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Volker Tschuschke: Angst in der therapeutischen Gruppe (S.

187-193)

ANGST IN DER THERAPEUTISCHEN GRUPPE

ANXIETY IN THERAPY GROUPS

Volker Tschuschke

Zusammenfassung Summary
Angst wird als existenzielles menschliches Problem beschrie- Anxiety is being considered as an existential human problem
ben, das besonders bei vielen Psychotherapie-Patienten do- which is the leading symptom in most patients undergoing
minierendes Symptom ist. Auf psychoanalytischer Grundla- psychotherapy. Based on a psychoanalytic understanding, it is
ge wird herausgearbeitet, wie Störungen in der Individuations- discussed how psychological distortions develop by emphasi-
entwicklung die Nähe-Distanz-Beziehungen mit anderen zing the process of individualization. Due to a deficit in
Menschen bei den meisten strukturell gestörten Patienten mit separation and indivualization patients experience relationships
Angst besetzen. In der therapeutischen Gruppe treten diese and the regulation of near and distance with others unconscious-
Ängste latent und manifest wieder auf. Aus diesem Grunde ly as threatening. In the therapeutic group such anxious pre-
können die aus defizitären wichtigen sozialen Beziehungen occupations feed an omnipresent group climate of hesitation
entstandenen Störungen gerade in der Gruppe am besten be- and fear of getting involved. These anxieties are best treated in
arbeitet und therapeutisch verändert werden. Abschließend the social climate of a therapeutic group since they were being
werden kurz Forschungsergebnisse von Angst und Risiko- developed from insufficient early – social - relationships with
bereitschaft zur Öffnung und Arbeit in der Gruppe im Zu- significant others. The theoretical and clinical considerations
sammenhang mit Therapie-Outcomes vorgestellt. are finally discussed in the context of empirically derived
process-outcome relationships and therapeutic factors of
inpatient therapy groups.
Schlüsselwörter
Gruppentherapie – psychodynamische Gruppentherapie – Keywords
Angst in der Gruppentherapie – Wirkfaktoren der Gruppen- Group therapy - psychodynamic group therapy – anxiety in
therapie group therapy – therapeutic factors

Allgemeine Überlegungen den Krankheitsbilder der somatoformen (funktionellen) Stö-


rungen und Schmerzstörungen haben eine grundlegende
Angst ist ein natürliches, biologisch tief verankertes Phäno- Angstproblematik (Morschitzky, 2000).
men zur Erhaltung der Art. Der Mensch teilt diese Fähigkeit
mit jeder anderen lebenden Spezies. Natürliches, “normales” Als wesentliche Grundlage der Angststörungen, neurotischer
Angsterleben hat Signal gebende Funktion und soll zum Angstproblematiken und der meisten psychosomatischen
Kampf oder zur Flucht vorbereiten. Angst geht stets mit ei- Störungsbilder sieht die psychoanalytische Theorie eine un-
ner Stressreaktion des Organismus einher (Buunk, 1996). zureichend differenzierte Persönlichkeitsstruktur, die eine er-
Angst-reaktionen, die auf keine realen äußeren oder inneren forderliche Integration triebstruktureller Ansprüche sowie
Bedrohungen und Gefährdungen zurückzuführen sind, wer- widersprüchlicher Selbst-Objekt-Repräsentanzen nicht leisten
den als neurotische, nicht angepasste (indäquate) Angst- kann. Praktisch alle Patienten mit einer so genannten prä-
reaktion im Sinne der ICD-10 bezeichnet. Viele der unter- ödipalen oder “frühen” Störung weisen - nach psychoanalyti-
schiedlich klassifizierten Angstformen haben mehr oder we- schem Verständnis - eine unzureichende Selbst-Objekt-Diffe-
niger soziale Komponenten und treten verstärkt in sozialen renzierung und damit eine defizitäre Ich-Struktur auf. Dies
Situationen auf. wird auf eine nicht oder nur fragmentarisch erfolgte Individu-
ation zurückgeführt, der wiederum eine nicht oder kaum er-
Die meisten Patienten in psychotherapeutischer bzw. psy- folgte Separation (von der Mutter, den Halt und Geborgen-
chosomatischer Behandlung haben in ihrer psychischen heit gebenden primären Beziehungsobjekten) im Mahlerschen
Symptomatik eine deutliche Angststörung oder zumindest Sinne zugrunde liegt. Mit der Sprache der moderneren Bin-
Angst als begleitende, beigemischte oder zugrunde liegen- dungstheorie gesprochen, würde es sich um unsicher-ambiva-
de psychische Problematik. Allgemein kann seit einiger Zeit lente und unzureichende frühe Bindungserfahrungen handeln,
in den westlichen Ländern eine erhebliche Zunahme psy- die es nicht erlaubten, einen sicheren, autonomen Bindungs-
chischer Störungsbilder des breit gefächerten Angst- stil zu entwickeln, der eine angstfreie Separation ermöglicht
komplexes festgestellt werden. Die sehr stark zunehmen- hätte (Köhler, 2003).

