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Gemaltes Licht

Die Stilleben von Willem Kalf 1619-1693

MUSEUM BOIJMANS VAN BEUNINGEN


S-L-M
Suermondt-Ludwig-Museum
Aachen

A Deutscher Kunstverlag
München Berlin
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Gemaltes Licht
Die Stilleben von Willem Kalf 1619-1693

Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam


25. November 2006 bis 18. Februar 2007

Suermondt-Ludwig-Museum, Aachen
8. März bis 3. Juni 2007

Deutscher Kunstverlag München Berlin


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Für Lucius Grisebach,
dessen bahnbrechende Monographie von
1974 für Ausstellung und Katalog eine
wertvolle Anregung gewesen ist.
Inhalt

Übersicht der Leihgeber............................................................. 6

Vorwort........................................................................................... 7

Willem Kalf, eine Biographie....................................................... 9


Friso Lamniertse und Mickael Szanto

Alltägliches & Außergewöhnliches


Gebrauchsgegenstände und Prunkobjekte
bei Willem Kalf............................................................................ 24
Alexandra Gaba-van Dongen

Willem Kalf in Rotterdam und Paris:


die bäuerlichen Interieurs.......................................................... 36
Jeroen Giltaij

Die Bauerninterieurs................................................................... 42

Willem Kalf in Paris: die frühen Stilleben................................ 70


Jeroen Giltaij und Fred G. Meijer

Die frühen Stilleben...................................................................... 74

Das Amsterdamer CEuvre Willem Kalfs in der Perspektive. . . 94


Fred G. Meijer

Die Amsterdamer Stilleben.......................................................... 104

In der Nachfolge von Willem Kalf............................................... 150


Fred G. Meijer

Der Einfluss Willem Kalfs auf die französischen Künstler


und Kunstliebhaber im 17. und 18. Jahrhundert....................... 156
Fran^oise Joulie

Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs


Katalog der Werke von Willem Kalf............................................ 160
Fred G. Meijer

Abgekürzte Literatur................................................................... 168

Abbildungsnachweis....................................................................169

Impressum..................................................................................... 170
Übersicht der Leihgeber

Aachen, Suermondt- Ludwig- Museum

Amiens, Musee de Picardie

Amsterdam, Rijksmuseum

Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie

Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum

Heino, Museum de Fundatie

Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle

Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud

Kopenhagen, Statens Museum for Kunst

Leipzig, Museum der bildenden Künste

London, The National Gallery

Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza

Le Mans, Musee de Tesse

Maastricht, Noortman Master Paintings

München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek

New York, Evelyne Walborsky

New York, The Metropolitan Museum of Art, private collection

Paris, Musee du Louvre

Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen

Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Stiftung Willem van der Vorm

Rouen, Musee des Beaux-Arts

Weimar, Staatliche Kunstsammlungen, Schlossmuseum

Zürich, Kunsthaus Zürich, Stiftung Dr. L. Ruzicka

Sowie Privatsammler

6
Vorwort

Der 1619 in Rotterdam geborene Maier Wil­ also eigentlich aus drei kleinen Ausstellungen, von Kalf für die Ausstellung auszuleihen be­
lem Kalf ist in unserer Kultur zu keinem Be­ die ein sehr abwechslungsreiches Bild von reit war. Ebenfalls muss hier ein Wort des
griff wie Rembrandt oder Vermeer geworden. Kalf vermitteln. Dankes an das Museo Thyssen-Borncmisza
In seinem Geburtsort gibt es zum Beispiel Die Idee für die Ausstellung wurde vom ausgesprochen werden, das sich bereit erklär­
nicht eine nach ihm benannte Straße. Den­ Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen dem te, beide Glanzstücke aus seinem Besitz für
noch gilt er in Kennerkreisen schon lange Museum Boijmans Van Beuningen vorgelegt, unsere Ausstellung auszuleihen.
als der wichtigste Stillebenmaler des hollän­ das darauf positiv reagierte. So kam es zu Die Organisation in Rotterdam lag in den
dischen Goldenen Zeitalters. Dass er eine ge­ einer Zusammenarbeit, die zu dieser Über­ Händen von Jeroen Giltaij, der von der Pro­
wisse Bekanntheit erringen konnte, verdankt sichtsschau und dem vorliegenden Katalog jektleiterin Saskia de Jong vortrefflich unter­
er seinen sublimen Prunkstilleben, die er in führte. stützt wurde, in Aachen war Sylvia Böhmer
seiner Amsterdamer Periode, ab 1653, malte. Grundlage für die Zusammenstellung der verantwortlich. Wichtige Beratung erhielten
Diese Werke zeigen atemberaubende Kompo­ Ausstellung und des Katalogs bildete die wir von dem Stillebenspezialisten Fred G.
sitionen, in denen die Wirkung des Helldun­ 1974 publizierte Monographie von Dr. Lucius Meijer vom Rijksbureau voor Kunsthistori­
kels und erfinderische Reflexionen des Lichts Grisebach, der nach seiner gründlichen Er­ sche Documentatie in Den Haag.
auf Metall und Glas eine Hauptrolle spielen. forschung des Malers einen anderen Weg Die Autoren des Katalogs haben ein Buch
Äußerst kostbare Objekte sind bisweilen aus­ in der Kunstgeschichte eingeschlagen hatte. geschrieben, das als wichtige Ergänzung zu
schließlich aufgrund ihres Funkelns sichtbar Selbstredend haben wir ihm unverzüglich Grisebachs Publikation gesehen werden muss.
und die Manier, in der das Licht angedeutet unseren Plan für diese Ausstellung vorgelegt, Verfasst wurden die Texte, der Abfolge des
wurde, erinnert an Vermeer. In dieser Aus­ doch Herr Grisebach teilte uns mit, dass er Buches entsprechend, von Friso Lammert-
stellung wird aber auch zwei anderen Gemäl­ das Studium des Malers nicht mehr weiter­ se und Mickael Szanto, Alexandra Gaba-van
detypen von Kalf Aufmerksamkeit geschenkt. geführt habe. Bei der Zusammenstellung der Dongen, Jeroen Giltaij, Fred G. Meijer, Sylvia
Dabei handelt es sich zum einen um die frü­ Ausstellung ergab sich, dass hinsichtlich sei­ Böhmer und Fran<;oise Joulie. Die Koordina­
hesten von ihm bekannten Arbeiten, die klei­ nes Buches nur in einzelnen Fällen eine Än­ tion des Katalogs fand in Rotterdam statt und
nen, so genannten Bäuerlichen Interieurs, derung vorgeschlagen werden musste, doch lag in den Händen von Sabine Terra.
die ein Rotterdamer Thema sind. Von diesen das eigentliche Gerüst konnte der kritischen Ein Rotterdamer Dankeswort an die Spon­
Bildern ist bei der Vorbereitung dieser Aus­ Verwendung Stand halten. soren richtet sich an den Prins Bernhard Cul-
stellung ein noch in Rotterdam entstandenes Wir danken an erster Stelle den Leihgebern, tuurfonds Zuid-Holland, HAL Investments
Gemälde identifiziert worden. Danach zog die sofort bereit waren ihre häufig kostbaren B.V und Unilever. Aus Aachen geht der Dank
der junge Kalf nach Paris, wo er an seinem und geliebten Werke des großen Meisters der an die Peter & Irene Ludwig Stiftung, ERCO
zweiten Gemäldetyp zu malen begann, den Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Na­ Nederland, die Sparkasse Aachen und die
französischen Stilleben. Das spektakulärste mentlich muss Franchise Chaserant genannt SNS Bank.
Beispiel hierfür ist das enorme Gemälde aus werden, Direktorin des Museums in Le Mans, Wir hoffen, dass Willem Kalf sowohl in sei­
dem Musee de Tesse in Le Mans, das wir in die ihr enormes, in den Niederlanden und ner Geburtsstadt als auch in Aachen die An­
der Ausstellung zeigen. Die Übersicht besteht Deutschland fast unbekanntes Meisterwerk erkennung finden wird, die er verdient.

Sjarel Ex Peter van den Brink


Direktor Museum Boijmans Van Beuningen Direktor Suermondt-Ludwig-Museum
Rotterdam Aachen

7
1 Jacob Houbrakcn, Porträt von Hendrik Ver-
schuring (oben) und Willem Kalf (unten), Kupfer­
stich. Aus: A. Houbrakcn, De Groote Schouburgh
der Nederlantsche Konstschildcrs en Schilderessen,
Teil 2, Amsterdam 1719.

8 Willem Kalf eine Biographie - Friso Lammertse und Micke


Willem Kalf, eine Biographie
Friso Lammertse und Mickael Szanto'

Rotterdam sich dessen auch schuldig gemacht: Er hatte allerdings im Jahr 1625 als der Rechtsstreit
»toursenillen en satijn« geliefert, die unter noch in vollem Gange war.9 Willem Kalf war
Ain 3. November 1619 ließen Jan Jansz. Kalf den Räten unter der Hand verteilt wurden, um zu diesem Zeitpunkt gerade einmal sechs Jah­
und seine Frau Machtelt Gerrits (van Proyen) daraus Mäntel und andere Kleidungsstücke re alt. Er wird sich später wohl kaum an sei­
ihren neugeborenen Sohn in Rotterdam tau­ zu fertigen. Das Geld wurde unter »algemene nen Vater erinnert haben. Aufgezogen wurde
fen, vermutlich in der Grote- oder Sint Lau- landsmiddelen« (»allgemeine Landesmittel«) er von seiner Mutter und seinen älteren Ge­
renskerk. Sie gaben ihrem Kind den Namen verbucht. Darüber hinaus hatte Kalf einige schwistern. Für einige Zeit wohnte die Familie
Willem. Willem war mindestens das siebte Rechnungen gefälscht, unter anderem unter noch in der Hoogstraat. 1631 verkaufte man
Kind des Ehepaares. Vor ihm wurden seine dem Namen seiner Schwester Annetgen Jans.8 den Besitz und bezog eine Wohnung am Leu-
Geschwister Jan, Catharina, Clara, Cornelia, Die verhängten Strafen variierten zwischen venhaven, auch »Het Comptoir« genannt.10
Gerrit und Maria geboren.2 Willems Eltern Bußgeldern von 200 bis 74.000 Gulden und le­ Machtelt Gerrits muss den Tuchhandel ihres
stammten beide aus Gouda. Dort wurden sie benslanger Haft. Kalf wurde mit einem hohen Mannes weitergeführt haben. 1634 schuldete
am 14. Januar 1604 auch getraut? Kurz nach Bußgeld von 2.500 Gulden belegt. Er verstarb sie jedenfalls Delfter Kaufleuten Geld für ge-
der Eheschließung verzogen sie nach Rotter­
dam, wie viele andere, die ihr Glück versu­
2 Balthasar Florisz. van Berckenrode, Stadtplan von Rotterdam, 1626, Kupferstich, 73 x 82 cm. Rotter­
chen wollten.
dam, Gemeindearchiv, Inv. Nr. RI 20. Detail mit dem Rathaus (Nr. 1). Gegenüber befand sich das Haus,
Die Bevölkerung von Rotterdam verdrei­ in dem Kalf geboren wurde und bis zu seinem elften Lebensjahr wohnte. Er wurde wahrscheinlich in der
fachte sich zwischen 1561 und 1622 auf unge­ Grote- oder Sint Laurenskerk (Nr. 2) getauft.
fähr 20000 Bürger. Nach Amsterdam, Leiden,
Haarlem und Dellt war Rotterdam damit der
Einwohnerzahl nach die fünftgrößte Stadt
Hollands. Dieser Bevölkerungszuwachs er­
gab sich fast ausschließlich durch den Zuzug
neuer Bürger, die, wie auch die Eltern Willem
Kalfs, aus anderen Städten der Republik, vor
allem aus den südlichen Niederlanden ge­
kommen waren.’
1606 kaufte Jan Jansz. in der Hoogstraat,
der vornehmsten Straße Rotterdams, eine
Wohnung gegenüber dem Rathaus (Abb. 2
u. 3)? Kalf nannte sich in den Dokumenten
vorzugsweise Seidenhändler. Er handelte je­
doch auch mit Wollstoffen und Damast und
so manches Mal mit ganz anderen Dingen wie
marmornen Kühlbehältern.6 Materiell muss
Kalf durchaus wohlgestellt gewesen sein. Im
Jahr 1618 wurde er zum Mitglied des Stadt­
rats von Rotterdam berufen, eine Funktion die
ausschließlich angesehenen und vermögen­
den Bürgern vorbehalten war. Bis zu seinem
Tod im Jahr 1625 sollte er Ratsmitglied blei­
ben. 1618 und 1619 war er Schöffe und in den
beiden darauffolgenden Jahren Schatzmeister.
1622 wurde er dann zum Ratsmitglied des
Admiralitätskollegiums von Rotterdam er­
nannt (De Maze).7 In dieser Funktion wurde
er noch im selben Jahr in einen weitreichen­
den Skandal verwickelt. Einige Mitglieder des
Verwaltungskollegiums der Admiralität wur­
den der Rechnungsfälschung und Veruntreu­
ung von Waren bezichtigt, die im Namen der
Admiralität gekauft worden waren. Kalf hatte

Willem Kalf, eine Biographie - Friso Lammertse und Mickael Szanto 9


dem Müller eine Verwarnung, denn es war
noch nicht sieben Uhr, die für den Arbeitsbe­
ginn der Müller festgelegte Zeit. Anscheinend
irritiert erwiderte der Müller den Brüdern,
dass es doch bereits so spät sei und fügte dem
noch hinzu: »Wenn ihr uns so quält, so verbie­
tet uns die Arbeit doch ganz und jagt uns auf
den Deich.«18 Möglicherweise wohnte Willem
Kalf in Den Haag bei seinem Bruder Gerrit,
der um 1637 dorthin gezogen sein muss. 1634
hatte Gerrit in Rotterdam geheiratet, wo auch
seine beiden ersten Kinder im April 1635 und
im Dezember 1636 getauft wurden.19
Willem hatte noch mehr Familie in Den
Haag. Seine Schwester Cornelia Kalf hat­
te 1633 den Den Haager Weinhändler und
Konditor Hendrick Pompeus geheiratet. Es
ist darum gut möglich, dass Kalf auch bei
seiner Schwester wohnte. Warum Willem
Kalf nach Den Haag ging, ist nicht bekannt.
3 Valentijn Klotz, Die Hoogstraat, gesehen vom Osttor, 1674, Feder, Pinsel, laviert, Rotterdam. Gemeinde­ Hatte er zu dieser Zeit seine Ausbildung be­
archiv, Inv. Nr. RI 244 reits abgeschlossen und folgte seinem Bruder
und seiner Schwester nach Den Haag, in der
Hoffnung dort als Künstler bessere Voraus­
setzungen zu finden? Das früheste Kalf zuge­
schriebene Gemälde ist 1638 datiert und ent­
lieferte Serge, Twill und Damast.11 Alles weist drick Pots. Es wurden jedoch Gemälde Kalfs stand daher möglicherweise in Den Haag.20
daraufhin, dass es der Familie nach dem Tod in Haarlemer Besitzverzeichnissen erwähnt Ein zweites Werk aus dem Jahr 1639 ist heute
Jan Kalfs finanziell weniger gut ging. 1629 und seine Familie hatte, wie wir noch sehen leider nicht mehr bekannt, zeigte aber den
verkaufte die Witwe den Garten mit den da­ werden, Kontakte zu dieser Stadt.16 An ande­ Beschreibungen nach die Ansicht einer Stadt,
rin befindlichen Gartenhäusern, den sie im rer Stelle in diesem Katalog, wird Hendrick vielleicht Nijmegen. Es war in der Art Jan van
nahegelegenen Rubroek besaß.12 Zu einem Sorgh als Lehrer Kalfs vorgeschlagen. Er war Goyens gemalt worden.21 Man könnte anneh­
nicht näher bekannten Zeitpunkt, vermutlich zu jener Zeit einer der gefragtesten Maler in men, dass Kalf während seines Aufenthalts in
1635, ersuchte Machtelt Gerrits die »Gene­ Rotterdam. Im Frühwerk Kalfs ist in jedem Den Haag von van Goyen beeinflusst wurde,
ral-Staaten« um Aufschub von zwei Dritteln Fall eine stilistische Verwandtschaft mit dem welcher sich 1632 dort niedergelassen hatte.
des noch zu zahlenden Bußgeldes, dass ihrem Werk Sorghs zu erkennen. Möglicherweise Vielleicht war Kalf dort nicht allein als Maler
Mann damals wegen seiner Verwicklungen in studierte Kalf erst bei Pot und setzte seine tätig, sondern half seinem Bruder ab und zu
den Veruntreuungsskandal in der Admirali­ Lehre dann bei dem Rotterdamer Künstler beim Einholen der Steuern. In dem erwähn­
tät auferlegt worden war. Sie schilderte in ih­ fort.17 ten Dokument steht jedenfalls, dass sie zu­
rem Ersuchen, dass sie ihre Möbel verkaufen sammen den Müller verwarnten.22
musste, um die Zahlungen leisten zu können, Am 4. Juli 1638 wurde Kalfs Mutter in der
und dass sie nicht wisse, wie sie ihre acht Kin­ Den Haag Grote- oder Sint Laurenskerk in Rotterdam
der ernähren solle.” beigesetzt.23 Einige Monate später wurden die
Es muss allerdings ausreichend Geld vorhan­ Bis heute blieb unbekannt, dass Kalf sich für Brüder Willem und Jan Barentsz. Rees und
den gewesen sein, um den Kindern eine gute einige Zeit in Den Haag aufhielt. In einer Ur­ Jop Jansz. Coopmans zum Vormund der drei
Ausbildung zu ermöglichen. Willem Kalfs ge­ kunde von Februar 1638 wird er als »woonen- Kinder bestellt, die noch jünger als 25 Jahre
wandte Unterschriften, die er später unter die de allhier in ’s Gravenhage« (»hier in ’s Gra- waren: Maria, Willem und Goverl.21 Die bei­
Urkunden setzte, zeigen, dass er in der Schu­ venhage wohnend«) erwähnt. Er legte damals den Brüder Rees waren Söhne der Annetgen
le ausgezeichnet zu schreiben gelernt hat. Es auch zusammen mit seinem Bruder Gerrit ein Jans Kalf, einer Schwester Jan Jansz. Kalfs, und
waren auch genügend Mittel vorhanden, um Zeugnis ab, der in dieser Stadl seit kurzer Zeil des Schmieds Barent Jansz., und somit Cou­
eine Malerausbildung zu finanzieren.” Wann »collecteur van de imposl« (»Eintreiber der sins Willem Kalfs.23 Anneigen Jans gehörte
und bei wem Kalf seine Ausbildung erhielt, Mahlsteuer«) war. Sie erklärten, am 12. Feb­ 1619 zu den Taufzeugen bei der Taufe des zu­
ist nicht genau bekannt. Meistens war es üb­ ruar um halb sieben Uhr morgens über den künftigen Malers. Willem Barentsz. Rees war
lich, im Alter von zwölf Jahren eine Lehre zu Markt gelaufen zu sein, als das Gefährt eines von Beruf Kaufmann, während sein Bruder
beginnen. Houbraken nennt den Haarlemer Müllers passierte. Die Fracht auf dem Wagen anscheinend ein Lebensmittelgeschäft und
Maler Hendrick Pol als Lehrmeister Kalfs.13 war abgedeckt, so dass die Brüder nicht sehen eine Konditorei führte.26 Der dritte Vormund
Auf den ersten Blick scheint dies wenig wahr­ konnten, was der Müller geladen hatte. Sie war Jop Jansz. Coopmans, ein Zuckerbäcker,
scheinlich und es wurden darum Zweifel an folgten dem Gefährt direkt bis zur Mühle, wo der wahrscheinlich aus der Familie der Mut­
dieser Mitteilung Houbrakens geäußert. Die sie feststellten, dass der Müller sieben Säcke ter Willem Kalfs stammte.27 In den darauffol­
Gemälde Kalfs zeigen keinerlei Einfluss Hen­ Korn geladen hatte. Daraufhin erteilten sie genden Jahren sind verschiedene Dokumente

10 Willem Kalf, eine Biographie - Friso Lämmertse und Mickael Szanto


verfasst worden, die die Regelung des Nach­ In jedem Falle muss Willems zeichnerisches erwies sich als der freundlichste aller Gäste.
lasses und die Fürsorge der Vormunde für und malerisches Talent erkannt worden sein. Er lud den Neuankömmling an seinen Tisch
die ihnen anvertrauten Kinder betreffen.28 Wer in ihm den Wunsch weckte, eine künst­ ein und gab ihm Kleidung. Am nächsten Tag
Das hinterlassene Erbe war nicht besonders lerische Laufbahn einzuschlagen, ist nicht be­ zeigte er dem jungen flämischen Maler Paris
groß. Dies erschließt sich aus einem Doku­ kannt. Über die Geschäftsverbindungen, die und beruhigte ihn bezüglich seiner finanzi­
ment vom Oktober des Jahres 1639, in dem seine Eltern unterhielten, ist kaum etwas be­ ellen Sorgen: Soweit Vleughels malen könne,
die Vormunde ihre Bedenken äußern, mit kannt. Als Tuchhändler werden sie vielleicht würde Kalf ihm »Aufträge besorgen«. Am da­
dem hinterlassenen Geld überhaupt für die auch Künstler mit Leinwand beliefert haben.31 rauffolgenden Tag wurde der Neuankömm­
Kinder bis zu deren Volljährigkeit sorgen zu 1631 lieh seine Mutter Maerten Balcken- ling »einem flämischen Blumenmaler namens
können. Die Schulden waren noch so hoch, eynde, dem wichtigsten Kunsthändler der Picard« vorgestellt. Dieser war »mehr Händ­
dass man fürchtete, nach deren Begleichung Stadt, eine Summe Geldes.35 Von Bedeutung ler als Künstler« und versorgte »junge Maler
keine Mittel mehr für die Erziehung der Kin­ mag eventuell auch die Verwandtschaft mit mit Kopieaufträgen und dergleichen, da viele
der zur Verfügung zu haben.29 Machtelt Ger­ Willem Pietersz. Buytewech über Kalfs Mut­ Leute sich an ihn wandten, wenn sie Aufträge
rits machte in ihrem Testament von 1634 ihre ter gewesen sein, einem der berühmtesten zu vergeben« hatten.39 Es handelte sich hier
jüngsten Kinder Maria, Willem und Govert Rotterdamer Künstler. Kalfs Tante Hillegont um den berühmten Kunsthändler Jean-Mi­
zu den Alleinerben und bestimmte, dass die Gerrits, eine Schwester seiner Mutter, war chel Picart (um 1600 in Antwerpen - 1682 in
bereits volljährigen Kinder nur ein Anrecht mit Stoffel Jacobsz. Langerbeen verheiratet, Paris)10.
auf den Pflichtteil hätten.30 einem Stiefbruder von Buytewech. Nach des­ Zwar belegt diese inzwischen berühm­
Maria Kalf verheiratete sich im Februar sen Tod 1624 übernahm Langerbeen die Vor­ te Anekdote die Anwesenheit Kalfs in Paris,
1640 mit Egbert van Someren, Kassierer in mundschaft seiner Kinder, darunter auch die im Viertel von Saint-Germain, jedoch kann
der Darlehenskasse von Leiden.31 Willems für den der späteren Maler Willem Willemsz. anhand dieser Angaben der Aufenthalt des
jüngerer Bruder Govert verstarb 1640 auf ei­ Buytewech. Langerbeen war ein wohlhaben­ Künstlers in der französischen Hauptstadt
ner Reise nach Indien. Die Vormunde hatten der Kerzenmacher, der in der Hoogstraat in nicht eindeutig datiert werden, so dass die
ab diesem Zeitpunkt also nur noch Sorge für »Den drei Tafelkerzen« wohnte, nur ein paar Frage offen bleibt: Von wann bis wann weilte
den damals ungefähr 21jährigen Willem Kalf Häuser von der Wohnung der Familie Kalf Willem Kalf in Frankreich?
zu tragen. Im gleichen Jahr hielt sich Willem entfernt. Er war einer der Taufzeugen bei der Grisebach hat zu Kalf allerdings zwei wich­
jedoch im Ausland auf. Dies geht aus einem Taufe von Willems Bruder Govert Kalf.36 Um tige Daten genannt. Auf der Grundlage der
Dokument vom 13. November 1640 hervor, in 1640 muss der junge, aber bereits fertig aus­ von Dussieux herausgegebenen Biographie
dem er als »außer Landes« bezeichnet wird.32 gebildete Willem Kalf auf Reisen gegangen schlägt der Kunsthistoriker als Datum für die
Im zuvor erwähnten Dokument von Oktober sein. Welches die erste Station seiner Reise Vleughels-Anekdote den 2. Januar 1642 vor.41
1639 wurden keine Besonderheiten über sei­ war, ist, wie bereits erwähnt, nicht bekannt. Ein Gemälde von Kalf mit Signatur und Da­
nen Aufenthaltsort erwähnt. Es scheint also Es ist jedoch sicher, dass er sich ab 1642 in tum (Kat. Nr. 4), auf welchem die Türme von
ganz so, dass er erst nach diesem Datum ins Paris aufhielt. Notre-Dame im Hintergrund zu sehen sind,
Ausland ging. Wo er sich zuerst aufhielt ist belegt die Hypothese, dass Willem Kalf sich
allerdings nicht bekannt. Vielleicht weilte er in diesem Jahr in jedem Fall in Paris aufhielt.
eine Zeit lang in Flandern, möglicherweise in In Paris, circa 1642-1645 Darüber hinaus steht in einem am 27. Oktober
Antwerpen, bevor er nach Paris verzog.33 1644 verfassten Archivdokument, dass Kalf
In seinen jüngsten Jahren muss Willem Kalf Obwohl viele Werke Willem Kalfs in Paris ent­ sich zu dieser Zeit in Frankreich aufhielt.12
in beträchtlichem Wohlstand aufgewachsen standen sind, wissen wir recht wenig über den Ausgehend von diesen beiden Tatsachen und
sein. Sein Vater war ein erfolgreicher Kauf­ Aufenthalt des Künstlers in der französischen unter Berücksichtigung der vielen von Kalf in
mann und Ratsmitglied. Nach dem Tod des Hauptstadt. Dieser Lebensabschnitt Kalfs Frankreich erstellten Werke nimmt Grisebach
Vaters, als Willem erst sechs Jahre alt war, ging wurde von Houbraken und anderen Kunsthis­ an, dass Kalf sich zwischen 1640 und 1646
es der Familie finanziell weniger gut. Jan Kalfs torikern ignoriert und wurde erst im 19. Jahr­ in Paris aufgehalten habe. Möglicherweise
Witwe führte den Tuchhandel ihres Mannes hundert durch ein Werk von Louis Dussieux schlug er aufgrund der zahlreichen in Frank­
weiter, scheint aber weniger erfolgreich gewe­ (Memoires inedits sur la vie et les ouvrages des reich entstandenen Werke eine solch lange
sen zu sein. Die älteren Geschwister verließen nienibres de FAcademie royale de peinture et de Periode vor.
bereits nach und nach das Haus, als Willem sculpture, Paris, 1854) bekannt. Aus der Bio­ Andere Eckdaten (1642-1646) wurden
noch jung war. graphie Philippe Vleughels erfahren wir, dass vorgeschlagen, ohne jedoch eindeutige Argu­
Mit seiner Entscheidung, Kunstmaler zu der Künstler am Abend seiner Ankunft in Pa­ mente vorzubringen. Obgleich ein jüngst
werden, nahm Willem einen besonderen ris in den 1640er Jahren Willem Kalf getrof­ entdecktes Archivdokument belegt, dass Kalf
Platz innerhalb der Familie ein. Sein Bruder fen habe. Dies geschah in einer Gaststätte des sich im Jahre 1640 nicht in den nördlichen
Gerrit war Gebühreneintreiber, sein jüngs­ Faubourg Saint-Germain, als Kalf zusammen Niederlanden aufhielt, weisen alle von uns zu­
ter Bruder ging auf »große Fahrt« und seine mit namhaften flämischen Malern wie Jac­ sammengestellten Informationen darauf hin,
Schwestern verheirateten sich, unter ande­ ques Fouquieres, Pierre van Boucle und Nica- dass der Paris-Aufenthalt Kalfs kaum länger
rem mit einem Weinhändler, einem Gebüh­ sius (Bernaerts) in einer geselligen Tafelrunde als drei Jahre dauerte und zwischen 1642 und
reneintreiber und einem Bankangestellten saß.37 Die Gaststätte hieß La Chasse und be­ 1645 stattfand. Unseres Erachtens stammt
der Darlehenskasse. Die Familie zählte zu fand sich in der Rue du Sepulcre. Es war »eine die Anekdote von Vleughels nicht wie von
den wohlhabenden Bürgern, aber man übte gewisse Zufluchtsstätte für Hämische Maler«, Grisebach angenommen aus dem Jahr 1642,
keine Ämter aus, die direkt mit einer künst­ wo Vleughels sofort »Freunde, eine gute Ta­ sondern vielmehr aus dem darauffolgenden
lerischen Profession in Verbindung standen. fel und freundliche Gesichter« fand.38 Kalf Jahr, nämlich Januar 1643.43 Denn aus der Bio­

Willeni Kalf, eine Biographie - Friso Lamniertse und Mickael Szanto 11


graphie Vleughels erschließt sich einerseits, das Stilleben mit Rüstungsteilen, Waffen und einerseits auf prächtigen Stilleben, welche die
dass dieser Künstler kurz nach dem Tode von Prunkobjekten, das größte von Kalf je gemalte Eitelkeit der Mächtigen befriedigten, anderer­
Kardinal Richelieu im Dezember 1642 in Pa­ Bild (Kat. Nr. 20).45 Die auf diesem Gemälde seits auf Darstellungen von einfachen Wohn­
ris ankam, andererseits dass er sich nach dem dargestellte Goldmünze mit einem Bildnis des räumen, welche den von Elend geprägten All­
Tode van Dycks im Dezember 1641 in Lon­ jungen Ludwig XIV. (ein Werk von Jean Wa­ tag der Ärmsten zeigten.
don »zwei bis drei Jahre« lang (also zwischen rin) wurde 1643 geprägt. Darüber hinaus fin­ Der Paris-Aufenthalt Kalfs entsprach kei­
1641 und 1643) aufhielt. den wir die kostbare Schale des Stillebens mit nesfalls einem langfristigen Niederlassungs­
Obwohl beide Informationen ungenau und Rüstungsteilen, Waffen und Prunkobjekten auf projekt, sondern war lediglich eine Zwischen­
teilweise widersprüchlich sind, schließen sie einem anderen Kalf zugeschriebenen Gemäl­ station einer im Jahre 1640 begonnenen Reise,
die Ankunft Vleughels in Paris im Januar de wieder: Zwar ist dieses zweite Bild (Kat. Nr. die ihn (möglicherweise) nach Flandern, in
1642 - zehn Monate vor dem Tode Richelieus 18) undatiert, jedoch weist eine Kopie (Kat. jedem Falle aber nach Frankreich führte. Pa­
und nur zwei Monate nach dem Tode Van Nr. 19) eindeutig das Datum 1643 auf. ris war damals für nordeuropäische Künstler
Dycks - völlig aus. Deshalb kann das Treffen Die Bedeutung des Jahres 1643 wird auch besonders attraktiv. Zahlreiche flämische Ma­
zwischen Vleughels und Kalf frühestens im beim Betrachten der von Kalf beeinflussten ler und Kunsthändler (darunter Hieronymus
Januar 1643 und spätestens im Januar 1644 Werke zeitgenössischer Pariser Maler deut­ Francken, Paul de La Houve und Antoon
stattgefunden haben. lich. In den 1640er Jahren schuf Sebastien Goetkindt) hatten sich dort seit dem späten
Unseres Erachtens traf Willem Kalf erst Bourdon (1616 in Montpellier - 1671 in Paris) 16. Jahrhundert niedergelassen. Sie bildeten
1642 in Paris ein (wie es vom Gemälde mit einige »Bambochades«, wobei einige dieser eine große Gemeinschaft und waren Neuan­
Notre-Dame im Hintergrund belegt wird) und Gemälde Nachahmungen von Werken Kalfs kömmlingen gern behilflich.47 Theoretisch
verließ die französische Hauptstadt im Laufe sind. Nur eines dieser Gemälde ist datiert - war es ausschließlich den der Pariser Zunft der
des Jahres 1645. Darüber hinaus untermauern aus dem Jahre 1643. Ein Stilleben von Jacques Malerund Bildhauer angehörenden Künstlern
die datierten Werke Kalfs und der nachgewie­ Linard (1597 in Troyes - 1645 in Paris), das erlaubt, in der französischen Hauptstadt tätig
sene Einfluss dieses Künstlers auf die zeitge­ eindeutig vom Werk Willem Kalfs inspiriert zu sein, wobei die Zunftleitung der ausländi­
nössischen Pariser Maler die Hypothese eines wurde, trägt ebenfalls das Datum 1643 (Abb. schen Konkurrenz gegenüber eher reserviert
relativ kurzen Aufenthalts in Frankreich. 4).46 Die zwei Muscheln auf diesem Gemälde reagierte. Dennoch gab es zahlreiche Mög­
Lucius Grisebach konnte eine überzeugende befinden sich auch auf einem Werk von Kalf lichkeiten, diese Regelung zu umgehen und
und stilistisch kohärente Liste der von Kalf (Kat. Nr. 15). Zwar ist letzteres Bild undatiert, mehrere Monate in Paris zu arbeiten. Eine
in Paris geschaffenen Werke aufstellen. Diese jedoch befindet sich eine ähnliche Muschel Voraussetzung dafür war allerdings, dass der
Gemälde sind zwischen 1642 und 1645 ent­ auf dem Werk Stilleben mit Nautilusmuschel, ausländische Künstler keine eigene Werkstatt
standen, wobei der Künstler in den Jahren Olivenschüsselchen, zinnerner Feldflasche und betrieb und in der Gunst eines kaufinteres­
1643 und 1644 besonders produktiv war.44 Gläsern (Kat. Nr. 16) - ein im Jahre 1643 ent­ sierten Kunsthändlers stand.18
In dieser Zeitspanne entstand beispielsweise standenes Gemälde. Da die Zunftarchive nicht erhalten geblie­
Drei Tatsachen (das von Willem Kalf 1642 ben sind, wissen wir nicht, ob Kalf sich um
gemalte Bild mit den Türmen von Notre- Aufnahme in die Malerzunft von Paris oder
Dame im Hintergrund, das niederländische Saint-Germain-des-Pres bemüht hat.49 Wahr­
4 Jacques Linard, Blumetivase mit zwei Muscheln,
Archivdokument aus dem Jahre 1644, sowie scheinlich machten die kurze Aufenthalts­
1643, Öl auf Holz, 61 x 47 cm. die datierten Werke des Künstlers) untermau­ dauer und die guten Beziehungen des Malers
Verbleib unbekannt. ern die Hypothese eines Aufenthalts in Frank­ zu Kunsthändlern eine derartige Aufnahme
reich in den Jahren 1642-1645. allerdings überflüssig. Darüber hinaus boten
der belebte Pariser Kunstmarkt, die Anwesen­
heit zahlreicher flämischer Kunsthändler in
Kalf und das Pariser Künstlermilieu der Hauptstadt und die alljährlich im Februar
und März stattfindende Kunstmesse von
Die Vleughels-Anekdote bleibt eine wesent­ Saint-Germain willkommene Auftragsmög­
liche Informationsquelle für die Erforschung lichkeilen, die von talentierten jungen Malern
der Pariser Jahre Willem Kalfs. Sie erwähnt gerne ergriffen wurden.50
Kalf für den Januar des Jahres 1643 in dem In diesem Kontext ist es keinesfalls überra­
Gasthaus »La Chasse« in der Rue du Sepulcre schend, dass Willem Kalf sich im Januar 1643
in Saint-Germain-des-Pres und bringt ihn in beziehungsweise 1644 in einer Gaststätte des
engen Zusammenhang mit den flämischen Faubourg Saint-Germain niederließ.51 In je­
Malern und Kunsthändlern der Hauptstadt. nem Stadtviertel befanden sich damals viele
Nichtsdestotrotz beschränkte sich das Leben Schenken und Herbergen für ausländische
des Künstlers in der französischen Hauptstadt Gäste, die sich nur ein paar Tage oder meh­
nicht nur auf Kontakte mit flämischen Malern rere Monate in Paris aufhielten. Während der
und Kunsthändlern in der »Zufluchtsstätte« Kunst messe von Saint-Germain weilten dort
der nordeuropäischen Künstler in der Rue du auch zahlreiche Kunsthändler und Maler.
Sepulcre. Die berühmte Anekdote verdeckt Zweifellos bot diese wichtige Veranstaltung
nämlich einen viel breiteren gesellschaftlichen Kalf eine Gelegenheit, seine Werke zum gu­
Horizont sowie den großen Erfolg, den Kalf ten Preis an den Mann zu bringen. Darüber
in Paris sofort erleben durfte. Dieser beruhte hinaus können wir mit Sicherheit davon

]2 Willem Kalf, eine Biographie - Friso Lammertse und Mickael Szanto


ausgehen, dass der Künstler das berühmte Goldvase und einem Granatapfel. Pariser Künstlern. In der von Linard zusam­
Geschäft von Antoon Goetkindt (Antoine Preis: 32 Livre. mengestellten Sammlung - einem regelrech­
Bonenfant) besucht hat. Dieser ehemalige [160] Item ein kleines Kalf auf Kupfer mit ten Panorama der damaligen Pariser Kunst
Großmeister der Antwerpener Malerzunft einem hölzernen Rahmen mit Ko­ - nehmen die Werke Kalfs eine besondere
war damals der größte Kunsthändler der rallen. Preis: 4 Livre. Stellung ein. Eine »große Kopie des großen
französischen Hauptstadt. Er handelte nicht [161] Item ein weiteres Kalf auf Kupfer mit Kalf« wird an erster Stelle erwähnt. Dieser
nur mit Gemälden, sondern auch mit Bildtep­ der Darstellung eines Butterfasses in Eintrag bezieht sich wahrscheinlich auf Po­
pichen und Prunkmöbeln.52 An der Kunst­ einem Eimer. Preis: 4 Livre. sition 138 im Nachlassverzeichnis: »Item ein
messe von Saint-Germain beteiligten sich [ 186] Item ein kleines Kalf mit einem höl­ großes Kalf auf Leinwand mit der Darstellung
auch Pariser Kunsthändler wie Pierre Le Sage, zernen Rahmen mit Korallen. Preis: einer großen Goldvase und einem Granatap­
Antoine de Vauconsains und Jean Gault, wo­ 8 Livre. fel«. Bei diesem Gemälde könnte es sich um
bei diese Händler an den Werken nordeuro­ [187] Item ein weiteres kleines Kalf mit das Stilleben mit Granatapfel handeln - ein im
päischer Maler besonders interessiert waren der Darstellung von Früchten. Preis J. Paul Getty Museum aufbewahrtes Meister­
und gleichfalls mit Gemälden und wertvollen 9 Livre.55 werk (Abb. 5).
Goldschmiedekunstwerken handelten. Darüber hinaus wurden im Nachlassver­
Auf der Kunstmesse traf Willem Kalf wahr­ Unseres Erachtens spiegelt die relativ hohe zeichnis die großen Werke Kalfs (Imbiss, Nr.
scheinlich in Paris arbeitende Maler wie bei­ Anzahl der Werke Kalfs im Nachlass Linards 86 und Große Goldvase, Nr. 138) sehr hoch
spielsweise Sebastien Bourdon und Jacques die engen Berufsbeziehungen beider Künst­ eingeschätzt: Deren Preis betrug 40 bezie­
Linard, zwei Maler, die er beeinflusste.53 Ein lern wider. Vielleicht hat der junge Holländer hungsweise 32 Livre, wobei eine Perspektive
kürzlich entdecktes Archivdokument liefert sogar in der Werkstatt Linards in der Rue de von Le Maire und ein Genregemälde von
Informationen zum Paris-Aufenthalt Kalfs Poitou gearbeitet, denn der Franzose galt sei­ Bourdon ebenfalls mit 40 Livre, ein Land­
und wirft ein neues Licht auf den Einfluss nerzeit in Paris als ein führender Stillebenma­ schaftsbild von Mauperche mit 30 Livre, ein
des holländischen Meisters auf Linard. Es ler. Als Künstler, Sammler und wahrschein­ schönes Stilleben von Stoskopff mit 20 Livre,
handelt sich um das Nachlassverzeichnis des lich auch Kunsthändler hatte Linard eine der ein Werk von Vignon mit 10 Livre und meh­
französischen Malers, das nach dessen Tod größten Stillebensammlungen der Hauptstadt rere Gemälde von Linard mit 2 bis 25 Livre
im September 1645 ab dem 28. Februar 1647 zusammengestellt. Neben Werken von Kalf angesetzt wurden.
aufgestellt wurde. In diesem Dokument wird befanden sich in dieser Sammlung auch Ge­ Die Substantivierung des Familiennamens
eine umfangreiche Gemäldesammlung be­ mälde von Lubin Baugin, Pierre van Boucle, im Nachlassverzeichnis (»ein großes Kalf«
schrieben.54 Sie umfasste mehr als 200 Bilder Louise Moillon, Jean-Michel Picart, Tomaso beziehungsweise »ein kleines Kalf«) ist au­
von zeitgenössischen Malern wie Blanchard, Salini und vor allem Sebastien Stoskopff, dem ßergewöhnlich und deutet darauf hin, dass
Boullogne, Bourdon, Le Maire, Mauperche, großen Straßburger Meister, der während sei­ die Werke des jungen holländischen Meisters
Stoskopff und Vignon, sowie acht Original­ nes Aufenthalts in Paris zwischen 1622 und mit einer besonderen Kunstrichtung gleich­
gemälde von Kalf und acht Kopien nach dem 1640 enge Geschäftsbeziehungen zu Linard gesetzt wurden. Zweifellos waren die kleinen
holländischen Meister: pflegte. Küchendarstellungen Kalfs, die von Jacques
Jacques Linard war mit dem Maler und be­ Foucart als »technisch ausgezeichnet« bewer­
[1] Erstens eine große Kopie des großen rühmten Kunsthändler Claude Vignon sowie tet wurden, ein Novum in der damaligen Pa­
Kalf auf Leinwand mit schwarzem mit dem Stecher Pierre Brebiette befreundet. riser Kunstwelt.
Rahmen. Preis: 35 Livre. Er unterhielt auch Beziehungen zur Familie Schließlich spiegeln die vielen im Nachlass­
[86] Item ein Bild auf Leinwand von Le Sage, deren Mitglieder seit Generationen verzeichnis aufgelisteten Kopien von Werken
Herrn Kalf mit der Darstellung eines Kunsthändler waren und wie schon erwähnt Kalfs die schnelle Verbreitung der vom hol­
Imbisses. Preis: 40 Livre. an der Kunstmesse von Saint-Germain teil­ ländischen Meister eingeführten Formen­
[91] Item ein kleines Kalf auf Holz mit nahmen. Pierre II. Le Sage wiederum war mit sprache in der Pariser Kunstszene wider. Es
einem chinesischem Rahmen. Preis: Sebastien Bourdon und Jean-Michel Picart bleibt allerdings unklar, ob diese Kopien in
8 Livre. befreundet.56 Also war Kalf während seines der Linard-Werkstatt oder anderen Orts er­
[92] Item ein weiteres kleines Kalf auf Aufenthalts in Paris nicht nur der »Maler der stellt wurden.
Holz ebenfalls mit einem chinesi­ Flamen-Gaststätte«, sondern auch ein häu­ Antoon Goetkindt starb im April 1644,
schem Rahmen. Preis: 8 Livre. figer Gast der Linard-Werkstatt. Mit seinem Jacques Linard im September 1645. Damit
[114] Item eine kleine Kopie nach Kalf auf französischen Kollegen tauschte sich Kalf verlor Willem Kalf binnen kurzer Zeit zwei
Holz mit einem matten Goldrah­ wahrscheinlich über die Symbolik des Stil­ wertvolle Geschäftspartner. Er verließ Paris
men. Preis: 40 Sol. lebens aus, denn für Linard - einen Anhän­ vielleicht in den letzten Monaten des Jahres
[118] Item eine kleine Kopie nach Kalf auf ger der neostoischen Lehre - hatte die Kunst 1645 und hinterließ zahlreiche Werke in der
Holz mit hölzernem Rahmen. Preis: einen hohen moralischen Stellenwert. Darü­ französischen Hauptstadt. 1693 - das heißt
40 Sol. ber hinaus traf Willem Kalf bei Jacques Linard kaum vierzig Jahre später - fand im Palast der
[119] Item eine weitere Kopie nach Kalf zahlreiche andere Künstler, unter anderem Familie Ferte-Senneterre eine umfangreiche
mit einem Rahmen mit goldenem Sebastien Bourdon und Claude Vignon. Ausstellung mit Werken von französischen,
Band. Preis: 30 Sol. Der Linard-Nachlass spiegelt auch den gro­ italienischen, flämischen und holländischen
[120 bis] Item vier kleine Kopien nach Kalf ßen Erfolg Willem Kalfs in Paris wider. Der Meistern statt. Hier war Kalf mit vier Ge­
auf Holz. Preis: 60 Sol. zusammen. Einfluss des jungen Holländers auf den äl­ mälden vertreten - ein Beweis dafür, dass der
[138] Item ein großes Kalf auf Leinwand teren französischen Maler beruhte auf dem hervorragende holländische Meister zu dieser
mit der Darstellung einer großen Ruhm des nordeuropäischen Meisters bei den Zeit noch hochgeschätzt war.57

Willem Kalf eine Biographie - Friso Lammertse und Mickael Szanto 13


Obwohl die französischen Kunstkritiker Zurück in Holland zugegen. In den Dokumenten ist verzeichnet
im frühen 18. Jahrhundert die italienische worden, »dass Willem Calff sich gegenwärtig
Malerei als die vollkommenste Entwicklung Am 27. Oktober 1644 erschienen Jop Jansz. in Frankreich aufhalte«.59 Das Erbe belief sich
der Kunst betrachteten, räumten sie der nord­ Coopmans und Willem Barentsz. Rees, zwei auf einige hundert Gulden. Im darauffolgen­
europäischen Kunst im Allgemeinen und den der drei Vormunde von Willem Kalf, vor der den Jahr, spätestens in dem Jahr danach muss
Werken von Kalt*im Besonderen eine Sonder­ Rotterdamer Waisen kam mer um Rechen­ Kalf nach Holland zurückgekehrt sein. Ain
stellung ein. Antoine Coypel beispielsweise schaft über die Verwaltung des mütterlichen 21. Oktober 1645 lieh er dem weithin unbe­
äußerte sich folgendermaßen: »Meines Er­ Erbes Kalfs abzulegen. Der 27. Oktober war kannten Rotterdamer Maler Dionijs Jansz.
achtens sprechen die Stilleben von Kalt* eine kein zufälliges Datum, denn Willem Kalf 300 Gulden gegen fünf Prozent Zinsen. Es
gleichwertige Kunstsprache wie die Werke wurde in den Tagen davor oder danach 25 scheint, als habe er die Vereinbarung nicht
von Giorgione und Titian.«58 Jahre alt und damit volljährig. Er konnte jetzt selbst getroffen, denn in einem diesbezüg­
eigenständig über seinen Besitz verfügen. lichen Dokument steht, dass Dionijs Jansz.
Kalf selbst war bei dieser Gelegenheit nicht »Willem Kalf, dem minderjährigen Sohn Jan
Kalfs« das Geld schulde.60 Wie wir gesehen
haben, war er zu diesem Zeitpunkt gerade
volljährig geworden. Hätte Kalf selbst die­
sen Vertrag geschlossen, erschiene eine solch
5 Willem Kalf, St Hieben mit Granatapfel, Öl auf Leinwand, 104 x 82 cm. falsche Angabe sehr unwahrscheinlich. Es
Los Angeles, J. Paul Getty Museum, Inv. Nr. 54. PA 1 werden wohl eher die Vormunde Kalfs ge­
wesen sein, die diese Standardformulierung
in die Akte aufnehmen ließen. Es ist jedoch
sicher, dass sich Kalf im Jahr darauf in Rot­
terdam aufhielt. Am 26. Oktober 1646 leg­
ten die Vormunde ein weiteres Mal vor der
Waisenkammer Rechenschaft über die Ver­
waltung des Erbes ab.61 Laut ausdrücklichem
Aktenvermerk war Kalf dieses Mal persön­
lich anwesend. Es handelte sich um die En­
dabrechnung, bei der sämtliche empfangenen
Zuwendungen finanzieller Art aufgeführt
wurden. Dabei stellte sich heraus, dass einer
der Vormunde, Jop Jansz. Coopmans, Kalf
selbst mehr als 100 Gulden schuldig blieb?2
Auch die Dionijs Jansz. geliehene Summe er­
scheint hier unter den Ausgaben. Als letzte
verzeichnete Ausgabe ist ein Betrag von 100
Gulden vermerkt, den die Vormunde am 15.
Oktober 1646 an Kalf ausgezahll hatten: »um
seine Kosten bestreiten zu können«.63 Lässt
diese Tatsache darauf schließen, dass Kalf zu
diesem Zeitpunkt gerade aus dem Ausland
zurückgekehrt war und deshalb Bargeld be­
nötigte?
Fest steht, dass Kalf sich im Herbst 1646
in seiner Geburtsstadt aufhielt, allerdings
nur für recht kurze Zeit, sodass fraglich ist,
ob er dort überhaupt noch einmal gearbei­
tet hat. Seine engsten Familienmitglieder,
die Brüder und Schwestern, waren verzogen
und hatten sich in Den Haag, Alkmaar, Lei­
den und Amsterdam niedergelassen. Es ist
gut möglich, dass Kalf nach Amsterdam ging
- das wirtschaftliche und kulturelle Zen­
trum Hollands. Dort wohnte seine Schwes­
ter Catharina, die nach dem Tod ihres ers­
ten Mannes Jacob Govertsz. Knol 1645 den
Amsterdamer Kaufmann Elisens Spillebout
geheiratet hatte. Als nächstes ist Kalf jedoch
nicht in Amsterdam, sondern in der Stadt
Hoorn urkundlich vermeldet.

