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DIE SOGENANNTE LUTROPHOROS:
GRABMAL FUR UNVERHEIRATETE TOTE?

(Mit Tafeln 22—32)

In den Athenischen Mitteilungen des Jahres 1880 sprach Arthur Milchhoefer


die Vermutung aus, ein besonders graziler GefiiiStypus unter den attischen
schwarz— und rotfigurigen Vasen, nfimlich eine schlanke Amphora mit lan—
gem Hals und zwei Oder drei Henkeln, sei mit der aus der antiken Literatur
bekannten AOUTpqépog zu identifizierenl. Er lbste dadurch eine kurze Dis—
kussion aus, die im Verlaufe eines Jahrzehnts zu dem breiten Konsens fiihrte,

Fur Auskiinfte, Hinweise Lind Diskussion bin ich M. Bergmann, B. Bleckmann und K. Fittschen
zu Dank verpflichtet. K. Rhomiopoulou und N. Kaltsas gestatteten in liberzller Weise die Aut-
opsie mehrerer Sti‘icke des Athener Nationalmuseums. E. Zervoudaki bin ich fiir die groBziJgig
erteilte Abbildungsgenehmigung sehr verbunden. Wichtige Hinweise zu den philologischen
Problemen verdanke ich K. Nickau und U. Schindel. H. Bernstorff fiihrte eine Recherche zum
Wort Aou-rpocpépog im Thesaurus Linguae Graecae (Irvine) durch. I. Scheibler und B. Schmaltz
haben sich der Muhe unterzogen, das Manuskript zu lesen. Beiden verdanke ich zahlreiche,
kritische Korrekruren. Bci der Zusammenstellung der TongefiISe war der von D. C. Kurtz
grofizfigig fiber das Internet eréffnete Zugang zum Beazley Archiv, Oxford, von groISem Nute
zen. SchlieISliCh danke ich allen Museen und ihren Mitarbeitern, die Abbildungsvorlugen zur
Verfiigung gestellt haben.
Die Ausarbeitung dieses Beitmgs hat mir ein von der DFG gewiihrtes Heisenbergstipendium
ermbglicht.
AuISer den Abki‘irzungen des Archiiologischen Anzeigers 1992, 743 ff. und der Archiiologischen
Bibliographie 1995 werden hier folgende verwendet:
Beazley, Addenda L. Burn — R. Glynn, Beazley Addenda (1982)
CAT C. W. Clairmont, Classical Attic Tombstones (1993)
Kokula G. Kokula, Marmorlutmphoren, 10. Beih. AM (1984)
Wenn (1215 Won Lutrr)phoros im folgenden Text ohne Anfi'ihrungszeichen oder in griechischen
Buchstaben erscheint (Lutrophoros Oder AOUTpotpépog), ist von dem in der Litemtur verwen-
deten Begriff die Rede. Wird (1215 Won dagegen zur Benennung der von den Archéiologen damit
bezeichneten GefiiISform verwendet, dann steht es in gnomisehen Anfiihrungszeichen (‘Lutrry
phoms‘). Dudurch wird angedeutet, dais die Gleichsetzung der Gefz‘iisform mit dem Wort im
folgenden iiberpriift werden 5011.
Die herangezogenen Textstellen sind in Anhang III (S. 189 f.) ubgedruckt.
1 A. Milchhoefer, AM 5, 18807 174 ff.
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demzufolge diese Vermutung als bestatigt angesehen wurde. Der GeféiIStyp


gilt seither als identisch mit der AOUTpocpépos, in der den Brautleuten am Tage
der Hochzeit das Brautbad dargebracht wurdez.
Auf dieser Grundlage schienen auch die marmornen ‘Lutrophoren’ ver—
standlich zu sein. Am Ende des 5. Jhs. V. Chr. namlich wurde der alte, ursprfing-
lich aus Ton gefertigte GefaIStyp in Marmor umgesetzt3 und 2115 steinernes
Scheingefafs in den seit dieser Zeit neuerdings reich mit Skulpturen und Ste—
len besetzten Fassaden der attischen Grabterrassen aufgestellt4. Mit diesen
Grabvasen kombinierte man eine Angabe irn Corpus der demosthenischen
Reden (44, 18), derzufolge sie die Bestattung eines unverheirateten Toten
anzeigen. Beicle Interpretationen der Ton- wie auch der Marmorgeféil’ée gel—
ten seither als gut untermauertes Handbuchwissen?
Obwohl in den vergangenen 100 Jahren zahlreiche Neufunde vor allem an
Ton—‘Lutrophoren’ zu verzeichnen waren, schien bis vor kurzem eine Uber-
priifung dieser Deutungen uberflijssig. Selbst die systematische Vorlage und
Untersuchung der Marmor—‘Lutrophoren’ durch Gerit Kokula hat die Grund-
these zu deren Interpretation nicht in Frage gestellt, sondern Vielmehr ver-
sucht, sie urn eine differenzierende Deutung der Amphora- und der Hydria—
‘Lutrophoren’ zu erweitern6.
Kritische Stellungnahmen wurden in jfingerer Zeit dagegen V0r allem in der
britischen Literatur artikuliert. Ausgangspunkt dar war die Beobachtung,
dais auf den Marmor—‘Lutrophoren’ zuweilen Frauen mit Kindern in zentraler
Position dargestellt sind, wodurch die Verbindung mit einer unverheirateten
Toten selbstverstéindlich ausgeschlossen Wird7. Aufgrund dessen ist die Iden-
tifikation der marmornen und in Abhangigkeit davon auch der ténernen Ver—

2 A. Herzog, AZ 1882, 131 ff; P. Wolters, AM 16, 1891, 371 ff., bes. 584 ff.; Daremberg —
Saglio III 2 (1904) 1517 ff. 5. v. Loutrophoros (M. Collignon); RE X111 2 (1927) 2098 ff. s V.
Lutrophoros (H. Nachod); G. Richter — M. J. Milne, Shapes and Names of Athenian Vases (1955)
5 f.; Der Kleine Pauly III (1969) 794 s. V. Lutrophoros (W. H. Gross).
3 Kokula 15 ff; C. W. Clairmont, CAT 1.431 und passim. — Dagegen spricht das Corpus von
A. Conze, Die attischen Grabreliefs I—IV (1893—1922) in seinen beiden ersten Banden von
uAmphorenu. Erst im dritten Band hat der Herausgeber die Bezeichnung nLutrophoros« fiber-
nommen: s. etwa Conze 1 Nr. 208 Taf. 56; 11 Nr. 1125 Taf. 232, dann aber Conze III 563 ff.
4 Zn den Grabbezirken Verf., Demos und Thanatos (1997) 7 ff. 183 ff. Taf. 1—13.
5 s o. Anm. 2 und 5. — B. Schmaltz, MaePr 1979, 22 f.-, H. Lohmann in: Kotinos, Fest-
schrift fur E. Simon (1992.) 105.
6 G. Kokula, Marmorlutrophoren, Diss. Mi‘mchen 1965 (1974). — Im folgenden wird aus-
schliefilich die von Ch. Dehl erganzte Fassung zitiert: G. Kokula, Marmorlutrophoren, 10. Beih.
AM (1984). — Auf diesen Aspekt Wird in Anhang I (unten S. 185 ff.) naher eingegangen,
7 D. Kurtz —J. Boardman, Greek Burial Customs (1971) 151 ff, (»A more general use for
the so-called Lutrophoros is likely.«); D, Kurtz —j. Boardman, Thanatos (1985) 185 f. (uViel-
leicht ist von einer allgemeineren Verwendung des Namens loutrophoros auszugehen.«).
DIE SOGENANNTE LUTROPHOROS 151

treter dieses Gefé‘ttyps mit der literarisch Uberlieferten AOUTpqépog schliefi—


lich iiberhaupt angezweifelt wordeng.
Es lassen sich unter den Marmorgeféifien dan‘iber hinaus weitere Problem-
ffille anfiihren. Schon Kokula n'eirnlich hatte auf die héufigen ‘Lutrophoren‘-
Bilder mit rnehreren alten Méinnern hingewiesen. 1hr Schlufg, die athenischen
Manner seien der Ehe als Lebensform zunehmend ausgewichen9, hat in der
Forschung allerdings keine Zustimrnung gefundenlo. Die Hfiufigkeit von Dar-
stellungen ausschliefilich mit alten Minnern spricht vielmehr gerade gegen
eine Interpretation als Grabdenkméiler fiir unverheiratete Tote.
TrOtZ diesen Problemféillen Wird die Deutung der Marmor—‘Lutrophoren’ als
Grabméiler von Unverheirateten in der Forschung zu den attischen Grab—
skulpturen weiterhin verwendet“. Angesichts der Widerspriichlichen For—
schungssituation scheint es jedoch angezeigt, die Grundlage fijr die Identifi-
zierung und Deutung cler ‘Lutrophoros’ in unserem Denkm'zilervorrat ebenso
Wie die Kritik daran einer erneuten Uberpn‘jfung zu unterziehen. Dies gilt urn
so mehr, als sich die Zahl der erhaltenen ‘Lutrophoren’ aus Marmor Wie aus
Ton seit der Begrfindung der skizzierten Deutung beachtlich vergréifSert hat,
und auch unter den Textquellen Zuwachs verzeichnet worden ist.

Die vermeintliche Identifizierung und Deutung der ‘Lutrophoros’

Die literarz‘scben Quellen


Die Textiiberlieferung zur ‘Lutrophoros’ schien seit einem 1882 erschienen
Aufsatz A. Herzogs gekliirt zu seinlz. Als entscheidende literarische Nachricht
fiir die Identifiziemng und Deutung der ‘Lutrophoren’ Wird seither die Rede
gegen Leochares im Corpus der demosthenischen Reden angesehen (Pseudo-
Demosth. 44, 18; Text 1). Dort geht es um die Erbschaft eines unverheiratet
verstorbenen Mannes namens Archiades. Der Redner versucht sein Argument,
dais dieser Ohne direkte Nachkommen und Erben verstorben sei, durch den
Hinweis auf die /\ou1'poq>épog, die auf seinem Grab stehe, Zu untermauern.
Die Forschung hat Wie selbstversténdlich angenommen, daB es sich dabei
urn ein Marmorgeféifi handle. Weil nun die hier behandelten Tongeféifée ent-
weder mit sepulkralen und Oder mit Hochzeitsbildern geschmiickt, und zudern
ihre marmornen Varianten des 4. Jhs. V. Chr. hiiufig auf den Grébern aufge—
stellt waren, hat man den GeffifStyp mit dem Begriff AOUTpqO'pog verbunden15.

8 J. Boardman, AnnOrNap 10, 1988, 178.


9 Kokula 147 ff.
10 5. die kritischen Bemerkungen von Ch. Dehl, AM 96, 1981, 177 f.
11 s. etwa C. W. Clairmont, CAT 4.205 und bfter.
12 A. Herzog, AZ 1882, 131 ff.; die nachfolgende Literatur s. 0. Anm. 2.
13 Pm die Literatur s. o. Anm. 2.
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Die 44. Rede des demosthenischen Corpus ist jedoch in zweierlei Hinsicht
problematiseh. Zum einen hat die philologische Forschung sie seit langem
fiir nicht authentiseh gehalten”. Dieser Einwand Wiegt zunachst nicht sehr
schwer, denn die Rede mufS, wenn auch nicht aus der Feder des Demosthe—
nes, so doch gleichwohl aus dem 4. Jh. V. Chr. stammen. Denn J. K. Davies
hat auf epigraphische Zeugnisse hingewiesen, die zwei Mitglieder der Fami—
lie des Archiades in dieser Zeit zu belegen scheinenls.
Zum anderen jedoch geht aus dem Wortlaut des Textes Liberhaupt nicht
hervor, was konkret mit dem Begriff Aou-rpocpépog gemeint sei, denn es fehlt
jeder erl'ziuternde Zusatz, der Uber die augere Form dieses Grabaufsatzes Aus—
kunft gabe. Das war fiir die Athener des 4. Jhs. V. Chr. auch sicher nicht erfor—
derlich.
Nun Wird die Identifizierung der AOUTpocpépog mit einem Gef'aIS durch zwei
spate Quellen scheinbar unterrnauert. Der byzantinische Homerkommenta—
tor Eustathios namlich spricht von der Aou-rpocpépos auf dem Grab als einer
>>Kalpis<<, also einem Gef'a1316. Auch Hesych bezeichnet die Lutrophoros als
Gef‘affi, namlich als »Hydria«17. Milchhoefer und Herzog haben daher zur Unter-
mauerung ihrer Identifizierung auf diese beiden Stellen verwiesenls.
Auch wenn die beiden spaten TeXte auf filteres zurfickgreifen, Wird der
Quellenwert zurnindest des Hesych (lurch seine eigenen erganzenden An—
gaben verunklart. Der Lexikograph spricht n'amlich gar nicht von der Grab—
Vase, sondern von dem bei der Hochzeit zum Einbringen der Lutra fiir die
Brautleute verwendeten Gefafs. Erst im Nachsatz f'Ligt er nicht unzweideutig
hinzu, man habe den unverheiratet Verstorbenen dasselbe getan. AuISerdem
weist er ausdn'icklich noch auf einen zweiten Gebrauch des Wortes hin, der
nicht das Gefiifs selbst, sondern den Uberbringer des Brautbades, also eine
Person, als /\ou-rpo<pépog bezeichnete. Folglich mufg diese Angabe Hesychs fiir
die Identifizierung der Grablutrophoros ausscheiden. Zudem Wiirde man die—
jenige des Eustathios natijrlich gerne (lurch eine unseren Gegenstanden zeit—
lich naherliegende Quelle untermauert sehen.
Belege fur die Lutrophoros als Grabmal von unverheirateten Toten finden
sich aufSer in der pseudo—demosthenischen Rede irn Rednerlexikon des Har-

14 F. Blass, Die attische Beredsamkeit3 3. 1 (1962) 568 ff.; A. Sch'afer. Demosthenes und
seine Zeit IV (1858) 241 ff.; L. Gernet, Demosthenes. Plaidoyers civils II (1957) 125 ff.
15 J. K. Davies, Athenian Propertied Families (1971) 194 ff. Nr. 5638. — Die epigraphisehen
Belege: IG II2 145, Z. 20 in Verbindung mit Hesperia 7, 1938, 278 Nr. 13 sowie F. Ziebarth,
Aterlin 1934, 1023 Nr. 1a, Z. 15. — Davies a. O. setzt den Zeitpunkt des Rechtsstreits spat
im 4. Jh. v. Chr. an, entspreehend auch Gernet a. O. 130 mit Anm. 2 (nach 550).
16 Eusth. zu Horn. 11. ‘P 142 a (Text 2).
17 Hesych. s. v. Aou-rpocpépog (Text 3). Die Angabe Hesyeh. s. v. Mfiu; ist demgegenfiber
unklar.
18 A. Milchhoefer, AM 5, 1880, 176 Anm. 1; A. Herzog, AZ 40, 1882, 158.
DIE SOGENANNTE LUTROPHOROS 153

pokration und im Onomastikon des Pollux“). Diese Quellen sind insofern


von lnteresse, als beide Autoren ihren Lesern, von denen sie eine detaillierte
Kenntnis offenbar nicht mehr erwal’ten konnen, eine Beschreibung vom Aus—
sehen der Lutrophoros auf den Grfibern geben. Deinnach handelt es sich um
einen Pals (Harpokration) Oder eine Kore (Pollux), die eine Hydria (Harpo—
kration) Oder ein anderes, einem Krug iihnliches Gef'eifs (Pollux) mit dem Was—
ser filr das Hochzeitsbad tragen.
Die Forschung am Ende des 19. Jhs. hat diese Beschreibung der Gral -
lutrophoros jedoch verworfen, wohl weil Grabmonumente, auf die sie zutr‘zife,
unter dem erhaltenen Vorrat an attischen Grabdenkméilern zu fehlen schei—
nen. Daher hatte A. Herzog angenommen, Harpokration und Pollux batten
unerlaubt zwei Nachrichten miteinander verknflpft, néirnlich die, dag ein Knabe
Oder ein Médchen am Tage der Hochzeit das Brautwasser geholt hiitte, mit
detjenigen fiber die Lutrophoros auf dem Grab eines unverheirateten TotenZO.
Herzog nahrn vielmehr an, beide Angaben mUISten far die Situation des 4. Jhs.
V. Chr. getrennt voneinander gesehen werden. Erst auf diese Weise wurde
der Weg frei, AOUTpqC'JpOS uberhaupt als GeféiIS zu verstehen und so auch die
charakteristische Marmorvase mit dem Begriff zu verbinden.
Dagegen muIS jedoch eingewandt werden, dafi Harpokration als Quelle fiir
seine Angaben zwei Reden des Deinarchos nennt21, Pollux den 152110522, also
attische Redner des 4. Jhs. v. Chr. Die Angaben verdienen deshalb a priorz'
grbféeres Vertrauen 315 die jUngeren bei Eustathios und Hesych und mindestens
ebensoviel Wie die der pseudo-demosthenischen Rede gegen Leochares. Man
Wird daher den im Grundsatz ubereinstimmenden Beschreibungen von
AOUTpoqaépog durch Harpokration und Pollux durchaus trauen konnen.
Eine Durchsicht der griechischen Wortverbindungen mit der Endung v-qaépog«
kann nicht welterhelfen, unser Problem zu Ibsen. Zwar finden sich durchaus
einzelne derartige Begriffe, die ein Gef‘aifs bezeichnen, z. B. oivoqaépog. Doch
gibt es ebensogut und wohl in grogerer Anzahl Beispiele, die kein Geféifs,
sondern eine Person meinen, etwa Xonqaépog Oder auch Bopucpépos 25. Aus den
Bedeutungen dieser Wortverbindungen kann daher keine Sicherheit fiber die
Bedeutung gewonnen werden, die sich hinter dem Begriff AOUTpoqaépog ver-
birgt.

19 Harp. S. V. AOUTpoqaépog Kori AOUTpoqaopEIv (Text 4); Poll. 8, 66 (Text 5). — Die Angaberl dcs
Harpokration zitiert in der Suda s. V. Aoumooépos Kai 7\OUTqJOPETV (Text 6).
20 Herzog a. O. 138.
21 Dein. 19, 6 und 83 (gegen Theodotos und gegen Kallisthenes).
22 Poll. 8, 66.
23 3. die Belege bei Liddell — Scott 3. v. den einzelnen Begriffen.
154 JOHAN‘NES BERGEMANN

Auch die ubrigen Quellen geben — mit Ausnahme der beiden spiten Auto-
ren und ihrer Vorlagen — keinen Hinweis auf die Verwendung des Begriffs
AOUTpoq>épog filr ein Gef'af524. Vor allem keine der frt'lhen Quellen, die sich mit
der Lutrophoros bei der Hochzeit beschéiftigen, kann diese SchluISfolgerung
untermauern. So bezeichnet Euripides (Phoin. 548; Text 7) mit dem Begriff
/\ou-rpoq>épog den ganzen Vorgang des BrautbadesZS. Auch die Quellen, die
Harpokration und Pollux benutzt haben, erklé‘tren die Begriffe Aoqqépog
und 7\ou-rpocpopeiv ubereinstimmend nicht etwa als Bezeichnung fur ein bei
der Hochzeit benutztes Geffifi, sondern fijr den Vorgang der Darbringung des
Hochzeitsbades an sich26.
Gegen die Annahme, dalS ein bestimmtes Geféilé im Hochzeitszeremoniell
als AOUTpoqx'Jpog bezeichnet worden sei, sprechen irn ubrigen die unter—
schiedlichen GeféifSnamen, die die Quellen seit dem 4. Jh. v. Chr. in diesem
Zusammenhang nennen. Sprechen Harpokration (Deinarchos)27 und Hesych28
von einer Hydria, so nennt Pollux (Isaios)29 aufSerdem verschiedene andere
Geféilgnamen, néimlich Prochous, Krossos und Kalpis. Klar scheint nur, dafS
es sich in jedem Falle um ein kannenartiges Geféifs zurn Ausschenken von
Wasser handelt.
Weiteren Aufschlufs erlaubt die Stelle Menander, Samia 730 (Text 9). Dort
wird irn Verlaufe eines Hochzeitszeremoniells dazu aufgefordert, die Aou-rpd,
also das Brautbad Zu vollziehen30. Der dann folgende Begriff AOUTpqépog
steht in einer fijr seine Bedeutung Wichtigen Reihung, néimlich zwischen den
weiblichen Teilnehmerinnen des Hochzeitszuges (yuvofikas) und der Floten-