Psychotherapie 8. Jahrg. 2003, Bd. 8, Heft 1 © CIP-Medien, München Seite 187


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Angstentstehung in der therapeutischen Gruppe Isolation” (Rank, 1945) wirft das kleine Kind frühzeitig auf
die Verwobenheit aus existenzieller und interpersoneller Iso-
Der Mensch ist ein soziales Wesen und als solches existenzi- lation – die existenzielle Angst bewirkt – und die Unaus-
ell auf Beziehung und Affiliation angewiesen. Nur über hal- weichlichkeit der Separation, ohne die Entwicklungs- und
tend-tragende, fürsorgliche frühe Beziehungen seitens der Individuationsmöglichkeiten ausblieben (Mahler, 1971, 1972).
parentalen Objekte entstehen Selbststrukturen eines heran-
wachsenden Individuums, die nicht nur emotionale Sicher- Die therapeutische Gruppe belebt diese archaischen Konflik-
heit und Selbststärke, sondern überhaupt ungestörtes neuro- te. Zugrunde liegt eine tiefe menschliche Verzweiflung, be-
nales Reifen ermöglichen, wie die moderne Hirnforschung wirkt durch die Erkenntnis und das Bewusstsein der Einsam-
nachweist (van der Kolk et al., 1996, 1997; Bronisch, 2001; keit im Universum und der eigenen Endlichkeit (“Existenz-
Roth, 2001). Die psychotherapeutische Gruppe ist das indi- dilemma der Menschheit”) (Frankel 2002). Skakespeare lässt
zierte psychotherapeutische Medium für Störungsbilder, die Hamlet dieses existenzielle Dilemma in die Worte “To be or
ihre Wurzeln in sozial-interpersonal traumatisierenden oder not to be” fassen, Heidegger drückt es mit den Worten “Nie-
missglückten frühen Beziehungserfahrungen (unzureichende mand kann uns unseren Tod abnehmen” (Heidegger, 1977)
Trennung, persistierende unreife Symbiosewünsche) haben aus. Es motiviert Menschen zur sozialen Nähe, sehr häufig
(Tschuschke, 2001b). Das Dilemma besteht allerdings darin, bei Patienten eben zu einer unreifen, Symbiose und Erlösung
dass paradoxerweise trotz unzureichender Individuation und suchenden, die Urangst überwindende Isolation zu verlasssen
oftmals symbiotischer Nähe- und Verschmelzungswünsche bzw. sie gar nicht erst aufzusuchen (eine Art von “Ent-
tief reichende Ängste vor zu großer Nähe gegenüber anderen wicklungsverweigerung”). Erich Fromm beschreibt quasi das
oftmals die Option einer Gruppenbehandlung be- oder ver- menschliche Dilemma, die Urangst der Getrenntheit überwin-
hindern, obwohl gerade für diese Patienten die Gruppe mit den zu müssen und dennoch selbstständiges Individuum blei-
ihrer sozialen Situation eine Korrekturmöglichkeit bereitstel- ben zu wollen. Dieses Dilemma ist jeglicher sozialen Situati-
len würde (Tschuschke und Weber, 2002). on, mithin auch der Arbeit der therapeutischen Gruppe imma-
nent (Fromm, 1956).
Analytische, psychodynamische Gruppenpsychotherapie ar-
beitet mehr oder weniger explizit mit der gezielten Technik Die kleine therapeutische Gruppe stellt einen sozialen Mi-
der Regression in der Gruppe, in Abhängigkeit von der Dauer krokosmos bereit (Yalom, 1996) und soll einen geschützten
(Sitzungszahl), dem Setting, in dem die Gruppe stattfindet (am- Raum bieten, ein Abbild sozialer Wirklichkeit des Individu-
bulant oder stationär), und der Zusammensetzung der Gruppe ums in der Gruppe, gleichwohl benigne und durch die