14 Willem Kalf, eine Biographie - Friso Lämmertse und Mickael Szanto


Hoorn Für Cornelia verfasste er ein kurzes Gedicht, eine Schwester Samuel Pluviers und damit
ein sogenanntes »levertje«, einige Verse, die eine Tante von Kalfs Frau.74
Dieses Dokument stammt vom 20. August der Gast üblicherweise an die junge Braut Le Thor war Kaufmann und einer der Di­
1649. Die ansonsten unbekannte Maridtge richtete, wobei er ein Stück Leber auf die Mes­ rektoren der West-Indischen-Kompanie. Sein
Frericx erschien vor den Schöffen der Stadl serspitze spießte, daher auch die Bezeichnung Vater, ein geborener Antwerpener, handelte
Hoorn, um eine Summe von 86 Gulden »Leberchen«. Feste Regel war dabei, dass in mit Juwelen und Kunst. Gemälde von Am­
von Kalf zurückzuverlangen. Sic legte eine der ersten Zeile das Wort »Leber« erschei­ brosius Bosschaert, Bartholomeus Spranger,
Schuldverschreibung vom 2. Juli 1647 vor. nen musste. Der Dichter wählte dabei eine Louis Finson und Hans van Aachen zählten zu
Da Maridtge Frericx in Amsterdam wohnte, Anspielung auf den Nachnamen »Kalf«, zu seinem Besitz. Für hohe Summen versuchte er
ist anzunehmen, dass sie Kalf dort das Geld Deutsch Kalb. in der Zeit zwischen 1618 und 1623 Gemälde
geliehen hatte?’ Der Künstler wird in diesem an den dänischen Hof zu verkaufen.75 Ob sein
Zusammenhang als »arrestant« (unter Arrest »Leberchen zur Hochzeit von Jungfr. Corne­ Sohn den Kunsthandel des Vaters fortführte,
stehend) bezeichnet - vermutlich war Kalf in lia Pluvier ist nicht bekannt. Johan le Thor besaß selbst
Amsterdam zur Verantwortung gezogen wor­ Braut vom Kunst-reichen Maler Wilhelm eine stattliche Anzahl von Gemälden und
den, als Frericx sich zuerst an das dortige Ge­ Kalf. Silbergerät, die er in seinem Testament als
richt gewand hatte, um ihr Geld einzuklagen. Handelsgüter bezeichnete. Im Besitzinven­
Kalf muss dann, ohne seine Schulden zu be­ Dies ist Leber von einem Huhn, keine Leber tar, das nach seinem Tode aufgestellt wurde,
gleichen, nach Hoorn verzogen sein, wo sich von einem Kalb, sind Werke von Hans Holbein (ein Toten­
die dortigen Schöffen gleich der Sache annah­ ich wünsch der Braut Eile mit dem Kind, und schädel), Jan van Goyen, Jan Porcellis, Pieter
men. Wahrscheinlich lief der Rechtsstreit auf lieber ganz als halb.«69 Claesz. (ein Becher und eine Kanne) und von
einen Vergleich hinaus und Kalf zahlte das Bartholomeus van Bassen erwähnt. In seinem
geforderte Geld. Fest steht, dass Kalf sich in Kurz vor oder nach seiner Hochzeit wohnte Besitz befand sich ebenfalls eine Ansicht vom
Hoorn wohnhaft niedergelassen hatte und Kalf wahrscheinlich für einige Zeit bei dem »Louvre de Paris« von der Hand eines unbe­
dort 1651 die Pfarrerstochter Cornelia Pluvier Chirurgen Wigger Jansz. de Vogel. Einige Jah­ kannten Künstlers. Nun kann man sich gut
heiratete.65 Am 22. Oktober wurde das Paar re später verlangte dieser 204 Gulden aus ei­ vorstellen, das Kalf diese Arbeit betrachte­
vom Vater der Braut in dessen Haus hinter der ner Schuldverschreibung von Kalf zurück und te und dabei an seine eigenen Jahre in Paris
Grote Kerk getraut.66 Sind die ihr gewidmeten weitere 102 Gulden, 30 Stuiver und fünf Pfen­ dachte - vielleicht brachte er das Werk sogar
Gedichte mehr als reine Schmeichelei, muss nige für »Kost und anderes«.70 Wann genau selbst von dort mit. Bei all den genannten Ge­
Cornelia eine schöne und äußerst talentierte diese Kosten entstanden waren, ist nirgends mälden handelte es sich nur noch um einen
Frau gewesen sein. So wurde ihre Schönheit verzeichnet worden. Von De Vogel wurden »Restbestand« dessen, was Le Thor einmal
einige Jahre nach ihrer Hochzeit von dem posthum fünf Briefe publiziert, in denen er besessen hatte. Aus dem genannten Inventar
Dichter Jacob van der Burgh besungen: sich mit verschiedensten medizinischen The­ geht hervor, dass ein öffentlicher Verkauf des
men befasst hatte, unter anderem mit seiner Besitzes stattgefunden hatte. Allein die Ver­
»Der allen wohlgefälligen Jungfr. Cleonira Vi- eigenen Krankheit. Auf dem Titelblatt dieser äußerung von nicht näher beschriebenen Ge­
telli zugeeignet Ausgabe wird er als »Kundiger Stadt-, Wei­ mälden erbrachte mehr als 1748 Gulden.76
sen- und Armenarzt zu Hoorn« bezeichnet. Willem Kalf wohnte also bei einem kunst­
Wie Kohlen funkeln CLEONIRAS Augen Neben seiner Tätigkeit als Arzt betätigte sich sinnigen Familienangehörigen. Neben Ge­
Gleichen aller Sterne Glanz: Ihr freundliches de Vogel auch literarisch. Er schrieb einige mälden und Silbergerät besaß Le Thor auch
Vermögen Gedichte für die Veröffentlichungen des oben türkische Teppiche, Porzellan und einige Ra­
Schafft Sklaven ohne Zahl, durch minneliche genannten Henrick Bruno.71 Vermutlich war ritäten.” Vielleicht standen Kalf diese kostba­
Gewalt es Kalfs Frau, die ihn in die literarisch interes­ ren Objekte als Modelle für seine Prunkstill­
Der das allerfestste Herz sich willig unter­ sierten Kreise der Stadt Hoorn einführte. Wa­ leben zur Verfügung. Sein frühestes Gemälde
stellt, rum Kalf sich allerdings gerade in Hoorn nie­ dieser Art datiert in das Jahr 1653.78 Es kann
Öffnet sich ihr lieber Mund, so sieht man Per­ derließ, erscheint merkwürdig - war doch in durchaus der Fall sein, dass Kalf im Auftrag
len wachsen, dieser kleinen westfriesischen Stadt der Markt Le Thors arbeitete oder von ihm unterstützt
In Gehäusen von Korall’ und zart-rubinener für Kunstwerke äußerst begrenzt. Sah er trotz wurde.
Fassung, alledem eine Chance für sich oder überwogen Auch nach dem Tode Johan le Thors blieb
Da nie ein unreif’ Wort noch fade Sprache persönliche Gründe bei dieser Entscheidung? eine enge Verbindung zu dessen Familie be­
fiel, [...]«67 Kalf und seine Frau blieben jedoch lediglich stehen. Seine älteste Tochter Adriana, eine
für kurze Zeit in Hoorn.72 Ab 1653 ist er in Amateurdichterin, muss mit ihrer Cousine
Zur Hochzeitsfeier war auch Henrick Bruno Amsterdam erwähnt, wo er bis zu seinem Cornelia Pluvier befreundet gewesen sein. Es
geladen, der Konrektor der Lateinschule von Tode wohnen bleiben sollte. scheint ganz so, dass Adriana in regelmäßigem
Hoorn. Er war der Sohn eines Pfarrers aus Kontakt zu Constantijn Huygens gestanden
dem nahegelegenen Alkmaar. Seine Karriere hat, denn sie schickte ihm unter anderem ein
begann er als Privatlehrer der Kinder von In Amsterdam auf Pergament gemaltes Blumenstilleben von
Constantijn Huygens. Er trat auch als Dichter De Gheyn, ein Gemälde mit der Porträtstu­
und Übersetzer hervor, beispielsweise durch Im Juli 1653 wohnte Willem Kalf im Haus von die eines alten Mannes sowie selbst verfasste
eine Überarbeitung der Psalmen. Aufgrund Johan le Thor am Singel in Amsterdam (heute Gedichte. Eines dieser Gedichte ließ sie sogar
seiner Herkunft wird er wohl schon früher Nr. 372). ' Le Ihor hatte 1625 in Leeuwarden von Cornelia Pluvier kalligraphieren, um es
Kontakt zu Cornelias Vater gehabt haben.68 Margaretha Pluvier geheiratet, vermutlich dem angesehenen Dichter aus Den Haag zu

Willem Kalf, eine Biographie - Friso Lammertse und MickaelSzanto 15


senden. Huygens dankte beiden Frauen, der ist einer der wenigen Hinweise darauf, dass von 700 Gulden, darunter Werke von Pieter
Dichterin und der Kalligraphin, mit einem Kalf auch Beziehungen zur führenden Schicht de Flooch, Emanuel de Witte, Simon de Vlie-
Gedicht.79 Adriana war dann auch am 31. Amsterdams unterhielt. Vielleicht kann­ ger, Aert van der Neer, Jacob van Ruisdael
August 1657 eine der Taufzeuginnen bei der te Kalf ihn bereits aus seiner Zeit in Hoorn, und zwei Arbeiten von Willem Kalf.89 In der
Taufe des ersten Kindes von Willem Kaifund denn auch die Familie Reynst wohnte in jenen Urkunde wird Doucy als »Hutmacher« be­
Cornelia Pluvier, der Tochter Sophia. Jahren dort. Reynst war damals nach Hoorn zeichnet, er handelte aber ebenso mit Gemäl­
Obwohl Kalf mehr als vierzig Jahre in Ams­ gezogen, da er von der Stadt Amsterdam zum den und ließ Künstler für sich arbeiten. 1666
terdam wohnte, ist seltsamerweise kaum et­ Rat der Admiralität von West-Friesland und wohnte beispielsweise der Maler Emanuel de
was über seine Anwesenheit in dieser Stadt dem »Nordquartier«, dem nördlich von Ams­ Witte für einige Zeit in seinem Haus.90 Dou­
vermerkt worden. In notariellen Akten, die terdam gelegenen Teil der Provinz Holland, cy wird die beiden Gemälde wohl direkt von
doch oft die wichtigste Informationsquelle ernannt worden war.83 Kalf selbst erworben haben. Sie müssen sich
über holländische Maler des 17. Jahrhunderts Alle Kinder des Ehepaars Kalf wurden, wie in jedem Fall gekannt haben, was aus einem
darstellen, wird Kalf nur sporadisch erwähnt. die Eltern, reformiert getauft. Als Tochter des anderen Dokument hervorgeht.
Auch im Steuerverzeichnis aus dem Jahr 1674 örtlichen Pastors war Cornelia Pluvier 1651 Für seine Prunkstilleben müssen Kalf ver­
ist sein Name nicht zu finden. Nicht einmal ein Mitglied der niederdeutschen reformierten schiedenste Objekte als Modelle zur Verfü­
Testament ist von ihm bekannt.80 Es scheint Kirche in Hoorn geworden. Alles weist also gung gestanden haben, wie Nautilusbecher,
ganz so, dass er ein beständiges Leben in ru­ darauf hin, dass Kalf selbst auch dem refor­ chinesisches Porzellan, zartes Glaswerk,
higen Bahnen geführt hat. Arnold Houbraken mierten Bekenntnis angehörte.81 kostbare Silberkannen und -schalen. Solch
beschreibt ihn in den wenigen Zeilen, die er Als Maler muss Kalf durchaus Ansehen ge­ wertvolle Gegenstände wird er nicht selbst
ihm widmete, als liebenswürdigen Menschen nossen haben, was sich in zeitgenössischen besessen, sondern von verschiedenen Perso­
und leidenschaftlichen Erzähler: »Er war ein Lobgedichten widerspiegelt, die seine Kunst nen geliehen haben. Bis auf das kunstvoll ge­
belesener Mann mit guter Urteilskraft, dar- besingen. 1707 schrieb Lairesse, dass »der be­ arbeitete Büffelhorn, das Trinkhorn aus dem
über hinaus sehr eloquent und immer zu den rühmte Kalf in seinen Stilleben alle anderen Besitz der Amsterdamer St. Sebastiansgilde,
verschiedensten Erzählungen bereit, sodass übertroffen hat«.85 Houbraken nennt ihn als gelang es bis heute nicht, zurückzuverfolgen,
jeder Gefallen an seiner Anwesenheit hatte. Beispiel für jemanden, der sich durch bewuss­ wer diese kostbaren Objekte im 17. Jahr­
Wodurch er es verstand im Gasthaus seine te Spezialisierung »nie welkenden Ruhm« er­ hundert besessen hat.91 Das Gildehorn der
Zuhörer zu bannen, die begierig an seinen be­ worben habe. Aus Inventaren, die zu Lebzei­ St. Sebastiansschützen wird Kalf entweder
redten Lippen hingen - manchmal eine gan­ ten Kalfs erstellt wurden, lässt sich ermitteln, für einige Zeit zur Verfügung gestellt worden
ze Nacht lang. Ebenso war er stets bemüht, dass seine Gemälde zu Beträgen von ungefähr sein, oder er hat es direkt vor Ort gemalt. Die
jedermann einen Dienst zu erweisen, selbst 30 bis 40 Gulden gehandelt wurden.86 - Ein detaillierte Wiedergabe dieses Trinkhorns auf
wenn es ihm zum Nachteil gereichte, so dass recht guter Preis, doch sicherlich zählte er dem Londoner Gemälde legt nahe, dass Kalf
seine Frau diesbezüglich äußerte, er bedenke damit nicht zu den bestbezahlten Künstlern es direkt nach dem Leben gemalt haben muss.
mehr den Vorteil eines anderen, als seinen seiner Zeit. Seine Werke erscheinen haupt­ Auf einigen seiner späten Gemälde erscheint
eigenen.«81 sächlich in Amsterdamer Besitzverzeichnis­ eine Schale aus Bergkristall, die sogenannte
Sein aufmerksames Wesen geht auch aus sen, wurden aber auch von Haarlemer und »Holbeinschale«. Sie muss sich um diese Zeit
Houbrakens Bericht von einem Krankenbe­ Den Haager Sammlern gekauft.87 1657 war in einer nicht weiter bekannten Amsterdamer
such Kalfs am Bett des gichtgeplagten Malers Kalf noch nicht so bekannt, dass beispielswei­ Sammlung befunden haben. Ursprünglich
Gijsbrecht Verhoek hervor.82 se der kunstsinnige Constantijn Huygens von gehörte sie zum Besitz der englischen Kro­
Neben Sophia bekamen Willem Kalf und ihm gehört hätte. Dies geht aus einem Brief ne, wurde aber 1649 nach der Enthauptung
seine Frau noch drei weitere Kinder. Am hervor, den Huygens von Jacob van der Burgh Karls I. veräußert und gelangte dann in die
23. Juli 1660 wurde ihr Sohn Johannes in erhielt. Van der Burgh schreibt darin ausführ­ Niederlande.92
der Oude Kerk getauft, die Tochter Corne­ lich über Cornelia Pluvier, um am Schluss zu Willem Kalf muss zum Ende seines Lebens
lia wurde am 25. Oktober 1662 in der Waal- erwähnen, dass sie verheiratet sei »mit einem immer weniger Gemälde geschaffen haben,
se Kerk getauft und am 26. November 1664 hervorragenden Maler, der Qualitäten be­ zumindest lässt sich dies aus seinem bis heu­
in der Zuiderkerk der zweite Sohn Samuel. sitzt, die Ihr zu schätzen wüsstet«.88 Scheinbar te bekannten CEuvre schließen.93 Sein letztes
Die verschiedenen Taufkirchen lassen darauf kannte Huygens ihn daher nicht. datiertes Werk trägt die Jahreszahl 1680 (Kat.
schließen, dass die Familie Kalf des häufige­ Es ist erstaunlich, dass kein einziger Lehr­ Nr. 37). Es wurde wohl angenommen, dass
ren umgezogen war. Es muss sich stets um ling Kalfs namentlich bekannt ist. Die zeitge­ er danach nicht mehr malle, was aber höchst
gemietete Häuser oder Wohnungen gehandelt nössischen Dokumente schweigen darüber unwahrscheinlich erscheint, betrachtet man
haben, denn der Name Willem Kalf erscheint und auch Houbraken, der sonst eine Vorliebe die Gedichte, die nach diesem Datum zu
in keinem der Amsterdamer Grundbücher. dafür hegte, eingehend über die Lehrlinge zu Kunstwerken von seiner Hand verfasst wur­
Die Taufpaten waren, wie üblich, meistens Fa­ berichten, schreibt nichts dergleichen. Kalf den. Die Ursache für den Rückgang seiner
milienmitglieder wie Cornelias Vater Samuel wird also wohl ein recht kleines Atelier ge­ künstlerischen Produktion am Ende seines
oder ihre Cousinen Margaretha und Suzanna führt haben, in dem er allein arbeitete oder Lebens liegt im Bereich des Spekulativen.
le Thor. Es ist darum um so erstaunlicher, dass nur wenige Mitarbeiter beschäftigte. Möglicherweise verlagerte sich sein Interesse
bei der Taufe der ersten Tochter 1656 Alijda Wahrscheinlich verkaufte Kalf seine Ge­ später, wie wir noch sehen werden, stärker auf
Biekers van Swieten als Taufzeugin zugegen mälde, wie damals üblich, direkt aus seinem den Kunsthandel, vielleicht war es auch eine
war. Sie war mit dem wohlhabenden Lam­ Atelier, wird aber gleichfalls an Kunsthändler Krankheit, die seine handwerklichen Fähig­
bert Reynst verheiratet, der von 1649 bis 1672 geliefert haben. 1660 erwarb der Maler Jan keiten einschränkte. Houbraken spricht von
Mitglied des Amsterdamer Stadtrats war. Dies Looten von Laurens Doucy Gemälde im Wert einem nicht näher beschriebenen Leiden, an

J6 Willem Kalf, eine Hiographie - Friso Lammertse und Mickael Szanto


dem Kalf einige Zeit vor seinem Tod gelitten damer Stadttheaters.96 Zu den bekanntesten Die Dichtkunst mit ihrer Töchter Maßge­
habe und von dem er sich dann wieder erhol­ Persönlichkeiten, die auf dieser Festlichkeit sang,
te.94 zugegen waren, zählte der Dichter Joost van Hier sieht man Rembrandt, Flink, de Wit, Sto-
den Vondel, der anlässlich dieses Tages sein kade [... ]
Gedicht »Inwyinge der schilderkunste, op Man sieht dort Bronkhorst, Kalf und Boi sich
Literarische Kontakte Sint Lukas Feest 1654« (»Einweihung der Ma­ auszeichnen [,..]«97
lerei am St. Lukas-Fest 1654«) schrieb. Auch
Am 21. Oktober 1654 veranstalteten einige Jan Vos, ein anderer Dichter und einer der Das Gedicht verdeutlicht, dass Kalf bereits
Amsterdamer Maler und Bildhauer im Haus Theaterdirektoren tat es ihm gleich. In seinem kurz nach seiner Ankunft in Amsterdam zu
der Sint Jorisschützen ein Fest zu Ehren ihres Gedicht schlägt er Amsterdam als neues Zen­ den wichtigsten Künstlern der Stadt gezählt
Schutzpatrones, des Hl. Lukas.95 Man nahm trum der Kunst und Kultur vor, in dem es »von wurde. Das Zusammentreffen fand statt, um
dieses Fest zum Anlass eine Bruderschaft Malern und Poeten nur so wimmeln« sollte. die Beziehungen zwischen Malern und Lite­
der Malerei ins Leben zu rufen. Die Initia­ Vos unterstrich das enge Band zwischen Ma­ raten zu intensivieren. Bereits im Jahr zuvor,
tive ging dabei vor allem von dem Samm­ lerei und Dichtkunst und erwähnte in seinen 1653, empfing Vondel bei einer ähnlichen Fest­
ler und Kunsthändler Marten Kretzer, dem Versen verschiedene Maler, die vermutlich an lichkeit den Dichterlorbeer. Wer zu dieser Fei­
Kaufmann und Dichter Jan Meures sowie den Feierlichkeiten teilnahmen: erstunde anwesend war, ist leider nicht mehr
den Malern Bartholomeus van der Heist und überliefert. Kalf muss für Vondel und Vos die
Nicolaes van Helt Stockade aus. Kretzer und »Apollo soll hier [Amsterdam] mit Apelles Art von Künstler gewesen sein, die ihnen vor­
Meures waren ehemalige Leiter des Amster­ vereinigt sein schwebte, wenn sie die Verbindung zwischen

6 Joost van den Vondel, Raetsel, Gedicht auf Willem Kalf und Cornelia Pluvier, aus: /. v. Vondels Poezy, Teil 2, Amsterdam 1682, S. 397-398. Amsterdam,
Universitätsbibliothek, Inv. Nr. OG 63-40

raetsels. 397 3<)8 raETSELS.


Tocn zy vermoore wcrtengcplukt, Enaraczen, rotden buikin k gras, *
Ben ik van hacrc zy gcrukt. . Wat is die Kalf dan wel tc pas!
Hocwel ik ftom geboren ben, Hoe graeft, hoe groeit bet wcelighdier.
En gccnc ealen fprcck, noch ken, By wijlcn koent een fchuw Pluvier
Noch fprcck ik klacrin yders lanr, Gcfprongcn uit de groene wey:
En vliege van mijn mccftcrshanc. Dan gaet dit jeugdigh pacrten rcy.
Mijnlacftcnisisbictrcgal. Want foo ik k klaveraertjc ken >
Ikdicn dcmcnfchcnoveral . Het leeft in k leven van dc pen
Al heefr men mijn natuurbcfncc-n, Envedcr, daer’tPluvicropzweeft,
Nochcansbcmintmy ydcrcen. , Danop, danne£r, en trekken weefr,
Kan icmantradcn > watikben, Wac r voor de-meefterfchrijver fuft ,
Dicdruk mijn’ nacmuitmctdcP e n . En van bcfchacmtheit ftaet vcrbluft.
• Nuract eens om, allachtge.wic,
WatKALF, wat VcU-Plu vi e nisdit?
R A E T S E L.
• Elukig is’Sint Lukas Kalf.
deck dc vrucht met Ncekic half,
W annecrzcfpcck en quinkclcerc,
Enk Kalfhctkalvcrdcuntje leert
Nachupplen, op hacr tränt en mäet.
Hocwcl hctzclden ftilleftact,
Hot heefeftilftaende dingen lief:
Bankctccn, difchgcrecht > en brief,
Limocn, citröencnglasenlehael,
Cieracc, en ovcrdacc en pracl,
En wat het los, cn met verloop
Verzuimc, ziec flingren overhoop.
Hoc min gefchikt, tc lacg tc hoogh >
Hoc fchooncr in het kalveroogh.
Maer als her op ccn* klaren dagh
In ccnigh lantfchap weiden magh >
WM 5 ‘ En
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Willem Kalf, eine Biographie - Friso Lammertse und Michael Szanto 17


Kunst und Poesie vertiefen wollten - wenn der Kalverstraat. In den 80er Jahren des 17. Kenner und Kunsthändler
dies nicht direkt aus seinen Gemälden spricht, Jahrhunderts scheint er vor allem als Theater­
so doch aus seiner Persönlichkeit. Houbraken schauspieler tätig gewesen zu sein. In einem Es existieren verschiedenste Hinweise dar­
schilderte Kalf als belesenen Menschen, und Gedicht wird Van der Hoeven beschrieben auf, dass Kalf sich nicht nur als Maler, son­
durch seine kunstsinnige Frau war er bereits als jemand, der »sich kleidet wie eine bunte dern ebenso als Kunstkenner einen Namen
in Hoorn in Kontakt mit verschiedenen Lite­ Krähe / und ewig Streit hat mit der Rede;/ gemacht hatte. Ab 1653, nachdem er erst
raten getreten. Solche Verbindungen müssen Der mit seinen Faxen und Getif / seine besten kurze Zeit in Amsterdam wohnte, wurde er
sich in einem kulturellen Zentrum wie Ams­ Freunde hat genarrt [...] und nicht schwor als verschiedentlich nach seinem Urteil über Ge­
terdam noch gefestigt haben. Vondel verfasste bei einem Bremer Bier.«102 Van der Hoevens mälde zweifelhafter Zuschreibung gefragt.106
vermutlich in den 1650er Jahren, ein Rätselge­ Vers über Kalf ist eine Grabschrift, in der er In eben diesem Jahr wandte sich ein Kunst­
dicht über den Maler und seine Frau Cornelia den Maler vor allem ob seiner Fähigkeit, kost­ händler aus Delft an Kalf, um dessen Mei­
Pluvier, in dem er das Ehepaar umschreibt als bare Dinge zu malen, lobt: »Des flinken WIL­ nung bezüglich eines Paul Bril zugeschriebe-
»jugendliches Paar« das »zum Reigen« geht HELMS, der den Schatz / Von Krösus wun­ nen Gemäldes einzuholen. Die Gruppe von
- also vermutlich ein Hochzeitsgedicht.98 Das dervoll wußt* zu malen, / Selbst mit diesem Gutachtern, die zu diesem Zweck zusammen­
würde bedeuten, dass Vondel das Paar bereits Schatz nicht zu bezahlen.« trat, umfasste die renommierten Kunsthänd­
in Hoorn kennengelernt hatte. Aber es könn­ Im Alter muss Kalf sowohl Smids als auch ler Hendrick Uylenburgh, Marten Kretzer
te ebenso gut möglich sein, dass diese Ver­ Van der Hoeven kennengelernt haben. Dies und Lodewijck van Ludick sowie die Maler
se erst in Amsterdam entstanden sind. Der zeigt, dass Kalf noch immer ein geschätzter Bartholomeus Breenbergh, Bartholomeus van
Dichter bediente sich in diesem Rätselgedicht Künstler war und noch malte, auch wenn er der Heist, Paulus Hennekijn, Philips Köninck
mit Vorliebe der Nachnamen der Beiden und zum Ende seines Lebens weniger produktiv und Simon Luttichuys. Kalf war der jüngste in
lässt ein grasendes Kalb von einem Weidevo­ war.103 Wie oben bereits berichtet, besuchte dieser illustren Runde. Über die Künstler ver­
gel (Pluvier) geblendet sein. Er charakterisiert Kalf seinen Malerkollegen Gijsbert Verhoek merkt das Dokument: »als Maler sind sie es
Kalf als eine Person, die »stilstaende dingen« an dessen Krankenbett. Verhoek verstarb im gewohnt, danach zu trachten, gute Gemälde
(»stillstehende Dinge«) liebt, während Corne­ Februar 1690, so dass man annehmen kann, zu sehen, und sind bei Gelegenheit mit ver­
lia Pluvier als Musikerin, Sängerin und Kalli- dass Kalf seine Besuche Ende der 80er Jahre schiedenen Stücken des genannten Pouwels
graphin verehrt wird (Abb. 6). unternahm. Laut Houbraken begleitete ihn Bril in Berührung gekommen und mit dessen
In einem 1656 enstandenen Lobgesang dabei Zacharias Webber, ein Maler, Kupfer­ Manier und Handschrift wohl vertraut.« Die
rühmt der bereits erwähnte Jacob van der stecher und Verfasser religiöser Werke.104 anwesenden Gutachter bewerteten das Ge­
Burgh die Schönheit Cornelia Pluviers und Zacharias Webber war Sohn eines Verlegers. mälde einstimmig als Original.107 Einige Jahre
ihre Fertigkeiten im Klavierspiel. Über Van Pieter Verhoek, ein Bruder Gijsbert Verhoeks, später befragte Laurens Mauritsz. Doucy Kalf
der Burgh enstand auch die Bekanntschaft betätigte sich als Marmormaler und Gele­ zu seinem Urteil über einen seestrandt niet
zu Constantijn Huygens. Wie bereits an an­ genheitsdichter und pflegte Kontakte zu zahl­ eenige rotsen (Seestrand mit einigen Felsen),
derer Stelle erwähnt, kalligraphierte sie ein losen Kunstmalern. Über Verhoek muss Kalf angeblich von der Hand Porcellis. Zusammen
von ihrer Cousine Adriana le Thor verfasstes dessen Bruder gekannt haben.105 mit Barent Cornelisz., Allart van Everdingen
Gedicht, das diese Huygens zueignete. Einige Es ist durchaus möglich, dass Kalf auch und Jacob van Ruisdael gelangte man zu dem
Monate später schenkte Cornelia Huygens über seine Familie Kontakte mit Literaten un­ Schluss, dass dies kein Gemälde des für See­
einen Römerbecher, in den sie einen Text terhielt. Catharina Kalf, die einzige Schwester stücke berühmten Malers war.108 Im Mai 1672
graviert hatte.99 1665 schrieb dann ein guter Willems, die ebenfalls in Amsterdam wohn­ wurde Kalf im bekannten Fall um die italieni­
Freund Van Vondels, Johannes Antonides van te, war mit Eliseus Spillebout verheiratet. schen Gemälde hinzugezogen, die Gerrit Uy­
der Goes, einen Vers über die von Cornelia Dessen Bruder, Lodewijk Spillebout, führte lenburgh dem Kurfürsten von Brandenburg
verfassten Gedichte.1'*0 einen Verlag, in welchem zwischen 1650 und angeboten hatte. Der Amsterdamer Kunst­
Doch nicht allein die Schönheit und Bega­ 1659 verschiedene Bücher publiziert wurden, händler hatte diesem dreizehn Kunstwerke
bungen seiner Frau wurden von Dichtern be­ unter anderem Oogentroost von Constantijn verkauft, die Giorgione, Tizian, Michelange­
sungen, auch dem Künstler selbst wurde ihre Huygens, Vondels Übersetzung von Horaz lo und Raffael zugeschrieben worden waren.
Bewunderung zuteil. Lierzangen en dichtkunst mit einer Wid­ Hendrick Fromantiou, der Hofmaler des Kur­
Ludolf Smids, ein Arzt und Dichter aus mung an die »kunstgenooten van Sint Lukas fürsten, hatte zuvor bei Uylenburgh gearbei­
Groningen, der sich 1685 in Amsterdam ('Amsterdam, Schilders, beelthouwers, teke- tet und erklärte nun, dass es sich um Kopien
niedergelassen hatte, schrieb ein Gedicht zu naers en hunne begunstigers« (»die Kunst­ handele. Auf Befehl des Kurfürsten wurden
einem nicht mehr bekannten Gemälde Kalfs genossen der St. Lukas-Gilde zu Amsterdam, sämtliche Gemälde wieder zurück nach Hol­
mit »Jufferlijk Tooigereedschap« (»jungfräuli­ Maler, Bildhauer, Zeichner und ihre Mäze­ land verschickt, wo eine Vielzahl von Künst­
chem Schmuck«). Obwohl er zahllose kurze ne«). Lodewijk Spillebout gab auch verschie­ lern ihr Urteil fällen sollte. Kalf gehörte zu den
Verse zu Stichen von Jacob Gole und Pieter dene Sammelbände mit Gedichten heraus, ersten Malern, die von Fromantiou beauftragt
Schenck verfasste, ist dies eines der wenigen wie 1651 Verscheyde Nederduytsche Gedichten wurden. Zusammen mit anderen Künstlern,
Gedichte, die ein Gemälde zum Gegenstand mit Werken von Van Vondel, Huygens, Hooft, unter ihnen auch die Stillebenmaler Willem
haben.101 Barlaeus, Bruno, Van der Burgh und ande­ van Aelst, Otto Marseus van Schrieck und
Houbraken nahm in seine Lebensbeschrei­ ren. Schon das Vorwort zu diesem Sammel­ Melchior de Hondecoeter, bestimmte man die
bung Kalfs ein Gedicht von Willem van der band zeigt, dass Spillebout Umgang mit Ma­ Werke als »vodden« (»Schund«).109 1686 gab
Hoeven auf. Van der Hoeven, der sich als lern pflegte. Er widmete es seinem »Beleefde Kalf zum letzten Mal seine Meinung in einer
Theaterschreiber und Schauspieler betätigte, Vriendt« (»Verehrten Freund«), dem Maler Zuschreibungsfrage zu einem Gemälde ab,
besaß ein Kaffeehaus »Die drei Kronen« in Gerard Pietersz. van Zijl. das angeblich von Tizian stamme und dessen

]8 Willem Kalf eine Biographie - Friso Lammertse und Mickael Szanto


Mätresse zeigte. Neben Kalf wurden auch die nach seiner Ankunft in Amsterdam auch in sich 1631 in Alkmaar mit Willem Jochemsz. (van Län­
Brüder Gerrit und Job Berckhcyde zu ihrem den Kunsthandel einstieg und diese Tätigkeit gere) (GAR, ONA 108, Notar Nicolaas van der Hagen,
Urteil befragt. Nachdem »jeder einzeln und später noch intensivierte. Für einen Maler des S. 310, d.d. 30. Juli 1631; ONA 85, Notar Jan van Al­
ler, S. 356, d.d. 4. November 1631). Die Kinder des
dann mit den anderen zusammen das Gemäl­ 17. Jahrhunderts war es durchaus üblich, sich Paares wurden in Alkmaar reformiert getauft: 1634
de wohl verschiedene Male besichtigt hatte, durch den Verkauf von Gemälden und ande­ Jochgum (9. Juni), 1641 Elijsbeth (12. Juli) und 1644
um darüber zu urteilen, was selbiges Gemälde ren Kunstgegenständen Geld hinzuzuverdie­ Jochum (25. Mai). Das Aufgebot für die Hochzeit von
sein möge, Kopie oder Original von Tizian«, nen. Cornelia Kalf mit dem Weinhändler Hendrick Pom-
war man zu dem einstimmigen Urteil gelangt, Der 31. Juli 1693 war der letzte Tag im Le­ peus wurde am 22. Mai 1633 in Den Haag bestellt.
Am 5 April wurde ihr Sohn Johannes dort reformiert
dass es sich hier um ein Kopie handele.110 ben Kalfs. Wie Houbraken uns berichtet, ver­ getauft. Gerrit Kalf vermählte sich am 22. Januar 1634
Wie wir bereits an anderer Stelle gese­ ließ Kalf den Kunsthändler Zomer am Abend mit Elfje (Elsidu, Elisabeth) Balcx in Rotterdam. Die
hen haben, wurde Kalfs Kunstkenntnis auch des 31. Juli um halb neun. Auf dem Heimweg Kinder dieses Paares wurden am 20. April 1635 (Jo­
von Houbraken erwähnte und Willem van strauchelte er und fiel vornüber auf den Brust­ hannes) und am 14. Dezember 1636 (Johannes) in
der Hoeven nannte ihn einen Künstler »der korb. »Zwar fühlte er sich unwohl, aber nicht Rotterdam reformiert getauft. Im Jahr 1637 muss die
Familie nach Den Haag verzogen sein, denn Gerrit
Schildren Vuur baak«, was soviel bedeutet weiter über die Folgen nachdenkend, die dies wurde am I. August dieses Jahres zum Eintreiber der
wie »der Maler Leuchtbarke«. In einer Fußno­ nach sich zog, ging er zu Bett und war als die Mahlsteuer berufen (siehe unten). In Den Haag wur­
te wird angegeben, dass es sich hier um eine Uhr zehn schlug bereits eine Leiche.«"6 den noch drei weitere Kinder reformiert getauft: am
bildliche Umschreibung handelt für »sein 8. Juni 1638 Geertruijl, am 16. Juni 1640 Maria und
treffendes Urteil über die Malerei im Allge­ am 13. August 1642 Cornelia. Für November 1642
sind Umzugspläne Gerrit Kalfs belegt (GAH, NA 19,
meinen zu geben«.1"
Notar Gerbrandt van Warmenhuijsen, d.d. 4. Novem­
Seine Kennerschaft befähigte Kalf für den Anmerkungen
ber 1642). Vermutlich verzog er nach Utrecht. Später
Kunsthandel. 1691 erhielt er zusammen mit 1 Der erste Teil dieser Biographie bis zu Kalfs Umzug
wurde er Doktor Gerard Kalf zu Utrecht genannt,
nach Paris wurde von Friso Lammerlse verfasst, eben­
Jan Rosa acht Gulden für die Taxation von Ge­ siehe die oben stehende Akte aus dem Jahr 1690 zu
so der letzte Teil nach Kalfs Rückkehr aus der franzö­
mälden aus einer Amsterdamer Sammlung."2 dem Familiengrab. Maria Kalf, die jüngste Tochter,
sischen Hauptstadt. Mickael Szanto schrieb den Mit­
verheiratete sich am 9. Februar 1640 mit Egbert van
Es handelt sich hier um die einzige Quelle, telteil zu Kalfs Aufenthalt in Pans. Friso Lammerlse
Someren, Kassierer der Darlehenskasse von Leiden
die eine derartige Tätigkeit Kalfs erwähnt. In möchte an dieser Stelle John Brozius und Jaap van der
(RAL, DTB, 12, fol. 132, Niederländisch-reformierle
Houbrakens kurzer Lebensbeschreibung wird Veen besonderen Dank für ihre Informationen, ihren
Hochzeit). Govert Kalf wurde als einziges Kind nach
Rat und ihren Kommentar zu einer früheren Fassung
angedeutet, dass Kalf sich selbst aktiv am dieser Biographie aussprechen.
Willem geboren. Am 7. Dezember 1621 wurde er in
Kunsthandel beteiligte. So schrieb er: »Korne- Rotterdam reformiert getauft. Er starb 1640 auf dem
2 Das genaue Geburtsdatum dieser Kinder ist unbe­
lis Hellemans, Kunsthändler, hat mir erzählt, Weg nach Indien (siehe GAH, NA 156, fol. 336, d.d.
kannt, da das Taufregister Rotterdams erst ab 1617
erhallen isl. Der älteste Sohn Jan oder Johannes Kalf 23. November 1640).
dass Kalf ihn gebeten hatte, mit ihm zusam­ 5 Siehe E. A. Engelbrecht, De vroedschap van Rotter­
men Handel mit Druckgraphik zu betreiben; wurde um das Jahr 1604 geboren. Am 2. November
1629 gab er an, 25 Jahre alt zu sein (siehe Grisebach, dam 1572-1795 (Bronnen van de Geschiedenis van
dass er sich in den Stunden des Abendgebets 1974, S. 187). Wahrscheinlich verstarb er vor oder Rotterdam V), Rotterdam 1973, Nr. 102, S. 131.
bei ihm einstellte; dass er die Zeit von fünf bis im Jahr 1638. In einer Akte von 1690 über das Fa­ 4 Siehe A. Roelofsz, »Schilders in zeventiende-eeuws
sieben Uhr abends wahrnahm, sein Geschäft miliengrab in der Sint Laurenskerk wird ein Johan­ Rotterdam«, in Ausst. Kat. Rotterdamse meesters uit
nes Kalf genannt, allerdings ein Cousin Willem Kalfs de Gouden Ecuw, Historisches Museum, Rotterdam
schloss und zu ihm [Kalf] ging, um Handel
und nicht sein Bruder. Dieser Cousin war Prediger in 1994-1995, S. 15-17.
zu treiben, mit der Bitte anderntags zu ihm zu 5 GAR, Oud Rechlerlijk Archief, 15, Nr. 507, S.
Delfshaven und ab 1668 Pastor in Goes. Er verstarb
kommen, um sein Geld abzuholen.«"3 Über 1675. Seine Tochter Elisabeth wohnte 1679 in Haar­ 597-598, d.d. 3 Februar 1606. Kalf kaufte das Haus
Hellemans ist wenig bekannt. 1713 kaufte lem (Gemeindearchiv Rotterdam (hiernach abgekürzt für 3527 Gulden von den Erben des Arztes Jacob An-
er auf der Versteigerung Wilhelms III. eini­ als GAR), ONA 823, Notar Zeger van der Brüggen, driesz.
S. 607-608, d. d. 14. November 1690 (Akte über das 6 GAR, ONA 1888, Notar Jacob Duyfhuysen, d.d.
ge Gemälde - er handelte also nicht nur mit
Familiengrab); zum Testament Elisabeth Kalfs siehe 23. Oktober 1627, S. S8-S9. Jan Kalf halte die Kühl­
Kupferstichen."4 behälter ungefähr vier Jahre zuvor in Nijmegen von
Gemeindearchiv Goes, Rechterlijke Archiven Zeeuw-
Houbraken berichtet, dass Kalf noch am dem »convoymeester« Johan van den Broeck gekauft,
se eilanden, Inv. Nr. 2103, Akte 21, d.d. 4. September
selben Tag von Hellemans Besuch an einem 1679; für diese Information über den Pastor von Goes der von seiner Rechnung von 70 Gulden 44 Gulden
Gemäldeverkauf im »Heerenlogement« teil­ danke ich A.J. Barth» Archivar im Archiv von Goes). abzog, da er im Werte dieses Betrages Tuch von Kalf
genommen hatte und am Abend bei Jan Catharina Kalf heiratete am 17. Februar 1626 in Delft erhalten hatte.
den Steuerbeamten Jacob Govertsz. Knol (Gemein­ 7 Siehe Engelbrecht, op. cit. Anm. 3, Nr. 102, S. 131.
Pietersz. Zomer verweilt habe. Zomer war
dearchiv Delft, DTB, Inv. Nr. 6). In der darauf folgen­ * Siehe N. N. »Sententien over raden ter admiralileit le
zu dieser Zeit einer der wichtigsten Kunst­ Rotterdam uit hei archief Van Hilten«, Kroniek van het
den Zeil wurden verschiedene Kinder des Paares in
händler und Makler der Stadt und ab 1690 Delft reformiert getauft, am 6. April 1636 als letztes Historisch Genootschap gevestigd te Utrecht 29 (1873),
der meistgefragte Taxator"5 - Houbraken be­ Kind die Tochter Sophia. Vor dem 27. Oktober 1639 S. 27, 30, 33, 34 u. 37. Siehe auch GAR. Oud Stads
schrieb hier einen Tag, der ganz den Handels­ muss die Familie nach Leiden umgezogen sein (ziehe Archief, 1.01, Nr. 19, Resohities van de Vroedschap.
aktivitäten gewidmet war. Ob dies für Kalf Gemeindearchiv Den Haag (hiernach abgekürzt als S. 221, d.d. 11. November 1623, und S. 226-227, d.d.
GAH), Notar Pieter van Groenevelt. fol. 432, d.d. 27. 13. November 1623, worin Jan Kalt Rechenschaft über
üblich war, ist schwer zu sagen. Dieser Bericht
Oktober 1639). Am 5. Januar 1645 wurde das Aufge­ seine Taten in der Admiralität ablegen musste.
Houbrakens in Verbindung mit der Tatsache, bot für die Eheschließung der inzwischen verwitweten 9 GAR, DTB, d.d. 26. Oktober 1625. Erst 1626 sollten
dass Kalfs malerische Produktion zu Ende Catharina mit dem Kaufmann Eliseus Spillebout (geb. die meisten in den Admiralitätsskandal verwickelten
seines Lebens stark zurückging, verleitet zu ca. 1618) bestellt. Beide wohnten jetzt in Amsterdam. Personen verurteilt werden. Siehe vorige Anm. Der
der Annahme, Kalf habe sich später auf den (Regionalarchiv Leiden (hiernach abgekürzt als RAL). Betrag von 2500 Gulden wird in einem Brief von
Handel mit Gemälden verlegt. Wie erwähnt, DTB, Inv. Nr. 12, toi. 131, Gemeindearchiv Amster­ Machtelt Gerrits an die »General-Staaten« erwähnt.
dam (hiernach abgekürzt als GAA), DTB 461, 285 Siehe Anm. 13.
wurde Kalf bereits 1653 zu seiner Meinung (Aufgebot d.d. 7. Januar 1645). Am 7. September 1649 10 GAR, Oud Rechterlijk Archief. 15. Inv. Nr. 516.
bezüglich eines Gemäldes befragt. Es scheint wurde ihre Tochter Maria in der Oude Kerk reformiert S. 462, d.d. 8. Mai 1631; Machtelt Gerrits kaufte das
also ebenso gut möglich, dass er bereits kurz getauft. (GAA, DTB 8» S. 231). Clara Kalf verheiratete Haus von dem Schreiner Ariaen Govertsz. und wurde

Willem Kalf, eine Biographie - Friso Laniniertsc und Mickael Szanto 19


dabei von dem Maurer Gerrit Cornelisz. Haren unter­ 28 GAR, ONA 170, Notar Nicolaas Vogel, S. 44-45, wenn Houbraken mit seiner Mitteilung doch recht
stützt. Am Tag darauf verkaufte sie das Haus an der d.d. 8. März 1641 (Die Vormunde von Willem Kalf hat, möglicherweise eine Erklärung für Willem Kalfs
Hoogstraat an den Tuchhändler Lubbert Wolphertsz. beauftragten einen Kaufmann in Amsterdam, um Lehre bei Hendrick Pot liefern.
(Idem, S. 465-467, d. d. 9. Mai 1631). Siche auch GAR, dort vom VOC den Lohn und den hinterlassenen Be­ 37 Nicolas Vleughels, der Sohn Philippe Vleughels,
ONA 120, Notar Nicolaas van der Hagen, S. 171-174, sitz von Govert Kalf einzuklagen); ONA 263, Notar erzählte in einem Brief an Dubois de Saint-Galais die
d.d. 7. Mai 1631. Arnout Hofllant, S. 358, d.d. 7. März 1642 (die Brü­ Anekdote. Das Manuskript wurde von Louis Dussieux
11 GAR, ONA 85, Notar Jan van Aller, d.d. 24. Okto­ der und Schwestern von Willem Kalf ermächtigten transkribiert und auf den Seiten 354-362 eines 1854
ber 1634, S. 762 (für gelieferte Serge und Twill); ONA zusammen mit dem Vormund Willem Kalfs Adriaen veröffentlichten Werkes wiedergegeben. Eine leicht
322, Notar Arent van der Graeff, S. 6-7, d. d. 5. Januar Sandersz. dazu, in Amsterdam Lohn und Geld ihres veränderte Fassung befindet sich auch in einem mo­
1634, (für gelieferten Damast und anderes). verstorbenen Bruder Govert vom VOC einzufor­ dernen Buch von B. Hercenberg (Nicolas Vleughels,
12 GAR, Oud Rechlerlijk Archief, 15, Inv. Nr. 515, S. dern); ONA 265, Notar Arnout Hofllant, S. 142-143, Peintre et directeur de EAcademie de France ä Rome,
532, d.d. 4. Oktober 1629, »thuijn met de speelhuijs- d.d. 22. Februar 1642 (Meinungsverschiedenheit zwi­ 166S-1737, Paris 1975, S. 194-197). Die hier ange­
gen daer inne staende«. schen den Erben Jan Kalfs und Adriaen Vroesen über führten Zitate enstammen dieser Fassung. Grisebach
GAR, ONA 258, Notar Arnout Hofllant, S. 188, ohne 1320 Gulden); ONA 152, Notar Adriaan Kieboom, S. erwähnt ebenfalls die Anekdote (1974, S. 197-198).
Datum (es geht um ein undatiertes Konzeptpapier) 665, d.d. 26. Juli 1642 (Govert Abrahamsz Quartel 38 Hercenberg, op. cit. Anm. 37, »[...] espece de refiige
14 Montias kommt für die Stadt Delft auf eine Summe ermächtigt Balthasar Basius das Urteil zu Lasten der des peinlres de son pays [... ] des amis, le couvert, bon
von 20 bis 50 Gulden im Jahr für eine Malerausbil­ Kinder Jan Kalfs auszuführen, das Geld betreffend, visage et bonne chere.«
dung bei der der Lehrling zuhause wohnte und auf das bei dem Vormund Jop Jansz. Coopmans verwart 39 Idem, »[...] trouveroil de louvrage [...] (...) un
einen Betrag von 50 bis 110 Gulden für einen Lehr­ wurde.). nome Picard aussi flamand [...] peintre de fleursf...);
ling der im Hause seines Meisters untergebracht war; 29 GAH, NA 94, Notar Pieter van Groenevelt, fol. (...) etoit plus le marchand que le peintre, et entrete-
J. M. Montias, Art ists and Artisans in Delft. A Socio- 431 -432, d. d. 27. Oktober 1639. noil de jeunes gens ä faire des copies ou ä faire d aut res
Economic Study of the Sevcntcenth Century, Princeton 30 GAR, ONA 81, Notar Jan van Aller, S. 227-228, ouvrages, car cetoit ä lui la plus pari du tems qubn
1982, S. 169 d.d. 22. Juni 1634. s’adressoit, lorsqu’on avoil de louvrage ä faire [...].«
,s A. Houbraken, De Groote Schouburgh der Nedcr- 31 Siehe Anm. 2. Van Someren wohnte damals am 10 Zu Jean-Michel Picart, siehe M. Fare, »Jean-Michel
lantschc Konstschilders en Schilderessen, Teil 2, Am­ Pieterskerkhof in Leiden, Maria Kalf hingegen in der Picart (1600-1682), peintre de fleurs et marchand de
sterdam 1719, S. 218. Breestraat in Leiden, möglicherweise bei ihrer älteren tableaux«, Bulletin de la Societe de THistoire de l'Art
16 Siehe Anm. 36 und Anm. 87. Schwester Catharina. fran^ais, 1957, S. 91 -102. Über den Kunsthandel nach
17 Siehe auch den Vorschlag auf S. 94, dass der aus 32 GAH, NA 95, Notar Pieter van Groenevelt, fol. 294 1650, siehe auch N. De Marchi, H. van Miegroet u.
Hoorn stammende Kupferstecher Hendrick Pot ge­ r und v, d.d. 13. November 1640. »[...] Jan en Wil­ M.E. Raiff, »Dealer-Dealer Pricing in the Mid-Seven-
meint sein könnte. lem Jans CalfT beijden uijtlandich tsamen kinderen teenth-Cenlury Antwerp to Paris Art Trade«, The Eu-
GAH, NA 94, Notar Pieter van Groenevelt, d.d. 13. van Machteltge Gerritsdr, die weduwe geweest is van ropean Art Market 1400-1800, hrsg. v. M. North, D.
Februar 1638. Die Akte ist sowohl von Gerrit als auch Jan Jans Calff [...]<« (»Jan und Willem Jans Calff beide Ormrod, Aldershot, 1998, S. 113 - 130; N. De Marchi,
von Willem Kalf unterzeichnet worden, »wil je ons außer Landes, beide Kinder von Machteltge Gerritsdr, H. van Miegroet, »Novelty and Fashion Circuits in
soo quellen moogecht ghy ons heele werck wel verbie- der Witwe Jan Jans Calff«). Bei dem Namen von Jan the Mid-Seventeenth Century Antwerp-Paris Art
den en op de dijek jagen.« Kalf als Bruder von Willem muss es sich um einen Trade«, Journal for Medieval and Early Modern Stud-
19 Siehe Anm. 2. Aus der Akte vom 13. Februar 1638 Schreibfehler handeln, es müsste eigentlich Govert ies 28 (1998), S. 201-246. Laut dieser Quelle soll Pi­
(Siehe Anm. 18) geht hervor, dass Gerrit am 1. August Kalf heißen. Jan war zu diesem Zeitpunkt wahr­ cart im Jahre 1640 auf der Pont Neuf gewohnt haben.
1637 zum Eintreiber der Mahlsteuer ernannt wurde. scheinlich bereits verstorben und es ist bekannt, dass Dies entspricht jedoch nicht der Wahrheit denn im
20 Siehe Kat. Nr. 1. Govert sich zu dieser Zeit auf einer Reise nach Indien Heiralsvertrag mit Jeanne Chollin vom 15. Novem­
21 Siehe Grisebach, 1974, S. 37-38. Das Gemälde befand. ber 1640 wird als Adresse die Rue Saint-Martin, Ge­
soll die Signatur »W. Kalf 1639« tragen. Diese Signa­ 33 (Bis jetzt) wurden jedoch keinerlei Einträge in meinde Saint-Nicolas-des-Champs angegeben (Paris,
tur trat bei einer Restaurierung unter einer falschen (Antwerpener) Akten oder Inventaren gefunden, die Archives nationales, Minutier central, XLVI, 19); Erst
Unterschrift Jan van Goyens zutage. Siehe Th. Levin, auf einen Verbleib Kalfs in Antwerpen oder Flandern 1649 zog Picart in ein Haus auf der Pont Neuf. Dort
»Willem Kalf als Landschaftsmaler«, Kunstchronik 22 schließen lassen. wohnte er bis zu seinem lode (Mietvertrag vom 17.
(1887), S. 588. In Versteigerungskatalogen des 18. Jh. 34 Zu (vergleichbaren) Tuchhändlern, die möglicher­ Juni 1649, Paris, Archives nationales, Minutier cen­
wurden auch zwei Landschaften Kalfs genannt, Siehe weise Maler mit Leinwand belieferten, Friso Lammert- tral, LXXIII, 398).
Grisebach, 1974, S. 38. se und J. van der Veen, Uylenburgh & zoon. Kunst en 41 Laut Nicolas Vleughels kam sein Vater am Vortag
22 Siehe die in Anm. 18 genannte Akte, »soo hebben commercie van Rembrandt tot De Lairesse 1625-1675, der heiligen Genoveva (3. Januar) in Paris an. Die Jah­
sij deposanten den voorsz. Leendert Ariens Molenaer Zwolle, Amsterdam 2006, S. 193, 284. reszahl ergibt sich aus der Angabe, Philippe Vleughels
daerover bekeurt« (»so haben sieden genannten Mül­ 35 GAR, Archiefvan de Weeskamer, 16, Inv. Nr. 414, S. habe am Tag nach seiner Ankunft das im Novizenhaus
ler Leendert Ariens dafür mit einer Strafe belegt«). 60, Inventar der Besitztümer von Maerten Adriaensz. der Jesuiten kürzlich angebrachte Gemälde von Nico­
23 GAR, Archief van de Weeskamer, Inv. Nr. 270, S. 4. Balckeneynde, 26. Februar 1631. Unter den Ausga­ las Poussin besichtigt. Da das Bild 1641 entstanden
24 GAR, Archief van de Weeskamer, Inv. Nr. 549, S. ben wurde verzeichnet: »Leentgcn, Witwe von Jan ist, kann sich das Treffen zwischen Vleughels und Kalf
13, d.d. 17. November 1638; Grisebach, 1974, S. 187. CalfT, von geliehenem Geld f 25,-« hrsg. v. A. Bredius, nur im Jahre 1642 ereignet haben. (Siehe Grisebach,
25 Nach dem Tod des Schmieds heiratete Anneigen Künstler-Inventare, Bd. 5, Den Haag 1918, S. 1610. 1974, S. 15). Hercenberg datiert auch die Ankunft
Jans Kalf 1629 Jan Cornelisz. Doelmijnuyt. 36 Siehe zu Langerbeen unter anderem GAR, ONA Philippe Vleughels auf den 2. Januar 1642, allerdings
26 Jan Barentsz. Rees, verstorben 1657, heiratete am 9. 67, Notar Willem Jacobsz, S. 591-596, d.d. 3. Juli ohne Argument (op. cit. Anm. 37)
Juli 1623 in Delft. Kinder wurden ihm 1632 und 1650 1630; ONA 120, Notar Nicolaas van der Hagen, d.d. 42 Siehe Anm. 59
in Delft geboren. Er scheint den größten Teil seines 29. Juni 1630 (Vormund der Kinder Willem Buyle- “ J. Thuillier hat neulich ebenfalls behauptet, das
Lebens in Delft gewohnt zu haben. Zu seinem Beruf wechs). Zu dem Haus siehe z. B. ONA 224, Notar Ja­ Treffen zwischen Vleughels und Kalf habe später statt­
siehe GAR, ONA 78, Notar Jan van Aller, S. 548-549, cob Duyfhuysen, d.d. 5. März 1667. Der Bruder der gefunden (Sebastien Bourdon 1616-1671. Catalogue
d.d. 24. Mai 1625 (»Kuchenbäcker«); ONA 135, Notar Frau Buytewechs, Frank van Amerongen wohnte in critique et chronologiquc de Iceuvre complet, Paris
Arnout Wagensvelt, S. 8, d.d. 25. Februar 1633 (»Le­ der Nähe von Stoffel Jacobsz. (GAR, NA 256, Notar 2000, S. 114). Unseres Erachtens ist das vorgeschla­
bensmittelhändler zu Delft«). Zu Willem Barentsz. Arnout Hofllant, S. 170, d.d. 7. April 1633). Dass die gene Dalum (1644-1645) allerdings falsch.
Rees siehe ONA 135, Notar Arnout Wagensvelt, S. enge Verbindung zwischen den Familien Langerbeen 44 Grisebach hat für das Jahr 1643 vier datierte Werke
548, d.d. 16. September 1653 (»Kaufmann«). und Kalf weiterhin bestand, spricht beispielsweise aus (Grisebach, 1974, Kal. Nr. 36 (hier Kal. Nr. 12), 61
27 Ciara Gerrits, die Schwester von Willem Kalfs Mut­ der Tatsache, dass Judith Langerbeen, eine Tochter (hier Kat. Nr. 16), 63 und 64 (hier Kal. Nr. 19) und für
ter Machtelt Gerrits, war verheiratet mit Jan Jopsz. Stoffe) Jacobsz. Langerbeens, Taufzeugin von zwei das Jahr 1644 vier weitere Gemälde (Grisebach, 1974,
Coopmans. Es ist mir nicht gelungen, eine genaue Kindern Gerrit Kalfs in Den Haag war. Siehe Anm. 2. Kat. Nr. 52, 53, 56a, 70) gezählt. Zwischen 1644 und
familiäre Zuordnung zu Jop Jansz. Coopmans heraus- Die Verbindung mit der Familie von Willem Buyle- 1653 konnte er allerdings kein datiertes Werk finden.
wech, der einige Zeil in Haarlem gearbeitet hat, kann, Grisebach kannte jedoch nicht das Gemälde aus der
zu finden, aber möglicherweise war er ein Neffe.

