808), in Eichendorffs Zauberei im
21

Herbste (1809) oder in Wagners Tannhäuser (1845) – der Gang zu den Müttern wie auch der Gang in
den Venus- oder Hörselberg stellt den gewöhnlichen Zeitindex in Frage. Doch das Wissen um die
22

zyklische Beschaffenheit der ›Queste‹ bleibt Heinrich zunächst ebenso verborgen wie die Einsicht in
die Kräfte der ›natura naturans‹. Erst bei seiner »Initiation ins unterirdische Reich«, erfahre 23

Ofterdingen, so Hartmut Böhme in seiner Deutung des Kapitels, »das Arkanwissen um die Leiblichkeit
der Erde«. Denn Novalis habe »sowohl das Deutungsmuster, in welchem das Berginnere zur
24

Offenbarung der mächtigen Mutternatur mit ihren uterinen Höhlungen […erscheine] wie auch das
Deutungsmuster des Montanbaus als gynäkomorphe Technik dem hermetischen Schrifttum der
Alchemie entnommen.« 25

II. (Innen, Tag) Nicht zufällig ist der Ort, an dem solche Überlegungen angestellt werden, eine im
Erdinneren verborgene Höhle. Höhlen sind – spätestens seit Platon – als Orte der Erkenntnis fest im
topologischen Bewußtsein verankert. Hans Blumenberg hat in diesem Zusammenhang den Begriff der
»anthropologische[n] Zeitraumtiefe« geprägt. Die Vorstellung einer cavernalen Kulturisation, d.h.
26

einer aus den topologischen Strukturen der Höhle und damit gewissermaßen als siedlungstechnisches
Epiphänomen entstehenden Kultur, basierend auf dem – matriarchalischen – Schutz der Schwachen,

18
Ebd., S. 267. Vgl. auch das zweite Bergmannslied, in dem das Meer die befreiten Recken von Atlantis »in der Heimat
Schoß« (ebd., S. 189) zurückträgt.
19
Herbert Uerlings spricht zwar auch von »proto-psychoanalytische[n] Darstellungen von Reifungskrisen« (H. Ue.: »Novalis
in Freiberg. Die Romantisierung des Bergbaus. Mit einem Blick auf Tiecks ›Runenberg‹ und E.T.A. Hoffmanns ›Bergwerke
zu Falun‹«. In: ›Aurora‹, 56, 1996, S. 57–77, hier: S. 67), unterstreicht allerdings das – im Gegensatz zu Tieck und
Hoffmann – bei Novalis klar patrilinear strukturierte Initiationserlebnis (vgl. ebd., S. 68).
20
In der französischen Phantastik entwickelt sich zur selben Zeit eine aus dem traditionellen Höllen- und Teufelsmotiv
stammende männlich-technizistische Motivlinie; man denke u.a. an Jean-Baptiste Cousin de Grainvilles Le dernier homme
(1805), in dem ein mit allen Attributen des späteren ›savant fou‹ ausgestatteter Erdgeist mit Feuer, Rohstoffen und
Maschinen in einem unterirdischen Laboratorium hantiert und experimentiert.
21
Vgl. Horst Bredekamp: »Die Erde als Lebewesen«. In: ›Kritische Berichte‹, 9, 1981, H.4/5, S. 5–37.
22
Vermutlich in Anlehnung an Ludwig Bechsteins Sagenschatz des Thüringer Landes (1835) siedelt Richard Wagner die
Handlung von Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg in dem in der Nähe der Wartburg gelegenen Hörselberg an.
Der Hörselberg ist aber auch Sitz der Frau Holle, eine Gestalt, die mit ihrer märchenhaft mythologischen Fusion von unten
und oben, von Unterwelt und Paradies (man springt in einen Brunnen und gelangt in einen Garten über den Wolken) auf
eine Verbindung zum keltischen Sagenkreis, zur antiken Sibylla und zum Kybele-Mythos verweist.
23
Hartmut Böhme: »Geheime Macht im Schoß der Erde. Das Symbolfeld des Bergbaus zwischen Sozialgeschichte und
Psychohistorie«. In: ders.: Natur und Subjekt. Frankfurt a. M. 1988, S. 67–144, hier: S. 73.
24
Ebd., vgl. auch die Ausführungen über die große Mutter in De’ corpi marini… (1721) des italienischen Geologen Antonio
Vallisnieri.
25
Hartmut Böhme: »Geheime Macht im Schoß der Erde«, s. Anm. 23, S. 73.

3
der Möglichkeit von Tiefschlaf und Traum und der Ausdifferenzierung kultischer und künstlerischer
Praktiken, führt zu einer gedanklichen Assoziation von Höhle und Geschichtsbewußtsein. Im Schutz 27

der Höhle entwickele sich – das wäre die phylogenetische Seite der Blumenbergschen Theorie – das
kollektive Gedächtnis. Analog zur historischen Memoria formiere sich – ontogenetisch verbunden mit
der Höhle des Mutterleibs – die Erinnerung an die eigene Herkunft. Doch ist die der Höhle
28

zugewiesene ›Zeitraumtiefe‹ doppelt kodiert. Neben der Ausbildung einer – sich im Schutz der Höhle
entfaltenden – Kulturgeschichte gestatte, so Blumenberg, der Rückzug in den Innenraum die Rückkehr
in die Vergangenheit:
»Der Weg aus der Höhle heraus hatte seine Gegenrichtung schon bei den Griechen […]. Sie kannten die Rückwendungen
auf dem Weg in die Höhlen hinein, zu den Mysterien, den Einweihungsriten, den orphischen Kulten. [… die Höhlen] sind
Zufluchtsorte für das Überwundene, für die Weisheit der Geheimnisse statt für die Wissenschaft der Erkenntnisse. Zwar
gibt es in der Geschichte die Wiederholung nicht; aber die Richtungswechsel aus Enttäuschung oder Überdruß am allzu
Verheißungsvollen lassen Erinnerungen wach werden an das, was doch so abstoßend nicht gewesen sein konnte, wenn man
es so lange ertragen hatte.«
29

Damit erfüllt der verborgene, unterirdische Ort drei verschiedene an Wissen und Erkenntnis gekoppelte
Funktionen, die jeweils einem bestimmten Zeitmodus zuzuordnen sind: Er dient 1. als Refugium eines
sich in kontemplativer Selbstbesinnung ausbildenden Gedächtnisses, 2. als Ziel forschender, ja
wissenschaftlicher Neugier, und 3. als Reservat des Vergangenen und an der Oberfläche
Verschwundenen.
Die folgenden Ausführungen sollen nun – anknüpfend an das Höhlenkapitel aus Novalis’ Heinrich von
Ofterdingen – einen Blick auf die ideen- und wissenschaftsgeschichtlichen Grundlagen der
literarischen ›Zeitraumtiefe‹ werfen und – aus komparatistischer Perspektive – die weiteren
motivgeschichtlichen Entwicklungen skizzieren. Zur besseren – auch terminologischen – Prägnanz des
Untersuchungsgegenstands wird im Folgenden der Begriff ›Krypto-Topie‹ bzw. in kontraktiver
Vereinfachung ›Kryptopie‹ gebraucht. Gemeint ist ein in extremer Weise verborgener, daher meist
30

unterirdisch oder, wie noch zu zeigen sein wird, außerirdisch lokalisierter fiktionaler Raum, der 1.
aufgrund seiner radikalen Entfernung von normalen lebensweltlichen Räumen eine besondere
Glaubwürdigkeit für phantastische Wirklichkeitsentwürfe bietet und 2. in auffallender Weise zur
Veranschaulichung temporaler Prozesse dient.
Die auch für heutige Autoren noch immer faszinierende Vorstellung einer unterirdisch verborgenen
Welt hat ihre kultur- und motivgeschichtlichen Ursprünge in den Darstellungen des Totenreichs
diverser europäischer und orientalischer Mythologien. Mit Platons so genanntem 'Höhlengleichnis'
(Politeia) erhält sie einen festen Platz im topologischen Fundus der abendländischen Philosophie, seit

Hans Blumenberg: Höhlenausgänge. Frankfurt a. M. 1996, S. 25.


26

Vgl. ebd., S. 25f. und 805f.


27

Blumenberg bezieht sich hier u.a. auf Sándor Ferenczis psychoanalytischen Versuch einer Genitaltheorie (1924), der den
28

Geschlechtsakt – beim Mann… – als symbolische »Rückkehr zum Ursprung« und die Psychoanalyse als »theoretische
Auffüllung des faustischen Abstiegs zu den Müttern« (ebd., S. 68.) interpretiert. Vgl. ebd., S. 539f.
Ebd., S. 551.
29

Zum weiteren thematischen und ästhetischen Kontext vgl. auch: Renate Lachmann u. Igor Smirnov: Kryptogramm. Zur
30

Ästhetik des Verborgenen. In: Wiener Slawistischer Almanach 21 (1988), S. 135–224.

4
Dantes La Divina Commedia einen weiteren in der Literatur der Neuzeit. Im 19. Jahrhundert gehört sie
zum Fundus der phantastischen Literatur. Einfluß auf die Motivtradition hatten – neben
mittelalterlichen Stoffen – Texte wie Athanasius Kirchers geologisch-vulkanologische Abhandlung
31

Mundus subterraneus (1665), in der, basierend auf Platons Röhrentheorie, ein unterirdisches System
von Hohlräumen und Tunneln beschrieben wird, oder auch Ludvig Holbergs satirisch-utopischer
Roman Nicolai Klimii iter subterraneum novam telluris… (1741), der die Erde als gigantischen
Hohlraum beschreibt, der ein zweites Sonnensystem beherbergt.
Bei einer komparatistischen Durchsicht von Beispielen aus der deutschen, französischen,
skandinavischen und angelsächsischen Literatur wird bald deutlich, daß die topologischen Dispositive
der jeweiligen Texte in ihrer Symbolik keineswegs nur auf psychologische oder mythologische
Diskurssysteme verweisen: Dem Gang in die Tiefe entspricht in vielen Fällen eine temporale
Bewegung: die Reminiszenz von individueller und/oder historischer Vergangenheit. Bei einer ganzen
Reihe von Texten ließe sich – entsprechend gewisser ideengeschichtlicher Thesen zur Denkweise des
Konservativismus im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert – auch von einer ideologisch geprägten
32

›Vertikalisierung‹ der Zeit sprechen: An die Stelle des ›horizontalen‹ Zeit- und Geschichtsbewusstseins
der Aufklärung tritt ein vertikal-archäologisches Modell, bei dem sich die Vergangenheit als
durchlässige unterirdische Realität aktualisiert. Räumlich-hierarchische ›Schichten‹ und eruptive
›Wiedergeburten‹ verdrängen eine auf historische und/oder biologische Evolutionsprozesse fixierte
Linearität. Eine deutliche Affinität des Motivs zu reaktionären Denkmustern zeigt sich im Fall des
Atlantis-Mythos, der im 20. Jahrhundert eine zentrale Rolle in diversen völkisch-rassistischen
Gruppierungen spielte. 33

III. (Unten, Tag und Nacht) Was den Text von Novalis nun in besonderer Weise auszeichnet, ist die
Offenheit seines Zeitgefüges bzw., auf rein inhaltlicher Ebene, die Vielfältigkeit der alludierten
Zeitdiskurse. Im Höhlenkapitel des Heinrich von Ofterdingen lassen sich nämlich, wie bereits
angedeutet, drei unterschiedliche Zeitmodi nachweisen, was u.a. als ein weiteres Indiz dafür zu werten
ist, daß es sich bei diesem Text um ein Werk des ideengeschichtlichen Übergangs, oder vorsichtiger
formuliert, um einen Text handelt, in dem sich verschiedene mit dem Motiv des Erdinneren assoziierte
Zeitmodelle und Zeitdiskurse des 18. und 19. Jahrhunderts überlappen.
Am auffälligsten und in der – zumal älteren – Novalis-Rezeption meist als Zeichen einer ›mystischen‹
oder ›romantischen Ewigkeitssehnsucht‹ interpretiert ist die aus Mythos und Märchen überlieferte
34

Man denke u.a. an die unterirdische ›Salle aux images‹ im altfranzösischen Tristan–Roman des Thomas d'Angleterre oder
31

an Lancelots Rettung der Königin Guinière in Chrétiens de Troyes Chevalier de la charrette.