24 Zweifelhaft ist die Stelle Philo, De vita contemplativa 7 (Text 11). In der Sequenz der
dort genannten Gegenstfinde konnen die Lutrophoroi zu den Beeken zum FuISe waschen
(Tl'oSévtTeot) gestellt und als Geféifs interpretiert werden. Ebensogut konnten die Lutrophoroi
aber aueh mit den zuvor genannten éydkpcxm und Eéowc verbunden werden. Dann ergéibe
sich eine sinnvolle Reihung von Gonerstatuen ‘uber Statuen von Kindern, die im Kult eine Rolle
spielen, zu FuISbecken und anderen dunklen Gegenstéinden. Die Bedeutung des Wortes Lutro—
phoros ist an dieser Stelle jedoeh nicht eindeutig.
25 In Eur. Phoin. 557 ff. bedauert Iokaste, dais ihr Sohn Polyneikes in der Fremde heiraten
muffite. Sie zéihlt dazu verschiedene Hoehzeitsbrfiuche auf, die ftir Ihren Sohn deshalb nicht in
dessen Heimatstadt Theben vollzogen worden sind, (larunter auch die nWonnen der Lutro-
phoros« (348). Aus dem Zusammenhang, in dem anschlieffiend in 549 nochmals von der Nym-
phe, der Braut, gesprochen Wircl, ist klar, daffi das Wort 7\0UTpoq)épog hier im Zusammenhang
der Hochzeit steht (vgl. J. U. Powell, The Phoinissae of Euripides [1979] 167 zu 547),
26 Harp. S. v. Aou-rpoqaépos cl AoqocpopsTv (Text 4); Poll. 3,43 (Text 8).
27 Harp. S. V. Aou-rpoqzépos Ku‘l AOUTpooopETU (Text 4).
28 Hesych. S. V. KOUTpOQépos (Text 3).
29 Poll. 8, 66 (Text 5).
30 In der Hochzeitsszene in Menanders Samla 720 ff. (Text 9) zwischen Plangon und
Mosehion sollen, nachdem Nikeratos die Trauungsformel gesprochen hat (725 ff), die -»Loutra«
vollzogen werden; es heiISt 729: »Chrysis, schieke die Frauen, die Lutrophoros und die FlOten—
spielerin zu holen.«
DIE SOGENANNTE LUTROPHOROS 155

spielerin (ora-rpiéor). Daraus scheint sich zu ergeben, dais ACUTpoqaépog wie~


derum nicht ein Gefiifs, sondern eine Person bezeichnen mufs, nfirnlich die-
jenige, die das Brautwasser bringt51. Ganz sicher eine Person bezeichnet der
Begriff Aou-rpocpépog schliefSlich noch in einer freilich spé‘tteren Quelle, n'amlich
bei Pausanias (2, 10, 4; Text 10). Don wird von einer Aphroditepriesterin in
Sikyon berichtet, die selbst /\ou-rpoq>épog genannt worden sei.
Die Textquellen konnen also den SchluB, dais der Begriff Aou-rpocpépog im
Hochzeitszeremoniell des 4. Jhs. v. Chr. einen bestimmten Geffifétyp bezeieh—
net hé‘ttte, nicht untermauern. Vielmehr zielte das Wort entweder auf den Vor-
gang der Einholung des Brautbades insgesamt oder es bezeichnete speziel—
ler die Person, die das Wasser filr das Brautbad von der Kallirhoe Oder Ennea—
krounos genannten Quelle holte32. AufSerdem fehlt vor Eustathios auch jeder
Hinweis darauf, dafS die Lutrophoros auf dem Grab ein Geféifs gewesen sei.
Diese Beobachtungen entkréiften Herzogs Bedenken gegen den Quellen-
wert der Beschreibungen der Lutrophoros bei Harpokration (Text 4) und Pol-
lux (Text 5) und bekrfiftigen Vielmehr die Richtigkeit von deren Angaben, die
zudern auf zuverl‘eissigen Quellen des 4. Jhs. V. Chr. beruhen. Die AOUTpoqaépog
auf dem Grab des Archiades (Ps.—Demosth. 44, 18-, Text 1) konnte demnaeh
tatsfichlich ein Pais mit einer Hydria gewesen sein.

Wie lfiISt es sich aber erkléren, dafS ein derartiger Grabmaltypus in unserer
arch'zlologischen Uberlieferung zu fehlen scheint? Dazu mufs zunéichst erwéihnt
werden, dafS es unter den attischen Grabstelen zumindest einige, seltene und
zudem schwer deutbare Fille gibt, in denen vor allem Midchen und Frauen
mit Geféiféen in der Hand oder neben ihnen stehend dargestellt sind33. Es
kann 2war nicht der Beweis erbracht werden, dais irgendeine dieser Darstel-
lungen mit der /\ou-rpocpépog in der pseudo-demosthenischen Rede gegen
Leochares zu identifizieren sei, doch machen diese Bilder klar, dafi d215, was
Harpokration und Pollux Liberliefern, auf den Reliefs des 4. Jhs. formal denk—
bar war.
Andererseits kann trotz der grofSen Zahl der aus Attika bekannten Grab—
skulpturen des 4. Jhs. v. Chr. nicht ausgeschlossen werden, dais ein Monu—
ment, Wie Harpokration und Pollux es beschreiben, nur relativ selten aufge-
stellt wurde, so dais es aus diesem Grunde bisher uberhaupt noch nicht unter
den Grabungsfunden vertreten ist. Es lassen sich mehrere Grabrnaltypen nen—
nen, die unter der Vielzahl der attischen Grabmonumente nur selten vor-

31 Ebenso D, Kurtz +j. Boardman, Greek Burial Customs (1971) 152; dies, Thanatos (1985)
185.
32 Thuk. 2, 15; Poll. 5, 43 (hier Text 8).
33 CAT 0.781 (Ch()us?); CAT 0.781; 1.376 (Choes); CAT 1.334 (Hydria); CAT 1.388 (Amphora);
CAT 1.416 (Amphora?); CAT 2158 (Oinochoe).
1‘36 JOHANN Es BERGEMANN

kommen. So sind von den Grabvasen in Form von panathenéischen Preis-


amphoren lediglich Vier Exemplare V0n drei verschiedenen Fundplétzen
bekannt34, lediglich zwei Grabvasen in Form einer Oinochoe35 und nur eine
in Form einer Hydria36. Es wéire daher durchaus denkbar, dais es weitere
seltene Grabmaltypen gab und die Lutrophoros, nach der Beschreibung
Deinarchs37 ein Kind, das ein Wassergeféifi trégt, deshalb in unserem Denk—
mélerbestand noch gar nicht uberliefert ist.
Man konnte jedoch einwenden, dafs‘ das Argument des Ps.—Demosthenes
nur wirksam werden konnte, wenn er mit der Lutrophoros auf etwas allge—
mein Ubliches und Bekanntes verwies. Dagegen spricht freilich, dafs die Ehe—
losigkeit des Archiades fur den Rechtsstreit eigentlich von geringer Bedeutung
war, denn offenbar hatte keine der beiden Parteien das angezweifelt. Darauf
hat bereits Arnold Schéifer hingewiesen58. Zudem Wird man den positiven
Beleg der aus zeitgenossischen Nachrichten schépfenden literarischen Quel—
len nicht durch einen archéiologischen SChlufS ex silentio falsifizieren wollen!
Nach der Uberprufung der literarischen Angaben kann also festgehalten
werden, dais der Begriff Aou-rpoqpépog im 4. Jh. V. Chr. offenbar gar nicht zur
Bezeichnung eines Geffifses benutzt wurde, weder bei der Hochzeit noch im
Grabbereich. Daraus folgt, dafs der wirkliche Name der von der Forschung
als ‘Lutrophoros’ bezeichneten Gefiiform bisher noch gar nicht gefunden ist.
Bevor allerdings dieser Schlufs gezogen werden darf, mussen zuniichst die
archiiologischen Argumente uberpruft werden, die zur Untermauerung der
traditionellen Identifizierung der literarisch uberlieferten Lutrophoros im
archiiologischen Denkmélerbestand angefuhrt worden sind.

Dz'e Marmor— lutropboren’ zmd die Interpretation ibrer Bz’lder59


Eine Reihe von archéiologischen Arbeiten hat sich darum bemuht, (1215 Ver-
stéindnis der Marmor—‘Lutrophoren’ als Monumente von unverheirateten Toten
mit Hilfe der Reliefdarstellungen auf den Geféifikorpern zu untermauern. Das
schien insofern lohnend, als eine einfluISreiche Forschungsrichtung davon

34 Grabbezirk von Vrana bei Marathon: CAT 4.781 und 4.782; R. Garland, BSA 77, 1982,
167 Nr. P2. —— Grabbezirk am 3. Horos am Dromos vor dem Dipylon: A. Mallwitz in: Keramei-
kos XII (1980) 99 ff. 108 f. Taf. 52, 1 Beil. 29—30; U. Knigge, Der Kerameikos von Athen (1988)
162 ff. Nr. 65 Abb. 159. — Grabhezirk in Dionysus (Demos Ikuria): F. Willemsen, AM 92, 1977.
124 ff. Abb. 4 Taf. 69, 3.
35 Piréiusmuseum: CAT 4410; Kokula 187 Nr. H8 Tuf. 31, 1. — Paris, Louvre: M. Hamiaux,
Musée (lu Louvre. Les sculptures grecques I (1992) 228 Nr. 241 Abb.
56 Piriiusmuseum 1142: Kokula 105 f.; CAT 1.887.
57 Harp. s V. Aou‘rpooépos c'l AQUTpoqaopETV (Text 4).
58 Schiifer a. O. (Anm. 14) 242 f.
39 Im folgenden werden rundplastische ‘Lutrophoren’ (Kokula 171 ff.) und ‘Lutrophoren’v
Stelen (Kokula 152 ff. 188 ff.) gemeinsam untersucht.
DIE SOGENANNTF. LU’I'ROPHOROS 157

ausging, dafs in diesen Darstellungen jeweils eine Figur als der verstorbene
Inhaber der Grabstele gedacht und mit ikonographischen Mitteln gekenn-
zeichnet sei40. Folgerichtig hat man daher versucht, durch die Benennung
des Toten in den Bildern der Marmor—‘Lutrophoren’ die Deutung der GeféiIS-
form als Grabrnonument von Unverheirateten zu best'zitigen. Der Beweis dafi'ir
schien erbracht zu sein, wenn man regelrniiféig jugendliche Tote in den Bil-
dern ausrnachen konnte.
Eine erhebliche methodische Schwierigkeit ergab sich jedoch daraus, dafS
wie auf den Grabreliefs auch in den Bildern der Marmor—‘Lutrophoren’ meist
rnehr als nur eine Figur dargestellt ist, 0ft ganze Familiengruppen mit bis zu
Vier Oder mehr Personen41. D21 von den Dargestellten eines Bildes héiufig
mehrere inschriftlich benannt sind, mufS in diesen Fallen die Frage, wern das
Grabrnal galt, allein anhand ikonographischer Argumente gelést werden.
Die dafijr herangezogenen Gesichtspunkte kénnen an dieser Stelle keiner
systematischen Kritik unterzogen werden42, doch sei darauf verwiesen, dais
die Anwendung dieser Kriterien in der Literatur oft zu widersprfichlichen
Ergebnissen geffihrt hat. A15 Beispiel dafiir kann die Diskussion urn die Naiskos—
stele von Kallias und Hippomachos im Piriiusmuseurn45 angeffihrt werden.
In diesem Reliefbild haben verschiedene Forscher abwechselnd den sitzen—
den, alteren Hippomachos Oder den stehenden, jfingeren Kallias als Toten
identifiziert, ohne daB ein Konsens absehbar Wire“. Uberdies kann auf zahl—
reiche Fille verwiesen werden, in denen die Inschriften eine den ikonogra—
phischen Anhaltspunkten Widersprechende Identifizierung des Inhabers der
Grabstelen ermdglichen‘45.
Es scheint daher angeraten, fur die Benennung der hauptsiichlichen In-
haber der Grabstelen wie der Marmor—‘Lutrophoren’ die problematischen iko—
nographischen Indizien auszuklammern und sich stattdessen auf die Inschrif—
ten zu verlassen. Bestimlnte, auch epigraphische Eigenheiten erlauben niim-

40 Dazu grundlegend: N. Himmelmann~Wildsehiitz, Studien zum Ilissos-Relief (1956).


41 s. etwa Kokula Taf. 21, 2; 22; 25; 26.
42 s. dazu Verf., Demos und Thanatos. Untermchungen zum Wertsystem der Polis im Spie-
gel der artischen Grabreliefs des 4. Jhs. V. Chr. und zur Funktion der gleichzeitigen Grabbauten
(1997) 35 11.; ders. in: E. I’éihlmann — W. Gauer (Hrsg), Griechische Klassik. Vortréige hei der
interdiszipliniiren Tagung des Deutschen Archfiologenverbandes und der Mommsengesell—
schaft vom 24. — 27. 10. 1991 in Blaubeuren, Erlanger Beitriige zur Spraehe, Literatur und Kunst
75 (1994) 283 ff.
43 H. Diepolder, Die attischen Grabreliefs (1951) Taf. 25; CAT 2.227.
44 Himmelmann-Wildsehiltz a. O. 13 f. (Kallias). — Dagegen: H. Mélfius, Gnomon 30, 1958,
49; B. Schmaltz, Untersuchungen zu den attischen Marmorlekythen (1971') 102 mit Anm. 177;
CAT 2.227 (Hippomachos). — C. W. Clairmont. Gravestone and Epigrarn (1970) 68 Anm. 215
(nicht entscheidbar). — D. C. Kurtz 4}. Bourdman, Greek Burial Customs (1971) 140 (beide
tot); die Passage ist in der deutschen Ausgabe ausgefallen: dies., Thanatos (1985) 167.
45 Verf, in: Griechische Klassik a. O. 283 ff.
158 JOHANNES BERGEMANN

lich eine einigermaflen sichere Entscheidung darfiber, wer als Toter Oder
zumindest als ein Wichtiger Inhaber der Grabstele gedacht war. Das ist immer
dann klar zu entscheiden, wenn entweder fiberhaupt nur eine Figur darge—
stellt oder wenn von mehreren Dargestellten nur einer inschriftlich benannt
wird. AufSerdem gewinnt man dann Klarheit, wenn erkennbar nacheinander,
von verschiedenen Handen eingetragene Namensinschriften die Abfolge der
Dargestellten als Hauptfiguren andeuten.
Betrachtet man die Marmor-‘Lutrophoren’ anhand dieser gescharften Kri-
terien darauf hin, wer als hervorgehobener Inhaber erkennbar ist, so stéfit
man tatsachlich auf Falle, in denen sich ein jugendlicher Inhaber einer ‘Lutro—
phoros’ sichern 151st. Auf einer Amphora-‘Lutrophoros’ in Kopenhagen
(Taf. 23)46 ist ein nackter, siCh mit der Strigilis schabender Jungling, nur mit
seinem Pais, der den Mantel des Herrn zusammengefaltet fiber der Schulter
tri‘igt, dargestellt. Es ist klar, dais der J'L‘lngling als Inhaber der ‘Lutrophoros’
gedacht war. Die einschlagigen Falle lassen siCh leicht vermehren; bisher sind
mir insgesamt 10 ‘Lutrophoren’ bekannt geworden, auf denen junge Manner
Oder Frauen mit guten Grilnden als deren Inhaber erkannt werden kénnen47.
Dan‘iber hinaus gibt es sieben Reliefbilder, in denen sicher junge Personen
in Beziehung zu einer ‘Lutrophoros’ gesetzt sind. Beispielhaft sei auf eine
Lekythos in Bonn verwiesen, die in ihrem Reliefbild eine durch den langen
Zopf als jugendlich charakterisierte Frau zeigt, welche in Gegenwart ihrer
Dienerin eine ‘Lutrophoros’ schmfickt (Taf. 22, 4)“. Man kc'jnnte filr diese
insgesamt 17 Falle daher argumentieren, Wie es die Forschung getan hat, (12113
in den jungen Mannern und Frauen unverheiratete Toten zu sehen seien49.
Es lassen sich jedoch drei Gesichtspunkte anffihren, die dieser Interpreta-
tion Widersprechen. Erstens fehlt in den genannten Bildern jeglicher Beleg

46 Poulsen, Cat. Sculpt. Nr. 227; Billedtavler Taf. 16; Kokula 171 Nr. L51; CAT 1.857.
47 a) CAT 1455; Kokula 155 Nr. L6 (Bartloser[?] allein dargestellt). — b) Conze 11 Nr. 1051
Taf. 205; Kokula 152 Nr. L2; CAT 1.788 (Ephebe mit Pals allein dargestellt). — C) Kokula 171
Nr. L51; CAT 1.857 (Ephebe mit Pais allein dargestellt). — (1) CAT 2.29121 (Frau allein benannt
[jung?]). — e) Conze 11 Nr. 1006 Taf. 195; Kokula 155 Nr. L14; CAT 2297 (Ji'lngling durch Epi—
gramm gesichert). — f) Kokula 185 Nr. H1; CAT 2.510 (Stehende in Madchentracht allein benannt).
— g) Kokula 172 Nr. L54 Taf. 15, 1; CAT 2.588 (bartloser Soldat allein benannt). — h) CAT 2496
(der stehende Nackte allein benanm). — ‘1) Conze 11 Nr. 1066 Taf. 217; Kokula 175 f. Nr. L71
Taf. 18, 1; CAT 2.777 (Bartloser allein benannt). -— k) Conze 11 Nr. 1125 Taf. 252; Kokula 177
Nr. L77; CAT 5.788 (Bartloser allein benannt).
48 a) Bonner Lekythos: Conze 11 Nr. 875 Textabb.; Schmaltz a. 0. A65; CAT 2.511b. Fur
nochmalige Untersuchung des Stuckes danke ich W. Geominy und A. Scholl. — Die weiteren
Sti‘lcke: b) Kokula 191 Nr. H27; CAT 1.182. — C) Kokula 190 Nr. H25; CAT 1.451. — d) Conze 11
Nr. 928 Taf. 184; Kokula 162 Nr. L45; CAT 1456. _ e) Conze III Nr. 1679a Nr. 1; Kokula 193
Nr. H55; CAT 1.862; hier Taf 31, 1—2 und die weitere Literatur u. Anm. 155. ~— 1) Kokula 164
Nr. L48 Taf. 9, 3; CAT 1.944. — g) Kokula 165 Nr. L45 Taf. 9, 1. 2; CAT 5.455.
49 Wolters a. O. (Anm. 2) 592 ff; Kokula 15. 54, 79 und éfier.
DIE SOGENANNTE LUTROPHOROS 159

dafi'ir, dais es auf den Status der Dargestellten als Unverheiratete angekom—
men Wire. Eine Identifizierung dieser Grabméler als Monumente von
unver~
heirateten Toten beruhte also allein auf der Identifizierung des GeféiBtyps
mit
der Aou-rpoqpépog auf dem Grab des Archiades (Pa—Demosthenes 44, 18; Text
1).
Von den Schwierigkeiten jedoch, die dieser Verbindung entgegenstehen,
ist
Oben bereits die Rede gewesen.
Zweitens sind an einigen ‘Lutrophoren’-Monurnenten Namen offensichtlich
nachtréiglich angebracht wordenSO. Eine ‘Lutrophoren’-Stele im Louvre
(Taf. 22, 1 )51 zeigt auf ihrem Reliefbild drei stehende Personen: einen bart-
losen JUngling in der Mitte im Handschlag mit einem béirtigen, filteren Mann,
dazu links eine in ihrem Alter nicht néher charakterisierte Frau. Die Inschrif—
ten nennen demgegenuber Vier Namen, zwei sohne eines Archedikos
und
eine Frau namens Philia, die aus einer anderen Familie eingeheiratet haben
mu1352. Nach Form, Duktus und Verteilung der Buchstaben auf der Stele (Taf.
22, 3) sind die Namen von Vier verschiedenen H‘anden angeschrieben wor-
den53. Zwar kann ein schlUssiges Stemma der Familie aus den uberlieferten

50 s. dazu die Beispiele im folgenden sowie in Anhang II (hier S. 187 f.).