(strukturelle Störungen oder reifere Strukturniveaus mit Re- Gruppenleitung geschützt und wohlwollend begleitet. D.h.,
gressionstoleranz, homogene oder heterogene Gruppenzu- das Dilemma aus Nähe-Wunsch und Nähe-Angst legt sich
sammensetzung) (Tschuschke, 2003). Regressionen in Grup- erneut auf. Wer wüsste nicht so gut wie Gruppenanalytiker,
pen bewirken Angst, da sie die Kontrolle durch die Ich-In- wie sehr therapeutische Gruppen weit über die Möglichkei-
stanz lockern und abgewehrtes Material bewusstseinsfähig ten der therapeutischen Dyade in der Einzeltherapie-Situati-
machen können. Für labile, fragmentierte psychische Struktu- on hinausgehende Wirkfaktoren und –kräfte therapeutisch hilf-
ren sind regressionsfördernde Leitungstechniken destabilisie- reicher Natur entwickeln (Tschuschke, 2001d), dass aber auch
rend und kontraindiziert (Malan et al., 1976); strukturierendere Abgründe potenziell maligner Gruppenprozesse drohen
und mehr Halt gebende Leitungsrealisation sind stattdessen (Tschuschke, 2001a). Zu den zuletzt Genannten zählen das
gefragt (Heigl-Evers und Ott, 1996, 2001). Phänomen der Urhorde, regressive Phänomene wie Mob-
bildung bzw. das heute bekannter gewordene Mobbing, re-
Selbst für die normalgesunde menschliche Persönlichkeit stellt gressive Primitivierung - einer nach Freud eigensüchtigen
es die größte im Leben zu bewältigende Entwicklungsaufgabe Suche nach primitiver Triebbefriedigung und Rückfall aus
dar, ein Individuum zu werden, eben die Individuation zu meis- erreichter Kultur und sozialen Sublimierungsstrebungen
tern. Dies geht allerdings niemals ohne eine gelungene Sepa- (Freud, 1916) - maligner Konformitätsdruck, Schwarzes-
ration von der Abhängigkeit und Unmündigkeit der frühen, Schaf-Bildung (scapegoating), regressives Sicheinnisten und
haltenden, unverzichtbar benötigten, aber im weiteren Entwick- Flucht vor der Verantwortung, wenn von der Gruppenleitung
lungsgang hinderlichen bzw. behindernden symbiotischen ungehinderter Entfaltung Raum gegeben wird. Es gehört zu
Mutter-Kind-Beziehung. Der tief reichende menschliche den spannenden und faszinierenden Phänomenen sozialer
Wunsch nach bleibender allumfassender Geborgenheit und Gesetzmäßigkeiten, dass Gruppen einen Gruppendruck, den
Sicherheit (Verharren in der Symbiose) und Nicht-Getrenntheit so genannten Konformitätsdruck, entwickeln, weil die Indi-
muss zugunsten der (im wahrsten Sinne des Wortes) Verselbst- viduen der Gruppen Motive dafür haben, sich dem Gruppen-
ständigung aufgegeben werden. druck zu beugen: Zugehörigkeit und Aufrechterhaltung der
Mitgliedschaft sind wichtig, es geht auch um die Maximie-
Wir wissen um die Bedeutung von gelingender Separation rung der Sympathien anderer für uns (Avermaet, 1996; Buunk,
und Individuation für die Entwicklung einer gesunden und 1996); der normative Einfluss der Gruppe als dynamischem
stabilen Psyche. “Ein Individuum zu werden bringt komplet- Ganzen auf ihre einzelnen Mitglieder ist eindrucksvoll belegt
te, fundamentale, ewige und unüberwindbare Isolierung mit (Asch, 1955; Sherif und Hovland, 1961). Menschen bedürfen
sich” (Fierman, 1965, S. 126). Das Dilemma aus “Fusion – offensichtlich existenziell des Gefühls der Zugehörigkeit,