32
Vgl. u.a. Panajotis Kondylis: Konservativismus. Geschichtlicher Gehalt und Untergang. Stuttgart 1986; sowie meine
eigene Arbeit zum Paradigma der romantischen ›Wiederholung‹: »Es kehret alles wieder«. Zur Poetik literarischer
Widerholungen in der deutschen Romantik und Restaurationszeit: Tieck, Hoffmann, Eichendorff. Würzburg 2002, bes. S.
178–203 u. 631–643.
Vgl. Punkt IV, bes. Anm. 114.
33

34
›Mythos‹ nicht im Sinne einer Dichotomie zu ›Logos‹ oder als transhistorische Gattungsbezeichnung, eher im Sinne einer
synkretistischen 'Denkgewohnheit' (vgl. Gerhart von Graevenitz: Mythos. Zur Geschichte einer Denkgewohnheit, Stuttgart
1987) oder eines (überlieferten) Systems von kulturellen Symbolen. Zum anthropologischen Mythos-Begriff vgl. Robert A.
Segal (Hg.): Ritual and Myth: Robertson Smith, Frazer, Hooke, and Harrison. New York u. London 1996.

5
Zeitenthobenheit bzw. Zeitdehnung im Erdinneren. Man denke in diesem Zusammenhang an
35

zahlreiche Sagen und Volksmärchen unterschiedlicher Kulturkreise, in denen Drachen, Riesen oder
Zwerge einen Schatz bewachen, und sich – bis in alle Ewigkeit – allein dieser Aufgabe zu widmen
scheinen. In den selben Kontext gehören die zahlreichen direkt oder indirekt auf den Mythos des
schlafenden Epimenides zurückgehenden Märchen der Romantik, in denen im Berg die Zeit stehen
bleibt, während der Held, wie in Ludwig Tiecks Der Runenberg (1804), in Grimms Der Hirt auf dem
Kyffhäuser (1816) oder Washington Irvings Rip van Winkle (1819) in einen Jahre bis Jahrzehnte
dauernden Schlaf versinkt oder, wie in den an die von Schubert überlieferte Falun-Anekdote
anknüpfenden Erzählungen Unverhofftes Wiedersehen von Johann Peter Hebel (1811), Die Bergwerke
zu Falun von E.T.A. Hoffmann (1819) und Treue Liebe (1828) von Friedrich Hebbel, als vollkommen
konservierter Leichnam die Zeit überdauert. Ähnliches gilt auch schon für Giacomo Girolamo
Casanovas phantastischen Roman Icosameron… (1788), in dem ein Geschwisterpaar nach 80 Jahren im
Erdinneren als Jugendliche an der Erdoberfläche erscheint. In diesen Texten fungiert das Erdinnere als
Hort durativer, ja zeitloser Vorgänge. Entsprechend schildert die literarische Kryptopie die Versenkung
in die Wunder von Natur und Kunst als Stillstand der Zeit, oder in den Worten des Einsiedlers, als
totalisierender, der Zeitmessung enthobener Moment: »Jene lange Zahl von Tagen / Dünkt mir nur ein
Augenblick«. 36

Der zweite Zeitmodus steht in engem Zusammenhang mit der aus den geognostischen Lehren des 17.
und 18. Jahrhundert stammenden und im Laufe des 19. Jahrhunderts allmählich auch in die Biologie 37

integrierten Idee einer ›Naturgeschichte‹. Im Gegensatz zum durativen oder iterativen Zeitmodus
definiert dieses – je nach Kontext – (natur-)wissenschaftliche und/oder aufgeklärte Zeitverständnis die
Zeit als irreversibles Kontinuum, als lineare Evolution bzw. als geschichtlichen Fortschritt. Unter 38

diesem Blickwinkel sind »Die mächtigen Geschichten / Der längst verfloßnen Zeit« endgültig 39

vergangen und können – außer in der Vermittlung durch die erinnernde Narration – nicht
zurückkehren. Daß eine beliebige Sukzession von Ereignissen durch die Verbindung mit bestimmten

35
Vgl. auch: Wolfgang Kemp: »Die Höhle der Ewigkeit«. In: ›Zeitschrift für Kunstgeschichte‹, 32, 1969, S. 133–152. Mit
Michel Foucault ließe sich hier auch von ›Heterochronie‹ sprechen, d.h. von einer ›Heterotopie‹, die – Foucault selbst nennt
als Beispiel den Friedhof – einen radikalen Bruch mit dem herkömmlichen Zeitgefüge impliziert – dies freilich unter der
nicht unerheblichen Einschränkung, daß Heterotopien streng genommen, d.h. im Sinne Foucaults, im Gegensatz zu Utopien
keine fiktionalen, sondern reale Orte bezeichnen. Vgl. Michel Foucault: »Des espaces autres«. 1967. In: ›Architecture,
Mouvement, Continuité‹, 5 (Okt. 1984), S. 46-49 (dtsch. Übersetzung: Karlheinz Barck u.a. (Hg.): »Andere Räume«. In:
Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Leipzig 2002, S. 34-46).
7

36
Heinrich von Ofterdingen, s. Anm. 2, S. 194.
37
Lamarcks und Darwins Evolutionstheorien sind gewissermaßen Erben der geologischen Evolutionstheorien des 17. und
18. Jahrhunderts (vgl.: Thomas Burnet: Theoria sacra telluris. 1681; John Woodward: An Essay towards a natural History
of the Earth. 1695; William Whiston: A new Theory of the Earth. 1696, James Hutton: Theory of the Earth. 1795). Vgl. Jean
Baptiste Lamarck: Philosophie zoologique (1809) und Charles Darwin: On the Origin of Species (1859).
38
Es versteht sich von selbst, daß die hier schematisierte ideengeschichtliche Zuordnung der wirklichen Entwicklung der
Zeitvorstellungen nur begrenzt gerecht wird. Genauso wenig wie sich die intellektuellen Umbrüche der Neuzeit mit der
Dichotomie von Mythos und Logos erfassen lassen – spätestens seit Adornos und Horkheimers Dialektik der Aufklärung ist
das bekannt –, läßt sich eine Trennung von (natur-)wissenschaftlichen und – wie auch immer gearteten – nicht-
wissenschaftlichen Zeitkonzepten vornehmen. Das in der Literatur – hier bei Novalis – symptomatisch werdende
interdiskursive Zusammenspiel unterschiedlicher Zeithorizonte gilt selbstverständlich auch für den
wissenschaftshistorischen Kontext selbst. So wehrt Stephen Jay Gould sich beispielsweise gegen den ›Mythos‹ einer rein
geologischen Entdeckung der wahren temporellen Dimensionen der Erdgeschichte (vgl. Stephen Jay Gould: Time’s Arrow,
Time’s Cycle. Myth and Metaphor in the Dicovery og Geological Time. Cambridge, Mass. 1987, Kap. I).

6
Erzählstrukturen als qualitatives Abstraktum, als ›Geschichte‹ faßbar wird, ist jedoch keineswegs
selbstverständlich. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verdichtet sich ›Geschichte‹ zu
einem abstrakten Kollektivsingular, welcher die alte ›Historie‹, die sich als ›historia magistra vitae‹
einer »immer gleichbleibenden Natur und ihrer Wiederholbarkeit eingebunden wußte«, verdrängt und 40

durch den Gedanken eines evolutiven, nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten voranschreitenden


Prozesses ersetzt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts scheinen die Suche nach einem
41

geschichtshermeneutischen Generalschlüssel sowie die Auseinandersetzung um ein universelles


geschichtsphilosophisches Paradigma vorerst zugunsten des ›Fortschritts‹ entschieden, ein Begriff, der
42

schon bald aus seinem politischen und philosophischen Kontext auf andere Bereiche, schließlich auf
das gesamte kosmische Geschehen übertragen wird.
Dieser Objektivierung und Naturalisierung der Geschichte entspricht – sozusagen als komplementäre
Gegenbewegung – eine in den Naturwissenschaften bzw. in der Natur- und Wissenschaftsphilosophie 43

etwa zur selben Zeit stattfindende Historisierung der Natur. Dem Versuch, »die Geschichte […] durch
44

ihre ›Vergangenheit‹ zu bestimmen, und zwar durch eine Vergangenheit, die keine politisch
geschichtliche ist: die Natur«, korrespondiert auf der Gegenseite das Bestreben, »die Natur selbst ›als
45

Ich‹ d.h. ›als Geschichte‹ nachzuweisen«. Welt- und Naturgeschichte erscheinen als organisch-vitale
46

Einheit – ein gegen das mechanistisch quantifizierende Naturverständnis des Rationalismus gerichtetes
Postulat, für das 1794 schon Alexander von Humboldt mit seinen Aphorismen aus der chemischen
Physiologie der Pflanzen plädierte und das wenige Jahre darauf von Schellings »spekulativer Physik«
auf die philosophische Formel gebracht wurde: »Die Natur soll der sichtbare Geist, der Geist die
unsichtbare Natur sein«. 47

Damit solche Abläufe aber nicht philosophische Spekulation bleiben, sondern sinnlich faßbar werden,
damit Zeit ›lesbar‹ und nicht nur meßbar wird, bedarf es Methoden der räumlich-bildhaften und/oder
mentalen Veranschaulichung, wie sie u.a. die sich um 1800 zu Einzeldisziplinen entwickelnde
Naturwissenschaft zur Verfügung stellt. Geologie, Paläontologie und Archäologie entziffern die in den
48

39
Heinrich von Ofterdingen, s. Anm. 2, S. 186.
40
Reinhart Koselleck: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Frankfurt a. M. 1995, S. 44.
3

41
Vgl. auch: Rudolf Wendorff: Zeit und Kultur. Geschichte des Zeitbewußtseins in Europa. Opladen 1980, sowie aus
mathematikhistorischer Perspektive: Gerald. J. Whitrow: Die Erfindung der Zeit. Hamburg 1991.
42
Zu den historisch soziologischen Grundlagen des Begriffs: vgl.: Alois Hahn: »Soziologische Aspekte des
Fortschrittsglaubens«. In: Hans Ulrich Gumbrecht u.a. (Hg.): Epochenschwellen und Epochenstrukturen im Diskurs der
Literatur- und Sprachhistorie. Frankfurt a. M.1985. S. 53-72.
43
Vgl. Immanuel Kant: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels […] (1755) und ders.: Physische Geographie
(1802).
44
Vgl. Wolf Lepenies: Das Ende der Naturgeschichte. Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten in den Wissenschaften
des 18. und 19. Jahrhunderts. München 1976.
45
Odo Marquard: Transzendentaler Idealismus, romantische Naturphilosophie, Psychoanalyse. Köln 1987. S. 157.
46
Ebd., S. 159.
47
Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Ideen zu einer Philosophie der Natur, als künftige Grundlage eines allgemeinen
Natursystems. Leipzig 1797 (zit. n. Gabriele Rommel: »Romantik und Naturwissenschaft«. In: Helmut Schanze (Hg.):
Romantik-Handbuch. Zeit, literarische Formen, Künste und Wissenschaften, romantische Lebensläufe. Tübingen 1994. S.
605-614, hier: S. 605).
48
Trotz seiner grundsätzlichen Einwände gegen simplifizierende Dichotomien zeigt Gould am Beispiel der geognostischen
Theorien von Thomas Burnet, James Hutton und Charles Lyell den Übergang bzw. das Zusammenspiel von zyklischer und
›sagittaler‹ Zeit (vgl. Stephen Jay Gould: Time’s Arrow, vgl. Anm. 38). Zur Entwicklung des geologischen Zeitbegriffs vgl.
auch: David R. Oldroyd: Thinking about the Earth. A History of Ideas in Geology. London 1996.