20 Willem Kalf. eine Biographie - Friso l.ammertse und Mickael Szanto


Stiftung Willem van der Vorm (hier Kal. Nr. 13), das vinglz unze prise ä 8 Lt. [92] Item ung aultre Calphe »ommc tot sijnc bchoeften te besteen«. Unter den
1645 datiert ist. Das Gemälde in Heino muss darüber de la mesme grandeur peinct sur boys garny aussy de empfangenen Beträgen steht übrigens, dass Kalf
hinaus ebenfalls auf 1645 datiert werden und nicht sa bordure dc boys de la Chine numero quatre vingtz Coopmans 102 Gulden und 10 Sluivers gegeben hatte,
nicht 1643, wie Grisebach schreibt (hier Kal. Nr. 12; douzc prise ä 8 Lt. [...] [114] Item une petilte coppye und das Kalf von dieser Summe bewusste 100 Gulden
Grisebach, 1974, Kat. Nr. 36). de monsieur Calphe peinct sur boys garny de sa platte bezahlt wurden.
45 Grisebach, 1974, Kal. Nr. 66 und S. 108; Siehe auch bande dore dbr male numero Cent qualorze prise ä 61 Ich danke John Brozius für den Hinweis auf dieses
J. Foucarl, »La Periode francjaise de Kalf et letrange 40 s. (...][! 18] Item ung petil tableau peinct sur boys unpublizierte Dokument; Hoorn, Westfries Archief,
chef-dbeuvre d’un jeunc peinlre«, Willem Kalf, Nature coppye aprds Calphe garny dc sa bordure blanche nu­ ORA 4242, d.d. 20. August 1649. In diesem Doku­
niorte aux anmires [du Muste Tesse du Mans], hrsg. mero Cent dix huict prise ä 40 s. (119) Item ung aultre ment wird Kalf als Maler bezeichnet.
von BNP-Paribas» 2000, S. 11-20. petile coppye de Calphe garny de sa platte bande ä 6S Der aus Lecuwarden stammende Samuel Pluvier
46 Die Kartenspieler, Öl auf Holz, 36x50 cm, Kassel, un fillel dbr numero Cent dix neuf prise ä 30 s. [120 war erst Pfarrer in Vollenhovcn, wo auch seine Toch­
Staatliche Museen, GK 471 (Thuillier, op. eil. Anin. 43, bis] Item quatre petitz lableaux peinct sur boys cop­ ter Cornelia geboren sein muss. 1638 wurde er in
Nr. 52). pye apres monsieur Calphe numero six vingl double Hoorn zum Pfarrer berufen.
47 Für mehr Informationen zur Bedeutung der nor­ prise ensemble 60 s. [...| [138] Item ung grand Calphe M Beim Eintrag der Eheschließung wird gemeldet,
deuropäischen Maler in Paris im 17. Jh. siehe E. To- peincl sur thoille oü est represenld ung grand vase dbr dass Kalf »op het Noort« in Hoorn wohnte, Grise­
liopoulou, LArt et les artistes des Pays-Bas d Paris au et une grenade numero six vingtz dix huict prise ä 32 bach, 1974, S. 189.
XVIle siede, nicht veröffentlichte Dissertationsschrift, Lt. [...] [160] Item ung petit Calphe peinct sur cuivre 67 Gedicht von Jacob van der Burgh publiziert in Apol­
Universität Paris IV, 1991. garny de sa bordure blanche ä chapelet numero huict los Harp, bestaande in Nederduytsche inengdrynien
4H Diesbezüglich siehe A. Schnapper, Le meticr de vingtz prise ä 4 Lt. [161] Item ung aultre Calphe peincl [...] By een verzamelt door N. H. A. I. M., Amsterdam
peinlre au Grand Siede, Paris 2004, S. 24-52. sur cuivre oü est un pol ä beure dans un seau numero 1658, S. 23-24. Das Gedicht ist auf den 2. November
49 Der Name Kalf erscheint weder in der von Georges huict vingtz ung prise ä 4 Lt. [...] [186] Item ung petit 1656 datiert. Cleonira Vitelli ist eine Latinisierung
Wildenstein aufgeslellten Liste der Pariser Maler (G. Calphe garny de sa bordure blanche ä chapellet nu­ von Cornelia Kalf.
Wildenstein, Liste des niaitres peintres et sculptcurs de mero neufvinglzsixpriseä8 Lt. [187] Item ungaultre »Op de Bevalligheden van juffr. Cleonira Vitelli:
lacademie de Saint-Luc, Paris 1926) noch in den sehr petit Calphe oü est represente une fruicture numero Het tintelende git in CLEONIRAS oogen
lückenhaften, von Jules-Joseph Guiffrey herausgege­ neuf vinglz sept prise ä 9 Lt.« Tart aller sterren glans: Haar vriendelijke vermögen
benen Zunftarchiven von Sainl-Germain-des-Pres (J.- 56 Im Januar 1641 war Pierre Le Sage Trauzeuge bei Maakt slaven zonder tal, door minnelijk geweld,
J. Guiffrey, »La maitrise des peintres de Saint-Germain der Hochzeit von Sebastien Bourdon und Suzanne Daar d alderfelste borst zieh willig onderstelt,
des Prez. Receplion et visites, 1548-1644 «, Nouvelles Du Guernier (Siehe Thuillier, op. cit. Anin. 43, S. 111). Onlsluitz’ haar lieve mont, zo ziet men paerlen was-
Archives de l’Artfranfais, 1876, S. 93-123). Darüber hinaus war Anne de Vauconsains, die Ehe­ sen,
50 Für weitere Informationen zum Pariser Kunst­ frau von Pierre Le Sage, am 30. Januar 1650 Patin bei In schulpen van koral en mals-robijne kassen,
markt in der ersten Hälfte des 17. Jh. siehe M. Szan- der Taufe eines der Kinder von Jean-Michel Picart, Daar nooit een onrijp woort of laffe praat uitviel,
to, »Antwerp and the Paris Art Market in the Years während der Maler Louis van der Burcht, der Schwa­ [...]«
1620-1630«, Mapping Market$ for Paintings in Europe, ger von Pierre van Mol, Pate war. (Bibliothequc natio­ 68 Henrick Bruno hatte eine Schwester in Alkmaar,
1450-1750, hrsg. von N. de Marchi; H. van Miegroel, nale de France, Departement des Manuscrits, fichier Alida, die auch dichtete, und z. B. von Huygens sehr
Urban Hislory, Heft 6(1100-1800), Turnhout 2006, S. Labordc). gelobt wird. Ein älterer Bruder, Johannes, war Pfar­
329-339; Für weitere Informationen zur Kunstmesse 57 [Anonym], Explication des tableaux et statues ex- rer in dem nahegelegenen Egmond aan Zee. Siehe zu
von Saint-Germain, siehe M. Szanlo, »Pour Jacques posees dans l'Hötel de Scnnecterre, o.O. [Paris], o.J. Bruno und seiner Familie, L. Strengholt, »Een klein
Linard, peinlre de nalures morles (Troyes, 1597 - Pa­ [1683], Nr. 104-107 im letzten Heft. Leider ist nur Alkmaars sterretje. Over Alida Bruno en haar literaire
ris, 1645)«, Bulletin de la Socitte de l'Histoire dc l'Art das Werk von Kalf mit der Nummer 107, »Des ver- bedrijvigheid« und, Idem, »De dichter Henrick Bru­
franpiis 2001 (2002), S. 25-62. res d’aprüs nature, du Calfe« (Gläser nach der Natur) no: Gouverneur van Huygens’ kinderen«, in H. Duits,
51 Laut VIeughels-Anekdole gab Kalf dem Neu­ beschrieben. A.M.Th. Leerinlveld, TL. ter Meer, A. van Strien,
ankömmling am Abend seiner Ankunft in Paris Klei­ 58 Antoine Coypel, Discours sur la pemture (170S- Een lezer aan het woord. Studios van L. Strengholt over
dung. Dies deutel darauf hin, dass Kalf in der Gast­ 1721), wiedergegeben in A. Merot (Hrsg.), Les Confe­ zeventiende-eeuwse Nederlandse letterkunde, Amster­
stätte des Faubourg Saint-Germain wohnte. rences de l’Academie royale de peinturc et de sculpture dam, Münster 1998, S. 203-227 und 229-238.
52 Goedkindl ließ sich um 1631 endgültig in Paris au XVIle siede, Paris 1996, S. 397-519 (S. 414). 69 Henrick Bruno, Henr. Brunos Mengd-nioes van ver-
nieder und wurde bald zur Hauptfigur des dortigen 59 GAR, Archief van de Weeskamer, Inv. Nr. 609, fol. scheyde gedichten op allerhande voor-vallende saecken,
Kunstmarktes, sowohl in der Stadt, als auch aul der 81-84; Grisebach, 1974, S. 188—189. »Willem Calffje- Leiden 1666, S. 25.
Kunstmesse von Saint-Germain, an welcher er maß­ genwoordich sich onthoudende in Vranckrijck.« »Levertje op de Bruyloft van Joffr. Cornelia Pluvier
geblich beteiligt war. Nach seinem Tod arbeiteten 60 »Willem Calff, minderjarige soon van Jan Bruydt van de Kunst-rijcke Schilder Wilhelm Kalf.
Jean-Michel Picarl und Pierre van Mol an der Aufstel­ Kalf«. GAR» Oud Rechterlijk Archief, 15, Inv. Nr. 840, Dit’s lever van een hoen, geen lever van een Kalf,
lung des Geschäftsinventars mit. Dies deutet auf enge fol. 12v,d.d. 21. Oktober 1645; Grisebach, 1974, S. 189 ‘k Wensch ’t Bruydlje haest met ’t kindt, en liever heel
Beziehungen zwischen den drei Kunsthändlern hin. (mit falscher Inventarnummer). Die Schuld wurde erst als half.«
(Siehe M. Szanto, »Liberias arlibus reslitula. La foire am 9. Mai 1657 beglichen. Im Inventar der Witwe von 70 »verteerde monlkosten en anders«. Hoorn, West­
Saint-Germain et le commerce des lableaux, des frdres Dionijs Jansz. vom 1. Januar 1646 wurde die vollstän­ fries Archief, NA 2156, Notar Claes Stapel, d.d. 19.
Goetkindt ä Jean Valdor (1600- 1660)«, Arte e ccono- dige Schuld von 300 Gulden ebenfalls erwähnt, GAR, Juni 1658. In der Akte ermächtigt Vogel Pieter Claesz
mia, Prato, Institut F. Dalini, 1.-6. Mai 2001, Akten ON/\ 83, Notar Jan van Aller, S. 1263. Möglicherweise voor de Windt den genannten Betrag von »Wilhem
der Settiniana di studi, Prato 2002, S. 149-185). war Dionijs Jansz. eher ein Dekorations-Maler als ein Calf Schilder tot Amsterdam« zurückzufordern. Ich
w 1641 mietete Linard während der Kunstmesse von Kunstmaler. Er ließ seinen Sohn Jan Dionijs in jedem danke John Brozius für den Hinweis auf dieses un-
Saint-Germain ein Geschäft in der Rue de la Chaud- Fall für die Zeil von drei Jahren vom Maler Frans pulizierte Dokument. Er wies mich auch darauf hin,
ronnerie (Siche M. Szanto 2002, op. eit. Anin. 50, Dircx ausbilden um zu »leeren solderschilderen ende dass Wigger Jansz. Vogel sich am 20. Februar 1644 mit
S. 46). alle ander schilderwerck« (»Deckengemälde und alles Maertie Pieters vermählte. De Vogel wohnte damals
54 Paris, Archives nationales, Minutier central, etude andere Malwerk zu erlernen«). Er wird in dieser Zeil im »Achterom« und gehörte zu den Remonstranten.
LXXXI, 42; die Liste der Gemälde wird beschrieben nicht für seinen Vater gearbeitet haben wollen. Siehe 71 »Wel-ervaren Stads-, Wees-, -en Gaslhuys Heel-
in Szanlo, 2002, op. cit. Anin. 50, S. 52-57. ONA, 150, Notar Adriaan Kieboom, S. 159, d.d. 25. meester tot Hoorn«. Wigger de Vogel, Vijf Briefs-ge-
55 Idem, »(!] Premierement une grande coppye du März 1634. wijse Aeninerkingen van Wigger de Vogel, Amsterdam
grand Calphe peinct sur thoille garny de sa bordure 61 GAR, Archief van de Weeskamer, Nr. 610, fol. (bij Hieronymus Sweerts), s. a. Die Briefe sind 1663,
noire numero un prise ä 35 Lt. [...] [86] Item ung la- 247-248. Grisebach, 1974, S. 189. 1664, 1667, 1668 und 1670 datiert. Das Buch wurde
bleau peinct sur thoille oü est represente une collalion 62 Zum Zeitpunkt des Todes seiner Frau im Jahr 1647 vermutlich kurz nach der letzten Jahreszahl gedruckt.
original de monsieur Calphe numero quatre vinglz six schuldete Coopmans Willem Kalf noch 54 Gulden. Von W. de Vogel unterzeichnete Gedichte sind unter
prise ä 40 Lt. (...) [91] Item un petil Calphe sur boys Siehe GAR, Archief van de Weeskamer, Inv. Nr. 430, anderem zu finden in H. Brunos Het boek lobs, Den
garny de sa platte bande de la Chine numero quatre d.d. 14. Dezember 1647, S. 86. predicker, Spreucken en Hooghe-Liedt Salomons, Hoorn

Willem Kalf, eine Biographie - Friso Laiiiniertse und Mickael Szanto 21


1658 (vier Gedichte) und in seinen Claegh-Liederen Je- jeder mit einem Besitz an Wertpapieren oder Immo­ Gemälden Diederick Heyncks durch Jan Rosa und
remia, en het Hooge-liedt Salomons, Hoorn 1656. bilien von mehr als 1000 Gulden belastet wurde. Adriaen Backer, 1679, Bredius, op. cit. Anm. 35, Teil 4,
72 Es existiert noch eine andere Meldung über Kalts 81 Siehe Houbraken, op. cit. Anm. 15, Teil 2, 1719, S. S. 1304); »Ein >dito< [großes Gemälde] Stilleben von
Aufenthalt in der westfriesischen Stadt. 1654 bezeugte 218. »Hy was een Man die veel gelezen, en een goed Kaiff in schwarzem Rahmen 40,-« (Gemälde verkauft
er in Amsterdam» dass er »drie a vier jaeren geleden« oordeel had; daar en boven zeer bespraakt, en afge- von Louis Rijnaldi an Jacques la Vcsne, 10. Februar
(»vor drei oder vier Jahren«) anwesend war, als je­ richt op allerhande vertelselen, dat yder bevallen in 1684, The Getty Provenance Index). John Loughman
mand Güter in der städtischen Herberge in Hoorn zyn bywezen had. Waar door hy hen ook wel eens ermittelte für ein Gemälde von Kalf für den Zeitraum
kaufte. Darunter befand sich eine sogenannte trok- een nachje over in de Herberg met dboren aan zyn 1650-1679 einen mittleren Preis von 30,5 Gulden;
tafel, eine Art Vorläufer des Billardspiels. Laut Kali* bespraakte tong kluisterde. Daar benevens was hy by- für die Zeit von 1680 bis 1719 kommt er auf einen
hatte der Verkäufer zugesagt, das Möbelstück wieder zonder gerieffelyk om yder (schoon het met zyn ver- Preis von 55,6 Gulden für Werke in Inventaren und
zurückzukaufen, sobald eine bestimmte Person die let verzelt ging) dienst te doen; zulks zyn Vrouw wel auf 48,9 Gulden für versteigerte Gemälde. Aus dieser
Herberge wieder verlassen würde. GAA, NA 2196, dikwils zeide, dat hy meer naar een anders voordeel letzten Periode existieren relativ viele Meldungen, ins
Notar Adriaen Lock, fol. 648, d.d. 17. Juni 1654; Gri­ dan naar zyn eigen zag.« Besondere aus der Zeit nach dem Tode Kalfs. Siehe
sebach 1974, S. 191. Der Käufer, überdessen Ersuchen 82 Idem, Teil 3, 1721, S. 189. John Loughman, »De markt voor Nederlandse stil-
Kalf Zeugnis ablegte, war Claes Kloeck, der Verkäufer 83 Siehe J. E. Elias, De vroedschap van Amsterdam levens, 1600-1720«, in Ausst.Kat. Het Nederlandse
Cornelis van Stormen. Grisebach und vor ihm Bre- 157S-1795, Teil 1, Haarlem 1903-1905, S. 452. Am stilleven 1550-1720, Amsterdam, Rijksmuseum, Cle­
dius transkribierten fälschlich »trecktaeffel« anstelle 10. April 1650 wurde Hendrick, der Sohn von Lam­ veland, The Cleveland Museum of Art, 1999-2000,
von »trocktaeffel«. Möglicherweise weil sie nicht mit bert Reynst und Alijda Biekers van Swieten in Hoorn S. 102.
der trok- bzw. truktafel vertraut waren. getauft (DTB, 7); am 25. August 1651 wurde der zwei­ 87 Der Haarlemer Maler Jan Wils besaß »4 stuckjes
73 GAA, NA 1303, Notar Hendrick Schaef, fol. te Sohn, Gerrit, getauft (idem). Am 14. Juni wurde van Calff« (Inventar August 1676, Siehe Bredius, op.
213-229, d.d. 26. Juli 1653, Inventar von Johan le Lambert Reynst in das Registerbuch der reformierten cit. Anm. 35, Teil 5, S. 1852 und Biesboer, op. cit. Anm.
Thor. Willem Kalf unterzeichnete als Zeuge, wobei Kirche eingeschrieben. Es war bei Räten der Admi­ 86, S. 243; Judith Loreijn, die Witwe von Dammas
notiert wurde »Willem Calff Schilder cosijn daer ten ralität nicht üblich, in den Ort zu ziehen, an dem die Guidewagen besaß »Een stuck van Kalif« (Inventar
huijse« (»Willem Calff, Maler, Cousine dort wohn­ Versammlungen stattfanden. In diese Zeit fiel aber Haarlem, 2. Juni 1685, Siehe Biesboer, S. 286. Siehe
haft«). der erste englische Krieg, weshalb es Reynst wahr­ auch das in Anm. 86 genannte Inventar des Haarle­
74 Leeuwarden, Historisch Centrum Leeuwarden, scheinlich als ratsam erschien, in Hoorn zu wohnen mer Brauers Eduard van Cralen aus dem Jahr 1675;
Trauung (reformiert) am 20. August 1625. Margaretha und so allen Versammlungen beiwohnen zu können. Im Inventar Johan Schimmelpenninghs van der Oye
wurde hier noch als de Quesnoy erwähnt, erst später Mil Dank an John Brozius. vom 5. April 1669 in Den Haag kommt »noch een
sollte sie den Nachnamen Pluvier gebrauchen; Samuel 84 Nach zwei Akten wollte Kalf allerdings keinen fruytagie van Calff« vor (Siehe De Navorscher 18,
Pluvier heiratete ebenfalls in Leeuwarden, Trauung Eid auf seine Erklärung ablegen. Er gab allein sein 1868, S. 469).
am 19. Juli 1623, «Samuel Plouvier van Leeuwarden Wort. Es waren vor allem Täufer die sich aus Prin­ 88 J. A. Worp, De briefwisseling van Constantijn Huy-
met Sophia Jacobs van Leeuwarden». zip weigerten, einen Eid abzulegen. Obwohl es zu gens, Teil 5, Den Haag 1916, S. 282. »Son mary est
75 Siehe J. Roding, M. Stompe, Pieter Isaacsz (1569- weit führt, Kalf direkt als Täufer zu bezeichnen, ist un excellent peintre et a des qualitez qui vous feront
1625). Een Nederlandse Schilder, kunsthandelaar en es gut möglich, dass er Sympathien für bestimmte juger.«
diplomaat aan het Deense hof, Hilversum 1997, S. Gedanken dieses Glaubens hegte. Es können aller­ 89 GAA, NA 2487, Notar J. Hellerus, S. 803, d.d. 6.
48-49 und der dort aufgeführle Hinweis. Siehe auch dings auch eher praktische Beweggründe eine Rolle September 1660. Looten verpflichtete sich, den Be­
Jaap van der Veen, »By his own hand. The valuation of gespielt haben. Die Urkunden in denen Kalf nur sein trag innerhalb von sechs Monaten zu zahlen. 1669
autograph paintings in the 17th Century«, in E. van de Wort gab datieren auf den 17. Juni 1654 (Siehe Anm. war die Zahlung jedoch noch nicht geleistet worden.
Wetering et al., A Corpus of Rembrandt Paintings, IV, 72) und auf den 29. August 1686 (Siehe Anm. 110). Siehe GAA, NA 3505, Notar Gerrit van Breugel, S.
the self-portraits, Dordrecht 2005, S. 32, 34. Diese letzte Erklärung unterzeichnete er zusammen 191 -200, d.d. 18. Januar 1669 (Siehe Bredius, op. cit.
76 Der öffentliche Verkauf des Gemäldes hatte am 20. mit den Brüdern Berckheyde. Auch sie gaben aussch­ Anm. 35, Teil 2, S. 424).
Mai 1653 im »Heerenlogement« stattgefunden. ließlich ihr Wort und waren wie Kalf als reformiert 90 Siehe A. Bredius, op. cit. Anm. 35, Teil 5, S.
Siehe auch GAA, NA 1596, Notar Willem Hasen, bekannt. Auf Basis eines Briefes vom 24. März 1658 1835-1836. Doucy besaß zum Zeitpunkt seines To­
fol. 407-412, d.d. 30. Januar 1647. Testament von Jo­ von Jacob van der Burgh wurde angenommen, dass des im Jahre 1669 eine umfangreiche Gemäldesamm­
han le Thor und Margaretha Joelis. In dem Testament Cornelia Pluvier katholisch war. Bei dieser in dem lung, darunter »Een banquetje van Kalif«, das auf 25
werden speziell zwei schwere silberne Salzfässer, eine Brief als »ma poetesse« angesprochenen Frau muss Gulden taxiert wurde. Siehe obenstehende Anm.
silberne Schenkkanne mit Teller und »voorts cabinet- es sich jedoch um jemand anderes handeln als Cor­ 91 Siehe Kal. Nr. 25.
ten, ende meest alle de schilderijen, Juwelen, wapenen nelia Pluvier. Siehe zu diesem Brief Grisebach, 1974, 92 Siehe Kat. Nr. 37.
ende rariteijten die alle als coopmanschap ende niet S. 201-202. Aus der Zeit um 1658 gibt es keine Hin­ 93 Siehe Grisebach, 1974, und Addenda und Corri-
als meubelen sullen vercocht ende gerekenl worden« weise darauf, dass Pluvier bereits Gedichte verfasste. genda in diesem Katalog.
(»ferner Kabinettschränke, und vor allem die Gemäl­ Sie wird in dieser Zeit noch allein als Musikerin und 94 Houbraken, op. cit. Anm. 15, Teil 2, S. 219.
de, Juwelen, Waffen und Raritäten, die alle als Han­ Kalligraphin bewundert. 95 Siehe H. Poslma, M. Blök, »Duidelijkheid over de
delswaren und nicht als Möbel verkauft und gerech­ 85 Gerard de Lairesse, Het groot schilderboek, II, Am­ Amsterdamse St. Lukasfeesten in 1653-1654«, Ond
net wurden«). Diese letzte Bemerkung kann darauf sterdam 1707, S. 266, 268. »de vermaarde Kalf in de Holland 105, 1991, S. 32-38 und H. Postma, »Rem­
hinweisen, dass die Kunstgegenstände von Le Thor als Stilleven boven anderen heeft uigcmunl« brandt en de Broederschap der Schilderkunst; een
Handelswaren gesehen wurden, aber es kann auch mit 86 Die nachfolgenden zu Lebzeiten Kalfs gemachten nieuwe hypothese voor de Pallas Athene in Museu
dem Abtragen von Steuerzahlungen Zusammenhän­ Meldungen über taxierte Gemälde sind bekannt: »Ein Calouste Gulbenkian«, Oud Holland 109 (1995) S.
gen. Bei der Versteigerung von Hausrat wurden fünf Stilleben von Willem Kalif f 30,-« (Taxation der Ge­ 89-94.
Prozent abgerechnet, während bei Handelswaren nur mälde durch Maria Flaman, Witwe Abraham Muys- 96 Möglicherweise kannte Kalf Nicolaes van Helt
ein Prozent abgeführt wurde. Siehe J. van der Veen, saerts, durch Jan Rosa, 1667, Bredius, op. cit. Anm. Slockade noch aus Paris. Dieser hielt sich dort zu­
»Onbekende opdrachtgevers van Rembrandt«, Kro- 35, Teil 4, S. 1301); »Ein Bankett von Kaiff f 25,-« sammen mit seinem Schwager Jan Asselijn im Jahr
niek van het Rembrandthuis 1998, S. 30, Anm. 39. (Inventar und Taxation der Güter von Laurens Mau- 1646 für einige Zeil auf. Beide verzogen vor dem 10.
78 Siehe Kat. Nr. 24. ritsz. Doucy, 18. Januar 1669, Siehe Bredius, op. cit. August jenes Jahres nach Antwerpen bzw. Amster­
79 J. A. Worp, De gedichtet! van Constantijn Huygens, Anm. 35, Teil 2, S. 424); »Ein Stück von Kalif Römer­ dam. Siehe C. Steland-Stief, Jan Asselijn, nach 1610
Teil 6, Groningen 1896, S. 260, 278, 296, 311. Siehe werk taxiert auf vierundfünfzig Gulden«, (Inventar bis 1652, Amsterdam 1971, S. 17-18. Thomas Asse­
zu Adriana le Thor und Huygens auch J.A. Worp, De und Taxation der Sammlung von Eduard van Cralen lijn, ein Bruder Jans, verfasste wie Vondel und Vos ein
briefwisseling van Constantijn Huygens, Teil 5, Den Brauer aus Haarlem, 28. April 1675, Siehe S. Bies- Gedicht zur Gründung der Bruderschaft.
Haag 1916, S. 362 und Grisebach, 1974, S. 202-204. boer, Collections of Paintings in Haarlem 1572-1745. 97 Jan Vos, Strydt tusschen de doodt en de natuur, o]
In der Liste des 200. Pfennigs von 1674 beläuft sich Netherlandish Inventories I 2001, S. 240, mit fälsch­ zeege der schilderkunst, Amsterdam (bei Jacob Les-
der niedrigste Betrag auf 5 Gulden. Das bedeutet, dass licher Transkription: Haiff anstelle von Kalif); »Ein caille) 1654. »grimmelen van Schilders en Poeeten«.
Stiltaben von Willem Kalfl f 36,-« (Taxation von »Apollo zal hier [Amsterdam] met Apelles paaren

22 Willem Kalf eine Biographie - Friso Lainmertse und Mickael Szanto


De Dichtkunst inet haar dochtcrs Maatgezang, 106 Siehe zu Urteil und Zuschreibung von Gemälden sie in ?\rmul. Zuletzt halte sic im Witwenhaus gelebt.
Hier ziet men Rembrandt, Flink, dc Wit, Stokade [...] aus dem 17. Jh. vor allem Van der Veen, op. eil. Anm GAA, DTB, 1093, fol. 94v. S.A.C. Dudok van Heel,
Men zieter Bronkhorst, Kalf en Boi uilmunten[...]« 75). »Lucius Grisebach, Willem Kalf 1619-1693, Berlin
9K »jeugdigh pacr«; »ten rcy«. Karel Porteman, »Zc- 107 »sij luyden als schilders gewoon sijn te traghten 1974«, Maandblad Amstelodamuni 61 (1974), S. 95.
ventiende-ccuwsc Ncderlandsc poezie op schildc- goede schilderijen te beschouwen, en bij gelegenlhe-
rijen. Vondel over Kalf«, in Th. Hermans, Th. A. J. M. ijt mede versehenden stucken bij den voorsz Pouwels
Janssen, S. G.M. de Kleijn, Handelingen Elfde Col­ Bril geschildert, hebben gesien, ende mits dien sijnc
loquium Neerlandicum, Rijksuniversileit Utrecht manier en handelingh scer wcl kennen.« GAA, NA
25.-31. August 1991, Woubrugge 1992, S. 295-296. 1649, Notar Johan van der Hoeven, S. 1239-1240,
Die traditionelle Datierung des Gedichtes um 1663 d.d. 16. September 1653. Der Delfter Kunsthänd­
scheint kaum auf Fakten zu basieren. ler war Abraham van de Cooge; Grisebach, 1974, S.
99 Siehe J. A. Worp, Degedichlen van Constantijn Huy­ 190-191. Einige flämische Maler hegten übrigens
gens, Teil 6, Groningen 1896, S. 263, 264. Grisebach große Zweifel bezüglich der Eigenhändigkeit, siehe
zitiert noch zwei Briefe von Van der Burgh an Huy- A. Blankert, »Over Pieter van Laer als dier- en land-
gens, vom 19. Januar und vom 4. März 1657, woraus schapschilder«, Oud Holland 83 (1968), S. 130-131,
er folgert, dass Cornelia Pluvier Huygens’ Gedicht Anm. 34.
über das neue Rathaus von Amsterdam kalligraphiert ,ÜM GAA, NA 2488, Notar J. Hellerus, fol. 555-556,
haben müsse. Aus den zwei genannten Briefen ist dies d.d. 9. Juni 1661. Doucy kaufte dieses Gemälde von
jedoch nicht abzuleiten. Van der Burgh bringt Plu- dem Delfter Kunsthändler Abraham de Cooge; Gri­
viers Kalligraphiekunst wohl in Zusammenhang mit sebach, 1974, S. 192.
Huygens Gedicht, aber aus dem zweiten Brief spricht 109 GAA, NA 4074, Notar Dirck van der Groe, fol.
deutlich, dass Lieven van Coppenol das Gedicht über 367; Grisebach, 1974, S. 193. Siehe weiter zu dem
das Rathaus kalligraphierte (dies ist übrigens auch Verkauf an den Kurfürsten Lammertse und Van der
aus einer anderen Quelle bekannt. Siehe beispiels­ Veen, op. cit. note 34, S. 79- 102.
weise H.F. Wijnman, »Mr. Lieven van Coppenol. 1,0 GAA, NA 3118, Notar H. Rosa, fol. 679, d.d. 29.
Schoolmeesler-calligraaf«, Jaarbock Amstelodamuni August 1686; Grisebach, 1974, S. 194. »elck int by-
30 (1933), S. 92-187. sonder, en met malcander, wel en verscheyde maelen
100 J. Antonides van der Goes, Gedichten van J. An- haden besichlight om daer over te oordeelen, wat hel-
tonides van der Goes, Amsterdam 1685, S. 162-163. selve schildery mochte wesen, Copye off Pnncipael
Dieses Gedicht ist der erste und einzige Hinweis van Tietiaen.«
darauf, dass Cornelia Pluvier auch dichtete. Keines 1,1 Houbraken, op. cit. Anm. 15, Teil 2, S. 218-219.
ihrer Gedichte scheint bewahrt geblieben zu sein. »Zyn goed oordeel over de Schilderkonst in ’t alge-
Siehe zu Cornelia Pluvier auch den Artikel von H. E. meen aan te geven.«
van Gelder, »Aanteekeningen over Willem Kalf en 1,2 GAA, NA 5661, Notar G. Emous ten Bergh, Akte
Cornelia Pluvier«, Oud Holland 59 (1942) S. 37-46 d.d. 9. Januar 1691, Inventar und Aufteilung der Erb­
und Grisebach, 1974, S. 199-206. masse von Maria Margaretha van der Hem van Ne-
101 LudolfSmids»Poesy, Amsterdam 1694,S. 173-174. dersteijn, Witwe von Jacob de Goyer, »Aan de schil­
Abgedruckt bei Guido Jansen, »>In de laegste rang<; ders t’Kalf en Rosa voor het taxeeren van 47 stuex
over de positie van het stilleven in de Nederlandse schildereyen f 8,-« (»An die Maler Kalf und Rosa für
kunstliteratuur van de zeventiende eeuw«, in Ausst. ihre Taxation von 47 Gemälden f8,-«). Ich danke Jaap
Kat. Het Nederlandse stilleven 1550-1720, Amster­ van der Veen für diesen Hinweis.
dam, Rijksmuseum, Cleveland, The Cleveland Mu­ 1,3 Houbraken, op. cit. Anm. 15, Teil 2, S. 218-219:
seum of Art, 1999-2000, S. 56. Smids verfasste eben­ »Kornelis Hellemans, Konstverkooper heeft my ver-
falls Gedichte über das Werk von Ludolf Backhuysen haalt dal Kalf hem had uit verzocht om printhandel
und Gerard de Lairesse met hem te dryven; dal ‘er indien tyd avondbedeston-
102 Gedicht van Jan Goeree, zitiert aus J. W. Niemeijer, den waren ingestelt; dat hy die uuren van vyven tot
Cornelis Troost 1696-1750, Assen 1973, S. 34. Siehe zeven waarnam, zyn winkel opsloot, naar hem loe-
hier auch zu weiteren Informationen über Willem ging en handel met hem dreef; met beding dat Kalf
van der Hoeven (1653-1727). »als een Bonte-Kraay des anderen daags om zyn gelt zoude körnen.«
zieh kleedde, / en eeuwig stryd had met de Rede; / 1,1 Siehe K. Jonckheere, »>When the Cabinet from
Die met zyn grollen en gegrol / zyn beste Vrinden Hel Loo was soldc the auction of William IIls Collec­
heeft bedot; [...] En niet zwoer dan by Bremer Bier« tion of paintings«, Simiolus 31 (2004-2005), S. 174;
»Des braven WILHEMS, die den schat / Van Kresus Siehe zu seinem Testament, GAA, NA 7611, Notar
wonder wist te malen, / Zelf met dien schat niet le Abraham Tzeeuwen, Akte 253, d.d. 20. Mai 1721.
betalen.« Hellemans wohnte damals am Nieuwezijds Achter­
I(B In einer Akte von 1690 wird er »Wilm Kalif kon- burgwal. Er wurde am 19. Juni 1721 in de Nieuwe
stich Schilder tot Amsterdam« (Willem KalfT Kunst­ Kerk begraben.
maler zu Amsterdam) genannt. Siehe GAR, ONr\ 1,5 Siehe dazu auch S. A.C. Dudok van Heel, »Jan
823, Notar Zeger van der Brüggen, S. 607, d.d. 14. Pielersz Zonier (1641-1724) Makelaar in schilderij­
November 1690. en (1690- 1724)«, Jaarboek Amstelodamuni 69 (1977),
l0‘ Siehe zu Zacharias Webber (1646-1696), A. D. S. 89-106.
de Vries, »Biografische aanteekeningen betreffende 1,6 »Hy voelde zig wel bezeerl; maar niet agterden-
voornamelijk Amslerdamsche schilders, plaatsnijders kende van zulk gevolg, ging te bed leggen, en was als
enz. en hunne verwanten«, Oud Holland 4 (1886), de klok tien uuren geslagen had al een Lyk.« Houbra­
S. 299-300; Hollsteins Dutch & Flemish Etchings, ken, op. cit. Anm. 15, Teil 2, S. 219. Drei Tage später
Engravings and Woodcuts 1450-1700, 51, Rotterdam wurde der Leichnam Kalfs aus seinem Haus an der
1998, S. 191-193. Schipperstraat zu seiner letzten Ruhestätte in die Zui-
,ü‘ P. Verhoek, Pieter Verhoeks Poezy. Nevens zyn derkerk gebracht. Seine jüngste Tochter Cornelia, die
Treurspel van Karel den Stauten, Hertogh van Bour- bei ihren Eltern gewohnt hatte, wurde drei Monate
gondie, Amsterdam 1726. Siehe auch Lammertse und später zu Grabe getragen. Kalfs Witwe sollte ihren
Van der Veen, op. cit. Anin. 34, S. 73-74. Mann 18 Jahre überleben. Am 6. Februar 1711 starb

Willem Kalj, eine Biographie - Friso Lammertse und Mickael Szanto 23


Alltägliches & Außergewöhnliches
Gebrauchsgegenstände und Prunkobjekte bei Willem Kalf

Alexandra Gaba-van Dongen

Das Kalf sehe CEuvre ist eine wahre Fundgru­ 1. Bäuerliche Interieurs Rotterdam-Paris zahlen 1638, 1644 und 1645 (Kat. Nr. 1 und
be für alle, die sich mit der Geschichte der ma­ 13). Das früheste datierte Pariser Bauerninte­
teriellen Kultur befassen. Die alltäglichen Ge­ Kalf begann seine Karriere in seiner Geburt- rieur stammt aus dem Jahr 1642, das zuletzt
brauchsgegenstände aus den Bauernstilleben Stadt Rotterdam mit dem Malen von bäuerli­ datierte aus dem Jahr 1645. Nur schwer ist
Kalfs geben überraschende Informationen chen Interieurs. Er stand damit in einer Bild­ daher festzustellen, an welchem Ort, Rotter­
über einen möglichen Entstehungsort der tradition, die sich ab den 30er Jahren des 17. dam oder Paris, die undatierten Gemälde aus
größtenteils
o undatierten Gemälde: Rotterdam Jahrhundert in Rotterdam unter der Ägide der der Zeit zwischen 1638 und 1646 entstanden
oder Paris? Diese Alltagsgegenstände wurden Maler Herman Saftleven III (1609-1684), des­ sind. Betrachtet man eingehender die auf die­
bis jetzt allerdings noch nicht näher iden­ sen Bruder Cornelis (1607-1681), Hendrick sen Gemälden dargestellten Gebrauchsgegen­
tifiziert. Während seines Aufenthalts in der Martensz. Sorgh (ca. 1611-1670) und Pieter stände, können sie möglicherweise Aufschluss
französischen Hauptstadt (ca. 1640-1645) de Bloot (1601-1658) entwickelt hatte.1 Um über den Entstehungsort geben.3
entwickelte Kalf neben diesen bäuerlichen 1639/40 begab sich der 20-jährige Maler für Bei der Identifizierung der dargestellten
Interieurs auch seine Prunkstilleben, die kost­ einige Jahre nach Paris.2 Es ist nicht bekannt, Alltagsobjekte ist zuerst festzustellen, dass
bare Objekte und luxuriöse Gebrauchsgegen­ wann Kalf dort seine ersten Bauernstilleben auf allen Bauerninterieurs eine Anzahl weit
stände zeigen. Was waren das nun genau für schuf. Lediglich vier der 58 Werke dieses Gen­ verbreiteter Gegenstände erscheint, die im
Objekte, die Kalf in seinem Atelier zur Ver­ res, die durch Lucius Grisebach 1974 als Ori­ zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts sowohl
fügung standen und nach denen er seine Ge- ginale Kalfs anerkannt wurden, sind datiert. in den Niederlanden (Rotterdam), als auch in
mälde schuf?” Zwischenzeitlich wurden drei weitere datierte Frankreich (Paris) eine fast identische Form­
Gemälde Kalfs entdeckt. Sie tragen die Jahres­ gebung hatten. So waren die kupfernen Kes­
sel, hölzernen (Butter-) Fässer und Bottiche,
metallenen Fettpfannen, geflochtenen Körbe,
schlichte Teller und Schalen aus Zinn oder
Irdenware und die gläsernen Weinflaschen in
1 Schenkkanne und Kochtopf, rote und weiße Irdenware mit Bleiglasur, Niederlande, 1600-1650, Bo­
denfunde Rotterdam und Niederlande, Rotterdam, Historisch Museum Rotterdam, Inv. Nr. HM 14603.
ihrer Formgebung sowohl in Holland als auch
Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Inv. Nr. F 9653 in Frankreich verbreitet und sind nur schwer
oder gar nicht voneinander zu unterschei­
den. Diese Objekte können uns bei der Suche
nach dem Entstehungsort dieser Gemälde
kaum helfen. Und doch bleibt eine interes­
sante Gruppe von Gebrauchsgegenständen,
die Kalf so ausschließlich in Holland oder in
Frankreich finden konnte.

Holländische Irdenware

Nach heutiger Erkenntnis malte Kalf sein frü­


hestes bäuerliches Interieur im Jahr 1638 (Kat.
Nr. 1).1 Das Gemälde zeigt einen relativ dunk­
len Innenraum. Im Bildvordergrund sind ei­
nige Objekte vor einer niedrigen Steinmauer
zusammengetragen worden: eine umgekippte
irdene Kanne, ein großer irdener Vorratstopf
und ein irdener Kochtopf mit zwei Henkeln.
Auf einem Holzschemel liegen eine Tabaks­
pfeife und das beschädigte Unterteil eines
irdenen Feuerschälchens. Weiterhin sind ein
gelbkupferner Kessel und ein Paar Lederschu­
he dargestellt. Das abgebildete Töpfergeschirr
(Abb. 1) erinnert an typische Vorbilder aus
dem Sortiment holländischer Irdenware mit
Bleiglasur aus der ersten Hälfte des 17. Jahr-

24 Alltägliches & Außergewöhnliches - Alexandra Gaba-van Dongen


hunderts.5 Diese charakteristische Irdenware
ist auch auf den Gemälden der bereits ge­
nannten Rotterdamer Maler Sorgh, de Bloot
und Saftleven zu finden. Die frühe Datierung
des Kalfsehen Gemäldes (1638) in Verbin­
dung mit der dort abgebildeten holländischen
Irdenware aus derselben Zeit bestätigt, dass
dieses Werk noch vor Kalfs Abreise nach Pa­
ris entstanden sein muss. Es ist auffällig, dass
die hier dargestellten Gegenstände aus hollän­
discher Irdenware später auf keinem anderen
bäuerlichen Interieur Kalfs wiederholt wur­
den. Zwar erscheinen dort keramische Gefäße
verschiedenster Art, diese stimmen jedoch in
keinem Fall mit dem in Holland hergestell­
ten oder nach Holland importierten Geschirr
überein. Es scheint ganz so, dass Kalf den
überwiegenden Teil seiner bäuerlichen Inte­
rieurs in Paris geschaffen hat, zumindest was
die heute noch bekannten Werke betrifft.

Normannische Buttertöpfe

Kalf stellte auf diversen bäuerlichen Interieurs


und Küchenstücken immer wieder denselben
Steinzeugtopf dar (Kat. Nr. 11 und Abb. 2), ein 2 Willem Kalf, Küchenstilleben, Öl auf Holz, 13 x 16 cm. Paris, Musee du Louvre, Inv. Nr. M. I. 938.
zylinderförmiges Gefäß von graubrauner Far­
be mit abeeflachtem Rand und Bandhenkel.6 3 Buttertopf, Steinzeug, Süd-Normandie, 1600-
Steinzeugtöpfe dieser Art scheinen vor allem 1650, Bodenfund Grand Louvre, Höhe 54 cm, 4 Nicolas de Larmessin (1638-1694), Habit de
im Süden der Normandie in den beiden Zen­ Durchmesser 24 cm. Paris, Musee du Louvre, Inv. la Beuriere (Kleidung einer Butterverkäuferin),
Nr. 10512 US 12649-12650. Dieser Buttertopf gefärbte Gravierung, Paris, 1695, aus der Reihe:
tren Ger und Domfront hergestellt worden
wurde in Paris in einem Kellerraum eines aristo­ Costa nies des Metiers et Professions, 30 x 20 cm.
zu sein. Sie waren zur Aufbewahrung, zum
kratischen Wohnhauses aus dem 17. Jahrhundert Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen,
Transport und zum Verkauf gesalzener Butter Inv. Nr. MB 2006/19.
gefunden.
bestimmt (Abb. 3).7 Steinzeug ist ein wasser­
dichtes, säurebeständiges Produkt, das sich
besonders gut zur Aufbewahrung salzhaltiger
Lebensmittel wie Butter oder Pökelfleisch eig­
net.8 In archäologischen Fundkontexten sind
solche typisch normannischen Buttergefäße
in den Niederlanden nie als gängiges Import­
produkt gefunden worden.9 Daraus lässt sich
folgern, dass Kalf ausschließlich während sei­
nes Aufenthaltes in Paris ein solches norman­
nisches Buttergefäß als Modell zur Verfügung
stand. Die französische Bezeichnung für But­
tertopf, pot a beurre, erscheint auch in einer
französischen Bildbeschreibung aus dem 17.
Jahrhundert zu einem Werk Kalfs, dass sich
im Besitz des französischen Malers Jacques
Linard (1597-1645) befand: [161} »Item ein
weiteres Kalf auf Kupfer mit der Darstellung
eines Butterfasses in einem Eimer. Preis: 4
Livre.« Diese Umschreibung lässt vermuten,
dass es sich hier um ein mit dem bereits ge­
nannten Küchenstilleben (Abb. 2) verwandtes
Gemälde handelt, auf dem ebenfalls ein Eimer
und ein Normannischer Buttertopf dargestellt
sind. Seltsam ist, dass auf vielen Bauerninte­
rieurs Kalfs der abgebrochene untere Rand

Alltägliches & Außergewöhnliches - Alexandra Gaba-van Dongen 25


eines Buttertopfes abgebildet ist (Kat. Nr. 6 und den Canal de Briare konnten die Produkte France wurden irdene Töpfe dieser Art jedoch
und 7). Dieses Bildmotiv erscheint ebenfalls per Schiff zu den Absatzmärkten Mittelfrank­ in großen Mengen gefunden. Entstanden ist
auf einem Stich aus dem 17. Jahrhundert, der reichs und nach Paris transportiert werden.13 dieses Modell (marmite tripode) um die Mitte
von dem französischen Graveur Nicolas de Wie wir auf Gemälden Kalfs sehen können, des 16. Jahrhunderts in Paris und wurde ab
Larmessin (1640-1725) stammt: Kleidung ei­ waren diese Vorratstöpfe zur Konservierung dieser Zeit in zahlreichen Töpferwerkstätten
ner Butterverkäuferin (Abb. 4) Zur damaligen von Lebensmitteln bestimmt. Sie wurden mit in und um Paris hergestellt. Im 17. Jahrhun­
Zeit war es üblich, abgebrochene Böden von Stoff oder Tierhäuten abgedeckt. Auch einige dert muss es dort überall in Gebrauch gewe­
Buttertöpfen aus Steinzeug zur Portionierung Pariser Zeitgenossen Kalfs, wie der französi­ sen sein.18 Dafür sprechen sowohl die Funde
kleinerer Mengen Butter zu verwenden.” sche Maler Sebastian Bourdon (1616-1671), aus früheren Abfallgruben der Pariser Elite,
haben Einmachgefäße aus Puisaye auf ihren die im Bereich des Grand Louvre unterhalb
Gemälden dargestellt.H der heutigen gläsernen Pyramide gemacht
Burgundische Ein mach töpfe wurden, als auch solche aus dem ländlichen
Umland von Paris (Abb. 6).19 Französische
Auf einigen bäuerlichen Interieurs stellte Kalf Pariser Kochtöpfe Archäologen konnten sogar jene Kochtöp­
auch einen anderen Typus eines Steinzeugtop­ fe, die in Paris entstanden, von solchen, die
fes dar (Kat. Nr. 2, 10 und Abb. 5).12 Die Form Auf einigen Interieurs Kalfs sind auffällige im Umland produziert wurden, unterschei­
dieses Topfes ist bauchiger als die norman­ Kochtöpfe aus rotem Ton zu finden (Abb. 5).15 den. Pariser Modelle haben eine etwas ande­
nischen Gefäße und hat direkt unterhalb des Diese mit grünen Glasurflecken verzierten re Formgebung: einen etwas höheren Rand
Randes zwei horizontal angebrachte Henkel. Töpfe von Irdenware haben drei Füße und mit zwei bis drei Profilringen. Dieser Typus
Die Farbe des Scherbens ist von hellem Grau. sind mit einem seltsamen Griff versehen: stimmt exakt mit den von Kalf dargestellten
Häufig ziert ein dunkler Glasurfleck die Wand unterhalb eines geraden Stils ist ein Henkel Exemplaren überein und wurde darüberhin-
des Topfes. Anhand dieser Merkmale können angebracht.16 Dieses Modell eines Kochtopfes aus auch von anderen Künstlern verwendet,
diese Gefäße wahrscheinlich der Region Pui- kommt nicht in archäologischen Fundstätten die im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts
saye im Süden Burgunds zugeordnet werden. in den Niederlanden vor und ist auch nicht auf in Paris tätig waren. Die Brüder Antoine und
In Töpferzentren wie Saint-Amand-en-Pui- Gemälden oder Stichen anderer holländischer Louis Le Nain20 haben wie der bereits ge­
saye wurden dergleichen saloirs (Einmachtöp­ Künstler dieser Zeit zu finden.17 In archäolo­ nannte Sebastian Bourdon diese Kochtöpfe
fe) in großer Zahl hergestellt. Über die Loire gischen Fundkontexten in Paris und der Ile de vielfach auf ihren Gemälden abgebildet.21 Der

5 Willem Kalf, Küche, Öl auf Holz, 25 x 25 cm.


Philadelphia, Philadelphia Museum of Art, Inv.
Nr. 636. Auf der hölzernen Bank hinter der Tonne
ist ein Pariser Kochtopf aus Irdenware abgebildet.

6 Kochtopf, Irdenware mit Bleiglasur, Paris,


1600-1650, Bodenfund Grand Louvre, Paris.
Paris, Musee du Louvre, Inv. Nr. 7725 US
7348-7446-7451. Dieser Kochtopf wurde in der
Abfallgrube eines aristokratischen Pariser Wohn­
hauses aus dem 17. Jahrhundert gefunden.

Alltägliches & Außergewöhnliches - Alexandra Gaba-van Dangen


26
aus Straßburg stammende Maler Sebastian »Diese Milchverkäuferin ist so bildschön, Die Identifizierung der oben besprochenen
Stoskopff (1597-1657) wohnte und arbeitete dass jeder von Paris bis Bagnolet den besten französischen Gebrauchsgegenstände bestä­
von 1622 bis 1639 in Paris und machte den Brei aus ihrer Milch machen kann«.28 tigt, dass all die Gemälde, auf denen solche
Pariser Kochtopf sogar zum zentralen Motiv Objekte vorkommen, mit großer Wahrschein­
eines seiner Stilleben.22 Selbst im 18. Jahrhundert war es in Frank­ lichkeit in Paris entstanden sind. Ohne Zwei­
reich noch gebräuchlich, dass Frauen solche fel malte Kalf nach konkreten Gegenständen
gefüllten Kessel auf ihren Köpfen transpor­ aus seiner unmittelbaren Umgebung, die er
Pariser Gießkannen tierten. 1752 schrieb der französische Arzt wirklichkeitsgetreu abbildete. Darüber hinaus
Jacques Amy: »Die Landfrauen bringen die steigerten solche Alltagsobjekte den Wieder­
Auf einem der Pariser Gemälde Kalfs (Kat. Milch in Gefäßen aus gelbem Kupfer.«29 erkennungswert seiner Bauernstilleben und
Nr. 3) ist ein Mann mit Esel und Gemüsestil­ Diese Transportweise erklärt übrigens die machten sie auf diese Weise für sein franzö­
leben in einem gemauerten Torbogen darge­ zum Boden schmaler zulaufende Form des sisches Publikum attraktiver. Damit ist sicher
stellt. Dahinter erstreckt sich eine Weideland­ Milchkessels, wodurch dieser, unterstützt von noch lange nicht gesagt, dass Kalf reale Bau­
schaft mit Kühen. Im Hintergrund ist eine einem Tragetuch auf dem Kopf, in Balance erngehöfte nachbildete oder solche überhaupt
Bergkette zu sehen. Neben dem Gemüsestil­ gehalten werden konnte. In leerem Zustand realistisch wiedergeben wollte. Anscheinend
leben steht eine große Gießkanne aus rotem wurden diese Milchkessel an einem Seil über wollte Kalf seinen Stilleben mit Objekten des
Ton, die unter anderem dazu benutzt wurde, der Schulter getragen, wie ein Gemälde Louis täglichen Gebrauchs einen pittoresken ländli­
das Gemüse frisch zu halten. Derartige irde­ Le Nains zeigt, der zur selben Zeit wie Kalf chen Rahmen geben, der vielleicht durchaus
ne Gießkannen wurden von Pariser Töpfern in Paris tätig war.30 Kupfergerät dieser Art von wirklich existierenden bäuerlichen Wohn­
gefertigt, was an der roten Engobe und den ist auf nordniederländischen Gemälden und räumen inspiriert wurde. Es wird für ihn ein
grünen Glasurflecken an der Außenwand der Drucken nicht zu finden.31 Dort verwendete besonderer Anreiz gewesen sein, Alltagsge­
Kanne zu erkennen ist.23 Während des 17. man zum Transport von Milch gelbkupferne genstände aus so unterschiedlichen Materia­
Jahrhunderts wurden in Frankreich Gießkan­ Milchkannen, die an einem hölzernen Joch lien und von solch verschiedener Form, Farbe
nen auch aus Steinzeug oder Kupfer (Abb. 4, auf den Schultern getragen wurden. Beispiele und Textur in Öl zu malen. Unter diesem As­
S. 39) hergestellt.24 In den Niederlanden sind dafür sind auf Gemälden der Gebrüder Saft­ pekt ist es also gar keine große Überraschung,
ähnliche irdene Gießkannen gebräuchlich ge­ leven und Hendrick Sorghs abgebildet.32 Dar­ dass sich Kalf nach seinen bäuerlichen Interi­
wesen.25 aus kann geschlossen werden, dass alle Ge­ eurs dem Thema des Prunkstillebens zuwen­
mälde, auf denen solche typisch französische den sollte.
kupferne Milchkessel vorkommen, von Kalf
Französische Milchkessel ausschließlich während seines Aufenthaltes in
Paris geschaffen wurden.
Gleiches gilt für einen gelbkupfernen Ge­
brauchsgegenstand, der häufig in den Bau­
ernstilleben Kalfs zu finden ist (Kat. Nr. 2, Französische Messbecher und Esskessel
5, 7, 9, 11, 12, 13).26 Das bauchige Gefäß mit 7 Anonym, La Laittiere de Bagnolet, Paris, 17.
eng zulaufendem Hals und schmalem Boden In mehreren Fällen bildete Kalf einen Henkel­ Jahrhundert. Paris, Bibliotheque Nationale de
hat zwei Henkel. Es scheint sich bei diesem topf aus Zinn ab (Kat. Nr. 6, 10 und Abb. 2).33 France, Departement des Estampes, Inv. Nr. Oa.
20.
Behältnis um einen in Frankreich gebräuch- Auf den ersten Blick deicht dieses Gefäß
liehen, pot ä lait genannten Milchkessel zu einem holländischen Nachttopf, wie er von
handeln.27 Immer wieder erscheint bei Kalf den Gemälden Willem Buytewech (1591/92-
das Motiv einer Frau in der Tür, die ein sol­ 1624) oder Cornelis Saftlevens bekannt ist.34
ches Gefäß auf dem Kopf trägt (Kat. Nr. 13). Holländische Nachttöpfe aus Zinn sind im
Oft liegt ein solcher Kessel auf dem Boden, 17. Jahrhundert fast immer mit einer Dau­
neben einem Brunnen oder ist an einem höl­ menrast auf dem Henkel versehen, um das
zernen Balken aufgehängt. Einen vergleich­ gefüllte Gefäß besser halten zu können. Der
baren Milchkessel aus dem 17. Jahrhundert von Kalf gemalte Zinntopf ist jedoch schlan­
wieder zu finden, ist in der Tat nicht leicht. ker und höher geformt. Es liegt nahe, dass
Kupfer ist als archäologisches Fundmateri­ Kalf hier einen typisch französischen Messbe­
al äußerst selten, da alte Kupfergegenstände cher nachempfunden hat, der zum Abmessen
meistens wieder eingeschmolzen wurden, von Flüssigkeiten diente und niesure genannt
um neue Gerätschaften daraus zu fertigen. wurde.35 Außerdem erscheint es absurd, einen
Wir sind deshalb auf visuelle Quellen aus Nachttopf inmitten von Kochgeschirr und
dieser Zeit angewiesen. Ein fast identisches Gemüse darzustellen. Auf einem anderen Ge­
Exemplar eines kupfernen Milchkessels ist mälde Kalfs ist ein weiterer Typ eines Zinnge­
auf einem anonymen französischen Druck fäßes dargestellt - ein porte-diner genannter
aus dem 17. Jahrhundert zu finden, betitelt Kessel, in dem warme Mahlzeiten transpor­
La Laittiere de Bagnolet (Die Milchverkäufe­ tiert und zu den Bauern auf das Feld gebracht
rin aus Bagnolet) (Abb. 7). Die Unterschrift wurden.36 Solche Kessel sind vor allem in den
des Druckes lautet: Zinngießereien der Ile-de-France und in der
Champagne hergestellt worden.37

Alltägliches & Außergewöhnliches - Alexandra Gaba-van Dongen 27


2. Prunkstilleben Paris-Amsterdam stellen, schließlich unterschieden sich diese ihre Bildtradition zu verfolgen - denn für das
Gegenstände, ob nun französischer oder nie­ Resultat eines Gemäldes war nicht allein die
Willem Kalf schuf beeindruckende Kompo­ derländischer Provenienz, nur geringfügig Verfügbarkeit von besonderen Gegenständen
sitionen mit erlesenen Objekten und visuell in ihrer Formgebung, vor allem nicht in ih­ in der Umgebung eines Malers oder dessen
besonders reizvollen Gegenständen. Bei der rer gemalten Version. Viele Luxusartikel, wie eventuellen Auftraggebers bestimmend.
Identifizierung der diversen kostbaren Zier- beispielsweise venezianische Glaswaren (crfs- Bei der Untersuchung der von Kalf in sei­
und Luxusgegenstände, die Kalf auf seinen in tallo), waren außerdem während des 17. Jahr­ nen Stilleben dargestellten Objekte wurde
Paris und Amsterdam entstandenen Prunk­ hunderts in vielen Ländern Europas begehrte eine Einteilung in Material und Objekttyp
stilleben darstellte, ist ein etwas anderer Weg Importwaren und darum weit verbreitet. Auf gewählt. Auf diese Weise gewinnt man einen
einzuschlagen, als die schon von den bäuerli­ gemalten Abbildungen sind venezianische Eindruck von der Vielfalt der verwendeten
chen Interieurs bekannte Herangehensweise. Originale darüber hinaus kaum von späte­ Objekte. Aufgrund der Vielzahl verschiedens­
Die Pariser und Amsterdamer Prunkstilleben ren, fa^on de Venise genannten Imitationen zu ter Gegenstände können hier leider nicht alle
vereinigen relativ schlichte Objekte mit au­ unterscheiden, die im gleichen Stil überall in dargestellten Objekte besprochen werden.
ßergewöhnlichen Sammelobjekten, die Kalf Europa gefertigt wurden. Auch chinesisches
sowohl in Frankreich als auch in den Nieder­ Porzellan oder Orientteppiche waren überall
landen finden konnte. So ist die Provenienz beliebte Luxusgüter. Bei Prunkstilleben geht Zinn
einfacher Zinnteller, gläserner Weinflaschen es auch darum, dem Ursprung der dargestell­
und metallener Rechauds nur schwer festzu­ ten Objekte als Bildmotiv nachzugehen und Für seine in Paris entstandenen Stilleben wähl­
te Kalf vor allem schlichte Zinnteller, um dar­
auf Zitronen, Orangen, Oliven, Brot(-krümel)
und goldene Uhrwerke zu präsentieren (Kat.
Nr. 14, 15, 19, 21).38 Einfache Zinnteller sind
manchmal auch auf einem Rechaud stehend
gezeigt. Diese mit Kohlen beheizten Rechauds
8 Feldflasche, Zinn, Frankreich, 17. Jahrhundert. Paris, Musee des Arts Decoratifs, Inv. Nr. 38016. wurden dazu genutzt, um zwischen zwei Tel­
lern ein Gericht warm zu halten, beispielswei­
se Muscheln oder Austern (Kat. Nr.21).39 In
den Stilleben, die Kalf später in Amsterdam
schuf, sind hingegen kaum Zinnteller zu fin­
den.’0 Kalf vertauschte sie dort mit kunstvoll
gearbeiteten silbernen Servierplatten. Woher
diese schlichten Zinnteller stammen, ist kaum
noch festzustellen. Ob nun französischer
oder niederländischer Provenienz - in ihrer
Formgebung werden sie sich nicht sonderlich
voneinander unterschieden haben, vor allem
nicht in ihrer gemalten Version. Es liegt je­
doch auf der Hand, dass Kalf hier wohl eher
von französischen Exemplaren Gebrauch ge­
macht haben wird.
Auf einigen Pariser Stilleben malte Kalf
eine ungewöhnliche Feldflasche aus Zinn
(Kat. Nr. 16, 17, 18, 19, 21).” Diese mit einer
Tragekette ausgestatteten Feldflaschen sind
höchstwahrscheinlich französischer Machart,
obwohl verwandte Stücke auch in deutschen
Zinngießereien gefertigt wurden.42 Solch
eine französische Feldflasche befindet sich
heute im Musee des Arts Decoratifs in Paris
(Abb. 8).