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wichtige und unverzichtbare soziale Kontakte und Austausch – erwächst Feindseligkeit gegenüber Fremden, zuweilen eben
ermöglichen uns in Kindheit und Jugend die Identitäts- auch innerhalb von Gruppen, wie das Beispiel des Scape-
entwicklung. Die sehr archaischen Grundlagen dieser Bedürf- goatings zeigt. Die meisten Tiergruppen legen ein so genann-
nisse speisen sich, wie bereits eingangs erwähnt, aus der ba- tes xenophobisches (fremdenfeindliches) Verhalten an den
salen, tief reichenden existenziellen Angst der Isoliertheit und Tag. “In der so genannten zivilisierten Welt gibt es zahllose
dem daraus resultierenden intensiven Bedürfnis nach deren Beispiele für blutige Konflikte, die auf Stammesloyalität ba-
Überwindung. Mehr an der Oberfläche erscheinen diese Be- sieren” (Archer, 1996, S. 34). Das Ausmaß des Tötens durch
dürfnisse in Gestalt von Zugehörigkeit – ausgedrückt in Tei- den Menschen, seiner Effizienz und Planung sei allerdings in
len von Überzeugungen und Werten, Moral und Ethik, Mode der Tierwelt ohnegleichen. Dem wäre angesichts der tages-
und äußerem Verhalten, etwa Vereinsmitgliedschaft. politischen Aktualitäten nicht viel hinzuzufügen.