7
Gesteinsschichtungen konservierte Zeit: Natur mutiert zum Archiv: »Die Landschaft ist nicht mehr
Natur allein, sondern Schauplatz des Gewesenen«, schreibt Alexander Honold über den neuen
49

archäologischen Blick der Griechenlandreisenden des 18. Jahrhunderts. Die – säkularisierte –


Vergangenheit des Menschen, aber auch die geheime »Chiffrenschrift« der Natur, jene
»Wunderschrift« und vermeintlichen »Konjunkturen des Zufalls«, in denen die romantische
50

Naturphilosophie eine unbekannte Natur- bzw. Urkraft am Werk sieht, werden nach und nach
wissenschaftlich entschlüsselt. Man bemüht sich um ein genaueres, und das heißt in den meisten
Fällen: um ein neues nicht-theologisches Verständnis der erdgeschichtlichen und historischen
Dynamik. Diese veränderte Sicht gilt nicht nur für die Naturwissenschaft im engeren Sinn, sondern
auch für eine ganze Reihe von Literaten, die sich wie Goethe, Alexander v. Humboldt oder Novalis
51 52 53

49
Alexander Honold: Nach Olympia. Hölderlin und die Erfindung der Antike. Berlin 2002, S. 33.
50
Novalis: Die Lehrlinge zu Sais. In: Werke, hg. von Gerhard Schulz, München 1981, S. 95-128, hier: S. 95.
2

51
Seit 1775 beschäftigte sich Goethe als Verwaltungsbeamter in Weimar mit Bergbau und Mineralogie. 1781 entsteht der
Plan zu einem Roman mit dem Titel »Über das Weltall«. Fragmente aus diesem Textkonvolut sind u.a. die Schrift Über den
Granit und das Gedicht »Über die Metamorphose der Tiere«. Neben seinen Schriften zur Geologie und Mineralogie finden
sich auch im Romanwerk etliche Passagen mit geologischer Thematik, z.B. die ausführlichen Erörterungen der
verschiedenen Erdentstehungstheorien des 18. Jahrhunderts in Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden (2.
Fass. 1829, II/9). Vgl. Wolf v. Engelhard: »Goethe und die Geologie«. In: Günter Schnitzler u.a. (Hg.): Ein unteilbares
Ganzes. Goethe: Kunst und Wissenschaft. Freiburg i. Br. 1997, S. 245-273; sowie: Hartmut Böhme: Lebendige Natur.
Wissenschaftskritik, Naturforschung und allegorische Hermeneutik bei Goethe. In: ›Deutsche Vierteljahresschrift für
Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte‹, 60 (1986), S. 249–272.
52
Alexander v. Humboldt studierte ab 1791 an der Bergakademie Freiberg. Schon im März 1792 trat er eine Stelle als
Bergassessor beim Berg- und Hüttendepartement in Berlin an. Prägend für seine geologischen Ansichten war besonders die
Begegnung mit Johann Sebastian Claiß, der seit 1782 als Salinen-Oberkommissar in Bayern für den Ausbau der Salinen
Reichenhall und Traunstein verantwortlich war. 1795 traf Humboldt in Genf dann auch mit den Geologen und
Alpenerforschern Horace Bénédict und Nicolas Théodor de Saussure zusammen, die er wie andere Genfer Naturforscher
bereits aus ihren Werken kannte (vgl. Hanno Beck: Alexander von Humboldt. Bd. 1: Von der Bildungsreise zur
Forschungsreise 1769–1804. Wiesbaden 1959, darin das Kap. »Alexander von Humboldt als Bergmann«, ebd., S. 46–83).
Mit seinen Erklärungen über das ›Streichen und Fallen‹ der Urgebirgsschichten schloss Humboldt sich uniformitaristischen
Konzepten an, die von der Universalität und Vergleichbarkeit der Ablagerungsepochen ausgehen und sich im 19.
Jahrhundert gegenüber Cuviers Kataklysmentheorie durchsetzen. 1793 erschienen seine Florae Fribergensis specimen, in
denen er eine Aufteilung der geographisch-geologischen Disziplinen in Erdgeschichte, Erdkunde und Systematik vornahm.
Beachtung fand das Werk aber »vor allem wegen der erstmals im Sinne Linnés bearbeiteten 258 ›unterirdischen
kryptogamischen Pflanzen‹«. (ebd., S. 62). Suchte Goethe in der Geologie vor allem nach symbolhaften Artikulationen für
die von ihm postulierte idealistische Weltharmonie, so ging es Humboldt um deren wissenschaftlich empirische
Begründung. Goethe stand in den Jahren 1798–1803 dagegen dem von Schellings Naturphilosophie geprägten Kreis der
Jenaer Frühromantik nahe.
53
Bevor Novalis zum Bergassessor befördert wurde, studierte er von 1797 bis 1799 in an der Bergakademie Freiberg, einer
der weltweit ersten technischen Hochschulen, die von Studenten aus der ganzen Welt besucht wurde. In der
Auseinandersetzung mit den in Freiberg gelehrten Naturwissenschaften Geologie, Mineralogie und Chemie entstand
Hardenbergs spezifische, seine philosophischen Fragmente wie poetischen Werke gleichermaßen prägende
Naturphilosophie, ein Ensemble von Vorstellungen, in denen sich auch die nicht nur für die Montanwissenschaften, sondern
für die gesamte Wissenskultur um 1800 prägende Konfrontation zwischen einem älteren religiösen Naturverständnis und
einer modernen, säkularisierten Auffassung von empirischer Wissenschaft artikuliert. Heinrich von Ofterdingens
Initiationsreise ins Berginnere reflektiert – anders als Fausts Gang in ein rein mythologisches Erdinnere – genau die
fundamentale Ambi- bzw. Polyvalenz, mit der Novalis seine Erfahrungen im Bergbau literarisch verarbeitet. Bei diesem
Konflikt von exoterischer und esoterischer Berginspektion übernimmt die Poesie, wie Hartmut Böhme betont, die Rolle
einer Statthalterin der mystisch-esoterischen Tradition: »Der hermetische Montan-Diskurs bei Novalis hat also doppelte
Funktion. Sie ergibt sich aus dem Verhältnis zur aufgeklärten Bergbauwissenschaft einerseits und den
Verdrängungsleistungen des avancierten Technologen Hardenberg andererseits. In der Kunst findet die verlorene, im
Wissenschaftsprozeß ausgegrenzte Naturphilosophie […] ihren Ort der Erinnerung.« (Hartmut Böhme: »Geheime Macht im
Schoß der Erde«, s. Anm. 23, S. 76f.). Vgl. Gerhard Schulz: »Die Berufslaufbahn Friedrich von Hardenbergs (Novalis)«. In:
›Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft‹, 7 (1963), S. 253–312; und: ders.: Die Berufstätigkeit Friedrich von
Hardenbergs (Novalis) und ihre Bedeutung für seine Dichtung und Gedankenwelt. Univ. Diss. (Masch.), Leipzig 1958 (zur
Symbolik des ›Bergwerks‹ und der ›Höhle‹ vgl. ebd., S. 133–182); Hans Blumenberg: Die Lesbarkeit der Welt. Frankfurt a.
M. 1981; Hartmut Böhme: »Montan-Bau und Berg-Geheimnis. Zum Verhältnis von Bergbauwissenschaft und hermetischer
Naturästhetik bei Novalis«. In: Christoph Jamme u. Gerhard Kurz (Hg.): Idealismus und Aufklärung. Kontinuität und Kritik
der Aufklärung in Philosophie und Poesie um 1800. Stuttgart 1988, S. 59–79; Herbert Uerlings: »Novalis in Freiberg. Die

8
auch berufsmäßig mit Geologie und Archäologie befassten. Eine Schlüsselrolle kommt bei dieser
54

Vermittlung dem mit Goethe befreundeten Geologen Abraham Gottlob Werner zu, der als führender
Neptunist und Freiberger Lehrer von Alexander von Humboldt, des Freiherrn v. Stein, von Henrik
55

Steffens, Gotthilf Heinrich Schubert, Franz v. Baader, Theodor Körner und Novalis eine ganze
Generation von Romantikern mit geognostischen Fragestellungen vertraut machte. So revidiert
Schubert Mitte der 1820er Jahre seine in Die Urwelt und die Fixsterne von 1822 noch weitgehend
alttestamtlich orientierte Vorstellung über das Alter der Erde. Die ›präadamitische‹, von den
geologischen Forschungen des frühen 19. Jahrhunderts mit immer zahlreicheren Fundstücken
nachgewiesene Epoche, verlängert sich in »einer vorweltlichen Tiefe, bis zu welcher die Zeiten des
Menschen und seiner Forschungen nicht hinabreichen«. Die Epochen der Naturgeschichte und der
56

Humangeschichte klaffen hinsichtlich ihrer Dauer immer weiter auseinander. In Anlehnung an Buffons
Interpretation der Schöpfungstage als Metaphern für sieben lange erdgeschichtliche
Entwicklungsperioden spricht Schubert nun von einer »Urwelt […], zu deren Aeonen, wie es scheint,
57

die Jahrtausende meines Geschlechts nur wenige, noch übergelassene Augenblicke sind.« Daß die 58

unterirdische Kryptopie in besonders engem Zusammenhang mit der – im Gefolge Werners – nicht nur
in der deutschen Romantik verbreiteten neptunistischen Erdentstehungstheorie steht, zeigt sich an
Schuberts Hypothese, die Erdrinde umschließe eine große Anzahl von Höhlen, die nach dem Absinken
des Urmeeres das abfließende Wasser aufgenommen hätten. 59

Romantisierung des Bergbaus. Mit einem Blick auf Tiecks ›Runenberg‹ und E.T.A. Hoffmanns ›Bergwerke zu Falun‹«. In:
Aurora 56 (1996), S. 57–77; Irene Bark: Konstruktive Rezeption der Mineralogie bei Novalis. Tübingen 1999, S. 25–66;
sowie Jürgen Daiber: Experimentalphysik des Geistes. Novalis und das romantische Experiment. Göttingen 2001.
54
Zum Thema Literatur und Geologie vgl. die Arbeiten von Helmut Gold: Erkenntnisse unter Tage. Bergbaumotive in der
Literatur der Romantik. Opladen 1990; Theodore Ziolkowski: Das Amt der Poeten. Die deutsche Romantik und ihre
Institutionen. Stuttgart 1992 (Ziolkowski verweist besonders auf den metaphorische Bedeutung des Bergwerks als ›Bild der
Seele‹), sowie zuletzt die Dissertation von Michaela Haberkorn: Naturhistoriker und Zeitenseher. Geologie und Poesie um
1800. Der Kreis um Abraham Gottlob Werner. Frankfurt a. M. u.a. 2004.
55
Der These der Neptunisten, die Welt sei aus Wasser entstanden – dies gelte auch für Mineralien wie den Basalt –
widersprachen die von Werners ältestem Schüler Karl Wilhelm Voigt geführten Vulkanisten, die einen vulkanischen
Ursprung des Basalts postulierten. Die Kontroverse erreichte ihren Höhepunkt in den Jahren 1788/9.
56
Gotthilf Heinrich Schubert: Das Weltgebäude, die Erde, und die Zeiten des Menschen auf der Erde, Erlangen 1852, S. 3,
zit. nach Michaela Haberkorn, s. Anm. 54, S. 282). Vgl. auch auf die Arbeiten zur geologischen Entdeckung der Tiefenzeit
von John McPhee: Basin and Range (1980), Paolo Rossi: I segni del tempo. Storia della terra e storia delle nazioni da
Hooke a Vico (1979) und Stephen Jay Gould: Time’s Arrow, Time’s Cycle (1987, vgl. Anm. 38).
57
Vgl. Georges-Louis Leclerc de Buffon: Epoques de la nature (1778). Vgl. hierzu auch die Studie von Charles Coulston
Gillispie aus dem Jahr 1951: Genesis and Geology. A Study in the Relations of Scientific Thoughts, Natural Theology, and
Social Opinion in Great Britain, 1790–1850. Neuauflag. Cambridge, Mass. u. London 1996.
58
Gotthilf Heinrich Schubert: Allgemeine Naturgeschichte, oder Andeutungen zur Geschichte und Physiognomik der Natur,
Erlangen 1826, S. 2, zit. nach Michaela Haberkorn, s. Anm. 54, S. 281).
59
Vgl. ebd., S. 202f. Die auf Dante und Kircher zurückgehende, zunächst theologisch kabbalistisch inspirierte und
schließlich in der Geognostik diskutierte Vorstellung eines hohlen oder löchrigen Erdinnenraums (vgl. z.B. die höchst
einflußreiche Theorie vom unterirdischen – und für die Sintflut verantwortlichen – Ur-Ozean in Thomas Burnets Telluris
Theoria Sacra (1681, dtsch. Übersetzung 1698) oder Anton Lazzaro Moro: De’ crostacei e degli altri corpi marini… von
1740, dtsch. Übersetzung 1751), bildet die Grundlage zahlreicher literarischer Spekulationen über die Beschaffenheit des
Erdinneren. Hervorzuheben sind hier vor allem Ludvig Holbergs Niels Klims unterirdische Reise (1741), Robert Paltocks
Life and Adventures of Peter Wilkins (1750), Giacomo Girolamo Casanova de Seingalts Icosameron… (1788), John Cleve
Symmes’ und James McBrides Symmes’ Theory of Concentric Spheres… (1826), Jules Vernes Voyage au centre de la terre
(1864), Edward Bulwer-Lyttons The coming race (1871), J.-H. Rosny aînés: La contrée prodigieuse des cavernes (1895),
Edgar Rice Burroughs At the Earth’s Core (1914) und Maurice Champagnes La cité des premiers hommes (1928). Als
›realistischer‹ S.-F.-Autor beschäftigte Verne sich – ausgehend von Berechnungen Buffons, Cordiers, Babbages, vor allem
aber von Thomsons Abkühlungstheorie – auch mit den unterschiedlichen Berechnungen der Erdtemperatur, einer Größe,
von der die Plausibilität seiner literarischen Phantasie abhing.