51 Conze II Nr. 1136 Taf. 230; 10 II2 5327; Kokula 158 f. L30 Taf. 7, 2; CAT
3.215; Hamiaux
a. O. (Anm. 55) 183 Nr, 185 Abb.
52 Folgende Namen sind auf der Stele genannt: Archedikos und Chaireas,
die Sohne des
Archedemos (Z. 3—4), dazu eine Frau, Philia, Tochter des Pantakles,
die offenbar in die Fami-
lie eingeheiratet hatte (Z. 5—6). Der vierte Name des Archedemos von Athmon,
Sohn des Arche—
dikos (Z. 1—2), ist entweder als Vater der beiden Bri’lder oder als Sohn
des Archedikos ange—
sehen worden. Auch die Abfolge der Inschriften ergibt keinen zweifelsfreien Hinweis
auf die
verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den vier Personen.
55 Der Name des Archedikos Archedemou (Z. 3) ist wegen der ungleichmifiigen
Schriftzilge
sicher nachgetragen, dasselbe gilt fUr den der Philia (Z. 5—6), der gar auf
der Mi‘lndung der
‘Lutrophoros’ steht. Ob dagegen zuerst der Name des Archedemos Archedikou
(Z. 1—2) oder
derjenige des Chaireas Archedemou (Z. 4) auf der Stele stand, ist schwer zu entscheiden.
Wol-
ters und in der Nachfolge auch noch Clairmont (5. die folgende Anm.) nahmen
an, Archer
demos Archedikou (Z, 1—2) sei zuerst angeschrieben worden. Daraus ergab
sich unter Beruck‘
sichtigung der traditionellen Deutung der ‘Lutrophoros" die Notwendigkeit,
diesen Namen mit
dem jungeren Mann in der Bildmitte zu verbinden.
Gegen diese Abfolge der beiden Inschriften muIS freilich eingewendet werden, daB
beide
Namensteile des Chaireas ganz gleichm'zifiig auf dem zur Verfugung stehenden
Raum verteilt
eingehauen worden sind. Dagegen ist der Namenszug des Archedemos
aus der Stelenmitte
nach links verschoben und das Ethnikon unnotig dicht darunter geschrieben
worden. Diese
beiden Beobachtungen sprechen dafur, dars der Name deS Archedemos
(Z. 1—2) spéter als der
des Archedikos (Z. 3) und damit auch sicher spacer als der des Chaireas (Z. 4) angeschrieben
worden ist. Derjenige der Phllla (Z. 5-6) wurde jedenfalls nachtréiglich, also nach
dem des
Chaireas (Z4) eingemeifSelt, jedoch fehlen Anhaltspunkte fur die Bestimrnung des
zeitlichen
Verhéiltnisses zu den beiden anderen nachgetragenen Namen. Der Umstand,
dais Archedemos,
Sohn des Archedikos (Z. 1—2), 2115 letzter der drei minnlichen Namen angeschrieben
wurde,
spricht moglicherweise dafur, dais er der Sohn des Archedikos (Z. 3) war, also
das jungste auf
der Stele genannte Familienmitglied. Andererseits Wird damit aber nicht
ausgeschlossen, dafS
es sich gleichwohl um den Vater der beiden Brflder Archedikos und Chaireas
handelt.
160 JOHANNES BERGEMANN

Angaben nicht erstellt werden54, doch wird auch ohnedies klar, dais die Grab—
vase nicht hinderte, hier wie auf einer Inschriftenstele sukzessive Vier ver—
schiedene Familienmitglieder namentlich einzutragen, darunter fraglos ver—
heiratete Personenss.
Man kthnnte jedoch einwenden, die ‘Lutrophoros’ habe sich nur auf den
offenbar zuerst angeschriebenen Chaireas (Z. 4) bezogen, wéihrend ihre Bedeu—
rung filr die spiter angebrachten Namensinhaber unerheblich geblieben sei.
Problematisch daran ist zun'aichst, dafg Chaireas, gleich welchem Stemma man
folgt, weder 2115 in jungem Alter noch als unverheiratet Verstorbener erwie-
sen werden kann. Zudem ist dieses Argument allein deshalh nicht uberzeu-
gend, weil eine ganze Reihe weiterer ‘Lutrophoren’ zusammengestellt wer-
den kann, die sich mit Sicherheit nicht auf junge, sondem auf alte Personen
beziehen.
Von der ‘Lutrophoren’—Stele Inv. Nr. 985 im Athener Nationalmuseum
(Taf. 22, 2)56 fehlt zwar die Inschrift, doch sind auf dem Bauch des Geffifiaes
ein nackter Pais und sein Herr allein dargestellt, der mithin als Hauptperson
des Reliefs angesehen werden mufS. Er ist nun keineswegs als jugendlich
gekennzeichnet, sondern tr'zigt Mantel, Stock und V0r allem den Bart des wUr—
digen Atheners, der jenseits der Jugend auf der Hdhe des Lebens steht57.
Gleichwohl Wiihlte man fur sein Grabmal eine ‘Lutrophoros’.

54 In der Literatur finden sich folgende konkurrierende Stemmata. Auch die Beohachtun-
gen in den bciden voraufgehenden Anmerkungcn lassen eine Entscheidung, welches von bei-
den das richtigc sei, nicht zu,
W. Froclmer, Département des Antiques et de la sculpture moderne. Les inscriptions
grecques (1865) 265 f. Nr. 68:
Archedikos Pantakles Athmoneus

Archedemos Athmoneus co ? Philizl

Archedikos Chaireas

Wolters a. O. 597 ff.; 16 II2 5527; Clairmont, CAT 3.213:


Pantakles Athmoncus Archedemos
|
Philia oo ? Archedikos Chaireas

Archedemos
SS Eine weitere Stele mit der Darstellung einer ‘Lutrophore’ fuhrt in dieser Hinsicht nicht
weiter, D215 trotz seiner Problematik gleichwohl aufschlufSreiche Sti'lck wird in Anhang II (hier
S. 187 f.) besprochen: Conze 11 Nr 658 Taf. 120; Kokula 156 Nr. 1.18; CAT 2.382c = CAT Suppl,
2.471
56 Conze 11 Nr. 1022 Taf. 200; Kokula 152 Nri L4; CAT 1.947.
57 Dazu stand die Durstellung eines Pais offenbar nicht im Gegensatz.
DIE SOGENAN NTE LUTROPHOROS 161

Die ‘Lutrophoren’—Stele Inv. Nr. 879 desselben Museums (Taf. 24, ])58 kann
entsprechend gedeutet werden. Sie zeigt irn Reliefbild einen Mann im Man—
tel, der von seinem Pals, diesmal die Waffen seines Herrn tragend, begleitet
Wird. Er tritt im Handsehlag Init einer ~ ihrer Schopffrisur nach zu urteilen —
jungen Frau auf, die durch den Namenszug unmittelbar fiber ihrem Kopf als
Auclac'XTn benannt ist. Der Name des Mannes dagegen, [— —] ow AUKéqDPOVOS
Ku6a6nvousog, steht dominant am Giebel der Stele angeschrieben. Offenbar
war er also der wichtigere Inhaber der Stele. Es ist nicht ganz sicher zu beur-
teilen, ob fiber sein Alter durch den Bart eine Aussage gemacht war, weil die
entscheidende Stelle am Kinn eine Bestofiung aufweist. Immerhin Wird der
Mann aber durch seine Manteltracht als wUrdevoller und jedenfalls nicht mehr
jugendlicher Burger gekennzeichnet.
Die Gruppe von ‘Lutrophoren’—Monumenten, auf denen eine ”altere Figur als
Inhaber erkennbar Wird, ist vergleichbar grofs Wie diejenige mit Jugendlichen
als Hauptpersonen, ja sie Ubersteigt deren Zahl sogar etwas. Insgesamt sieben
Félle sind mir bisher bekannt, in denen in reifem Alter wiedergegebene Per—
sonen, weil allein lhr Name genannt Wird, die Inhaber der Monumente sind 59.
Dazu kommt eine Gruppe Von insgesamt 14 Fallen, auf denen zwei Oder drei
b'zirtige Manner in reifem Oder hbherem Alter dargestellt sind, unter denen der
Inhaber des Grabmonuments gesucht werden mufS60. Als Paradefall dafi'lr
kann auf eine ‘Lutrophoren’—Stele im Piréiusmuseum verwiesen werden, die
drei ungeféihr gleich alt Charakterisierte, reife Manner zeigt (Taf. 25, 1 )61.

58 Conze 11 Nr. 1110 Taf. 225; Kokula 158 Nr. L28; CAT 2.887.
59 a) Conze II Nr. 1022 Taf. 200; Kokula 152 Nr. L4; CAT 1.947 (Alter allein mit Pals). —
b) Conze I Nr. 177 Taf. 55; Kokula 177 f. Nr. L79; CAT 2.3621) (bartiger Mann allein benannt).
- c) Conze 1 Nr. 208 Taf. 56; Kokula 178 Nr. L80 Taf. 21; 1; CAT 2.427 (Biirtiger auf Basis
benannt). — d) Conze 11 Nr. 1110 Taf. 225; Kokula 158 Nr. L28; CAT 2887 (Biirtiger Mann am
Giebel benannt). — e) Conze 1] Nr. 1072 Taf. 217; Kokula 173 Nr. L62 Taf. 17. 1; CAT 2.910
(Béirtiger allein benannt). — f) Kokula 184 Nr. L99 Taf. 29; CAT 2.913 (Frau in reifern Alter allein
benannt). — g) CAT 4.375 (béiniger Alter allein benannt; s. aber N. Himmelmann, AA 1988, 353
Abb. 2: unbenzmme Sitzende ist die Tote).
60 a) Conze 11 Nr. 1003 Taf. 196; Kokula 155 Nr. L16 Taf. 4, 1; CAT 2.279 (2 Alte). 4 b) Conze
11 Nr. 100.5 Taf. 195; Kokula 154 f. Nr. L9; CAT 2.284b (2 Bé’lrtige). — C) CAT 2.2931) (2 Biirtige).
— d) Kokula 156 Nr. L19 Taf. 5, 1; CAT 2.3631) (2 Birtige). — e) Kokula 174 Nr. L65 Taf. 17, 2;
CAT 2.58221 (2 Bfirtige). — f) KOkula 157 Nr. L22 Taf. 6, 1; CAT 2.3921) (2 Bfirtige). - g) Conze
11 Nr. 1004 Taf. 196; Kokula 155 f. Nr. L17 Taf. 4, 2; CAT 2.428 (2 Bi'trtige). — h) Conze 11 Nr.
682 Taf. 131; Kokula 174 Nr. L64; CAT 2.447 (2 Birtige). — i) Conze 11 Nr. 1074 Taf. 215; Kokula
165 Nr. G1; CAT 2.813 (2 Béirtige). — k) CAT 2.879 (2 Birtige). — l) Conze 11 Nr. 1076 Taf, 217;
Kokula 174 Nr. L66 Taf. 17, 3; CAT 2.886 (2 Bfirtige). - m) Conze 11 Nr. 742 Taf. 130; Kokula
160 Nr. L36 Taf. 8, 1; CAT 2889 (3 Bé’lrtige). — r1) Conze II Nr. 1077 Taf. 196; Kokula 157 Nr. L23
Taf. 6, 2; CAT 3.3482} = 3.39121 (3 Birtige). — 0) Kokula 179 Nr. L83; CAT 5.382 (2 Biirtige).
61 Privatsammlung: Conze 11 Nr. 1077 Taf. 196; Kokula 157 Nr. L23 Taf. 6, 2; CAT 3.34821 =
3691c.
162 jOHANNEs BFRGEMANN

SchliefSliCh konnen noch zwei Fille angefuhrt werden, in denen Frauen mit
Wickelkindern, also doch WOhl verheiratete Frauen, im Zentrum einer ‘Lutro—
phoren’—Stele stehen62 bzw. in Zusammenhang rnit einer ‘Lutrophoros’ dar—
gestellt sind63.
Insgesarnt sind damit 24 Falle beiegt, in denen die ‘Lutrophoren’ fi'ir filtere
Personen verwendet wurden. Natiirlich kOnnte man vermuten, auch diese
Alteren seien unverheiratet gestorben, doch fehlt fiir eine solche Annahme
jeder fiufSere Hinwei564. Dem Widerspricht zudem die erstaunliche Héufig-
keit deraniger Faile. Vielmehr belegen die beiden Frauen mit Wickelkindern,
dais man offenbar auch Verheirateten ‘Lutrophoren’ auf die Gréiber stellte.

Die Durchsicht der literarischen und der archiiologischen Quellen, auf denen
die Identifizierung des Begriffes Aou-rpoqnépo; mit der bekannten Geféiféform
beruhte, hat zusammenfassend folgendes ergeben.
1. Der Begriff AOUTpo¢épog bezeichnete im 4. Jh. V. Chr. keine Gef‘zifiform,
sondem entweder den Vorgang der Einholung des Brautbades insgesamt
Oder spezieller die dabei das Wasser tragende Person.
2. Daraus folgt, dag die Gefiifsform, die landléiufig mit diesem Begriff ver—
bunden worden ist, im 4. Jh. v. Chr. mit einem anderen, uns nicht bekann-
ten Wort bezeichnet worden sein muB. Aus diesem Grunde Wird von den
Ton— und den Marmorgef'zifsen im folgenden als der 5 o g e n a n n t e n
Lutrophoros gesprochen, gekennzeichnet durch gnomische Anfuhrungs—
zeichen (‘Lutrophoros’).
3. Die Beschreibung der Grablutrophoros durch Harpokration und Pollux
als Pais, der eine Hydria tr'zigt, mufs ernst genomrnen werden, denn sie
beruht auf Angaben von Rednern des 4. Jhs. V. Chr.
4. Es konnte eine Gruppe von Marmor—‘Lutrophoren’ nachgewiesen wer-
den, auf denen der jeweiiige Inhaber durch die Inschriften kenntlich
gemacht ist. Aufgrund dessen ist es moglich, zahlreiche Exemplare als
Grabmonumente von éilteren und gelegentlich sogar verheirateten Per-
sonen zu sichern.
Die Interpretation der sog. Marmor—‘Lutrophoren’ als Grabméler von unver—
heirateten Toten kann demnach weder dutch die literarischen noch durch die
archéiologischen Quellen befriedigend untermauert werden. Es ist vielmehr
erforderlich, die Frage mach der Funktion der in der Forschung als ‘Lutro—
phoren’ bezeichneten Geffifge insgesamt neu zu stellen.

62 Kokula 188 Nr. H153 Taf. 7, 3; CAT 3.705 (Frauen mit Wickelkind).
65 Conze 1 Nr. 59 Taf. 27; Kokula 92; C. W. Clairmont, AA 1988, 55 ff. Abb. 1; CAT 1.691.
64 Kokulas Schlufs auf die Ehefeindlichkeit der attischen Manner kann wie gesagt nicht
fiberzeugen. s. dazu oben Anm. 10.
DIE SOGENANNTE LUTROPHOROS 165

Zur Funktion der Ton—‘Lutrophoren’

Den marmomen ‘Lutrophoren’ gehen die ténernen Exemplare zeitlich wenig—


stens um 2weijahrhunderte voraus. Daher mug zunfichst nach der Funktion
der Ton—‘Lutrophoren’ gefragt werden, AnschliefSend kann dann der Frage
nachgegangen werden, woran sich die Athener am Ende des 5. Jhs. v. Chr.
orientierten, als sie die Tongeféifie in Marmor umsetzten und auf ihre neu kon-
zipierten Grabterrassen stellten.
Die filtere Literatur hat fiir die Frage nach der Funktion vor allem die Vasen-
bilder ausgewertet, in denen Ton-‘Lutrophoren’ im Gebrauch zu sehen sind.
Aufgrund dessen werden fiir die Ton-‘Lutrophoren’ zwei Verwendungsberei—
Che genannt, némlich das Begréibnis und die Hochzeit65, Daran kann gar kein
Zweifel bestehen, so (1313 es im folgenden genijgt, wenige Belegstticke in Erin-
nerung zu rufen. Daruber hinaus hat man eine Ablésung der sepulkralen
Funktion der ‘Lutrophoros’ durch diejenige bei der Hochzeit gesehen, die im
Laufe des 5. Jhs. v. Chr. stattgefunden hitter 66. Wenn das zutriife, dann Wiren
die Marmor—‘Lutrophoren’ am Ende des 5. Jhs. v. Chr. unmittelbar von den
hochzeitlichen Tongef'zifien abgeleitet worden, was entscheidende Konse-
quenzen fiir ihre Bedeutung hatte.

Die Fu nletion bei der Hocbzeit


Auf einer Reihe von rotfigurigen Ton-‘Lutrophoren’ ist die Szene der Einholung
des Wassers fiir das Brautbad Wiedergegeben67. Eine ‘Lutrophoros’ in Karis-
ruhe zeigt nach der Beobachtung von C. Weiss das Brunnenhaus, von dem
ein Umzug von flinf Frauen seinen Ausgang nimmt. An dem Umzug nehmen
u. a. zwei Midchen teil, von denen eines die ‘Lutrophoros’ tréigt. An der Spitze
geht ein bekréinzter JUngling, der die Doppelfléte spielt. Dieser Zug bewegt
siCh zu einer Herme und offenbar der TUr eines Hauses hin68.
Nun hat man jiingst gemeint, es mfisse sich um die Darbringung des Was—
sers fiir die Waschung eines Toten im Rahmen des Begréibnisses hande1n69.

65 P, Wolters, AM 16, 1891, 384 ff.; Daremberg — Saglio III 2 (1904) 1317 ff. 5. V. Loutro—
phoros (M. Collignon); Richter -— Milne a. O. (Anm, 2) 5 f.; H. Gericke, Geféifidarstellungen auf
griechischen Vasen (1970) 59 ff.; 1. Scheibler, Griechische TOpferkunst2 (1995) 35 f.
66 RE X111 2 (1927) 2099 s. V. Loutrophoros (H_ Nachod); H. Kenner, (")Jh 29, 1935, 148;
R. Ginouves, Balaneutike (1962) 258; Gericke a. O. 60. — Dazu kritisch: H. Lohmann, Grab-
miiler auf unteritalischen Vasen (1979) 154.
67 C. Reinsberg, Ehe, Hetiirentum und Knabenliebe im antiken Griechenland (1989) 52 ff.
Abb. 8 a—d.
68 C. Weiss in: Ancient Greek and Related Pottery. Symposion Copenhagen 1987 (1988)
652 ff. Abb. 1—4; Reinsberg a. O. 55 Abb. 8 a—d.
69 R. M. Moesch, AnnOrNap 10, 1988, 119 ff. bes. 137.
164 JOHANNES BERGEMANN

Dagegen spricht freilich die Darstellung einer Athener ‘Lutrophoros’70, die


zwar weder den Brunnen als Ausgangspunkt noch das Haus als Ziel des Zuges
zeigt, im Ubrigen aber ein ganz fibereinstimmendes Figureninventar wie die
Karlsruher ‘Lutrophoros’. Der Bezug des Bildschemas zur Lutrophorie bei der
Hochzeit kann wegen eines Eros neben der im Bild Wiedergegebenen ‘Lutro—
phoros’ als gesichert gelten.
Unsere Gefaform stand von alters her in Zusammenhang mit der Hoch-
zeit. Dafflr spricht zun'achst eine schwarzfigurige ‘Lutrophoros’ des Lydos auf
der Athener Akropolis, von der eine Bildpublikation bisher zu fehlen scheint71.
Nach Beazleys Beschreibung ist auf dem Gefafikérper das Parisurteil dar-
gestellt, am Hals dagegen eine Prozession mehrerer Frauen und eines Fléte
spielenden Knaben. Dafs es sich dabei um einen Hochzeitszug handelt, wird
durch die dreifache Beischrift des Namens nHymem, also des Hochzeitsgottes,
belegt.
Augerdem sind ‘Lutrophoren’ haufig als Weihgaben in den HeiligtUmern
der Hochzeitsgottheiten gefunden wordenn. Als Beispiele, die bis ins 6. Jh.
v. Chr. zun‘ickreichen, kann auf die unveréffentlichten Funde von ‘Lutro—
phoren‘ aus dem Nymphenheiligtum am Siidabhang der Akropolis verwie-
sen werden75. Zahlreiche Fragmente von Miniatur-‘Lutrophoren’ stammen
fiberdies aus der Nymphengrotte von Vari74. In der Nymphengrotte am Par—
nes wurde das Fragment einer groféformatigen, rotfigurigen ‘Lutrophoros’
gefunden75, weitere Fragmente des 5. Jhs. V. Chr. ebenfalls in einer Grotte
bei Daphni, die den Funden zufolge Pan und den Nymphen geweiht gewe—
sen sein mug-76, sowie in der Pansgrotte von Eleusis77. In dieser Tradition ste—
hen schliefSIich auch die Hochzeits-‘Lutrophoren’ von der Akropolis78. Der
Bezug der ‘Lutrophoren’ zur Hochzeit kann also seit fr'Liher Zeit durch die Bei—

70 Athen, Nat. Mus. Inv. 1453; Beazley. ARV2 1127,18; Beazley, Paralipomena 453; Reins-
berg a. O. 51 Abb. 7; Moesch a. O. Taf. 20, 3.
71 Beazley, Paralipomena 45.
72 Ginouvés a. O. 275 mit Anm. 7—10.
73 Travlos, Athen 361 ff. Abb. 466 s. v. Nymphe (mit Lit); Travlos, Attika 30 s. v. Athen,
Gebiet um die Akropulis (mit weiterer Lit.). — Dali der Ort den Nymphen geweiht war, ergiht
sich aus dem Horosstein: Travlos, Athen Abb. 465.
74 L. Shaw King, AJA 7, 1903, 322 ff. Nr. 395—426 (MiniatLlrJLutroph()ren').
75 K. Rhomaios, AEphem 1906, 104 f. Taf. 5. — Dafs der Fundort den Nymphen geweiht
war, crgibt sich aus der Votivinschrift ebenda Ahb. S. 107.
76 J. N. Travlos, AEphem 1937 l. 391 ff. 400 ff. Abl). 7—9. 13. 14; 406 ff.; Travlos, Attika 177
Ahh. 235-66.
77 J. N. Travlos, ADelt 16, 1960, Chron 52 ff. bes. 54 f. Taf. 43, 3.
78 B. Graef— E. Langlotz, Die antiken Vasen von der Akmpolis zu Athen I (1925) 58 f.
541 ff. Taf. 18. 20; S 128 ff. Nr. 1139 ff. Taf. 68—70; ebenda II (1933) 58 ff. Nr. 636 ff Taf. 50—52.
— Die genannte Lydos—‘Lutrophoros‘ (s. o. Anm. 71) wurde Beazleys Angabe nfrom Athens«
zufolge offenbar nicht auf der Akropolis gefunden.
DIE SOGENANNTE LUTROPHOROS 16>

schrift auf der Lydos—‘Lutrophoros’ Wie (lurch die Fundorte gut gesichert wer—
den79.
Dieser Befund und ebenso die Verwendung der ‘Lutrophoros’ in den Dar—
stellungen der hochzeitlichen Lutrophorie legen es auf den ersten Blick nahe,
diesen GeféifStyp nun dOCh gewisserrnaISen als das ublicherweise bei der Ein—
holung des Brautbades verwendete Geffifi zu verstehen. Dem steht allerdings
entgegen, dafs die sogenannte ‘Lutrophoros’ keineswegs das einzige Wasser-
gef’aifs ist, das man in der Hochzeitsprozession mitfuhrteso. Eine rotfigurige
Pyxis in London etwa zeigt einen Hochzeitszug, in dem Braut und Bréutigam
auf dem Wagen zum Haus der Eheleute fahren, im Kreise der tiblichen Beglei-
tung: Frauen mit Fackeln, Kz'istchen und Geféféen. Am Ende des Zuges trfigt
eine Frau einen Lebes Gamikossl. Eine rotfigurige ‘Lutrophoros’ in Kopen—
hagen zeigt eine Prozession mit Braut und Briiutigam zu Fufl, in der am Ende
eine Frau mit einem Dinos geht (Taf. 24, 2)82. Auflerdem finden sich in einem
Fall eine Hydria (Taf. 25, 5983, sowie immer wieder Lebeten84, die irn Hoch-
zeitszug mitgeffihrt werden. Zudem treten auch in den ubrigen Darstellun-
gen des Hochzeitszeremoniells andere Wassergeféil’Se als ‘Lutrophoren’ in
Erscheinung. So zeigt das beruhmte Epinetron aus Eretria in Athen neben der
‘Lutrophoros’ zwei Lebeten; ein Lebes findet sich auch in der Hochzeitsszene
eines ebensolchen Geféifies in Kopenhagen dargesteilt (Taf. 25, 2)85.
Die Beispiele haben deutlich gemacht, daB das in der Forschung als ‘Lutro—
phoros’ bezeichnete Geféifé den Bildquellen zufolge tats‘z’tchlich oft far die
Lutrophorie verwendet wurde. Bei diesem Vorgang und den iibrigen zere-
moniellen Handlungen bei der Hochzeit wurden aber auch andere Gef'ziiSe
verwendet, Lebeten, Dinoi und vor allem Hydrien. Die Bildquellen deuten
daher wie bereits der philologische Befund darauf hin, dafs der Begriff
AOUTpo<pépos im 5. und 4. Jh. v, Chr. keinesfalls nur ftrr e in spezifisches

79 vgl. auch E. Karydi, AM 787 1963, 90 ff.