Das Dilemma der Zwiespältigkeit nach Nähe und Einssein und Die zugrunde liegenden psychologischen Mechanismen sind
dennoch Sich-selbst-Sein drückt sich in der englischen Bezeich- zum einen eine starke Identifikation mit der eigenen Gruppe,
nung “apart” aus: distanziert und dennoch Teil des Ganzen sein die im Gefühl des einzelnen Gruppenmitglieds existenzielle
wollen (“a / part” = ein Teil und “apart” = distanziert) (Bugen- Daseinsberechtigung suggeriert, und zum anderen eine grup-
tal, 1965, S. 309). Soziale Gruppen geben Identität und damit pentypische Stereotypisierung der Mitglieder anderer Grup-
Selbstbestätigung, also “Bestätigung des Selbst”. Die Identitäts- pen: “wir” versus “die”. D.h., eine Gruppe bewirkt stets die
bildungs-Prozesse werden besonders deutlich bei der sich re- Entwicklung einer Gruppenidentität umso schneller, je ge-
gelmäßig in kleinen Gruppen ergebenden Position des so schlossener sie als therapeutische Gruppe durchgeführt wird.
genannten schwarzen Schafs (scapegoating). Das soziale Sys- Therapeutisch handelt es sich um eine heikle Gratwanderung,
tem Gruppe benötigt zu seiner eigenen Identitätsbildung und insofern zentrifugale (mangelnde Kohäsion) und zentripetale
Sicherung der eigenen Existenz sich entwickelnde Qualitäten Kräfte (womöglich maligne Bindungskräfte im Sinne einer
des Gruppenklimas und der Art des Binnen-Kontakts negativen Gruppenidentität gegen Fremde, andere) sich die
(Tschuschke, 1997). Hierzu gehört eine Art “Gegenidentifi- Waage halten müssen. Die Bildung einer schnellen Gruppen-
kation” gegen das Böse, Schlechte, “nicht zu uns Gehörende”. kohäsion ist erforderlich, um das Gebilde “Gruppe” existenz-
fähig zu machen. Ohne ausreichende Kohäsion und Binnen-
Aggression kann so kanalisiert werden, die Solidarisierung der identität bräche die Gruppe zusammen, ein rapider Gruppen-
Majorität der Gruppe dient ihrem Erhalt und ihrer imaginier- schwund wäre die Folge (vorzeitige Teilnahme-Beendigung
ten Abgrenzung gegen das Fremde, nicht Zugehörige (Rutan bzw. Drop-out einzelner Gruppenmitglieder). Das Überleben
und Stone, 1993; Cohen und Schermer, 2002). Auf ganz ähn- des Systems Gruppe erst ermöglicht parallel die “Andockung”,
liche Weise dienen in größeren sozialen Räumen Vorurteile, die Bindungsmöglichkeit einzelner Gruppenteilnehmer. Da-
um der Majorität ein Gefühl von Solidarität und Sicherheit zu mit kommen dann neue, weitere Wirkfaktoren ins Spiel, die im
ermöglichen (Allport, 1954). Entsprechend hat Bion in seiner weiteren Entwicklungsverlauf der Gruppe das eigentliche the-
“Basic Assumption Group”-Bedingung “Fight-Flight”-Quali- rapeutische Veränderungspotenzial aufzubauen und ins Spiel
täten des sozialen Mobbings ausgemacht (Bion, 1959). The- zu bringen ermöglichen (Tschuschke, 1999b; Dies, 2001a; b).
rapeuten müssen hier sorgsam darauf achten, ob berechtigte
und therapeutisch hilfreiche Konfrontationen von Individuen Nun besteht ein großes Risiko in der mangelnden Tolerierbar-
in ihren Gruppen stattfinden oder scapegoating, was zu keit sozialer, gruppaler Kräfte gerade bei denjenigen Patien-
Retraumatisierungen der betroffenen Individuen führen kann, ten, die in ihrer sozialen Kapazität besonders vorgeschädigt
wenngleich man sich grundsätzlich die Frage stellen sollte, sind. Aber gerade sie benötigten die Möglichkeit die Ausein-
was vereinzelte Individuen quasi dazu motivieren könnte, eine andersetzung mit sozialen anderen, die Durcharbeitung und
solche Rolle mehr oder weniger unbewusst anzustreben (Cohen Klärung ihrer Ängste und Fehlwahrnehmungen, die Entwick-
und Schermer 2002). lung oder Korrektur sozialer Defizite und damit Nachreifung
internalisierter objektaler Introjekte und Selbst-Objekt-Reprä-
Von einer evolutionsbiologischen Perspektive aus gesehen sentanzen (Tschuschke und Weber, 2002). Hier spielen Indi-
wird die “Bindungsbereitschaft”, die Bereitschaft, enge emo- kations-, Gruppenzusammensetzungs- und Konzepterwägungen
tionale Bindungen einzugehen, von der Notwendigkeit der eine ganz besonders wichtige Rolle (Eckert, 2001; McCallum,
meisten Säugetiere und Vögel her erklärt, aufgrund einer 2001). Die Passung zwischen Behandlungskonzept und Patien-
vergleichsweise kleinen Zahl hilfloser Nachkommen in einer tenmöglichkeiten, zwischen Störung bzw. Fähigkeit zur Nut-
gefährlichen Umgebung überleben zu müssen, also als An- zung von Behandlungskonzepten ist eine enorm wichtige und
passungsleistung aufzufassen, ohne die “... die Überlebens- bislang weitgehend vernachlässigte Komponente erfolgreicher
chance gleich null ...” wäre (Archer, 1996, S. 27). Auch hier (Gruppen-)Psychotherapie (Piper et al., 2002; Yalom, 2002),
wieder der existenzielle Faktor als Notwendigkeit zur (An- auf die hier leider nicht näher eingegangen werden kann.
)Bindung. Sich daraus entwickelnder Altruismus – übrigens
einer der als typisch für Gruppen gehandelten Wirkfaktoren –
sei in der gesamten Tierwelt innerhalb kleiner gruppaler
Lebensverbände zu beobachten. Aus dieser Binnen-Kohäsi-
on – womit wir den nächsten Wirkfaktor von Gruppen hätten