9
Die literarische Anverwandlung dieser (natur-)wissenschaftlichen Zeitkonzepte, die nicht nur neue
anthropologische Perspektiven, sondern auch neues stofflich-thematisches Terrain erschließt, 60

bedeutete, so Michaela Haberkorn in ihrer Studie zu Geologie und Literatur um 1800, »als
Visualisierung des nicht Sichtbaren und zudem nicht Vorstellbaren eine ungeheure Herausforderung«. 61

Man habe sich daher insofern an der Geologie und ihren Methoden orientiert, »indem man ›Zeiträume‹
darstellte, das heißt Räume wie Höhlen, Bergwerke oder Steinbrüche, wo in Form von Fossilien und
der Abfolge der Gesteinsschichten eine Chronologie der Erde evoziert wurde und die Zeit sozusagen
räumlich präsent war«. Ein besonders klares Beispiel für dieses Verfahren ist Jules Vernes
62

Abenteuerroman Voyage au centre de la terre (1864), in dem die Reise des Geologen Lidenbrock ins
Erdinnere als Zeitreise inszeniert wird. Hier, im Untergrund – aber auch in der literarischen
Darstellung! – wird die Erdgeschichte zu einem sinnlichen Erlebnis: »Doch meine Phantasie macht mir
die wunderbaren Hypothesen der Paläontologie lebendig. […] Jahrhunderte vergehen wie Tage! Ich
schreite im Geist die ganze Erdgeschichte zurück.« Im Grunde antwortet Verne hier in ebenso
63

schlichter wie überzeugender Weise auf die Kritik Goethes, der 1831 die mangelnde Anschaulichkeit
der neuen faktenorientierten Wissenschaft kritisiert hatte:
»Im ganzen denkt kein Mensch daß wir als sehr beschränkte schwache Personen uns ums Ungeheure beschäftigen ohne zu
fragen, wie man ihm gewachsen sei? Denn was ist die ganze Heberei der Gebirge zuletzt als ein mechanisches Mittel ohne
dem Verstand irgend eine Möglichkeit, der Einbildungskraft irgend eine Tulichkeit zu verleihen. Es sind bloß Worte,
64

schlechte Worte, die weder Begriff noch Bild geben.«65

60
Im historischen Roman des 19. Jahrhunderts gibt es zahlreiche Versuche, die schriftlose Frühgeschichte des Menschen
imaginativ zu rekonstruieren. Dabei entsteht auch eine Reihe von Werken, die das neue archäologische Wissen über antik-
pompeijanische und ägyptische Phantasien hinaus bis in die Urzeit des Menschen ausdehnen. Vgl. in diesem Kontext vor
allem die Romane von J.-H. Rosny aîné Vamireh (1891), Eyrimah (1895), Nomaï, amours lacustres (1897) sowie der
inzwischen auch verfilmte Roman La guerre du feu (1911). Im deutschen Sprachraum wäre in diesem Zusammenhang der
›Jugend-Bestsellerroman‹ Rulaman von David Friedrich Weinland aus dem Jahr 1875 zu erwähnen, der – gestützt auf
zahlreiche, der Erstausgabe beigelegte archäologische und paläontologische Zeichnungen – mit dem Anspruch auftritt, aus
»Knochen und Rentiergeweihe[n], Feuersteine[n] und Tonscherben, d[en] Waffen und Gerätschaften der Höhlenmenschen«
so genaue Schlüsse ziehen zu können, dass seine literarische Darstellung der Steinzeit auf der Kenntnis von »Urkunden«
beruhe, die »so deutlich geschrieben wie die Bücher und vielleicht untrüglicher als sie« seien (David Friedrich Weinland:
Rulaman. Reutlingen 2003, S. 28).
61
Michaela Haberkorn, s. Anm. 54, S. 60.
62
Ebd.. Mit der Literarisierung der Tiefenzeit bei Lichtenberg, Nietzsche, Stifter und Droste-Hülshoff befaßt sich Georg
Braungart in: »Apokalypse in der Urzeit. Die Entdeckung der Tiefenzeit in der Geologie um 1800 und ihre literarischen
Nachbeben«. In: Ulrich G. Leinsle u. Jochen Mecke (Hg.): Zeit, Zeitenwechsel, Endzeit. Zeit im Wandel der Zeiten,
Kulturen, Techniken und Disziplinen. Regensburg 2000, S. 107–120.
63
Jules Verne: Reise zum Mittelpunkt der Erde, s. Anm. 11, S. 273f. Auf ihrer Reise begegnen die Forscher nicht nur
»Urgestein« (ebd., S. 161), »vorsintflutlichen Pflanzen« (ebd., S. 256) und Knochen, sondern auch lebenden Fossilien,
einem blinden »Pterichty« (ebd., S. 272), einem »Ichthyosaurus« (ebd., S. 285) und einer Gruppen von »Quartärmenschen«
(ebd., S. 323). Schon Thomas Burnet hatte in seiner Telluris Theoria Sacra über die Existenz von unterirdischen Monstern
spekuliert.
64
Wie stark die kollektive Einbildungskraft in den anschließenden Jahrzehnten dann von archäologischen und kryptopischen
Modellen affiziert wurde, zeigt deren Anverwandlung in der Psychoanalyse. Blumenberg zitiert ausführlich aus einem
Traum C.G. Jungs, in dem die »Kontamination von psychischer Individualgeschichte und Gattungsgeschichte«
(Höhlenausgänge, s. Anm. 26, S. 694) ganz evident wird. Der Traumbericht schildert einen Abstieg vom Obergeschoss in
den Keller, wobei die Treppe sukzessive an Rokokomöbeln, mittelalterlicher Dunkelheit und römischem Mörtel vorbeiführt,
bis der Träumer schließlich unter dem Keller eine »niedrige Felshöhle« mit den »Überreste[n] einer primitiven Kultur«
(ebd.) entdeckt. Blumenberg sieht in Jungs Traumbericht den Beginn seiner Ablösung von Freud: »Das Unbewußte ist der
Fundus des Archaischen, nicht nur des Infantilen« (ebd., S. 695). Jung öffnet hier gewissermaßen die zu Ofterdingen
komplementäre ›Tapetentür‹: Sein Weg führt nach unten.
65
Johann Wolfgang v. Goethe: Geologische Probleme und Versuch ihrer Auflösung. Februar 1831. In: Die Schriften zur
Naturwissenschaft, hg. von K. Lothar Wolf u.a., 1. Abteilung, Bd. 11: Aufsätze, Fragmente, Studien. Weimar 1970, S. 316–
319, hier: S. 316.

10
Auf der Basis dieser allmählichen Annäherung von Naturalisierung und Historisierung, die zugleich die
Ausdifferenzierung von Naturgeschichte und Geistesgeschichte impliziert, beschreibt Friedrich
Schlegel das ›natürliche‹, traditionelle geschichtsphilosophische System als dasjenige eines
»Kreislaufs«, das der philosophischen Bildung hingegen als eines »der unendlichen Fortschreitung«.
Beide Geschichtsmodelle stünden sich zwar als »schnurstracks entgegengesetzte[ ] Systeme«
gegenüber, entsprächen aber zugleich »wie vollendete Wechselbegriffe sich gegenseitig auf das
vollkommenste«. 66

Damit gelangt die Untersuchung zur dritten Temporalität des Höhlenkapitels, dem zyklisch iterativen
Zeitmodus. Symptomatisch wird das im Kontext der frühromantisch-idealistischen Philosophie
entwickelte und sich bis Ende der 1820er Jahre zu einem hochkomplexen ideengeschichtlichen Substrat
fortschreibende triadische Geschichtsmodell mit seiner Vorstellung der (potenzierten) Wiederkehr
nicht nur in der suggerierten Verknüpfung des jungen Heinrich mit seinem ana- bzw. proleptischen
Doppelgänger »aus einer andern Zeit«, sondern auch in der Figur des Friedrich von Hohenzollern.
67

Schon das in Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (entst. 1782-1788, publ.
1784-1791) dargelegte Konzept einer »Dreistufigkeit von Ausgang, Abfall und Rückkehr« rekurriert 68

auf den zeit- und geschichtsphilosophischen Prämissen von Reversibilität, Wiederholung und
›Wiedergeburt‹, die sich in den Jahrzehnten nach 1800 dann zu einem auch poetologisch höchst
69

wirksamen Paradigma verdichten. 70

Unter dem Stichwort »Romantik etc.« verzeichnet Novalis kurz vor der Jahrhundertwende folgende
Überlegung: »(Mit der Zeit muß d[ie] Gesch[ichte] Märchen werden – sie wird wieder, wie sie
anfing.)« Romantische Geschichtsphilosophie bedeutet für Novalis die Erkenntnis einer innigen
71

dialektischen Umschließung von Vergangenheit und Zukunft. Die Grundthese der Aufklärung, daß
»das Menschengeschlecht progrediendo etc. geht« kommentiert er hingegen ambivalent bis skeptisch:
72

»Sukzessive schreitet der Mensch fort – mit jedem wahren Schritte leichter – mit jeder erlangten Geschwindigkeit wächst
der Raum. Nur der rückwärtsgekehrte Blick bringt vorwärts, da der vorwärtsgekehrte Blick rückwärts führt.
PHIL[osophische] HIST[orik]. (Ob das Menschengeschlecht progrediendo etc. geht, ist eine sonderbare, unbeantwortliche,
phil[osophische] Frage; warum fragt [man] nicht auch – verändert sich das Menschengeschlecht? Diese Frage ist höher –
aus der Veränderung läßt sich erst ein Schluß auf die Verbesserung oder Verschlimmerung ziehn.) […]«.73

66
Friedrich Schlegel: Die Griechen und Römer. Historische und kritische Versuche über das Klassische Altertum (1797). In:
Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 1. Hg.: Ernst Behler. München u.a. 1985. S. 203-367, hier: S. 361ff. In seiner
Vorlesung Propädeutik und Logik von 1805-1806 heißt es dazu analog: Das »ontologische Gesetz des Werdens, welches
sich bezieht auf die Tätigkeit und Entwicklung der Wesen […] kann das ›Gesetz des ewigen Kreislaufes‹ genannt werden«
(In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 13. Hg.: Jean-Jacques Anstett. München u.a. 1964. S. 283).
67
Heinrich von Ofterdingen, s. Anm. 2, S. 204.
68
Klaus-Dieter Sorg: Gebrochene Teleologie. Studien zum Bildungsroman von Goethe bis Thomas Mann. Heidelberg 1983,
S. 38.
69
Zur kryptopischen Wiedergeburtsthematik vgl. auch die komparatistischen Analysen in: Aurélia Gaillard (Hg.):
L’imaginaire du souterrain. Paris 1998
70
Vgl. hierzu meine Studie »Es kehret alles wieder«, s. Anm. 32.
71
Novalis ›Aus dem »Allgemeinen Brouillon«‹ (1798-1799). In: Werke. Studienausgabe. (Hg.: Gerhard Schulz). München
1981, S. 429-498, Nr. 31, S. 456.
2

72
Ebd., Nr. 92, S. 477.
73
Ebd.

11
In diesen ›rückwärtsgewandten Blick‹ gerät nun – im Kreis der romantischen Literaten und
Philosophen zuerst bei Novalis, Tieck und Wackenroder – die Welt des europäischen Mittelalters,
dessen Poetisierung Novalis nicht nur im Heinrich von Ofterdingen, sondern parallel dazu auch in
74

seinen geschichtsphilosophischen Fragmenten und Essays betreibt. Kernstück dieser


Geschichtsmythologie bildet die für Novalis charakteristische Verknüpfung der alten Kaisersage des 75

deutschen Mittelalters mit eschatologischen Vorstellungen, welche, wie Hans-Joachim Mähl bemerkt,
in einer »Überlieferungslinie« wurzeln, die aus dem Chiliasmus kommend »statt auf den
wiederkehrenden Christus auf einen wiederkehrenden irdischen Monarchen gerichtet ist«. Auch 76

