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Individuelle Arbeit:
zum Thema:
Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt
Fach: Geschichte deutscher Sprache
GE191SE
Chisinau 2022
Die Stellung einer Sprache in mehrsprachigen Gemeinwesen bzw. in der Welt wird meist im
Vergleich mit anderen Sprachen hinsichtlich einer Reihe von Parametern dargestellt:
Sprecherzahl, regionale Verteilung der Sprecher (Mutter-, Zweit- und Fremdsprachler),
juristischer Status und tatsächlicher Gebrauch (Funktion) in staatlicher Verwaltung (staatliche
Amtssprache), Bildungsinstitutionen (Unterrichtssprache, Schulfach), Wirtschaft, Wissenschaft
u.a. Ein anerkanntes Gesamtmaß gibt es nicht. Deutsch wird einerseits in allen Domänen
moderner Gesellschaften verwendet (ausgenommen Spezialdomänen wie Flugkontrolle: nur
Englisch) und verfügt daher über den entsprechend umfassenden Wortschatz, was für kaum 1%
der rund 6000 Sprachen der Welt gilt. Andererseits hat Deutsch – ähnlich wie Französisch –
seine einstige Funktion als internationale Wissenschaftssprache im Verlauf des 20. Jhs.
großenteils an das Englische verloren. In vereinfachter Sicht hat sich die Stellung von Deutsch in
der Welt von einer Weltwissenschaftssprache zu einer regionalen Wirtschaftssprache für
bilaterale Kontakte verschoben. Die Ursachen dafür sind nicht nur in der unheilvollen deutschen
Geschichte zu suchen, sondern auch in der von den USA geprägten Globalisierung. Diese könnte
die internationale Stellung von Deutsch zukünftig weiter schmälern. Eines von verschiedenen
Indizien dafür ist seit 1997 die Einführung von Englisch als Sprache der Lehre in manchen
Studiengängen deutscher Hochschulen sowie der zunehmende Gebrauch des Englischen im
gesamten Lehrbetrieb von Privathochschulen. Dieser Trend könnte die neuerliche Zunahme des
Deutschlernens in einzelnen Ländern, z.B. China, die durch die Studienmöglichkeit in
Deutschland motiviert ist, bremsen. Diese Motivation besteht nur fort, wenn Deutschkenntnisse
für ein Studium in Deutschland obligatorisch bleiben. Ähnlich demotivierend auf das Erlernen
von Deutsch als Fremdsprache wirken möglicherweise die weit verbreiteten Englischkenntnisse
der deutschen Bevölkerung, die durch allgemeinen Englischunterricht schon in der Primarstufe
verankert werden (wozu noch Deutsch lernen, wenn alle Deutschen Englisch können?). Die
Verdrängung von Deutsch als Arbeitssprache aus den EU-Institutionen und damit als
Regierungssprache des zusammenwachsenden Europas bedeutet den Verlust einer der letzten
transnationalen Funktionen der Sprache. Bei der Folgenabschätzung ist der hohe Wert des
Lernens von Deutsch als Fremdsprache für die deutschsprachigen Länder zu berücksichtigen. Es
vermittelt wirtschaftliche, wissenschaftliche, politische und kulturelle Kontakte sowie ein
positives Deutschlandbild im Ausland.
Deutsch ist staatliche Amtssprache in insgesamt sieben Staaten: In Deutschland, Österreich und
Liechtenstein ist es die einzige nationale Amtssprache, in der Schweiz und in Luxemburg ist es
nationale Amtssprache neben anderen; im östlichen Belgien im Gebiet der Deutschsprachigen
Gemeinschaft und im nördlichen Italien in der Provinz Bozen-Südtirol ist es regionale
Amtssprache. Die Erfassung von Zahlen der Muttersprachlern des Deutschen ist nicht nur mit
erhebungstechnischen, sondern auch mit begrifflichen Unsicherheiten behaftet. Meist wird unter
Muttersprache die erstgelernte und bestbeherrschte Sprache verstanden; es können dabei auch
mehrere gleichrangige Sprachen vorkommen. Eine Zweitsprache wird dagegen später gelernt,
aber – im Gegensatz zu einer Fremdsprache – fast täglich gebraucht.
Etwa 130 Millionen Menschen sprechen weltweit Deutsch als Muttersprache. Deutsch ist in der
Europäischen Union die meistgesprochene Muttersprache und Amtssprache in Deutschland,
Österreich, Belgien und Luxemburg, zudem in Liechtenstein. Auch in der Schweiz ist Deutsch
Amtssprache. Etwa 7,5 Millionen Menschen gehören außerdem in 42 Ländern weltweit einer
deutschsprachigen Minderheit an.
Seit Jahrhunderten haben Menschen den deutschen Sprachraum verlassen, um sich auf anderen
Kontinenten anzusiedeln. Früher waren es meist wirtschaftliche Gründe, heute sind es eher die
Vorliebe für ein Land oder eine Kultur. Kein Wunder also, dass auch in der Dominikanischen
Republik Deutsch gesprochen wird (20.000 Sprecher). Im sonnigen Südafrika sind es geschätzt
300.000 bis 500.000 Muttersprachler. Im angrenzenden Namibia, das einmal deutsche Kolonie
war, sprechen 20.000 Menschen Deutsch.