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Die Schwierigkeit speziell der gruppenthera- Verlust antizipieren. Dennoch liegt hier die einzige Möglich-
peutischen Hilfe strukturell gestörter Patienten keit der Individuation – und damit der Reifung und der thera-
peutisch sinnvollen Hilfe in der Gruppe.
Die Natur der Störung bei einer Vielzahl der Patienten würde
gerade die gruppentherapeutische Intervention nahe legen, “Keine Beziehung kann Isolierung eliminieren. Jeder von uns
allerdings sind diese Patienten größtenteils nicht in der Lage, ist in seiner Existenz allein. Doch kann Alleinsein dahinge-
generell und – darüber hinaus speziell die analytische –Grup- hend geteilt werden, daß Liebe für den Schmerz der Isolation
pensituation aushalten und nutzen zu können (Tschuschke und kompensatorische Funktion einnimmt” (Yalom 1980, S. 363).
Weber, 2002). Eine in den meisten Fällen nicht ausreichende Die Kunst der Persönlichkeitsentwicklung liegt demnach in
oder gar nicht erfolgte Separation und Individuation hat mehr der Fähigkeit, Trennung zu ertragen und auszuhalten – eben
oder weniger zu Identitätsdiffusionen bzw. mangelnder Identi- Separation und Individuation –, um dann über die, nunmehr
tätsintegration aufgrund unzureichender Selbst- und Objekt- reifere Beziehungsaufnahme (Wiederannäherung), eine Zwi-
Repäsentanzen geführt, so dass eine Synthese von wider- schenmenschlichkeit herstellen zu können, die für jeden Men-
sprüchlichen Selbst- und Objekt-Repräsentanzen nicht erfol- schen angesichts der existenziellen Nöte ein natürliches Be-
gen konnte und damit eine durchgreifende Beeinträchtigung dürfnis ist. Erich Fromm hat es wie folgt ausgedrückt: “Die
der Integration des Selbstkonzepts – und schließlich im Ge- eigentliche und totale Antwort auf die existenzielle Frage liegt
folge davon auch noch des Über-Ichs – resultierte (Kernberg, in der zwischenmenschlichen Vereinigung, in der Vereinigung
1997). Das Resultat ist in sozial-interpersonellen Mustern, mit einem anderen Menschen, in der Liebe. (S. 36) ... Im Ge-
mithin auch in der Gruppe, Angst vor anderen. Es erfolgt eine gensatz zu der symbiotischen Vereinigung ist die reife Liebe
Abwehr widersprüchlicher Erlebnisse des Selbst und signifi- Eins-Sein unter der Bedingung, die eigene Integrität und Un-
kanter anderer, zumeist in Form von Spaltungen und projek- abhängigkeit zu bewahren, und damit auch die eigene Indivi-
tiven Identifizierungen. dualität” (Fromm 1956, S. 39).

Die therapeutische Gruppe aber bietet ihrer Natur nach den Der Spannungsbogen bzw. die Dialektik des Konformitäts-
theoretisch besten und auch angemessenen Ansatz, Störungen, und Einsseins und eines dennoch zugleich vorhandenen Indi-
die aus der Auseinandersetzung mit der Welt, mit den anderen vidualitäts-Bedürfnisses, ist bei den zumeist beziehungs-
resultieren, zu kurieren (Tschuschke 1999a). Die Hürde ist gestörten Patienten Crux und Schwierigkeit der Gruppen-
eben, das Individuum zu befähigen, die Angst machende und psychotherapie in einem. Und hier setzt die Kunst des/r
bedrohliche Welt im sozialen Mikrokosmos der Gruppe tole- Gruppenleiters/-leiterin ein. Idealerweise kämen mannigfalti-
rieren zu können, um sie nach und nach therapeutisch, zur ge gruppenvorbereitende Maßnahmen zum Tragen, sind sie
Korrektur der maladaptiven und schlecht integrierten Selbst- doch von überragender Bedeutung (angefangen mit indikativen
und Objektrepräsentanzen (Erikson, 1950) nutzen zu können. und prognostischen Erwägungen, Patientenauswahl, Gruppen-
Gerade die therapeutische Gruppe bietet im sozialen Mikro- zusammensetzung und –vorbereitung) (Tschuschke, 2001c,
format die Möglichkeit objektaler Auseinandersetzung (eben 2003), weil sich nach Irvin D. Yalom das Schicksal einer Grup-
nur im Sich-Zusammensetzen kann man sich auseinander set- pe bereits vor der ersten Sitzung entscheidet (Yalom, 1996).
zen (und eben auch auseinander (!) setzen). Es liegt auf der Aber auch jenseits dieser Pointierung bleiben viele Aspekte
Hand, dass die Rekapitulierung der Primärfamilie (ein Wirk- zu beachten, die in der Gruppeninteraktion eine große Rolle
faktor der Gruppenpsychotherapie) bzw. in der Rekapitulati- spielen. Die natürliche Hemmschwelle bzw. Angst, sich zu
on gescheiterter Beziehungen qua Übertragung bzw. Aus- öffnen, und schambesetzte persönliche Dinge in der Gruppe
agieren in der Gruppe die Chance für eine Bewusstmachung mitzuteilen, ist die Hauptbarriere für ein Hineinkommen in
und Bearbeitung maligner objektaler, sozialer Beziehungs- produktive interpersonelle Gruppenarbeit. Nur wer bereit und
muster und -introjekte gegeben ist (Leszcz und Malat, 2001). in der Lage ist, sich auf eine sozial angemessene Weise Frem-
Vielleicht ist die therapeutische Gruppe zuweilen sogar die den gegenüber zu öffnen, wird profitieren können. Hier kommt
einzige Chance für eine Nachreifung und Korrektur. der Leitung überragende Funktion zu: Beschneidung zu früh
überfordernder und unangemessener Öffnung und Modell-
Die therapeutische Gruppe bietet die Möglichkeit der Be- gewährung durch gut platzierte affektive, glaubwürdige, au-
ziehungsaufnahme zum Zwecke der Separation und Individu- thentische und sich dennoch nicht anbiedernde Selbstöffnung
ation! Dies klingt zunächst paradox! In aller Regel sind die seitens des/r Gruppenleiters/-leiterin: Allerdings, Timing ist
meisten Patienten nicht ausreichend, schlecht oder gar nicht alles! Außerdem sehr wichtig: aktiver Einbezug initial zu
separierte Menschen, deren besondere Schwierigkeit in einer schweigsamer Gruppenmitglieder.
panischen Angst vor Verlust und Trennung liegt. Das schein-
bare Dilemma liegt in der Tatsache begründet, dass “... man Man kann sich gut vorstellen, dass Freud in Anlehnung an
sich zunächst vom anderen separieren (muss), damit Isolie- Stekel im Hass einen Vorläufer der Liebe sah (Freud, 1913),
rung erlebt werden kann; man muß allein sein, um Alleinsein wenn man die oftmals paranoiden Ängste und projektiven
zu erleben” (Yalom 1980, S. 362). Dies genau scheint aber Mechanismen strukturell defizitärer Patienten in Gruppen er-
der Versuch einer Quadratur des Kreises zu sein. Diese Pati- lebt. Andererseits impliziert diese Sichtweise exakt die Mög-
enten fürchten den Objektverlust wichtiger, signifikanter an- lichkeit der Entwicklung hin zur “Liebe” und Beziehungs-
derer, und damit die Aufnahme von Nähe, da sie den erneuten fähigkeit. Die abgespaltenen und primitiven Dissoziierungen