Friedrich von Hohenzollern scheint, analog zu Barbarossa in den diversen Kaisersagen, im Innern der
Höhle auf seine – politische – Auferstehung zu warten: seine ›kostbare‹ Rüstung hängt jedenfalls
unbeschädigt an der Wand. Was Novalis im Heinrich von Ofterdingen nur diskret antönt und mit einer
Aura von Märchenhaftigkeit umgibt, formuliert Friedrich Schlegel wenige Jahre später dann allerdings
als manifesten politischen Wunsch: Bereits 1803 träumt er davon, daß »der schlummernde Löwe
[gemeint sind das hochmittelalterliche Kaisertum und die Adelsgeschlechter der Welfen und Staufer]
77

noch einmal erwachen« möge, »damit die künftige Weltgeschichte noch voll sein [werde] von den
Taten der Deutschen«, denn »unter den welterobernden Nationen der Vergangenheit, nahmen die
Deutschen eine der ersten Stellen ein«. 78

Wenn also die Vorstellungen von Zeit und Geschichte seit dem 18. Jahrhundert immer stärker in den
Sog der allgemeinen ideen- und mentalitätengeschichtlichen Säkularisierung geraten und neue, zum
Teil bereits auf empirischen Forschungen beruhende Zeitmodelle, insbesondere aus dem Bereich der
Geologie, die Ablösung vom mosaischen Zeithorizont beschleunigen, sind andere Zeitkonzepte damit
keineswegs ad acta gelegt. Zahlreiche Werke der europäischen Romantik und Restaurationszeit, später

74
Vgl. dazu: Ira Kasperowski: Mittelalterrezeption im Werk des Novalis. Tübingen 1994, und dies.: »Novalis und die
zeitgenössische Geschichtsschreibung. Zum Bild des Mittelalters im ›Heinrich von Ofterdingen‹«. In. Herbert Uerlings
(Hg.): Novalis und die Wissenschaften. Tübingen 1997. S. 269–283.
75
Novalis bezieht sich hier auf verschiedene Sagen (z.B. die Kyffhäusersage), in denen der deutsche Kaiser – zunächst
Friedrich II., dann dessen Großvater Friedrich I. Barbarossa – an einem unterirdischen Ort die Jahrhunderte überdauert, um
in einem neuen Goldenen Zeitalter zurückzukehren und seine Herrschaft anzutreten. Die Sage wurde im frühen 19.
Jahrhundert – nicht zuletzt bei der Suche nach einem deutschen Nationalmythos – von zahlreichen Autoren aufgegriffen
und bearbeitet. Vgl. aber auch Heinrich Heines – im Gegensatz etwa zur Version Emanuel Geibels – ambivalente
Einstellung zur ›mythischen‹ Figur Barbarossas, dem sowohl messianische (z.B. im ursprünglichen Schlußteil der
Elementargeister von 1834) als auch komisch lächerliche (z.B. als »Herr Rothbart« in Caput 14 bis 17 des
Wintermährchens von 1844) Züge verliehen werden, bis er in der Verserzählung Bimini (1852) zum Zentrum einer
selbstreflexiven und selbstkritischen Absage an die ›scheintoten Wünsche‹ einer Wiederkehr des Mythos wird. In dem
unterirdischen und sowohl von Novalis wie auch von Walter Scott geprägten Palast, den Wilhelm Hauff in Lichtenstein
(1826) entwirft, ist es Herzog Ulrich zu Württemberg, der auf seine politische Wiedergeburt wartet. Was auf das
›romantische‹ Phantasma des deutschen Mittelalters zutrifft, gilt freilich auch für das ›klassische‹ Phantasma der Antike und
dessen Funktion in der frühen Archäologie: »Die antiken Göttermenschen sind lebendig Begrabene; als verschüttete Geiseln
einer leblosen Nachwelt harren sie der Entdeckung im wörtlichen Sinne« (Alexander Honold: Nach Olympia, s. Anm. 49, S.
43).
76
Hans-Joachim Mähl: Die Idee des goldenen Zeitalters im Werk des Novalis. Studien zur Wesensbestimmung der
frühromantischen Utopie und zu ihren ideengeschichtlichen Vorau ssetzungen. Heidelberg 1965. Tübingen 1994, S. 232.
2

77
Schlegels spätere Hinwendung zur österreichischen Kaisergeschichte wird begleitet vom expliziten Wunsch der
Restauration: »das wahre Kaisertum [müsse] wieder hergestellt werden« (Friedrich Schlegel: Zur österreichischen
Geschichte. 1807. In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 20. Hg.: Ernst Behler. München u.a. 1995. S. 107-160,
hier: S. 118).
78
Friedrich Schlegel: Reise nach Frankreich (1803). In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 7. (Hg. Ernst Behler).
München u.a. 1966. S. 56-79, hier: S. 61.

12
des Fin de Siècle, der sogenannten Dekadenzdichtung und Neuromantik, vertreten dezidiert
gegenaufklärerische Zeit- und Geschichtsmodelle. Diese für die Literatur der Moderne auch
erzähltheoretisch konstitutive, zum Teil durchaus konfliktträchtige Komplexität der Zeitvorstellungen
wird in den zitierten Passagen aus Heinrich von Ofterdingen vorweggenommen. Man kann diesen Text
daher als eine Art motivgeschichtlichen Keim betrachten, in dem sich eine ganze Reihe kommender
Entwicklungen bereits in nuce abzeichnen.
IV. (Oben/Unten, Mittag) Dies gilt auch für die schon bei Novalis – hier vor allem im
Zusammenhang einer Dekodierung der ›Chiffren der Natur‹ – deutlich hervorgehobene Korrespondenz
von Geologie und Astronomie bzw. Astrologie. Beide werden in Übereinstimmung mit ihrer
wissenschaftshistorischen Verknüpfung als kosmischer Zeitindex apostrophiert. So bezeichnet
79

Hohenzollern die Bergmänner als »verkehrte[ ] Astrologen«, denn »jene studieren die Kräfte und
Einflüsse der Gestirne, und ihr untersucht die Kräfte der Felsen und Berge […]. Jenen ist der Himmel
das Buch der Zukunft, während euch die Erde Denkmale der Urwelt zeigt.« Ungeachtet der im 19.
80

Jahrhundert im Prinzip zwar bereits bekannten, doch in konkreten Größenordnungen noch kaum
meßbaren Tatsache, daß der nächtliche Sternenhimmel kein Bild der Zukunft, sondern im Gegenteil
eine Ansicht der kosmischen Vergangenheit wiedergibt, entwickelt sich um 1800 die Vorstellung einer
81

Affinität von Universum und Zukunft bzw. von Astronomie und Utopie oder – in nichtfiktionalen
Texten – von Astronomie und Heterotopie. In der Phantastik und Science Fiktion um 1900 wird diese
Verbindung dann geradezu zu einem literarischen Topos. Hier beerbt die Astronomie gewissermaßen
den Zukunftsindex der Astrologie. Der ferne Planet wird nun – oft in einem höchst vordergründigen
Sinne – zur Projektionsfläche futuristischer Phantasien.
Diese auch bei Novalis angelegte raumzeitliche Schematisierung mag nun zunächst einmal mit der
simplen Korrelation von räumlichen Koordinaten und Zeitebenen zusammenhängen: eine mentale
Verräumlichung des Zeitempfindens, bei dem der Zeitpfeil von unten nach oben oder, entsprechend der
Leserichtung, von links nach rechts verläuft: »Die Worte des Alten hatten eine versteckte Tapetentür in
ihm geöffnet. Er sah sein kleines Wohnzimmer dicht an einem erhabenen Münster gebaut, aus dessen
steinernem Boden die ernste Vorwelt emporstieg, während von der Kuppel die klare fröhliche Zukunft

Die aufgrund astronomischer Beobachtungen und Berechnungen gewonnenen neuen – allerdings noch stark variierenden –
79

Erkenntnisse über das Alter des Universums gestattete es den Geologen, später auch den Evolutionstheoretikern der
Biologie, die für die von ihnen postulierten Entwicklungsvorgänge notwendigen Zeitspannen drastisch zu erweitern und
dadurch plausibel zu machen. Zum wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhang von Astronomie und Geologie vgl. auch
Hans Blumenberg: Die Vollzähligkeit der Sterne. Frankfurt a. M. 1997.
Heinrich von Ofterdingen, s. Anm. 2, S. 200.
80

Analog zu Novalis deutet auch Gotthilf Heinrich Schubert sowohl außerirdische wie auch unterirdische Erscheinungen als
81

Zeichen einer – möglicherweise wiederkehrenden – Vergangenheit. Astronomie und Geognostik besitzen hier denselben
rückwärtsgewandten bzw. zyklischen Zeitindex: »Gleich den flüchtigen Bildern einer nächtlichen Traumwelt, in denen sich
uns eine ferne Vergangenheit abspiegelt, wandeln die Bilder und Gleichnisse einer weit entfernten, nächtlichen Lichtwelt –
die Cometen – über und durch unsre abgeschiedene Insel […]. Jene sprechen meist nur aus harmloser Ferne von dem
Räthsel einer alten Vergangenheit, aber tief unter unsren Füßen schlummert aus alter Zeit eine verhüllte Sphinx, ein
Trümmer-Meer der alten Zeit, eine Welt der unterirdischen Meteore, bei deren Emporsteigen die Gewölbe der festen
Erdrinde erbeben.« (Gotthilf Heinrich Schubert: Die Urwelt und die Fixsterne. Eine Zugabe zu den Ansichten von der
Nachtseite der Naturwissenschaft. Nachdr. der Ausg. Dresden 1822, hg. von Heike Menges, Eschborn 1994, S. 5f.).

13
in goldenen Engelskindern ihr singend entgegenschwebte.« Zwar handelt es sich – analog zu vielen
82

anderen kognitiven Repräsentationsmustern – auch beim Links-Rechts- oder Unten-Oben-Schema


vermutlich weniger um anthropologische Konstanten als um mentalitätengeschichtlich und
ethnographisch differenzierbare Vorstellungen, die Rekurrenz ist jedoch derart frappierend, daß die
Verortung von Vergangenheit im Unterirdischen und von Zukunft im Außerirdischen in dem hier
präsentierten Zusammenhang durchaus als kryptopische Faustregel gelten mag.
Während die interstellaren Reisen des 17. und 18. Jahrhunderts weitgehend satirische Funktionen
83

erfüllen und ganz dem Blick auf eine phantastisch verfremdete Gegenwart verpflichtet sind, begegnet 84

der Mond-, Mars- oder Venusreisende des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts auf dem fremden
Gestirn einer Zivilisation, in der er eine Antizipation terrestrischer Entwicklungen erblickt. In dem
fingierten und John Herschel zugeschriebenen ›Wissenschaftsbericht‹ Some account of the great
astronomical discoveries lately made by Sir John Herschel at the Cape of Good Hope (1835), mit dem
der New Yorker Journalist Richard Adams Locke seine leichtgläubigen Zeitgenossen auf die Probe
stellen wollte, erblickt der Beobachter im Teleskop neben Mondkälbern und anderem selenitischen
Getier schließlich auch »große[ ] beflügelte[ ] Geschöpfe«, welche »menschlichen Wesen gleich […]
85

sowohl aufrecht als würdig« und wie »vernünftige Wesen«, ja den Erdbewohnen sogar überlegen
86 87

erscheinen, da sie offenbar »herrliche[ ] Kunstwerk[e]« auf dem Mond geschaffen haben. Der Text
88

findet zahlreiche Nachahmer. Nachdem die These einer Pluralität der Welten, die Frage nach der 89