80 Die hfiufig ehenfalls dargestellten (51- und SalbgeféiISe kénnen in diesem Zusammem
hang auger acht bleiben.
81 rf. Pyxis London, BM 1920.12v21.1: Beazley, ARV2 1277,23; 12821 1689; Beazley,
Addenda2 357; H. B. Walters, JHS 41, 1921, 144 f. Abb. 1 Taf. 6.
82 rf. ‘Lutrophoms’ Kopenhagen, Nat. Mus, Inv. 9080: Beazley, ARV2 841,75; Beazley, Para,
lipomena 423; CVA Kopenhagen Nat. Mus. (8) Taf. 341, 2 a; 342 (344, 2 21; 545),
83 Fragment einer sf. Hydria, Frankfurt, Liebieghaus: CVA Frankfurt (2) Taf. 58, 2.
84 a) Kenscher Lebes Gamikos, St. Petersburg: K. Schefold, Untersuchungen zu den Ken-
scher Vasen (1934) Taf. 33 Nr. 286; P. E. Arias — M. Hirmer, Tausend Jahre griechische Vasen—
kunst (1960) Taf. 225—28; Reinsberg a. O. (Anm. 67) 67 Abb. 22 a—d. — b) If. Pyxis, Berlin:
Reinsberg a. O. (Anm. 67) 6O Abb. 14 a~c und Ofter.
85 Epinetron aus Eretria: Beazley, ARV2 1250,54; Beazley, Paralipnmena 469; Beazley,
Addenda2 351; P. Hartwig, AEphem 1897, 129 ff. Taf. 10, 2; Arias — Hirmer a. O. Taf. 203 oben;
Reinsherg a. O. (Anm. 67) 69 Abb. 24. — rf. Lebes Gamikos in Kopenhagen, Nat. Mus. Inv.
15113: CVA Kopenhagen Nat. Mus. (8) Taf. 544 (347), la; hier Tqfi 25, 2.
166 JOHANNES BERGEMANN

Wassergef‘zifs benutzt wurde. Der Wortgebrauch, der den Vorgang der Ein-
holung und Durchfuhrung des hochzeitlichen Bades mit den Begriffen
AOUTpoq>opos und Aou-rpocpopsiv bezeichnete, konnte Vielmehr zusammen mit
den verschiedenen in den Bildquellen bei diesem Vorgang dargestellten GeféiiS—
formen darauf hindeuten, dafi jeweils gerade das Gef'zifs, das man dabei ver—
Wendete, mit dem Begriff Aou-rpocpépog verbunden war, unabhéngig davon,
ob es Wie etwa die Hydria auch noch mit einer anderen, fiJr seine Form spe-
zifischen Bezeichnung benannt werden konnte86.

Dz‘e sepullemle Fun/effort


AufSer zur Einholung des Wassers fiir die Waschung von Brant und Bréutigam
Wird durch die Funde in den attischen Nekropolen und durch die Vasenbil—
der auch noch eine zweite Funktion der Ton—‘Lutrophoren‘ belegt. Bereits die
schwarzfigurigen GeffifSe des 6. Jhs. v. Chr. dienten nfimlich oftmals sepul—
kralen Zwecken. Einige Darstellungen zeigen ‘Lutrophoren’, die bei der Bestat—
rung mitgefiihrt werden (Taf. 26, 1—2. 28, 1—2)87. Andere Vasenbilder zeigen
‘Lutrophoren’ als Aufséitze eines Grabhiigels88 oder einer Grabstele
(Taf. 28, 3)89. Fijr eine dritte Gruppe stehen bei Grabungen gewonnene
Daten fiber ihre Fundlage zur Verfijgung, denen zufolge sie sich in den Brand—
schichten von Opferrinnen befunden haben90. Eine Reihe von Ton—‘Lutro-

86 I. Scheibler weist mich darauf him, (138 vor allem die Hydria als Transportgef‘ziis anstelle
der ‘Lutrophoros’ ft’lr die Einholung des Wassers in Frage kommt. Vgl. dazu das Fragment irn
Frankfurter Liebieghaus s. 0. Anm. 83 und Taf. 2.5, 2.
87 ‘Lutropboros'am Grab Oder bei derEkpbom mitgetmgen: a) wgr. Lekythos, Athen: ADelt
33, 1978 Chron, Taf. 14 d. — b) wgr. Lekythos, Brt'lssel A2289: Beazley, ARV2 1238,25; CVA
Brt‘issel (3) III Jb Taf. 5, 7 (134, 7); hier Taf 26, 2,— c) wgr. Lekythos aus Anavyssos, Athen,
Nat. Mus. 19338: Beazley, ARVZ 1688,11; BCH 85, 1961, 606 Abb. 6 (mittlere Reihe ganz links
und die Urnzeichnung daruber). — d) rf. ‘Lutrophoros’, Kleophrades-M., Paris, Louvre CA 453:

Beazley, ARV2 184,22; Beazley, Paralipomena 441; Beazley, Addenda 93; Arias Hirmer a. O.
Taf. 126—8; hier Taf. 26, I. - ‘Lulropboros’ neben Grab stebend: e) wgr. Lekythos, Eretria:
D. C. Kurtz, Athenian White Lekythoi (1975) Taf. 20, 3. — f) Wgr. Lekythos, Malibu 83.AE.42:
GettyMusJ 12, 1984, 244 Nr. 63 Abb. (Vorderansicht); hier T61)”. 28, 1—2. — Unlelar: g) wgr. Leky—
thos, Athen Nat. Mus; Beazley, ARV2 16872.
88 21) Sf. ‘Lutrophoros", Athen, Nat. Mus; CVA Athen (1) Taf. 8—9; D. C. Kurtz in: H. A. G.
Brijder (Hrsg), Ancient Greek and Related Pottery, Kolloquium Amsterdam 1984 (1984) 319
Abb. 4 21—1). — h) wgr. Lekythos ans Anavyssos, Athen, Nat. Mus. 19355: E. Vanderpool, AJA
65, 1961, Taf. 98, 3 (als Grabbeigabe ausgegraben); ADelt 16, 1960, Chron 39 Taf. 36; Beazley,
ARV2 1022,139 bis; Beazley, Paralipomena 451; Beazley, Addenda2 329.
89 wgr. Lekythos, London, BM D71: Beazley, ARV2 1384,15; Beazley, Addenda2 372; Kurtz
a. O. (Anm. 87) Taf. 49, 4.
90 a) Opferrinne in Grabhi‘lgel bei Vourvzt, sf.: B. Stais, AM 15, 1890, 322. 324 ff. Taf. 11;
Beazley, ABV 38,1; Beazley, Addenda2 10. — b) Kerameikos, Opferrinne an der Heiligen StrafSe,
SE: K. Vierneisel, ADelt 19, 1964, Chron 41 Taf. 37; U. Knigge a. O. (Anm. 34) 145 f. Abb. 140.
— c) Marathon, Brandopferschicht im Grabhflgel der Plataer, sf: S. Marinatos, Prakt 1970, 25
Taf. 39 b.
DIE SOGENANNTE LUTROPHOROS 167

phoren’ mit sepulkralen Darstellungen wurde Uberdies in Nekropolengebie-


ten in der Umgebung der Stadt Athen entdeckt91. Und eine groSe Zahl von
GeféiISen léfSt sich schliefslich durch die Bildthemen, die auf ihnen zur Dar-
stellung kommen, unzweideutig als sepulkrale Gef‘aifSe identifizieren92.
Die zeitliche Verteilung der sepulkralen Ton-‘Lutrophoren’ reicht von einem
fruhschwarzfigurigen Geféifs aus Vourva93 bis zu Beispielen vom Ende des ‘3.
Jhs. V. Chr. Als herausragender Beleg aus dieser spiten Zeit kann clue in weig-
grundiger Technik bemalte ‘Lutrophoros’ im Louvre angeffihrt werden, die
Lilly Kahil bekannt gemacht hat94. Auf dem Bauch dieses Geféfges finden sich
Trauernde an einer Stele dargestellt, wie sie von den weiISgrundigen Leky—
then her bekannt sind. Es kann daher kein Zweifel bestehen, dafs dieses GeféiB
aus den Jahren 420—41095 aus dem Grabbereich stamrnt. Neben dieses Zeug-
nis treten Bilder auf weifigrundigen Lekythen, die an Grabstelen aufgestellte
‘Lutrophoren’ zeigen96. Daher kann eine fortwfihrende Verwendung sepul~
kraler Ton-‘Lutrophoren’ als Grabaufsatz vom 6. Jh. bis ans Ende (16$ 5. Jhs.
V. Chr. belegt werden, also wenigstens bis zum Aufkommen der Marmor—
‘Lutrophoren’.

Ton— ‘Lutropboren ’ oils Grabvasenfzir unverbez‘mtew Tote?


Wenn man nun erneut die Frage nach der Funktion der Marmor—‘Lutropho—
ren’ in den attischen Grabbezirken des 4. Jhs. v. Chr. stellt, dann mufS gekléin:
werden, in welcher Tradition diese in Marmor monumentalisierten Gmbgeffifie
standen, als sie am Ende des 5. Jhs. V. Chr. aufkamen. Die Forschung hat
wegen der traditionellen Deutung dieser marmomen Venreter unseres GeféifS—
typus als Grabmal unverheirateter Toter diese bisher vordringlich von den
Ton—‘Lutrophoren’ irn Hochzeitszeremoniell abgeleitet. Doch haben die letz—
ten Beobachtungen gezeigt, dalS es eine bis ans Ende des 5. Jhs. V. Chr. konn
tinuierlich nachweisbare sepulkrale Funktion der Vorlélufer gegeben hat. Damit
ist die Frage, an welche der beiden Gruppen die Marmor-‘Lutrophoren‘
anschlossen, Wieder grunds‘zitzlich offen und mufS daher neuerdings disku-
tien werden.

91 s. u. Anm. 101—105.
92 W. Zschietzschmann, AM 53, 1928, 21 ff. 40 ff. Nr. 44—83; S. 44 ff. Nr. 95—117 Bell. 12—14.
16—18. — Ferner: wgr. ‘Lutrophoros’, Athen Nat. Mus. 450: L. G. Kahil in: Gestalt Lind Geschichte.
Festschrift fiir K. Schefold zu seinem sechzigsten Geburtstag am 26. Januar 1965, 4, Beih. AntK
(1967) 150 Taf. 53, 4. — rf. ‘Lutrophoros’, Mi'mchen: Beazley, ARV2 1102,1; Beazley, Paralipo—
mena 451; Beazley, Addenda 529.
93 s. o. Anm. 90 Nr. :1.
94 Kahil a. O. 146 ff. Taf. 51. 52.
95 Ebenda 150.
96 s. o. Anm. 87 Nr. e. f; aulSerdem Anm. 88 Nr. b und Anm. 89.
168 JOHANNES BERGEMANN

Ein ganz wesentlicher Anhaltspunkt fflr die Lésung dieses Problems sind
die Fundorte der Tongeféfge, denn sie ermbglichen Aufschlfisse fiber den On,
an dem sie tats‘zichlich benutzt wurden, und daher Uber ihren konkreten Funk—
tionszusammenhang. Dieser Aspekt ist bisher fUr die attischen Vasen Viel
zuwenig berflcksichtigt worden97. Zudem liegen wie fLir Viele Untersuchun—
gen, die sich auf die Beobachtung von Fundorten und -k0ntexten stiltzen,
auch zu den Ton—‘Lutrophoren’ nur ftir ganz wenige Falle ausreichende Anga-
ben vor.
Soweit die Fundorte der GeféiBe bekannt sind, ergibt sich zun'achst far die
mit sepulkralen Themen bemalten Ton—‘Lutrophoren’ ein klarer Funktions-
bereich am Grab, denn schwarzfigurige wie rotfigurige Exemplare wurden
durchweg in Nekropolen entdeckt. Zwei Stficke stammen aus detaillien beob—
achteten Grabungen. Eine schwarzfigurige ‘Lutrophoros’ mit Klagefrauen am
Hals und Tierfriesen an Bauch und Schultern lag in einer Opferrinne an der
Heiligen StrafSe im Gebiet der Kerameikosgrabung98. D215 Halsfragment einer
rotfigurigen Vase mit der Darstellung eines sich in heftiger Trauer auf den
Kopf schlagenden Mannes wurde bei einem Grab in Glyphada gefunden99.
Fijr eine mit Tierfriesen geschmfickte, schwarzfigurige ‘Lutrophoros’ schliefS—
liCh ist ein Fundort in der Opferrinne eines Grabhfigels gesichertloo.
Diesen sicher aus Grabkontexten stammenden GeféifSen kénnen weitere
‘Lutrophoren’ mit sepulkralen Darstellungen hinzugeffigt werden, deren Her—
kunft aus Nekropolengebieten zumindest allgemein gesichert ist. E. Karydi
hat VOI‘ Vielen Jahren eine Gruppe von sechs schwarzfigurigen GeféiISen mit
trauernden Figuren und Prothesisszenen zusammengestellt, die zwar aus
ungekléirten Kontexten, aber sicher aus dem Gebiet der Kerameikosgrabung
stammenwl. Eine andere schwarzfigurige ‘Lutrophoros’ wurde bei dem ehe—
maligen Athener Waisenhaus an der PiréiusstrafSe, vor dem Bria-Tor, in der
Néihe der Kerameikosgrabung entdecktloz. Wieder andere Gef'zifSe mit sicher
sepulkralen Darstellungen stammen schliefslich aus dem Bereich der kdnig-

97 s. dazu die Liberaus niitzliehe Zusammenstellung bei Scheibler a. O. (Anm. 65) 29 ff.
98 s. 0. Anm. 90 b).
99 Odos Serron: ADelt 34, 1979, Chron 86 f. Taf. 25 b.
100 s o. Anm. 90 a); M. Collignon — L. Couve, Catalogue des Vases Peints (1902) 157 Nr.
593 Taf. 24. — Eine schwarzfigurige ‘Lutrophoros’ aus dem Grabht'lgel der Platfier bei Marathon
gibt dagegen Schwierigkeiten hinsichtlieh der thematischen Bestimmung ihrer Bilder auf: Mari-
natos s. o. Anm. 90 c).
101 Kerameikos Inv. 1673. 1680. 1681. 1682. 1699. 2525: E. Karydi, AM 78, 1963, 100 ff.
Beil. 40—48.
102 Wolters a. O. (Anm. 2) 380 Nr‘ 14; W. Zschietzschmann, AM 55, 1928, 45 Nr. 97. ~ Zur
Lage des ehemaligen Waisenhauses: E. Curtius —J. A. Kaupert, Karten von Attika (1881 ff.)
Blatt 1 (an der Pirfiusstralfie nordwestlich des Dipylon).
DIE SOGENANNTE LUTROPHOROS 169

lichen St'z'llle am Syntagmaplatz vor dem Diocharestor105, von der Odos Sta—
diou104 und aus der Umgebung des Athener Institutsgebéiudeslos. Alle Fund-
orte liegen in antiken Nekropolengebieten knapp aufierhalb der Stadtmauem.
Dagegen ist kein einziger Fall einer ‘Lutrophoros’ mit sepulkraler Bildthema—
tik bekannt, die in einem Heiligtum gefunden worden wéire106.
Die genannten Beispiele verweisen also durch ihre Darstellungen Wie durch
ihre Fundone allein auf eine sepulkrale Funktion. Der Hochzeitsaspekt dage—
gen Wird weder im Bildschmuck thematisiert, noch kommt er durch die Fund-
lage bei den Gréibern zum Ausdruck. Vielmehr besaféen die genannten ‘Lutro—
phoren’ offenbar ausschliefSlich sepulkralen Charakter.