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von aggressiven Impulsen aufgrund von in der Wiederan- rer führt zur hilfreichen Korrektur und zur (therapeutischen)
näherungsphase zwischen dem 15. und 30. Lebensmonat un- Veränderung (Altmeyer, 2000).
erträglichen Konflikten zwischen Liebe und Hass führen nach Die Erreichung eines kohäsiven Gruppenklimas, das Voran-
Mahler zum Scheitern der Individuations- und Separations- schreiten in der Entwicklung der Gruppenarbeit (MacKenzie,
bestrebungen in der Wiederannäherungsphase, einer Voraus- 2001) führen für die Qualität der Gruppenarbeit häufig zu ei-
setzung für die Entwicklung einer Borderline-Pathologie. Die ner Stufe der “Differenzierung” bzw. “Individuation”. Grup-
Gruppensituation legt diese konflikthafte unbewältigte Situ- pen gewähren – therapeutisch gut geführt – ihren Mitgliedern
ation für diese strukturell gestörten Patienten wieder auf und die Möglichkeit der Begegnung in der Nähe und die Erarbei-
führt sie somit einer Bearbeitung zu. Analytische Langzeit- tung von individueller Differenzierung, die ihrerseits eine Vor-
gruppen haben nachweislich genau diese Potenz, eine “be- bedingung für Individuation und Separation sein dürfte. Hierfür
ginnende Differenzierung der Selbst- und Objektimagines in werden die sozialen anderen benötigt. Das Erleben einer be-
gute und böse “Kern-Selbst-Objekt-Repräsentanz” (Rinsley nignen sozialen Begegnung – und Auseinandersetzung - mit
1996, S. 223) vorzunehmen (Catina und Tschuschke, 1993; anderen psychologischen Objekten ist der Weg zur Reifung
Seidler ,1999). von Individualität und Einzigartigkeit, die erst dann - erneute,
aber nun reifere - Beziehungsaufnahmen zur Folge haben kann.
Voraussetzung für die Nutzung der therapeutischen Potenzia-
le der analytischen Gruppe ist anscheinend eine kleine Kaska- Der andere – und in der therapeutischen Gruppe die anderen
de von Wirkfaktoren, dies ist empirisch sehr aufwändig und – ist bzw. sind für Patienten ein potenzielles Risiko (angst-
präzise im Hinblick auf das Behandlungsergebnis in stationä- besetzt), insofern die Beziehungsmuster potenziell maligne
ren Gruppen untersucht worden. Patienten benötigen eine mi- entarten und kontraproduktiv werden können – was ja bei nicht
nimal günstige objektale Beziehungsfähigkeit, um das Risiko wenigen dieser Patienten leidvolle frühe Lebenserfahrung ist.
einer Selbstöffnung eingehen zu können. Nur – und nur dann Eine Retraumatisierung bzw. Chronifizierung der Störung
– kann disvalidierendes Feedback aus der Gruppe kommen, bzw. Probleme wären die Folge. Die immens schwere Aufga-
das im eigentlichen Sinne korrigierend in die eigenen interna- be besteht für diese Patienten in der notwendigen Annähe-
lisierten Strukturen eingreift (Tschuschke, 1993; Tschuschke rung an die anderen (quasi eine Wiederauflage des Wieder-
und Dies, 1994, 1997; Tschuschke et al., 1996). Es versteht annäherungsdilemmas in der Übertragungsinszenierung in der
sich von selbst, dass Gruppenleiter/innen hierbei maximal as- Gruppe), um die Trennung und Separation von ihnen verar-
sistieren und eingreifen müssen, da die Gruppe sonst eine beiten zu können. Nach Jaspers ist erst die (geglückte) Kom-
maligne Kultur der Interaktion und Normenbildung entwickeln munikation – also das adäquate In-Beziehung-Setzen – das
könnte, die gerade kontraproduktiv und retraumatisierend wäre. Kriterium für Selbstsein und Freiheit (Weischedel 1994).
Nur das Ertragen von disvalidierendem Feedback, ausgedrückt Selbst der Misanthrop Schopenhauer sah die einzige Mög-
von den Peers, den anderen in der Gruppe, und das sich daran lichkeit der Überwindung der existenziellen Verzweiflung im
anschließende Durcharbeiten desselben können Veränderung menschlichen Mitleiden. In der Tat ist der Wirkfaktor Uni-
im therapeutischen Sinne bewirken (Kibel, 1991). Das Ergeb- versalität des Leidens gruppentypisch und kann nicht in der
nis daraus sind Umstrukturierungen von pathologischen Selbst- therapeutischen Dyade auftreten.
und Objekt-Fragmenten und –Verzerrungen in eine klinisch
wünschbare Richtung, begleitet von adaptiveren objektalen, Der entscheidende Punkt ist und bleibt die Gruppenfähigkeit
interpersonalen Beziehungsmustern (Catina und Tschuschke, des Patienten zum Zeitpunkt der Indikationsentscheidung.
1993; Tschuschke, 1993; Tschuschke und Dies, 1994). Das Eine Unfähigkeit bzw. zu große Angst vor “emotionaler Ver-
Interessante daran ist, dass diese therapeutisch hilfreiche und giftung” bzw. vor zu großer emotionaler Nähe wird die Moti-
korrigierende Potenz von anderen in der Gruppe kommt (den vation zur Gruppenteilnahme konterkarieren und damit po-
Peers, nicht so sehr den Therapeuten!) (Tschuschke und Dies, tenzielle Drop-outs oder Misserfolge generieren. Hier ist für
1997). Gruppentherapeuten die meiste Arbeit zu leisten. Idealerweise
würde der Gruppenleiter genaue Indikationen und prognosti-
In der Annäherung an andere liegt aber zugleich auch das größ- sche Überlegungen anstellen, welcher Patient überhaupt so
te therapeutische Problem. Die Frustration tief reichender weit gruppenfähig ist, dass er Nutzen aus der interpersonalen
narzisstischer Bedürftigkeit nach völliger Übereinstimmung, Arbeit ziehen könnte. Und wir sprechen hier nur über
einem Bedürfnis nach dem Fehlen von jeglicher Anders- Gruppentherapiekonzepte, deren Arbeit auf interpersonellem
artigkeit, der grenzenlose Anspruch auf total verfügbare Lie- Austausch, auf Dynamik der Beziehungen fußt, also analyti-
be und Zuwendung bei schweren narzisstischen Pathologien schen, psychodynamischen, klientenzentrierten und inter-
(Heigl-Evers und Ott, 2001) könnten bei Konfrontation mit personalen Gruppenkonzepten (Tschuschke, 2001b). Weite-
unerwünschtem Feedback zum (Beziehungs-)-Abbruch und re Überlegungen betreffen sodann das betreffende Gruppen-
zur die Problematik vertiefenden Abwehr (Verleugnungen, konzept, das wiederum in Abhängigkeit von Zeit als Kurz-
projektiven Identifikationen, Spaltungen) führen. Hier liegt zeitgruppe (etwa stationär) oder als ambulante Langzeitgruppe
die Unwägbarkeit des weiteren Gruppenprozesses und die mit niedrigerer Frequenz zu führen wäre. Hier gehen aber
Kunst der therapeutischen Leitung, für die es kein allgemein bereits auch Überlegungen zu der Art und dem Ausmaß der
gültiges technisches Interventionsrezept gibt. Nur die Beur- vorliegenden psychischen Störung(en) mit ein: soll die Grup-
teilung des Selbst aus den reflektierten Beurteilungen ande- pe störungsspezifisch, also mit homogener Gruppen-