Silber (vergoldet)

Auf zahlreichen in Paris entstandenen Stil­


leben Kalfs dominieren große Kannen aus
vergoldetem Silber. Diese aiguidres genannten
Schenkkannen sind typisch für das 16. Jahr­
hundert (Kat. Nr. 14, 17, 18, 19, 21).43 Eine
Ausnahme bildet eine vergoldete Silberkan­

Alltägliches & Außergewöhnliches - Alexandra Gaba-van Dongen


28
ne auf einem, wie man heute annimmt, frü­ Kanne ist eng verwandt mit einem heule Ebenfalls nordniederländischer Provenienz
hen Stilleben (Kat. Nr. 14). Kalf malte diese noch existierenden Stück, das 1632 von dem sind die auf den /Xmsterdamer Stilleben dar­
Prunkkanne nach einem Druckentwurf des berühmten Utrechter Silberschmied Chris- gestellten silbernen Servierplatten (Kat. Nr. 24
italienischen Künstlers Polidoro da Cara- tiaen van Vianen nach dem Entwurf seines bis 27, 29 bis 33 und 35 bis 37), auf denen
vaggio (ca. 1495-1543) - also wahrschein­ Vaters Adam van Vianen aus dem Jahr 1619 ursprünglich mit Wein gefüllte Römer oder
lich nicht nach einem wirklich existierenden geschaffen wurde (Abb. 9).55 Eine vergleich­ Kelchgläser angereicht wurden.56 Die Ränder
Gefäß.” Auf demselben Gemälde ist auch bare Kanne kommt auch auf zwei Stilleben solcher Platten waren kunstvoll mit getriebe­
ein silbernes Messer zu sehen, dessen Heft des Delfter Malers Willem van Aelst (Abb. 1 nen oder ziselierten Blumen-, Ranken- oder
in Form eines Pferdehufes gestaltet ist, so­ bei Kat. Nr. 28) vor.5’ Neben der silbernen Muschelmotiven verziert oder zeigten Kinder
wie eine umgestülpte silberne Trinkschale, Van-Vianen-Kanne befindet sich auf dem Ge­ und Tiere. Auch Buckelornamente waren sehr
die neben der vergoldeten Kanne steht. Der mälde von Kalf (Kat. Nr.28) ein in eine Be­ beliebt, besonders in den nördlichen Nieder­
Typus des »Pferdehufmessers« war vor allem cherschraube aus vergoldetem Silber gefasster landen des ausgehenden 16. und beginnenden
in den nördlichen Niederlanden gebräuch­ gläserner Römerpokal. Der Schaft dieser Be­ 17. Jahrhunderts.57 Die Schöpfer solcher Pre­
lich.’5 Auch die Trinkschalen kamen, in Zinn cherschraube ist eng verwandt mit dem Schaft tiosen waren niederländische Silberschmiede
oder Silber gefertigt, ab dem 16. Jahrhundert zweier Salzfässchen. Diese beiden Salzfäss­ wie Johannes Lutma aus Amsterdam, Andries
hauptsächlich in den nördlichen Niederlan­ chen aus vergoldetem Silber wurden 1639 von Grill aus ’s-Gravenhage und Philippe Luyda
den vor, wurden aber ebenfalls in Antwerpen dem Amsterdamer Silberschmied Johannes oder Nicolaes de Keyser aus Delft.58
hergestellt. Für dieses mit getriebenen Kane- Lutma angefertigt.55
lüren verzierte Schälchen sind verschiedenste
Vorbilder bekannt.’6 Das nordniederländische
Pferdehufmotiv wiederholt sich auf diesem
Gemälde am Grill'eines Löffels.’7 Sowohl der
Löffel, als auch das Messer sind um die Jahre
1630-1640 zu datieren. Der »Pferdehuflöffel« 9 Christinen van Vianen. nach einem Entwurf seines Vaters Adam van Vianen von 1619, Kanne, Silber.
liegt in einer zylinderförmigen Silberdose mit Utrecht, 1632, Privatsammlung.
einem Relief aus Renaissance-Kartuschen, die
stehende antike Figuren zeigen. Aufgrund der
stilistischen Merkmale muss dieses Gefäß in
den Jahren 1575-1600 entstanden sein. Ein
originales Exemplar ist allerdings nicht über­
liefert. Wahrscheinlich ist es eher nordnie­
derländischer als französischer Provenienz.’8
Die Darstellung explizit nordniederländi­
scher Objekte lässt vermuten, dass Kalf dieses
Gemälde vielleicht noch vor seinem Umzug
nach Paris ausgeführt hat. Möglicherweise
haben wir hier eines seiner ersten Prunkstil­
leben vor uns.19
Eine vergoldete Silberkanne von anderer
Art diente Kalf häufig als Modell für seine
Pariser Stilleben. Meistens ist sie zusammen
mit einem dazugehörigen Unterteller abgebil-
del. Kannen dieser Art stammen aus dem 16.
Jahrhundert und sind französischer Machart
(Kat. Nr. 17, 18, 19, 20, 21). Vielleicht wurden
die von Kalf gemalten Kannen für eine fran­
zösische (Pariser?) Familie hergestellt. Dafür
spricht das Familienwappen, dass auf einem
der dazugehörigen Unterteller wiedergegeben
ist (Kat. Nr. 19).50 Der Besitzer dieser Prunk­
kannen wird dann wahrscheinlich auch der
Auftraggeber dieses Gemäldes gewesen sein.
Solche kostbaren, aiguieres genannten Kannen
mit Unterteller dienten während der Mahl­
zeiten zum Waschen der Hände und wurden
auch in Zinn und Silber ausgeführt.51
Auf einigen Amsterdamer Stilleben ist eine
außergewöhnliche silberne Schenkkanne zu
finden, die mit getriebenen Buckelornamen­
ten verziert ist (Kat. Nr. 28 u. 37).52 Diese

Alltägliches & Außergewöhnliches - Alexandru Gabu-vun Dongen 29


1

Exotische Prutikbechcr ist mit einem Exemplar aus dem amerikani­ bekrönt, auf dem die Figur Neptuns steht. Aus
schen Toledo Museum of Art. 1596 versah dem weit aufgerissenen Maul des Ungeheuers
Ralfs Amsterdamer Stilleben zeigen impo­ der Utrechter Silberschmied Jan Jacobsz. van flüchtet ein kleines Männchen. Möglicher­
sante Trinkpokale aus besonderen Naturalia Royenstein (ca. 1549-1604) das Muschelge­ weise handelt es sich hier um die Darstellung
wie Muschelgehäusen oder Bütfelhorn, sowie häuse mit einer vergoldeten Silbermontie­ des Walfisches, aus dessen Maul Jonas an
kostbare Gegenstände aus venezianischem rung (Abb. 10) Der gemalte Nautilusbecher Land gespien wird. Der einzige Unterschied
Kristall oder chinesischem Porzellan. Diese ruht auf einem Fuß in Form eines Meeres. zwischen dem von Kalf gemalten Nautiluspo­
vornehmlich aus dem 16. Jahrhundert stam­ Den Schaft bildet die Figur eines Tritonen, kal und dem realen Stück aus Utrecht besteht
menden Objekte, gefasst in Montierungen aus der die Nautilusmuschel auf seinen Schultern in der Form des Schaftes, der hier einen auf
edelstem Metall, bilden den Mittelpunkt sei­ trägt. Seitlich zieren zwei weitere Tritonen das einem Delphin reitenden Satyr zeigt. Die Ver­
ner Kompositionen. Muschelsehäuse. Mit ihren Armen umfassen zierungen und der Kopf des Seeungeheuers
Willem Kalf malte einen besonderen Nauti­ sie einen Delphin. Der Nautiluspokal wird sind jedoch identisch.59
luspokal (Kat. Nr. 31), der sehr eng verwandt vom Kopf eines bedrohlichen Seeungeheuers Aus dem Jahr 1565 stammt das beeindru­
ckende Trinkhorn der Amsterdamer St. Sebas­
tians- oder Handbogenschützengilde. Es war
noch als Gildehorn in Gebrauch, als Kalf es
10 Jan Jacobsz van Royenstein (ca. 1549-1604), Nautilusbecher, Nautilusmuschel und vergoldetes Silber, malte (Kat. Nr. 25). Heute befindet es sich im
1596. Toledo, Toledo Museum of Art, Inv. Nr. 1973.53. Historischen Museum Amsterdam. Das Büf­
felhorn ruht in einer silbernen Montierung,
die mit dem Meisterzeichen »Bourgondische
vuurslag« (Abb. 11) versehen ist. Der tragen­
de Teil der Montierung stellt das Martyrium
des Hl. Sebastians dar, dem Schutzpatron
der Amsterdamer Gilde der Schützen. In der
Sammlung des Amsterdamer Rijksmuseums
befindet sich ein ähnliches Trinkhorn, das
Prunkstück der Amsterdamer Kloveniersgil-
de. Es entstand im Jahr 1547 und wird Arent
Cornelisz. Coster zugeschrieben. Dieses re­
lativ frühe Trinkhorn kann als Vorläufer des
von Kalf abgebildeten Gildehorns gelten.
Auch ein anderes, ganz aus Silber gefertigtes
Exemplar, das 1566 für die St. Jorisgilde ent­
stand und dem Silberschmied Frederik Jans
zugeschrieben wird, geht möglicherweise auf
das Trinkhorn der Kloveniersgilde zurück.
Die Anwesenheit des Trinkhorns der St. Se-
bastiansgilde auf gemalten Gruppenporträts,
wie dem 1653 von Bartholomeus van der
Heist geschaffenen Die Vorsteher des Amster­
damer Schützenkorps, unterstreicht den zere­
moniellen Charakter dieses Gefäßes, aus dem
damals bei Zusammenkünften der Gilde ge­
trunken wurde.60
Ein außergewöhnliches Stück ist die von
Kalf gemalte »Holbeinschale« aus Bergkristall
(Kal. Nr. 36 und 37), die in ihrer ursprüngli­
chen Gestalt im 14. Jahrhundert in Venedig
entstand und um 1540 eine silberne Mon­
tierung nach dem Entwurf Hans Holbeins
d.J. (1497/8-1543) erhielt (Abb. 12). Auf der
gemalten Schale brachte Kalf die Inschrift
»HoLBeen Fe« an. Auf dem Original ist eine
solche Inschrift jedoch nicht zu finden. Ganz
offensichtlich wollte Kalf den Betrachter aut
die außerordentliche Virtuosität dieses be­
rühmten deutschen Renaissancekünstlers
hinweisen.61

Alltägliches & Außergewöhnliches - Alexandra Gaba-van Dongen


30
Glas

Immer wieder stellte Kalf kostbare und luxu­


riöse aus Venedig importierte Glaswaren des
16. und 17. Jahrhunderts auf seinen Pariser
und Amsterdamer Stilleben dar. Auch andere,
zu dieser Zeit in europäischen Glashütten im
Stile venezianischen Glases gefertigte Stücke,
fa^on de Venise genannt, sind dort zu finden.02
Es ist fast unmöglich zu unterscheiden, ob es
sich bei den gemalten Versionen nun um ve­
nezianische Originale oder um in Frankreich,
den nördlichen und südlichen Niederlanden,
Spanien, Österreich, England oder Deutsch­
land entstandene Imitate handelt. Fa^on de
Ven/se-Glaswaren wurden anfänglich vor al­
lem von emigrierten venezianischen Glasblä­
sern gefertigt.65 Selbst wenn man ein solches
Glas in Händen hält, ist es äußerst schwierig,
Unterschiede zu erkennen.61 Darüber hinaus
sind die gemalten Gläser auf Kalfs Stilleben
so durchscheinend, dass sie nur noch vage
zu erkennen sind und oft nur durch das von
ihnen reflektierte Licht aus dem Dunkel des
Hintergrunds hervortreten. Auch in Amster­
dam siedelten sich Glashütten an, die sich auf
die Herstellung von fasern de Venise Gläsern
spezialisierten. 11 Trinkhorn der St. Sebastians- oder Handbogenschützengilde, Büffelhorn und vergoldetes Silber,
Auf einigen seiner Pariser Gemälden gab Amsterdam, 1565. Amsterdam, Amsterdams Historisch Museum, Inv. Nr. KA 13966
Kaifein außergewöhnliches Foppglas wieder,
ein so genanntes Weinprüfglas (Kat. Nr. 15).
Möglicherweise ist diese gemalte Karafle ve­
nezianischer Provenienz und stammt dann
aus dem 16. Jahrhundert. Bis heute ist nur ein
einziges verwandtes Exemplar bekannt, eine 12 Holbeinschale, Kristall, 14. Jahrhundert; Venezianisches Glas und Silber (Montierung), ca. 1540 nach
einem Entwurf Hans Holbeins d. J. München, Schatzkammer der Residenz, Inv. Nr. 40 \VL.
Karaffe aus der zweiten Hälfte des 17. Jahr­
hunderts nordniederländischer oder spani­
scher Provenienz?5 Die von Kalf gemalte Ka­
raffe hat die Form einer Traube - ein Motiv,
das bereits in der römischen Antike bekannt
war. Die Halsöffnung dieser Weinprüfkanne
mündet in einer flachen Trinkschale. Es war
schon etwas Geschick erforderlich, um die ge­
füllte Kanne so zu halten, dass der Wein ohne
verschüttet zu werden in die Trinkschale flie­
ßen konnte, um danach verkostet zu werden.
So kann der von Kalf auf einigen seiner
Amsterdamer Werke (Kat. Nr. 26, 27, 35)
abgebildete Pokal aus Eisglas in Form eines
Messkelchs (Ziborium)6*’, jedoch ohne Deckel
wiedergegeben, venezianischer Provenienz
sein und wäre dann um die Zeit 1550-1600
entstanden. Das Glas kann aber auch durch­
aus nordniederländischer Machart sein. In
diesem Fall ist es möglicherweise zu Beginn
des 17. Jahrhunderts von einem aus Venedig
nach Amsterdam emigrierten Glasbläser ge­
schaffen worden. Zu dieser Zeit war die von
Jan Hendriksz. Soop betriebene Glashütte
die einzige Werkstatt in Amsterdam, die Eis-

Alltägliches & Außergewöhnliches - Alexandra Gaba-van Dongen 31


glas herstellte. 1608 wurden dem Japanischen Auf den in Amsterdam entstandenen Stil­ kostbare Becherschrauben aus vergoldetem
Tenno Eisglasbecher zum Präsent gemacht, leben kommt häufig ein gläserner Römerpo­ Silber gefasst (Kat. Nr. 28, 31, 35) und sind in
die aus dieser Amsterdamer Glaswerkstatt kal aus dem 17. Jahrhundert vor (Kat. Nr. 24, dieser Form auch auf den Amsterdamer Still­
stammten.67 Um das Jahr 1600 gelangte die 25, 29 bis 31, 33, 34).69 Der mit beerenförmi­ leben Kalfs wiederzufinden.72
Eisglastechnik über venezianische Glasbläser gen Nuppen verzierte Römer ist in dieser Art
in die Glashütten nördlich der Alpen. Seitdem erstmals um 1580 im Spessart (Rhein-Main-
entstand eine ganze Bandbreite von fa^on de Gebiet) hergestellt worden. Seine Form hat Chinesisches Porzellan
Venise Eisglasobjekten wie Becher, Karaffen, sich aus dem sogenannten »Berkemeier« ent-
Pokale und Schalen. Die Oberfläche eines wickelt. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhun­ Vor Beginn des 17. Jahrhunderts sind Abbil­
Eissiasbechers ist vom Glasbläser absichtlich derts genoss der Römerpokal, bestimmt zum dungen fernöstlichen Porzellans in der abend­
rau und milchig gestaltet worden. Um einen Trinken weißen Rheinweins, eine große Po- ländischen Kunst äußerst selten. Die ersten
solchen Effekt zu erzielen, wird der erst zum pularität und wurde auch in den nördlichen Vorbilder erscheinen auf italienischen Ge­
Teil ausgeblasene Glasballon in kaltes Was­ Niederlanden in großer Zahl produziert.70 mälden aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhu-
ser getaucht, wodurch das Craquele entsteht. Kalf stellte auf seinen Gemälden Römerpoka­ nerts.73 Ab den ersten Jahren des 17. Jahrhun­
Nach erneutem Erwärmen wird das Glas wei­ le in verschiedensten Größen dar, manchmal derts gelangt chinesisches Porzellan in großer
ter ausgeblasen. Die Oberfläche bekommt mit einer halbgeschälten Zitrone darin (Kat. Menge auf den europäischen Markt, wo es als
nun ein »geeistes« Aussehen. Eine andere Nr.33).71 kostbare und luxuriöse Ware in den Porzel­
Möglichkeit besteht darin, den heißen Glas­ Gern kombinierte Kalf für seine Stilleben lankabinetts wohlhabender Bürger ausgestellt
zylinder in feinen Glassplittern zu wälzen, die Römerpokale deutsch-niederländischer Pro­ wurde. Ein Großteil des auf Stilleben des 17.
dann zu einem Teil mit der Glasoberfläche venienz mit venezianischem Glas bzw. mit im Jahrhunderts abgebildeten Porzellans wurde
verschmelzen. Im Rijksmuseum Amsterdam Stile venezianischen Glases gefertigten Stü­ auch erst zu dieser Zeit importiert. Einige
befindet sich ein ähnlicher facon de Venise cken. Venezianische Weinkelche oder Römer­ wenige ältere Stück aus dem 16. Jahrhundert
Messkelch.*'s gläser wurden häufig von Silberschmieden in bilden die Ausnahme. Kalf präsentierte auf
seinen in Amsterdam entstandenen Prunk­
stilleben einige außergewöhnliche Porzellan­
objekte. Auf dem in Amsterdam entstande­
13 Deckeldose, Wan-li-Porzellan, China 1640-1660, Höhe 16,5 cm. nen Gemälde aus Madrid (Kat. Nr. 32) sehen
Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. AK-MAK 563. wir zwei Objekte aus chinesischem Porzellan.
Rechts ist eine Wan-li-Schale aus dem letzten
Viertel des 16. Jahrhunderts abgebildet. Ein
dieser Schale verwandtes Original befindet
sich heute im Metropolitan Museum of Art
in New York. 1 Diese Schale wurde 1585 von
einem unbekannten englischen Silberschmied
in eine Montierung aus vergoldetem Silber
gefasst. Die auf dem Gemälde von Kalf dar­
gestellte Silbermontierung ist mit zwei Hen­
keln in Form kleiner Figuren versehen. Indem
man solch kostbare Objekte wie diese chine­
sische Schale in Montierungen aus Edelmetall
fasste, stiegen sie noch in Ansehen und Wert.
Links von dieser Schale steht eine eigentümli­
che chinesische Schnabelkanne, die in blauer
Unterglasurfarbe mit einem Brunnenmotiv
verziert ist und in der Regierungszeit des Kai­
sers Chia Ching (1521-1567) gefertigt wurde.
Eine vergleichbare chinesische Schnabelkan­
ne befindet sich im Archäologischen Museum
Teheran im Iran/5 Auf Kalfs Stilleben ist sie
mit einer silbernen Montierung gezeigt.
Ein ungewöhnliches chinesisches Deckel­
gefäß, das in die Zeit von 1620 bis 1640 da­
tiert wird, bildete Kalf auf zwei seiner 1662
in Amsterdam entstandenen Stilleben ab, die
sich heule in Berlin und Madrid befinden
(Kat. Nr. 30 und 31).76 An der Außenseite
des Gefäßes sind acht plastische Figurinen
angebracht, welche die so genannten »Acht
Unsterblichen« symbolisieren.77 Ein kleines
Figürchen in Gestalt des Ji/-Hundes (Bud­

Alltägliches & Außergewöhnliches - Alexandra Gaba-van Dangen


32
dhistischer Löwe) bildet den Knauf des De- tätig war, sind Werke entstanden, die nicht Grisebach abgelehnle Bauernintericur von 1638 doch
ckels. Auf insgesamt neun Stilleben hat Kalf allein die Entwicklung des Malers selbst wi­ ein eigenhändiges Werk Kalfs ist, siehe Grisebach,
zwei verschiedene Typen dieses chinesischen derspiegeln, sondern auch diejenige der ver­ 1974, Verz. Nr. C 11, Abb. 169, sowie Kal. Nr. 1 dieses
Ausstellungskatalogs.
Deckelgefäßes dargestellt. Der erste Typus schiedensten Objekte, die Kalf als Modelle zur $ M. Dijkstra u. S. Ostkamp, »Vondsten uit een beer-
zeigt die Figurinen der »Acht Unsterblichen« Verfügung standen. Die zwischen 1638 und put van huis Rosendaal te Lisse (ca. 1590-1630). Een
jeweils paarweise in vier blauen Kartuschen. 1645 in Rotterdam und Paris entstandenen kijkje in de keuken van een VOC beambte«, Assem-
Die Figurinen sind in blutroter und goldener bäuerlichen Interieurs zeigen Beispiele zeitge­ bled Articlcs 3. Symposium on mcdieval and post-me-
Farbe gemalt.78 Auf dem zweiten Typus sind dieval ceramics, hrsg. v. H. Clevis, S.Ostkamp, Stich­
nössischer Alltagsutensilien, die in jener Zeit
ling Promotie Archeologie, Zwolle 2006, S. 146, dort
sie weiß belassen und in gleichem Abstand in Rotterdam und Paris gebräuchlich waren, der Paragraph »Rood en witbakkend aardewerk«.
zueinander rund um das Gefäß verteilt. Auf und deren Provenienz und Entstehungszeit 6 Grisebach. 1974, Kat. Nr. 10, 14, 19, 30, 47, 49, 58,
dem Deckel ist eine weitere kleine mensch­ präzise zurückzuverfolgen sind. In Paris, wo siehe auch Abb. 1 von Kat. Nr. 8 in diesem Katalog.
liche Figur als Knauf angebracht.79 Originale Kalf seine Prunkstilleben entwickelte, wählte 7 Normannische Buttertöpfe wurden auch in archäo­
logischen Fundkontexten aus dem 17. Jh. in Kanada
chinesischer Deckelgefäße dieser Art befin­ er ebenso typisch französische wie interna­ angetroffen. J.-P. Chrestien; D. Dufournier, »French
den sich im Rijksmuseum Amsterdam (Abb. tional verbreitete Luxusgegenstände als Vor­ Stoneware in North-Eastern North America«, Tradc
13), im Museum Het Princessehof in Leeu- lage seiner Werke. Nach seiner Rückkehr in and Discovery: Tie Scientific Study of Artefacts front
warden, dem Zeeuws Museum Middelburg die Niederlande wurde Kalf Zeuge des florie­ Post-Medieval Europe and Bcyond, hrsg. v. Duncan R.
und im Musee Guimet Paris. renden Umschlags an importierten Luxus­ Hook; David R.M. Gaimster, British Museum Occa-
sional Paper 109, The British Museum, London 1995,
gütern aus der ganzen Welt, die wohlhaben­ S.91-103.
de holländische Bürger für ihre Häuser und 8 D. Alexandre-Bidon, Une Archeologie du Goüt. Ce-
Persische Teppiche Sammlungen erwarben und welche sie auch ramique et consommation, Espaces Medievaux, Paris
gern auf Prunkstilleben abgebildet zu sehen 2005, S. 132 u. S. 133, siehe Abb. 39.
wünschten. Der blühende Überseehandel 9 Seit dem Mittelalter importierten die Nördlichen Nie­
Es ist auffällig, dass Kalf auf seinen in Paris
derlande Steinzeug aus dem Rheinland, das vor allem in
entstandenen Stilleben kein einziges Mal brachte großen Wohlstand mit sich, wodurch den Zentren Langerwehe, Siegburg, Köln, Raeren und
einen orientalischen Teppich dargestellt hat das Angebot an exotischen Sammelobjekten, im Westerwald entstand. In den Niederlanden wurden
- und dies im Gegensatz zu der Vielzahl an Pretiosen und kostbaren Gebrauchsgegen- zwar einige Steinzeuggefaße aus der Normandie ge­
Teppichen, die auf seinen Amsterdamer Ge­ sländen enorm zunahm. Es sind diese objets funden, vor allem in Zeeland und Nord-Holland, diese
de luxe, die in stets wechselnder Kombination wurden allerdings nicht regulär importiert, sondern
mälden erscheinen. In Paris gebrauchte Kalf
dienten zur Verpackung eingeführter Nahrungsmittel
vor allem ein weißes Damasttuch und eine von Kalf so treffend auf seinen Prunkstilleben Siehe auch: J.G. Hurst, D.S. Neal, H.J. E. van Beunin-
grüne Unterdecke als Untergrund für seine wiedergegeben sind. Das unwiderstehliche gen, Pottery Produced and Traded in North-West Eu­
Kompositionen. Kostbare Teppiche wurden Verlangen der wohlhabenden Bürger des 17. rope 1350-1650, Rotterdam Papers VI/A contribution
in großer Zahl durch die Vereinigte Ost­ Jahrhunderts solche kostbaren und luxuriö­ to medieval archeology, Stichting Het Nederlandse
sen Objekte zu besitzen, spiegelt sich in den Gebruiksvoorwerp, Museum Boijmans Van Beunin-
indien-Kompanie aus Persien in die nörd­
gen, Rotterdam 1986, S. 100-102; S.Ostkamp, A. van
lichen Niederlande importiert. Die besondere Prunkstilleben von Willem Kalf. Benthem, Goes »Prins van Oranje». Een archcologische
Wertschätzung, die diese Teppiche erfuhren, begeleiding, ADC ArcheoProjecten, ?\DC Rapport
spricht aus der Tatsache, dass man sie im 17. 307, Amersfoorl 2004, S. 15-17. In der Sammlung
Jahrhundert vornehmlich auf den Tisch legte. Van Beuningen-de Vriese im Museum Boijmans Van
Anmerkungen Beumngen befindet sich ein leicht abweichendes, etwas
Nur bei Hof oder zu offiziellen Gelegenheiten
Mil Dank an folgende Experten für ihre unentbehr­ später zu datierendes Modell mit der Inv. Nr. F3883, ge­
wurden Orientteppiche auf den Boden gelegt. liche Hilfe bei der Identifikation der von Kalf darge­ funden in Hoorn.
Erst ab Ende des 17. Jahrhunderts wurde es stellten Objekte: Daniele Alexandre-Bidon, Jan Baart, 10 »Item ung aultrc Calphe peinct sur cuivre oü est
gebräuchlicher, Orientteppiche als Bodenbe­ Jan Beekhuizen, Philippe Boucaud, Louis-Michel un pot ä beurre dans un seau [Eimer] numero huict
lag zu nutzen.80 Alle von Kall abgebildeten Gohel, Chrisliaan Jörg, Diana Mertens, Emiel Mer­ vingtz ung prise ä 4 Lt.« Siehe dazu den Artikel von
tens, Johan ter Molen, Sebastiaan Ostkamp, Jutta An­ Mickael Szanto an anderer Stelle in diesem Katalog.
Teppiche scheinen persischer Provenienz zu
nette Page, Steven Pendery, Marcel Poulet, Fabienne Die Transkription des Gemäldeverzeichnisses wurde
sein (Kat. Nr.22, 23, 25, 26, 27, 29 bis 33, 35 Ravoire, Henk van Wijk, Marleen Willebrands, Joop bereits früher von ihm publiziert in Mickael Szan­
bis 37). Er stellte dabei immer wieder eine be­ Wilteveen. to, »Pour Jacques Linard, peintre de natures mortes
stimmte Art von Blumenteppichen dar, die er 1 Roel James, »Van >boerenhuysen< en »stilstaende (Troyes 1597-Paris 1645)«, Bulletin de la Societe de
möglicherweise selbst besaß.81 Diese Art von dinghem«, Rotterdamse Meesters uit de Gouden Eeuw, l’Histoire de l'Art Fran^ais 2001 (2002), S. 52-57.
hrsg. v. Nora Schadee, Ausst. Kal. Historisches Mu­ 11 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 8, 28, 30, Verz. Nr. B 5.
Teppichen aus dem 17. Jahrhundert ist äußerst
seum Rotterdam, Waanders Uilgevers, Zwolle 1994, 12 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 5, 6, 8, 9, 17, 40, 56.
selten und kaum bis heute erhalten geblieben. S. 133-141. Auch der Middelburgische Maler Fran­ 13 Marcel Poulet, Poteries et potiers de Puisaye et du
Ein verwandter persischer Teppich wird im cois Rijckhals (1600-1647) und der Antwerpener Val de Loire XVIemc et XXenie siecles, Paris 2000.
Museo Bardini in Florenz aufbewahrt.82 David Teniers (1610-1690) haben sich mit diesem ” Grisebach, 1974, Abb. 177. Das Stilleben auf dem
Thema beschäftigt. Siehe dazu das Essay von Jeroen Gemälde Bourdons ist übrigens unmittelbar durch
Giltaij an anderer Stelle in diesem Katalog. das Werk von Kalf inspiriert worden.
2 Siehe hierzu in diesem Katalog auch die von Friso 15 Grisebach» 1974, Kat. Nr. I, 8.
Nachwort Lammertse und Mickael Szanto verfasste Biographie ,ö Diese typische Stielform ist wahrscheinlich von
Willem Kalfs. bronzenen Kochtöpfen mit vergleichbarer Stieltorm
Das CEuvre Kalfs ist für die Untersuchung •' Lucius Grisebach weist in seiner 1974 verfassten abgeleitet worden.
der Kulturgeschichte von Gebrauchs- und Monographie über Willem Kalf auf die Darstellung 17 Diese Angaben sind dem Boijmans Van Benningen
Luxusgerät hochinteressant und von großem von typisch französischen Gebrauchsgegenständen Documentatiesysteem voor Pre-lndustriele Gebruiks-
hin, geht aber nicht detaillierter darauf ein. Grise­ voorwerpen © 1989 entlehnt.
Belang. Während verschiedener aufeinander bach. 1974, S.59-60. *• In zwei Pariser Besitzinventaren verstorbener Töp­
folgender Zeiträume, in denen Kalf nachein­ 4 Jeroen Giltaij, einer der Autoren dieses Katalogs, fer von 1563 und 1565 werden solche Kochtöple als
ander in Rotterdam, Paris und Amsterdam kam kürzlich zu dem Schluss, dass das damals von pots ä trois pieds bezeichnet, die dazugehörenden

Alltägliches & Außergewöhnliches - Alexandra Gaba-van Dongcn


Deckel als couvcrclcs. F. Ravoire, La vaissel/e de terre Jh. nach einem Original Kalis erkannt worden (Kat. 52 Siehe hierzu Grisebach, 1974, Kal. Nr. 71. Siehe
euite en Hc-de-France ent re lafin du XVe et la prcmitre Nr. 14). auch das Stillebcn im Suermondt-Ludwig-Museum in
moitie du XVlIes. Definition dun facies regional, die­ 37 Mit Dank an Philippe Boucaud. Aachen (Inv. Nr.GK 1194), das seinerzeit von Grisebach
se de doctorat de nouveau regimc, Paris I, Pantheon- 3S Siehe dazu Grisebach, 1974, Kat. Nr. 62, 63, 65, 67, (Verz. Nr. C 25) als Original abgelehnl wurde, mittler­
Sorbonne, Volume IV» Paris 1997. 68, 69, 70, 70a. weile durch Fred G. Mcijer wieder als solches anerkannt
19 C. Brut, »Le puits de lancienne cour du Louvre 39 Siehe dazu Grisebach, 1974, Kat. Nr. 69, 70a, Verz. wurde. Siehe dazu an anderer Stelle in diesem Katalog
medieval«, Le Louvre des rois. De la Jorterosse de Phi­ Nr. A 3. Zur Praxis des »Warmhaltens zwischen die Addenda und Korrigenda zu Lucius Grisebachs
lippe Auguste au Palais-Musee de Louis XVI, Dijon, zwei Tellern« von Muscheln, Austern und anderen Werkverzeichnis von Willem Kalf, Nr. A 25.
Editions Faton 1995, S. 106-107 u. 109; P.-J. Trombet- Gerichten des 17. Jh., siehe Marleen Willebrands, 53 Ausst. Kal. Zeldzaam zilver uit de Gouden Eeuw.
ta, Sons la pyramide du Louvre. Vingt sieclcs rctrouves, De verständige kok. De rijke keuken van de Gouden Dc Utrechtse edelsmeden Van Vianen, Utrecht, Cen-
Paris, Editions Le Rocher, Jean-Paul Bertrand Editeur Eeuw. Tekstuitgave van het enige gedrukte Noord-Ne- traal Museum, 1984-85, Kat. Nr. 65.
1987, S. 65; Archeologie du Grand Louvre. Le quartier dcrlandse kookboek uit de zeventiende eeuw, Uitge- 54 Willem van Aelsl, Stilleben mit Blumenvase, sig­
du Louvre au XVIle siede, hrsg. v. G. Bresc-Bautier, verij Pereboom, Bussum 2006, S. 106-107 niert und datiert 1660 (und undeutlich 1659), Lein­
Exposilion-dossier du departement des Sculptures, 40 Mil Ausnahme von Kat. Nr. 25. siehe dazu Grise­ wand, 83,8 x 66,7 cm, Kapstadt, Michaelis Collection,
section Histoire du Louvre no. 59, Paris 2001, S. 206. bach, 1974, Kat. Nr. 73, 77, 78, 101. Inv. Nr. 14/1.
20 J. Thuillier, M. Laclotte, »Les freres Le Nain«, in 41 Siehe dazu Grisebach, 1974, Kat. Nr. 63, 64b, 67, 55 Jan Rudolph de Lorrn, Amsterdams Goud en Zilver,
Ausst. Kat. Grand Palais, Paris, Editions de la Reu­ 69, 70. Waanders Uitgevers b. v., Zwolle, Rijksmuseum, Am­
nion des musees nationaux, Paris 1978, Kat. Nr. 29, 42 Mit Dank an Philippe Boucaud. sterdam 1999, S.41.
S. 185-189. 43 Siehe dazu Grisebach, 1974, Kat. Nr. 62, 63, 65, 69, 56 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 71, 72, 74 bis 76, 79, 82
21 Grisebach, 1974, Abb. 177, S. Bourdon, Bäuerliches 70. bis 84, 88,90, 92 bis 100, 103 bis 105, 108, 109, 111 bis
Interieur, Inv. Nr. MI 1027, Musee du Louvre, Paris. 44 BergstrÖm, 1956, S. 270-272. Der bewusste Druck 128, 130, 133, 135 bis 141.
22 Birgit Hahn-Woernle, Sebastian Stoskopff. Mit einem ist Nr. 8 aus einer 1582 herausgegebenen Serie. 57 Das Vorbild einer solchen Schale befindet sich im
kritischen Wortverzeichnis der Gemälde, Stuttgart 1996, 45 Für Messer mit Pferdehufverzierung am Knauf Rijksmuseum, siehe J. R. de Lorrn, op. cit. Anm. 55,
Kat. Nr. 20, S. 146-147 u. Kat. Nr. 15, S. 136-137. sind niederländische Vorbilder sowohl aus Kupfer als S. 56, Kat. Nr. 17.
23 In Paris gefertigte irdene Gießkannen wurden auch aus Silber bekannt, die sich heute in Privatbesitz SR M.-C. Roodenburg, Een Hollands pronkstilleven,
bei archäologischen Grabungen wiederentdeckt. Im befinden. Uitgave Bank voor Handel en Scheepvaart N.V., Rot­
Musee National du Moyen Age in Paris befindet sich 46 Silberne Exemplare aus Haarlem (1620), Gouda terdam 1959, S. 7. Vergleiche auch K. A. Citroen (u.a.),
ein vollständig erhaltenes Exemplar, dass aus einer (1622) und Leiden (1583) sind abgebildet bei J. W. Meesterwerken in zilver: Amsterdams zilver 1520-1820,
Sickergrube aus dem 16. Jh. stammt. Frederiks, Dutch Silver, 4 Bd., Den Haag 1952-1961, Ausst. Kat. Museum Willet-Holthuysen, Amsterdam
24 Grisebach, 1974, Verz. Nr. B 1 u. B 2. Vergleichbare Bd. 1, 1952, Nr. 15, 20, 23. Vorbilder aus Zinn sind zu 1984-1985, S. 50, Kat. Nr. 35 u. S. 61, Kat. Nr. 50.
französische Gießkannen aus Steinzeug, gefertigt in finden in: Jan Beekhuizen (Hrsg.), Van tingegoten, uit S9 Ibid., Roodenburg, S. 15-16.
Puisaye (Burgund), befinden sich im Musee du Gres tin genoten, Nederlandse Tinvereniging, Amsterdam 60 Op. cit. Anm. 48, S. 267, Kat. Nr. 387.
Ancien in Premery, Nievre. 2004, Nr. 76, 78,81. 61 Kat. Nr. 36 u. 37. Zu diesem Thema siehe ebenso
25 In der Sammlung Van Beuningen-de Vriese (Mu­ 47 Das Pferdehufmotiv als Griff oder Knauf von J. Kappel, »Rock-Crystal Works«, Princely Splendor.
seum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam) befindet Löffeln und Messern ist durch ältere italienische The Dresden Court 1580-1620, hrsg. v. D. Syndram,
sich eine Gießkanne aus Steinzeug, die um 1575 ent­ Vorbilder inspiriert. In Italien ist es seit römischer A. Scherner, Staatliche Kunstsammlungen, Dresden/
stand, Bodenfund Utrecht, Inv. Nr. F 4287. Ein ver­ Zeit bekannt. Die Niederländische Variante aus der The Metropolitan Museum of Art, New York, Dres­
gleichbares Exemplar befindet sich auch im Histori­ ersten Hälfte des 17. Jh. leitet sich davon ab. Außer­ den, Electa 2004, S. 250-267.
schen Museum Rotterdam, Bodenfund Rotterdam. halb Italiens und der Niederlande sind Pferde- oder 62 Kat. Nr. 14 bis 16, 19, 25 bis 27, 29 bis 31» 33.
26 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 17, 23, 27, 31,48, 49, 52, Kuhhufe als Besteckmotiv kaum bekannt. Im 17. Jh. 63 J. A. Page (et al.), »Introduclion«, Beyond Venice.
53, 56, 57, sowie Abb. 7 zu Kat. Nr. 8 u. Abb. 1 zu Kat. werden derartige Löffel »Pferdehuflöffel« genannt. Glass in Venetian Style, 1500-1750, The Corning Mu­
Nr. 12. (E. M.Ch.F. Klijn, Eet- en sierlepels in Nederland tot seum of Glass, Corning, New York 2004, S. 3-19.
2" Op. cit. Anin. 8, S. 205. ca. 1850, Uitgeversmaatschappij De Tijdstroom, Lo- 64 Ine de Raedl, Koen Janssens u. Johan Veeckman,
' Cctte Laitticre est si jolie, Qu'A Paris conima Bagno- chem-Gent 1987, S. 82, 88, 95, 96, 97). Der Löffelgriff »On the distinction between 16lh and 17th Century
let. Quelqu'un pouvoit aveeson lait, Faire dassez bonne ist auf Kalfs Gemälde etwas »schlaff« geraten, was für Venetian and Facjon de Venise Glass«, Majolica en
boullic, Anonym, Gravüre de mode, Paris chez Bon- eine spätere Datierung um 1630-1640 spricht. Glas van Italic naar Antwerpen en verder. De over-
nage, Rue St. Jacques, Paris, Bibliotheque Nationale de 4M Die Form dieses Objekts erinnert in etwa an ein dracht van technologie in dc I6de en 17de eeuw, hrsg.
France, Departement des Estampes, o. A. 20. silbernes Ziborium aus dem 17. Jh., das von Kalf v. J. Veeckman, Antwerpen, 2002, S. 95-121.
29 »Les femmes de la Campagne apportent le lait dans dargeslellle Exemplar hätte allerdings in diesem Fall 65 Op. cit. Anm. 63, S. 12, 14-15, Abb. 7. Diese Karaffe
des vaisseaux de cuivre jaune.« aus: op. cit. Anm. 8, einen Deckel haben müssen. Siehe Kunst voor de aus dem 17. Jh. hat die Form einer Jakobsmuschel.
S.205. Beeldenstorm. Noord-Nederlandse kirnst 1525-1580, w’ Ein Ziborium oder Messkelch ist ein geweihtes Be­
30 Louis Le Nain, Die Milchverkäuferin, Hermitage, hrsg. v. J. S. Filedt Kok, W. Halsema-Kubes u. W.Th. hältnis zur Aufbewahrung konsekrierler Hostien.
St. Petersburg, Russland. Kloek, Katalog Rijksmuseum Amsterdam, Staalsuit- 67 J. M. Baarl, »The Fatjon de Venise Glass of Amster­
31 Diese .Angaben sind dem Boijmans Van Beuningen geverij s-Gravenhage 1986, S. 384, Kal. Nr. 262. dam«, Majolica en Glas van Italic naar Antwerpen en
Documentatiesysteem voor Pre-Industriele Gebruiks- 49 Siehe dazu auch den Text zu Kal. Nr. 14. Auch die verder. De overdrächt van technologie in de 16de en
voorwerpen 1989 entlehnt. hier abgebildete gläserne Weinflasche und das Flöl­ I7de eeuw, hrsg. v. J. Veeckman, Antwerpen 2002,
32 Grisebach, 1974, Abb. 180, 181, 184. glas könnten nordniederländisch sein. S. 161-169.
33 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 11, 14, 10, 12, 18,40,55. 50 Das Wappen konnte bis heute nicht identifiziert M PC. Ritsema van Eck, FI.M. Zijlstra-Zweens,
34 Willem Buytewech, Fröhliche Gesellschaft, ca. werden. Derselbe Teller ist auch auf einem Gemäl­ Glass in the Rijksmuseum, Bd. I, Waanders Uitgevers,
1617-1630, Leinwand, Museum Boijmans Van Beun­ de zu sehen, das dem flämischen Maler Christiaen Zwolle 1993, S. 80, Kat. Nr. 103. Siehe H.E. Henkes,
ingen, Rotterdam, Inv. Nr. 1103; Cornelis Saftleven, Luyckx (1623-1653) zugeschrieben wird. Dieser war Glas zonder glans. Vijf ecuwen gebruiksglas uit de bo-
Stallinterieur mit bäuerlicher Gesellschaft, 1635, Holz, zur selben Zeil auch in Frankreich tätig. Siehe dazu dem van dc Lage Landen 1300- 1800/Glass without
Närodni Galerie, Prag, siehe Rotterdamse Meesters uit Grisebach, 1974, Abb. 187 u. S. 105-106. Siehe wei­ gloss. Utility Glass from Jive centuries excavatcd in
de Gouden Eeuw, hrsg. v. Nora Schadee, Ausst. Kat. terhin in vorliegendem Ausstellungskatalog die Texte the Low Countries 1300-1800, Rotterdam Papers 9,
Historisches Museum Rotterdam, Waanders Uit­ zu Kal. Nr. 17, 18 u. 19. Coördinatie Commissie van Advies inzake Archeolo-
gevers, Zwolle 1994, Kat. Nr. 8 (Buytewech), S. 172 u. 51 Zu einem französischen Vorbild des 16. Jh. aus gisch Onderzoek binnen het resorl Rotterdam/Muse-
313; Kat. Nr. 42 (Saftleven), S. 217, 221. Zinn siehe C. Arminjon, N. Blonde), Objets civils do­ um Boijmans Van Beuningen, Rotterdam 1994, Kat.
35 E’in französischer Maßkrug ist ebenfalls mit einer rnest iques. Vocabulaire typologique, Minislere de la Nr. 30.12, S. 136 u. aufS. 167-169 (§ 40).
Daunienrasl am Henkel versehen. Culture, Invenlaire General des Monuments et des 69 Grisebach, 1974, Kal. Nr. 72 bis 80, 85, 86, 88, 90
«. Grisebach, 1974, Kat. Nr. 14, 15 (dieses letzte Richesses Arlistiques de la France, Principes d’Analy- bis 100, 102 bis 105, 107 bis 1 16, 118, 119, 121» 126
Werk (Kat. Nr. 15)) ist mittlerweile als Kopie des 18. se Scientifique, Paris, 1984, S. 205, Kal. Nr. 1048 A-B. bis 135, 139.

Alltägliches & Außergewöhnliches - Alexandra Gaba-van Dongen


34
70 Op. eil. Anm. 68, § 45. Nuppenbechcr: Bcrkemeiers 74 Metropolitan Museum of Art, Rogers Fund, 1944, Frau), Tsau Kwo-tsjioe. Siehe dazu: http://www. eng. ta
u. Roemers, S. 189-199. Inv. Nr.44.14.1. Grisebach, 1974, Abb. 191. oisni. org. hk/daoist-beliefs/immortals&immortalism/
71 Der weiße (Rhein-)wein war damals von saurem 75 Grisebach, 1974, Abb. 196. pg2-4-8-3. asp
Geschmack, Zitrone brauchte daher nicht zugesetzt 76 C. J. A. Jörg, Chinese Ceramics in the Collection of 78 Typ 1: Grisebach, 1974, Kat. Nr. 114 bis 117, 139,
werden. Wahrscheinlich war die geschälte Zitrone, the Rijksmuseum, Amsterdam. Ihe Ming and Qing 140. Op. cit. Anm. 78, S. 73-87, ebenda S. 78 und Tafel
die als exotische Frucht dekorativ in den Prunkstill­ Dynaslies, Rijksmuseum/Philip Wilson Publishers 66 a, b, c.
leben Kalfs präsentiert wird, vor allem ein interes­ Limited, Amsterdam 1997, Kat. Nr. 31, S.49. Inv. 79 Typ 2: Grisebach, 1974, Kat. Nr. 106 bis 108.
santes Bildmotiv. Zitronensaft wurde vielfach ver­ Nr. AK-MAK 563 h. 16,5 cm. Das Deckelgefdß kann 80 Hel Nederlandse interieur in beeid 1600-1900,
schiedensten Gerichten hinzugefügt, um ihnen eine anhand seines blauen Dekors in die Tianqi/Chong- hrsg. v. C. W. Fock, Waanders Uilgevers, Zwolle, 2001,
frische Note zu verleihen, vor allem in Kombination zhen-Periode datiert werden und erhält deshalb die S. 107 u. Abb. 115 aufS. 159.
mit Butter und Zucker. Zitronensaft und fein gerie­ Bezeichnung »Übergangsporzellan«. Es sind mehrere 111 O. Ydema, Carpets and their Datings in Netherlan-
bene Brosamen wurden besonders gern zu Muscheln Exemplare aus Europäischen Sammlungen bekannt. dish Paintings 1540-1700, Zutphen, Walburg Pers
und Austern gegessen. Op. cit Anin. 39, S. 106-107, Es ist durchaus möglich, dass diese Stücke nicht über 1991, S. 62, 124. Grisebach, 1974, Kat. Nr.74-79, 82-
113, 141, 132, 191-192. den Großhandel nach Europa gelangten, sondern als 84,86, 88,90, 92,94-100, 102-128, 130, 132-141.
72 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 80, 92, 93, 125, 126, 135. Sammelobjekte von Privatleuten erworben wurden. 82 A. W. Lowenthal, ••Contemplating Kalf«, The Ob­
73 A. I. Spriggs, »Oriental Porcelain in Western 77 Die »Acht Unsterblichen« entstammen der Tao­ ject as Subject. Studies in the Interpretation of Still
Paintings«, in: Transact ions of the Oriental Ceramics istischen Religion. Ihre Namen sind: Tsjang Kwo- Life, Princeton University Press, Princeton, NJ 1996,
Society, Bd. 36 (1967), S.73-87, ebenda S.73-74 u. lau, Lan Tsai-hwo, Li T’ie-kwai, Lu Toeng-pin, Han S. 29-39, ebenda S. 30, Abb. 17.
Tafeln 57 bis 60. Sjiang-lze, Han Tsjoeng-Ii, Ho Sjen-koe (die einzige

Alltägliches & Außergewöhnliches - Alexandra Gaba-van Dongen 35


Willem Kalf in Rotterdam und Paris:
die bäuerlichen Interieurs

Jeroen Giltaij

Die Frage nach dem Lehrmeister Govert wurde nun ein städtischer Vormund Vordergrund arrangierten Gegenstände, wes­
zur Seite gestellt.1 halb diese Gemälde oft als »Bauernstilleben«
Lange kannte und schätzte man Willem Kalf Die frühesten bis heute von Kalf bekann­ bezeichnet werden. Personen nehmen darin
als Stillebenmalen der in Amsterdam geboren ten datierten Werke tragen die Jahreszahl lediglich die Rolle von Statisten ein.
wurde und Zeit seines Lebens dort gearbeitet 1642 und sind in Paris entstanden. Dazu ge­ Die Werke aus Kalfs Pariser Zeit gelang­
hat.1 Erst 1941/42 wurde bekannt, dass er am hört auch das Gemälde Bauern im Freien am ten allesamt in französische Sammlungen. In
3. November 1619 in Rotterdam getauft wur­ Brunnen aus Privatbesitz (Kat. Nr. 4). Typisch Holland blieben sie daher lange Zeit unbe­
de und nicht wie vermutet in Amsterdam. für die Pariser Zeit ist das relativ kleine Bild­ kannt. 1718 gab der Künstlerbiograph Arnold
Im Zusammenhang mit einem anderen Ma- format dieses Werkes. Insgesamt entstanden Houbraken die »Groote Schouburgh« heraus.
ler, dem Flamen Philips Vleughels, fand man mehr als sechzig dieser bäuerlichen Interi­ Er lobt Kalf dort als begabten Stillebenmaler,
außerdem heraus, dass Kalf sich im Jahr 1642 eurs, von denen nur einige wenige eine Jah­ der seine Werke besonders detailreich und
in Paris aufgehalten haben muss.2 Vleughels, reszahl tragen, namentlich 1642, 1644 und natürlich auszuführen verstehe und deshalb
der bei seinem Parisbesuch 1642 von mittel­ 1645. Fast immer stellt der Maler das Innere von Kunstkennern besonders geschätzt werde
losen Jungen überfallen und all seiner Kleider eines Bauernhauses dar. Im Bildvordergrund - ein »Bäuerliches Interieur« erwähnt er aller­
beraubt wurde, flüchtete daraufhin in das flä­ sehen wir auf allen Bauerninterieurs eine Zur­ dings nicht.5
mische Malerquartier. Hier befand sich auch schaustellung verschiedener Gemüse, Kessel, Houbraken zufolge erhielt Kalf seine Aus­
»Calf«, der Vleughels beruhigte und ihm Teller, Vorratstöpfe und anderer Gerätschaf­ bildung bei Hendrick Pot, einem um 1585 in
Kleidung lieh, um am nächsten Tag wieder ten. Auch Personen fehlen nicht, doch agieren Haarlem geborenen Porträt- und Genrema­
auf die Straße gehen zu können.3 sie weitestgehend im Bildhintergrund und ler. Pot begab sich 1632 nach London, kehr­
Kalf wuchs also in Rotterdam auf. Sein Vater sind oft nur schemenhaft zu erkennen, wie te 1648 in die Niederlande zurück und lebte
verstarb früh, bereits 1625. Kurze Zeit darauf, beispielsweise die auf vielen Gemälden ge­ bis zu seinem Tod 1657 in Amsterdam. Ver­
1638 starb auch seine Mutter. Den Geschwis­ zeigte Frau am Feuer. Der Schwerpunkt liegt gleicht man das malerische CEuvre der beiden
tern Willem, Maria und dem jüngeren Bruder hier eindeutig auf der Präsentation der im Künstler, erscheint Houbrakens These haltlos:
es sind keinerlei Übereinstimmungen zu fin­
den, die auf einen Kontakt schließen ließen.
Bei der Frage nach dem Lehrmeister fiel das
1 Hendrick Sorgh, Lockere Gesellschaft in einer Herberge, signiert HMSorgh, Öl auf Holz, 56 x 77,8 cm. Augenmerk auch auf den Maler Francois
Worcester, Worcester Art Museum, Inv. Nr. 1913.45. Rijckhals (1609-1647). Er schuf neben bäuer­
lichen Interieurs auch Prunkstilleben. Als
Middelburgischer Künstler hat Rijckhals wohl
in Dordrecht gearbeitet, aber nicht in Rotter­
dam.6 Es bleibt also fraglich, ob überhaupt ein
Kontakt zwischen ihm und Kalf bestanden
haben kann.7
Meijer zieht in Betracht, dass Houbraken in
seinen Lebensbeschreibungen Hendrick Pot
mit Hendrick Potuyl verwechselt haben könn­
te. Von Potuyl sind verschiedene Bauerninte­
rieurs bekannt, die nach Meijer durchaus Be­
zugspunkte zum Werk Kalfs haben. Überdas
Leben Potuyls ist allerdings nichts bekannt.
Datierte Gemälde von seiner Hand existie­
ren lediglich aus dem Jahrzehnt von 1639 bis
1649. Im Frühwerk Potuyls erkennt Meijer
Einflüsse aus dem Rotterdamer Umkreis von
de Bloot, Saftleven und Sorgh, während sei­
ne späteren Genreszenen vor allem für Ams­
terdam typische Charaktermerkmale tragen.
Zu dem Zeitpunkt als Houbraken über Kalf
schrieb, war der Maler Potuyl wahrscheinlich
längst vergessen. Obwohl Potuyl als mög­
licher Lehrmeister Kalfs viel eher in Frage

Willem Kalf in Rotterdam und Paris: die bäuerlichen Interieurs - Jeroen Giltaij
36
kommt als Rijckhals, bleibt Meijers Vorschlag am 15. April 1624 in Amsterdam geboren. te Pot jedoch in Haarlem und zum anderen
aufgrund mangelnder biographischer Belege Erstaunlich ist, dass er bereits im Alter von zeigen seine Gemälde keinerlei Ähnlichkeiten
leider eine Hypothese.8 dreizehn Jahren und nach nur kurzer Lehr­ mit den Bauernstilleben Kalfs. Pot wird von
Um das künstlerische Umfeld zu verstehen, zeit bei Sorgh sein erstes Bild verkaufte. Dies Houbraken kurz erwähnt als Maler des Werkes
in dem Kalf seine Wurzeln hat, muss man bedeutet, dass Sorgh bereits 1637 im Alter Triumphwagen Prinz Willems von Oranien. Es
einen Blick auf das Rotterdam im Jahre 1630 von sechsundzwanzig Jahren einen dreizehn­ befindet sich heute im Frans-Hals-Museum in
werfen. In dieser Zeit bildete sich dort und in jährigen Lehrling aus Amsterdam in seinen Haarlem.17
anderen Kunstzentren Hollands das Genre Künstlerhaushalt aufgenommen hatte. Für Dass Pot wirklich der Lehrmeister von Kalf
des Bauernstillebens heraus, wie wir es von einen anderen Lehrling Sorghs, Pieter Crijnse gewesen sein soll, ist schwerlich vorstellbar.
Kalf und anderen Künstlern kennen.9 Klin­ Volmarijn (ca. 1629-1679), sind im Jahr 1648 Hier wird darum die gewagte Annahme geäu­
ge-Gross führt auf, in welchen Städten dieses »Lehr- und Kostgeld« verzeichnet.15 ßert, Houbraken habe sich verschrieben: als
Thema dargestellt wurde, und schreibt über Wie oben bereits erwähnt, schrieb Hon­ er Hendrick Pot notierte, habe er in Wirklich­
die verschiedenen Maler, die sich dem neuen braken 1718 über Kalf: »Zyn onderwyzer in keit Hendrick Sorgh gemeint. Der Biograph
Sujet zuwendeten.10 de Konst is geweest Henrik Pot« (Henrik Pot widmet Sorgh in seinen Lebensbeschreibun-
In Haarlem sind es die Brüder Adriaen und unterwies ihn in der Kunst).16 Zum einen leb- gen zwei Seiten und erwähnt darin, dass er ein
Isaack van Ostade, in Leiden Jan Davidsz. de
Heern, Pieter Symonsz. Potter und die Brüder
Steenwijck, in Antwerpen wiederum David
Teniers de Jonge. Wichtige Zentren dieser 2 Willem Kalf, Inneres eines Bauerhauses, Signiert und datiert 1638, Öl auf Holz, 32,2 x 26,2 cm.
neuen Entwicklung waren Rotterdam und New York, Sammlung Evelyne Walborsky.
Middelburgh, wo der oben erwähnte Maler
Rijckhals tätig war.
Charakteristisch für diese Bauerninterieurs
ist die Präsentation von Alltagsutensilien wie
kupferne Kessel, Milcheimer, Steingut, höl­
zerne Tonnen und Fässer in Kombination
mit diversem Gemüse, z. B. Kohl, Blumen­
kohl oder Zwiebeln, das auf den Behältnissen
liegt oder darum herum verstreut ist. Welcher
Rotterdamer Künstler zuerst mit derartigen
Darstellungen begann, kann aufgrund feh­
lender datierter Vorbilder nicht mit Sicher­
heit gesagt werden. Vom Alter her könnte es
Pieter de Bloot (1601-1658) sein. Der bereits
erwähnte Maler Francois Rijckhals stammt
nicht aus Rotterdam und darf deshalb eigent­
lich nicht dazugezählt werden.” Weiterhin
sind von dem in Gorinchem geborenen, aber
in Rotterdam arbeitenden Cornelis Saftle­
ven (1607-1681) bäuerliche Interieurszenen
bekannt.12 Hier sind allerdings die Figuren
von zentraler Bedeutung. Auch sein jüngerer
Bruder Herman Saftleven (1609-1685) malte
einige Bauerninterieurs, von denen drei 1634
datiert sind.13 Herman Saftleven verzog jedoch
bereits 1632 nach Utrecht, weshalb er für die
Entwicklung in Rotterdam keine maßgebli­
che Rolle spielte. Der jüngere Maler Hendrick
Sorgh (ca. 1611-1670) war sehr vielseitig. Er
schuf Bauernstilleben, Marktszenen, und Sze­
nen aus dem täglichen Leben. Auch biblische
Themen, Seestücke und Porträts zählten zu
seinem Repertoire.14 Er wird sich rasch einen
Namen als Maler und Lehrmeister gemacht
haben. Am 20. Februar 1637 verkaufte Pie­
ter Nijs, der zu diesem Zeitpunkt gerade erst
seit sieben Monaten bei »Hendrick Mertens«
(Hendrick Maertensz. Sorgh) in Ausbildung
war, sein erstes Werk für sechs Gulden an
einen unbekannten Liebhaber. Nijs wurde

Willem Kalf in Rotterdam und Paris: die bäuerlichen Interieurs - Jeroen Giltaij 37
Schüler des Malers David Teniers gewesen sei, wird durch Schneemann um 1638/40 datiert die ersten künstlerischen Anfänge Willem
zu dessen Werk ebenfalls Bauerninterieurs (Abb. I).19 Willem Kalf hätte als Lehrling das Kalfs nach wie vor im Dunkeln.
zählen.18 Werk also durchaus im Atelier Sorghs sehen Es liegt nahe, dass Kalf direkt damit begann,
Wir wissen nicht nur, dass Sorgh 1637 einen können. Bauernstilleben zu malen. Werfen wir darum
Lehrling hatte und daher bereits einen Meis­ Der bereits erwähnte Pieter Nijs war also einen näheren Blick auf sein Bäuerliches Inte­
tertitel trug, auch seine Gemälde aus dieser 1637 im Alter von dreizehn Jahren bei Sorgh rieur aus Privatbesitz (Kat. Nr. 1 und Abb. 2).
Zeit könnten ein Vorbild für den jungen Kalf in der Lehre und hatte bereits ein eigenes Wie im Katalogtext beschrieben, trägt das Ge­
gewesen sein. Das früheste datierte Werk von Werk verkauft. Kalf war zu diesem Zeitpunkt mälde die Signatur »WK« und die Jahreszahl
Sorghs Hand stammt aus dem Jahr 1641, aber achtzehn Jahre alt, ein Alter, in dem er gut und »1638«. Trotzdem hat Grisebach es nicht als
einige andere seiner Werke entstanden noch gerne bereits zahlreiche Gemälde geschaffen Original Kalfs in seiner Monographie aufge­
vor dieser Zeit. Die Fröhliche Gesellschaft in haben kann. Da sein frühestes datiertes Werk nommen. Er geht davon aus, dass es sich um
einer Herberge im Worcester Art Museum allerdings aus dem Jahr 1642 stammt, liegen eine Imitation handelt in Anlehnung an das
Bauernstilleben aus der Fondation Custodia,
Paris.20 Das Gemälde sei laut Grisebach der­
artig steif in seiner malerischen Ausführung,
dass man mit Sicherheit davon ausgehen kön­
3 Willem Kalf, Blick in einen Laden, Öl auf Kupfer, 17,5 x 13,5 cm.
ne, dass die Signatur gefälscht sei.
München, Alte Pinakothek, Inv. Nr. 5727.
Die Malweise mag vielleicht wirklich nicht
so gewandt sein, doch ist sie auch nicht als
steif zu bezeichnen. In vielerlei Hinsicht sind
Entwurf und malerische Ausführung dieser
Arbeit durchaus mit anderen Werken Kalfs zu
vergleichen. Bet rachtet man beispielsweise das
Gemälde in Berlin (Kat. Nr. 6), sind besonders
der Kupferkessel, das niedrige Tischchen und
die Zwiebeln im Bildvordergrund vergleich­
bar. Ein anderes Detail ist hiervon besonderer
Bedeutung: der schräg liegende irdene Koch­
topf. Er ist ein typisch holländisches Element,
man könnte sogar sagen, geradezu typisch für
Rotterdam. Daraus lässt sich ableiten, dass
das Gemälde nicht in Paris, sondern noch in
Rotterdam entstanden sein muss. Es besteht
eigentlich kein einziger Grund, an der Au­
thentizität von Monogramm und Jahreszahl
»WK 1638« zu zweifeln. Kalf wird das Gemäl­
de in jungen Jahren ausgeführt haben. Stimmt
man dem zu, dass es sich um ein frühes Bau­
ernstilleben Kalfs handelt, das 1638 noch in
Rotterdam entstand, darf es als Maßstab für
Kalfs allerfrüheste Arbeitsweise gelten.
Vergleicht man dieses Gemälde mit Hendrick
Sorghs Fröhliche Gesellschaft in einer Herberge
aus Worcester (Abb. 1), das zur gleichen Zeit
entstanden ist, dann fällt auf, dass bei Sorgh
die Figuren sehr präsent sind, während jene bei
Kalf fehlen. Die Übereinstimmungen zwischen
beiden Werken beschränken sich vor allem
auf die Stilleben rechts im Bildvordergrund.
Auf beiden Gemälden sieht man eine hölzer­
ne Tonne, auf beiden ist ein mit der Öffnung
nach vorn weisender Kupferkessel dargestellt.
Auch die ausgestellten Haushaltsutensilien,
Muscheln und Schuhe sind vergleichbar. Es ist
darum gut möglich, dass die Werke Sorghs ein
Ausgangspunkt für Kalf gewesen sind.
Wenn wir das Gemälde aus Privatbesitz
Kalf zuschreiben und in die Rotterdamer Zeit
datieren, können möglicherweise auch ande­
re Arbeiten den ersten künstlerischen Anfän­

38 Willem Kalf in Rotterdam und Paris: die bäuerlichen Interieurs - Jeroen Giltaij
gen Kalfs zugeordnet werden. Doch zeigen
sämtliche bei Grisebach abgebildeten Bau­
erninterieurs typische französische Elemente,
vor allem Gemüsearten, die in holländischen
Interieurs nirgends zu finden sind - was dar­
auf hinweist, dass alle diese Werke in Paris
entstanden sein müssen.21 Nun stellt sich die
Frage, wie lange Kalf in Rotterdam wohnte
und wann genau er nach Paris ging.