82
Heinrich von Ofterdingen, s. Anm. 2, S. 191. Vom irdischen Zentrum fort »nach der Peripherie« und zur »Bahn des
Jupiter« (J. W. v. Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, oder Die Entsagenden. In: Werke. Hamburger Ausgabe, hg. von
Erich Trunz, Bd. 8, München 1998, S. 449 u. 451) strebt auch jenes der divinatorischen Astronomie zugeneigte medial-
ätherische Wesen namens Makarie aus Wilhelm Meisters Wanderjahren, dessen »Weissagekunst […] aus dem
Gegenwärtigen das Zukünftige« erkennt« (ebd., S. 461). Und auch hier gibt es in den Figuren Makarie und Jarno-Montan
die vertikale Polarität von Außer- und Unterirdischem.
83
Vgl. Francis Godwins The Man in the Moon… (1648), Cyrano de Bergeracs L’autre Monde ou les Etats et Empires de la
lune (1657), in dem Erde und Mond, je nach Perspektive, die Plätze vertauschen, oder Voltaires Micromégas… (1752), in
dem Giganten vom Saturn und von Sirius die Erde besuchen.
84
Bei den unterirdischen und extraterrestrischen Reisen des 17. und 18. Jahrhunderts überwiegen die utopischen Aspekte:
der unbekannte Ort, ob unterirdisch, insularisch, außerirdisch oder auf fremden Kontinenten angesiedelt, dient stets der
imaginären Entwicklung ›möglicher Welten‹ und nicht der kryptopischen Evokation von Vergangenheit bzw. von
›vollendeter Zukunft‹.
85
Neueste Berichte vom Cap der guten Hoffnung über Sir John Herschels höchst merkwürdige astronomischen
Entdeckungen den Mond und seine Bewohner betreffend. Hamburg 1836, S. 89. Edgar Allan Poe, der mit seiner eigenen,
kurz zuvor erschienenen Erzählung einer Mondreise, Hans Phaal, a Tale (1835), in eine gewisse Konkurrenzsituation zu
Locke geriet, unterzog dessen Bericht in einer Nachbemerkung zu Hans Phaal aus dem Jahr 1840 einer detaillierten Kritik,
die eine ganze Reihe von wissenschaftlichen und erzählerischen Ungereimtheiten zusammenstellt.
86
Ebd., S. 90.
87
Ebd., S. 92.
88
Ebd., S. 105.
89
In dem Roman-Essay Lumen (1866–1887) und in der Studie Les mondes imaginaires et les mondes réels. Voyage
pittoresque dans le ciel (1868), die eine Fülle von Literatur vorstellt und aufbereitet, entwirft der einflußreiche französische
Astronom und Okkultist Camille Flammarion die Grundzüge eines neuen, zwischen Naturwissenschaft, Esoterik und
Spiritismus stehenden Diskurses, der sodann, auch in seinem eigenen Werk (vgl. z.B. Stella von 1897), in die frühe Science
Fiktion eingeht. In zahlreichen Schriften, vor allem in La pluralité des mondes habités, au point de vue de l'astronomie, de
la physiologie et de la philosophie naturelle (1873), bezieht sich auf den von Thomas Dick im frühen 19. Jahrhundert
propagierten sogenanten ›Pluralismus‹ und damit indirekt auf Immanuel Kants Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des
Himmels (1755), die mit Überlegungen über die ›Bewohner der Gestirne‹ endet und die Entstehung des Alls allein aus der
Materie und ihren Kräften erklärt. Außerdem berief Flammarion sich auf die okkultistischen und astronomischen Schriften
und Briefstellen bei Victor Hugo sowie auf dessen Légende des Siècles (1859).

14
möglichen Besiedlung des Mars sowie – im Zeitalter des Kolonialismus und Imperialismus
90

gewissermaßen als negative Selbst-Projektion – nach der eventuellen Aggressivität der Marsianer 91

gestellt und in der französischen und angelsächsischen Literatur bereits diskutiert waren, findet sich in
einem der ersten deutschen Science Fiktion-Romane, in Kurd Laßwitz’ Auf zwei Planeten (1897), der
von großem technologischem Optimismus getragene Entwurf einer sowohl technisch wie ethisch
avancierten außerirdischen Zivilisation, die als Kulturstifterin schließlich sogar – vorübergehend – die
Erde kolonialisiert, da sie mit ihrer »gewaltige[n] Überlegenheit des Geistes« zu einer »Höhe der 92

Entwicklung gelangt« sei, »die uns Menschen als fernes Ideal vorschwebt«. Entsprechend fühlen sich
93

die menschlichen Marsreisenden »der Gegenwart entrückt und in eine ferne Zukunft geführt«. 94

Als räumliches Reservat für Zukunftsvisionen kann die außerirdische Kryptopie freilich nur dienen,
95

solange genügend anthropomorphe Merkmale eine Vergleichbarkeit von Mars- und Erdbevölkerung
zulassen. Diese Gleichung aber wird um 1900 zunehmend in Frage gestellt. Die letztlich auch mit der
allgemeinen Frage nach der Beschaffenheit des Lebens verbundene literarische Gestaltung einer
absoluten Differenz der außerirdischen Biologie begründet eine im 20. Jahrhundert zentrale Tendenz,
96

die die kryptopische Zeitfunktion der interstellaren Reisen schließlich verdrängt. 97

Eine bemerkenswert ›novaleske‹ Assoziation astronomischer und geologischer Theorien mit der
romantischen Signaturenlehre formuliert August Strindberg in seinen naturphilosophischen
Betrachtungen Jardin des Plantes von 1896. Auch hier erfährt die vertikalisierte Historie eine geheime
Verortung im Erdinnern bzw. im Weltall:

90
Ende des 19. Jahrhunderts entwarf der exzentrische amerikanische Diplomat Percival Lowell in mehreren Publikationen
(u.a. Mars, 1895) ein detailliertes Szenario für das Leben auf dem Mars. Inspiriert wurde er durch den italienischen
Astronomen Giovanni Schiaparelli, der den Mars durch ein Teleskop beobachtet und dabei – wie andere vor ihm – Furchen
entdeckt hatte, die er ›canali‹ (Furchen, Rinnen, Kanäle) nannte. Sein 1878 veröffentlichter Mars-Atlas wurde zu einer
Weltsensation. Den Begriff ›canali‹ übersetzte man mit dem konnotativ engeren ›canals‹. Lowell ging davon aus, daß nur
intelligente Marsbewohner solche gigantischen Bewässerungskanäle angelegt haben konnten. Man nahm an, daß mit diesem
Bewässerungssystem das Wasser der vereisten Polkappen in die Wüstengegenden am Äquator umgeleitet wurde. Lowells
Thesen regten ganze Generationen von Science Fiktion-Autoren zu immer neuen Mars-Chroniken an. Zur Kulturgeschichte
der Marsbegeisterung und Marsliteratur im späten 19. Jahrhunderts vgl. Pierre Lagrange: Le guide du touriste spatial. Sur
mars. Paris 2003; sowie: Isaac Asimov: Extraterrestrial Civilizations. New York 1979.
91
Vgl. zuerst Herbert George Wells: The war of the worlds (1897).
92
Kurd Lasswitz: Auf zwei Planeten. (Ost-)Berlin 1984, S. 45. In Jules Vernes Atour de la lune (1869) ist dieser
Zeitvorsprung allerdings so groß, daß die Mondbevölkerung bereits wieder ausgestorben ist.
93
Kurd Lasswitz: Auf zwei Planeten, s. Anm. 92, S. 70. Die Marsianer sind sogar zeitweise der Ansicht, »daß die
menschliche Rasse überhaupt nicht kulturfähig« (ebd., S. 629) sei.
94
Ebd., S. 107.
95
An Lowells Marstheorie anknüpfende außerirdische Zukunftsvisionen bieten auch Ferdinand Kringels (d.i. Waldemar
Schilling) Von der Erde zum Mars (1905) und Albert Daibers Die Weltensegler. Drei Jahre auf dem Mars (1910).
96
Im Gegensatz zur stark satirisch und gesellschaftskritisch ausgerichteten sowjetischen Science Fiktion (Die
Marsbevölkerung in Alexej Tolstojs Aelita, 1923, steht z.B. unmittelbar vor einer proletarischen Revolution) oder zu
Werken des Physiologen und ›Psychophysikers‹ Gustav Theodor Fechner (Professor Schleiden und der Mond, 1856) oder
seines Schülers Kurd Laßwitz, deren Mond- und Marsvisionen eng mit dem Geschehen auf der Erde verknüpft bleiben,
entwickeln französische Science Fiktion-Autoren wie Flammarion oder J.-H. Rosny aîné (z.B. in Les autres vies et les
autres mondes, 1924) Vorstellungen einer »diversité infinie: Ainsi, chaque monde est habité par des races essentiellement
différentes.« (Camille Flammarion: Lumen. Paris o. J. [1866–1887] S. 239). Rosny aîné beschreibt nicht nur phantastische
außerirdische Landschaften (in: Les terres du ciel, 1877 u. 1884), sondern erfindet mit seinen Les Xipéhuz (1887),
mineralischen Intelligenzen, die völlig anders denken und kommunizieren als Menschen, eine Alternative zum naiven
Anthropomorphismus. Stattdessen kommt hier das vollkommen Andere, Unvorstellbare zum Zug.
97
Dramaturgisch überflüssig wird sie bereits durch die literarischen Erfindung der technisch gestützten Zeitreise in Wells
The time machine (1888-1895).

15
»Mag sein – alles ist ja möglich –, daß die Erde Kleinplaneten, Meteorsteine größeren Formats mit eigenem ausgebildetem
organischen Leben, verschlungen hat und daß diese Zusammenstöße bestimmte der schwer erklärbaren geologischen
Bildungen mit fossilen Pflanzen und Tieren mit sich gebracht haben, die nicht zur eigenen Entwicklungsgeschichte der Erde
zu zählen sind? […] Würde Flammarion, der die Kanäle des Mars kartiert, um die Voraussicht der Marsbewohner im
98

Himmel auf ›die Depression der Tagundnachtgleichepunkte‹ zu beweisen, diese Kanalzeichnungen mit den Ätzfiguren auf
dem Meteoriteneisen vergleichen, könnte er die Meteoriten als Briefsendungen an die Erde auffassen, mit Warnungen, was
uns noch bevorsteht. Zu leugnen ist nicht, daß man, sieht man zum erstenmal diese Zeichnungen auf dem großen
Meteoriteneisen aus den Alpes Maritimes, den Eindruck von Schriftzeichen hat […]. Der große Pan ist bestimmt nicht tot,
auch wenn er krank war, aber ein Orpheus muß irgendwann in die Unterwelt, Leben zu singen, in die Steine, die nicht tot
sind, sondern schlafen!« 99

Hier offenbart das Unterirdische die Urgeschichte des Außerirdischen, eine nur schlafende, zu neuem
Leben zu erweckende kosmische Vergangenheit. Zugleich fungiert das außerirdische Dispositiv als
Kultur- und Schriftbringer, als Zeuge einer bereits vollendeten Zukunft, dessen »was uns noch
bevorsteht«.
Schon dieses Beispiel zeigt, daß die vertikale Zeitachse literarisch durchaus auch in umgekehrter
Richtung bespielt werden kann. In Edward Bulwer-Lyttons Kryptopie (The coming race, 1871) etwa
100

fließen – analog zur Höhle bei Novalis – Vergangenheit und Zukunft ineinander: Zwar sind die ›Vril-
ya‹, jene beeindrucken Bewohner des Erdinneren, Nachfahren eines vorsintflutlichen Geschlechts,
dessen Architektur an »frühe ägyptische«, »korinthische«, oder »etruskische« Formen erinnert – auch
101

begegnet man im Erdinneren so manchem »monströse[ n] Reptil« – auf der anderen Seite verfügen sie
102

jedoch über technische, mentale und politische Errungenschaften, mit denen sie die auf der »Oberwelt
103

[…] lebenden niederen Rassen« mit Leichtigkeit zu vernichten gedenken. Entsprechend endet der
104

Roman mit einer »Warnung vor DEM KOMMENDEN GESCHLECHT«. Bei Bulwer-Lytton fungiert das
105

Erdinnere also sowohl als Hort der Vergangenheit wie auch der Zukunft.
Nun entspricht diese Fusion der zeitlichen Koordinaten zum einen dem schon bei Novalis
angetroffenen zyklischen Zeitmodell – das Kommende ist das verborgene Uralte –, zum anderen zeigt
sich hier aber auch die Komplexität der geologischen und archäologischen Intertexte. So vertritt z.B.
James Hutton, dessen neptunistische Theorien Bulwer selbstverständlich kannte, die Auffassung, es

Flammarion veröffentlicht 1876 eine Karte des Mars, die – noch vor Schiaparellis Atlas – für Aufsehen sorgte.
98

99
August Strindberg: Das Seufzen der Steine. In: Jardin des plantes (1896) In: August Strindberg: Verwirrte
Sinneseindrücke. Schriften zu Malerei, Photographie und Naturwissenschaften, hg. von Thomas Fechner-Smarsly.
Amsterdam u. Dresden 1998, S. 141–174, hier: S. 169f.
Selbst bei Laßwitz findet sich diese regressive Gegenrichtung: In den Händen der Marsianerinnen verbringen die Erdlinge
100

»ihre Tage wie in einem köstlichen Märchen« (Auf zwei Planeten, s. Anm. 92S. 103). Wie Zee, die junge ›Gy‹ mit dem
»Sternenglanz auf ihrer Stirn« (Das kommende Geschlecht, s. Anm. 8, S. 182) aus Bulwer-Lyttons The coming Race, besitzt
auch die Marsianerin La hypnotisch-magnetische Fähigkeiten (vgl. Auf zwei Planeten, Kap. 6.: »In der Pflege der Fee«, s.
Anm. 92, S. 51–60). In Deutschland war das Werk Bulwer-Lyttons bis in die 1880er Jahre in mehreren Gesamtausgaben
erhältlich.
Das kommende Geschlecht, s. Anm. 8, S. 12f.
101

Ebd., S. 12.
102

Da Bulwer-Lytton weder viel vom technischen Fortschritt, noch von der Demokratie und schon gar nichts von der
103

Emanzipation der Frau hielt, werden den – nach Bachofens Vorstellungen eines ›chtonischen‹ Matriachat und wohlgemerkt
als Dystopie konzipierten – ›Vril-ya‹ größere kulturelle und literarische Leistungen vorenthalten… (vgl. Kap. 16 u. 17).
Vgl. Johann Jakob Bachofen: Das Mutterrecht. Eine Untersuchung über Gynaikratie der alten Welt nach der religiösen und
rechtlichen Natur (1861).
Das kommende Geschlecht, s. Anm. 8, S. 78.
104

Das kommende Geschlecht, s. Anm. 8, S. 184.