Psychotherapie 8. Jahrg. 2003, Bd. 8, Heft 1 © CIP-Medien, München Seite 191


Volker Tschuschke: Angst in der therapeutischen Gruppe (S. 187-193)

zusammensetzung, oder mit heterogener Zusammensetzung Bion WR: Experiences in Groups and Other Papers. New York: Basic
geführt werden? Ganz besonders wichtig wäre auch die Fra- Books, 1959
ge nach dem Format der Gruppe – geschlossen oder halb of- Bronisch T: Neurobiologie der Persönlichkeitsstörungen mit Schwer-
fen; ein sehr wichtiger Gesichtspunkt im Zusammenhang mit punkt auf Borderline-Persönlichkeitsstörungen. Psychotherapie
2001;6:233-246
der Durchführung von Kurzzeitgruppen (Tschuschke, 2003).
Bugental J: The Search for Authenticity. New York: Holt, Rinehart
Nicht zuletzt der Aspekt der Gruppenvorbereitung, die we- & Winston, 1965
sentliche Entängstigung bewirkt und realistischere Erwartun- Buunk BP: Affiliation, zwischenmenschliche Anziehung und enge
gen formt. Dies sind z.T. idealtypische Erwägungen, sie spie- Beziehungen. Sozialpsychologie. In: Stroebe W, Hewstone M,
len gleichwohl die entscheidende Rolle, ob eine Gruppe als Stephenson GM (Hrsg.): Sozialpsychologie. Eine Einführung.
Therapiegruppe erfolgreich arbeiten und psychotherapeuti- Berlin: Springer, 1996, 363-393
sches Potenzial entwickeln kann. Das drückt sich im günsti- Catina A, Tschuschke V: A summary of empirical data from the
gen Fall in drastisch niedrigeren Drop-out-Raten (vorzeiti- investigation of two psychoanalytic groups by means of repertory
gen Abbrüchen), schnellerem Erreichen eines kohäsiven grid technique. Group Anal 1993;26:443-449
Cohen BD, Schermer VL: On scapegoating in therapy groups: A
Gruppenklimas und dadurch “angeschobener” Gruppen-
social constructivist and intersubjective outlook. Int J Group
entwicklung mit aufeinander folgenden Wirkfaktoren aus. Psychother 2002;52:89-109
Dies RR: Die Rolle des Therapeuten in der Gruppenpsychotherapie
Die Endlichkeit der therapeutischen Gruppe bringt ein wei- (Teil I) - Vorbereitung der Bedingungen für therapeutische Ver-
teres existenzielles Phänomen, quasi in Abbildung der End- änderung. In: Tschuschke V (Hrsg.): Praxis der Gruppen-
lichkeit des Lebens, mit sich. Die Zeitlichkeit des Daseins psychotherapie. Stuttgart: Thieme, 2001a, 88-93
(Heidegger) betrifft natürlich jeden Kontakt, mithin auch den Dies RR: Die Rolle des Therapeuten in der Gruppenpsychotherapie
in der Gruppe. Die Neigung zur Verleugnung des Gruppen- (Teil II) - Förderung individueller Veränderung. In: Tschuschke
endes, des “Gruppentods” (Mattke und Tschuschke, 1997; V (Hrsg.): Praxis der Gruppenpsychotherapie. Stuttgart: Thieme,
2001b, 94-101
Tschuschke und Mattke, 1997), speziell bei gut laufenden
Eckert J: Indikation und Prognose in der Gruppenpsychotherapie.
Gruppen, ist ein ubiquitäres Phänomen, das therapeutisch In: Tschuschke V (Hrsg.): Praxis der Gruppenpsychotherapie.
genutzt werden kann und muss (Frankel, 2002). Das Gruppen- Stuttgart: Thieme, 2001, 56-64
ende steht symbolisch für die Endlichkeit des Seins und wird Erikson EH: Growth and crisis of the healthy personality. In: Erikson
als solches natürlich von den Gruppenmitgliedern geleugnet, EH (ed.): Identity and the Life Cycle. New York: International
verdrängt oder thematisch ausgeblendet. Die ultimative Tren- Universities Press, 1950, 50-100
nung, die Patienten zutiefst fürchten – und wir alle -, ist der Fierman L (ed.): Effective Psychotherapy: The Contributions of
Tod. Er trennt uns vom Leben und von den anderen. Dies ist Hellmuth Kaiser. New York: Free Press, 1965
letztlich der Hintergrund aller Angst. Insofern kommt zu al- Frankel B: Existential issues in group psychotherapy. Int J Group
Psychother 2002;52:215-231
lem noch die Aufgabe auf den/die Gruppenleiter/in zu, die-
Freud S: Die Disposition zur Zwangsneurose. Ein Beitrag zum Pro-
sen Aspekt zusätzlich im Auge zu behalten, auf dass einer blem der Neurosenwahl. Gesammelte Werke VIII. 1913. Frank-
unbewussten Kollusion einer vermeintlichen Unendlichkeit furt/M.: S. Fischer, 1990, 442-452
der Beziehung und Dauer der Gruppe entgegengewirkt wer- Freud S: Zeitgemäßes über Krieg und Tod. Gesammelte Werke Band
den kann (König und Lindner, 1991). X. 1916; Frankfurt/M., S. Fischer, 1991; 324-355
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In der therapeutischen Gruppe bewirken speziell die anderen Heidegger M: Sein und Zeit. Frankfurt/M.: Klostermann, 1977
Gruppenmitglieder im Mikrokosmos der Gruppe den Trans- Heigl-Evers A, Ott J: Die psychoanalytisch-interaktionelle Metho-
fer realer, existenzieller Lebensnöte in die Gruppe hinein. Die de. Ein Behandlungsangebot für strukturell gestörte Patienten.
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kleine therapeutische Gruppe birgt für jedes Individuum die
Heigl-Evers A, Ott J: Entwicklung und Konzepte der psychoanalyti-
große Chance, in der Auseinandersetzung mit dem bzw. den schen Gruppenpsychotherapie. In: Tschuschke V (Hrsg.): Praxis
anderen die eigene Reifung und Stabilisierung zu befördern. der Gruppenpsychotherapie. Stuttgart: Thieme, 2001, 328-334
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