Auch die Verwendung der ‘Lutrophoren’ mit Bildem aus dem Themenkreis der
Hochzeit scheint, soweit Fundor’re gesichert sind, auf den ersten Blick eindeutig
auf diesen Bereich gezielt zu haben. Denn sie wurden 0ft in Heilign‘imern von
Hochzeitsgottheiten gefunden, so auf der Akropolis von Athen, in den Hohlen
und an anderen heiligen Stéttenlm.
Es mufé jedoch gepruft werden, ob nicht eine Reihe anderer Ton-‘Lutro—
phoren‘ mit Hochzeitsdarstellungen im Grabbereich benutzt worden sein
konnten. Seit langem néimlich hat man beobachtet, dais eine grofSe Anzahl
von Ton-‘Lutrophoren’ — mit sepulkralen ebenso Wie mit Hochzeitsbildern —
einen durchbohrten Oder iiberhaupt keinen Boden hat. Diese Eigenart Wird
in der Forschung Uberwiegend mit einer Funktion der Vasen im Grabbereich
in Verbindung gebracht. Doch gibt es zwei konkurrierende Ansichten fiber
die konkrete Funktion dieser Bodenoffnungen. Einige Autoren nehmen an,
(131% die Offnungen in den GeffifSfiifSen der Einleitung von Libationen in das
Grab gedient hatten108. Andere Forscher haben die Locher dagegen schlicht
als technische Vorrichtungen zur Befestigung der Geféifie auf dem Grabrnal

103 Schwarzfigurig: Zschietzschmann a. O. 41 Nr. 49.


104 Schwarzfigurig: Wolters a. O. (Anm, 2) 580 Nr. 17 (Zeichnung).
105 Rotfigurig: Wolters :1. Or (Anm. 2) 571 ff. Taf. 8; G. Bakalakis, AntK 14, 1971, 74 ff.
Abb. 1 Tafr 25—28.
106 Ebenso: Graef— Langlotz (Anm. 78) I 58 ff. 128 ff. und II 58 ff.; Vgl. Travlos, Athen 562
Abb. 466.
107 s. o. Anm. 72—781 — Aus der Nymphengrotte am Fumes: Athen, Nat. Mus 12540; K. Rho-
maios, AEphem 1906, 104; G. Nicole, Catalogue des vases peintes du Musée National d'Athénes
(1911) Nr. 1059; Beazley, ARV2 1256,11. — Aus der Nymphengrotte von Daphni: Beazley, ARV2
12661; AEphem 1957, 402 f. Abb. 14.
108 H. Bloesch,jHS 717 1951, 30 Anm. 4; El Diehl, Die Hydria (1964) 126; S. Karonzou, RA
1970, 229 ff; C. Wells in: Ancient Greek and Related Pottery. Proceedings of the 3rd Sympo—
sium> Copenhagen, 31 August — September 4, 1987 (1988) 661 Abb. 14; Scheibler a. 0. (Ann). 65)
29 f. (Vielleicht auch zum AbfluIS von Regenwasser aus dem im Freien aufgestellten Grabge-
EMS)
170 JOHANNES BERGEMANN

erkléirt109. Allerdings gehen beide Erkléirungen davon aus, dafs Vasen mit offe—
nen Boden im Grabbereich verwendet worden seien. Wenn das richtig ist,
dann Wire auch ein grolfier Teil der Hochzeits—‘Lutrophoren’ im sepulkralen
Bereich benutzt worden.
Man fragt siCh allerdings, Wie zwingend diese Schlufolgerung fiberhaupt
ist. Das Problem stellt sich um so dringender, als eine systematische Unter—
suchung der Grinde fehlt, aus denen heraus man GeféiISe ohne Boden her-
gestellt oder den Boden nach dem Brand durchbohrt hat. Das aussagekr‘eif—
tige Material Zu dieser Frage wird erneut durch den Chronischen Mangel an
Vasen aus beobachteten Fundzusammenh‘eingen minimiert. Eine andere Schwie-
rigkeit liegt darin, dafs nur ganz wenige Vasenpublikationen mitteilen, ob die
Geféifée einen Boden haben oder nicht‘ Aus diesen Grfinden kOnnen hier nur
wenige grundséitzliche Bemerkungen zum Problem gemacht werden.
Offensichtlich Waren Geffifie ohne Boden oder rnit einer Offnung im Boden
nicht ffir einen konkreten Gebrauch bestimmt. Start dessen mufs ihre Funk—
tion zeichenhaft oder symbolisch gewesen sein. Fraglos trifft das auf Vasen
zu, die als Grabaufséitze oder in Opferrinnen benutzt wurden. Aber auch ffir
Weihgaben in Heiligtfimern wire eine funktionslose, symbolische Bedeutung
denkbar, so dag bei der Herstellung von Vasen als Votivgaben durchaus auf
die Einziehung eines Bodens héitte verzichtet werden konnenr Es ware daher
immerhin mOglich, dais das bisher einseitige Vorkommen von GeffifSen ohne
Boden irn Grabbereich von den unterschiedlichen Erhaltungsbedingungen in
Nekropolen und in Heiligtumern abhéingt. Denn die Keramikfunde aus Hei-
ligtiimern, z. B. von der Athener Akropolis, sind meist so stark fragmentiert,
dafS eine Aussage darflber, ob die Gef‘élfSe einen Boden besalgen, héiufig nicht
mehr moglich istllo.
Es bedarf deshalb weiterer ausfiihrlicher Studien, die vor allern an den aus-
gezeichnet erhaltenen, jedoch noch unver'offentlichten ‘Lutrophoren‘ aus dem
Athener Nymphenheiligtum ansetzen mSten. Bereits eine provisorische
Durchsicht der wenigen Gef’afle aus diesem wichtigen Fundkomplex, die im
Akropolismuseum ausgestellt sind, fuhrt jedoch zu einem fiberraschenden
Ergebnis. Mehrere dieser ‘Lutrophoren’, schwarzfigurige Wie rotfigurige, wei—
sen entweder einen ausgebrochenen Boden auf Oder sind von vornherein
ohne Boden hergestellt wordennlr Diese Gefé‘te aus dem Athener Nym—

109 Walters a. O. (Anm. 2) 38.5 f.; D. Kunz —J. Boardman, Greek Burial Customs (1971)
57. 152; (lies, Thanatos (1985) 62. 185;]. Boardman, AnnOrNap 10, 1988, 176.
110 s. 0. Anm. 784
111 Inv. NA 57 A2 51: sf. Hydria-‘Lutrophoros', Boden ausgebrochen. — Inv. 1959 NAK 931:
sf. Hydria-‘Lutrophoros' ohne Boden. — Inv. 1959 NAK 143: sf. Hydria—‘Lutrophoros’ ohne
Boden. — Inv. NA 55 A2 12: rf, ‘Lutrophoros’ ohne Boden.
DIE SOGENANNTE LUTROPHOROS 171

phenheiligtum belegen also, dafl ‘Lutrophoren’ ohne Boden durchaus in Hei-


ligttimern Verwendung finden konnten. Daher kann das Fehlen des Bodens
nicht als schliissiges Indiz f'Lir deren Verwendung im Grabbereich angeffihrt
werden. Mehr noch scheint dieser Befund uberhaupt gegen eine Erklfirung
fehlender Gef'eibéden allein aus dem sepulkralen Funktionsrahmen heraus
zu sprechen.
Es verdient daher Interesse, dais man in jL‘lngerer Zeit auch technische
Gri'mde fiir die Herstellung von Gef’afien ohne Boden erwogen hat. So Wies
K. Schauenburg darauf hin, dafS es eine Reihe von weinrundigen Lekythen
gibt, die ein Loch im Boden aufweisen. Da diese Gef'alfie zu klein waren, um
als dauerhafte Grabaufséitze Zu dienen, deutete er die Offnungen als Brenn—
lécher, die wegen der engen Héilse der Lekythen, die oft sogar durch einen
Einsatz gfinzlich verschlossen waren, die Luftzirkulation Wé‘thrend des Bren—
nens erméglichen solltenllz. Eine entsprechende Interpretation hat auch
H. Lohmann fur unteritalische Geffifée ohne Boden vorgeschlagen113.
Aus diesen Uberlegungen folgt, dafs man die Hochzeits—‘Lutrophoren’ mit
durchbohrtem Oder Ohne Boden nicht ausnahmslos dem sepulkralen Bereich
zuschreiben kann. Zurnindest ein grOfSer Teil von ihnen mufS vielmehr aus
den Heiligturnern der Hochzeitsgottheiten stammen, Wie es fiir die Gef‘zifSe
aus dern Athener Nymphenheiligturn durch den Fundkontext belegt ist (s. 0.
s. 170)114.
Doch gibt es andererseits zwei rotfigurige ‘Lutrophoren’ mit Hochzeits-
szenen, die sicher in Nekropolen gefunden wurden. Die eine entdeckte man
im Kontext eines Grabes vor dem ACharnischen Tor von Athenlls, die andere
bei dem bereits erwéhnten ehemaligen Athener Waisenhaus an der Piréius—
strafSe116. Diese Féille deuten (lurch ihre Fundone darauf hin, dafS die beiden
Funktionsbereiche des GeféiIStyps, Hochzeit und Begr'élbnis, bereits in der

112 K. Schauenburg in: E. Lefévre (Hrsg), Monumentum Chiloniense, Studien zur augu-
steischen Zeit. Festschrift filr Erich Burck zum 70. Gehurtstag (1975) 554 f. mit Material in Anm.
4S. — Schauenhurg selbst weist freilich auch auf Lekythen mit Einsatz, aber ohne Loch im Boden
hin (ebenda 555 Anm. 45).
115 H. Lohmann, JdI 97, 1982, 210 ff., bes. 232 f. ._ Lohmann weist selbst auf die fur seine
These nicht Llnproblematischen Kratere hin, die wegen ihrer weiten, oberen Offnung eigent—
lich keines Brennloches 1m Boden bedtirflen (ebenda 225 ff.) Daher sei der Boden von Kra—
teren auch nur selten offen gelassen worden (ebenda 232).
114 Auch cler gute Erhaltungszustand vieler Ton-‘Lutrophoren" mutS nicht zwingend fUr
deren Herkunft aus Gribern sprechen. Denn, wie wir gesehen haben, lage‘n die Kultstétten
der Hochzeitsgottheiten meist in Héhlen, in denen ebenso gute Voraussetzungen fur die vol]-
stz'indige Erhaltung der ‘Lutrophoren’ gegeben ware-n wie in den Grfibem. Durch diesen Umsmnd
erklz‘irt sich nicht zuletzt der 0ft fast vollstiindige ZLIstand der GeFaISe aus dem Athener Nym-
phenheiligtum.
115 ADelt 18, 1963, Chron 35 ff. Taf. 34, 4.
116 Walters a. O. (Anm. 2) 582 Nr. 21 (Zeichn).
172 JOHANNES BERGEMANN

symbolischen Bedeutung der t6nernen ‘Lutrophoren’ miteinander verbunden


waren. Es mug daher gefragt werden, warum ‘Lutrophoren’ mit Hochzeits—
themen im Grabbereich verwendet wurden und welche Bedeutung sie dort
angenommen haben.
Zur Beantwortung kann an erster Stelle auf die Waschungen hingewiesen
werden, die bei der Hochzeit ebenso Wie beim Begr'abnis vorgenommen wur-
den. R. Ginouves hat die einschliigigen Quellen zusammengestellt und ana-
lysiert, D. C. Kurtz und]. Boardman haben speziell diejenigen fur den sepul-
kralen Bereich untersucht117. Zudem belegen die Darstellungen der beiden
Zeremonien teils sogar auf den Gefaféen selbst, daB die Ton-‘Lutrophoren’
bei der Hochzeit ebenso wie beim Begr‘abnis ftir die Waschungen verwendet
, wurden (s. O. S. 163—167). Darin kommt offenbar eine ambivalente Bezie-
hung zwischen den beiden Zerernonien zum Ausdruck.
Archaologische Anhaltspunkte ftlr eine weitergehende Interpretation der
Hochzeits—‘Lutrophoren’ im Grabbereich, etwa in dem Sinne, dais sie unver-
heirateten Toten zugekommen waren, fehlen. Weder die Fundsituationen
noch die Bildthemen geben einen Hinweis darauf. Ausdriicklich gegen eine
solche Verkniipfung der beiden Bereiche spricht der Umstand, dais bisher
keine einzige ‘Lutrophore’ zutage gekommen ist, die beide Themen, Hoch—
Zeit und Totenzeremonie, in ihrem Bildschmuck miteinander verbande. Die
Thematik in den Bildern der einzelnen GefafSe beschrankt sich Vielmehr immer
einheitlich entweder auf die Hochzeit Oder auf das Begrabnis.

Andererseits kann man die beiden Hochzeits—‘Lutrophoren’, die sicher aus


dem Grabbereich stammen, natijrlich niCht einfach vernachlassigen1 18. Zu
ihrer Erkl'arung mufS nach der Bedeutung der Bilder anderer GefafSe aus dem
Grabbereich gefragt werden, denn die Hochzeit tritt als Thema von ins Grab
mitgegebenen Oder in sepulkralen Opferrinnen verbrannten Vasen niCht allein
auf den Ton—‘Lutrophoren’ in Erscheinung. Insbesondere die Lebeten und ihre
freilich ebenfalls nicht mit Sicherheit benannte Untergruppe der ‘Lebetes gami—
koi’ fiihren dieses Thema hiufig im Grabzusammenhang vor Augenlw. Diese
Befunde sind, soweit iCh sehe, von der Forschung gerade niCht im Sinne eines

117 Ginouves a. O. (Anm. 66) 239 ff. 265 ff; D. C. Kurtz -—J. Boardman, Greek Burial
Customs (1971) 149 ff.; diesi, Thanatos (1985) 182 ff.
118 s. o. Anm. 115 und 116.
119 Scheibler a. O. (Anm. 65) 51 mit Material in Anm. 78. - s. auISerdem K. Viemeisel, ADelt
18, 1963, Chron 27 Taf. 23; dera, AA 1964, 453 ff. Abb. 24. — A, Kauffmann—Samaras in; Ancient
Greek and Related Pottery. Proceedings of the 5rd Symposium, Copenhagen, August 31 — Sep-
tember 4, 1987 (1988) 286 ff. — Zu unteritalischen Lebeten: H. Cassimatis, Le Lébes a anses
dressées italiote, Cahiers du Centre jean Bérard 15 (1993) bes. 19 f. (zur Funktion beim Begral}
nis). — Selbst methodisch fortschrittliche Untersuchungen verzichten oft noch immer auf eine
DIE SOGENANNTF. LUTROPHOROS 173

Ersatzes fL'ir die im Leben versaumte Hochzeit der Totem gedeutet worden,
sondern Vielmehr als Himweise auf bestimmte BereiChe des Lebemslzo.
Eine solche Interpretation der in den Griibern vorkommemden Bildthemem
bewahrt sich auch, wemn mam etwa die Frauengemachszemem betrachtetlm,
Filr ihre Deutung irm Grabzusarmmemhamg stellt sich uberhaupt micht die Frage,
0b durch die Wahl des Thermas gewissermaiSen eim Defizit im Lebem der Totem
ausgeglichen werden sollte, somdern sie verweisen mit Sicherheit auf eimem
im Leben der weiblichen Totem zentralen Bereichlzz.
Der Vergleich mit der Zielrichtumg des Frauemgemachthemas macht deut-
lich, wie umwahrscheinlich es ist, dais die Hochzeits—‘Lutrophorem’ aus Grab-
kontexten gewissermafSen als Ersatz fLir die im Lebem der Totem mic ht voll—
zogene Hochzeit gediemt hatten. Zumindest fehlt in den genanmtem Befun—
den jeder Hinweis auf eime solche kausale Verbindung der beiden Aspekte.
Entschiedem gegen diese Interpretation der Tom-‘Lutrophoren’ spricht zudem
die groBe Zahl von Exemplarem mit rein sepulkraler Thematik, die keinerlei
Ansatz fflr eime Interpretation im Himblick auf die Hochzeit bietem, sondern
die sich, wie wir gesehen habem, offensichtlich allein auf das Begr'abmis bezie-
hem.
Das wird durch einem Blick auf die Krieger—‘Lutrophoren’ best'atigt, die obem
teilweise hereits umter den sepulkralen Gefafiem mitben’jcksichtigt worden
sind. Sie zeigen verschiedemaitige Kampfszemem, teils sogar Amazomormachien
in Verbindung rmit sepulkralem Motiven, Darstellungem von Grabstelen Oder
vom Teilem der Begrabmiszeremomie123. R. Stupperich hat beobachtet, dais die
bekammtem Fumdorte dieser Vasem alle in Nekropolengebieten liegen, davon
mehrere im Kerameik05124. Die sepulkrale Funktiom dieser Gruppe vom ‘Lutro—
phoren’ steht also mach den Bilderm wie mach den Fundortem auiSer Fragelzs,
Wahremd der Hochzeitsaspekt ermeut vollkormrmen fehlt.

Auswertung der Fumdorte, s. etwa F. Lissarrague in: P. Schmitt—Pamtel (Hrsg), Geschichte der
Frauen 1, Amtike (1993) 177 ff.
120 Lohmanm a. O. (Amm. 67) 17. 100; Scheibler a. O. (Amm. 65) 45. — Zu den weinrun-
digen Lekythem: I. Baldassare, AnnOrNap 10. 1988, 107 ff. — Vgl. auch Reimsberg a. O. (Anin.
67) 70 ff.
121 GefiifSe mit Frauemgemachbildem aus dem Grahhereich z. 13.: ADelt 18, 1963, Chron
27 f. Taf. 23; 33 ff. Taf. 33. 34 a. c. — B. Schlérb-Viemeisel, AM 81, 1966. Taf. 48, 1; 49, 4. 5.
122 E. Gdtte, Frauemgemachbilder in der Vasenmalerei des 5. Jhs. (1957); D. Williams in:
A, Cameron — Al Kuhn (Hrsg.), Images of Women in Antiquity (1985) 92 ff.; Lissarrague a. O.
177 ff. hes. 225 ff.
125 R. Stupperich, Staatsbegra‘bmis und Privatgrahmal im klassischen Athem (1977) 155 ff.
mit Liste der St‘L‘lcke S. 156 Anm. 5. — C. W. Clairmomt, Patrios Nomos (1983) 74 ff.
124 Stupperich a. O. 162.
125 Eine Fumktiom beim Staatsbegrabnis erscheint gut moglich: Stupperich umd Clairmomt
(s. o. Anm. 123).
174 JOHANNES BERGEMANN

Die Fundorte der Ton-‘Lutrophoren‘ also ergeben zwar eine ambivalente


Funktion dieser GeféiISe bei der Hochzeit und beim Begréibnis, es fehlt jedoch
ein Anhaltspunkt dafiir, dafs diese beiden Bereiche bei der Verwendung von
Ton—‘Lutrophoren’ mit Hochzeitsdarstellungen in ein kausales Verhiltnis zuein-
ander gesetzt worden wiren. Eine Ambivalenz beider Themen kommt Viel—
mehr darin zum Ausdruck, dafS bei beiden mit Waschungen verbundenen
Anléissen derselbe Geffifityp zum Herantragen des Wassers verwendet wer—
den konnte. Dadurch Wird Uberdies eine inhaltliche Verwandtschaft der bei-
den Zeremonien zum Ausdruck gekommen sein126. Anhaltspunkte far eine
Interpretation der Ton—‘Lutrophoren’ als Grabm'ailer von Unverheirateten las-
sen sich daraus jedoch nicht ableiten. Daher kann diese Bedeutung auch nicht
von den Ton—‘Lutrophoren’ auf ihre marmornen Nachfolger fibertragen wor-
den sein.
Fur die Ton~‘Lutr0phoren’ haben sich Vielmehr zwei voneinander ver—
schiedene Bedeutungsméglichkeiten ergeben, einerseits eine auf die Hoch-
zeit bezogene und andererseits eine rein sepulkrale. Daran verdient beson—
ders hervorgehoben zu werden, dais beide, auch die sepulkrale Bedeutung,
sich bis ans Ende des 5. jhs. belegen lassen. Die Besonderheit der Hochzeits—
Gruppe ist es, dais sie aufSer in den Heiligtfimern auCh im sepulkralen Bereich
verwendet wurde. Ein Betrachter der spéteren attischen Gréber des 4. Jhs. v.
Chr. hitte daher die Marmor—‘Lutrophoren’ ebensogut als rein sepulkrale wie
als aus dem Hochzeitszeremoniell stammende Gegenstiinde verstehen k611—
nen.