Umzug nach Paris

Am 17. November 1638 ist Kalfs Aufenthalt


in Rotterdam zum letzten Mal sicher belegt,
und wir wissen, dass er sich wahrscheinlich
am 2. Januar 1643 in Paris aufhielt. Grisebach
vermutet, dass Kalf 1638 oder 1639 Rotterdam
verließ und sich Ende 1639, Anfang 1640 in
Paris niederließ.22 Es erscheint in der Tat nahe­
liegend, dass der junge Maler nach dem Tod
seiner Mutter 1638 oder spätestens nach dem
Verkauf des elterlichen Hauses 1639 Rotter­
dam den Rücken kehrte. Grisebach geht davon
aus, dass alle Bauernstilleben in der Zeit von
1640 bis 1646 in Paris entstanden sind. Dafür 4 Willem Kalf, Inneres eines Bauerhauses mit Küchengeschirr und Gemüse auf und vor einem Tisch, Öl auf
spricht, dass diese Gemälde seinen niederlän­ Kupfer, 30 x 40 cm. Privatsammlung.
dischen Zeitgenossen so gut wie unbekannt
waren und in holländischen Versteigerungen
und Verzeichnissen nicht erwähnt werden.
Trifft dies zu, muss man an nehmen, dass Kalf menten ist aber durchaus von einigen ande­ Zwei ähnliche Gemälde, Bäuerliches In­
erst in Paris zu malen begann, oder dass sein ren seiner Gemälde bekannt: der Kürbis, der terieur mit Frau am Brunnen (Öl auf Holz,
frühes, in Rotterdam entstandenes Jugend- zugebundene Topf, die Porreestangen und 34,5x26 cm), ehemals in der Sammlung
werk komplett verloren ging, mit Ausnahme der Zwiebelstrang. Auch der gemauerte Bo­ Willem Russell/Amsterdam, und Bäuerliches
des oben besprochenen Werkes von 1638 gen oder das Kerzenbündel im Hintergrund Interieur mit Frau am Fass, Frau auf einer
(Bäuerliches Interieur mit Frau am Kamin). sind für Kalf charakteristisch. Dieses auf Kup­ Leiter und Mann am Kamin (Öl auf Holz,
fer gemalte Werk scheint also doch von Kalf 34 x 26,5cm), ehemals in der Galerie Koetser,
selbst zu stammen. Zwei typisch französische werden von Grisebach zu den Werken von
Eine Revision der nicht als von Kalf Details, der Kürbis und der zugebundene unbekannter Hand gezählt, die möglicher­
anerkannten Gemälde Topf, lassen darauf schließen, dass er es nicht weise auf verloren gegangene Originale Kalfs
mehr in Rotterdam, sondern bereits in Paris zurückgehen.25 Bei dem ersten der beiden Ge­
Wie verhält es sich nun mit den Werken für geschaffen hat. mälde stellt Grisebach eine »schwache Mal­
die Grisebach eine gesicherte Zuschreibung Dieselben Zweifel hegt Grisebach an der weise« fest, die sich besonders im Dachge­
an Kalf ablehnt? Neben dem oben genann­ Zuschreibung eines weiteren kleinen Gemäl­ bälk abzeichne. Im zweiten seien die Figuren
ten Gemälde von 1638 zählt Grisebach zu des auf Kupfer (17x14 cm, ehemals in der im Verhältnis zur Größe des Raumes viel zu
den zweifelhaften Zuschreibungen beispiels­ Sammlung Max Züricher in Luzern).21 So­ klein. Diese Argumente schienen ihm stich­
weise eine kleinformatige Arbeit auf Kupfer, weit die reproduzierte Abbildung ein Urteil haltig genug, beide Werke als Kopien nach
Blick in einen Laden, (17,5x 13,5 cm) aus der zulässt, scheint es ebenfalls von Kalf selbst Kalf einzustufen.
Alten Pinakothek in München (Abb. 3).2' gemalt worden zu sein. Im Mittelpunkt des Obwohl man anhand kleiner Schwarz-
Zwar sprächen die Aufschrift »calfs« auf der Bildes steht ein Stilleben mit hölzernem Fass, Weiß-Abbildungen sicher kein endgültiges
Rückseite des Gemäldes sowie Motiv und einem Kupferkessel, zwei Krügen und zwei in­ Urteil fällen kann, sollte man doch die Mög­
Ausführung durchaus für eine Autorschaft einander verknäulten weißen Tüchern. Links lichkeit in Erwägung ziehen, dass es sich hier
Kalfs, doch existierten laut Grisebach keine im Hintergrund ist wieder die schon bekann­ vielleicht um Originale Kalfs handelt. Auf
direkten Übereinstimmungen mit den Kalf te Frauenfigur am Feuer zu sehen. Rechts er­ beiden Gemälden sind typisch französische
fest zugeschriebenen Bauerninterieurs, auch scheint ein ungewohntes, neues Element: ein Utensilien und Gemüsepflanzen dargestellt
sei das Bild von »kleinlichem Charakter«. Er Mann, der auf einer Leiter steht und Trauben - ein Hinweis auf Paris als Entstehungsort.
betrachtet das Bild daher als eine in Paris ent­ pflückt. Betrachtet man nun die Form der Ge­ Ein weiteres kleinformatiges Kupfergemäl­
standene Imitation. fäße oder auch das Motiv der Traubenernte, de von ähnlichen Maßen wie oben genann­
In der Tat ist das Thema des Bildes einzig­ liegt es nahe, Frankreich als Entstehungsort te Werke in München und der vormaligen
artig im CEuvre Kalfs, eine Vielzahl von Ele- des Gemäldes zu vermuten. Sammlung Züricher, nämlich 14,4 x 17,6 cm.

U illeni Kalf in Rotterdam und Paris: die bäuerlichen Interieurs - Jeroen Giltaij 39
befindet sich im Museum De Fundatie in einer Truhe im Musee des Augustins in Tou­ Kamin (Öl auf Holz, 26x35 cm) in der Uni­
Heino (Kat. Nr. 5, Abb. I).26 Nach Grisebach louse (Öl auf Leinwand, 33x41 cm).27 Eine versität von Lund zeigt ebenfalls von Kalf
ist dieses Werk keine eigenhändige Ausfüh­ zweite, weniger breite Version Öl auf (Lein­ häufig gewählte Details wie die im Vorder­
rung, sondern eine eklektische Imitation oder wand, 31x32 cm) mit knapperem Vorder­ grund liegende Fettpfanne (Abb.5).31 Ein drit­
eine Kopie nach einem verlorenen Original grund befindet sich im Musee des Beaux-Arts tes Gemälde, Interieur mit Karten spielenden
Kalfs. Grisebach schrieb bereits, dass die in Tours.28 Grimm publizierte später eine dritte Soldaten (Öl auf Holz, 30x21 cm), dass sich
Komposition von Tür, Bank und Nische mit Fassung. Dieses auf Kupfer gemalte Werk be­ nach Angaben Grisebachs in einer Berliner
Kürbis und Holzstapel in gleicher Weise auf findet sich in Privatbesitz (Abb. 4).29 Seine linke Privatsammlung befindet, trägt sogar die Sig­
der linken Bildhälfte des Gemäldes im Mu­ Bildhälfte ist mit dem Gemälde in Toulouse zu natur »W. Kalf«, stammt aber wahrscheinlich
seum Boijmans Van Benningen (Kat. Nr. 5) vergleichen, während die untere Partie jenem ebenso von einem Nachfolger aus dem Kreis
wiederkehrt. Dem mag noch hinzugefügt in Tours ähnelt. Die aktuelle Meinung tendiert von Saint-Germain-des-Pres. 32 Im Bildvor­
werden, dass der Zinntopf, der geborstene dazu, diese dritte auf Kupfer ausgeführte Ver­ dergrund sind einige Objekte zu einem Stil­
Vorratstopf, der Kupferkessel und der in der sion als Original Kalfs anzuerkennen und, sich leben zusammengestellt: ein Kupferkessel, ein
Tür sichtbare schräg stehende Geflügelkorb Grisebach anschließend, die beiden anderen typisch französischer Kochtopf, eine Ente und
oeläufioe Motive im CEuvre Kalfs sind. Das Fassungen als Kopien zu betrachten. verschiedenes Gemüse. Vor allem die Zwie­
gemauerte Bassin links im Vordergrund und An dieser Stelle sollen noch drei Gemälde beln sind genauso gemalt, wie wir es von Kalfs
das nicht zu deutende Objekt rechts im Bild genannt werden: Im Israel Museum in Jerusa­ Bauernstilleben kennen. Im Hintergrund sind
sind auch auf einem Gemälde aus Privat­ lem befindet sich ein Bäuerliches Interieur mit Karten spielende Soldaten um eine Trommel
besitz (Kat. Nr. 8) zu sehen. Vergleicht man Mann am Kamin und Frau, die eine Kiepe tra­ gruppiert. Meijer geht davon aus, dass es sich
dieses ebenfalls auf Kupfer gemalte Werk von gend zur Tür herein kommt. Das 28,8 x 37,4 cm um ein in Frankreich entstandenes Stilleben
17x13 cm mit dem Gemälde in Heino, sind messende Werk wurde auf einem kupfernen handelt, während die Figuren noch stark nie­
die Unterschiede nicht so gravierend, dass Bildträger gemalt. Grisebach geht davon aus, derländisch geprägt sind. Falls Kalf selbst der
man bei letzterem zwangsläufig an eine Kopie dass es von einem französischen Nachfolger Maler dieses Bildes war, ist es eines der ers­
denkt. Es wird sich vielmehr um ein Original­ aus dem Kreis von Saint-Germain-des-Pres ten aus seiner Pariser Zeit. Da noch deutlich
werk Kalfs handeln. stammt.30 Eine Vielzahl typisch Kalfscher niederländische Einflüsse zu erkennen sind,
Zwei Gemälde, die von Grisebach als mög- Elemente kennzeichnet diese Arbeit, bei­ kann es um 1639/40 datiert werden.
liehe Kopien nach verlorenen Originalen spielsweise die von dem Gemälde in Privatbe­ Diese drei letztgenannten Werke scheinen
bezeichnet werden, sind anhand der vorhan­ sitz (Kat. Nr. 4) bekannten Zuckerrüben oder Kalf besonders nah zu stehen. Sind sie nicht
denen kleinen Abbildungen nur schwierig zu die Kiepe auf dem Rücken der Frau. von seiner Hand selbst, so muss Kalf von Be­
beurteilen. Es handelt sich um ein Bäuerliches Das zweite Gemälde, ein Bäuerliches In­ ginn an mit seinen Rotterdamer Bauernstill­
Interieur mit Gefäßen und Gemüse auf und vor terieur mit schlafender Frau und Kind beim leben einen enormen Einfluss in Paris gehabt
haben - wie sonst hätten Gemälde von solch
direkter Nachfolge und so geringen Abwei­
chungen im Entwurf entstehen können?
5 Willem Kalf (?), Inneres eines Bauerhauses mit schlafender Frau und Kind, Öl auf Holz, 26 x 35 cm. Es stellt sich dann die Frage, welcher Künst­
Lund, Lunds Universitets Konstsamling. ler in Paris derartige Kopien angefertigt ha­
ben mag.
Einige andere Gemälde, die nicht von Kalf
selbst stammen, stehen seinen Bäuerlichen
Interieurs sehr nahe. Man schreibt diese wohl
Pieter van den Bosch (1604 in Leiden - nach
1649) zu. Gesichert ist diese Zuschreibung
zwar nicht, aber es fehlen jegliche Hinweise
auf andere Künstler.
Unter die hier ausgestellten Exponate wur­
de auch ein Bauernstilleben aufgenommen,
dass in der Literatur bisher unbekannt war.
Dieses Gemälde im Museum Boijmans Van
Benningen, Leihgabe Stiftung Willem van der
Vorm, entstand 1645 (Kal. Nr. 13) und belegt,
dass Kalf noch 1645 in Paris tätig war. Datier­
te Stilleben, die Kalf in Paris schuf, sind allein
aus den Jahren 1643 und 1644 bekannt und
können daher einen solchen Beweis nicht lie­
fern.
Grisebach geht in seiner Studie kurz darauf
ein, inwieweit Kalf von französischen Künst­
lern beeinflusst wurde, oder diese von ihm
beeinflusst wurden. In Frankreich malten
die Gebrüder Antoine, Louis und Mathieu

40 Willem Kalf in Rotterdam und Paris: die bäuerlichen Interieurs - Jeroen Giltaij
Le Nain ähnliche Genreszenen aus bäuerli­ sei.37 Klinge-Gross verwies bei einem Gemäl­ und Werke, Berlin, New York 1978.
chem Milieu. Um von beiderseitigem Ein­ de von Teniers auf die ausgebrannte Kerze 13 M. Klinge-Gross, op. eil. Anm. 10; W. Schulz, Her­
fluss zu sprechen, ist die Verwandtschaft mit und die Muschelschalen als bekannte Sym­ man Saftleven 1609-1685, Leben und Werke, Berlin,
New York 1982.
den Bauernstilleben Kalfs jedoch zu gering.33 bole der Vergänglichkeit.38 Im Katalog zur
” Liane T. Schneeman, Hendrick Martensz Sorgh: A
Anders verhält es sich mit dem Maler Sebas- 1999 in Amsterdam und Cleveland gezeigten Painter of Rotterdam, The Pennsylvania State Univer-
tien Bourdon (1616 in Montpellier - 1671 in Stillebenausstellung schrieben die Autoren sity 1982.
Paris). Einige seiner Motive scheint Bourdon Chong und Kloek über verfallene Interieurs. 15 S. Haverkorn van Rijsewijk, »Rotterdamsche
unmittelbar dem Werk Kalfs entlehnt zu ha­ Sie sehen in dem häufig dargestellten Besen schilders«, Oud Holland 12 (1894), S. 155.
16 Houbraken, op. cit. Anm. 5, Teil 2, S. 218.
ben, beispielsweise das Gemüse, das Fleisch die versteckte Mahnung, »den Unrat der Welt 17 /bid.,Teil 2, S. 123.
und das Kochgeschirr im Bäuerlichen Interi­ zu beseitigen«. Bäuerliche Interieurs sprechen 18 /bid.» Teil 1, S. 89-90.
eur mit Familie am Tisch aus dem Louvre in in ihren Augen von einem schweren, durch 19 Schneeman, op. cit. Anm. 14, S. 56, Kal. Nr. 4, ca.
Paris (Abb. 1, S. 156).34 Wie aus den Besitz­ Armut geprägten Dasein.39 1638-40.
inventaren französischer Künstler hervorgeht, 20 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 20, Abb. 19.
Bei den Figuren der Bauerninterieurs kann
21 Zum französischen Küchengerät siehe im vorlie­
genossen Kalfs bäuerliche Interieursszenen von Armut jedoch nicht die Rede sein. Meis­ genden Katalog den Artikel von Alexandra Gaba-van
jedenfalls von Anfang an große Wertschät­ tens tragen sie überreich gefüllte Körbe oder Dongen.
zung in Frankreich. Szanto schreibt an ande­ stehen neben üppigen Stilleben mit Gemüse, 22 Grisebach, 1974, S. 16.
rer Stelle ausführlicher darüber. Eiern, Fleisch und Wein. Statt Armut und 23 Grisebach, 1974, Verz. Nr. A 1, Abb. 160. Siehe
auch im vorliegenden Katalog die von Meijer zusam­
Verfall soll hier eher das pittoreske Moment
mengestellte Liste von Addenda und Korrigenda zu
betont werden. Bringt die Baufälligkeit der dem von Grisebach verfassten Werkkatalog, Nr. A 4.
Zwei Fragen zum Schluss Szenerie mit ihren brüchigen Möbeln, dem 24 Grisebach, 1974, Verz. Nr. A 2, Abb. 161.
schartigen Mauerwerk und windschief in den 25 Grisebach, 1974, Verz. Nr. B 3, Abb. 164 und Verz.
Zwei ganz unterschiedliche Fragen blieben Angeln hängenden Türen in Kombination mit Nr. B 4, Abb. 165. Zum erstgenannten Werk siehe
auch im vorliegenden Katalog die von Meijer zusam­
bis jetzt offen und werden wahrscheinlich der Üppigkeit der zur Schau gestellten Speisen
mengestellte Liste, Verz. Nr. A 5.
auch nie endgültig geklärt werden können. nicht gerade eine Romantisierung des einfa­ 26 Grisebach, 1974, Verz. Nr. B 5, Abb. 172.
Warum wählte Kalf für sechs seiner Gemälde chen, guten Lebens auf dem Lande zum Aus­ 27 Grisebach, 1974, Verz. Nr. B 1, /\bb. 173; David
Kupfer als Bildträger und nicht wie gewohnt druck? Kuretsky vertritt in einer Besprechung Fiozzi, Les tableaux hollandais des XV!le et XVIIIe sie-
Holz oder Leinwand? Kupfer war in Europa zu Kalfs Bauernstilleben in Detroit die An­ cles du musee des Augustins, Toulouse 2004, Nr. 22.
28 Grisebach, 1974, Verz. Nr. B 2, Abb. 174.
besonders in der Zeit von 1575-1650 bei den sicht, dass gerade in der Darstellung verfalle­
29 Claus Grimm, Stilleben, Die niederländischen und
Künstlern als Bildträger beliebt. Die glatte ner Objekte eine Vorliebe für das Pittoreske zu deutschen Meister, Stuttgart, Zürich 1988, S. 156-157,
Oberfläche des Kupfers wurde vermutlich erkennen sei. ’0 Die Freude an der Wiedergabe Abb. 100-101; mit Dank an Axel Hemery, Konserva­
deshalb als Malgrund bevorzugt, weil sie kei­ oft außergewöhnlicher Gebrauchsgegenstän­ tor im Musee des Augustins, der mir den Hinweis auf
nerlei Spuren im Farbauftrag hinterließ.35 Die de in Verbindung mit üppigem, vielfältigem diese Stelle gab.
30 Grisebach, 1974, Verz. Nr. C 7, Abb. 176. Siehe
Idee, Kupfer als Bildträger zu verwenden, hat Gemüse scheint vor allem die pittoresken As­
auch Verz. Nr. B 2 in der Liste von Meijer, seiner Mei­
Kalf wahrscheinlich aus Holland mit nach Pa­ pekte des bäuerlichen Lebens zu verkörpern. nung nach nur zu einem Teil von Kalf gemalt.
ris gebracht, denn unter französischen Künst­ 31 Grisebach, 1974, Verz. Nr. C 8, Abb. 178.
lern war dies scheinbar eine völlig unbekann­ 32 Grisebach, 1974, Verz. Nr. C 15, keine Abb. Siehe
te Praxis.36 Auf der anderen Seite war es auch auch Nr. B 1. in der Liste von Meijer.
Anmerkungen 33 Vergleiche Ausst. Kat. Les freres Le Nain, Grand Pa­
keine für Rotterdam spezifische Erscheinung. 1 Allgemein siehe Grisebach, 1974. lais, Paris 1978-79.
Von Hendrick Sorgh beispielsweise, der hier 2 Van Gelder, 1941, S. 40 und 1942, S. 41. 34 Siehe Jacques Thuillier, im Ausst. Kat. Sebastien
als Lehrmeister Kalfs angenommen wurde, 3 H.E. van Gelder, »Aanteekeningen over Willem Bourdon 1616-1671, Musee Fabre, Montpellier, Les
Kalf en Cornelia Pluvier«, Oud Holland 59 (1942), S. Musees de Strasbourg, Straßburg 2000/2001, S. 197,
existiert kein einziges auf Kupfer ausgeführtes
43 und Grisebach, 1974, S. 197-198. Siehe auch die Kat. Nr. 59.
Gemälde. Kalf experimentierte zwar einige Biographie von Lammertse und Szanto im vorliegen­ 35 Siehe Edgar Peters Bowron, im Ausst. Kat. Copper
Male mit diesem Material, es schien ihm aber den Katalog. as canvas, Phoenix. Phoenix Art Museum, Kansas
wohl nicht interessant genug, um es in gro­ 4 Für mehr Details zu dieser Frage siehe die Biogra­ City, The Nelson-Atkins Museum of Art, Den Haag,
ßem Stil einzusetzen. phie von Lammertse und Szanto. Koninklijk Museum van Schilderijen Mauritshuis,
5 A. Houbraken, De Groole Schouburgh der Neder- 1998-1999, S. 25.
Nun bleibt noch die Frage, ob den Bauern­
lantsche Konstschilders en Schilderessen, Amsterdam 3ö Übersicht bei Bowron (ibid.), S. 9-30.
interieurs möglicherweise eine tiefere Bedeu­ 1718-1719» Teil 2, S. 218-219. 37 James, op. cit. note 9» S. 140.
tung zugrunde liegt. Grisebach geht davon 6 Bergström, 1956, S. 275. 38 M. Klinge-Gross, im Ausst. Kat. Jean Simeon Char­
aus, dass die häufig von Kalf dargestellten 7 Grisebach, 1974, S. 36. din, Werk, Herkunft, Wirkung, Staatliche Kunsthalle,
Motive auch eine ikonographische Bedeu­ 8 Siehe F.G. Meijer, Vie Ashmolean Museum Oxford,
Karlsruhe 1999, S. 304.
Dutch and Flcmish Still-life Paintings, Zwolle 2003, S.
tung haben, die der Autor allerdings selbst 39 Ausst. Kal. Het Nederlandse stilleven 1550-1720,
227, Anm. 2.
nicht vorgeschlagen hat. Im Laufe der Zeit Rijksmuseum, Amsterdam, The Cleveland Museum
9 Das jüngste Essay dazu: Roel James, »Van »boeren-
verstiegen sich die Autoren immer wieder zu of Art, Cleveland 1999/2000, Kat. Nr. 47.
huysem en >stilstaende dinghen««, Ausst. Kat. Rotter-
40 S. D. Kuretsky in Masters of Dutch Painting, Tie
oft gewagten ikonographischen Interpretatio­ damse meestcrs uit de Gouden Ecuw, Historisch Mu­
Detroit Institute of Arts, Detroit 2004, S. 126.
nen zahlreicher Objekte aus den verschiede­ seum, Rotterdam 1994/1995, S. 133-141.
nen Bauernstilleben. Allerdings sind nirgends 10 M. Klinge-Gross, »Herman Saftleven als Zeichner
und Maler bäuerlicher Interieurs«, Wallraf-Richartz-
literarische oder künstlerische Quellen als Be­ Jahrbuch 38 (1976), S. 68-91.
leg zu finden. James äußerte, dass der vanitas- " J. H. Buma, Francois Ryckhals 1609-1647, een schil-
Gedanke, der Hinweis auf die Vergänglichkeit dercnde magier uit Middelburg, Goes 1994.
des Lebens, in allen Bauernstilleben greifbar 12 W. Schulz, Cornelis Saftleven 1607-1681 Leben

Willem Kal] in Rotterdam und Paris: die bäuerlichen Interieurs - Jeroen Giltaij 41
1 Bäuerliches Interieur

erschiedenste Objekte häuten sich im Grisebach beschäftigte sich besonders mit der öl auf Holz, 32,2 x 26,2 cm

V Bildvordergrund, in deren Mitte ein Frage, ob Gemälde Kalfs existieren, die bereits Signiert und datiert unten rechts: WK 1638
New York, Sammlung Evelyne Walborsky
großer irdener, brauner Topf zu sehen vor der Pariser Zeit entstanden sind. Zu diesen
ist. Ein kupferner Kessel ist schief darauf gestellt. würde, zumindest der Jahreszahl 1638 nach, Provenienz:
Auf dem Boden davor liegen zwei Zwiebeln und auch das vorliegende Gemälde aus Privatbesitz Galerie Alfred Brod, London; Sammlung
eine Muschelschale. Rechts davon steht ein wei­ zählen. In der Ausführung der Malweise be­ Emile E. Wolf, New York.
teres Gefäß, ein Kochtopf von dunkler, grünli­ zeichnet Grisebach es als »ungelenk«. Im Aufbau
Ausstellungen:
cher Farbe, dessen Inneres in einem gelblichen von Bildmittel- und Bildhintergrund folgt das
Catalogue of paintings by old masters, exhibit-
Farbton gehalten ist. Eine weitere Muschel, eine New Yorker Gemälde seiner Meinung nach dem ed at the Gallery ofAlfred Brod, London, 1956.
Knolle und eine Pfeife liegen verstreut vor dem in Paris entstandenen Bäuerlichen Interieur aus Kat. Nr. 18; Still Life Painters, New York, Finch
Topf, dahinter ein Zwiebelstrang. Nicht mehr der Fondation Custodia, Paris.1 Dies führt ihn College Museum of Art, 1965, Kat. Nr. 59.
genau zu erkennen ist, um welchen Gegenstand zu dem Schluss, dass Signatur und Jahreszahl
Literatur:
es sich etwas weiter rechts handelt. Hinter Koch­ »WK 1638« gefälscht sein müssten, und dass das
Grisebach, 1974, S.37, 289, Verz. Nr.Cll,
topf und Zwiebelstrang ist ein großes hölzernes Gemälde eigentlich zu einem viel späteren Zeit­ Abb. 169.
Fass dargestellt, das Monogramm und Jahreszahl punkt in Anlehnung an das Pariser Bauerninte­
»WK 1638« trägt. Darauf liegt ein weißes Tuch. rieur entstanden sein müsse.
Eine massive Holzstruktur, wahrscheinlich ein Sind diese Schlussfolgerungen wirklich korrekt?
Balken, ragt dahinter schräg hervor. Ein dicker Ist ein Vergleich mit dem Pariser Bäuerlichen In­
Nagel ist dort eingeschlagen, von dem ein Seil terieur nicht etwas weit hergeholt? Lediglich der
herabhängt. Links des großen Topfes im Vorder­ kupferne Kessel und die Frau am Feuer stimmen
grund steht ein Schuh sowie ein leicht beschä­ vom Motiv her miteinander überein, wobei das
digter Krug: ein Stück des Ausgusses ist weg­ New Yorker Gemälde im Unterschied zu jenem in
gebrochen. Wieder findet man Muschelschalen Paris eine sitzende Frau zeigt und keine stehende.
- dieses Mal von ihrer blauen Innenseite gezeigt. Lässt sich schlussendlich die Malweise wirk­
Hinter einer Rübe ist auch der zweite Schuh zu lich als »ungelenk« bezeichnen? Vielmehr ist
entdecken. Auf einem vierkantigen Schemel lie­ doch ein rasch ausgeführter, »flotter« Duktus zu
gen eine Pfeife und Tabak auf einem Stück Pa­ erkennen, der in den Lichtreflexen auf Steingut
pier, in einer Schale glühen Kohlen. und Kupfer geradezu meisterlich ausgeführt ist.
Hinter diesem Ensemble von Gegenständen Warum wird die Authentizität des Monogramms
erhebt sich eine Mauer aus Backsteinen, die links »WK« angezweifelt? Was spricht dafür, die Jah­
oben in einem Bogen ausläuft. Eine Flasche steht reszahl 1638 als Entstehungsjahr zu widerlegen?
rechts in einem Fenster oder einer Nische. Willem Kalf, 1638 gerade erst 19 Jahre alt, wird
Links der Mauer steht ein aus Backstein ge­ das Gemälde wohl eher vor seinem Umzug nach
fügter Trog mit schiefem Deckel. Darauf liegt Paris noch in Rotterdam gemalt haben. Zwar zeigt
ein auf den Kopf gestellter Kochtopf aus rotem es alle Elemente, die auch in seinen späteren Pa­
Steingut. Im Hintergrund links beschäftigt sich riser Bauerninterieurs zu finden sind, jedoch kei­
eine Frau mit einem Topf, der über einem hell nen einzigen typisch französischen Gegenstand.
züngelnden Feuer hängt. Sie trägt einen blauen Im Gegenteil, der schief stehende Kochtopf ist ein
Mantel und ein weißes Kopftuch. durch und durch holländisches Motiv.
Das Gemälde zeichnet sich besonders durch Eine ganze Anzahl von Elementen, wie z. B. die
den vielfältigen Einsatz von Lichtreflexen aus, Schuhe, die Muscheln, die Pfeife, die am Rand
die zumeist mit feinen weißen Pinselstrichen beschädigte Kanne, die Tonne und der Kupfer­
ausgeführt wurden, wie beispielsweise auf dem kessel findet man auch in dem bäuerlichen Inte­
liegenden Krug links, auf dem Rand des großen rieur Fröhliche Gesellschaft in einer Herberge von
stehenden Topfes und auf dem Kessel oder dem Hendrick Sorgh, dem hier als Lehrmeister Kalfs
Kochtopf rechts unten. Entschieden kräftiger ist vorgestellten Maler. Das Werk befindet sich heute
die Farbe jedoch bei den gelblichen Lichtspiege­ in Worcester (siehe S. 36, Abb. 1).
lungen am Kupferkessel und dem Zwiebelstrang Das New Yorker Gemälde belegt also, dass Kalf
aufgetragen worden. sich bereits in seiner Geburtstadt Rotterdam mit
An der einen oder anderen Stelle wirkt es, als dem Thema beschäftigte, das er später in Paris
schiene roter Bolusgrund hindurch, wie auch so gut auszuführen verstand und das einen so Anmerkungen
auf dem Karlsruher Gemälde (Kat. Nr. 9). großen Anklang finden sollte. JG 1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 12, Abb. 19.

42 Die Bauerninterieurs
2 Bäuerliches Interieur mit Frau am Brunnen

as Gemälde ist von außergewöhnlich dann allerdings aus einer anderen Perspektive Öl auf Holz, 42x71,8 cm

D breitem Format, ähnlich den Werken


in Karlsruhe (Kat. Nr. 9) und im Louv­
re (Kat. Nr. 7). Möglicherweise muss man davon
ausgehen, dass Kalt'ursprünglich viel häufiger in
und in einem anderen Winkel gezeigt. Selbst das
rohe Stück Fleisch am Haken ist identisch auf
dem Gemälde aus Dresden dargestellt.1
Grisebach spricht sich für eine recht frühe
Signiert rechts auf einem Brett: W. KALF
Leipzig, Museum der bildenden Künste, Inv.
Nr. 1035

Provenienz:
solch breitem Format gearbeitet hat, diese Tafeln Entstehungszeit des Gemäldes aus, ohne aller­ Kardinal Joseph Fesch (1763-1839), Erzbi­
dann allerdings von späteren Besitzern in klei­ dings eine genaue Datierung zu treffen. Indem er schof von Lyon, Versteigerung Rom, 17. März
1845, Kat. Nr. 116-482; Baron E. de Beurnon-
nere Teilgemälde zerlegt wurden. es in seinem Buch über Kalf als erste Abbildung
ville, Paris, Versteigerung Paris, 9. Mai 1881,
Ein weitläufiger Blick bietet sich hier in das wählt, suggeriert er allerdings eine Entstehung in Kat. Nr. 347; Galerie Ch. Sedelmeyer, Paris;
Innere einer Scheune. Mittelpunkt der Szene ist der frühesten Schaffensphase Kaifs, also um das Alfred Thieme, Leipzig, ab 1896; 1916 aus
eine Frau am Brunnen sowie verschiedenste Ge­ Jahr 1640. Es stünde dann den Gemälden seines dieser Sammlung erworben.
müse und Gebrauchsgegenstände. hier als Lehrmeister vorgestellten Rotterdamer
Ausstellungen:
Gerade hat die Frau einen Eimer Wasser an Malers Hendrick Sorgh noch immer nahe.
Ausstellung alter Meister aus Leipziger Privat­
einem Seil aus dem Brunnen hochgezogen. Vor De Jongh interpretiert das Motiv des Besens besitz, Leipzig, Leipziger Kunstverein, 1914,
ihr hängt ein Stück Fleisch an einem Haken und in Sorghs Werk - oder doch wenigstens die Tä­ Kat. Nr. 198; Der Bauer und seine Befreiung,
im Vordergrund sieht man einen großen kup­ tigkeit des Fegens - ikonologisch mit der Be­ Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, 1975,
fernen Kochkessel, darin eine Zinnschüssel und deutung der »Austreibung des Sündigen und Kat. Nr. 165; Meisterwerke der Renaissance
und des Barocks aus dem Museum der bilden­
andere Teller. Dahinter steht ein mit Tierhaut Unreinen«. Der Besen kann seiner Ansicht nach
den Künste Leipzig, Yokohama, Sogo Museum
verschlossener Vorratstopf, Reste einer Glasur sowohl unmittelbar zur Beseitigung des im Bild­ of Art, Hokkaido, Museum of Modern Art,
zieren noch seine Vorderseite. Links liegt ein vordergrund liegenden Unrats dienen, als auch Hiroshima, Hiroshima Museum of Art, 1985,
dicker Kürbis, davor Porreestangen, langstielige im übertragenen Sinne dazu, »das zur Schau ge­ S. 87, 171, Kat. Nr. 53, Abb.
Karden und Zwiebeln. Das blumenartige Ge­ stellte Böse« auszutreiben.5 Eine solche Bedeu­
Literatur:
müse, das auf zahlreichen weiteren Gemälden tung kann dem Gemälde Kaifs nicht beigemes­
Catalogue des tableaux composant la galerie
Kalis zu sehen ist, kann nicht genau identifiziert sen werden. de feu son Eminence le Cardinal Fesch, Rom,
werden. Auf einem umgestülpten Bottich sitzt Grisebach erwähnt zwei Kopien, eine befand 1841, Nr. 482; W. Bode, »Die Gemäldegale­
eine Katze, die von einem Zinnteller frisst. Ein sich vormals im Louvre, ihr heutiger Verbleib ist rie Alfred Thieme in Leipzig«, Zeitschrift für
Besen lehnt schräg an den Holzbohlen eines unbekannt, die andere vormals auf dem Londo­ bildende Kunst N.F. 11 (1900), S. 144; Grise­
bach, 1974, S. 43, 45, 67, 68, Kal. Nr. 5, Abb. 1;
Verschlags. Im schattigen linken Vordergrund ner Kunstmarkt.6
S. Heiland, Museum der bildenden Künste
liegen ein aus Weidenzweigen geflochtener Korb JG Leipzig. Katalog der Gemälde, Leipzig 1979,
und auf einem Fass ein kupferner Milchkessel. 1 Willem Kalf, Inneres eines Bauernhauses nut S. 103, Kat. Nr. 1035; G. Winkler, Museum der
Im Hintergrund führt eine kleine Stiege zu einer einer Frau am Brunnen, Öl auf Holz, 25,5 x 21 cm. bildenden Künste Leipzig, Leipzig 1979, S. 156,
Tür, in der. es ist kaum zu erkennen, eine alte Saint Louis, Saint Louis Art Museum, Inv. Abb. 62; Ter Kuile, 1985, S. 122, Abb. VI-30a;
Nr. 93:47. D. Sander, Museum der bildenden Künste
Frau steht. Rechts im Bildhintergrund sind ei­
Leipzig. Katalog der Gemälde, Leipzig 1995,
nige Kühe zu sehen. Ein Mann klettert auf einer S. 93, Abb. 312.
Leiter nach oben.
Verschiedene Elemente sind fast identisch in
anderen Bauernstfieben Kaifs wiederzufinden.
In ganz ähnlicher Weise ist auf einem Gemälde
in Saint Louis das .Motiv einer Frau am Brun­
nen dargestellt, auch hier wieder ein Kürbis, eine
Kardenstaude und der schräg angelehnte Besen
(Abb.l).- Eine ganze Motivgruppe kehrt auf
einem Gemälde wieder, das sich im Historischen
Anmerkungen
Museum Rotterdam befindet (Leihgabe ICN): der 1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 2, Abb. 2.
zugebundene große Topf mit Glasurrest, rechts 2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 6, Abb. 6.
davon der umgekippte kupferne Kochkessel und ' Grisebach, 1974, Kat. Nr. 1, Abb. 4.
der Kürbis.2 Die vom Teller fressende Katze auf ‘ Grisebach, 1974, Kat. Nr. 10, Abb. 18.
5 E. de Jongh, »De bezem als betekenisdrager:
der Tonne erscheint unter anderem auch auf
een iconologisch vermoeden«, Kwestis van
einem Gemälde Kaifs in privatem Besitz.’ Auch betekenis, Thema en motief in de Nederlandse
der Flechtkorb links unten ist in gleicher Weise schilderkunst van de zeventiende eeuw, Leiden
auf einem Gemälde in Karlsruhe (Kat. Nr. 9) dar- 1995, S. 211-212.
gestellt. Das Korbmotiv griff Kali häufiger auf, 6 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 5a u. 5b.

44 Die Bauerninterieurs
3 Alter Mann mit Esel und Gemüse in einem Torbogen

in gemauerter Torbogen rahmt die Szene. Kalf zeigt sich in diesem Gemälde als meister­ Öl auf Kupfer, 40,1 x 25,4 cm

E Er ist mit verschiedenen Pflanzen und licher Landschaftsmaler, wie übrigens auch auf Signiert rechts auf einem Stein: KALF
Europa, Privatsammlung
Sträuchern bewachsen. Rechts steht ein dem Gemälde unter Kat. Nr. 4 . Sein besonde­
Mann, der damit beschäftigt ist, Gemüse von res Talent bei der Darstellung von Tieren wird Provenienz:
einem Esel abzuladen. In seinen Händen hält er an der ausgesprochen gelungenen Ausführung R. Zahn, Versteigerung München, 21. No­
ein dickes Bündel Karden. In dem Korb rechts des Eselskopfes deutlich. Auffallend ist auch die vember 1917, Kat. Nr. 26, Abb. 17; M. von An-
im Vordergrund liegen neben einem roten und Wahl des Torbogens als Bildmotiv. Sind das ver­ drenyi, München, 1971.
einem gelben Kürbis noch Spargel und eine fallene Mauerwerk und das kaputte Wagenrad Literatur:
Artischocke. Davor ist ein großes Bund Porree Sinnbild der Vergänglichkeit allen Irdischens? Grisebach, 1974, S.44, 67, 68, 215-216, Kat.
dargestellt, rechts davon ein paar Zwiebeln, links Dies scheint allerdings nicht sehr wahrschein­ Nr. 16, Abb. 12.
allem Anschein nach ein Blumenkohl, weiterhin lich - viel eher wird durch dieses Element das
eine Melone, zwei Gurken und ein Körbchen Pittoreske der Szenerie unterstrichen.
mit Möhren. Die große irdene Gießkanne davor Grisebach datiert das Gemälde kurz vor oder
dient vielleicht dazu, das Gemüse nass zu halten. um das Jahr 1642.
Am linken Torbogen lehnt ein Wagenrad, aus IG
dem ein Stück herausgebrochen ist. Hinter dem
Tor erstreckt sich eine weite Landschaft mit ei­
nigen Kühen und einer melkenden Bäuerin. Vor
dem Hintergrund zeichnen sich die Spitzen ei­
ner Bergkette ab. Fahlgelb leuchten die Wolken
im Licht der untergehenden Sonne.
Das Gemälde ist auf einer Kupferplatte gemalt,
deren Format wohl die doppelte Größe der an­
deren von Kalf bekannten auf Kupfer gemalten
Werke hat (siehe auch Kat. Nr. 8 ). Weshalb sich
Kalf bei diesem Werk für Kupfer als Bildträger
entschied, ist nicht bekannt. Offensichtlich er­
strebte er für diese Szene einen besonders feinen
und glatten Effekt, für den Kupfer bekannt ist.
Vielleicht handelt es sich bei diesem Bild auch
um ein Experiment, mit dem er den Effekt von
Kupfer als Bildträger ausloten wollte. Aber auch
in anderer Hinsicht handelt es sich hier um eine
besondere Arbeit. Zwar malte Kalf Porreestan­
gen, Karden, rote und gelbe Kürbisse, Melonen,
Möhren und Gurken gern und häufig, einzigar­
tig sind jedoch das einem Blumenkohl ähnelnde
Gemüse sowie die rote mit grünen Glasurflecken
versehene Kanne.

46 Die Bauerninterieurs
4 Bauern im Freien am Brunnen
(nur in Rotterdam)

u den wohl schönsten Gemälden, die das früheste datierte Werk, das aus seiner Pariser Öl auf Holz, 32 x 24 cm

Z Kalf in der frühen französischen Perio­ Zeit bekannt ist. Kalf war damals 23 Jahre alt. Signiert und datiert auf dem Trog rechts:
KALF/1642
de schuf, zählt dies signierte und 1642 Mit der Darstellung von Notre Dame hat der
Privatsammlung
datierte Werk. Es zeigt einen Bauern und eine Maler die Szene eindeutig nach Paris verlegt
Bäuerin bei der Arbeit am Brunnen, im Pariser oder wollte zumindest darauf hinweisen, dass es Provenienz:
Auktionskatalog von 1764 übrigens idyllischer sich um die französische Version des Rotterda­ (Nicht wie Grisebach vermutet: Versteige­
Un fardinier & une Jardiniere (ein Gärtner und mer Bauernstillebens handelte. Auffallend sind rung Jean-Fran^ois de Troy (1679-1752), Pa­
ris, Remy, 9.-19. April, 2.-5. Mai 1764, Kat.
eine Gärtnerin) genannt. Der Mann hat einen übrigens die großen Bäume, die in keinem an­
Nr. 63) Dr. Freiherr von Schwarz-Senborn,
Eimer voll Wasser geschöpft, die Frau sitzt vor deren Werk Kalfs zu finden sind. Wien; Versteigerung Amsterdam, Mensing,
ihm auf einem niedrigen hölzernen Fass. Der Laut Grisebach ist das Tafelbild in seinem 13. Juli 1926, Kat. Nr. 737, Abb.; Versteigerung
hölzerne Galgen, an dem ein Flaschenzug befes- heutigen Zustand beschnitten worden. Er äu­ Amsterdam, Mensing, 20.-22. Juni 1928, Kat.
tigt ist, ist auf einen Weidenast gestützt. Wie aus ßert sich allerdings nicht dazu, wieviel und an Nr. 29 (/ 2100,- an Goudstikker); Galerie J.
Goudstikker, Amsterdam, 1928; S. Buche­
Sicht des Betrachters zu erkennen ist, umgibt welcher Seite etwas fehlt. Seine Theorie basiert
nau, Niendorf (?); Franz Buchenau, Solingen
die Mauer den Brunnen nicht vollständig. Ge- auf der Tatsache, dass zwei ähnliche Gemälde (1934-1946 Leihgabe an das Rijksmuseum,
gen den großen steinernen Trog lehnt eine Kie­ existieren, seiner Meinung nach Kopien. Auf Amsterdam); Galerie Julius Böhler, München,
pe mit Gemüse, zuoberst liegt ein großer Kohl­ einem dieser Bilder ist links eine Windmühle zu 1963; Versteigerung Paris, 20. März 1964, Kat.
kopf. Dieser Tragekorb ist in identischer Weise sehen und ein Baum mit breiter Krone, auf dem Nr. 39; Sammlung Dr. H.A. Wetzlar, Amster­
dam.
auf dem Gemälde dargestellt, das sich ehemals zweiten Bild ist Raum belassen zwischen dem
in der Sammlung Schloss in Paris befand.1 Auch hängenden Seil und dem Korb.11 Letzteres ist sig­ Ausstellungen:
der runde Kürbis ist ein häufiges Motiv, bei- niert und trägt ebenfalls das Datum 1642. Gri­ De kunst van het verzamelen, keuze uit twee
spielsweise auf den Gemälden in Leipzig (Kat. sebach betrachtet es aufgrund der »sklavisch« Nederlandse collecties, Laren, Singer Museum,
Nr. 2) und in Saint Louis.2 Rechts vom Korb liegt ausgeführten Signatur als Kopie. Aber es könnte 1966, Kat. Nr. 28, Abb. 21.
ein großes Bündel Mangold, wie wir es in dersel­ sich durchaus um eine eigenhändige Wiederho­
Literatur:
ben Anordnung in dem Gemälde sehen, das sich lung handeln. Catalogue des nouvelles acquisitions de la Coll­
ehemals in der Sammlung Girardet in Kettwig Das Gemälde (oder eine der beiden Wieder­ ection Goudstikker, Amsterdam, Nr. 35, Okto­
befand3, oder auf den Werken in Metz'1 und New holungen) wird erstmals 1764 in einer Verstei­ ber-November 1928, Kat. Nr. 17; Van Gelder,
York.5 Dasselbe Bündel Mangold ist weiterhin gerung in Paris als ein Werk aus der Sammlung 1941, S.43, Abb. S. 41; A. Heppner, »Rotter­
dam as the Centre of a Dutch Teniers Group««,
auf dem Gemälde in Rotterdam (Kat. Nr. 11) zu des französischen Malers Jean-Francois de Troy
Art in America 34 (1946), S. 28, Abb. 13; Gri­
finden, ebenso auf den Fassungen in Straßburg (1679-1752) erwähnt. Es wäre interessant gewe­ sebach, 1974, S.44, 48, 61, 63, 66, 67, 68, 72,
und Karlsruhe6, sowie auf jenem, dass sich vor­ sen, wenn es sich im Besitz des Malers befun­ Kal. Nr. 20, Abb. 22; M. Jager, Voorkeurcn. een
mals in der Galerie Van Diemen befand.7 Auf den hätte, doch es gehört zu den Werken, die particidiere collectie, Utrecht 1985, S.40, Abb.
den Gemälden aus der ehemaligen Sammlung in dieser Versteigerung den Gemälden aus der
Schloss (siehe Anm. 1) und in Dijon sieht man Sammlung von De Troy hinzugefügt wurden.12
ebenfalls Mangold, allerdings seitenverkehrt Das Gemälde muss nach seinem Entstehen, also
Anmerkungen
dargestellt/ Die Endivien, die drei Gurken im bis mindestens zum Jahr 1764, in Frankreich 1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 18, Abb. 21.
Vordergrund, der Flaschenkürbis und die große verblieben sein. 2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 2, Abb. 2, Kat. Nr.5,
Kalebasse kehren ebenfalls auf anderen Werken IG Abb. 5
wieder. Einzigartig ist allerdings das große Bund 3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 17, Abb.20
weißer Rüben im Vordergrund, eine Art Zu­ 4 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 23, Abb.25
5 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 46, Abb. 38
ckerrübe (nieder!.: suikerbiet), die heute nicht 6 Grisebach, 1974, Kat. Nr.48, /\bb.49 u. Kat.
mehr angebaut wird. Nr. 49, Abb. 51.
Links ist in der Ferne der Umriss einer Stadt 7 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 53, Abb. 55.
zu sehen, in der man früher oftmals Brüssel zu * Grisebach, 1974, Kat. Nr. 22, Abb. 24
9 Im Katalog Goudstikker, 1928.
erkennen glaubte.9 Heute geht man davon aus,
10 Im Katalog Goudstikker, 1928.
dass es sich um Paris handelt, da man anhand 11 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 20a, Öl auf Holz,
der dargestellten Türme die Kathedrale von 34,5 x 25,5 cm oder 35,5x27,5 cm, ehemals
Notre Dame erkennen kann. Sammlung Lyndhorst, Brüssel, Kat. Nr. 20b,
Auf dem Trog ganz rechts steht in Kapitalen kein Träger oder Maße, signiert: W. Kalf 1642,
Galerie Edward Speelman, London, 1971.
die Signatur »KALF« und darunter die Jahres­ Maße, in RKD: 34,9x27,2 cm.
zahl, die früher als 1652 gelesen wurde10, aber 12 Mit Dank an Christophe Leribault (Mittei­
wohl eher 1642 sein muss. Das Gemälde ent­ lung Oktober 2005), Autor der Monographie
stand in den ersten Pariser Jahren Kalfs und ist Jean-Fran^ois de Troy 1679-1752, Paris 2002.