Nach wie vor gehörten die USA zu den beliebtesten Auswanderungsländern. Noch heute
verlassen jährlich weit über 10.000 Bundesbürger Deutschland, um in den USA zu leben. Die
geschätzte Zahl der Deutschsprechenden in den USA liegt bei 1,1 Millionen. In manchen Staaten
liegt Deutsch hinter Englisch und Französisch auf Platz drei der Sprachen, die im privaten
Bereich gesprochen wird. Das Gebiet zieht sich von Alabama über den Mittleren Westen bis
nach Montana, Wyoming und Colorado.
Auch Kanada (438.000 Sprecher) steht ganz oben auf der Liste der Auswanderungsländer. Seit
den 1940er Jahren sind über 400.000 Deutsche in das Land ausgewandert. Im ebenfalls beliebten
Auswanderungsland Australien beläuft sich die Schätzung auf 77.000 Sprecher. Besonders in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat die deutsche Gemeinschaft ihre Sprache in viele süd- und
mittelamerikanische Länder getragen. In Brasilien beläuft sich die Schätzung auf 1,1 Millionen
Sprecher, in Argentinien auf 400.000, Paraguay 166.000, Chile 20.000 und Mexiko 80.000
Sprecher. Auch die jüdische Diaspora hat die deutsche Sprache in die Ferne getragen. So wird
die Zahl der in Israel deutschsprechenden Personen auf 200.000 geschätzt, wobei hier auch die
Zahl der jiddisch sprechenden Personen enthalten ist.
Innerhalb von fünf Jahren hat sich die Zahl der Deutschlernenden in Ägypten von 120.000 auf
250.000 mehr als verdoppelt. Grund dafür ist vor allem die Bildungsreform mit der Verfassung
von 2014, die für jeden Bürger des Landes Bildungsmöglichkeiten vorsieht. Im Schuljahr
2014/15 lernten in Ägypten 229.420 Schüler Deutsch als Fremdsprache. Eine negative
Entwicklung ist dagegen in der Russischen Föderation zu beobachten. Von 2010 bis 2015 sank
die Zahl der Schüler, die Deutsch lernten, von 1,6 auf 1,1 Millionen. Zunehmend entscheiden
sich städtische Schulen, Englisch statt Deutsch als erste Fremdsprache zu unterrichten. Zudem
sank die Zahl der Schulen, die Deutsch unterrichten, in nur fünf Jahren von 22.600 auf 16.800
Einrichtungen.
Die geographische Verteilung der Muttersprachler des Deutschen hebt das geschlossene
Wohngebiet in Mitteleuropa (ohne Luxemburg: Muttersprache und Nationalsprache
Letzeburgisch) ab von den Siedlungsgebieten deutschsprachiger Minderheiten. Die vorliegenden
Daten zum Spracherhalt und zur Verbreitung divergieren erheblich.
Bei den Zahlenangaben für die Verbreitung von Deutsch als Fremdsprache ist besondere
Vorsicht geboten. Vor allem dürfen Lerner nicht einfach als Sprecher mit
Kommunikationsfähigkeit gezählt werden. So lernen z.B. in Japan und Korea zahlreiche
Hochschüler, meist gezwungenermaßen, Deutsch, ohne je die auch nur für einfache Gespräche
notwendigen Fähigkeiten zu erlangen. Auf der anderen Seite sind Sprecher, die Deutsch
inoffiziell – durch Kontakt, Selbstunterricht oder an privaten Sprachschulen – gelernt haben,
nicht erfasst. Deutsch ist die weltweit dritt- oder vierthäufigst gelernte Fremdsprache, weit hinter
Englisch, auch hinter Französisch und vielleicht noch hinter Spanisch. Wegen des starken
Zurückfallens gegenüber dem Englischen wie auch manchenorts anderen Fremdsprachen – dem
Spanischen in Nordamerika, dem Japanischen und Chinesischen im pazifischen Raum – entsteht
der Eindruck eines allgemeinen Rückgangs. Jedoch liegen die absoluten Zahlen heute weltweit
nicht niedriger als früher – derzeit gibt es über 20 Mio. Lerner –, und es gibt durchaus Länder
mit anhaltendem Zuwachs (z.B. China, Ägypten, Griechenland, Italien).
Deutsch in Europa
Deutsch ist vor allem eine Sprache Europas, wo sich seine Zukunft entscheidet. Im Europarat ist
es Arbeitssprache; Amtssprachen (hier der höhere Status) sind nur Englisch und Französisch. Ein
Antrag auf Hochstufung von Deutsch ist 1994 gescheitert. In der EU bezeichnet Amtssprache
den niedrigeren Status, den Deutsch selbstverständlich hat. Die einzelnen EU-Organe wählen aus
den Amtssprachen Arbeitssprachen. Vermutlich entwickeln sich die vorherrschenden
Arbeitssprachen mit der Zeit zu den Regierungs- und Verkehrssprachen Europas. Deutsch ist
anerkannte Arbeitssprache in so wichtigen Organen wie Kommission oder Ministerrat (auch für
informelle Sitzungen), wird jedoch im Vergleich zu Englisch und Französisch kaum verwendet.
Die Statusaufwertung ist schwierig, weil Mitgliedsstaaten, deren eigene Sprache nicht zu den
Arbeitssprachen zählt, Englisch als einzige Arbeitssprache bevorzugen.