Die Funktion der Marmor—‘Lutrophoren’

Die Frage, 0b sich die Bedeutung der Marmor—‘Lutrophoren’ auf eine der Alter—
nativen einengen IiiISt, muIS daher von den Marmor-‘Lutrophoren’ selbst, ihren
Reliefbildern und ihrer Funktion in den Grabbezirken her angegangen wer-
den. Es sei schon vorab angemerkt, dais eine Reihe von Gesichtspunkten fiir
eine Ableitung der Marmor-‘Lutrophoren’ V0n ihren sepulkralen Vorlfiufern
aus Ton spricht.
Wichtig ist erstens die Beobachtung, (138 die Marmor—‘Lutrophoren‘ mit dem
Bildschmuck ihrer tbnernen Vorléiufer insgesamt brechen. In ihrem Reper-
toire fehlen néimlich Bilder von der Hochzeit ebenso wie die Bilder der sepul-
kralen Ton-‘Lutrophoren’, z. B. Darstellungen der Prothesis. Vielmehr orien-
tieren sich die Marmor—‘Lutrophoren’ an den auf den attischen Grabstelen des

126 Zur Ambivalenz zwischen Hochzeit und Tod: C, Bérard u, 3,, Die Bilderwelt der Grie-
chen (1985) 139 ff.; Cassimatis a. O 131 ff., hes. 134 ff.
DIE SOGENANNTE LL'TROPHOROS 175

spiten 5. und 4. Jhs. auch sonst tiblichen Themen127. Sie lassen also die tra—
ditionellen, sepulkralen Bildthemen der filteren Ton-‘Lutrophoren’ vermissen
und fibernehrnen zugleich das, was in ihrer Zeit an Bildmotiven im sepul—
kralen Bereich auch sonst Ublich war. Es liegt allein deswegen nahe, die
Bedeutung der Marmor—‘Lutrophoren’ in erster Linie vorn Zusammenhang des
Grabes her zu verstehen.
Zweitens kt‘mnen fUr die Ableitung der Marmor-‘Lutrophoren’ von den
sepulkralen Ton-‘Lutrophoren’ die anderen Gegenst'ainde ins Feld gefflhrt wer-
den, mit denen die ‘Lutrophoren’ auf den sog. Gefénruppenstelen gemein-
sam erscheinen. Zwar werden sie dort h'e'lufig mit Bindenschrnuck128 Oder
ZWischen zwei Alabastr3129 (Taf. 29, 2) dargestellt, Elementen also, die wie
die ‘Lutrophoros’ selbst auch bei der Hochzeit vorkommen150. Doch belegen
die Kombinationen mit den sicher sepulkralen Lekythen (Ta/T 29, 2) 15] oder
mit Sphingen und Sirenen (Taf. 29, 0132, daIS alle Motive der Gef’zifégruppen-
stelen gemeinsam als Gegenstéinde aus dem Grabbrauch zu verstehen sind,
also auch die ‘Lutrophoren’.
Der dritte Aspekt, der fiir die Interpretation der Marmor-‘Lutrophoren’ Wich-
tigkeit erlangt, ist ihre mit den Lekythen fibereinstimmende Funktion. Die
Tonlekythen kOnnen bekanntlich als sepulkrale GeféfSe par excellence ange-
sehen werden, in denen den Totem OI gespendet wurde. Tonlekythen wur—
den in grofSer Zahl in die Grfiber beigegeben, in den Opferrinnen verbrannt
Oder wéihrend der Begrfibnisfeierlichkeiten auf den Grabmonumenten auf—

127 Bekanntlich sparen auch die anderen Typen attischer Grabmonumente des 4. Jhs. v.
Chr. — Naiskoi, Bildfeldstelen und Marmorlekythen — diese beiden Themenbereiche aus,
Wéhrend der Verzicht auf Bilder der Hochzeit im Repertoire der Grabmonumente nicht fiber—
raschen kann, tritt in dem Verzicht auf explizit sepulkrale Themen ein interpretationsbediirf—
tiges Charakteristikum dieser Gattung in Erscheinung. s. dazu ausfiihrlich Verf.. Demos und
Thanatos. Untersuchungen zum Wertsystem der Polis im Spiegel der attischen Grabreliefs des
4. Jahrhunderts v. Chr. und zur Funktion der glelchzeitigen Grabbauten (1997) 35 ff. 56 ff. und
Ofter.
128 Kokula Taf. 39, 2. — Conze II Nr. 66021 Taf. 137; Nr. 1062 Taf. 216; 11] Nr. 1350 Taf. 283;
Nr. 1556 Taf, 285; Nr. 1359 Taf. 286; Nr. 1727 Textabb.; Nr. 1734 Taf. 373.
129 Kokula Taf. 10, 2. 3; 11, 2, Conze 11 Nr. 1062 Taf. 216; III Nr. 1411 Textabb.; Nr. 1409
-

Taf. 290. — C. C. Venneule, Greek and Roman Sculpture in America (1981) Nr. 81 Abb.
130 Binden bei der Hochzeit s. Reinsberg a. O. (Anm. 67) 58 Abb. 12 a—b; 69 Abb. 24. —
Alabastron bei der Hochzeit s. den rf. Lebes in Kopenhagen, Nat. Mus. o. Anm. 85, hier Taf
25, 2.
131 Kokula Taf. 10, 1—3; 11, 1—2; 12, 1—2. — Conze 11 Nr. 749 Taf. 144; Nr. 1062 Taf. 216
(hier Taf. 29, 2); III Nr. 1406 Taf. 280.
132 Kokula Taf. 10, 1. 3; 12, 1; 33, 1. — Conze I Nr. 383, Taf. 94 in Verbindung mil Nr. 736
Taf. 139 = CAT 3.871; Conze 11 Nr. 904 Taf. 178; Conze II Nr. 1005 Taf. 195 = CAT 8; Conze 11
Nr. 1074 Taf. 215 = CAT 2.2193 (hier Taf 29, 1); Conze III Nr. 1348 Textabh.; Nr. 1370-71 Taf.
288.
176 _]()HANNES BERGEMANN

gestellt135. Die Ton—‘Lutrophoren’ wurden zwar wesentlich seltener154 ver—


wendet, doch dienten sie in den Nekropolen ebenfalls als Grabaufséitze und
wurden als Gaben fijr die Toten in den Opferrinnen verbrannt (s. o. S. 168).
Mithin lassen sich zwei mit den Tonlekythen genau Ubereinstimmende Funk—
tionen feststellen.
Gemeinsam mit den Lekythen ist den ‘Lutrophoren’ daruber hinaus die
Umsetzung von Ton in Stein und darnit einhergehend die Adaption ffir die
Aufstellung in den Grabbezirken, die in Attika seit etwa 430 V. Chr. in neuer
Form ausgestattet wurden135.
Auch die parallele Verwendung von ‘Lutrophoren’ und Lekythen auf den
Geféifistelen kénnen far eine gleichartige Verwendung beider Geféifitypen
sprechen. Gleich die fn'iheste erhaltene marmorne ‘Lutrophoros’ ist auf einem
zweiseitigen Grabrelief in Brauron aus dem spéten 5. Jh. v. Chr. einer Leky-
thos gegeniibergestellt156. Zudem sind die sogenannten GeféiISgruppenstelen
oft so aufgebaut, dais eine ‘Lutrophoros’ von zwei Lekythen137 Oder zwei Ala—
bastral58 eingerahmt Wird (Taf. 29, 2). Doch kann diese Mittelstellung der
‘Lutrophoros’ auf den Geffinruppenstelen gelegentlich auch von einer Leky-
thos eingenommen werden159 (Ta/Z 27, 1—2). Zudern konnten beide GeféiIS-
formen entweder in Marmor V011 ausgearbeitet Oder als ‘Lutrophoren’— bzw.
Lekythenstelen auf die Grfiber gestellt werden140.
Schliefglich stimmt auch die Verwendung der marmornen Lekythen und
‘Lutrophoren’ in den attischen Grabbezirken des 4. Jhs. auffiillig fiberein. Beide

133 Richter — Milne a. O. (Anm. 2) 14 f. Ahh.; D. C. Kurtz —J. Boardman, Greek Burial
Customs (1971) 103 Ahb. 21. 26. 27; dies, Thanams (1985) 128 f. Ahb. 32. 36 a—h; D, C. Kurtz,
Athenian White Lekythoi (1975) S. XIX ff. 73 f. Taf. 18, 3; 20, 1. 2; 23, 3; 28, 2; 30, 1. 2 und
bfter; I. Wehgartner, Attisch weiISgrundige Keramik (1983) 168 ff.; Kurtz a. O. (Anm. 88) 520 ff.;
Scheibler a. .O. (Anm. 65) 35 f. Ahh. 34—56.
134 Das Beazley—Archiv in Oxford hat 59 rotfigurige Lutrophoren registriert, dagegen 4111
rotfigurige und weiISgrundige Lekythen. Diesen Zahlen sind, wenn auch nicht vollstéindig, so
doch sicher in ihrem Verhiiltnis repréisentativ.
135 Zu den Lekythen: Schmaltz a. O. (Anm. 44) 81 f. — Zu den Lutrophoren: Kokula 15 ff;
Ch. Dehl, AM 96, 1981, 167 ff.
136 Kokula 15 f. mitAnm. 10 Taf. 1—2.
137 5.0.Anm.131.
138 s. o, Anm. 129.
159 Conze 1 Nr. 268 Textabh. = CAT 173 (hier Tqfi 27, 2); Conze 11 Nr. 1139 Taf. 230 = CAT
5.727; Conze III NI. 1546 Taf. 282 (hier Taf. 27, 1).
140 Zu ‘Lutrophoren‘-Stelen Kokula 37 ff. — Zu Lekythenstelen: Kokula 17 f. miI Material
in Anm. 22; Schmahz a. O. (Anm. 44) 79 f. — Es ist fur diesen Punkt unerheblich, (.138 die Leky—
thenstelen in der attischen Grahreliefproduktion Uberwiegend fri’lh, um die Wende vom 5.
zum 4. jh. v. Chr., angesetzt werden miissen. Einerseits gibt es Ausnahmen (Kokula 17 Anm.
22) um] andererseits wird damn deutlich, dafS Lekythen und ‘Lutrophoren’ gerade kurze Zeit
nach ihrer Umsetzung in Stein eine einander entsprechende Funktion erfll‘lllten.
DIE SOGENANN’I‘F. LUTROPHOROS 177

Gefafiformen sind namlich sowohl als eigenstandige Grabmaler aufgestellt


Wie einem Naiskos als Beiwerk zugeordnet worden141.
Die Falle, in denen Lekythen als eigenstandige Grabm'aler verwendet wur-
den, hat B. Schmaltz zusammengestellt142. Unter den ‘Lutrophoren’ mufS die-
jenige des Olympichos als eigenstandiges Grabmal angesehen werden, die
in der Nahe der Heiligen StrafSe vor dem Dipylon einen kleinen Tumulus
bekrontel‘43. Auch wenn nicht letztlich sicher sein kann, ob sie wirklich als
einziges Monument auf diesem Tumulus gestanden hat, wird an der demon-
strativ auf dem Sockel angebrachten Namensinschrift deutlich, dais es sich
nicht um dekoratives Beiwerk, sondern um das Grabmonument gerade die-
ses Mannes handelt.
Auch die ‘Lutrophoros’ aus dem Grabbezirk von Demetria und Pamphile
war ein Grabmal eigenen Rechts, denn auiSer den Namenszflgen des Hege—
tor und der Pamphile fiber den Figuren des Bildes wird der mannliche Name
in seinem vollstandigen, dreigliedrigen Formular auf der Basis wiederholt144.
Dieser Fall macht zugleich deutlich, dais die ‘Lutrophoros’ auch in dem grofSe—
ren Zusammenhang einer umfangreichen Grabfassade als selbst'andiges Grab—
mal Aufsteilung finden konnte.
Andererseits waren bereits die [Onernen Lekythen -— den Darstellungen auf
den weinrundigen Gefiiflen zufoige — manchmal in groBerer Anzahl wahrend
der Begr'abnisfeierlichkeiten auf Oder neben die Grabstelen gestellt worden
(Taf. 30, 0145. Diese Praxis scheint im 4. Jh. v. Chr. in den immer monu-
mentaler ausgestalteten Grabbezirken auf die Marmorlekythen Ubertragen
worden zu sein. Eine Reihe von Monumenten kann das untermauern.
Die Basis der grofSen Reliefstele einer sitzend dargestellten Frau aus dem
Grabbezirk der Messenier vor dem Heiligen Tor Athens weist beidseitig vor
den aufieren Randem des Reliefs jeweils eine runde Einlassung auf, in denen
bis heute der FuIS einer Marmorvase steckt146. Folgt man den Bildern der
friiheren Tonlekythen, so wird man auf diesem Stelensockel am ehesten Mar—
morlekythen erganzen kOnnen147. Uberbiickt man die nicht sehr groBe Zahl
von ausreichend veroffentlichten Naiskos— und Stelenbasen, so stellt man

141 Zu den Lekythen: Schmaltz a. O. (Anm. 44) 76 ff. — Zu den ‘Lutrophoren’: Kokula 16 f.
31 ff.
142 Schmaltz a. O. (Anm. 44) 76 ff.
143 Kokula 31 f. T311 13; Knigge a. O. (Anm. 34) 137 ff. Nr. 38 Farbabb. 134.
144 Conze I Nr. 208 Taf. 56; IO 113 11569; Kokula 178 Nr. L80; W. K. Kovacsovics, Die Eck-
terrasse an cler Griiberstraifie des Kerameikos, Kerameikos XIV (1990) 81 Nr. 5 Taf. 19, 2. 5;
CAT 2.427.
145 s. u. Anm. 148. — Das Beispiel in Taf 30, 1: Toronto, Royal Ontario Museum 929.227:
Beazley, ARV2 855; Kunz a. O. [Anm. 87 e)] Taf. 29, 4.
146 Kovacsovics a. O. 97 ff. Nr. 1 Abb. 53 Taf. 21, S.
147 Kurtz a. O. [Anm. 87 6)] Taf. 18, 3. 23, 3. 28, 2. 29, 4. 50, 1. 2.
178 JOHANNES BERGEMANN

schnell fest, dafS eine Reihe weiterer Exemplare entsprechende Einlassungen


aufweist148. Ihre Zahl wircl sich, wenn man systematisch darauf achtet, kiinf—
tig sicher weiter vermehren.
Ahnliche runde Einlassungen weist auch die bertlhmte Grabstele der K01111-
lion auf, und zwar aufSer auf der Plinthe (s. o. Anm. 148) auf dem Schrig-
geison des Giebels (Taf. 30, 2). Es werden daher wohl ebenfalls marmorne
Lekythen auf dem Giebel cles Naiskos aufgestellt gewesen sein149. Auch die
hohen Inschriftstelen mit Rosetten konnten oben anstelle eines Anthemions
eine Vase, wohl eine Lekythos, tragen150. Die Aufstellung eines Teils der Mar-
morlekythen entsprach also gerade derjenigen, die auch ft‘lr die filteren Ton—
lekythen erschlossen worden ist (s. 0.).
Den Marmorlekythen léifSt sich nun eine Reihe von Marmor-‘Lutrophoren’
an die Seite stellen, die ebenfalls als Stelenaufsiitze gedient haben. So wurde
die Inschriftstele eines Grabbezirks im Demos Dekeleia von einer Ornament-
‘Lutrophore' bekréntlfl. Auch an Reliefstelen wurden ‘Lutrophoren’ als Akro-
tere entweder fest angearbeitet Oder separat hergestellt und dann aufgesetzt1 52.
Ein besonders schénes Exemplar ist die Stele der Silenis in Berlin
(q. 3], 1—2)155, eines jungen Méidchens, das mit seiner Dienerin auftritt.
Auf dem Gebéilk der Stele befindet sich eine Hydria—‘Lutrophoros’ als linkes

148 s. dazu bereits Schmaltz a. O. (Anm. 44) 80 ff. — Auf Basen von Stelen: A. Bri‘lckner,
Der Friedhof am Eridanos (1909) 66 Ahh. 57—38 (im Herakleiotenbezirk Nr. :1); Kovacsovics
a. O. 22 Abb. 19; 53 Nr. 4 (Stelenhasis modern :mf Sockel E aufgestellt). -— Auf Basen von Nais—
koi: Bruckner a. O. 66 Abl). 37—38 (im Herakleiotenbezirk Nr. b + c); 106 (Naiskos der Hegeso);
Kovacsovics a. O. 21 f. Abb. 18—19; 52 Nr. 2 (Naiskosbasis auf Sockel E). — Schmaltz a. O. (Anm.
44) 80 Anm. 112 weist auISerdem auf die Basis einer Gefiinmppenstele im Athener National-
museum hin, Inv. 5612: E. von Mercklin, AM 51, 1926, 107 Anm. 4 Beil. 3, 2. — Kokula 35 mit
Anm. 105; 168 Nr. 610 (Gefélsgruppenstele, wohl flankiert von zwei Lekythen). — Dari‘lber hin—
aus gibt es eine Reihe von F'z'lllen in denen mehr als zwei Lekythen aus demselben Grabbezirk
stammen. Da man in einer Grabterrasse hochstens zwei Lekythen als Eckakrotere unterbrin-
gen kann, muIS es sich ebenfalls um das Beiwerk von Stelen handeln: 3 Lekythen aus dem
Grabbezirk der Meidonfamilie aus Myrrinous: E. I. Mastrokosms in: XaplOThplov 515 ’A. K. 'OvSov
III (1966) 281 ff. Taf. 83—87 (Lekythen 2d, 26, 5); R. Garland, BSA 77, 1982, 168 f. Nr. Q3. —
Wahrscheinlich sechs Lekythen aus dem Grabbezirk von Menyllos und Astyphilos aus Voula:
D. Peppas—Delmousou, AAA 10, 1977, 226 ff. Abb. 1 a. b; 2 a. h. c; 3 a. b.; Garland a. O. 171 f.
Nr. T2.
149 Weitere Beispiele bei Schmaltz a. O. (Anm. 44) 12 Anm. 7.
150 Conze 111 Nr. 1435 Textabb.; Schmaltz a. O. (Anm. 44) 80.
151 Conze 11 Nr. 1136 Textahb.; F. Willemsen, AM 89, 1974, 177 ff. Nr. Ia Taf. 71; Kokula
51 Anm. 80.
152 Kokula 31 f.
153 Conze III Nr. 16793; C. BlUmel, Die klassisch griechischen Skulpturen der Staatlichen
Museen zu Berlin (1966) 55 f. Nr. 29 Taf. 47; Kokula 193 Kat. Nr. H35: U. Vedder, Unter—
suchungen zur plastischen Ausstattung attischer Grabanlagen (.165 4. Jhs. v. Chr. (1985) 242 Nr.
F34; CAT 1862.
DIE SOGENANNTE LUTROPHOROS 179

Eckakroter, dazu in der Mitte eine Sirene und 2115 Pendant auf der rechten
Seite eine Sphinx. Die sepulkrale Bedeutung der ‘Lutrophoros’ wird in die-
sem Falle also (lurch das ubrige Beiwerk untermauert.
Im Giebel der Stele des Soldaten Ktesikrates von Phaleron war eine
Amphora-‘Lutrophoros’ abgebildet154. Ein entsprechendes Gefais wurde
nachtraglich irn Giebel des Naiskos fiir Hippon und seine Eltern in Kopen-
hagen angebracht155. Einen 'zihnlichen Befund weisen auch zwei schlichte
Bildfeldstelen im Museum von Piraus auf. Diejenige des Phokers Stephanos
zeigt eine Amphora-‘Lutrophoros’ im GiebellS6, diejenige von Elephantis und
Kleitomache eine Hydria gleich oberhalb des Bildfeld5157. SchliefSlich hat sich
eine Amphora-‘Lutrophoros’ auch als Mittelakroter eines Naiskosgiebels aus
Myrrhinous im Museum von Brauron erhalten, der von zwei Sphingen 2113
Eckakrotere flankiert wirdlss.
Auch bei einigen anderen Naiskoi erkennt man an der Stelle des Mittel—
akroters den runden FufS eines Marmorgef'alges, doch ist es in diesen Fallen
durchaus ungewifi, oh man darauf eine Lekythos Oder eine ‘Lutrophoros’
erganzen kann159. Nach den zuvor aufgefuhrten Beispielen kijnnen beide
Lésungen gleichermaféen in Erw'agung gezogen werden. Daran Wird nochmals
die in weiten Ziigen vergleichbare Verwendung der ‘Lutrophoren’ und der
Lekythen in den Grabbezirken evident.
Es sind also zwei Gruppen von Argumenten, die fur eine sepulkrale Bedeu-
tung der Marmor—‘Lutrophoren’ sprechen. Einerseits treten sie im Zusam-

154 H. Diepolder, Die attischen Grabreliefs (1951) Taf. 28, 1; Kokula 165 f. KatNr. L47;
Hamiaux a. O. (Anm. 35) 159 Nr. 153 Abh.; N. Himmelmunn, Ideale Nacktheit in der griechi—
sehen Kunst, 26. Ergh. JdI (1990) 59 f. Abb. 25; CAT 1.277.
155 Diepolder a. O. Taf. 45, 1; CAT 3.40821; M. Moltesen, Catalogue Greece in the Classi-
cal Period, Ny Carlsberg Glyptotek (1995) 90 f. Nr. 55 Abb.
156 Kokula 164 Nr. L48 Taf. 9, 5; CAT 1.944; A. Scholl, Die attischen Bildfeldstelen des 4.
Jhs. v. (31112, 17. Beih. AM 1996 Kat. Nr. 299.
157 Conze I Nr. 111 Taf. 38; Kokula 195 Kat. Nr. H56 Taf. 54, 5; CAT 2.488; SChOll :1. 0. Nr.
291.
158 Brauron; Museum BE 93: Mastrokostas a. O. (Anm. 148) 295 Nr. 6a Taf. 88, 3—4;
D. WoySCh-Méuutis, La representation des animaux et des étres fabuleux sur les monuments
funéraires grecs (1982) 135 Nr. 569 Taf. 61; Kokula 31 Anm. 80.
159 Sehmaltz a. O. (Anm. 44) 12 Anm. 7; Conze III Nr. 1483 Textabb. = Kovacsovics a. O.
(Anm. 144) 52 f. Nr. 3 Taf. 26, 1 (‘Lutrophoros’) (Naiskos des Makareus). — Conze 11 Nr. 1151
Taf. 245; Kokula 31 mit Anm. 81 (‘Lutrophoros’) — CAT 1.460 (wohl ‘Lutrophoros') (Nuiskos
des Aristonautes). — Auf beiden Naiskoj hat man eine ‘Lutrophoros’ ails Akroter rekonstmiert.
Dazu hat die Annahme beigetragen, dais es sich um Jungverstorbene handle, was sich ffir
Makareus aus dem Epigramm sicher ergibt (W. Peek, Griechische Grabgedichte [1969] Nr. 91;
P. A. Hansen, Carmina Epigraphica Graeca 2 [1989] Nr. 568) und fiir Aristonautes wohl aus der
Darstellung als Soldat erschlossen wurde. Dagegen sprechen Conze 11 Nr. 1151; III 1483 und
Schmaltz a. O. (Anm. 44) 12 mit Anm. 7 zu Recht viel vorsichtiger von »Marm0rvasen«, d. h.
Sie schlieisen Marmorlekythen als Aufséitze nicht aus.
180 JOHANNES BERGEMANN

menhang mit anderen sicher auf das Begréibnis zu beziehenden Gegenst'an—


den auf: Lekythen, Sphingen und Sirenen, Alabastra, ferner auch Ténien.
Andererseits lifSt sich eine in verschiedenen Aspekten den Marmorlekythen
eapreChende Verwendung feststellen. Die Bedeutung der marmornen ‘Lutro~
phoren’ mufS daher Wie die der Lekythen in erster Linie im sepulkralen Zusam—
menhang gesucht werden. Sie scheint sich von den sepulkralen Ton—‘Lutro—
phoren’ abzuleiten. Argumente, die dagegen fUr die Ableitung der Marmor-
‘Lutrophoren’ von den tenernen Hochzeits—‘Lutrophoren’ sprfichen, sind weder
an den Marmorgeféfien selbst noch an ihrer Aufstellung und Verwendung in
den Grabbezirken auSZumachen.
Den Hintergrund fiir die Aufstellung der Marmor-‘Lutrophoren’ in den klas—
sischen Grabbezirken bilden daher offenbar die Waschungen, die Wéihrend
der Begrfibnisfeierlichkeiten vollzogen wurden160. Die Marmor—‘Lutrophoren’
in den Fassaden der klassischen Grabbezirke signalisierten folglich den Voll-
zug dieser Zeremonien. Ihre Bedeutung mufs grundséitzlich derjenigen der
Marmorlekythen entsprochen haben.
Uberdies standen die beiden in grofSer Zahl irn 4. Jh. v. Chr. auf den klas-
sischen Grabterrassen in Athen und Attika aufgestellten Typen von Marmor—
gefaifien in einer filteren Tradition. Denn, Wie Wir gesehen haben, waren bereits
vor dem Wiederbeginn der marmornen Grabskulpturen in Attika, um 430
V. Chr., aus Ton hergestellte ‘Lutrophoren’ und Lekythen bei den schlichten
Grabstelen jener Zeit aufgestellt worden.