105

16
läge »at the bottom of the ocean the foundation of the future land, which ist to appear after an indefinite
space of time«. Betrachtet die Geologie die Erdgeschichte aber als zyklisches Wechselspiel von
106

Sedimentierung und Eruption – was unten ist, wird wieder hochgespült – so liegt wiederum der
Analogieschluß zur Humangeschichte nahe: Warum sollte dann nicht auch ein längst untergegangenes
Geschlecht wiederauferstehen?
War bei Bulwer-Lytton die Wiederkehr der präadamitisch atlantischen ›Vril-ya‹ letztlich negativ
konnotiert, so entwickelt die um 1900 boomende Atlantis-Literatur diesbezüglich ganz andere
Präferenzen. Die Suche nach dem verlorenen Kontinent wird zur Suche nach einer aus der mythischen
107

Vergangenheit gespeisten Identität. Das Rätsel des Untergangs mutiert zum Mythos der Wiederkehr.
108 109

Ausgelöst wurde die Atlantis-Mode 1882 durch das Buch Atlantis. The Antediluvian World des
Amerikaners Ignatius Donelly, das vor allem in theosophischen Kreisen rege Aufnahme fand. In der
Amalgamierung mit keltischen Sagen, rassistischen Lehren, spiritistisch-okkultistischen Spekulationen
und einer im Fin de Siècle verbreitenden Tendenz zu esoterischem Sektierertum entstand im frühen 110

20. Jahrhundert sodann ein regelrechter Atlantis-Kult, dessen Ausläufer bis in die Literatur des (Proto-
111

)Faschismus reichen. In diesem Kontext mutiert die Kryptopie nun – ganz im Zeichen der
112

›Konservativen Revolution‹ – zu einem Reservoir reaktionärer Wiedergeburtshoffnungen. Die


113

Übertragung diverser Auferstehungs- und Wiedergeburtsmythen auf den zeitgenössischen Kontext

James Hutton: System of the Earth, 1785. Faksimiledruck, hg. von George W. White. New York 1973, S. 27f. (vgl. ebd.,
106

S. 47).
Eine motivische Verwandtschaft besteht zu dem vor allem in der französischen Aufklärung (vgl. u.a. Voltaires Candide
107

von 1759, in dem die Reise nach Eldorado durch einen unterirdischen Tunnel führt) und englischen Phantastik seit Samuel
Butlers Erewhon or Over the Range (1872) verbreiteten Motiv der ›lost world‹, das sodann im frühen 20. Jahrhundert zu
einer auf einem südamerikanischen Hochplateau (vgl. Arthur Conan Doyle The lost world, 1912), in Afrika (vgl. J.-H.
Rosny aîné: L’étonnant voyage de Hareton Ironcastle, 1922) oder auf einer Insel im Pazifik (vgl. H.G. Wells: Aepyornis
Island, 1894, oder den Abenteuerroman des Tarzan-Erfinders Edgar Rice Burroughs: The Time that Land Forgot aus dem
Jahr 1918, in dem der aus Reiseberichten des 18. Jahrhunderts überlieferte Kontinent ›Caprona‹ bzw. ›Caprak‹
wiederentdeckt wird) verborgenen prähistorischen Enklave mutiert, in der sich allerlei urzeitliches Getier tummelt und auch
die eine oder andere primitive Menschenform anzutreffen ist. Vgl. auch die verschiedenen im späten 19. und frühen 20.
Jahrhundert, insbesondere in Phantastik und Science Fiktion, literarisch bearbeiteten bzw. erzeugten ›Mythen‹
untergegangener Kontinente (Atlantis, Mu, Lemuria, Eldorado, Vineta usw.). Vgl. Dietmar Kamper (Hg.): Atlantis zum
Beispiel. Darmstadt u.a. 1986; sowie: Lauric Guillaud u. Jean-Pierre Deloux: Atlantide & autres civilisation perdues de A à
Z. Paris 2002; und die bibliographischen Angaben in: Jacques Van Herp: »Les mondes défunts et les mondes cachés«. In:
›Fiction‹, 130 (Sept. 1964).
Vor allem in den frühen Atlantis-Variationen geht es um die Erforschung eines Rätsels. Vgl. die unterirdischen Ruinen
108

von Atlantis in Vernes Vingt mille lieues sous les mers (1870), die am Meeresboden überlebenden Nachkommen von
Atlantis in André Laurie: Atlantis (1895) oder die Reptilienmenschen am Meeresgrund in Wells’: In the Abyss (1896).
Vgl. Paul Féval jun. u. H. J. Magog: Le réveil d’Atlantide (1923); Noëlle Roger: Le soleil enseveli (1928), oder, nun als
109

Horrorvision, in H.P. Lovecrafts At the Mountains of Madness (1936), in denen »schlafende Abnormitäten« aus den
»unergründlichen Tiefen der Erde […] zu einem neuen Leben erwachen und […] aus ihren schwarzen Schlünden
hervorgekrochen kommen« (H.P. L.: Berge des Wahnsinns. Frankfurt a. M. 1975, S. 133). Vgl. auch das Ende von
2

Lovecrafts The Nameless City (1938).


110
Vgl. dazu: Peter Ulrich Hein: Die Brücke ins Geisterreich. Künstlerische Avantgarde zwischen Kulturkritik und
Faschismus. Reinbek bei Hamburg 1992; sowie: Ulrich Linse: Geisterseher und Wunderwirker. Heilssuche im
Industriezeitalter. Frankfurt a. M. 1996.
Einen Eindruck von dem geradezu inflationären Gebrauch des Motivs im 19. und frühen 20. Jahrhunderts vermittelt Eliot
111

Weinbergers Essay »Dreams from the Holothurians«. In: Outside Stories. New York 1992, S. 166–177, dtsch. Übersetzung:
»Träume der Holothurien«. In: E. W.: Kaskaden. Essays. Aus dem Amerikanischen von Peter Torberg. Frankfurt a. M.
2003, S. 121–136). Vgl. auch: Alain Zamaron: Représentation des civilisations disparues dans la littérature d'aventures
fantastiques de la fin du XIXe et du début du XXe. Unniversité de Provence 1994. Vgl. auch Anm. 8.
112
Diese Entwicklung gilt freilich nicht ohne Ausnahmen. Zu nennen wäre hier z.B. Blaise Cendrars jahrelange
Beschäftigung mit dem Atlantis-Mythos. Seine Faszination für ›La Lémurie‹, wie er Atlantis in Anlehnung an Ernst
Haeckel nannte, dauerte bis Ende der 40er Jahre, d.h. bis zu seiner Arbeit an Le lottisement du ciel (1949).
Vgl. u.a. Stefan Breuer: Anatomie der Konservativen Revolution. Darmstadt 1995.
113

17
steht neben unterirdischen Konspirationen, in denen in einer für den Faschismus typischen Manier die
Remythisierung der Gesellschaft mit technischen Höchstleistungen forciert wird. Beispiele für diese
Ideologisierung des Atlantis-Mythos sind Hans Dominks Atlantis (1925) oder Joseph Delmonts Stadt
114

unter dem Meere (1925), sein »Nuova Germanica«, in der »nur ganz einwandfreies, ausgesuchtes
115

Menschenmaterial« eine unterirdische Zuflucht vor den demokratischen Zumutungen der Weimarer
116

Republik findet, um von dort aus »die unbesiegbare Größe des deutschen Reiches« 117

wiederherzustellen. Für eine Wiederbelebung der Thematik in rechtsextremen Kreisen sorgt seit 30
Jahren Trevor Ravenscrofts Roman The spear of Destiny (1973).
V. (Unten, Nacht und Tag) Eine zunächst skurril erscheinende Verbindung von außerirdischer und
unterirdischer Kryptopie findet sich in H.G. Wells The first men in the moon (1901). Zwar sind auch
hier die Seleniten »unendlich viel klüger als Menschen«, ihre hochtechnisierte und zivilisierte Welt
118

befindet sich aber im Mondinneren, »in der Tiefe!«. Dort sieht man »Höhlen unter Höhlen, Tunnel,
technische Wunderwerke, Straßen […] Riesige Städte, von Seleniten wimmelnde Straßen, eine
Weisheit und Ordnung, die den Verstand der Menschen übersteigen.« Hier mündet die Verbindung
119

außer- und unterirdischer Koordinaten nicht in die Idee des Zyklus oder der Wiedergeburt, sondern in
ein neues literarisches Motiv: das der unterirdischen Stadt. Und es sind in der Tat die unterirdischen
Städte, als Teil des Technisch-Unterirdischen, die im späten 19. Jahrhundert ›karfunkelnde‹
120

Erdhöhlen und katabatische Grotten als kryptopische Zeit-Räume allmählich verdrängen.


Von den Nekropolen und Katakomben der Antike, über die unterirdischen Städte des frühen
Christentums bis zu den Kanalisationen und U-Bahn-Schächten der modernen Metropolen: Der
subterrane Urbanismus hat eine Fülle von profanen und sakralen Bauten hervorgebracht. Entsprechend
vielfältig gestaltet sich das Thema in der Literatur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Zu 121

114
Die völkisch-rassistische Rezeption des Atlantis-Mythos beginnt um 1900, gehört unter Himmler zur offiziellen
nationalsozialistischen Erforschung des ›Ahnenerbes‹, und bildet bis heute einen zentralen Zweig des rechtsextremen
Okkultismus. Dabei spielt die kryptopische Vorstellung eines unter dem grönländischen Eis von ›Thule‹ verborgenen
Eingangs ins unterirdische Atlantis, aus dessen Wiedergeburt eine ›neue Ordnung für Europa‹ entstünde, noch immer eine
gewisse Rolle. Vgl. Ernst Betha: Die Erde und unsere Ahnen. Berlin 1913; Hermann Wieland: Atlantis, Edda und die Bibel.
Weißenburg 1925; und aus kritischer Perspektive: Friedrich Paul Heller u. Anton Maegerle: Thule. Vom völkischen
Okkultismus bis zur Neuen Rechten. Stuttgart 1995; Michael H. Kater: Das Ahnenerbe der SS 1935–1945. Ein Beitrag zur
Kulturkritik des Dritten Reiches. München 1997; Nicholas Goodrick-Clarke: The Occult Roots of Nazism. Secret Aryan
2

Cults and their Influence on Nazi Ideology. The Ariosophists of Austria and Germany, 1890–1935. Neuaufl. London 2004;
sowie diverse im rechtsextremen Arun-Verlag in Engerda erschienene Schriften zu Himmlers ›Mythenforschern‹ Karl
Maria Wiligut und Otto Rahn, Publikationen die auch von revisionistischen Lehren über einen im Innern des Südpols seiner
Wiederkehr harrenden Adolf Hitler zu berichten wissen…
115
Joseph Delmont: Die Stadt unter dem Meere. Leipzig 1925, S. 422. Das Buch stand übrigens auf der »Liste der
auszusondernden Literatur« hg. vom Ministerium für Volksbildung der DDR (3. Nachtrag, Berlin 1953).
Joseph Delmont: Die Stadt unter dem Meere, s. Anm. 115, S. 34.
116

Ebd., S. 430.
117

H. G. Wells: Die ersten Menschen auf dem Mond. Roman. München 1996, S. 173.
118

Ebd., S. 201. Die letzten Kapitel des Romans präsentieren eine »Naturgeschichte der Seleniten«, die stark an die satirisch
119

getönten ›ethnologischen‹ Berichte erinnert, die Edward Bulwer-Lyttons Erzähler in The coming Race über die Bewohner
des Erdinneren anfertigt
Neben dem Motiv der unterirdischen Stadt und dem des Bergwerks, das auch im 20. Jahrhundert eine gewisse Rolle spielt
120

(vgl. Günter Grass’ Hundejahre, 1963, oder Hermann Burgers Die Künstliche Mutter, 1982), entwickelt sich der Tunnel zu
einem z.T. kryptopisch verwendeten Motiv (vgl. Bernhard Kellermanns Der Tunnel, 1913, oder Luigi Mottas Il tunnel
sottomarino, 1914) des Technisch-Unterirdischen.
121
Vgl. eventuell auch: Thomas LeBlanc (Hg.): Die phantastische Stadt. Wetzlarer Schriftenreihe der Phantastischen
Bibliothek (noch nicht erschienen).