Die Bauerninterieurs
48
5 Bäuerliches Interieur mit Frau am Butterfass

entrales Motiv des Gemäldes ist die hinter ihre Flamme auf der Wand eine schwarze Ruß­ Öl auf Leinwand, 31 x23,5 cm

Z einem Butterfass stehende Frau. Mit ih­ spur hinterlassen. Auf dem Gemälde in Metz Signiert links unter der Bank: W. KALF
Rotterdam, Museum Boijmans Van Beunin-
rer rechten Hand hebt sie den Deckel des (siehe Anm. 2) sind ein ungefähr vergleichbares
gen, Leihgabe Stiftung Willem van der Vorm,
Fasses an. Das Fass steht auf drei hohen Beinen, Tischchen mit Tuch und eine in einer Nische Inv. Nr. vdV 43
ein Fassband ist seitlich verrutscht. Das gleiche stehende Flasche abgebildet. Im Bildhintergrund
Butterfass ist auch auf dem Gemälde aus Privat­ steht eine Tür halb offen. Darüber befindet sich Provenienz:
besitz (Kat. Nr. 8) abgebildet. Auf dem Interieur, ein rechteckiges Oberlicht und nicht, wie so oft Sammlung Poullain, Paris, 15-21 März 1780,
Kat. Nr. 67 (für 196-1 an De Vouge); Samm­
das sich ehemals in der Sammlung Girard be­ dargestellt, ein halbrundes. lung Hudtwalcker, Hamburg, 1863; Privat­
fand, ist es ebenfalls zu finden, dort allerdings Im Hintergrund rechts ist ein Mann zu sehen, besitz Deutschland; am 14. April 1938 von
mit geraden Bändern.1 Im Vordergrund liegt der auf einer Leiter nach oben geklettert ist. Willem van der Vorm erworben von der Ga­
ein kupferner Milchkessel mit dazugehörigem Derselbe, auf einer Leiter stehende Mann ist auf lerie Internationale (H. Maas), Den Haag, zu­
Deckel. Dieses Motiv findet sich in identischer dem Gemälde in Karlsruhe (Kat. Nr. 9) wieder­ sammen mit einem Gemälde aus dem Gerard
Dou-Umkreis, VdV 20, für / 5500,-.
Weise auf gut zwölf weiteren Gemälden, wie bei­ gegeben, allerdings in Rückenansicht. Auf den
spielsweise auf dem Gemälde in Metz.2 Hier ist Dachsparren über ihm liegt ein Korb, von dem Ausstellungen:
sogar die Strauchendivie gleich angeordnet. Der ein Seil herabhängt. Rechts im Hintergrund sitzt Schilderijen, teekeningen en beeldhouwwerken
dahinter liegende große Grünkohlkopf kehrt eine Frau mit dem Rücken zum Betrachter am uit particuliere Nederlandse verzamelingen,
auf dem Gemälde im Louvre (Kat. Nr. 7) sowie Feuer. Vermutlich bereitet sie eine Mahlzeit zu. Rotterdam, Museum Boymans, 1938-1939,
Kat. Nr. 19; Drie en zestig schilderijen uit de
auf zwei Werken in Göteborg wieder.3 Der gro­ Dieselbe Frau in Rückenansicht ist ein häufig
verzameling Willem van der Vorm, Rotterdam,
ße mit einem Tragestock versehene Korb rechts von Kalf dargestelltes Motiv. Museum Boymans, 1950- 1951, Kat. Nr. 50; Ne­
im Vordergrund erscheint in identischer Dar- Grisebach geht davon aus, dass die Ränder derlandse stillevens uit vier eeuwen, Dordrecht,
Stellung auf den Gemälden in Rom ’, Rotterdam der Leinwand später weiter umgeschlagen wur­ Dordrechts Museum, 1954, Kat. Nr. 60.
(Kat. Nr. 11) und auf dem ehemals in Kasseler den, als dies ursprünglich der Fall war, da das
Literatur:
Privatbesitz5 befindlichen Werk. In gespiegelter Sieb links im Bild heute nur noch halb zu sehen
G. Parthey, Deutscher Bildersaal, Bd. 1, Berlin
Position ist der Korb auf zwei weiteren Arbei­ ist. Belegt werden kann diese These allerdings 1863, S. 651, Nr. 8; Grisebach, 1974, S. 70,221,
ten in Epinal6 und in Karlsruhe (Kat. Nr. 9) zu nicht. Kat. Nr. 26, Abb. 28; F. Lammertse in Ausst.
sehen. Übrigens konnten auch die von Grisebach ge­ Kal., De verzameling van de Stichting Willem
Etwas weiter im Bildhintergrund ist allem An- nannten Spuren einer Jahreszahl unterhalb der van der Vorm in het Museum Boymans-van
Benningen, Rotterdam 1994, Kat. Nr. 21.
schein nach Brennholz aufgeschichtet, dahinter Signatur nicht gefunden werden.
befinden sich ein Kürbis und wiederum dahin­ Aufgrund der Malweise schließt Grisebach Anmerkungen
ter ein Tischchen mit einem herabhängenden auf eine Entstehungszeit vor derjenigen des Ge­ 1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 17, Abb. 20.
Tuch. Auf dem Tisch stehen zwei Teller und mäldes im Louvre (Kat. Nr. 7), das er zwischen 2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 23, Abb. 25.
ein Eierkörbchen. In einer Wandnische steht 1642 und 1643 datiert. 3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 57, Abb. 58 u. Kat.
Nr. 58, Abb. 59.
eine Flasche Wein, links darüber hängt ein Sieb. Dieselbe Bildkomposition mit Türöffnung,
1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 19, Abb. 17.
Rechts neben der Wandnische befindet sich eine Teller und Eierkörbchen auf dem Tisch, Brenn­ 5 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 51, Abb.54.
heruntergebrannte Kerze. Deutlich sichtbar hat holz und Kürbis entdeckte Grisebach im Muse­ 6 Grisebach, 1974, Kal. Nr. 33, Abb.37.
um De Fundatie in Heino in einem auf Kupfer 7 Grisebach, 1974, Verz. Nr. B 5, Abb. 172.

1 Nachfolge von Willem Kalf, Inneres eines Bauern­ gemalten Werk wieder, welches er folglich als 2 Jacob Cats, Sinne-beeldt. De heymisse en
hau st’5, Öl auf Kupfer, 14,4 x 17,6 cm, Heino, »eklektische Kopie« bezeichnet (Abb. I).7 cygenschap des Christelycken Self-Stryts.
Museum De Fundatie. Auf der Suche nach einer möglichen ikono- Sinnebeeldt Openende de heymcnisse ende
graphischen Deutung soll auf einen Stich in rechten aert des Christelickcn SelJ-Stryts, in
einem Buch Jacob Cats aus dem Jahre 1655 ver­ Alle de wercken, so oude als nieuwe, Ams­
wiesen werden. Der Text lautet dort: »De keerne terdam, 1655, 3. Buch, Zelf-stryt, S. 28-30.
sy de mensch«, das heißt das Butterfass sei der
Mensch. Wie im Butterfass findet im Inneren
des Menschen ein Kampf zwischen dem Gu­
5— ^
ttg jll f c
g--- 4

ten und dem Bösen statt, ein »Selbststreit« im


christlichen Sinne (Abb. 2).
Es ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich,
dass dem Gemälde Kalfs eine solche Bedeutung
l JlblLU
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gegeben werden kann.


JG
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Die Bauerninterieurs
50
6 Bäuerliches Interieur, im Hintergrund Frau am Kamin

n einer Bauerndiele steht rechts ein Tisch. Er Das Gemälde in Detroit zeigt als zentrales Mo­ Öl auf Holz, 20,2 x 18,5 cm

I ist Zentrum des auf und um ihn drapierten tiv einen alten Schrank mit schief in den Angeln Berlin, Staatliche Museen zu Berlin,
Gemäldegalerie, Kat. Nr. 948H
Stillebens. Im Vordergrund liegen eine große hängenden kaputten Türen. Chong und Kloek
Kallebasse und ein Kürbisschnitz. Rechts vorn erkennen hierin Zeichen eines »von Armut und Provenienz:
liegen zwei Zwiebeln, auf einer Kiste steht ein Elend geprägten Daseins«.2 Die Üppigkeit der Wahrscheinlich J. A. de Silvestre, Versteige­
Messgefäß aus Zinn. In dem Korb auf dem Boden zur Schau gestellten Speisen deutet jedoch eher rung Paris, Regnault, 28. Februar - 25. März
vor dem Tisch liegen ein Kohlkopf und zwei Gur­ auf das Gegenteil hin. Das dem Verfall preisge­ 1811, Nr. 38 zusammen mit Grisebach, 1974,
Kat. Nr. 29 (fr. 167,- und nicht 1678,-wie Gri­
ken. Ein Besen ist an den Tisch gelehnt. gebene Interieur verstärkt vielmehr die Atmo­
sebach schreibt); Monsieur Lavallee, General­
Auf der Tafel stehen ein hoher schartiger But­ sphäre des Pittoresken.3 sekretär des Museums, Versteigerung Paris,
tertopf, ein großer kupferner Kochkessel sowie Die Darstellung scheint eher auf eine Roman­ Paillet, 9. März 1818, Kat. Nr. 8 zusammen
ein Teller mit aufgeschnittener Melone. Links tisierung des einfachen Lebens auf dem Lande mit Gr. Kat. Nr. 29 (fr. 200,-); Versteigerung
erkennt man eine Flasche Rotwein. Vom Tisch zu verweisen, wie sie damals so populär war und Berlin, Lepke, 7. Mai 1895, Kat. Nr. 305 (zu­
sammen mit 306); möglicherweise Versteige­
fallen die Draperien eines weißen Tuches. An beispielsweise auch im CEuvre des etwas älteren,
rung München, Helbing, 25. April 1904, Kat.
der Wand hängt ein Bündel mit drei Kerzen. Der aus Haarlem stammenden Malers Adriaen van Nr. 60 (Grisebach: Es könnte sich auch um
Stumpf einer an der Wand befestigten Kerze hat Ostade (1610-1685) wieder zu finden ist. Seine Kat. Nr. 29 handeln); 1906 als Geschenk von
eine Rußspur auf dem Mauerwerk hinterlassen. bäuerlichen Interieurs sind ebenso pittoresk wie Wilhelm Bode erworben.
Das Stilleben ist vor einem rundbogenförmi­ jene Kalfs. Beide Maler wandten sich diesem Su­
Ausstellungen:
gen, verfallen wirkenden Durchgang aufgestellt. jet ab den vierziger Jahren des siebzehnten Jahr­
Keine.
Es ist nicht auszumachen, was sich dahinter be­ hunderts verstärkt zu.
findet. Links vorn im Boden ist eine hölzerne JG Literatur:
Falltür mit eisernen Scharnieren zu sehen. Am Grisebach, 1974, S.70, 222, Kat. Nr. 28,
Feuer im Bildhintergrund bereitet eine Frau das Abb. 30.
Essen zu. Sie ist in Rückenansicht dargestellt.
Die meisten dieser Bildelemente begegnen
uns auch in anderen Gemälden Kalfs, die um
dieselbe Zeit entstanden sind - besonders häufig
darunter der Besen, das drapierte weiße Tisch­
tuch, der große Kürbis mit Fruchtschnitz, der
Kupferkessel sowie die angeschnittene Melone.
Ein merkwürdiges Detail ist der hohe gebors­
tene Buttertopf, der auch auf dem Gemälde im
Louvre wieder zu finden ist (Kat. Nr. 7).
Im 19. Jahrhundert wurde zusammen mit
dem Gemälde aus Berlin ein weiteres Tafelbild
verkauft, das sich heute im Detroit Institute of
Arts befindet, und in Höhe und Breite unge­
fähr einen Zentimeter größer ist (Abb. I).1 Ob
Kalf diese beiden Werke wirklich als zueinan­
der gehörende Pendants schuf, bleibt fraglich.
Grisebach weist darauf hin, dass dies zeitweise
der Fall gewesen ist, aber ursprünglich so nicht
geplant war. Dagegen sprechen auch die unter­
schiedlichen Maße der beiden Bilder.
Anmerkungen
1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 29, Abb. 31.
2 A. Chong, W. Kloek in Ausst. Kat. Het Ne-
derlandse stilleven 1550-1720, Amsterdam,
Rijksmuseum, Cleveland, The Cleveland Mu­
seum of Art 1999-2000, Kat. Nr. 47.
3 S. Donahue Kurelsky, The Detroit Instituteof
Arts, Masters of Dutch Painting, Detroit 2004,
Kal. Nr. 50; Verweis auf W. S. Gibson, Pleasant
Places, Ihe Rustic Landscape front Bruegel to
Ruisdael, California 2000, S. 141-177.

52 Die Bauerninterieurs
7 Bäuerliches Interieur mit Frau in einer Tür,
im Hintergrund Mann und Frau am Kamin

as Gemälde befindet sich seit 1784 im Auch der geborstene Buttertopfmit undefinier­ öl auf Holz, 40 x 52 cm

D Louvre und wird von Grisebach wegen barem Inhalt sowie das drapierte weiße Tuch ist Paris, Musde du Louvre, Inv. Nr. 1411
seiner Größe und seiner brillanten Mal­ von einem anderen Werk Kalfs bekannt: von
Provenienz:
weise als Hauptwerk aus der Pariser Zeit Kalfs dem Gemälde in Berlin (Kat. Nr. 6). Eine wei­ Francois Boucher (1703-1770), Versteigerung
betrachtet wird - sicherlich auch, weil es sich im tere Parallele findet sich zu dem Gemälde in Paris, Musier, 18. Februar - 9. März 1771, Kat.
Besitz des französischen Malers Francois Bou­ Amiens (siehe Anm. 1): das alte Schränkchen Nr. 21 (livres 600 an Trouard); Louis- Francois
cher (1703-1770) befunden hatte. Es ging dann mit schief in den Angeln hängender Tür. Links Trouard, Versteigerung Paris, 22-27 Februar
1779, Kat. Nr. 122, Comte de Vaudreuil, Ver­
in den Besitz von Louis-Francois Trouard über, davon hängt übrigens das schon bekannte Bün­
steigerung Paris, J. B. P. Le Brun, 24. Novem­
dem Architekten und Bauleiter des französi­ del Kerzen. Zwei heruntergebrannte Kerzen, ber 1784, Kat. Nr. 54 (livres 801 an PaiJlet)
schen Königs. Später gelangte es in die Samm­ die rechts neben dem beschädigten Topf an der (Pendant van Bourdon, Kat. Nr. 82 dieses Ka­
lung des Comte de Vaudreuil (Falkenjäger von Wand befestigt sind, haben dunkle Rußspuren talogs); auf dieser Versteigerung für 801 livres
Frankreich). 1784 erwarb es Comte d’Angiviller hinterlassen. Das blutige Stück Fleisch auf dem für die Sammlung Ludwig XVI. erworben;
Musee du Louvre.
für die Sammlung König Ludwigs XVI. Bei dem Tisch stellt Kalf anderswo meist an einem Ha­
anderen Werk im Besitz Bouchers könnte es ken hängend dar. Links im Hintergrund sitzen Ausstellungen:
sich um ein Gemälde in Amiens1 handeln, das ein Mann und eine dem Betrachter abgewandte Exposition de 700 tableaux de toutes les Ecoles
ihm laut Fran<;oise Joulie als Vorbild für La Belle Frau am Feuer, ein typisches Element aus den ariterieures ä 1800 tires des Reserves du Depar­
Villageoise gedient haben soll.2 Dieses Gemälde Bauerninterieurs Kalfs. tement des Peintures, Paris, Louvre, 1960, Kat.
Bouchers befindet sich heute in Privatbesitz. Nr. 423; Le siede de Rembrandt, Tableaux hol-
Das Gemälde ist nicht signiert oder datiert.
landais des collections publiquesfran^aises, Pa­
In der Diele links ist ein Steintrog dargestellt, Grisebach vermutet eine Entstehungszeit zwi­ ris, Musee du Petit Palais, 1970-71, Nr. 119.
wie er auch auf dem Gemälde in Heino (Kat. schen dem 1642 datierten Gemälde aus Privat­
Nr. 12) zu finden ist. Ein Eimer mit Seil steht auf besitz (Kat. Nr. 4) und dem seiner Meinung nach Literatur:
dem Trog. Daneben lehnt eine Kiepe mit Kürbis, 1643 gemalten Werk aus Heino (Kat. Nr. 12), Villot, Mus. Kat., 1852, Kat. Nr. 259; L. Viar-
wie schon auf dem Gemälde aus der früheren dot, Les Musees de France. Paris, guide et nie-
dessen Jahreszahl als 1645 zu lesen ist.
mento de l art ist e et du voyageur, Paris 1860,
Sammlung Schloss3, einem Gemälde in Privatbe­ Dies würde bedeuten, dass das Stilleben im S. 193; G. F. Waagen, Handbuch der deutschen
sitz (Kat. Nr. 4), und als Teilansicht links im Vor­ hier besprochenen Gemälde von Kalf nach der und niederländischen Malerschulen, Teil 2,
dergrund des Gemäldes in Heino (Kat. Nr. 12). Vorgabe des Gemäldes in Heino (Kat. Nr. 12) Stuttgart 1862, S. 254; Ch. Blanc, Histoire des
Der Korb, den der Mann hier im Hintergrund ausgeführt wurde. Fraglich ist nun, ob sich die peintres de toutes les ecoles, Ecole hollandaise,
auf dem Rücken trägt, ist von anderer Art. Teil 2, Paris 1861, S. 4; F. Engerand, Inventaire
Komposition des Stillebens so ins Gedächtnis
des tableaux commandes et achetes par la Di-
Senkrecht stehende Backsteine bilden den des Künstlers eingebrannt hatte, dass er sie ohne rection des Bätiments du Roi, 1709-1792, Paris
Rand einer im Vordergrund sichtbaren Vertie­ weiteres »aus dem Kopf« malen konnte, oder 1901, S. 566; Grisebach, 1974, S. 68-71, S.223,
fung, ähnlich in den Gemälden in Dresden1, ob sich das Gemälde aus Heino noch in seinem Kat. Nr. 30, Abb. 32.
Detroit5, Epinal6, Göteborg7 und schließlich in Atelier befand und quasi »abgemalt« wurde.
jenem aus der vormaligen Sammlung Schloss In Karlsruhe befindet sich eine alte Kopie des
(siehe Anm. 3). Werkes, die schon von Lauts als solche erkannt
Rechts davon sind zwei Balken in den Boden wurde; eine weitere Kopie befand sich in der Ga­
eingelassen. Eine Falltür mit eisernem Scharnier lerie Mellaart in Maastricht.”
und Zugring ist daran befestigt. Dieses Motiv ist JG
wiederum auf dem Gemälde in Dresden anzu­
treffen, hier allerdings in Kombination mit einem Anmerkungen
1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 31, Abb. 33.
Backsteinmäuerchen (siehe Anm. 4) - ebenso in
2 F. Joulie in Ausst. Kat. Boucher et lespeintres
dem Bild, das sich ehemals in der Sammlung Gi- du Nord, Dijon, Musöe Magnin, London, The
rardet befand (mit Rand)8, in Berlin (Kat. Nr. 6), Wallace Collection 2004-05, S. 75.
im Museum Bredius in Den Haag9 und zuletzt 3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 18, Abb. 21.
* Grisebach, 1974, Kat. Nr. 10, Abb. 18.
in Göteborg.10
5 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 29, Abb. 31.
Das im Bildvordergrund komponierte Still­ 6 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 33, Abb. 37.
leben aus Grünkohl, Kürbissen, schräg stehen­ 7 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 57, Abb. 58.
dem kupfernen Milchkessel mit Deckel, Zinn­ 8 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 17, Abb. 20.
teller, Zwiebel und Gurken wiederholt sich auf 9 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 32, Abb. 34.
10 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 57, Abb. 58 u. Kat.
dem Gemälde in Heino (Kat. Nr. 12). Der an ei­
Nr. 58, Abb. 59.
ner Wand lehnende Besen ist ebenso ein häufig 11 J. Lauts, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe.
von Kalf gewähltes Motiv. Katalog Alte Meister bis 1800, Karlsruhe, 1966,
S. 160; Grisebach, 1974. Kat. Nr. 30a u. 30b.

54 Die Bauerninterieurs
8 Bäuerliches Interieur mit Frau am Butterfass

auptmotiv dieses kleinen Gemäldes ist Bilderpaar handelt. Die beiden anderen Kupfer­ Öl auf Kupfer, 17x13 cm

H eine Frau, die mit einem beidhändig gemälde Frau in einer Tür mit Frau am Kamin Niederlande, Privatbesitz
umfassten Stab im Butterfass rührt. und Mann am Brunnen mit Frau in einer Tür
Provenienz:
Das Fass steht auf hohen Beinen und hat ein ver­ befinden sich in der St. Petersburger Eremitage Galerie Orleans (Nicht bestätigt durch Casi­
rutschtes Band. Ob das Fassband absichtlich so und messen 17 x 13,5 cm.5 mir Stryinski, La galerie ..., 1913), Sammlung
befestigt wurde, oder in seine Position gesackt ist, Jetzt stellt sich die Frage, warum Kalf sich ge­ Lackmann, Frankfurt am Main; Stefan Carl
wird nicht deutlich (vgl. Kat. Nr. 11). An diesem rade hier für Kupfer als Bildträger entschieden Michel, Mainz, Versteigerung Berlin, Lepke,
Butterfass lehnt ein glänzender kupferner Koch­ 27.-28. Februar 1917, Kat. Nr.54, Abb.(RM
hat. Die ebene und glatte Oberfläche des Me­
7700,-); Privatbesitz, Paris; Versteigerung
kessel, daneben liegt ein Bund Porreestangen. talls wurde von Malern geschätzt, weil sie die Köln, Lempertz, 22.-24. November 1984, Kat.
Dasselbe Motiv finden wir auf einem Gemälde Möglichkeit zu einer besonders feinen Malwei­ Nr. 85, Abb. 26 (geschätzt auf DM 25000,-);
in Privatbesitz, das Grisebach allein von einem se bot, wie sie in den Werken Gerrit Dous oder Galerie N. Pokutta, München, 1987, gezeigt
Druck bekannt war (Abb. I).1 Unter dem Kes­ Frans van Mieris zu finden ist. Von einer solch auf der Pictura Maastricht; Versteigerung
sel ragt rechts ein Gegenstand hervor, der aber Berlin, Leo Spik, 9.-11. Dezember 2004, Kat.
verfeinerten malerischen Ausführung kann bei
Nr. 319 (7.000,- Euro), Versteigerung Wien,
nicht näher zu identifizieren ist. An der Mauer Kalf allerdings nicht die Rede sein. Hat Kalf den Dorotheum, 14. April 2005, Kat. Nr. 191.
hinter der Frau hängen ein grüner Durchschlag Gebrauch von Kupfer eventuell bereits in Rot­
und drei zusammengebundene Kerzen. Darunter terdam kennengelernt? Während des gesamten Ausstellungen:
ist ein Kerzenstumpf mit schwarzem Docht und 17. Jahrhunderts griffen niederländische Künst­ Verzeichniss der in der Kunsthalle zu Düssel­
Rußspur gemalt. Derartige Kerzen sind häufig in dorf ausgestellten Bilder von älteren Meistern,
ler immer wieder zu Kupfer, während in Paris
Düsseldorf, Kunsthalle 1886, Kat. Nr. 176;
Gemälden Kalfs zu finden. Neben dem Butterfass dieses Material ungebräuchlich war. In einer Verzeichniss der im Stadttheater zu Mainz
steht ein aus rohem Holz gezimmerter Tisch mit jüngeren Ausstellung von Gemälden auf Kupfer ausgestellten Bilder aus Mainzer Privatbesitz,
dicker Platte und schiefen Beinen, wie er schon waren niederländische Werke des 17. Jahrhun­ Mainz, 1887, Kat. Nr. 110.
von dem Gemälde aus Berlin (Kat. Nr. 6) bekannt derts kaum vertreten. Kalf selbst wurde noch
ist. Auf dem Tisch befinden sich zwei überein­ Literatur:
nicht einmal namentlich erwähnt?
W. Bode, »Die Ausstellungen alter Gemälde
ander gestapelte Teller mit Speiseresten und ein Es ist eine alte Kopie nach dem hier bespro­ aus Privatbesitz in Düsseldorf und Brüssel
geknülltes Tuch. Hinter einem geborstenen Topf chenen Gemälde bekannt.7 JG im Herbst 1886«, Repertorium für Kunstwis­
wird der Stiel eines Besens sichtbar. An der rück­ senschaft 10 (1887), S.43; H. Thode, »Die
wärtigen Wand scheint ein Küchensieb zu hän­ Ausstellung von Gemälden aus Mainzer Pri­
gen. Ganz links im Vordergrund zeichnen sich I Willem Kalf, Bäuerliches Interieur mit Frau am vatbesitz in Mainz im Mai 1887«, Repertorium
Butterfass, Öl auf Holz, 32,3x23,6 cm, Privatsamm­ für Kunstwissenschaft 10(1887), S.415; A. von
die Backsteine einer gemauerten Umfriedung ab,
lung, Niederlande. Wu rzbach, Niederländisches Künstler-Lexi­
vielleicht die eines Bassins. Direkt rechts davon kon, Bd. 1, Wien, Leipzig 1906, S. 234; Grise­
sieht man einen hölzernen Balken, an dem mit bach, 1974» S. 225, Kat. Nr. 35, Abb. 36.
Scharnieren eine Luke befestigt ist. Ein Backstein-
mäuerchen und ein Balken, die eine an ein oder
zwei Scharnieren befestigte Falltür tragen, sind in
identischer Weise auf dem Bild in Dresden2, dem
aus der vormaligen Sammlung Girardet3 sowie
jenem im Louvre (Kat. Nr. 7) dargestellt.
Wie schon für das Gemälde Alter Mann mit
Esel und Gemüse in einem Torbogen, das aller­ Anmerkungen
1 Grisebach, 1974, Kal. Nr. 34, Abb. 35.
dings fast doppelt so groß ist (Kat. Nr. 3), wählte
2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 10, Abb. 18.
Kalf auch hier eine Kupferplatte als Bildträger. 3 Grisebach, 1974, Kal. Nr. 17, Abb. 20.
Daneben sind noch mindestens vier weitere Ge­ ‘ Grisebach, 1974, Kal. Nr. 38, Abb. 42 u. Kat.
mälde auf Kupfer bekannt. Merkwürdigerweise Nr. 39, Abb. 43.
werden sie allgemein als Pendants betrachtet. 5 Grisebach, 1974, Kat. Nr.43, Abb.47 u. Kat.
Nr. 44, Abb. 48.
Der Verbleib der Werke Frau am Brunnen vor 6 Copper as canvas, two centuries of master-
einem Haus und Frau am Fass vor einem Haus piece paintings on copper 1575-1775, Phoe­
ist unbekannt, beide messen 11,5 x 16,5 cm.4 In nix, Phoenix Art Museum, Kansas City, The
Entwurf und Komposition gleichen sich diese Nelson-Atkins Museum of Art, Den Haag,
Koninklijk Museum van Schilderijen Mau-
beiden Arbeiten sehr. Da als Gegenstücke ge­ ritshuis, 1998-1999.
plante Gemälde oft eine spiegelbildliche Kom­ 7 Versteigerung Stockholm, Bukowski, 5.-8.
position aufweisen, kann man schwerlich davon November 1975, Kat. Nr. 30 (Holz 15,5x
ausgehen, dass es sich in diesem Falle um ein 14 cm, bei Grisebach nicht erwähnt).

56 Die Bauerninterieurs
9 Bäuerliches Interieur mit Frau in einer Tür,
Frau am Kamin und Mann auf einer Leiter

iese bäuerliche Szene wird stark von zig (41,5x72,5 cm; Kat. Nr. 2 ) und im Louvre Öl auf Holz, 50 x 38 cm

D dem Gebäude geprägt. Die Konstruk­ (40 x 52 cm; Kat. Nr. 7 ) zu den großformatigsten Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle, Inv. Nr. 360
tion von Mauern, Pfeilern, Balken und Darstellungen bäuerlicher Interieurs. Provenienz:
Dachstuhl ist schwungvoll und mit breiten Pin­ Auffallend ist die leichte und zarte Pinselfüh­ Erworben von Markgräfin Karoline Luise von
selstrichen ausgeführt. rung, mit der Kalf das Interieur ausführte. Die­ Baden-Durlach bei dem Mannheimer Kunst­
Vier Personen sind im Raum zu erkennen. se Malweise führte dazu, dass das Gemälde im händler De Vigneux.
Eine Frau, die einen kupfernen Milchkessel 19. Jahrhundert als »unvollendete oder vielmehr
Ausstellungen:
auf dem Kopf trägt, kommt durch die Tür her­ sehr verdorbene« Arbeit betrachtet wurde.2 Aber
Jean Simeon Chardin 1699-1779, Werk, Her­
ein. Auf einer Leiter steigt ein Mann nach oben dieses Urteil ist sicher nicht gerechtfertigt. Kalf kunft, Wirkung, Karlsruhe, Staatliche Kunst­
(oder vielleicht gerade wieder nach unten?). Er empfand es offensichtlich als völlig ausreichend, halle, 1999, Kat. Nr. 141.
ist mit dem Rücken zum Betrachter dargestellt. das Gebäude mit seinen Ecken, Durchgängen
Rechts lehnt eine Frau über der halboffenen Tür und Dachkonstruktionen mit raschen Pinsel­ Literatur:
G. Parthey, Deutscher Bildersaal, Bd. I, Berlin
und schaut herein. Ganz im Bildhintergrund, strichen nur skizzenhaft auszuführen und die
1863, S.651, Nr. 1; P.J. Blök, 1919; S.88; G.
kaum noch zu erkennen, sitzt eine Frau am Figuren darin nur anzudeuten. Allein den Ob­ Kircher, Karoline Louise von Baden als Kunst­
Feuer. Links im Vordergrund lehnt ein großer jekten des Stillebens widmete er mehr Sorgfalt sammlerin, Karlsruhe 1933, S.93, 164, 201,
Korb schräg an einem kupfernen Kochkessel. im Detail. Nr. 168; J. Lauts, Staatliche Kunsthalle Karls­
Ein Hahn mit hellrotem Kamm hat sich darauf Grisebach geht davon aus, dass das Karlsruher ruhe, Katalog Alte Meister bis 1800, Karlsruhe
niedergelassen. Rechts davon picken zwei Hüh­ 1966, S. 160, Kat. Nr.360; Grisebach, 1974,
Gemälde ungefähr zur gleichen Zeit wie jenes in
S.51-52, 57, 63, 70-71, Kat. Nr.37, Abb.41.
ner aus einer Schale. Noch weiter rechts sieht Heino (Kat. Nr. 12 ) entstanden sein muss, nach
man zwei Zinnteller, Porreestangen, zwei Zwie­ seiner Lesart also 1643. Es ist allerdings die Jah­
beln und einen Korb mit Eiern. Dahinter liegt reszahl 1645 auf dem Gemälde in Heino zu le­
in einem weiteren Korb ein Kohlkopf. Unter der sen. Der Autor erwähnt zwei Kopien.3
Treppe duckt sich eine Katze. Auf dem großen JG
Fass dahinter ist ein weißes Tuch drapiert, dar­
auf steht ein brauner Bartmannkrug. Darüber
hängt an einem Balken ein blutiges Stück Fleisch
und etwas höher ein kupferner Milchkessel.
Die Figuren der Szene gehen ihren eigenen
Tätigkeiten nach und scheinen keine Notiz von
den anderen zu nehmen. Gleich schablonenhaf­
ten Modellen hat Kalf sie immer wieder in sei­
nen Werken dargestellt. So kommt das Motiv der
sich vor dem Hintergrund abzeichnenden Frau
gleich in sechs weiteren bäuerlichen Interieur­
szenen vor, unter anderem in zwei Gemälden in
Rotterdam (Kat. Nr. 11 und 13 ). Übrigens ist hier
auch der große schräg stehende Korb wieder zu
finden. Auf dem Gemälde im Museum Boijmans
Van Beuningen erscheint ebenfalls ein Mann auf
der Leiter, allerdings von der Seite her gesehen
(Kat. Nr. 11 ). Die über die untere Türhälfte in
den Raum blickende Frau kehrt beispielsweise
auf dem Gemälde im Louvre (Kat. Nr. 7 ) wieder.
Wohl auf zehn weiteren Gemälden wiederholt
Kalf das Motiv der das Essen zubereitenden Frau Anmerkungen
1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 57, Abb. 58.
am Feuer. Weiterhin sind das Bund Porree und 2 Grisebach, 1974» Kat. Nr. 37: Kat. 1881.
das kunstvoll auf einer Tonne drapierte Tuch oft S.97.
wiederholte Elemente. Der große an einem Bal­ 3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 37a (Privatbesitz
ken hängende kupferne Milchkessel ist ebenso Warschau; Polo RKD) u. Kat. Nr. 37b (signiert
auf dem Kamin: KALF; Öl auf Holz, 49x38
von dem Gemälde in Göteborg bekannt.1
cm; Galerie Georges Heim-Gairac, Paris,
Das Karlsruher Gemälde hat eine Höhe 1973; Kopie aus dem 17. oder 18. Jh.).
von 50 cm und zählt mit den Werken in Leip­

Die Bauerninterieurs
10 Bäuerliches Interieur mit Frau am Brunnen

as Gemälde zeigt eine Frau am Brunnen. Mann oder eine Frau beim Wasserschöpfen, das Öl auf Holz, 34 x 24 cm

D Mit ihrer linken Hand hält sie einen heißt wie sie einen Eimer in den Brunnen lassen Reste einer Signatur rechts auf dem Brunnen:
KALF
Eimer, an dem ein über einen Flaschen­ beziehungsweise diesen gerade wieder hochzie­
Aachen, Suermondt-Ludwig-Museum, Inv.
zug laufendes Seil befestigt ist, dessen Ende sie hen. Scheinbar lag ihm dieses Motiv besonders Nr. GK234
in ihrer rechten Hand hält. Die Frau schaut am Herzen. Aber ist es hier wirklich das Haupt­
am Betrachter vorbei in die Ferne. In Gesichts­ motiv des Bildes oder geht es nicht vielmehr um Provenienz:
zügen und Kopftuch ähnelt sie der Frau auf dem die Zurschaustellung von verschiedenen Gefä- Sammlung E. Sano, Paris 1876 (nicht in der
Versteigerung Sano, Paris, 8. Februar 1878;
Gemälde in Rotterdam (Kat. Nr. 5 ). Vor dem ßen und Gemüsen?
Kat. Nr. 73 Kücheninterieur, Flämische Schu­
rechteckigen Brunnen steht ein Weidenkorb mit Die Figur am Brunnen steht auf diesen Dar­ le); Sammlung B. Suermondt, Aachen/Brüs-
Kürbis und Kohl. Auf einem Steintrog davor lie­ stellungen nie im Bildvordergrund, sondern ist sel, 1876-1882; Stiftung Barthold Suermondt,
gen einige zusammengebundene Porreestangen weiter nach hinten gerückt worden. Man kann Aachen 1882.
- ein auf vielen Gemälden Kalfs wiederkehren­ daraus schließen, dass sie nicht das zentrale
des Motiv. Links des Trogs steht auf einer flachen Ausstellungen:
Thema des Bildes ist, sondern als charakteris­
Seitenwechsel, Gemälderückseiten und ihre
Holzschale ein zur Seite geneigter mit Wasser tisches Element zu einem bäuerlichen Interieur Geheimnisse, Suermondt-Ludwig-Museum,
gefüllter kupferner Kochkessel. Dahinter steht gehört. Trägt sie eine symbolische Bedeutung? Aachen, 2006, S. 78-81, Kat. Nr.III.4, 2 Abb.
ein hohes, mit Tierhaut zugebundenes Vorrats­ Das tägliche Schöpfen von Wasser verweist auf (Ausst. Kat. von Anna Koopstra)
gefäß, links daneben ein kleines Messgefäß aus den Wert des Wassers als lebensspendendes Ele­
Zinn. Dieses Ensemble von Kupferkessel, Holz­ Literatur:
ment. Wasser lässt Obst und Gemüse wachsen
Suermondt-Museum zu Aachen. Beschreiben­
schale und zinnernem Messgefäß ist in identi­ und gedeihen - Voraussetzung dafür, es über­ des Verzeichnis der Gemälde, Aachen 1883,
scher Weise auf dem oben genannten Gemälde haupt so prachtvoll präsentieren zu können wie S.41-42, Nr. 78; W. Bode, Die Meister der
in Rotterdam wiedergegeben.1 Ein Besen lehnt hier im Stilleben. Und letztlich ist Wasser auch holländischen und vlämischen Malerschule,
an der rückwärtigen Wand. An der Mauer hinter zum Kochen notwendig, worauf die beiden Leipzig 1917, S. 291; I. M. Schmilz, Städtisches
der Frau hängen eine umgedrehte Korbflasche, Suermondt-Museum Aachen. Gemäldekata­
Frauen am Feuer hinweisen, die schemenhaft im
log, Aachen 1932, GK 234; E. G. Grimme,
zwei Kerzen und der Stumpf einer ausgebrann­ Bildhintergrund zu erkennen sind: ohne Wasser »Das Suermondt-Museum. Eine Auswahl«,
ten Kerze mit Docht. In einer Nische steht eine kein Leben und keine Nahrung. Aachener Kunstblätter 28 (1963), S. 269,
Flasche mit Wein, ein weiteres von Kalf gern JG Nr. 150, Abb.; Grisebach, 1974, S.43, 45, 71,
verwendetes Detail. Wie auf dem Karlsruher Kat. Nr. 40, Abb. 45; J. D. Burke, »Dutch Pain­
Gemälde (Kat. Nr. 9) steht im Bildhintergrund ti ngs«, The Saint Louis Art Museum Bulletin
N.S. 15 (1980), Nr. 4, S. 15; T. Fusenig, Suer­
eine Frau in der offenen Tür. Sie trägt ein Gefäß mondt-Ludwig-Museum Aachen. Bestands­
auf dem Kopf. Über der Tür fällt Licht durch ein katalog der Gemäldegalerie. Niederlande
Rundfenster. Die gleiche Szene malte Kalf in drei von 1550 bis IS00, Aachen, München 2006,
weiteren Werken: in den Bildern aus Rotterdam S. 152-153, farbige Abb.
(Kat. Nr. 11 und 13) und aus Baseler Privatbe­
sitz.2
Die Balken der Dachkonstruktion sind nur
schemenhaft sichtbar. Zu einem Großteil basiert
der Entwurf des Aachener Gemäldes auf einer
Zusammenstellung verschiedenster Elemente,
die auch in anderen Werken Kalfs zu finden
sind. Grisebach datiert die Entstehungszeit des
Aachener Gemäldes auf 1643/44, da er es in sti­
listischer Hinsicht zwischen einer um 1643 ent­
standenen Werkgruppe und zwei Gemälden aus
dem Jahr 1644 ansiedelt. Das von ihm auf 1643
Anmerkungen:
datierte Gemälde aus Heino (Kat. Nr. 12) trägt
1 Grisebach, 1974, S. 232, Kat. Nr. 55, Abb. 57.
die Jahreszahl 1645. Grisebachs Datierung des Dieses Werk wurde unlängst durch Jeroen
Aachener Bildes auf 1643/44 wird dadurch aber Giltaij (Vgl. Fußnoten Kat. Nr. 14) und Fred
nicht in Frage gestellt - sie erscheint nach wie G. Meijer als Kopie identifiziert. Das Grise­
bach nicht bekannte Original wurde 1979 in
vor sehr plausibel.
Paris versteigert (Versteigerung Paris, Palais
Immer wieder wählte Kalf für seine Werke d’Orsay, 30. März 1979, Kat. Nr. 13, Willem
das Sujet einer Person am Brunnen. Nicht we­ Kalf zugeschrieben, öl auf Holz, 28x21 cm).
niger als vierzehn ßauernstilleben zeigen einen 2 Grisebach, 1974, Kat. Nr.45, Abb. 52.

60 Die Bauerninterieurs
11 Bäuerliches Interieur mit Gemüse putzender Frau
und einem Mann mit Leiter

in Großteil der hier gezeigten Gegen­ links steigt ein Mann eine Leiter hoch. An einem Öl auf Leinwand, 42,4x42,4 cm (ohne obe­

E stände und Gemüse sind von zahlreichen Holzbalken lehnt eine Kiepe. Wie auf dem Ge­ re und untere Umschlagkante) und 45x42,4
(mit Umschlagkante)
anderen Interieurszenen Kalfs bekannt. mälde in Privatbesitz (Kat. Nr. 4) ist sie mit Stroh
Rotterdam, Museum Boijmans Van Beunin-
Der rechts im Vordergrund auf einem großen gefüllt. In einer Wandnische steht eine Flasche, gen, Inv. Nr. 1391
Kürbis liegende Strauch, sogenannte Karden, ist darüber hängt, wie im Werk aus Montpellier11,
beispielsweise auch auf dem Gemälde in Epinal an einem Seil ein rohes Stück Fleisch. Durch eine Provenienz:
dargestellt.1 Auf Werken in Rom2 und Göteborg5 halbrunde Türöffnung mit schief in den Angeln Vassal de Saint-Hubert, Versteigerung Paris,
Remy, 17.-21. Januar 1774, Kat. Nr.41 (501
kehrt ebenso der Grünkohl wieder. Der daneben hängendem Türblatt tritt eine Frau in den Raum.
livres an Guesnec); F. J. O. Boymans, Erblass
liegende kupferne Milchkessel ist ein besonders Sie trägt einen Milchkessel auf dem Kopf. Dieses 1847.
beliebtes Motiv, wie auch die Gemälde in Metz’ Motiv begegnet uns auch auf den Gemälden in
und Rotterdam (Kat. Nr. 5) zeigen, oder jenes, Karlsruhe (Kat. Nr.9) und Aachen (Kat. Nr. 10). Ausstellungen:
das sich früher in der Sammlung Goudstikker Oberhalb einer Kiepe hängt ein Bündel mit fünf Holländer des 17. Jahrhunderts, Zürich,
Kunsthaus, 1953, Kat. Nr. 74; Mostra di pit-
befand.5 Dahinter steht ein hölzernes Fass mit Kerzen, darüber eine Form, die sich vielleicht
tura olandese del Seicento, Rom, Palazzo delle
verrutschtem Metallband, darauf ein drapiertes erklären lässt als eine Korbflasche. esposizioni, 1954, Kat. Nr. 72.
Tuch und eine Kanne. Eine Kanne dieser Art ist Im Bildvordergrund links ist ein Hühnerkorb
auf keinem weiteren Gemälde Kalfs zu finden. mit Tragstock schräg an einen kupfernen Koch­ Literatur:
Vor dem Fass liegen Zwiebeln, links Mangold - kessel gestellt worden, in gleicher Weise auf den Jahresbericht, 1914, S.3; W. Burger, Musees
wie auf den Gemälden aus Saint-Louis6, aus der de la Hollande, Bd. II, Paris 1860, S. 270-271;
Gemälden in Rom (siehe Anm. 2) und aus der
J. Lauts, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Ka­
vormaligen Sammlung Girardef, in Privatbesitz ehemaligen Privatsammlung in Kassel.12 Links talog Alte Meister, Karlsruhe 1966, S. 160, zu
(Kat. Nr.4), aus Bonn8, New York und vormalig davon steht ein seltsam geformter hoher fran­ Nr. 1879; Grisebach, 1974, S. 71, 81, 229, Kat.
in der Galerie Brod.10 Im Korb hinter dem Man­ zösischer Buttertopf mit breitem Henkel. Er ist Nr. 47, Abb. 50.
gold liegt eine aufgeschnittene Melone. Hinter auch auf den Werken in Dresden13, Schwerin14
der Frau auf dem Stuhl ist ein großes rundes und Rom (siehe Anm. 2) dargestellt.
Element zu erkennen, vielleicht eine hohe Leh­ Eine kürzlich abgeschlossene Restaurierung
ne oder der Umriss eines Korbes. Rechts an der hat ergeben, dass das Gemälde in einem guten
Wand hängt ein rundes Sieb. Im Hintergrund Zustand war. Bürger schrieb 1860, dass Kalfsich

1 Willem Kalf, Willem Kalf (?), Inneres eines Bauer­ 2 Willem Kalf, Inneres eines Bauernhauses mit
hauses mit sitzender Frau, Öl auf Leinwand, 40 x 32,5 Küchenstilleben, Öl auf Leinwand, 47,5 x 65 cm,
cm, Straßburg, Musee des Beaux-Arts, Inv. Nr. 1971. Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle, Inv. Nr. 1879.

62 Die Bauerninterieurs
mit diesem Werk als herausragender Kolorist Eine dritte Fassung in Karlsruhe zeigt links im Anmerkungen
bewiesen hat. Er erwähnt allerdings auch, dass Bild einen Kamin und rechts den Teil eines Stal­ ’ Grisebach, 1974, Kat. Nr. 33, Abb. 37.
2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 19, Abb. 17.
das Bild sehr gelitten hatte (»beaucoup souf- les mit einer Kuh (Abb. 2).17 Lauts stellte die Au­ 3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 57, 58, Abb. 58,
fert«). Dem muss heute widersprochen werden. thentizität dieser Version aufgrund der schlech­ 59.
1858 wurde das Gemälde in London neu auf­ teren Ausführung in Frage und bezeichnete das 4 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 23, Abb. 25.
gezogen. 1914 hatte man den nachgedunkelten Karlsruher Gemälde als erweiterte Kopie des 5 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 27, Abb. 29. Wie
Firnis gesäubert und die Leisten gekürzt, so Rotterdamer Originals. Grisebach stimmt damit zahlreiche andere Gemälde aus dem Besitz
des jüdischen Kunsthändlers Jacques Gouds-
dass später angesetzte Leinwandstücke dahinter überein, dass diese dritte Fassung nicht das glei­
tikker ging dieses Werk nach dem zweiten
verschwanden.15 Es scheint tatsächlich so, dass che hohe Niveau des Gemäldes aus Rotterdam Weltkrieg in Niederländischen Staatsbesitz
die ursprünglich umgeschlagenen Ränder der erreichte, es sich aber trotzdem um ein eigen­ über. Versteigerung Mak van Waay in Ams­
Leinwand ausgeklappt und zu einem späteren händiges Werk Kalfs handelte. Es existiert sogar terdam, 4.-7. Oktober 1949, Lot. 52.
Zeitpunkt sogar durch eine Kante vergrößert eine vierte Version, die Grisebach nicht bekannt 6 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 2, Abb. 2.
7 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 17, Abb. 20.
wurden. Was man heute von dem Gemälde im war. Sie ist von ihrer Qualität mit den anderen
8 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 25, Abb. 27.
Rahmen sieht, entspricht dem, was ursprünglich Werken vergleichbar.18 Vielleicht malte Kalf alle 9 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 46, Abb. 38.
vom Bild sichtbar war. vier Fassungen selbst, als kaum voneinander 10 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 52, Abb.40.
In Straßburg befindet sich eine zweite, kleinere verschiedene Variationen desselben Themas. 11 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 24, Abb. 26.
Version des Gemäldes (Abb. I).16 Grisebach be­ JG 12 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 51, Abb. 54.
zweifelt, dass diese von der Hand Kalfs stammt. 13 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 10, Abb. 18.
14 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 15, Abb. 16.
15 Rechenschaftsbericht des Direktors an die
Kommission, Dezember 1858, Gemeinde­
archiv Rotterdam; Jahresbericht 1914, S. 3.
16 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 48, Abb. 49.
17 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 49, Abb. 51.
18 Siehe Addenda und Corrigenda S. 164,
Nr. A10.

Die Bauerninterieurs
12 Frau am Brunnen vor dem Haus

ine Frau mit Kopftuch hat einen Eimer Von diesem Werk existiert eine frühere Fas­ Öl auf Holz, 32,5 x 24,5 cm

E voll Wasser aus dem Brunnen geschöpft. sung im selben Format. Sie entstand 1644 und Signatur auf dem Steintrog: KALF (links)
1645 (rechts)
Sie zieht an einem Seil, das über die Rolle befand sich vormals in der Galerie Brod in Lon­
Heino, Museum De Fundatie, Inv. Nr. 148
eines Flaschenzugs läuft. Da ein Teil der Umfas- don.2 Beide Versionen unterscheiden sich in
sungsmauer fehlt, kann man direkt in den Brun­ einigen Details voneinander: Der große Kürbis Provenienz:
nen blicken. Vergleichbare Brunnendarstellun­ auf dem Gemälde von 1644 wurde auf der späte­ Graf Leon Vandalin Mniszech, Versteigerung
gen befinden sich in Leipzig (Kat. Nr. 2), Mont­ ren Version mit einem auf dem Kopf stehenden Paris, 9.-11. April 1902, Kat. Nr. 136 (datiert
1645); Alexis Vollon; Francois Heim, Paris;
pellier1 und in Privatbesitz (Kat. Nr. 4). Vor dem Korb vertauscht und der Stein mit Jahreszahl ist
Stiftung Hannema-de Stuers Fundatie, Kas­
Brunnen steht ein Steintrog. Er trägt eine Sig­ einem Korb mit Kürbis gewichen. In der ersten teei Het Nijenhuis, Heino.
natur und die Jahreszahl 1645. Hinter der Frau Fassung scheint ein Teil eines Wagenrades an
befindet sich ein Haus mit einem Fenster im der Mauer hinter dem Brunnen zu lehnen. Literatur:
Eingangsbereich. Eine Flasche steht auf einem Dass Kalf aus der Erinnerung Bildelemen­ D. Hannema, Beschrijvende catalogus van de
aus diesem Fenster heraushängenden Tuch. Ein schilderijen, beeldhouwwerken, aquarellen en
te in verschiedenen Gemälden wiederholt hat,
tekeningen behorende tot de verzatneling van
Mann, der eine Kiepe auf dem Rücken trägt, ist ist hinlänglich bekannt, dass er allerdings eine de Stichling Hannema-De Stuers Fundatie in
im Begriff ins Haus zu gehen. Die Kiepe ist von vollständige Komposition mit wenigen Variatio­ het Kasteei ‘t Nijenhuis bij Heino, Overijssel,
derselben Art wie jene auf dem Gemälde in Pri­ nen ganz neu ausführte, ist nur ein weiteres Mal Rotterdam, 1967, Kat. Nr. 148, Abb. 18; Grise­
vatbesitz (Kat. Nr. 4). Sie hat allerdings kein ver­ geschehen: bei den Gemälden in Rotterdam, bach, 1974, S. 61, 62, 65, 66, 70, 71, 225, Kat.
längertes Rückenteil und ist außerdem nicht mit Nr. 36, Abb. 39.
Straßburg und Karlsruhe (Kat. Nr. 11)?
Öffnungen im Flechtwerk versehen, so dass man Interessant ist, dass Kalf beide Gemälde da­
den Inhalt nicht sehen kann. Rechts im Bild­ tiert hat. Das erste Gemälde vollendete er 1644,
vordergrund ist der Teil eines weiteren Korbes ein Jahr später das zweite. Auf einer Verstei­
mit hohem Rückenteil sichtbar. Ein Kürbis liegt gerung in Amsterdam tauchte 2003 sogar eine
darin. Mittelpunkt des Stillebens ist ein schräg dritte Version unter der Zuschreibung »Umge­ Anmerkungen
stehender kupferner Milchkessel mit nachlässig bung von Willem Kalf« auf (Abb. 1)? Diese Fas­ 1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 24, Abb. 26
darauf gelegtem Deckel. Wie der Kohlkopf, der sung zeigt die meisten Übereinstimmungen zu 2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 52, Abb. 40, öl auf
Kürbis, der Zinnteller, die Gurken und die zwei dem Gemälde in Heino. Der Ausbau rechts im Holz, 32 x 25 cm
3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 47, 48 u. 49.
Zwiebeln ist auch er in vielen Werken Kalfs wie­ Bild mit dem einen Korb tragenden Mann und 4 Versteigerung Amsterdam, Christie’s, 2. Sep­
derzufinden. das dahinter liegende Haus haben allerdings ei­ tember 2003, Kat. Nr. 131 (unter »Kalf-Um-
Die Komposition von Milchkessel, Kohl, ner weiten, sonnigen Landschaft Platz gemacht, gebung«, Öl auf Holz, 31,6x23,4 cm.). Siehe
Zinnteller, Flaschenkürbis und Gurken stimmt die sich unter dem Laubwerk eines Baumes er­ Addenda und Corrigenda S. 166, Nr. B7
bis ins Detail mit dem Stilleben auf dem Gemäl­ streckt.
de im Louvre (Kat. Nr. 7) überein. Auf dem Werk Bleibt nun die Frage, ob sich das erste Gemäl­ 1 Willem Kalf, Bauernhof mit einer
aus Heino befindet sich hinter diesem Ensemble de noch in Kalfs Atelier befand als er die zweite Frau bei einem Brunnen, Öl auf Holz,
ein auf den Kopf gedrehter Korb. Rechts im Vor­ 31,6x23,4 cm, Verbleib unbekannt.
Version malte, oder ob er diese nach einer alten
dergrund ist ein Spaten dargestellt - ein inter­ Skizze kopierte oder aber komplett aus dem Ge­
essantes Detail, das Kalf so in keinem anderen dächtnis schuf. Vielleicht ist letzteres der Fall,
Gemälde wiederholte. Welche Funktion ihm in auch wenn wir uns heute eine solch enorme vi­
dieser Szene zukommt, bleibt unklar, was wohl suelle Gedächtnisleistung kaum noch vorstellen
gleichfalls für einige andere der hier gezeigten können.
Utensilien gilt. JG
Die auf dem Gemälde angebrachte Jahreszahl
ist in der Vergangenheit unterschiedlich gelesen
worden. Als das Bild 1902 versteigert wurde,
vermeinte man die Jahreszahl 1645 zu lesen,
Hannema las sie später als 1643. Seiner Meinung
schloss sich nach verschiedenen Überlegungen
auch Grisebach an. Die neueste Untersuchung
hat ergeben, dass es sich hier um die für das
17. Jahrhundert übliche Schreibung der Zahl
handelt und die Jahreszahl darum unzwei­
felhaft 1645 lautet.

Die Bauerninterieurs
13 Bäuerliches Interieur mit einem jungen Mann
mit Gemüsestilleben und Frau in einer Tür

in kniender junger Mann ist damit be­ Das Gemälde stammt aus dem Jahr 1645, wie Öl auf Leinwand, 28,2 x 40 cm

E schäftigt mit beiden Händen Gemüse zu­ jenes in Heino (Kat. Nr. 12) - eine spätere Jah­ Signiert und datiert rechts auf der Mauer:
KALF/1645
sammenzuklauben. Vor ihm liegen ein reszahl findet sich auf keinem von Kalfs bäuer­
Rotterdam, Museum Boijmans Van Beunin-
Bund Möhren und ein Strauch Karden (cynara lichen Interieurs. Im Vergleich zu anderen Inte­ gen, Leihgabe Stiftung Willem van der Vorm,
cardunculus) - wie sie auch von den Gemälden rieurszenen ist es relativ hell beleuchtet und von Inv. Nr. vdV99
aus Amiens1 und Epinal2 bekannt sind und an der kräftiger Farbgebung.
Wand hinter dem jungen Mann lehnt ein Korb Für die Zeit von 1643 bis 1644 beobachtete Provenienz:
Galerie S.Galitch, Nyon, Schweiz, 1994; Ver­
mit Gemüse und Kohl, wie er auch auf den Ge­ Grisebach in der malerischen Entwicklung Kalfs
steigerung London, Sotheby’s, 16. April 1997,
mälden aus der ehemaligen Sammlung Schloss', einen zunehmenden Hang zu Sprödigkeit und Kat. Nr. 113; Galerie P. De Boer, Amsterdam;
in Privatbesitz (Kat. Nr. 4), im Louvre (Kat. Nr. 7) Härte sowie einen »Verlust an malerischem Il­ erworben von der Stiftung Willem van der
und aus Rotterdam (Kat. Nr. 11) zu finden ist. Der lusionismus« - also einen allgemeinen Quali­ Vorm, 2006.
Flaschenkürbis und die große gelbe Frucht sind, tätsabfall.9 Man sollte annehmen, dass sich diese
Ausstellungen:
wie die aufgeschnittene Melone, häufig dargestellt Tendenz später noch verstärkt haben müsste,
Keine.
worden, z. B. auf den Werken aus den ehemaligen doch ist auf dem erst 1645 entstandenen Gemäl­
Sammlungen Girardet’ und Schloss (siehe Anm. de von einem solchen Einbruch im malerischen Literatur:
3) sowie aus einer Privatsammlung.3 Können Kalfs nichts zu spüren. Vielleicht wur­ Keine.
Auch der liegende Kupferkessel ist ein belieb­ de das Gemälde mit einem leichteren, rasche­
tes Motiv und wie auf dem Gemälde in Montpel­ ren Duktus ausgeführt, doch braucht dies nicht
lier6 auf vielen weiteren Werken zu finden. Hinter zwangsläufig mit einem Verlust von Qualität
der Melone ist ein Zinnteller schräg an die Wand einherzugehen.
gestellt, davor liegt ein Messer. Ein vertrautes JG
Motiv ist auch die Kerze an der Wand, die eine
dunkle Rußspur hinterlassen hat. Ebenso wie
auf dem Gemälde aus der Fondation Custodia
in Paris’ steht in einer Fensterluke eine Flasche
mit Rotwein. Das Motiv eines schräg stehenden
Korbes mit einem daraufsitzenden Huhn kennt
man von dem Gemälde in Karlsruhe (Kat. Nr. 9),
ebenso die durch eine Tür hereintretende Frau
mit einem Kessel auf dem Kopf. Häufiger hat
Kalf dieses Türmotiv mit einem darüber befind­
lichen Rundfenster kombiniert, beispielsweise
auf den Gemälden in Aachen (Kat. Nr. 10), Rot­
terdam (Kat. Nr. 11) und jenem aus ehemals Ba­
seler Privatbesitz (siehe Anm. 5). Den an einem
Seil schräg aufgehängten kupfernen Milchkessel
kennen wir bereits von den Gemälden aus Karls­
ruhe (Kat. Nr. 9) und Göteborg* sowie aus der
vormaligen Sammlung Girardet (siehe Anm.
4). Im Hintergrund verlässt ein Mann mit roter
Mütze den Raum. Er hat einen Sack über die
Schulter geworfen. Diese Figur ist so in keinem
anderen Werk Kalfs zu finden und ist also ein
völlig neues Motiv.
Anmerkungen
1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 31, Abb. 33.
2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 33, Abb. 37.
3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 18, Abb.21.
4 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 17, Abb. 20.
5 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 45, Abb. 52.
6 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 24, Abb. 26.
7 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 12, Abb. 19.
8 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 57, Abb. 58.
9 Grisebach, 1974, S. 66.