Die Bedeutung der Marmor—‘Lutrophoren’ in den klassischen Grabbezirken

Diese sepulkrale Interpretation der Marmor—‘Lutrophoren’ fijhrt schliefSIich


auf die Frage, warum durch die h'eiufige Aufstellung dieser Vasen in den atti—
schen Grabbezirken des 4. Jhs. V. Chr. so pointiert auf die Begrfibnisfeier—
lichkeiten verwiesen worden sein mag. Zur Beantwortung bedarf es eines
kurzen Uberblicks ‘L'lber die Gesichtspunkte, die in den attischen Grabmonu-
menten dieser Zeit sonst thematisien wurden.
Zum zentralen Thema der attischen Grabstelen und der Grabbezirke ins-
gesamt wurde im Laufe des 4. Jhs. V. Chr. der Oikos, die athenische Familie.
Das Wird daran deutlich, dais die Masse der Grabstelen um die Mitte des 4. Jhs.
nicht etwa einzelne Tote darstellt, sondern ganze Familien, ohne Rficksicht
darauf, wer bei der Aufstellung des Grabmals bereits verstorben und wer noch
am Leben war161. Das Thema des Oikos kommt auch in der gemeinsamen

160 s. o. Anm. 117.


161 S. C. Humphreys, JHS 100, 1980, 96 ff.; Verf., Demos Llnd Thanatos (o. Anm. 127) 25—28
und often
DIE SOGENANNTE LUTROPHOROS 181

Aufstellung einer Vielzahl V011 Stelen und Reliefs in den Charakteristischen


Grabfassaden zum Ausdruckléz.
Die Lekythen filhren den Aspekt des mehrfigurigen Familienbildes bereits
seit dem fr'Lihen 4. Jh. V. Chr. haufig vor Augen163. Das mag mit der technisch
einfachen Realisierung von Vielfigurigen Bildern auf diesen Bildtragern zusam-
menhangen. DOCh gibt es schon in der 1. Halfte des 4. jhs. auch grofse Nais-
koi mit den Figuren von mehreren Angehérigen. In einem Falle wurden nicht
weniger als fiinf Personen dargestellt, eine Mutter mit ihren vier Kindern164,
Als Beleg ftlr ein mehrfiguriges Familienbild auf einer ‘Lutrophoros’ kann
ein GefafS aus dem Grabbezirk des Philopolis dienen, der in der Nahe von
Keratea in Siidattika entdeckt worden ist165. Auf dem Gefaiskérper sehen wir,
(lurch Inschriften bezeichnet, Philopolis den Sohn des Polystratos im Mantel
und auf seinen Stock gesttitzt. Er ist im Handschlag mit seinem Sohn, Poly—
stratos, dargestellt, dieser in Waffen und von seinem Knappen begleitet. Im
Racken des Alten steht eine Frau, Stratokleia, fiber deren Verwandtschaft mit
den beiden Mannern die Inschrift jedoch keine Auskunft gibt. Auch auf ihr
Alter 1am die Ikonographie keinen eindeutigen Schlufs zu. Man kann ledig—
liCh feststellen, c1313 sie weder jung nOCh alt ist, sondern in der Bliite ihrer
Jahre zu stehen scheint. Daher Wird man sie dem bartlosen JUngling wohl
nicht als Gattin zuordnen, sondern in ihr wegen der Nahe zum Vater Vielleicht
die Mutter des jiingeren Polystratos erkennen kénnen.
Auch Naiskoi und Bildfeldstelen zeigen haufig Figurenkombinarionen mit
entsprechenden Verwandtschaftsverh‘altnissen. Als Beispiel sei auf den Nais-
kos von Prokles und Prokleides verwiesen166, der den sitzend dargestellten
Vater, Prokles aus dem attischen Demos Aigilia, im Handschlag mit seinern
gewappnet vor ihm stehenden Sohn, Prokleides zeigt. 1m Hintergrund steht
dessen Mutter Archippe. Die Tendenz zum Familienbild scheint also auf den
verschiedenen Bildtriigem grundséitzlich parallel abzulaufen.
Es war bereits davon die Rede, dafS nur in wenigen Fallen die Annahme
untermauert werden kann, jeweils die jijngste der in den Bildern der ‘Lutro-
phoren’ dargestellten Figuren sei als diejenige des verstorbenen Inhabers des
Monuments zu interpretieren. Im Gegenteil gibt es eine Reihe von Beispie—
len, in denen Personen fortgeschrittenen Alters als Hauptfiguren der Dar—
stellungen angesehen werden mUssen.

162 s. besonders den Grabbezirk des Hierokles von Rhamnus Lmd seiner Familie: V. Petra-
kos, Prakr 1977, 3 ff. Abb. 1—7 Taf. 1—6; ders., Ergon 1992. 6 Abb. 6.
163 Schmaltz a. O. (Anm. 44) 107 ff.
164 V. Petrakos, Prakt 1976, 10 ff. Taf. 2‘5; CAT 5.290.
165 Kokula 178 Nr. L81 Taf. 21; CAT 4.237. — Zum Grabhezirk: C. Blflmel, AM 51, 1926,
57 ff. Abbi 1—8.
166 Conze 11 Nr. 718 Taf. 141; H. Diepolder, Die attischen Grabreliefs (1931) Taf. 46; CAT
5460.
182 JOHANNES BERGEMANN

Wie in den Stelenbildern mufS daher auch auf den ‘Lutrophoren’ die Dar-
stellung der familiéiren Genealogien als der wichtigste Aspekt angesehen wer-
den. Die tatséichlich héiufige Gegenijberstellung von Eltern und Kindern167
dijrfte also nicht so sehr darauf abgezielt haben, Trauer fiber den Tod der Kin-
der zu thematisieren. Jedenfalls fehlt fiir eine solche Interpretation in den
weitaus meisten Fallen ein ikonographischer oder epigraphischer Anhalts-
punkt. Es ging vielniehr um die gemeinsame Darstellung der Generationen
auf den ‘Lutrophoren’ ebenso wie auf den Reliefstelenms.
Die Familie stand als Kerngruppe fLir die kleinste Einheit innerhalb der
Polisgesellschaft. Die Zugehorigkeit zurn oikos sicherte die ordnungsgemé’tlfie
Abstammung und damit einerseits das Burgerrecht Lind andererseits die Recht-
miiiSigkeit der Erbfolge169, denn die Abstammung wurde bei den Dokima—
sien und bei Erbstreitigkeiten peinlich genau iiberpr'tiftlm. In diesem Zusam—
menhang waren zwei Gesichtspunkte von groiSer Wichtigkeit, die ganz direkt
in den sepulkralen Bereich fiihren, einerseits der- Nachweis des Familien-
grabmals und andererseits die Durchffihrung der Begribniszeremonien fiir
die leiblichen oder die Adoptiveltern.
Aristoteles hat in seiner Athenaion Politeia die Prozedur bei der Dokima—
sie der Beamten ausfuhrlich dargestellt171: nSie fragen, wenn sie (jernanden)
tiberpriifen, zuniichst: >Wer ist Dein Vater und aus welchem Demos stammt
er, und wer ist Deines Vaters Vater ...? Dann (fragen sie), ob er Fami—
liengréiber habe und wo sie seien, und danach, ob er seine Eltern gut behandle,
seine Steuern zahle und seiner militiirischen Dienstpflicht geniigt habe.« (Uber—
setzung: M. Chambers).
Als ausschlaggebendes Zeichen ffir die gute Behandlung der Eltern wur-
den gerade ordnungsgeméifie und mit angemessenem Aufwand durchgefiihrte

167 Durch die Inschriften gesichert: Kokula Nr. 158 f. Nr. L50 Taf. 7, 2; CAT 5213. — Kokula
175 Nr. L60 Taf. 16, 1; CAT 2746. — Kokula 181 Nr. L92 Taf. 25, 3; CAT 3.868. — Kokula 155
Nr. L14; C. W. Clairmont, Gravestone and Epigram (1970) 109 Nr. 33 Taf. 17; CAT 2.297. *
Kokula 156 Nr. L18; Conze [1 Nr. 658 Taf, 120; CAT 2.382;: — Wegen der in der Ikonographie
ausgedriickten Altersunterschiede wahrseheinlich: Kokula 154 Nr. L12; CAT 2336. — Kokula
176 Nr. L73 Taf. 18, 2; CAT 2.88221. — Kokula 171 Nr. L53 Taf. 14, 1. 2; CAT 2.189. — Kokula 175
Nr. L68; CAT 2812. — Kokula 182 Nr. L 93 Taf. 25, 2; N. Himmelmann, AA 1988, 351 ff. Abb. 1;
CAT 2496,
168 Dazu ausfi’lhrlich Verf., a. O. (Anm. 127) 32. 87—95. 115 f.
169 M. H. Hansen, The Athenian Democracy in the Age of Demosthenes (1991) 95 f.;
J. Bleicken. Die athenische Demokratie2 (1994) 346 f.; C. Patterson in: A. L. Boegehold —
A. C. Scafuro (Hrsg), Athenian Identity and Civic Ideology (1995) 199 ff.
170 A. R. W. Harrison, The Law of Athens 11 (1971) 200 ff; F. S Borowski, Dokimasia. A
Study in Athenian constitutional Law, Diss. Univ. of Cincinnati (1976); l’. J. Rhodes, A Com-
mentary on the Aristotelian Athenaion Politeia (1981) 617; Hansen 2. 0. 218—220; Bleicken
a. O. 273 ff. 535 f.
171 Aristot. Ath. pol. 55, 5.
DIE SOGENANNTE LUTROI’HOROS 185

Totenfeiern betrachtet. Ein guter Beleg daft'lr findet sich in einer Rede des
Isaios (2, 36 f.), die anléfilich des Prozesses um die Beerbung eines gewissen
Menekles durCh seinen Adoptivsohn gehalten WLlrde. Die RechtméfSigkeit des
Erbes wird von den Brfidem des Verstorbenen angezweifelt. Zum Beleg, dag
der Beklagte tatsiichlich als Adoptivsohn des Verstorbenen Anspruch auf das
Erbe habe, sagt er: »ICh, der Adoptivsohn, habe Menekles gepflegt, als er noch
lebte, [. . .1 und habe meinen Sohn nach ihm benannt, damit sein Oikos nicht
namenlos aussttlrbe. Bei seinem Tode habe ich ihn in einer Art bestattet, die
ihm wie mir selbst wfirdig ist, und ich habe ihm ein schones Grabmal errich—
tet und ich habe die Totenzeremonie am 9. Tage nach seinem Ableben voll-
zogen und alle anderen Handlungen am Grabe in der bestmoglichen Weise.«
rFolgt man nun den oben angestellten archéologischen Uberlegungen zur
sepulkralen Bedeutung der ‘Lutrophoren’ auf den attischen Grébem, so wird
deutlich, dafs die Aufstellung dieser symbolischen Hinweise auf das Begréih-
niszeremoniell den diesbezfiglichen Forderungen der Polis entgegenkam.
Auch die Lekythen verwiesen auf dieses Thema. Offenbar wurden beide
Geféifsformen auf den Gréibern als steinerne Zeugen dafiir aufgestellt, dafs die
Nachgeborenen einer jeden Familie fUr ihre Verstorbenen die Begréibnis—
zeremonie ordnungsgeméifs vollzogen hatten.
Wir haben gesehen, daB diese Bedeutung auch schon den filteren Ton-
lekythen auf den Grabern angehaftet haben mufs. Fijr ihre vornehmlich sym-
bolische Bedeutung spricht ihr Wandel von konkret benutzbaren OlgefafSen
zur Salbung der Toten hin zu groformatigen Prachtgeféifien, deren Inhalt an
01 durch die bekannten Einséitze auf eine éiufSerst geringe Quantitiit reduziert
wurde. Das machte auch die Lekythen zu Symbolen fiir den Vollzug der
Begrébnisfeierlichkeit.
Entsprechend war die Funktion der Ton-‘Lutrophoren’ auf den Grfibern in
erster Linie symbolisch, denn sie wiesen meist nicht einmal einen abgedich—
teten Boden auf und konnten daher auch nicht Zum Transport der Lutra ver-
wendet werden172, sondern standen offenbar 315 Symbol ffir deren Vollzug.
Die Marmor—‘Lutrophoren‘ mi‘lssen daher ebenfalls 315 Symbol ftlr die Lutra
der Toten und fi'lr den Vollzug der anderen Handlungen bei der Bestattung
verstanden worden sein. Ebenso wie durch die Aufstellung von Lekythen Wie-
sen die Nachkommen durch die ‘Lutrophoren’ darauf hin, daIS sie dieser For-
derung der Polls Rechnung getragen hatten.
Mit dieser Interpretation unseres Geféifétypus soll nicht in Abrede gestellt
werden, dafl es auf den attischen Gréibern des 4. Jhs. v. Chr. einen Monu-
menttyp gegeben hat, durch den auf den Tod vor der Hochzeit hingewiesen
werden konnte. Allein die Berichte in der pseudo-demosthenischen Rede

172 Vgl. dazu kurios; E. Simon, Die griechischen Vasen (1976) 106 zu Taf. 130‘ 131.
184 JOHANNES BERGEMANN

(44, 18; Text 1) und bei den anderen klassischen Rednern in den Uberliefe—
rungen von Harpokration und Pollux belegen175, dais es Grabméiler mit einer
solchen Aussage gegeben hat. Den Beschreibungen dieser Autoren zufolge
muIS es sich dabei, Wie Wir gesehen haben, jedoch um die Figur eines Kin-
des mit einem Gefiifs, etwa einer Hydria, gehandelt haben.
Akzeptiert man diese Interpretation der bisher als ‘Lutrophoros’ bezeich—
neten Gef’aifie als Hinweise auf die Begriibniszeremonie, dann folgt daraus,
(131% die Thematik der in jugendlichem Alter und mehr noch der unverheira-
tet Verstorbenen auf den Gréibem des 4.1113. v. Chr. weit weniger dominant,
war als man bisher angenommen hat174. Statt dessen tritt der Verweis auf die
Handlungen bei der Bestattung stfirker in den Vordergrund, deren Durch—
ffihrung die Polis und ihre Mitglieder voneinander ohne Ausnahme erwarte-
ten.

173 Harp. s. v. Aou7poq>épog Kori Aoqoqaopsiv (Text 4); Poll. 8, 66 (Text 5).
174 s. etwa B. Schmaltz, MaePr 1979, 32 f; Lohmann a. O. (Anm. S) 105 ff.
DIE SOGENANNTF. LUTROPHOROS 185

Anhang I — Das Problem der verschiedenen Bedeutung der Amphora— und


der Hydria-‘Lutrophoren’

Seit dem 6. Jh. V. Chr. lassen sich zwei verschiedene Formen von Ton—‘Lutrophoren’
unterscheiden, die Amphora— und die Hydria-‘Lutrophoros‘. Als Antwort auf die Frage
nach der Bedeutung dieser beiden Varianten des Gef'afSryps hat die Forschung, soweit
ich sehe, drei Erklarungsmodelle entwickelt.
1. Das erfolgreichste Interpretationsmodell versuchte, die beiden Varianten durch
eine geschlechtsspezifische Zuordnung zu erkliiren. Hydria-‘Lutrophoren’ seien
demnach den Frauen, Amphora-‘I.utrophoren’ dagegen den Miinnem zugekom-
men. Diese Unterscheidung ist fur die Ton—‘Lutrophoren’175 ebenso wie ffir ihre
marmornen Nachfolger”6 begn'jndet worden. j. Boardman hat verschiedene Gri‘mde
erwogen, die diese Trennung erkléiren kénnten, freilich, wie er selbst feststellt,
ohne eindeutiges Resulta1177.
AufSerdem gibt es f'Lir beide Gruppen Gegenbeispiele, in denen eine gerade ent-
gegengesetzte Zuordnung gesichert werden kann. In den Hochzeitszfigen, die auf
Ton-‘Lutrophoren’ in Athen und Karlsruhe178 dargestellt sind, erscheinen als Teil—
nehrner nur Frauen, man hat sogar versucht, unter ihnen die Braut zu erkennen.
Gleichwohl wird in beiden Fallen eine angeblich den Mannern zugeordnete
Amphora-‘Lutrophoros’ mitgefiihrt. Andererseits wird in dem Schulterfries einer
Warschauer Hydria, der als Darstellung vom Brautbad des Brautigams gedeutet
Wird, das Wasser aus einer Hydria-‘Lutrophoros’ geschnpft179.
Auch unter den Marmor—‘Lutrophoren’ gibt es, obwohl deren Verwendung nach
den Geschlechtern das Erklarungsmodell in Vielen F‘allen stUtzt, eine Reihe von
Beispielen, die einer strengen Zuordnung Zu Frauen bzw. Miinnern widersprechen.
Eine Amphora—‘Lutrophoros’ in Brauron zeigt eine sitzende Frau reifen Alters im
Handschlag mit einem vor ihr stehenden, banlos Wiedergegebenen JUngling. Von
beiden Wird die sitzende Frau durch die Namensbeischrift als Inhaberin ausge—
Wiesen180. An einer Stele mit Amphora-‘Lutrophoros’ in New York steht der weib—
liche Name E00510: als gemalte Inschrift angeschriebenlm. Ein Reliefbild in Athen
schliefSlich zeigt eine Frau mit einer Amphora-‘Lutrophoros’lsz. Dazu tritt ein neues
Monument, eine Amphora-‘Lutrophoros’ in suddeutschem Privatbesitz. Darauf ist
eine junge Frau mit langern Zopf in Begleitung von zwei Dienerinnen dargestellt
und alleine mit dem Namen 'HSio-rn benannt (Taf. 32, 1)185. Es steht mithin ebenso

175 Kokula 116 ff.;J. Boardman, AnnOrNap 10, 1988, 171 ff. (mit Liste S. 179).
176 Kokula 90 ff. hes. 93 ff. 106 ff.
177 Boardman a. O. 171 ff.
178 Reinsberg a. O. (Anm. 67) 51 ff. Abb. 7. 8 a—d.
179 Ebenda 52 ff. Abb. 9 a—b.
180 CAT 2.913; Kokula Nr. L99 Taf. 29.
181 Metropolitan Museum 57151: D. Von Bothmer, BMetrMus 16, 1958, 187 Ahh.
182 Athen. Nat. Mus. 792: Conze I Nr. 59 Taf. 27-, Kokula 92. — C. W. Clairmont, AA 1988,
55 ff. Abb. 1; CAT 1.691.
183 CAT 2.705.
186 JOHANNES BERGEMANN

wie in den anderen Fallen Vollig auISer Frage, dafS eine Frau die Inhaberin dieser
Amphora—‘Lutrophoros’ war.
Andererseits ist seit langem eine Stele Init Hydria-‘Lutrophoros’ in Athen bekannt,
an der der minnliche Name ’Ayoceévmog angeschrieben steht184. Die Zuordnung
zu den Geschlechtern geht also weder bei den Ton- noch bei den Marmor-‘Lutro-
phoren’ glam auf185.
2. Ein vor wenigen Jahren von R.—M. Moesch entwickeltes Erklfirungsmodell deutet
die Amphora-‘Lutrophoren’ 211$ sepulkrale GeffifSe, Hydria-‘Lutrophoren’ dagegen
als auf die Hochzeit bezogenlgé.
Auch diese Erkl‘zirung fuhrt freilich zu Widersprtlchen. So werden in einigen F51—
len Hydria—‘Lutrophoren’ beim Begr‘z‘tbn15187 Oder als Grahaufsatz188 dargestellt.
Die oben bereits erwiihnten ‘Lutrophoren‘ der Amphoraform in Athen und Karis—
mhe zeigen Hochzeitsztlge, und darin wird sogar jeweils cine Amphora—‘Lutro—
phoros’ offenbar als Gef’zifs fur das Brautbad mitgeft'1hrt189. Und auf einem benihm—
ten rotfigurigen ‘Lutrophoren’—Fragment in Oxford trégt ein Eros zwischen dem
Brautpaar im einen Arm eine Hydria- und im anderen eine Amphora—‘Lutro—
phoros’190.
Im fibrigen wurden auch Amphora—‘Lutrophoren’ als Votivgaben in den Nym—
phenheiligtflmern gefundenwl, wo sie zweifellos nicht fur eine sepulkrale Bedeu—
rung standen, sondem als Symbole fur die Lutrophorie bei der Hochzeit.
Moesch erkennt diese Féille, die ihrer Deutung eigentlich widersprechen, inter—
pretiert die austauschbare Verwendung von Amphora- und Hydria-‘Lutrophoros’
beim Begrébnis und bei der Hochzeit allerdings im Sinne einer Ambivalenz zwi—
schen beiden Zeremonienwz. So fraglos diese allein an der Verwendung dessel-
ben Gef‘dfies fur die Waschungen bei diesen beiden Gelegenheiten deutlich wird,
bedijrfie es doch eines zusiitzlichen Arguments, um deutlich zu machen, dafS die
wechselnde Verwendung der beiden Formvarianten mehr zum Ausdruck bringt
2115 eine synonyme Bedeutung.
3. Gerade dies war die These, die P. Wolters schon vor fiber 100 Jahren gei‘xufiert
hatte, der beide Varianten in Ton Wie in Marmor als gleichwenig ansah193. Dazu
verwies er auf eine Stele mit einer Amphora-‘Lutrophoros’ im Relief 194, auf deren