18
unterscheiden wären vier Varianten: 1. die durch archäologische Funde inspirierte Entdeckung einer
toten, aber völlig erhaltenen antiken Stadt, wobei Werke wie Edward Bulwer-Lyttons historischer
Romane The Last Days of Pompeii (1834) von phantastischen Science Fiktion-Texten wie Louis-
Claude de Saint-Martins Le crocodile (1899) oder H.P. Lovecrafts The Nameless City (1938) zu
differenzieren sind; 2. die Wohnstätte eines archaischen Volks, das wie in Maurice Champagnes
Verne/Bulwer-Kompilation La Cité des premiers hommes (1928) die guten vorsintflutlichen »coutumes
primitives« zwar weiterhin pflegt, dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand der Erdoberfläche aber um
122

gut 100 Jahre vorauseilt; 3. die postapokalyptische menschliche Wohnstätte wie z.B. die
123

Unterwasserstadt ›Mariana‹ aus Felix Andercas Orasele Scufundate (1937), in der die Menschheit
124

gegen den planetaren Kältetod ankämpft, oder wie Thea von Harbous Metropolis (1926), eine
dystopische »unterirdische Arbeiterstadt«, der angeblich nichts fehlt »als der Himmel«; sowie 4. die
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›realistische‹ Schilderung des Großstadtuntergrunds, der, wie in Emile Zolas Le ventre de Paris
(1873), als vergessener und verborgener Raum, als unterirdische Heterotopie der modernen Metropole
127

erscheint.
»Man zeigte im alten Griechenland Stellen, an denen es in die Unterwelt hinabging«, schreibt Walter
Benjamin in seinen Aufzeichnungen zum Passagen-Werk (1927–1940), »Auch unser waches Dasein ist
ein Land, in dem es an verborgenen Stellen in die Unterwelt hinabgeht […]. Aber ein anderes System
von Galerien, die unterirdisch durch Paris sich hinziehen: die Métro, wo am Abend rot die Lichter
aufglühen, die den Weg in den Hades der Namen zeigen. Combat – Elysée – Georges V«. Benjamin 128

ergänzt seine Großstadt-Katabasis durch den Hinweis auf die historischen Hinter- bzw. Untergründe
der Stadt: »Paris steht über einem Höhlensystem, aus dem Geräusche der Métro und Eisenbahnen
heraufdröhnen […]. Und dieses große technische Straßen- und Röhrensystem durchkreuzt sich mit den
altertümlichen Gewölben, den Kalksteinbrüchen, Grotten, Katakomben, die seit dem frühen Mittelalter
Jahrhunderte hindurch gewachsen sind«. Zitiert werden außerdem eine Reihe zum Teil einschlägiger
129

historischer und literarischer Quellen zur Geschichte des Pariser Untergrunds, darunter eine Passage
aus dem wohl berühmtesten Buch über das unterirdische Paris: Victor Hugos Les misérables (1862),
einem Werk, in dem auf geradezu prototypische Weise die Möglichkeiten und Grenzen der städtischen

Maurice Champagne: La Cité des premiers hommes. Paris o.J. [1928], S. 155. Der Name der Stadt ist ›Noah‹… (ebd., S.
122

162). Die unterirdische »ville féerique«, die der Protagonist in Maurice Renards La rumeur dans la montagne (1921, in
ders.: Romans et contes fantastiques. Paris 1990, S. 809–821, hier: S. 814) nur akustisch wahrnimmt, ist hingegen eine
Erinnerung an ein Märchenbuch aus seiner Kindheit.
Zu diesem Typus gehört auch Maurice Champagnes Les sondeurs d'abîmes (1911). Nicht die geheimnisvolle Stadt Lhassa
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sei die heilige Stadt des Buddhismus. Die wirkliche ›ville mystérieuse‹ entdecken Ingenieure versteckt in den Tiefen des
Himalaya, »formée de plus de soixante terrasses immenses« (M. Ch.: Les sondeurs d’abîmes. Paris 1951, S. 218). Vgl. die
in okkultistischen Kreisen kolportierte Sage von der unterirdischen Stadt ›Agartha‹ oder ›Agart/ia’‹, der ›inneren Welt‹ der
indischen Mythologie, z.B. in: Ferdinand Ossendowski: Tiere, Menschen und Götter. Frankfurt 1923.
Die Übersetzung des rumänischen Originals lautet Die Unterwasserstädte (München 1977).
124

Thea von Harbou: Metropolis (hg. v. Herbert W. Franke). Frankfurt a. M. u.a. 1984, S. 165.
125

Ebd., S. 61.
126

Die beiden Findelkinder Candine und Marjolin fühlen sich in den Tunneln der Pariser Eisenbahn wie »séparés du monde,
127

avec le continu piétinement de Paris, en haut, sur le carreau.« (Emile Zola: Le ventre de Paris. Paris 2002, S. 260).
Walter Benjamin: »Antikisches Paris, Katakomben, Demolitions, Untergang von Paris«. In: Das Passagen-Werk. In:
128

Gesammelte Schriften. Bd. V,1, hg. von Rolf Tiedemann. Frankfurt a. M. 1991, S. 133–155, hier: S. 135.
Ebd., S. 137. Vgl. auch: Heinz Wismann (Hg.): Walter Benjamin et Paris. Paris 1986.
129

19
Kryptopie vorgeführt werden. In einem von Benjamin nicht genannten Kapitel des Romans trifft Hugo
eine wesentliche historische Differenzierung. Er unterscheidet nämlich den alten, ›geheimnisvollen‹
Untergrund von Paris von dem in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts hygienisch
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modernisierten. Was in den alten Kloaken des ›anderen Paris‹, dem, so Hugo, »intestin de
l’Léviathan«, nur sehr langsam ›verdaut‹ wurde und daher als kryptopisches Reservat von an der
131

Oberfläche verschwundener städtischer Vergangenheit dienen konnte, geht im modernen Untergrund


132

endgültig verloren: »Aujourd’hui l’égout est propre, froid, droit, correct.« Was, so Benjamin, 133

»Jahrhunderte hindurch« gewissermaßen organisch »gewachsen« ist, wird nun saniert und in seinen
Verdauungsprozessen technisch beschleunigt.
Mit dieser Form der Vergangenheitshygiene wird auch die Waldnymphe aus Hans Christian Andersens
Dryaden (1868) konfrontiert, als sie zur Pariser Weltausstellung von 1867 reist. Bei ihrer touristischen
Besichtigung der frisch renovierten Stadtkanalisation, von der es heißt, sie sei ein wahres
»Wunderwerk der Neuzeit«, begegnet sie einem anderen Naturwesen: einem »alte[n] große[n]
134

Rattenvater mit abgebissenem Schwanz«, der den Verlust der »romantische[n] Zeit« beklagt. Seit der
135 136

Modernisierung der Kloaken vermisse er die »schönen Zeiten unserer Urgroßväter und Urgroßmütter.
Damals war es eine große Sache, hier herunterzukommen. Das war ein Rattennest, ganz anders als
Paris! […] Die Zeit der Romantik ist dahin, auch in unserem Rattenneste, wir haben hier unten frische
Luft und Petroleum bekommen.« Die sauberen Paradiese der urbanen Technik machen jedoch nicht
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nur den Ratten zu schaffen, auch die Waldnymphe hat bald genug von der neuen Zeit und löst sich in
Wasserdunst auf. Hugos Beschreibung des Pariser Untergrunds, bei der das Verstreichen von Zeit und
Historie als Sedimentierungsprozeß faßbar wird, der mit seinen Ablagerungen die Kanalwege verstopft
und im Zuge moderner Hygienemaßnahmen schließlich aus dem Blickfeld verschwindet, beinhaltet
eine – bei Andersen selbstironisch nuancierte – melancholische Perspektive, die zwar nicht den
irreversiblen Zeitverlauf in Frage stellt, wohl aber die Entsorgung der städtischen Memoria.
Daß sich jedoch auch in der Moderne die unterirdische Stadt noch als kryptopisches Dispositiv eignet,
zeigt ein Blick auf Gerhard Roths Essay Die zweite Stadt (1990). Analog zum alten Paris dient hier der
– trotz Sanierungen weiterhin heterotopisch wirkende – Wiener Untergrund als Refugium für das
Unabgegoltene und Untote der Stadtgeschichte. Hier hausen die Gespenster der kollektiven

Das Motiv des schauerromantischen, auch an Kryptopien der angelsächsischen ›Gothic novel‹ (z.B. in Horace Walpoles
130

The Castle of Otranto,1765, William Beckfords The History of Caliph Vathek, 1786, Sophia Lees The recess, 1783, oder, in
deren Nachfolge, Jan Potockis Le manuscrit trouvé à Saragosse, 1805-1815) anknüpfenden Paris durchzieht die gesamte
französische Literatur des 19. Jahrhunderts bis hin zu Gaston Lerouxs populärem Paris-Krimi Le fantôme de l'Opéra (1910)
und wird von dort in die deutsche Literatur (re-)importiert, die um 1900 das unterirdische Wien, Prag oder Berlin entdeckt
(vgl. z.B. Gustav Meyrinks Der Golem, 1915).
Victor Hugo: Les misérables. Lausanne 1957, S. 953.
131

»L’égout, dans l'ancien Paris, est le rendez-vous de tous les épuisements et de tous les essais. […] L'égout, c'est la
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conscience de la ville. Tout y converge, et s'y confronte. […] Ce pêle-mêle est une confession. Là, plus de fausse apparence,
aucun plâtrage possible.« (ebd., S. 956f.).
Ebd., S. 962. Vgl. Claudette Combes: Paris dans ›Les Misérables‹. Nantes 1981; und: José Luis Diaz (Hg.): Victor Hugo
133

›Les Misérables‹: ›La preuve par les abîmes‹. Paris 1994.


Hans Christian Andersen: Die Dryade. In: Märchen. Bd. 3. Frankfurt a. M. 1975, S. 197– 223, hier: S. 212.
134

Ebd., S. 214.
135

Ebd.
136

Ebd.
137

20
Verdrängung, die in Roths Beobachtungen nicht etwa beschworen und zur Wiedergeburt animiert,
sondern als immaterielle Bestandteile eines Archivs interpretiert werden. Das Geheimnis des Wiener
Untergrunds besteht in der Gegenwärtigkeit von Vergangenheit: »Tag und Nacht fließt der Kloakenfluß
unter der Erde, unter der sich die zweite Stadt verbirgt. Doch Tag und Nacht sind in Wien nur
scheinbar voneinander getrennt. Über ein letztes nicht durchschaubares System ist es möglich, daß sie
hier stetig ineinander übergehen«. Dieses »nicht durchschaubare System«, ein Erbstück aus Romantik
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und Restauration, spült den »Kulturschutt unserer Vorfahren« wieder nach oben. Was in jenem
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»sagenumwobenen Labyrinth« aus »Zysternen und Magazine[n]«, unterirdischen Archiven der


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Nationalbibliothek, Kapuzinergruft, Katakomben, Kanalisationen und Bergwerks-Stollen lagert, wird


bei Roth zum – literarisch rekonstruierbaren – Indiz für die historischen Schattenseiten der Stadt, für
die in den Gängen des ›Grauen Hauses‹ oder in den Schaukästen des Heeresgeschichtlichen Museums
ausgesparten Ereignisse der Vergangenheit. Im Gegensatz zum schauerromantischen Dekorum trivialer
Stadtmystifikationen wie Gustav Meyrinks Der Golem (1915) richtet Roth, wie 100 Jahre zuvor bereits
Hugo und Zola, seine Aufmerksamkeit auf das Unsichtbare der Stadtgeschichte. Der unterirdische
Raum wird damit zur narrativen Projektionsfläche einer an der Oberfläche spurlos verschwundenen
Vergangenheit.

Gerhard Roth: Die zweite Stadt. In: Eine Reise in das Innere von Wien. Essays. Die Archive des Schweigens. Bd. 7,
138

Frankfurt a. M. 1993, S. 14–31, hier: S. 31.


Ebd., S. 27.
139

Ebd., S. 15.
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