68 Die Bauerninterieurs
Willem Kalf in Paris: die frühen Stilleben

Jeroen Giltaij und Fred G. Meijer

Willem Kalf kam vermutlich 1640 (oder wenn Manier fortführte. Im Hinblick auf seine Still­ wesen sein, was mit ihrer Vermarktung und
wir Szantos Theorie folgen 1642) nach Paris, leben ist die Entwicklung weniger klar, doch den geringen Investitionskosten zu tun gehabt
wo er mindestens bis 1645 blieb. Aus diesem scheint er auch damit bereits in Rotterdam an­ haben dürfte. Prunkstilleben erforderten ihrer
Jahr stammt sein letztes datiertes bäuerliches gefangen zu haben, selbst wenn wir hier eben- Art entsprechend eine größere Investition des
Interieur. Am 15. Oktober 1646 war er wieder falls höchstens ein Beispiel benennen können, Malers, sowohl wegen des höheren Materials
in Rotterdam, denn an diesem Tag wurde ihm und das auch nur unter gewissem Vorbehalt auch Zeitaufwandes. Daher liegt es nahe, dass
dort Geld ausgezahlt.
o 1 (Kat. Nr. 14). Grisebach behauptete, dass zehn Kalf sich als jeune arrive in Paris erst eines Ab­
der zwölf französischen Stilleben aus den satzmarktes versichern musste, bevor er mit
Jahren 1643 und 1644 datieren, und ordnete einer solchen Arbeit anfing. Es ist undenkbar,
Die ersten Stilleben zwei Stilleben der frühen Pariser Zeit zu, ohne dass er - sogar als erfolgreicher Maler - mit
jedoch sagen zu können, ob sie 1641, 1642 der Arbeit an einem in jeder Hinsicht kapita­
Aus den Pariser Jahren stammen zwei 1643 oder sogar erst 1643 entstanden sind.3 Dabei len Werk wie dem großen Prunkstilleben aus
datierte Stilleben und ein 1644 datiertes.2 Ins­ handelt es sich um das Gemälde Kat. Nr. 15 Le Mans (Kat. Nr. 20) begann, ohne sich zuvor
gesamt sind heute 16 Stilleben aus dieser Zeit und um das Stilleben Kat. Nr. 14. Auch dieses eines Käufers sicher zu sein.5
bekannt, darunter eines, das 200 x170 cm letztgenannte ordnete er mit einer gewissen Im Zusammenhang lohnt es, das Stilleben mit
misst (Kat. Nr. 20). Offensichtlich malte Kalf Bestimmtheit Kalfs Pariser Produktion zu.4 Rechaud und Glaskanne (Abb.l) zu betrach­
also außer den überwiegend kleinen bäuerli­ Anscheinend hatte also Kalf in Holland ten,6 das schon immer als frühe Arbeit aus der
chen Interieurs auch diese Prunkstilleben auf nicht nur mit dem Malen bäuerlicher Interi­ Pariser Periode galt, desen Authentizität Gri­
mittelgroßem und großem Format. Es konnte eurs, sondern auch von (Prunk-) Stilleben an­ sebach jedoch bezweifelte. Aber, so merkte der
inzwischen festgestellt werden, dass Kalf mit gefangen. Beide Themen arbeitete er in Paris Autor an, sollte dieses Bild irgendwann einmal
dem Malen bäuerlicher Interieurs bereits in unter Verwendung französischer Gegenstände mit Sicherheit Kalf zugeschrieben werden kön­
Rotterdam begonnen hatte und dass das The­ weiter aus. Die bäuerlichen Interieurs dürften nen, dann müsse es ganz an den Anfang der
ma ein südholländisches war, das er in eigener hierbei zunächst deutlich in der Überzahl ge­ Stillebenchronologie gerückt werden. Gegen
eine Zuschreibung sprechen laut Grisebach die
Kargheit der Komposition, die zu gleichmäßige
Beleuchtung sowie die Signatur, die man in die­
ser Form nirgendwo sonst antrifft. Für Kalf als
1 Willem Kalf, Stilleben mit Rechaud und Glaskanne, Öl auf Holz, 45,5 x 64 cm. signiert auf dem Tisch­ Urheber, so Grisebach, sprächen hingegen das
rand: WKalf. ehemals Kunsthandlung P. de Boer, Amsterdam.
Aufbauschema und die verschiedenen Motive.
Das Messer ist auch auf dem Stilleben Kat. Nr.
14 und auf dem Bild in der Sammlung Carter
zu sehen, und Brötchen (mit und ohne Krü­
mel) finden sich ebenfalls auf anderen frühen
Stilleben von Kalf. Wenn dieses Gemälde nicht
mit Sicherheit als eigenhändiges Werk gelten
könne, so Grisebach, dann müsse es wohl un­
ter dem direkten Einfluss Kalfs in Frankreich
entstanden sein.8
Der Tisch mit dem faltenreichen grünen
Tischtuch, das Brötchen mit den Krümeln,
der Zinnteller mit Zitrone und Messer sind
Motive, die wir auch von den »Haarlemer
Frühstücksbildern« kennen, zum Beispiel
von Willem Claesz. Heda (ca. 1596-1680).
Ein derartiges Rechaud kommt auf mehre­
ren Gemälden Kalfs vor9, doch die mit Rot­
wein gefüllte Glaskanne, das Trinkglas und
die Muskatreibe sind einzigartig in seinem
CEuvre.10 Auflallend sind der Widerschein des
Feuers auf den Zinntellern und der Glaskanne
wie auch der des Rotweins auf dem Zinntel­
ler. In der Wiedergabe dieser Reflexionen war

70 Willem Kalf in Paris: die frühen Stilleben - Jeroen Giltaij und Fred G. Meijer
Kaifein Meister, und die auf diesem Gemälde
zu sehende Ausführung scheint seiner nicht
unwürdig zu sein. Stärker noch, bei einem
detaillierten Vergleich steht die Behandlung
der Glanzlichter in diesem Bild zwischen der
recht trockenen Malweise von Kat. Nr. 14 und
der etwas fließenderen der Pariser Arbeiten.
Auch in dieser Hinsicht passt also das Ge­
mälde in Kalfs Entwicklung. Dass das Still­
leben mit Rechaud und Glaskanne schon in
Paris entstand, wenn auch mit holländischen
Kompositionen als Inspirationsquelle, ist of­
fensichtlich. Außer dem Messer ist keiner der
gezeigten Gegenstände holländisch. Darüber
hinaus gibt es eine deutliche Beziehung zu
einem frühen Pariser bäuerlichen Interieur
(Abb. 2)11, auf dem wir links auf dem Tisch
ein sehr ähnliches Stilleben mit Rechaud,
einschließlich der halb geschälten Zitrone,
sehen. Auch in seinem Kolorit schließt das
Stilleben mit Rechaud gut an die Pariser bäu­
erlichen Interieurs an. All das spricht für Kalf
als Urheber und für eine Anerkennung dieses
Bildes als eines seiner frühesten Pariser Stil­
leben, unter der Annahme, dass Kat. Nr. 14
tatsächlich noch in Holland entstand. 2 Willem Kalf, Inneres eines Bauerhauses mit Stilleben auf einem Tisch, Öl auf Leinwand, 24,8 x 32 cm.
monogrammiert (?). Verbleib unbekannt.

Mögliche Pariser Einflüsse

Als Kalf nach Paris kam, waren dort etliche,


auch flämische Stillebenmaler tätig, darun­
ter auch Peter van Boucle (geboren als van
Boeckel, tätig ca. 1625-1673), der in Antwer­
3 Sebastian Stoskopff, Vanitasstilleben mit Prunkpokalen, Öl auf Leinwand, 125 x 165 cm. signiert und
pen Lehrling des Pioniers der Stilleben, Frans datiert 1641. Straßburg, Musee des Beaux-Arts, Inv. Nr. 1249.
Snijders, gewesen sein soll. Boucle spezia­
lisierte sich auf Stilleben, die Früchte, Gemüse
und Jagdbeute zeigen und auf recht großem
Format ausgeführt wurden. Auch Jean Michel
Picart (ursprünglich Pickaert, 1600-1682),
ebenfalls in Antwerpen geboren, malte Früch­
testilleben, machte sich jedoch vor allem als
Maler von Blumenbildern wie auch als Kunst­
händler einen Namen. Obwohl Kalf in Saint
Germain-des-Pres ganz bestimmt Umgang
mit diesen Malern gehabt hatte, ist in seinen
Stilleben nichts von einem Einfluss ihrerseits
zu erkennen.12 Dass vieles von dem Gemüse,
das wir in Kalfs Interieurs sehen, auch auf
Darstellungen von Van Boucle vorkommt,
hat zweifelsohne eher etwas mit dem Gemüse­
markt als mit dem Markt für Gemälde zu tun.
Auch einflussreiche französische Stillebenma­
ler wie Jacques Linard (1597-1645), Francois
Garnier (1600-ca.l658) und Louise Moillon
(1610-1696) scheinen keinen oder nur kaum
Eindruck auf Kalf hinterlassen zu haben, un­
geachtet des Umgangs, den er zweifelsohne
mit Linard gehabt hatte, vielleicht abgesehen
von den Muschelstilleben von Linard (vgl.

Willem KalJ m Pans: die frühen Stilleben - Jeroen Giltaij und Fred G. Meijer 71
Kat. Nr. 22 und 23). Vermutlich sprach ihn Die Pariser Stilleben ten ist eine Entwicklung zu bemerken, die von
auch die Themenwahl von Sebastian Stos- Kompositionen mit einer breiten Auslage von
kopti (1597-1657) an. Einige seiner Stilleben Das Gemälde Kat. Nr. 15 zeigt kaum noch Gegenständen bis hin zu einer kompakteren
mit Gläsern und Metallgegenständen haben Objekte holländischen Ursprungs, auch wenn Gruppierung reicht, innerhalb derer die Ob­
eine Ausstrahlung, die den Werken Kalfs sehr man weiterhin holländische Züge in Gestalt jekte in einem akkurateren und besser durch­
nahe kommt (Abb. 3) und zeitgleich mit ih­ der geschälten Zitrone mit kleinem Messer dachten Verhältnis zu einander angeordnet
nen entstanden. Allerdings war Stoskopfl' auf einem Zinnteller erkennen kann. Glei­ wurden. Eine klar erkennbare Linie scheint es
bereits von Paris nach Straßburg gezogen. Es ches gilt für das Gemälde Kat. Nr. 16, wo fast in der Entwicklung von Kalfs Pariser Stilleben
wäre aber denkbar, dass Kalf einige Beispiele ausschließlich französische Objekte wieder­ jedoch ebenso wenig zu geben wie in seinen
bei Linard sah.13 gegeben sind wie die Feldflasche aus Zinn, bäuerlichen Interieurs oder Amsterdamer Ar­
Ein weiterer möglicher Einfluss, dem Kalf aber der kleine Teller aus kraak-Porzellan ein beiten.
noch in Holland oder Antwerpen ausgesetzt dagegen eher holländisches Motiv ist. In den Das Funkeln spielt ebenfalls eine wesent­
gewesen sein könnte, könnte von Jan Da- darauf folgenden Stilleben spielt vor allem das liche Rolle in einer Komposition, die hier in
vidsz. de Heern (1606-1683/84) gekommen Metall eine vorherrschende Rolle, wie auf dem drei unterschiedlichen Exemplaren gezeigt
sein, dem tonangebenden Stillebenmaler des Gemälde Kat. Nr. 21, wo überwiegend Zinn wird, die zwar die gleiche Komposition zei­
17. Jahrhunderts. Dieser malte während der und Gold zu sehen sind. Wahrscheinlich hat­ gen, jedoch auf verschiedenen Formaten aus­
ersten Hälfte der dreißiger Jahre, als er in Lei­ te sich Kalf für diese Materialien entschieden, geführt sind (Kat. Nr. 17-19).
den wohnte (und danach vielleicht auch eine weil sie optimal und endlos Licht reflektieren Im Fall des Meisterwerkes aus der franzö­
kurze Zeit in Amsterdam) mehrere Stilleben können, und gerade diesen Spiegelungen galt sischen Schaffensphase (Kat. Nr. 20) wird das
im Querformat, wo ein sehr flacher Zinnteller sein stets größer werdendes Interesse. Das ist Format plötzlich außergewöhnlich imposant.
mit einer Zitrone mit herabhängender Schale auch an den bäuerlichen Interieurs zu erken­ Auf diesem 200 x 170 cm messenden Gemälde
eine wichtige Rolle spielt. Angenommen, dass nen. Für Kalfs weitere Entwicklung verwies stellt der Maler nicht nur eine enorme Menge
Kalf über Antwerpen nach Paris reiste, könn­ Grisebach auf drei mit der Jahreszahl 1643 funkelnder Metallgegenstände aus, sondern
te er dort die ersten Beispiele von De Heems versehene Stilleben: die Gemälde in Le Mans er führt auch einen Spiegel in die Darstellung
großen Prunkstilleben der frühen vierziger (Kat. Nr. 16), Berlin11 und Köln (Kat. Nr. 19), ein und entscheidet sich für ausgesprochen
Jahre gesehen haben, wie das Exemplar von wobei er aber noch nicht wusste, dass das Köl­ farbenfrohe blaue und rote Stoffe. Im Jahre
ca. 1639, dessen Motive, etwa die große bear­ ner Gemälde kein eigenhändiges ist. Aus der 1643 war der Maler erst ca. 24 Jahre alt. Es
beitete, vergoldete Silberschale, ihn sicher zu Pariser Zeit stammt noch ein weiteres datier­ muss als ein Höhepunkt in der Entwicklung
eigenen Darstellungen inspiriert haben könn­ tes Stilleben von Kalf, das ehemals in Warwick des jungen Malers gesehen werden. Von die­
ten (Abb. 4). Castle aufbewahrt wurde.15 In diesen Arbei­ sem Gemälde gibt es eine zweite Version,
etwas kleiner, doch noch immer mit einem
Format von 153x 165,7 cm. Darüber hinaus
konnte ein sehr viel kleineres Exemplar iden­
4 Jan Davidsz. de Heern, Prunkst Hieben mit vergoldetem Silbergeschirr, Öl auf Leinwand, tifiziert werden, das als erstes Modell einem
135,3 x 185,4 cm. monogrammiert. New York, Metropolitan Museum of Art, Inv. Nr. 12.195. Auftraggeber oder potentiellem Kunden ge­
zeigt worden sein könnte.16
Es sieht nicht danach aus, dass Kalf von
französischen Malern zu dieser Serie Stilleben
angeregt wurde, klar ist aber, dass, wie schon
Grisebach feststellte, Kalf einen Einfluss auf
französische Maler ausübte, insbesondere auf
Meiffren Conte (ca. 1630 in Marseille - ca.
1705) und auch auf Jacques Hupin (? -1680).17
Da von vielen dieser Stilleben mehrere Ver­
sionen existieren, ist anzunehmen, dass sich
nicht nur Kalfs bäuerliche Interieurs in Paris
großer Beliebtheit erfreuten, sondern auch
die Prunkstilleben. Darauf weist auch die
Tatsache hin, dass sich in der Sammlung des
Stillebenmalers Jacques Linard in seinem To­
desjahre 1645 neben acht eigenhändigen Ge­
mälden von Kalf auch acht Kopien von Wer­
ken Kalfs befanden.,K
Zu fragen bleibt, ob er direkt nach seiner
Rückkehr aus Paris um 1646 mit dem Malen
dieses Stillebentyps fortfuhr. Das erste datier­
te Gemälde aus der Zeil nach seiner Rück­
kehr aus Paris stammt aus dem Jahr 1653, das
einen völlig anderen Charakter als die Pariser
Stilleben hat (Kat. Nr. 24).

Kalf in Pari:: diefrühen Stilleben - Jeroen Giltaij und Fred G. Meijer


War Willem Kalf ein französischer Maler? der Stilleben Kat. Nr. 18 und 1920 sowie auch ■ Grisebach, 1974, Kat. Nr. 65, Abb. 69.
auf zwei Gemälden, die sich früher im Kunst­ " Grisebach, 1974. S. 97, Anm. 199.
' Grisebach, 1974. Kat. Nr. 1, Abb. 4. Kat. Nr. 68.
Alles weist darauf hin, dass Kalf in Paris das handel befanden.21 Soll die erloschene Kerze
Abb. 70 (hier Kat Nr. 21). Kal Nr. 69. Abb. 78, Kat.
Malen von (Prunk-) Stilleben zu einer erfolg­ auf die Vergänglichkeit des irdischen Lebens Nr. 70a, Abb. 76.
reichen Spezialdisziplin entwickelte. Es stellt hinweisen? Die Uhr liegt im Vordergrund der Laut freundlicher Mitteilung von Jutta Page, To­
sich die Frage, ob man diese Gemälde als Teil beiden zuerst genannten Gemälde als auch in ledo, handelt es sich hierbei um venezianische Glä­
der französischen Malerei oder als Kunst ei­ der Version Kat. Nr. 17. Sie ist ebenfalls auf ser. Das Trinkglas ist um 1550 zu datieren und die
Glaskanne zwischen 1550-1600. Es ist jedoch nicht
nes holländischen Malers sehen muss, der den Gemälden in Berlin und in der Sammlung auszuschlicßen, dass wir es hier mit einer späteren
zufällig in Paris arbeitete. Der Vergleich mit Carter zu sehen.22 Ist diese Uhr als Hinweis auf Produktion zu tun haben, die auf venezianischen
französischen Stillebenmalern aus dieser Zeit, die verstreichende Zeit zu werten, auf die Ver­ Vorbildern beruht. Vielleicht verwendete Kalf für die
wie auch mit den oben genannten Meiffren gänglichkeit all dieser irdischen Pracht? Auch Glaskanne, gleiches gilt auch für die Kanne auf Kal.
Conte und Jacques Hupin, lehrt, dass es gro­ wenn es diese Anspielungen tatsächlich geben Nr 14, eine Druckgraphik als Vorlage.
11 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 1. Abb. 4. Hierauf sind
ße stilistische Unterschiede gibt. Kalfs Werke sollte, so können sie uns doch nicht davon unter anderem der charakteristische französische
wird man nicht so schnell für französische Ar­ abhalten, von all dem im Bilde dargestellten Kochtopf mit grüner Glasur zu sehen und ein großes
beiten halten, da seine Kompositionen immer Reichtum, besonders aber von der Virtuosität Brot eines Typs, den wir mit ziemlicher Regelmäßig­
besonders sorgfältig und vor allem gleichge­ beeindruckt zu sein, mit der der junge Maler keit auf Pariser Stilleben aus dieser Periode von ande­
wichtig zusammengestellt sind. Darüber hin­ Kalf diese Dinge wiedergab. ren Künstlern wie Van Boucle und Stoskopff antref­
fen.
aus gibt es stets eine enge Beziehung zwischen 12 Für Kalfs Beziehungen zu Pariser Künstlern siehe
den jeweils abgebildeten Gegenständen, was die Biographie an anderer Stelle in dieser Publikat­
auf französischen Stilleben weniger oft der ion.
Fall ist. Wichtig ist das Hell-Dunkel, in dem Anmerkungen 13 Linard besaß zum Zeitpunkt seines Todes im Jahre
die Gegenstände platziert sind. Sie tauchen ’ Siehe in diesem Zusammenhang auch die von Lam- 1645 eine Vielzahl von Gemälden, darunter Werke
mertse und Szanto verfasste Biographie an anderer von Kalf und von Stoskopff. mit dem er befreundet
aus dem Hintergrund auf und erhalten den Stelle in dieser Publikation. war, siehe Biographie.
größten Teil ihrer Plastizität durch die vielen Das 1643 datierte Stilleben in Köln (Kat. Nr. 19), u Grisebach, 1974, Kat. Nr. 63, Abb. 68.
Lichtreflexionen auf dem Metall und Glas, von Grisebach noch als eigenhändiges Werk aufge­ ,s Grisebach, 1974, Kat. Nr. 70, Abb. 71. Laut K.
die Gläser sind bisweilen ausschließlich aus nommen, gilt heule einstimmig als Kopie. Brunnenkant, 1999, Heft 2, S. 249, befindet sich das
Lichtreflexionen aufgebaut. Dieser sorgfältige 3 Grisebach, 1974, S. 91 und 95. In diesem Text Bild nicht mehr in Warwick Castle.
spricht Grisebach von zwölf Pariser Stilleben, sein 16 Die größere Version wurde zweimal auf einer Ver­
Aufbau ist ein niederländischer Charakter­ Katalog zählt jedoch dreizehn Nummern: 59 bis ein­ steigerung angeboten: Sotheby's New York, 16. Mai
zug, der den Betrachter der Stilleben Kalfs schließlich 70A. Angesichts der A-Nummer war das 1996, Kat. Nr. 89 und 17. Dezember 1998, Kat. Nr.
davon abhalten soll, sie als französische Kunst letzte Stück vermutlich eine spätere Hinzufügung, 10. Das »Model« tauchte auf einer Versteigerung von
abzustempeln. die nach dem Schreiben des Textes erfolgte. Seit dem Bonhams, London, 22. April 1982, Kat. Nr. 107, als
Erscheinen von Grisebachs Buch ist die Kat. Nr. 64 Werk eines Nachfolgers von Willem de Poorter auf.
als eigenhändiges Werk abgeschrieben, womit auch Siehe auch die Addenda und Corrigenda zu Grise­
die Datierung 1643 für diese Komposition unsi­ bachs Katalog an anderer Stelle in dieser Publikation,
Bedeutung cher geworden ist (es wäre aber im Lichte von Kalfs Nr. A 16 und A 17.
Chronologie möglich, sofern eine solche überhaupt 17 Grisebach, 1974, S. 111.
Wie schon bei den bäuerlichen Interieurs für die Pariser Stilleben dargestellt werden kann, ,s Es wäre interessant zu erfahren, gewiss im Zusam­
dass sie doch aus dem Jahr 1643 stammt). Dieses menhang mit dem regelmäßigen Auftauchen eigen­
muss auch hier am Ende geklärt werden, ob
Gemälde wird jedoch von Kat. Nr. 64b ersetzt. Der händiger Versionen und Varianten in Kalfs CEuvre,
man im Zusammenhang mit Kalfs Stilleben von Grisebach aufgenommenen Serie konnten in der ob derartige Werke auch mit dem Begriff »coppye«
von ikonographischen Bedeutungen sprechen Zwischenzeit keine neuen datierten Kompositionen (Kopie) angedeutet werden konnten.
kann.19 Für das Verstehen einer solchen Be­ hinzugefügt werden, es tauchten aber zwei andere 19 In Kalfs Biographie an anderer Stelle in dieser Pu­
hauptung ist immer ein wenig Einfühlungs­ Versionen des Prachtstücks in Le Mans auf (siehe blikation, äußert Mikael Szanto die Vermutung, dass
Addenda und Corrigenda zu Grisebachs Katalog an Kalf mit Linard über den ikonographischen Inhalt
vermögen notwendig. Zunächst einmal sind
anderer Stelle in dieser Publikation, Nr. A 16 und A ihrer Gemälde diskutiert haben könnte.
die Gegenstände in Kalfs Stilleben nie ent­ 17, beide mit Abb.), und auch Grisebachs Verz. Nr. 20 Auf der eigenhändigen Version der ersten beiden
zwei, gebrochen oder gesprungen. Gedanken A 3 (Abb. 1 in diesem Essay) kann nun als eigenhän­ Gemälde (Kat. Nr. 17) fehlt der Leuchter.
an Vergänglichkeit werden daher nicht auf­ diges Werk eingeordnet werden. Grisebachs Kat. Nr. 21 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 67, Abb. 77 und Kat. Nr.
gerufen. Allerdings sind diese Gegenstände 59 (hier Kat. Nr. 14) scheint als holländische Arbeit 70a, Abb. 76. Von der Kat. Nr. 67 nahm Grisebach
jetzt aber aus der Pariser Gruppe heraus zu fallen, so ein Gemälde in Rouen (Inv. Nr. 834.1) als Kopie auf.
häufig sehr kostbar, was enormen Reichtum
dass die Gesamtanzahl von Kalfs Pariser Stilleben 15 Wenn es sich bei diesem Gemälde wirklich um eine
ausstrahlt, der durch die zahlreichen Licht­ Werke umfasst. Kopie handelt, dann ist es eine Kopie von hoher Qua­
reflexionen zusätzlich betont wird. Reichtum ’ Für die Annahme, dass Grisebachs Kat. Nr. 65 lität. Laut Museum soll das Bild 1675 datiert sein,
ist aber irdisch und somit zeitlich begrenzt. (heule Sammlung Carter, Los Angeles) 1639 datiert doch diese schwer zu erkennende Jahreszahl muss
Doch ebenso gut könnte damit einzig und al­ sein soll (laut S. Segal 1988/89, S. 184-185), gibt es vermutlich 1645 sein. Sollte es sich tatsächlich um
keinerlei Gründe, siehe S. 162 (siehe Addenda und eine eigenhändige Version von Kalf handeln, so wäre
lein große Schönheit ausgedrückt sein. Über­
Corrigenda). das Bild das letzte datierte Stilleben aus seiner Pariser
dies scheint es Kalf vor allem um den bildli­ 5 Auch die Tatsache, dass er offensichtlich einen Zeit. Das letztgenannte Werk (Grisebach, 1974, Kat.
chen Effekt des Lichtspiels auf all dem Gold kleinformatigen Entwurf anfertigte (siehe die Ergän­ Nr. 70a) befand sich 1996 im Kunsthandel Peter Til­
und Silber gegangen zu sein. Nur mit zwei zungen zu Grisebachs Katalog an anderer Stelle in lou in London/New York.
Sorten von Gegenständen könnten eventuell dieser Publikation, Nr. A 16), weist daraufhin, dass 22 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 63. Abb. 68 und Kat. Nr.
direkte Bedeutungen verbunden sein, näm­ das Gemälde in Le Mans als Auftragswerk gemalt 65, Abb. 69.
wurde.
lich mit dem Leuchter, in dem sich eine erlo­ ö Grisebach, 1974, Verz. Nr. A 3. Abb. 171» S. 97; siehe
schene Kerze befindet, und mit der Uhr. Den die Addenda und Corrigenda zu Grisebachs Katalog
ersten Gegenstand sehen wir im Hintergrund an anderer Stelle in dieser Publikation, Nr. A 14.

Willeni Kalf in Paris: die frühen Stilleben - Jeroen Giltaij und Fred G. Meijer 73
14 Stilleben mit vergoldeter Silberkanne, Porzellanteller mit
kandierten Früchten und ein Zinnteller mit einer Zitrone
(nur in Aachen)

ieses Gemälde ist völlig zu Recht mit Tisch herabhängendes weißes Tuch auf keinem Öl auf Leinwand, 77 x 60 cm

D Willem Kalfs frühen, in Paris gemalten anderen Gemälde zu sehen. Das funkelnde Spiel Signiert, links auf dem Tischrand: W. KALE
Maastricht, Kunsthandel Noortman Master
Stilleben in Zusammenhang gebracht der Glanzlichter, das die Pariser Stilleben kenn­
Paintings
worden. Es ist diesen Werken in Komposition zeichnet und später in angepasster Art in den
und Themenwahl verwandt und zeigt die glei­ Amsterdamer Gemälden gestaltet wurde, ist hier Provenienz:
che Monumentalität. Nicht ohne Grund ordnete nur in beschränktem Maße vorhanden. Sammlung K. Kan-Türk, Amsterdam; Samm­
Grisebach es in seinem Katalog ganz an den An­ Auch die Wahl der Gegenstände weicht von lung J. Schieffer, Bussum (aus dem Nachlass
von Dr. Schieffer, Amsterdam); Sammlung
fang der Gruppe mit den Pariser Stilleben ein, der in dieser Hinsicht konsistenten Gruppe der J. Schullin, Amsterdam; Kunsthandel Curt
wobei er die schon früher angenommene Da­ Pariser Stilleben ab. Diese zeigen einzelne, häu­ Benedict, Paris, 1937; Privatsammlung, Nie­
tierung in das Jahr 1643 übernahm. Doch den fig größere Objekte französischer Machart, die derlande, 1941; Kunsthandel D. Hoogen-
vielen Ähnlichkeiten mit den Pariser Werken in wechselnden Kombinationen auf mehreren dijk, Amsterdam, vor 1946; Sammlung Dr.
stehen genauso viele Divergenzen gegenüber, Gemälden zu finden sind. Außer dem flachen W. Biooker, Amsterdam, 1948; Kunsthandel
Gebr. Douwes Fine Art, Amsterdam/London,
wozu deutliche Unterschiede in der Malweise Modell des Zinntellers, der in dieser frühen 1977-1980; Privatsammlung, Deutschland;
gehören. Die Farbbehandlung dieses Gemäl­ Schaffensphase auf den meisten von Kalfs Still­ Kunsthandel D. Koetser, Zürich, 2005; Kunst­
des ist etwas »trockener« als die der (übrigen) leben erscheint und überdies zu wenig speziell handel Robert Noortman, Maastricht.
Pariser Stilleben; die Pinselführung ist dort all­ ist, gibt es auf diesem Gemälde nur das Messer
gemein etwas lockerer und fließender und der mit hufeisenförmigem Griff,9 das auch auf einem Ausstellungen:
O
Opening exhibition, Gebr. Douwes Fine Arts,
Maler muss hier eine sattere Farbzusammenstel­ der Pariser Stilleben zu sehen ist.1 Auf einigen
London, 1980, Kat. Nr. 9, mit Farbabb.; Van
lung benutzt haben, also mehr Pigmente mit we­ von Kalfs Stilleben aus der Pariser Schaffens­ Jan Steen tot Jan Sluijters. De smaak van Dou­
niger Bindungsmittel. Auch die Anordnung der phase findet sich ebenfalls ein Teller aus Wan-li- wes, Fries Museum, Leeuwarden, 1998, Kat.
Gegenstände ist strenger und weniger komplex Porzellan, bei dem es sich jedoch um ein ande­ Nr. 8, mit Farbabb.
als auf den meisten der anderen frühen Stilleben res Modell als das auf diesem Gemälde gezeigte
Literatur:
Kalfs. Ebenso ist ein solch breites und steif vom handelt. Wir haben es bei diesem kleinen Teller Van Gelder, 1941, S.47, mit Abb.; Bergström,
1956, S. 270-272, Abb. 224; Grisebach, 1974,
S. 96, 97, 234, Kat. Nr. 59, Abb. 66; One Hun-
dred Master Paintings 2005, Noortman Master
1 Cherubino Alberti nach Polidoro da Caravaggio, 2 Jan Davidsz de Heern, Stilleben, Öl auf Holz, ge­ Paintings, Maastricht 2005, S. 144-147, Kat.
Blatt 8 der Serie Vasa a Polydoro Caravaggio inventa, naue Maße unbekannt. Verbleib unbekannt (ehema­ Nr. 039, mit Abb. und Detailabb. in Farbe.
Gravierung. Rom 1582. lige Sammlung Lazaro, Madrid, Inv. Nr. 11297).

Die frühen Stilleben


mit einem recht frühen Typ zu tun, der ver­ Bildaulfassung ist diese Arbeit mehr als nur ein vgl. hier Kat. Nr. 17-19) und auf Grisebachs
mutlich im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts Schritt in die Richtung der Pariser Stilleben. Die­ Nr. 65 abgebildet ist, handelt es sich um einen
etwas späteren Typ (Rinaldi, ibid., Rand VI
angefertigt wurde.2 Derartige kleine Teller sind ses Gemälde ist bestimmt das Werk eines aus­
oder VII), wobei die Rückseite des Tellerran­
mit einiger Regelmäßigkeit auf ziemlich frühen gelernten und sehr selbstbewussten Künstlers, des wie bei der Vorderseite in Felder eingeteilt
holländischen Stilleben zu sehen; sie waren in auch wenn es noch nicht die mühelos fließende ist. Das hier von Kalf gemalte Tellerchen zeigt
den nördlichen Niederlanden weit verbreitet.3 Behandlung der Pariser Stilleben und auch der auf der Rückseite eine ungewöhnliche Kom­
Wie Bergström aufzeigte, nahm der junge Kalf bäuerlichen Interieurs zeigt. Im Hinblick auf das bination von Ranken und Feldern, wobei es
sich vielleicht um eine freie Interpretation des
für die hier abgebildete vergoldete Silberkanne einzige kleine bäuerliche Interieur, das wir mit
Künstlers handeln könnte.
eine italienische Druckgraphik aus dem Jahr ziemlicher Sicherheit noch zu Kalfs Rotterda­ 3 Siehe unter anderem ein Stilleben von Floris
1582 als Vorlage (Abb. 1).’ Auf diesem Blatt ist mer Schaflensphase zählen dürfen (Kat. Nr. 1), van Schooten aus dem zweiten Jahrzehnt des
die Kanne aber aus einem niedrigeren Blickwin­ offenbart es hingegen ungeheuere Fortschritte. 17. Jh. (meine Datierung), Instituut Collcctie
kel wiedergegeben. Kalf hat diesen Blickwinkel Die Frage, ob dieses Stilleben mit Polidoro da Nederland, Inv. Nr. NK 2457 (Ter Kuile, 1985,
Kat. Nr. VI-51, mit Farbabb.).
an den seiner Stilleben angepasst und den hoch Caravaggios Kanne noch in Rotterdam entstand
4 Bergström, 1956, S.270-272. Es handelt
aufragenden Fuß zwischen den Gegenständen (vielleicht um 1640?), muss vorerst noch unbe­ sich um eine Druckgraphik nach einem Vasen­
auf seinem Tisch verschwinden lassen, wodurch antwortet bleiben, doch viele der oben beschrie­ entwurf von Polidoro da Caravaggio (ca.
ein viel persönlicheres Bild von der Kanne ent­ benen Beobachtungen weisen in diese Richtung. 1495-1543), Nr. 8 einer 1582 herausgegebe­
steht. Klar ist jedenfalls, dass sich der etwas unbehag­ nen Serie.
5 W. Cz. Heda, Öl auf Holz, 50 x 83,5 cm, sig­
Im Gegensatz zu Kalfs (anderen) Pariser Still­ lich malende Jüngling, der 1638 die Kat. Nr. 1
niert und 1636 datiert, Versteigerung Paris,
leben ist keiner der Gegenstände auf diesem Ge­ schuf, offensichtlich in einem raschen Tempo, Hotel George V, 14.-15. April 1989, Kat.
mälde typisch französisch. Das silberne Trink­ zumindest vor 1643 und wahrscheinlich sogar Nr. 219, mit Farbabb. Solche kleinen Trink­
schälchen, das rechts umgestülpt liegt, findet sich noch ein oder zwei Jahre früher, zu einem Meis­ schalen, aus Silber und auch aus Zinn, kamen
zum Beispiel auch auf einem 1636 entstandenen ter internationaler Allüre entwickelt hatte und in dem Jahrzehnt um 1600 regelmäßig vor,
sowohl in den nördlichen Niederlanden als
Stilleben des Haarlemer Malers Willem Claesz. dass seine Abreise nach Paris schon allein aus
auch in Antwerpen. Von diesem Schälchen
Heda.3 Darüber hinaus ähnelt die Komposition diesem Grund völlig gerechtfertigt war. mit »knerren« (Rippen) sind etliche Beispie­
von Kalfs Stilleben auffällig der eines Gemäldes FGM le bekannt. Silberne Exemplare aus Haarlem
von Jan Davidsz. de Heern, das um 1633 entstand (1620), Gouda (1622) und Leiden (1583) sind
und vielleicht in Amsterdam gemalt wurde und Anmerkungen abgebildel in J.W. Frederiks, Dutch Sdver,
* Grisebach, 1974, Kal. Nr.65, Abb.69 (Sammlung Bd. 1, Den Haag, 1952, Nr. 15, 20, 23.
ebenfalls ein solches Trinkschälchen wiedergibt Carter, Los Angeles). In dem linken Gefäß steckt außer 6 Öl auf Holz, Maße unbekannt, ehemals
(Abb. 2).6 Es ist angesichts der kompositorischen dem Messer, dessen Schaft in einem Pferdehuf endet, Sammlung Lazaro, Madrid, Inv. Nr. 11297,
Übereinstimmungen beinahe unvorstellbar, dass ein so genannter »paardenhoeflepel« (Pferdehuflöffel). als P. Claesz. Das Gemälde wurde von dem
Kalf derartige Arbeiten De Heems nicht gekannt Das Motiv des Pferdehufs als Stiel- oder Schaftende von Sammler verkauft bevor er seine Sammlung
haben sollte. Da dieses Gemälde aus De Heems Löffeln und Messern ist alleren italienischen Vorbildern dem spanischen Staat vermachte. Sie war
entlehnt. Dieses Motiv gibt es sogar schon seit der Rö­ Grundlage für die Gründung des heutigen
früher holländischer Produktion stammt, ist an­ merzeit. Die niederländische Variante aus dem 17. Jh. Museo Lazaro Galdiano, das 1951 in Madrid
zunehmen, dass Kalf es eher in Holland sah als ist vermutlich davon beeinflusst. Silber, Zinn und Kup­ eröffnete. Ein anderes Stilleben von De Heern,
zum Beispiel (auf der Durchreise) in Antwerpen ferlegierungen sind die Materialien, woraus diese Löf­ das ich ungefähr ein Jahr früher datiere, zeigt
oder in Paris.” fel in den Niederlanden hergestelll wurden. Außerhalb das gleiche Trinkschälchen und eine Zitrone,
Links steht ein zylinderförmiges Silbergefäß, Italiens und der Niederlande sind Hufe von Kühen oder deren lange Schale wie bei Kalf über den Rand
Pferden nur selten als Griffenden verwendet worden. Im eines flachen Zinntellers nach vorn überhängt:
das mit Renaissancekartuschen und darin ste­ 17. Jh. wurden solche Löffel »peerdevoetenlepels« (Pfer­ Öl auf Holz, 57,5x44 cm, signiert, Worms,
henden (antiken?) Figuren verziert ist/ Ein sol­ defußlöffel) genannt, (siehe E.M.Ch. F. Klijn, Eet- en Kunsthaus Heylshof, Inv. Nr. 60, fälschlich als
ches Objekt, das aus stilistischen Überlegungen sierlepels in Nederland tot ca. 1850, Uitgeversmaatschap- Arbeit von C. de Heern katalogisiert.
um 1600 datiert werden könnte, ist nicht aus der pij De Tijdstroom, Lochem-Gent 1987, S. 82, 88, 95, 96, 7 Das stellt uns vor die Frage, wo Kalt das
Überlieferung bekannt. Auch dieses Gefäß ist 97). Bei dem Exemplar auf dem Stilleben von Kalf sieht Gemälde genau gesehen haben könnte. Nach
der Löffelstiel schon etwas »kwabachtig« (quallenartig) meiner heutigen Datierung und Theorie wur­
vermutlich eher niederländisch als französisch. aus, was für eine spate Datierung um 1630-1640 spricht. den die in Anm. 6 genannten Stilleben in
Ein Löffel steht darin, der wie das zuvor erwähn­ Pferdehuflölfel sind regelmäßig zu finden, sowohl aus Amsterdam gemalt, wo De Heern vermutlich
te Messer mit einem Pferdehuf als Griff versehen Silber als auch aus Zinn Von dem Messer mit einem nach seinem Weggang aus Leiden, um 1631,
ist.9 Kandierte Früchte sind auf französischen Pferdehuf am Ende des Messerschafts sind auch exis­ und vor seiner Ankunft in Antwerpen im Jahr
Stilleben nicht oder nur selten zu finden; das tierende niederländische Beispiele bekannt, aus Kupfer 1635, für einige Zeit lebte. Vielleicht besuch­
und auch aus Silber. Solch ein Silbermesser mit Eisen­ te Kalf Amsterdam schon vor seiner Abreise
Gleiche gilt aber auch für die holländischen Still­ klinge aus der ersten Hälfte des 17. Jh., das sich in Privat­ nach Paris? Oder sollten De Heems Stilleben
leben aus dieser Zeit. Anders bei den Stilleben besitz befindet, stammt als archäologischer Bodenfund in Rotterdamer (oder Haager) Sammlungen
der frühen Flamen wie Osias Beert und Clara aus Amsterdam. oder auf dem dortigen Kunst markt zu sehen
Peeters, wo oft kandierte Früchte wiedergegeben Für die Bestimmung der entsprechenden Melallgegen- gewesen sein? Mir sind keine Quellen be­
stände aut diesem Gemälde und weiterführende Infor­ kannt, aus denen dies hervorginge.
sind, doch selten oder nie zusammen mit Süd­
mationen hierzu danke ich Alexandra Gaba-van Dongen 8 Vielleicht handelt es sich um antike Hel­
früchten, wie wir das auf diesem Bild sehen. und (durch sie) Dr. Johan ter Molen (Direktor des Paleis den oder Krieger. Sie sind offensichtlich (teil­
Insgesamt gesehen, handelt es sich bei diesem Hel Loo, Apeldoorn und Silberexperte) sowie Diana weise) nackt, wobei der ganz rechts zu sehen­
Gemälde also um eine ziemliche Ausnahme in und Emiel Mertens, Maasdam (Besteckexperten). de Mann einen Helm trägt.
Kalfs CEuvre. Stilistische Verwandtschaft und 2 Siehe M. Rinaldi, Krank Porcelain. A nioinent in thehis- 9 Ein existierendes Beispiel für ein derartiges
toryof trade, London 1989, S. 71, 78, 79 (Rand II, von ihr rundes Gefäß ist unbekannt. Der glatte obere
Objektwahl müssen eher in der holländischen
ca. 1565-1600 datiert). Die Rückseite dieser kleinen Tel­ Rand erweckt den Eindruck, dass ein Deckel
Stillebenlandschaft situiert werden als in der ler ist meist mit einem Blumenmotiv (Ranken) verziert; darauf gehört. Zu dem Löffel siehe Anm. 1.
französischen, doch hinsichtlich Stimmung und bei dem kleinen Teller, der auf Grisebach, 1974, Kat.
Nr. 64 (oder zumindest das unbekannte Vorbild dafür,

76 Die frühen Stilleben


15 Stilleben mit Weinprüfkanne und Nautilusmuschel

n diesem frühen Stilleben sind kostbare weinschale, in keinem anderen Werk Kalfs wie­ Öl auf Leinwand, 57 x 48,5 cm

I Gegenstände kunstvoll auf einer steinernen derkehrt.5 Vor diesem riesigen Schneckenhaus Signiert rechts auf der Seitenkante des Tisches:
KALF
Tischplatte gruppiert. Leicht schräg steht liegt ein Kanten Brot oder Kuchen, aus dem Privatbesitz
links eine silberne Brandweinschale auf einem ein Stück herausgebrochen ist. Das Gemälde ist
sorgsam in Falten gelegten Tuch. Diese Brand­ mit dem Stilleben aus Le Mans (Kat. Nr. 16) eng Provenienz:
weinschale ist in keinem anderen Werk Kalfs zu verwandt. Grisebach rechnet es deshalb auch zu Galerie Forbes und Paterson, London, 1902;
finden. Rechts davon liegt eine Nautilusmuschel, den frühesten Stilleben Kalfs. Nautilusmuschel, Galerie Kleinberger, Paris; Arthur Kay, Glas­
gow; A. de Ridder, Kronberg im Taunus,
deren Öffnung zum Betrachter weist. Kalf stellte Weinkaraffe und Flötglas mit feinem Rippenre­
Versteigerung Paris, Petit, 2. Juni 1924, Kat.
sie zwei weitere Male dar - auf den Stilleben in lief an der Kelchunterseite sind charakteristische Nr. 33, Abb. (fr. 19 500,- an Kleijkamp für Be-
Le Mans (Kat. Nr. 16) und in der Gemäldegalerie Motive anderer früher Stilleben aus Kalfs Pariser geer); Galerie Nathan Katz, Dieren und Basel;
Berlin (datiert 1643).1 Vor der Nautilusmuschel Zeit. Vielleicht hatte er diese Gegenstände in Pa­ Arthur Wiederkehr, Zürich; Privatsamm­
steht ein Zinnteller, dessen Rand über die Tisch­ ris gekauft oder zumindest für sein Atelier ge­ lung.
kante hinausragt. Auf dem Teller liegen eine liehen. In Entwurf und Bildkomposition folgen
Ausstellungen:
Orange, ein Messer mit edel verziertem Knauf, diese frühen Stilleben allerdings keinem franzö­ A Collection of Pictures by Dutch Masters of
einige Brotkrümel und eine halbgeschälte Zitro­ sischen Vorbild, sondern sind vielmehr von hol­ the XVIlth Century, London, Forbes & Pater­
ne, deren Zeste sich kunstvoll um den Tellerrand ländischen Malern wie Willem Heda oder Pieter son, Februar 1902, Kat. Nr. 11; Meisterwerke
ringelt. Solche Zinnteller sind ein äußerst be- Claesz inspiriert. holländischer Malerei, Basel, Kunstmuseum,
1945, Kat. Nr. 42.
liebtes Motiv für Stilleben, meistens in Kombina­ JG
tion mit erlesenen Früchten, kostbaren Messern Literatur:
oder einem Uhrwerk. Wie auf dem Gemälde W. von Bode, Die Gemäldegalerie des Herrn
aus Le Mans (Kat. Nr. 16) liegt neben dem Teller A. de Ridder in seiner Villa zu Schönberg bei
ein Stück Brot. Ganz im Hintergrund zeichnen Cron berg im Taunus, Berlin 1910, S. 31, Abb.;
Bergström, 1956, S. 268, 315, Anm. 22; Grise­
sich die zarten Umrisse eines Flötglases vor der
bach, 1974, S.95, 98, 100, 102, 234-235, Kat.
dunklen Wand ab. Wie auf den Werken in der Nr. 60, Abb. 64; Brunnenkant, 1999, S. 249.
Galerie Noortman (Kat. Nr. 14) und in Berlin
(siehe Anm. 1) ist das Glas nur noch schemen­
haft anhand seines Inhalts und der feinen Licht­
reflexe zu erkennen. Rechts davon, noch weiter
im Hintergrund, steht ein kaum sichtbarer glä­
serner Deckelpokal. Er ist auf dem Gemälde in
Le Mans (Kat. Nr. 16) wesentlich besser zu er­
kennen. Das Zentrum des Stillebens bildet eine
prachtvolle Karaffe in Form einer Weintraube.
Ein vergleichbares Exemplar dieser Karaffe,
Fopglas genannt, befindet sich heute im Roy­
al Ontario Museum in Toronto.2 Diese Karaffe
kommt weiterhin nur noch auf dem Gemälde
im J. Paul Getty Museum in Los Angeles vor.3
Diese außergewöhnlich geformte Karaffe, deren
Ausguss in einem Schälchen mündet, dient zum
Prüfen von Wein. Beim Ausgießen kann der
Wein direkt von dem Schälchen aufgenommen
werden. Ganz rechts im Bild lehnt das Gehäuse Anmerkungen
einer riesigen Muschel an der Wand. Anfänglich ’ Grisebach, 1974, Kat. Nr. 63, Abb. 68.
2 J.-A. Page u.a., Beyond Venicc. Glass in Ve-
dachte man, dass es sich um eine strombus gigas, netian Style, 1500-1750, Corning, New York,
eine Riesenflügel- oder Riesenfechterschnecke The Corning Museum of Glass 2004, S. 14,
handle, wie es sie beispielsweise im Werk Wil­ Abb.
lem Claesz. Heda und von Jan Davidsz. de Heern 5 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 62, Abb. 67.
‘ C. J. H.M. Tax, »Caspars geschenk, een
gibt/ Es handelt sich aber wohl eher um eine
strombusbeker op een >Aanbidding der Drie
Helmschnecke (cassis cornuta) - eine außerge­ Köningen««, Anliek 31 (1996), S. 194-204.
wöhnliche Darstellung, die, wie auch die Brand­ 5 Freundliche Mitteilung von Andrd Slupik,
Natuurhistorisch Museum Rotterdam.

Die frühen Stilleben


16 Stilleben mit Nautilusmuschel, Olivenschüsselchen,
zinnerner Feldflasche und Gläsern

usammen mit dem ebenfalls 1643 datier­ jekte nicht so kostbar, und doch zeigt sich bereits Öl auf Leinwand, 74 x 58 cm

Z ten Gemälde aus Berlin ist dieses Werk hier seine ausgeprägte Neigung zur Darstellung Signiert und datiert auf der Seitenkante des
Tisches: W. Kalf 1643
das früheste datierte Stilleben Kalfs.’ außergewöhnlicher und kostbarer Dinge. Auch
Le Mans, Musee de Tesse, Inv. Nr. LM 10.89
Der Künstler war zu diesem Zeitpunkt 24 Jah­ in kompositorischer Hinsicht unterscheidet sich
re alt, als er beschloss, sich nach zahlreichen dieses frühe Stilleben von späteren Arbeiten. Provenienz:
Darstellungen bäuerlicher Interieurszenen nun Noch erscheinen die Objekte wie eine aneinan­ Unbekannt.
dem Prunkstilleben zuzuwenden. Die steinerne der gereihte Sammlung. Der Präsentation fehlt
Literatur:
Tischplatte ist zur Hälfte von einem grünen Tuch die spätere Ausdruckskraft, die Kalf durch Aus­
Louis Gonse, Les chefs-dceuvre des Musees
bedeckt. Im Hintergrund zeichnet sich vage die richtung der Komposition auf ein Zentrum in de France. La peinture, Paris 1900, S. 180; A.
Kontur einer Mauernische ab. Eine Nautilus­ seinen späteren Stilleben erzielt. Bredius, »Nederlandsche kunst in provinciale
muschel ragt über die Tischkante hinaus in den JG musea van Frankrijk«, Oud Holland 19 (1901),
Bildvordergrund hinein. Es ist dieselbe, die wir S. 13; I. Bergström, 1956, Abb. 220; Grisebach,
schon von dem Gemälde aus Privatbesitz (Kat. 1974, S. 90-92, 95-96, 98, 100-102, 235, Kat.
Nr. 61, Abb. 65; Brunnenkant, 1999, S.249,
Nr. 15) kennen. Rechts davon liegt eine Apfel­ 267, Abb. 3.
sine mit Stiel, vergleichbar mit dem Stilleben,
das sich ehemals im Londoner Kunsthandel
befand.2 Auch das angebrochene Stück Brot
mit den Krümeln erscheint wieder rechts im
Bild. Ganz links auf dem Tisch scheinen eben­
falls Brotstückchen und Krümel zu liegen - wie
schon im Stilleben aus Privatbesitz (Kat. Nr. 15).
Davor liegt ein Messer, dessen elfenbeinernes
Heft über die Tischkante hervorragt. Hinter
dem Messer steht eine Schale aus chinesischem
Porzellan mit dem typischen blauen Dekor. Di­
cke, glänzende Oliven liegen in der Schale. Die
gleiche Schale erscheint auf dem Gemälde in der
Galerie Noortman (Kat. Nr. 14), dort allerdings
mit kandierten Früchten. Ebenso findet man sie
auf dem Stilleben in Köln (Kat. Nr. 19) wieder.
Sie liegt dort umgedreht auf einer Zinnschüssel
mit Oliven. Hinter der Schale steht ein gläserner
Deckelpokal - der gleiche wie auf dem Stilleben
in Privatbesitz (Kat. Nr. 15). Rechts davon steht
kopfüber ein prachtvoller Weinkelch aus Nop­
penglas. Er ist ein Unikat im CEuvre Kalfs. Da­
neben rechts befindet sich ein etwas schlichter
verzierter Kelch mit Rippendekor, wie er auf den
Gemälden in Köln (Kat. Nr. 19), in Los Angeles
im J. Paul Getty Museum3 und in der Samm­
Anmerkungen
lung Carter, Los Angeles4 wiederkehrt. Er ist zur 1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 63, Abb. 68. Laut
Hälfte mit Rotwein gefüllt. Kelch und Apfelsine Segal trägt das frühe Stilleben aus der Samm­
spiegeln sich in einer rechts dahinter stehenden lung Carter in Los Angeles die Reste einer
Feldflasche aus Zinn (und nicht Silber, wie Grise­ Jahreszahl (163.), was seiner Meinung nach
auf eine Datierung in das Jahr 1639 hinweist.
bach schreibt). Diese Feldflasche ist ein bevor­
(S. Segal, A Prosperous Past. Vie Suniptuous
zugtes Motiv Kalfs, denn er stellte sie gleich auf Still Life In Vie Netherlands 1600-1700, Delft,
sieben verschiedenen Werken aus der Pariser Stedelijk Museum Hel Prinsenhof, Cam­
Zeit dar - auf zwei Gemälden sogar doppelt: auf bridge, Fogg Art Museum, Fort Worth, Kim-
dem Gemälde in New York (Kat. Nr. 21) und je­ bell Art Museum 1988, S. 184, Abb. 10.1.
2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 67, Abb. 77.
nem von 1644 in Warwick Castle?
' Grisebach, 1974, Kat. Nr. 62, Abb. 67.
Im Vergleich zu später entstandenen Prunk­ ‘ Grisebach, 1974, Kat. Nr. 65, Abb. 69.
stilleben Kalfs erscheinen die hier gewählten Ob­ 5 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 70, Abb. 71.