184 Conze III Nr. 1349 Taf. 282; Kokula 189 Nr. H19 Taf. 53, 2.
185 Vgl. Ch. Dehl, AM 96, 1981, 163 ff; R. M. Moesch, AnnOrNap 10. 1988, 124 f.
186 Moesch a. O. 117 ff.
187 Wgr. Lekythos, Brflssel A2289: Beazley, ARV2 1238,25; CVA Bri'lssel (3) III jb Taf. 5, 7
(154, 7).
188 wgr. Lekythos aus Anavyssos, Athen, Nat. Mus. 19355: E. Vanderpool. AJA 6S, 1961,
Taf. 98. 3; ADelt 16, 1960, Chron 39 Taf. 36 a; Beazley, ARV2 1022,139 bis; Beazley, Paralip0~
menu 451; Beazley, Addendaz 329.
189 Reinsberg a. O. (Anm. 67) 51 ff. Abb. 7. 8 a—d.
190 J. Boardman, AnnOrNap 10, 1988, 177 Abb. 32.
191 Travlos, Athen s. v. Nymphe 363 Abb. 466.
192 Moesch 11,0. 126 ff.
193 P. Wolters, AM 16, 1891, 591 f. Anm. 1
194 Conze 11 Nr. 904 Taf. 178; Kokula 192 Nr. H34; CAT 3.320; Moesch 21. O. 117 f. Taf. 20, 2.
DIE SOGENANNTE LUTROPHOROS 187

Bauch wiederuln eine Reliefdarstellung zu sehen ist. Sie zeigt in der Bildmitte eine
Hydria—‘Lutrophoros’, die von einer der drei darum gruppierten Frauen wie ein
Grabmal mit einer Binde gesctt wird. Amphora— und Hydria—‘Lutrophoros‘
werden an dieser Stele also Ubereinstimmend auf Frauen bezogen und im Grab»
kontext verwendet. Eine bedeutungsmaISige Nuancierung zwischen beiden Gefalfien
wird dagegen nicht erkennbar.
Bedenkt man zudem die Widerspriiche, zu denen die beiden zuvor skizzierten
Erklarungsmodelle gefuhrt hatten, dann mufs P. Wolters in diesem Punkt seiner
Interpretation der ‘Lutrophoren’ wohl beigepflichtet werden.

Anhang II — Eine ‘Lutrophoren’-Stele mit nachgetragener Inschrift in Athen

Eine ‘Lutrophoren‘—Stele (q 32, 2) 195 erscheint auf den ersten Blick fiir die Frage
nach der Zuordnung des Gef'alSes zu einem der Toten interessant, denn sie weist Ver—
anderungen an den Inschriften und am Reliefbild auf. Daran wird zugleich exem—
plarisch klar, wie schwierig es ist, solche Befunde zu deuten, und welche Méglich-
keiten man bei ihrer Interpretation in Betracht ziehen muIS. Deshalb 501] die Proble-
matik dieser Stele am Ende kurz dargelegt werden.
Das Relief zeigt eine Amphora-‘Lutrophoros’ mit der Darstellung eines stehenden
und eines sitzenden Mannesl96. Dieses Bild und auch die ‘Lutrophoros’ selbst sind
in flachen Ritzlinien angegeben, die von der geglatteten Oberflache der Stele aus ein-
getieft sind. Das Bild wurde also nachtraglich an einer Inschriftenstele angebracht.
Auch die beiden Namensinschriften fiir Kallias aus Sikyon iiber den Rosetten und
ftir Pamphilos, den Sohn des Kallias, unter den Rosetten sind nicht gleichzeitig ange-
bracht worden. Die Buchstaben im Namenszug des Pamphilos weisen namlich gleich—
malsigere Formen auf und verteilen sich regelm'aISiger fiber die ganze Breite der Stele.
Der Namenszug des Kallias beginnt dagegen hart an deren linker Kante, wogegen
rechts freier Platz bleibt. Der Name muIS daher spater als der des Pamphilos ange—
schrieben worden sein197.
Geht man also davon aus, dais der Name des Kallias und die ‘LutrophorenlDaru
stellung nachtr'aglich an der Stele angebracht worden sind, dann liegt die Annahme
nahe, beides sei gleichzeitig geschehen. Das bedeutet, die ‘Lutrophoros‘ ware anlaB-
lich der nachtriiglichen Anbringung des Namens Kallias eingeritzt worden. Daraus
ergibt sich die Frage, welches Verwandtschaftsverhéiltnis man zwischen den beiden
Mannern rekonstruieren kann. PamphiIOS kénnte ebensogut der Sohn des Kallias die-

195 Conze II Nr. 658 Taf. 120; 1G 112 10305; H Mbbius, Die Ornameme der griechischen
Grabsrelen (1929) 59 Taf. 24 h; Kokula 156 Nr. L18; CAT 2.382c = CAT Suppl. 2.471. — C. W.
Clairmont hat die Stele 1994 in dem Park beim Hephaisteion entdeckt (CAT Suppl 2471). E5
handelt sich um das der Inschrift und des Anthemions beraubte Stuck CAT 2.3820
196 Da das Reliefbild dutch Farbe vervollstiindigt war, kann man nicht sicher erkennen,
ob die stehende Figur biirtig ()der bartlos — d. h. also in reifem Alter Oder jugendlich — darge-
stellt war Die Frage bleiln daher im folgenden aulSer acht. — Clairmont, CAT 2.582c und CAT
Suppl. 2471 sieht in dem Stehenden einen jungen Mann.
197 Clairmont, CAT 2382c betrachtet die Inschrift des Pamphilos als die spiicere, gibt daft’lr
jedoch keine Gri’lnde an.
188 JOHANNES BERGEMANN

ser Stele gewesen sein, wie man umgekehrt einen Grovater, Kallias, annehmen und
daher den Kallias der Stele als den Sohn des Pamphilos ansehen k6nnte198.
Denn auch die Verbindung der ‘Lutrophoros’ mit Kallias fiihrt nicht zu einer schlfls—
sigen Deutung der Stele insgesamt. Den oben angestellten Uberlegungen zur Bedeu-
tung der ‘Lutrophoren’ zufolge verbietet siCh némlich die scheinbar naheliegende
Schluflfolgel‘ung, den Inhabe‘r der ‘Lutrophoros’, Kallias, als unverheirateten, also jfin-
geren Mann zu betrachten Llnd daher mit dem Stehenden zu identifizieren.
Vielmehr bleibt die folgende Alternative: Entweder kann man gewissermaléen in
der biologischen Reihenfolge annehmen, der Name des éilteren der beiden Miinner
sei zuerst angeschrieben worden. Dann wéire Pamphilos der Sohn des Kallias (I) und
der Vater des Kallias (II) gewesen199. In diesem Falle gehbrte die ‘Lutrophoros’ also
einem Mann, der einer ji‘lngeren Generation der Familie angehérte, iiber dessen Alter
und Familienstand indessen nichts bekannt ist.
Doch lehrt die Lebenserfahrung, dais die normale biologische Reihenfolge nicht
immer eintreten mufs. Daher konnte der Name des jijngeren durchaus vor dem des
ilteren Marines an der Stele angeschrieben worden sein. In diesem Falle wéire Pam-
philos der Sohn des Kallias von Sikyon, also des an unserer Stele nachtréiglich ange-
fiihrten Manneszoo. Die ‘Lutrophoros’ gehorte in diesem Falle Kalli-as, dem Vater des
Pamphilos, also einem Verheirateten. Da die ‘Lutrophoros’, wie wir gesehen haben,
nicht als Anhaltspunkt zur Kléirung des Problems dienen kann, mufs die Frage letzt-
lich offen bleiben.

198 Die Forschung hat in dieser Frage zu kontroversen Ergebnissen gefunden. Conze und
Kirchner in [G 112 entschieden sich fiir die erste, einfuchere Ldsung, wogegen ji'mgst Clairmont
fUr die zweite pl'z'tdiert (5. die vorige Anm.).
199 Kallias
|
Pamphilos Kalliou
l
Kallias Sikyonios
200 Kallias Sikyonios

Pamphilos Kalliou
Abbildungsnachweis: Taf. 22, 1—2: Paris, Musée du Louvre, Chuzeville. — Taf, 22, 3, 27, 1.
29, Im2. 30, 1.32, 2: Inst. Neg. Athen NM 6019. NM 489. NM 408. NM 5758. AV. 731. GR 132.
— q. 22, 4: Bonn, Akademisches Kunstmuseum, W. Klein Neg. 93-1688. — Taf, 23: Kopen-
hagen, Ny Carlsberg Glyptotek. — Taf. 24, 1: Marburg, Bildarchiv, Nr. 134.910. — Taf. 24, 2.
2‘5, 3: Kopenhagen, Nationalmuseet CV 1259. CV 1257. O 168. — Taf 25, I: V. Stamatopoulou.
-
Ta]: 25, 2: Frankfurt, Liebieghaus, F. Seitz. — Ta]: 26, 1: Miinchen, Hirmer Fotoarchiv, Neg.
601.0335. — q. 26, 2: Brilssel, Musées Royaux d’Art et d’I-Iistoire. — Ta]: 27, 2: Cambridge,
Fitzwilliam Museum, Neg. FMK. 414. — Taf. 28, 1—2: Malibu,j. Paul Getty Museum. — q. 28, 3.-
London, The British Museum. — q. 30, 2: G. Fittschen—Budura. — Taf 3], 1—2: Staatliche Museen
zu Berlin, Antikensammlung, Neg. SK 7393 L3], 2: Detail der Aufnahme). — Taf 32, 1: S Eckardt,
Gottingen.
DIE SOGENANNTE LUTROPIIOROS 189

Anhang III — Die zur Interpretation herangezogenen Texte

Text 1, Demosthenes 44, 18 (ed. Rennie):


. , . , , t A t , . , A , .. V ,
nppwm‘noev o Apxia5ns‘, Kat TeAev'ra TOV Biov anou-ro; TO'U Mec5vN5ov ayauos wV. TL
70157—011 uni/.6201) ; Aounoogbo'po; érbécrrnKeu é-ni Ta"; T013 ’Apxtd5ov qbcp.

Text 2, Eustathius, ad Iliadem ‘l’ 142 3 (ed. van der Valk):


l I
Kat. TOLS‘ 1Tp0 yapov 5e TeAevow 77 Aompoqfiopos, qbacrw, errenflero Kaixmg 6L9 ev5eifw
\ r- ‘ I \ h V I I I ’ 1/

1'00 571 d’o‘ros‘ rd vvugbLKoi Kai d'yovos d’TrELaL.

Text 3, Hesych. (ed. Latte):


Aourpoqbo’pog' Kupiwg p.%v 7i 135pi'a fl 7025‘ via/\aiois 655‘ "rd o'rpa dwovepoyéw). €Kdixovv
5% 017700 Kai 7'5»l qfiépou'ra Ta o’rpd . 1757} 5% Kai mica 135pi'a. é'Tepot 5% : é-nei Enemrou 655‘
7055‘ ydiiovg o7po¢6povy Kai TOE; dya’pmg d-n'oflauofim 75 (11375 E’noc’ouu.

Text 4, Harpokration (ed. Dindorf):


o‘rpodio'pos‘ Kai o‘rpoawpéiv' E009 73v TOE; ya‘uofim oTpa pETaflé/JJTCUQQL éav'rofs
Kara Trip) 7017 ydyov filuépav, %’7Te‘u7rov 5’ éwi TafiTa 75V e’yytiTaTa yévovs‘ 7raZ5a d’pgeva.
Kai ofi'rot éAOUTpogbdpovv. E009 5% 77v Kai 7'd a’ydpwv a’TroHavo'i/Tcuv o7po¢6pov én‘i Tb
pvfipa e’zfii'o'raaflm' TofiTo 5% fly waig 135pL'aV Exam. ixéya Trepi 7015e Aefvapxos‘ é’v ‘re T4)
KaTa (95050701) KaL eu T7] KaTa KaMLoHevovg aaayyeALa. on 5% Ta oTpa eKopLCou 6K
\ I \ , n \ I , I F! \ \ ‘ ’ I ’

1-. P. \ ’ I I I I \ I I
7779 mm [1.6V EweaKpovvov Kaopeung Kpnuns‘, npoa'epou 5% KaAALppons, CDLAoaTetfiavos
€11 Ta“) 7T€pi Kpnvdw 451761: . pé'LLl/TIUTGL 5% 7013 E00119 oi Kw/JLKOL'.

Text 5, Pollux 8, 66 (ed. Bethe):


raw 5’ dya’pwu Aom’pogbdpos‘ 'rq?) ,uwjpan 颣araro, d'r) dyyeiov é’xovoa 135po¢6pov,
135pi'av ii npdxovv 7’7‘ paabv "i; Kain-nu. Thu 5% écfiiorapévnv eiva, ei'Te oTpo¢>dp09
€237 €576 (Rim [Tis‘], éwiampa ’laaios‘ KéKAnKev.

Text 6, Suda (ed. Adler):


(\ovodm'pog Kai o‘rporfiopeiv' €609 fill 70?; yapoficri ’Aflfivnai o'rpti (.LUaTréprreoHai
éavrois‘ Kara 79712 7013 'ydpov fiaépav. Erratum!) 5% é‘rri Tafl'ra T61! éyyv-rdTw yévovs wai5a
d’ppeva' Kai 0570: €oTpo¢6povw E009 5% 13V Kai 7059 dydaocs dwoflauofim Aourpodmpelv
Kai é‘n'i Tb avfiua 颣07a00ar 701770 5% 77V ‘n'ais‘ 135/3611! Excel). 76: 5% ADM-pa éKo'Iuéou éK
7f); ufiv p%u ’EweaKépov Kaixovuévns Kpfivns, Trpo'repou 5% Ka/Vupéng.

Text 7, Euripides, Phoin. 547—349 (ed. Murray):


dvvpévaLa 5’ ’Iopnvbs‘ E'Kn5eti91]
o'rpogbdpov xixc5ds‘. civoi 5% @nfiaiau
ndALv éoiydflv) 0&9 €0050L mitiqbag.

Text 8, Pollux 3, 43 (ed. Bethe):


Kai o'rpd TLS‘ KOMLZOUO’CI o‘rpqdpos‘, A0fivnm p%V éK 7?); KaAALppdnS eiT’ afIGLS‘
’EvueaKpmiuou KAnQet'rrqg. dAAaxo'BL 5’ 5061/ Eiv Kai Tflxy' éKaAei‘ro 5% Kai ‘rafi'ra vvp¢LKd
Aotrrpd.
190 JOHANNES BERGEMANN

Text 9, Menander, Samia 729—750 (ed. Sandbach):


(A7} .) 7'6 Aomo’v éon Aom’pd pe‘névac'
vUZ, 7ré,u.'rre 7&5“ yvvaiKag, Aourpoqfio’pou, al’MnTpL’Ba .

Text 10, Pausanias 2, 10, 4 (ed. Rocha—Pereira):


éoL'acn pill 59) éS‘ (11376 yum) 're vewxdpog ,7) myKéTL GépLS‘ nap’ d'uapa qbonfiocu, Ka‘L wapflévos‘
lepwafivnv énéTELov é'xovaa' o‘rpodm'pov Thu Trapeévou éuopdéovcn.

Text 11, Philo, de vita contemplativa 7 (ed. Cohn — Reiter):


1 x \ K I x > I p
a/\)\a 'rovs 7a foal/a Km ayaApaTa; aw CH.t OUO’LaL
3 I I \ I \ I u —.
A160L KaL va. Ta pexpc 7rpo pmpov
TEAeL'ws‘ d’popa, ALBO'ro'pwv Kai 5pvo‘r6pwv “r1719 avp¢vikl9 afi'rd 8LaKoglrdv7wv, 051/ 7d
d86A¢d yépn Kai ovyyevfi /\ovo¢o'p0L yeyduacn Kai noBo’um’rpa Kai d’AAa d’T'ra 'a
a’npon’pwv. ii 11'p65‘ 7&9 €12 UKcp xpefas finnpe‘rei yéAAou 1) 7&9 év gbwn'.

Géttingen jobmmes Bergemann


:\'I'Hlf\[.\(lHIi ,\l['l”l'lillel'\(}li\ 11L I000

fl, \V'gr Alzllmslron LlLlS dem l'mkreis LIL‘S l. Selmle Lles ()nesimos.


IiI‘xgieISereiAIdlers: Berlin 1’ 3.738 Heidelberg Arch‘ Iml‘ ()1
TAFEL 22 A'l‘lnlscma MI'I"I‘I-l.l"\'GIi.\ Ill. 19%

1 Paris. Louvre MA 785 (hicr Anm. 31)

5. Paris. Louvre MA 785 (hicr Anm. 31)

4 Bonn, Akaclcmischcs Kunslmuscum


(hicr Anm. 48)
A’I‘IHCXISCHE ;\11'1"1‘Ian,{'x(;|a:\' 11L [9% TAFEL 25

Kopcnlmgcn. Ny Carlsbcrg Glyptotck 227 (hicr Anm. 46)


TAFEL [\) J: A'I'llliNISCIlli XI]'["]‘IC[I.I'\(‘:I€.\ Ill. 1990

1 Athcn. Nzll. Mus. 879(11icrAnm. 38) 2, Kopcnhugcn. Nationulmuscct (hicr Anm. 82)
A’I‘IIENISCHIZ MI’I"1‘1{11.1‘1\'(‘.1§1\' 111.19% TAFEL [\J J1

l I’rivutsummlung. Conxc ll N1 1077 TM 196 (hicr Anm. ()1)

2. Kopcnlmgcn, Nutionulmuscct 5. Frankfurt, Lichicghuus


(hicr Anm. 83) (hicr AnnL 85)
TAFEL 26 A’l‘llliNlSCHI-I ‘\|l'|"l'l-illAl'\'(}I-1\ lll I990

1 Paris. Louvre Z. Brilsscl. Musécs Royuux d'ArI ct d‘l listoirc


(hicr Anm, 87 Nr d) (hicr Anm, 87 \r h)
A'l‘llliSCllli All'lfl'liltl'xmm [11.19% TAFEL 27

' a“
fii’ifig
, i J' .

1 Athcn, Nat. Mus. 489 (hicr Anm. 159) 2. Cambridge. Fitzwillium Muscum‘ Antiquities Loan
18. Lcihguhc dcs Trinity College (hicr Anm. 159)
'I‘AlrliL 28 ,\'1'111:\1.\<:111:\11'1"1‘1c11.1\1‘.1-:\ 111.19%

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Museum

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London.

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TAFEL 50 A'l'llliNISCIIIi MITTEIH'NGE‘N 111.19%

2. Kerzlmeikos, Naiskos dcr Korzlllion (Detail) (hicr Anm. 148)


ATIIl-INISCHE MI’l"I‘EII.lTNGI€N 111.19% TAFEL 31

2. Detail

1.—2. Stautliche Museen zu Berlin, Preulfiischcr Kulturbesitz, Amikensammlung (hier Anm. 135)
TAFEL 52 A'l‘}llil\;l.\'(lll1i{\II’I"l'lilLl'1\‘Gli1\' 111.19%

1 Amplu)1‘:1-'Lutrophoros' clcr Hcdistc. Privzlthcsitz 2. Athen, 1111 Park hcim Hephzlisteion


(hicrAnm. 185) (hicrAnm. 193)

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