80 Die frühen Stilleben


17 Stilleben mit Feldflasche aus Zinn, stehenden und liegenden vergoldeten
Schenkkannen und großer getriebener und vergoldeter Silberschale

iese drei Gemälde werden hier gemein­ ten anderen Werke von Kalf aus diesen Jahren.2 Ö1 auf Leinwand, 132,5x71 cm

D sam behandelt, da sie nahezu das Glei­ 1989 legte Sam Segal dann endgültig fest, dass Rouen, Mus£e des Beaux-Arts, Inv. Nr. 833-5.
che zeigen und es interessant ist, ihren das Kölner Gemälde - im Widerspruch zu Si­ Provenienz:
Zusammenhang zu untersuchen. Auf einem gnatur und Datierung - nicht von Kalf sei.3 Es Versteigerung, Paris, 1833 (genaues Datum
Tisch sind einige reich verzierte, vergoldete Ge­ wurde vorgeschlagen, dass ein zu diesem Zeit­ unbekannt); an: Rouen, Musee des Beaux-
genstände aus Silber sowie eine Feldflasche aus punkt im Kunsthandel befindliches Gemälde, Arts.
Zinn und eine auf einem Zinnteller liegende das bei der Zusammenstellung von Grisebachs
Ausstellungen:
Uhr angeordnet. Die Feldflasche und ähnliche Monographie noch nicht bekannt war, Kalfs Keine.
Kannen finden wir auch auf anderen Gemälden Original sein müsse (Kat. Nr. 19). Zur Illustra­
aus Kalfs Pariser Zeit. Eine weiße Tischdecke tion der Unterschiede wurden beide Gemälde Literatur:
hänot von dem Tisch herab und ist über einem zusammen in Köln und später noch einmal in Pilz-von Stein, 1965, S. 118 Anm 109; Grise­
Hocker drapiert, der mit rotem Samt bezogen Madrid ausgestellt.4 bach, 1974, S.237, Kat. Nr. 64b (als Kopie);
F. Bergot, M. Pessiot, G. Grandjean, Musee
und mit Fransen aus Golddraht besetzt ist. Auf Der Vergleich der beiden Gemälde ist in der des Beaux-Arts de Rouen. Guide des collec-
einem Regal über den genannten Gegenständen Tat sehr erhellend. Wie Grisebach anmerkte, ist tions XVIe-XVIIe siecles, Rouen 1992, S. 207,
befinden sich ein schön bearbeiteter Metalltopf, die maltechnische Behandlung des Kölner Bildes mit Abb.; Brunnenkant, 1999, Heft 2, S.278;
ein Stapel Zinnteller, ein kostbares Weinglas und recht hart und wenig spontan. So sind beispiels­ Meijer, 2003, S. 227 Anm. 4.
ein gläsernes Deckelgefaß. Auf zwei Gemälden weise die unzähligen kleinen Lichter auf den
sehen wir links auf dem Tisch einen zweiten vergoldeten Kannen und auf der Schale pflicht­
Zinnteller mit Oliven sowie ein Messer und gemäß gesetzt; sie tragen nicht wirklich zur Mo­
einen kleinen umgedrehten Teller aus chinesi­ dellierung und Raumwirkung der Gegenstände
schem Porzellan. Ein Brötchen und einige Glä­ bei, was sie sonst bei Kalf immer tun. Aber auch
ser wurden hinter den Metallgefäßen platziert. das weiße Tuch, das über den Hocker im Vorder­
In der Nische im Hintergrund sind ein Leuchter grund drapiert ist, wirkt steif und leblos. Vieles
und eine Glasflasche zu erkennen. von dem eben Angesprochenen ist auf dem ande­
Über das große Prunkstilleben im Wallraf- ren Gemälde weitaus überzeugender ausgeführt,
Richartz-Museum (Kat. Nr. 19) ist viel geschrie­ besonders die Metallgegenstände, deren Behand­
ben worden. Bereits 1797 notierte Johann Wolf­ lung Kalfs brillanter Malweise deutlich näher
gang Goethe: «Die Meisterschaft dieses Mannes kommt.5 Doch auch auf diesem Bild ist nicht alles
in diesem Teile der Kunst zeigt sich hier in ihrem so gelungen wiedergegeben.6 So kann beispiels­
höchsten Lichte. Man muss dieses Bild sehen um weise die Modellierung des Hockers im Vorder­
zu begreifen, in welchem Sinne die Kunst über grund nicht ganz überzeugen und auch das weiße
die Natur sei und was der Geist des Menschen Tischtuch bleibt hier etwas steif. Die Wiedergabe
den Gegenständen leiht, wenn er sie mit schöp­ des umgedreht liegenden Porzellantellerchens ist
ferischen Augen betrachtet. Bei mir wenigstens auf dem Kölner Gemälde entschieden stärker.
ists keine Frage, wenn ich die goldnen Gefäße Auch die Uhr liegt dort überzeugender auf dem
oder das Bild zu wählen hätte, dass ich das Bild Zinnteller. Im Allgemeinen bleibt die räumliche
wählen würde».1 Goethe war ein großer Kunst­ Wirkung der gesamten Komposition hinter Kalfs
liebhaber, aber kein Kenner und ganz sicher kein anderen Stilleben zurück, wenn auch bei Kat.
Spezialist auf dem Gebiet der niederländischen Nr. 18 in geringerem Maße als bei Kat. Nr. 19. Auf
Malerei des 17. Jahrhunderts. Es kann ihm da­ beiden Gemälden ist nicht deutlich zu erkennen,
her nicht angekreidet werden, dass er eine Kopie wie das Messer auf dem Tellerrand ruht, außer­
in den Himmel lobte. Doch noch fast zwei Jahr­ dem gibt es einen kleinen Unterschied in seiner
hunderte lang galt das Kölner Gemälde als ei­ Positionierung. Darum ist es eher unwahrschein­
genhändiges Werk von Kalf, trotz zunehmender lich, dass, wie behauptet wurde, Kat. Nr. 18 das
Kenntnis und Kennerschaft auf diesem Gebiet. Vorbild für Kat. Nr. 19 war.
Erst 1984 wurde definitiv festgestellt, dass das Grisebach nahm in seinen Katalog der Arbei­
Bild keine Arbeit von der Hand Willem Kalfs ten Kalfs zwei Gemälde auf, die er als Kopien
sein kann, obwohl Lucius Grisebach bereits in von dem Kölner Bild erkannte, das damals noch
seiner 1974 verfassten Monographie schon bei­ als Original von Kalf galt. Eines dieser Gemälde
läufig darauf hingewiesen hatte, dass der Malstil befindet sich im Victoria and Albert Museum
härter und weniger spontan sei als der der meis­ in London.7 Es ist etwa gleich groß wie das Köl-

Die frühen Stilleben


18 Stilleben mit Feldflasche aus Zinn, stehenden und liegenden vergoldeten
Schenkkannen und großer getriebener und vergoldeter Silberschale
(Willem Kalf, zugeschrieben, oder Umkreis von Willem Kalf)

ner Gemälde und zeigt auch hinsichtlich seiner aufgrund ihrer Detailliertheit mehr nach vorne Öl auf Leinwand, 146x 103 cm
Komposition die stärkste Verwandtschaft. Al­ drängen. Undeutlich signiert, oder trägt die Signatur
rechts, unter der Tischplatte: W. Kalf...
lerdings fehlt ihm am oberen Rand ein mehrere Die Qualität der Modellierung und das Locke­
Privatsammlung
Zentimeter breiter Streifen, wodurch es noch re der Malerei deuten folglich auf ein eigenhän­
kompakter und voller erscheint als das Gemälde diges Werk von Kaifund nicht auf eine Kopie. Da Provenienz:
in Köln. In der Tat lässt die Qualität dieser Ar­ diverse Gegenstände, die auf den anderen Ver­ Kunsthandel A. van der Meer, Amsterdam
beit keinen Zweifel daran, dass es sich hier um sionen zu sehen sind, hier fehlen, ist es jedoch (siehe Die Weltkunst, 13. März 1974, S.407,
mit Abb.); Kunsthandel Charles Roelofsz,
eine Kopie handelt. Eine Variante der Komposi­ unwahrscheinlich, dass Kat. Nr. 17 das Vorbild
Amsterdam; Privatsammlung.
tion, ebenfalls von Grisebach erwähnt, stammt für eines der anderen heute bekannten Gemälde
offenkundig von einer späteren, weitaus schwä­ mit dieser Darstellung war. Es ist anzunehmen, Ausstellungen:
cheren Hand.s dass es eine vollständig, wenn auch nicht ganz A Prospcrous Past. The Sumptuous Still Life in
Ebenfalls als Kopie nahm Grisebach ein Ge­ so fein ausgearbeitete eigenhändige, heute nicht the Netherlands 1600-1700, Delft, Stedelijk
mälde in Rouen auf (Kat. Nr. 17), das ein anderes Museum Het Prinsenhof/Cambridge, Mass.,
mehr bekannte erste Version gibt (oder gab), die
Fogg Art Museum/Fort Worth, Texas, Kim-
Maßverhältnis besitzt und nicht die Gegenstän­ als Modell sowohl für das Kölner Gemälde als bell Art Museum, 1988/9, Kat. Nr. 53; Willem
de zeigt, die links auf den anderen Gemälden auch für Kat. Nr. 18 diente. Wahrscheinlich ent­ Kalf 1619-1693. Original und Wiederholung.
wiedergegeben sind.9 Das Gemälde ist nicht so stand das Gemälde im Wallraf-Richartz-Muse­ Ein Prunkstilleben des 17. Jahrhunderts, Köln,
hoch wie Kat. Nr. 18, zeigt aber etwas mehr von um etwas später und möglicherweise wurde Kat. Wallraf-Richartz Museum, 1990; Willeni Kalf
dem Hocker im Vordergrund. Auch das Wand- Original y copia, Madrid, Museo Thyssen-
Nr. 18 in Kalfs Atelier gemalt. Es wäre denkbar,
Bornemisza, 1998, Kat. Nr. 1.
bord mit den verschiedenen Gegenständen dar­ dass der Meister selbst einen Beitrag dazu lie­
auf befindet sich in ungefähr der gleichen Höhe ferte. Für ein völlig eigenhändiges Werk zeigt es Literatur:
über der großen Schale wie auf dem Kölner aber zu viele Abweichungen.11 Segal 1988, S. 178 (Farbabb.), 185, 188,
Stilleben. Es fehlen die Gegenstände links der Die vielen Versionen machen deutlich, dass 220 Anm. 11-22, 247, Kat. Nr. 53; Grimm,
Hauptgruppe und dahinter, zum Beispiel die 1988, S. 10-14; E. Mai, Zuschreibungsfragen
diese Komposition beliebt und gewollt war. Das
- »Neue Erkenntnisse zum Werk von Kalf,
gläserne Tazza, der Teller mit den Oliven, das Wappen auf der Schale rechts hat zu Spekulatio­ Victors, Hoogstraten«, Kölner Museums-Bul­
Messer und das Porzellanschälchen, aber auch nen über den Auftraggeber des Bildes geführt.12 letin 2 (1988), S.4-11; Mai, 1990; F.G. Meijer
die Gegenstände in der Nische im Hintergrund. Grisebach kam zu dem Schluss, dass es sich bei in Simiolus 20 (1990/1991), Nr. 1, S.97; P.C.
Die Ausführung des Bildes hat jedoch nur wenig ihm um den Pariser Parfumhändler oder -Pro­ Sutton, Dutch & Fleniish Seventeenth Centu­
von einer Kopie, sie ist dagegen bemerkenswert ry paintings. The Harold Samuel Collection,
duzenten Simon de Vaulx handeln könnte, der
London 1992, S. 103, 104 Anm. 6, 105, Abb.3;
locker, lockerer noch als die so manch eines an­ eine beachtliche Gemäldesammlung besaß. In S. Segal in Ausst. Kat. Willem Kalf. Originaly
deren Prunkstillebens von Kalf. Originalgetreu dem Inventar dieser Sammlung lässt sich ein copia, Museo Thyssen-Bornernisza, Madrid,
ist jedoch die Modellierung der Gegenstände, derartiges Gemälde von Kalf jedoch nicht fin­ 1998, S.34-39, Nr. 1; Brunnenkant, 1999,
und die Raumwirkung des Gemäldes überzeugt den. Die gleiche Schale kommt aber auf einem Heft 2, passim; R. Schütte, »Kunstgutachten.
weitaus stärker als die der anderen Versionen. Grenzen des Sachverstandes«, Die Weltkunst,
Stilleben in der Gemäldegalerie in Aschaffen­
15. Dezember 2000, S.2546-2547; Meijer,
Indes sind die meisten Details weniger ausge­ burg vor, auf dem auch ein Zettel mit der Auf­ 2003, S. 227 Anm. 4.
arbeitet, auch wenn die kleinen Lichter auf dem schrift »A Monsieur/ Monsieur du Vaulx/ officier
Metall in der von Kalf bekannten lockeren Wei­ du roy en/ sa maison/ a Paris.« abgebildet ist.13
se platziert wurden, gerade ausreichend, um den Dieses Stilleben muss jedoch (einige Jahre) nach
Gegenständen Form und Volumen zu verleihen. 1660 entstanden sein, da es dem Antwerpener
Die weiße Serviette zeigt die natürliche Textur, Stillebenmaler Carstiaen Luyckx zugeschrieben
die sie immer bei Kalf hat, und fällt in überzeu­ werden kann, der seit etwa 1660 in Frankreich
gender Weise über den Hocker, ohne die Steif­ gearbeitet haben soll.1 ’ Das Gemälde wurde also
heit, die sie auf den anderen Gemälden aufweist. vermutlich von einem anderen Mitglied der Fa­
Anders als auf den anderen Gemälden macht die milie De Vaulx gemalt, der die Schale damals
Sitzfläche des Hockers einen sehr realistischen, in seinem Besitz hatte, was jedoch nicht aus­
beinahe benutzten Eindruck.10 Im Gegensatz zu schließt, dass Simon de Vaulx Kalfs Auftragge­
Kat. Nr. 18 ist der Männerkopf auf der stehen­ ber gewesen sein könnte. Vielleicht wurden eine
den Kanne gut zu erkennen. Die Gegenstände oder mehrere Kopien bei der Verteilung seines
auf dem Regal sind hingegen nur flüchtig an­ Nachlasses angefertigt, so dass die Erben über
gedeutet, was häufig mit dem Beiwerk in Bau­ jeweils ein Exemplar verfügen konnten.15
ernhofstilleben geschah, und tragen somit stär­ FGM
ker zur Raumwirkung innerhalb des Gemäldes
bei als ihre Epigonen in anderen Versionen, die

Die frühen Stilleben


19 Stilleben mit Feldflasche aus Zinn, stehenden und liegenden vergoldeten
Schenkkannen und großer getriebener und vergoldeter Silberschale
(Kopie nach Willem Kalf)

Anmerkungen Öl auf Leinwand, 114,5 x 85,5 cm Dezember 2000, S.2546-2547; P. C. Sutton, Dutch
1 Goethe, Kunst theoretische Schriften und Übersetzun­ Trägt Signatur und Datierung, rechts, unter der & Flemish Seventeenth-century paintings. The Ha­
gen. Schriften zur Bildenden Kunst, Teil I, Berliner Aus­ Tischplatte: W. KALF 1643 rold Samuel Collection, London 1992, S. 104 Anm.
gabe, Bd. 19, 1985, S. 144. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Cor- 6; E. Gemar-Koeltzsch, Luca Bild-Lexicon. Hollän­
2 Grisebach, S. 107: »[...] die Malweise in diesem Bilde boud, Inv. Nr. WRM 2598 dische Stillebenmaler im 17. Jahrhundert, 3 Bde.,
härter und weniger frisch wirkt als in den meisten ande­ Lingen 1995, Bd. 1, S. 161, Bd.2, S. 554, Nr. 194/2;
ren Stilleben dieser Jahre.« Provenienz: Brunnenkant, 1999, Heft 2, passim; Meijer, 2003,
3 A Prosperous Pust. The Sumptuous Still Life in the Ne- Sammlung Johann Friedrich Städel, Frankfurt a. M.; S. 227 Anm. 4.
therlands 1600-1700, Stedelijk Museum Het Prinsenhof, Städel’sches Kunstinstitut, Frankfurt a. M.; Auktion
Delft/Fogg Art Museum, Cambridge, Mass./Kimbell Art Frankfurt a.M., Bangel, 24./25. April 1923, Kat.
Museum, Fort Worth, Texas, 1988/89 (Kat. von S. Segal; Nr. 150, mit Abb.; Sammlung Königsfeld, Frank­
redigiert von W. B. Jordan), S. 178 (Farbabb.), 185, 188, furt a.M. (?); Frankfurt, Freies Deutsches Hochstift
220 (Fußnoten), 247 (Kat. Nr. 53). Segal teilte dem Mu­ (Goethe-Haus), 1928; Köln, Wallraf-Richartz Mu­
seum seine Schlussfolgerungen bereits 1984 mit. seum, Erwerb 1937.
■’ 1990 im Wallraf-Richartz-Museum, Köln und 1998 im
Museum Thyssen-Bornemisza, Madrid, in beiden Fällen Ausstellungen:
mit Katalog: E. Mai, Willem Kalf 1619-1693. Original Meisterwerke der holländischen undflämischen Ma­
und Wiederholung. Em Prunkstilleben des 17. Jahrhun­ lerei aus dem Besitz des Wallraf-Richartz-Museums,
derts, Köln 1990 und Willem Kalf Originaly copia, Mad­ Köln, Eigelstein Torburg/Aachen, Suermondt-Mu-
rid 1998 (Katalog von S. Segal und U. Sedano). seum, 1946-47, Kat. Nr. 17; Rembrandt und Seine
5 Vgl. unter anderem die Detailabbildungen in E. Mai, Zeit [...], Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen,
ibid., wo im Übrigen die Farbabbildungen von beiden 1949, Kat. Nr. 66; Stilleben. Natura Morta im Wallraf-
Gemälden verwechselt wurden. Richartz-Museuni und im Museum Ludwig, Köln,
6 Wie ich schon in meiner Besprechung des in Anm. Museen der Stadt Köln, 1980, S. 31, 32, 36 (Tafel
3 genannten Katalogs anmerkte, siehe Simiolus 20, IX), 127, 134 (Kat. Nr.38); Willem Kalf 1619-1693.
(1990/1991), Nr. 1,S. 97. Original und Wiederholung. Ein Prunkstilleben des
7 Inv. Nr. P.6-1939, Grisebach, 1974, Kat. Nr. 64a. 17. Jahrhunderts, Köln, Wallraf-Richartz-Museum,
s Kunsthandel Rapp, Stockholm, Katalog Stilleben frän 1990; Willem Kalf. Originaly copia, Madrid, Museo
1600-talet, 1953/54, Kat. Nr. 20, mit Abb. Das Gemäl­ Thyssen-Bornemisza, 1998, Kat. Nr. 2.
de erschien später in den Versteigerungen London,
Sotheby’s, 6. Dezember 1989, Kat. Nr. 65, mit Farbabb., Literatur:
und 8. Juli 1992, Kat. Nr. 295, mit Farbabb., in beiden als J. W. von Goethe, Zur Erinnnerung des Städtischen
Nachfolger von Willem Kalf. Kabinetts, 1797 (aufgenommen in Goethe, Kunst­
9 Segal hat dieses Gemälde nicht in seine diversen Betrach­ theoretische Schriften und Übersetzungen. Schrif­
tungen über Kat. Nr. 18 und Kat. Nr. 19 mit einbezogen. In ten zur Bildenden Kunst, Teil I, Berliner Ausgabe,
Rouen ist es in den (summarischen) Katalogen immer als Bd. 19, 1985, S. 144); R. Hering, »Frankfurt im
eigenhändige Arbeit von Kalf betrachtet worden. Goethe-Schillerschen Gedankenaustausch des
10 Wie Marianne Berardi bei aktuellem Studium des Fo­ Sommers 1797«, Jahrbuch der Freien Deutschen
tos von dem Gemälde zu Recht anmerkte. Hochstifts, 1930, S. 414, Abb.; Wallraf-Richartz Jahr­
11 Kat. Nr. 18 und 19 wurden bereits früher nebeneinan­ buch 10 (1938), S.267; Van Gelder, 1941, S.45-47;
der untersucht, es wird interessant sein in der Ausstel­ Van Gelder, 1942, S. 43,44; Bergström, 1956, S. 263,
lung auch in der Realität Kat. Nr. 17 in diesen Vergleich 268, 270, 277, 284, Abb.218; Pilz-von Stein, 1965,
mit einzubeziehen. S. 118 Anm. 109; Grisebach, 1974, S.84, 90 Anm.
12 Siehe Grisebach, 1974, S. 105-106 mit Quellenanga­ 186, 92-94, 96 Anm. 196, 98, 100-103 Anm.
ben. 212, 105-110, 208, 234, 235, 236, 237, 241, Kat.
13 Öl auf Leinwand, 63x80 cm. Bayerische Staatsge­ Nr. 64, Abb. 63; I. Bergstrom u.a., Natura in Posa
mäldesammlungen, Inv. Nr. 6436, Grisebach, 1974, - la grande stagione della natura morta Europea,
Abb. 187. Mailand, 1977 (Deutsche Ausgabe 1979), S.68,
N Viele Arbeiten aus Luyckxs französischer Zeit sind zu Abb. 54 und 74; A. Klemm in Aussl. Kat. Stilleben
Unrecht dem relativ obskuren Simon Renard de St. An­ in Europa, Münster, Westfälisches Landesmuse-
dre zugeschrieben worden, der ein Gemälde signierte, um/Baden-Baden, Kunsthalle 1979/80, S. 576, Kat.
bei dem es sich um die Kopie einer Komposition von Nr. 203; B. Haak, Hollandse schilders in de Gouden
Luyckx handeln muss. Eeuw, Amsterdam 1984, S.493, 494, Abb. 1096;
15 K. Brunnenkant wies in ihrem Artikel aus dem Jahr Segal, 1988, S. 185, 247; Grimm, 1988, S. 10-14;
1999 (siehe Literatur) zu Recht daraufhin, dass auf dem E. Mai, Zuschreibungsfragen - »Neue Erkenntnisse
als Original in den Vordergrund gerückte Gemälde (Kat. zum Werk von Kalf, Victors, Hoogstraten«, Kölner
Nr. 18) das Wappen auf der Schale, im Gegensatz zu der Museums-Bulletin 2 (1988), S.4-11; Mai, 1990;
Kölner Kopie, wenig detailliert und nicht zu erkennen EG. Meijer in Simiolus 20 (1990/1991), Nr. 1, S.97;
ist (siehe ihre Detailabbildungen, Fig. 42 und 43), wes­ S. Segal in Aussl. Kat. Willem Kalf Original y copia,
halb sie behauptete, dass es Grisebachs Theorie über den Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid, 1998, S. 34,
möglichen Auftraggeber verdiene, erneut in Erwägung 36-43, Kat. Nr. 2; R. Schütte, »Kunstgutachten.
Grenzen des Sachverslandes«, Die Weltkunst, 15.
gezogen zu werden.

86 Die frühen Stilleben


20 Stilleben mit Rüstungsteilen, Waffen und Prunkobjekten

ei dem Gemälde aus Le Mans handelt es Grisebach identifizierte die vom Schwert her­ Öl auf Leinwand, 200 x 170 cm

B sich um das bei weitem größte Werk, das abhängende goldene Medaille als ein Werk Jean Le Mans, Musee de Tesse, Inv. Nr. LM 10.90
von Kalf bekannt ist, und darüber hinaus Varins aus dem Jahr 1643. Es handelt sich um Provenienz:
um das einzige, das Waffen und Rüstzeug zeigt. ein Porträt König Ludwigs XIV Anhand von Möglicherweise Rene II. de Froullay, Comte
Rechts im Vordergrund steht ein mit rotem Samt Vergleichen mit anderen Werken Kalfs datiert de Tesse (gestorben 1659); Rene III. de Froul­
bezogener und mit Bordüren aus Golddraht ver­ Grisebach das Gemälde aus Le Mans um die lay, Comte de Tesse, Marechal de France
sehener Prunksessel. Über die Armlehne ist eine Zeit 1643/44. So ist der Nautiluspokal beispiels­ (1651-1725), in Besitz dessen Familie bis zur
Französischen Revolution; seit 1790 im Mu­
kostbare, reich bestickte Decke gelegt, darauf weise auch auf dem Gemälde in der Sammlung
see de Tesse.
ruht eine glänzend polierte Trompete, die mit Shickman (Kat. Nr. 21) zu sehen ist, und auf
goldfarbener Kordel und zwei Quasten verziert dem Werk in Köln erscheint die gleiche goldene Ausstellungen:
ist. Hinter der Trompete liegt ein mit einer Dra­ Kanne (Kat. Nr. 19). Ferner beschäftigt er sich Le siede de Rembrandt, Tableatix hollandais
chenfigur verzierter Prunkhelm. mit der Frage nach der Herkunft des Gemäldes. des collections publiques fran^aises, Paris, Mu-
s£e du Petit Palais, 1970-71, Nr. 120 (J. Fou-
Links hinter dem Stuhl steht ein steinerner Heute befindet es sich im Musee de Tesse, das
cart u. J. Vilain); Stilleben in Europa, Münster,
Tisch, auf dem links eine vergoldete Silberkan- aus den Besitztümern des Marschalls von Tesse Westfälisches Landesmuseum für Kunst- und
ne liegt. Im Kölner Gemälde (Kat. Nr. 19) ist hervorging. Sein Name war Rene III de Froullay, Kulturgeschichte, 1979, Kat. Nr. 135.
dieselbe Kanne gleich zweimal zu sehen, ein­ Comte de Tesse (1648-1725). Möglicherweise
mal liegend, einmal stehend. In verschiedenen hatte dessen Vater Rene II de Froullay (1597- Literatur:
Positionen ist sie auf vier weiteren Gemälden H. Havard, Histoire de la peinture hollandaise,
1659), ebenfalls ein Marschall, das Werk bei Kalf
Paris 1881, S. 269; L. Gonse; Les chefs-d’ceuvre
abgebildet: in Berlin1, in der Sammlung Carter, in Auftrag gegeben.4 Gesicherte Quellen fehlen des niusees de France, La peinture, Paris 1900,
Los Angeles2, in der Sammlung Shickman (Kat. allerdings. S. 180; A. Bredius, »Nederlandse kunst in pro-
Nr. 21) und in Warwick Castle? Das Stilleben mit Nautilusmuschel, Oliven- vinciale musea van Frankrijk«, Oud Holland
Vor der Kanne steht ein Nautiluspokal. In schüsselchen, zinnerner Feldflasche und Gläsern 19 (1901), S. 18; Van Gelder, 1941, S. 47, Anm.
Kalfs Pariser Stilleben erscheint er kein weiteres 2; Bergström, 1956, S. 270, Abb. 221; H. Ger­
aus Le Mans (Kat. Nr. 16) und das Gemälde
son, »Le siede de Rembrandt«, Kunstchronik
Mal. Eine prächtige Decke aus blauem Samt mit aus Berlin (siehe Anm. 1) sind die frühesten 24 (1971), S. 145-146; Pilz-von Stein, 1965,
goldenen Tressen ist über die rechte Seite des Ti­ datierten Stilleben Kalfs. Sie entstanden 1643. S. 118 Anm. 109; Grisebach, 1974, S. 100-101,
sches gelegt. In großzügigen Falten fällt sie bis Direkt danach könnte dieses enorme Gemälde 108-110, 238, Kat. Nr.66, Abb.73-75; Mai,
auf den Boden. Quer über dem Tisch liegt ein entstanden sein. Es erscheint merkwürdig, dass Köln 1990, S. 17, 18, Abb.; Brunnenkant, 1999,
Schwert mit kostbarem Futteral, von dem an S. 249, 278, Abb. 6; F. Chaserant, J. Foucart, I.
der gerade erst 24jährige Maler sich nach den
Cabillic u. L. Calegari, Willem Kalf »Nature
einer Kette eine Medaille herabhängt. Dahin­ kleinformatigen Bauerninterieurs, die er bisher morte aux armures«, Graulhet 2000.
ter stehen ein vergoldeter Deckelpokal und ein gefertigt hatte, gleich einem so großen Werk
geöffnetes Lederetui mit glänzenden Juwelen. mit einem sehr spezifischem Thema zugewandt
Rechts davon liegen eine kunstvoll drapierte hat. Man muss also wohl davon ausgehen, dass
weiße Schärpe mit silberfarbenen Fransen und es sich um eine Auftragsarbeit handelt. Mar­
ein Brustharnisch. Ganz rechts im Bild lehnt schall de Froullay kannte Kalf von den ersten
ein großer goldener Teller an der Wand. Die­ in Paris entstandenen Stilleben und wird ihn
ses prachtvoll reliefierte Stück ist auch auf dem wohl als fähig genug erachtet haben, diesen Auf­
Stilleben in Köln (Kat. Nr. 19) dargestellt und trag ausführen zu können. Vielleicht handelte
ist der Untersatz der vergoldeten Silberkanne es sich auch um ein Experiment, mit dem Kalf
links auf dem Tisch. Im Hintergrund steht ein sein Können auch auf großformatigen Bildern
Anmerkungen
Spiegel, über dessen obere Kante die Falten ei­ und mit neuem Sujet unter Beweis stellen woll­ 1 Grisebach, 1974, Kal. Nr.63, Abb.68.
nes Vorhangs fallen. Deckelpokal und Harnisch te. Es entstanden noch zwei weitere Arbeiten 2 Grisebach, 1974, Kat. Nr.65, Abb.69.
spiegeln sich darin. mit ähnlichem Entwurf. Eine kleinere Arbeit, 3 Grisebach, 1974, Kal. Nr. 70, Abb.71.
Links auf dem Boden schauen der Kolben 40,5 x 32 cm, wurde 1982 unter der Bezeichnung 4 Schreibweise der Namen und Jahreszahlen
eines Gewehres und eine Halsberge hinter den »aus dem Umkreis des Malers Willem de Poor- nach Chaserant et al., 2000, S. 9.
5 Versteigerung London, Bonham, 22. April
üppigen Falten der blauen Samtdecke hervor. ter« versteigert. Die Zuschreibung an Kalf gilt 1982, Kat. Nr. 107.
Auf der Decke liegen das Armstück eines Har­ heute jedoch als gesichert.5 Auf diesem Entwurf 6 Mündliche Mitteilung, März 2006.
nischs und, soweit zu sehen, ein Rundschild mit fehlt der große vergoldete Silberteller. Meijer be­ 7 S. Segal, A Prosperous Past. The Sumptuous
goldfarbenen Tressen, der zu einem Teil von der trachtet dieses Werk als mögliche Vorstudie zu Still Life in the Netherlands 1600-1700, Den
dem großen Gemälde aus Le Mans.6 Daneben Haag 1988, S. 184, Abb. 10.2 (als Privatsamm­
weißen Schärpe verdeckt ist. Auf dieser Schärpe
lung, ehemals Galerie Speelman, London).
liegt ein Krummsäbel, der an Griff und Scheide existiert noch eine weitere relativ große Version Versteigerung New York, Sotheby’s, 16. Mai
kostbar dekoriert ist. Der Boden besteht aus gro­ von 153x 165,7 cm, die auf Leinen gemalt wur­ 1996, Kat. Nr. 89, und Versteigerung London,
ßen Marmorplatten. de. 1988 wurde sie erstmals von Segal publiziert Sotheby’s, 17. Dezember 1998, Kat. Nr. 10.

88 Diefrühen Stilleben
und 1996 in New York versteigert, ein weiteres Kalfs. Andere Autoren äußerten sich skepti­
Mal 1998 in London.7 Der Spiegel im Hinter­ scher. Wie Van Gelder 1941 schrieb, zweifelten
grund zeigt hier das Porträt eines jungen Man­ (Willem) Martin und (Frits) Lugt die Autoren­
nes, wahrscheinlich ein Selbstporträt des jungen schaft Kalfs an. Ihrer Meinung nach stamme das
Kalf. Der Bildraum erscheint insgesamt gedrun­ Gemälde eher aus einem italienischen Umfeld.
gener als auf dem Gemälde in Le Mans, da die Noch 1971 schrieb Gerson, dass man dieses
Partie oberhalb des Tellers fehlt und der untere Werk mit größter Zurückhaltung betrachten
Bildteil mit den Stuhlbeinen endet. Nachdem müsse, da es so gar nicht in die Gruppe der an­
Meijer das Gemälde anfangs als zeitgenössische deren frühen französischen Stilleben Kalfs pas­
französische Kopie betrachtete, revidierte er spä­ se.
ter diese Ansicht nach einem Gespräch mit mir Betrachtet man jedoch die meisterlich ausge­
über eigenhändig von Kalf angefertigte Kopien führten Lichtreflexe, die Kalf so liebte und für
seiner bäuerlichen Interieurs. Wahrscheinlich deren Anbringung die zahlreichen Pretiosen
handelt es sich hier um eine eigenhändige Wie­ reichliche Möglichkeiten boten, wie beispiels­
derholung des großen Gemäldes in Le Mans, in weise die Spiegelung des großen Goldtellers im
die Kalf einige Variationen wie das Selbstbildnis Brustharnisch, muss man sich Bredius’ Meinung
im Spiegel eingefügt hat. anschließen: hier ist Kalf ein Meisterstück ge­
Bredius lobte 1901 mit enthusiastischen Wor­ lungen.
ten Malweise und Farbgebung des Stillebens in Le JG
Mans und bezeichnete es gar als »capo-lavoro«

Die frühen Stilleben


21 Stilleben mit Rechaud, zwei zinnernen Feldflaschen, silberner Schenk­
kanne mit Vergoldung und Zinnteller

erschiedenste Metallgegenstände sind Glas reflektierende Licht wahrnehmbar. Es sind Öl auf Leinwand, 98,5x77 cm

V auf diesem Gemälde zu einer kompli­ diese Lichtreflexe, die dem Gemälde seinen rei­ Signiert rechts auf der Seitenkante des Tisches:
W. KALF
zierten Komposition zusammengestellt chen Charakter verleihen. Wie Grisebach bereits
New York, Ihe Metropolitan Museum of Art,
worden. Auf dem Tisch liegt ein grünes Tuch, erwähnte, ist das hier besprochene Gemälde eng Privatsammlung
das nur rechts im Bild eine kleine Partie der verwandt mit dem 1644 entstandenen Werk, das
hölzernen Tischplatte freigibt. Hier hat Kalf das sich ehemals in Warwick Castle befand.2 Die Provenienz:
Gemälde signiert. Links auf dem Tisch steht ein meisten Objekte sind dort wiederholt worden: Galerie Matthiesen, London, 1937; Privat­
besitz Deutschland (Van Gelder, 1941); Ver­
Stövchen aus Metall, in dem Kohlen glühen. Ein die beiden Feldflaschen, die vergoldete Silber­
steigerung Amsterdam, Muller, 24.-27. März
Zinnteller wird darauf warm gehalten. Er ist mit kanne, die Platte aus Zinn, der Messerknauf, 1942, Kat. Nr. 68 (an Hermsen); Galerie P.
einem zweiten, umgedrehten Zinnteller zuge­ das Brötchen, das schlanke Glas, der Zinnteller Drey, New York, 1945; Galerie Hermsen, New
deckt. - Eine damals durchaus gebräuchliche und die Draperien des weißen Tuches. Anstelle York, 1948; Christian Faerber (Direktor der
Form, Speisen zu erhitzen, die man »Kochen des Kohlenbeckens fügte Kalf drei Austern und Matthiesen Gallery, London, Göteborg), Ver­
zwischen zwei Schüsseln« nannte.1 steigerung London, Sotheby’s, 6. Juli 1966,
einen Kerzenhalter mit weit heruntergebrannter
Kat. Nr. 121; Privatsammlung, seit 1999 Leih­
Rechts hinter dem Kohlebecken liegt ein Kerze hinzu. Aufgrund der vielen Übereinstim­ gabe an das Metropolitan Museum of Art.
Brötchen. Auf einem Zinnteller davor steht ein mungen zwischen beiden Gemälden muss auch
aufwendig verziertes Glas mit Rotwein. Eine für das Werk aus der Sammlung Shickman eine Ausstellungen:
halbe Apfelsine liegt neben dem Glas. Hinter Entstehungszeit um 1644 angenommen wer­ Still Life and Flower Paintings, Matthiesen Gal­
dem Teller steht ein großes umgedrehtes Glas. lery, London, 1938, Kat. Nr. 32; Still Life Paint­
den.
ings 17. to 19. Century, Oberlin, Allen Memo­
Rechts schaut der Knauf eines Messers unter Grisebach erwähnt eine Kopie, die seiner Mei­ rial Art Museum, 1945 (Katalog im Bulletin);
einem kunstvoll drapierten weißen Tuch hervor. nung nach identisch mit diesem Gemälde sein Konslskatter frän Hollands guldalder, Stock­
Auf diesem Tuch liegt eine zinnerne Feldflasche, könnte, allerdings einen kleineren Ausschnitt holm, Nationalmuseum, 1959, Kat. Nr. 229;
deren Öffnung rechts in den Bildvordergrund zeigt als das Werk in New York, wobei von der Fra Rembrandt til Vermeer, Nasjonalgalleriet,
ragt. Der neben der Flasche liegende Deckel ist Oslo, 1959, Kat. Nr. 35, Abb.; Exhibition of
Abbildung an Ober- und Unterkante weniger zu
Dutch Seventeenth Century Paintings, New
an einer Kette befestigt. Von einer Öse am Bauch sehen ist.3 Da dieses Gemälde von schwächerer York, H. Shickman Gallery, 1967, Kat. Nr.2,
der Flasche hängt eine sehr breite Kette herun­ Ausführung ist, muss es sich Meijer zufolge um Abb.
ter. Sie ist mit dem Flaschenhals verbunden und ein anderes Werk und damit um eine wirkliche
dient als Tragegriff. Dahinter stehen eine zwei­ Kopie handeln. ’ Literatur:
te Feldflasche und ein Nautiluspokal mit Nep­ The Burlington Magazine 73 (1938), Supple­
Eine zweite, etwas größere Variante des New
mentband Dezember, Abb. V; Van Gelder,
tunsfigurine, von dem allerdings nur der obere Yorker Gemäldes, die sich allein durch die Lage 1941, S.42, Abb.; W. Stechow, »Notes on an
Teil sichtbar ist. An die Feldflasche ist eine reich der Kanne von diesem unterscheidet, wurde exhibition of Still life Paintings from the 17.
verzierte goldene Kanne gelehnt. Ein hohes, mit 1960 in Paris versteigert. Der heutige Verbleib to the 19. Century«, Bulletin of the Allen Me­
Wein gefülltes Glases ist dahinter zu sehen. Glas ist unbekannt.5 morial Art Museum, Oberlin College 1 (1945),
und Feldflasche spiegeln sich gleich zweimal in S. 10, Abb.S.9; Bergström, 1956, S.270,
JG
Abb. 223; Grisebach, 1974, S.90, 94-95, 98,
einer Platte aus Zinn wieder, die rechts an der 100, 239-240, Kat. Nr.68, Abb.70; Brun-
Wand steht. Im Hintergrund links ist eine rote nenkant, 1999, S. 249.
Gardine durch eine Kordel mit drei Quasten
zusammengerafft. Vor der Gardine hängt eine
Glaskugel, in der sich ein Fenster und Objekte
des Stillebens spiegeln.
Lichtreflexe sind für dieses Gemälde von zen­
Anmerkungen
traler Bedeutung. Rechts auf der liegenden Feld­ 1 J. Witteveen, »Kookboeken over kookgerei,
flasche spiegeln sich die goldene Kanne und das Hel kookgerei van de middeleeuwen tot de
weiße Tuch, links wird (als roter Pinselstrich) twintigste eeuw«, Aussl. Kal. Quintessens, we-
das Glas mit Rotwein reflektiert. Den Wider­ tenswaardigheden over acht eeuwen kookgerei,
Museum Boymans-van Beuningen, Rotter­
schein der brennenden Kohlen auf dem Metall
dam 1992, S. 19.
deuten zwei gelbe Punkte an. Auch die stehende 2 Grisebach, 1974, Kal. Nr. 70, Abb. 71.
Feldflasche, der Nautiluspokal und das Glas fan­ 3 Wie Grisebach, 1974, Kat. Nr. 68a, S.240
gen das Licht des Feuers ein. selbst bereits als Möglichkeit nannte (wie
Die verschiedenen Glasobjekte, das Glas mit in der Sammlung James Simon, Berlin, Ver­
steigerung Amsterdam, Muller, 25. Oktober
Rotwein, das umgedrehte schlanke Glas im Hin- 1927, Kal. Nr. 24, Abb. (an Curl Benedict).
tergrund und das schlanke Rotweinglas rechts 4 Mitteilung 22. Mai 2006.
hinten, sind eigentlich nur durch das auf dem 5 Grisebach, 1974, Kal. Nr. 69, Abb. 78.

92 Die frühen StHieben


Das Amsterdamer CEuvre Willem Kalfs in der Perspektive

Fred G. Meijer

Rotterdam wäre denkbar, dass er nach seiner Rückkehr fragt, denn es gab keinen einzigen Stille­
nach Rotterdam noch einige bäuerliche Inte­ benmaler von Bedeutung in der Stadt. Die
Im Jahre 1645 oder 1646 verließ Willem KalfPa­ rieurs schuf; schließlich war dies ein typisches Situation auf dem Rotterdamer Gemälde­
ris und ging zurück nach Rotterdam. Fünf Jahre Rotterdamer Thema, das sich angesichts der markt könnte für Kalf ein Grund gewesen
später, zum Zeitpunkt seiner Hochzeit, wohnte Produktion anderer Künstler aus der zweiten sein der Heimatstadt schon bald wieder den
er in Hoorn. Ab 1653 lebte er in Amsterdam. In Hälfte der vierziger Jahre noch immer großer Rücken zuzukehren.
Paris hatte er seine bäuerlichen Interieurs und Beliebtheit erfreute. Doch vielleicht war der
Prunkstilleben ziemlich regelmäßig datiert. Das Markt für diese Darstellungen gesättigt oder
erste, in den nördlichen Niederlanden datier­ kam Kalfs »französische« Interpretation des Hoorn
te Gemälde stammt jedoch erst aus dem Jahr Themas in Rotterdam nicht an. Sollte er nach
1653, dem Jahr seiner ersten Amsterdamer Er­ seiner Rückkehr in Rotterdam tatsächlich Unter diesem Gesichtspunkt ist es aber ge­
wähnung (Kat. Nr. 24) und acht Jahre nachdem bäuerliche Interieurs gemalt haben, werden es nauso schwer zu erklären, warum er seinen
er sein letztes Pariser Gemälde mit einer Da­ nicht viele gewesen sein. Es ist bereits darauf Wohnsitz nach Hoorn verlegte.1 Aus dieser
tierung versehen hatte (Kat. Nr. 13). Zwischen hingewiesen worden, dass sie weder in den Stadt kennen wir in diesem Zeitraum vor­
den Pariser Prunkstilleben und diesem ersten holländischen Inventaren zu finden sind noch nehmlich Porträtmaler wie Jan Albertz. Roti-
datierten Amsterdamer Werk gibt es deutliche von den holländischen Zeitgenossen und Bio­ us und Abraham Liedts. Zwar hätte Kalf als
Unterschiede in Stil und Behandlung. Gemälde, graphen erwähnt werden. Stillebenmaler den dortigen Markt fast ganz
die aus dem Blickwinkel einer (hypothetischen) In Rotterdam werden die Prunkstilleben für sich, doch es stellt sich die Frage, ob die­
stilistischen Entwicklung in die dazwischen lie­ Willem Kalfs kaum Beachtung gefunden ha­ ser Markt überhaupt groß genug war um da­
genden Jahre eingeordnet werden können, sind ben, da sich deren Bewohner zur Mitte des von leben zu können. Oben genannter Roti-
nur unter Vorbehalt zu benennen. 17. Jahrhunderts offensichtlich, außer für us malte übrigens auch ab und zu Stilleben,
Man darf sich also fragen, was Kalf in die­ bäuerliche Interieurs, kaum für Stilleben in­ wenn auch in einem gänzlich anderen Stil als
ser Übergangsperiode gemalt haben kann. Es teressierten. Die waren wohl eher nicht ge­ Kalf (Abb. 1).

1 Jan Albertsz. Rotius, Stilleben mit Krabbe, signiert und 2 Jan Jansz. den Uyl, Stilleben mit silberner Tazza,
datiert JRotius 16[..J, Öl auf Holz, 58 x 81,5 cm. signiert mit einer Eule und 1633 datiert, Öl auf Holz,
Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. SK-C-611. 91 x 72 cm. Privatsammlung.

94 Amsterdamer CEuvre Willem Kalfs in der Perspektive - Fred G. Meijer


3 Jan Jansz. Treck, Stilleben mit Zinnkanne und 4 Jan Jansz. Treck, ergänzt von Willem Kalf, Stil­ 5 Jan Jansz. van de Velde III, Stilleben mit Wein­
Porzellan, signiert und datiert JJTreck/ 1649, Öl leben mit Zinnkrug und Deckelpokal, Reste einer glas und angeschnittener Zitrone, signiert und
auf Leinwand, 76,5 x 63,8 cm. London, National Signatur und datiert 1648/ J...reck, Öl auf Holz, datiert J v Velde/ 1649, Öl auf Holz, 31 x 24,5 cm.
Gallery, Inv. Nr. 4562. 83 x 60 cm. Kassel, Staatliche Kunstsammlungen, Basel, Öffentliche Kunstsammlungen, Kunstmuse­
Gemäldegalerie, Inv. Nr. GK 876. um, Inv. Nr. G. 1958.40.

Zwischen 1647 und 1676 arbeitete in Wer könnte Willem Kalf beeinflusst haben? Stilleben, aus dem Jahr 1649, könnte fast als
Hoorn auch der Druckgraphiker Hendrick Schalter zwischen dem Haarlemer »mono­
Cornelisz. Pot. Sollte etwa Houbraken tat­ Während des zweiten Viertels des 17. Jahr­ chrome banketje« der dreißiger und vierziger
sächlich mit seiner Behauptung Recht ha­ hunderts arbeiteten mehrere bedeutende Jahre und den Stilleben gelten, die Kalf seit
ben, dass Kalf sich bei diesem Pot als Lehr­ Stillebenmaler in Amsterdam. Einer der Anfang der fünfziger Jahre malen sollte (Abb.
ling einschrieb um sich in den graphischen wichtigsten unter ihnen war zweifelsohne 3). Dass Kalf die Arbeiten von Treck kannte,
Künsten ausbilden zu lassen? Das würde zum Jan Jansz. den Uyl (1595/96-1639/40). Seine wird unter anderem an einem Gemälde in
Teil die Lücke zwischen den Pariser und den Kompositionen sind denen der so genann­ Kassel von der Hand Trecks deutlich, auf dem
Amsterdamer Werken erklären können. Da ten »monochrome banketje« (monochrome der orientalische Teppich klar die Hand Kalfs
jedoch nichts über irgendeine Aktivität von Bankettbilder), wie z.B. denen der Haarlemer zeigt (Abb. 4).‘ Kalf hat offensichtlich dieses
Kalf auf druckgraphischem Gebiet bekannt Maler Pieter Claesz (1596/97-1660) und Wil­ Bild »modernisiert«, nicht zu sagen, ob im
ist, muss es bei dieser äußerst hypotheti­ lem Claesz. Heda (1596-1680), ziemlich ver­ Auftrag oder nicht, und ob vielleicht bereits
schen Behauptung bleiben. Darüber hinaus wandt, wirken im Allgemeinen jedoch etwas in den fünfziger Jahren, indem er das origina­
geht aus einem bislang unbekannten Doku­ monumentaler. Darüber hinaus legte Den Uyl le dunkle Tischtuch mit einem orientalischen
ment hervor, dass er 1649 in Hoorn als Maler ein großes Interesse für funkelnde Reflexio­ Teppich übermalte, den er üblicherweise
erwähnt wird.2 nen auf Glas und Metall an den Tag. Seine an­ auf seinen eigenen Stilleben wiederzugeben
Wie auch immer, als Kalf 1653 sein Ge­ spruchsvollsten Kompositionen könnte man pflegte.
mälde schuf (Kat. Nr. 24), hatte er sich einen als Prunkstilleben bezeichnen, viele seiner Jan Jansz. van de Velde III (1619/20-1662
neuen Stil angeeignet, der nur noch zum Teil einfacheren Stilleben besitzen jedoch eben­ oder später), der aus Haarlem stammte, ließ
seinem Pariser GEuvre ähnelte. In den darauf falls die stille Ausstrahlung von Luxus, die sich Anfang der vierziger Jahre in Amster­
folgenden Jahrzehnten sollte er diesen Stil auch so kennzeichnend für die Amsterdamer dam nieder. Dort malte er Stilleben, die zu­
nur noch unwesentlich ändern. Da anzuneh­ Produktion von Kalf ist (Abb. 2).3 Die Arbei­ nächst denen der Haarlemer Fachkollegen
men ist, dass Kalf bei der Ausbildung dieses ten von den Uyls Schwager und vermutlichem wie Claesz und Heda stark ähnelten, doch die
neuen Stils Einflüsse von außen erfuhr, ist es Schüler Jan Jansz. Treck (1605/06-1652) zeu­ Hintergründe seiner Bilder waren dunkler.
sinnvoll zu fragen, welches Werk hierbei von gen von dem gleichen Interesse für Lichtrefle­ Manche seiner Stilleben scheinen den Dar­
Bedeutung gewesen sein könnte. Zur Klä­ xionen, wie wir sie bei Den Uyl sehen. Wie stellungen Kalfs vorauszugehen, zum Beispiel
rung dieser Frage müssen wohl vor allem die später bei Kalf sind in seinen Bildern häufig ein Gemälde im Amsterdamer Rijksmuseum,
Werke der Amsterdamer Meister betrachtet als Bild bestimmende Elemente Porzellan­ besonders aber ein kleines stimmungsvolles,
werden. schalen zu finden. Eines seiner gelungensten 1649 entstandenes Stilleben (Abb. 5), das in

Das Amsterdamer (Euvre Willem Kalfs in der Perspektive - Fred G. Meijer 95


6 Pieter van den Bosch, Stilleben mit Römer und 7 Simon Luttichuys, Stilleben mit Prunkpokal und 8 Simon Luttichuys, Stilleben mit Römer und
einem Brötchen, signiert und datiert P. v. Bosch f Porzellantopf, monogrammiert und datiert SL fe Porzellanschale mit Südfrüchten, signiert und 1651
1650, Öl auf Holz, 38,5 x 33,5 cm. St. Petersburg, 1649, Öl auf Leinwand, 102 x 83 cm. Prag, Närod- datiert, Öl auf Leinwand, 98 x 87,5 cm. Verbleib
Eremitage, Inv. Nr. 2872. ni Galerie, Inv. Nr. DO 4208. unbekannt.

Basel aufbewahrt wird und an Kat. Nr. 34 er­ flusst worden sein.6 Dieser war holländischer konzentrierte er sich jedoch auf Stilleben mit
innert.5 Ein solches Werk kennen wir auch Abstammung, jedoch in London geboren. In Gläsern, Metallgegenständen und Porzellan,
von Pieter van den Bosch (1613/14-1663 Amsterdam wurde er erstmals 1649 erwähnt. die er oft auf kleinerem Format ausführte.
oder später), der schon um 1650 Stilleben mit Sein Bruder Isaack Luttichuys war dort be­ Häufiger noch als Van de Velde, der ihn ge­
kostbaren Gegenständen aus Silber vor einem reits im Jahre 1638 tätig und es wäre denkbar, wiss ebenfalls beeinflusste, wählte Luttichuys
dunklen Hintergrund mit aufleuchtenden dass Simon sich schon in den frühen vierziger dunkle, beinahe schwarze Hintergründe, vor
Gläsern malte (Abb. 6). Jahren in Amsterdam niederließ. In der ers­ denen seine Gläser und Metallgegenstände
Doch stärker als von jedem anderen muss ten Hälfte dieses Jahrzehnts malte er vanitas- zusätzlichen Glanz erhielten und das Porzel­
Kalfvon Simon Luttichuys (1610-1661 )beein- Stilleben und ähnliche Kompositionen, später lan sich hell abzeichnete. Gerade die etwas
größeren Kompositionen von Simon Lutti­
chuys erinnern hinsichtlich Atmosphäre, Ko­
9 Willem Kalf, Stilleben mit Romer und Porzel­ 10 Simon Luttichuys und (vollendet von) Wil­ lorit aber auch im Entwurf stark an Werke von
lanschale mit Südfrüchten, signiert und datiert lem Kalf, Stilleben mit silberner Wasserkanne und Kalf. Ein Beispiel hierfür ist das Stilleben mit
W. KALF 1659, Öl auf Leinwand, 58 x 51 cm. dazugehörigem Becken und einer Porzellanschüs­ einem chinesischen Deckelgefaß aus Porzel­
New York, Metropolitan Museum of Art, sel mit Früchten und Gläsern, Öl auf Leinwand, lan aus dem Jahr 1649 (Abb. 7). Vor allem ein
Inv. Nr. 53.111. 86 x 81,5 cm. Französische Privatsammlung. 1651 entstandenes Gemälde (Abb. 8)7 könnte
eine direkte Anregung für ein Stilleben von
Kalf gewesen sein, das etwa acht Jahre später
gemalt wurde (Abb. 9).
Dass Kalf die Arbeiten von Luttichuys ge­
kannt und geschätzt haben muss, wird daran
deutlich, dass er - vermutlich kurz nach dem
Tode von Luttichuys im Jahre 1661 - ein un­
vollendetes Stilleben von dessen Hand ergänz­
te und vollendete (Abb. 10).s Aus dem Inven­
tar des Nachlasses von Luttichuys geht hervor,
dass dieser mindestens 31 unvollendete Ge­
mälde hinterließ.9 Ob Kalf dieses Gemälde
für sich selbst aus dem Nachlass erwarb um
es dann zu vollenden, oder ob er dies im Auf­
trag tat, zum Beispiel für einen Kunsthändler,
werden wir vermutlich nie erfahren. Klar ist
jedoch, dass er sich die nötige Mühe gab das
Gemälde zur Zufriedenheit zu vollenden.

96 Das Amsterdamer CEuvre Willem Kalfs in der Perspektive - Fred G. Meijer


Auch Luttichuys hatte einen solchen Auftrag mälde stammt aus den Jahren 1658 bis 1663. ein paar Früchte auf einer Silberschale, die nur
angenommen, wie aus einer Akte aus dem Danach datierte er nur noch wenige Stücke. mit Hilfe vereinzelter Lichter angedeutet wird.
Jahr 1661 hervorgeht. Für einen Kunsthänd­ Diese stammen aus den Jahren 1669,167(8) Der Hintergrund ist dunkel, beinahe gleich­
ler hatte er ein vaw/tas-Bild von Treck »über­ und 1680.13 Während all dieser Jahre blieb mäßig schwarz. Die hellgelbe Zitrone lenkt
malt und ergänzt«, jedoch unter der Bedin­ seine Themenwahl sehr eingeschränkt. Als mit ihrer kräftigen Farbe und den brillant ge­
gung, dass sie den Gewinn, den das Gemälde Joost van den Vondel um 1663 Kalfs Arbeiten setzten Lichtern die meiste Aufmerksamkeit
einbringen würde, zu gleichen Teilen teilten.10 in einem Gedicht als: auf sich. Durch das kühle Blau auf dem Weiß
Darüber hinaus waren Kalf und Luttichuys der Kanne dahinter rückt die saftige Frucht
bereits 1653 gemeinsam in die Beurteilung »[...] bewegungslose Dinge [...], noch stärker in das Bewusstsein des Betrach­
eines Gemäldes von Paul Bril für den Kunst­ Bankette, Tafelspeisen und Brief, ters. Bemerkenswert bei vielen der Amsterda­
händler Abraham de Cooghe einbezogen.11 Limone, Zitrone und Glas und Schale, mer Stilleben von Kalf ist, dass solche Früchte
Es ist nicht anzunehmen, dass dies die einzige Zierrat und Überfluss und Pracht«11 wie diese Zitrone aufgrund ihres kräftigen Ko­
Gelegenheit war, bei der beide Stillebenmaler lorits zum Bild bestimmenden Motiv werden,
einander begegneten. Aus dem Vorhergehen­ beschrieb, fasste er die Essenz der Amsterda­ während sie zuvor (in Paris) bei ihm höchs­
den wird deutlich geworden sein, dass Kalf mer Produktion Kalfs bereits ausgezeichnet tens eine sekundäre Rolle spielten.
sich vermutlich schon vor seiner Ankunft in zusammen. Der »Brief« ist als notwendiges Die zwei aus den Jahren 1656 und 1658
Amsterdam an den dort herrschenden Stilen Reimwort im niederländischen Text aufzu­ bekannten datierten Gemälde haben, wenn
und Vorlieben orientiert hatte. Es ist daher fassen, denn auf den Stilleben Kalfs ist dieser möglich, eine noch schlichtere Ausstrahlung
kein Wunder, dass seine Integration in das nicht zu finden. In seinen Kompositionen sind (Abb. 11 und 12).15 Darüber hinaus sind ihre
Amsterdamer Malermilieu so mühelos verlief kostbare Gegenstände wie silbernes (Zier-) Darstellungen nahezu identisch. Kalf malte
und seine Arbeiten mit offenen Armen emp­ Tafelgeschirr, Porzellanschalen und Gläser ä hierzu noch eine dritte, etwas abweichende
fangen wurden. la fa^on de Venise stets Bild bestimmende Ele­ und nicht datierte Version16, die etwas lebhaf­
mente. Sie werden dort einzeln gezeigt oder ter wirkt, da das dunkle Samttuch durch einen
miteinander kombiniert. Fast immer findet Perserteppich und der Pfirsichkern durch ein
Amsterdam sich jedoch eine Orange oder eine halb ge­ farbenfrohes Orangenstückchen ersetzt wur­
schälte Zitrone, die für einen kräftigen Farb­ den.17 Die Kompositionen der vier datierten
Da Kalf seine Stilleben in Amsterdam nur ge­ kontrast sorgt, oder aber funkelndes Licht, das Gemälde des darauf folgenden Jahres, 1659,
legentlich datierte, gewiss in den ersten Jah­ sich in einem mit Weißwein gefüllten Römer zeigen große Verwandtschaft mit dem letzt­
ren, ist es schwer seine Entwicklung zu verfol­ bricht. Im Gegensatz zu den stattlichen, bis­ genannten Bild.18 Auf allen vier Darstellungen
gen, sofern man überhaupt von einer solchen weilen großzügig angelegten Kompositionen bedeckt ein orientalischer Teppich den Tisch
sprechen kann. Nach dem 1653 entstandenen der Prunkstilleben aus den Pariser Jahren hat und auf zweien ist an der Seite eine weiße Ser­
Gemälde (Kat. Nr. 24) versah er erst 1656 wie­ das 1653 entstandene Gemälde (Kat. Nr. 24) viette drapiert. Spielte diese weiße Serviette
der ein Stilleben mit einer Datierung (Abb. ein kleines Format und ist einfach in seiner - oder ein größeres weißes Tuch - auf den
II).12 Der größte Teil seiner datierten Ge­ Anlage: eine Porzellankanne, ein Römer und Pariser Stilleben von Kalf häufig eine wichtige

11 Willem Kalf, Stilleben mit Silberschale, Gläsern 12 Willem Kalf, Stilleben mit Silberschale, Gläsern 13 Willem Kalf, Stilleben mit Römer, Deckelglas
und Früchten, signiert und datiert W KALF 1656, und Früchten, signiert und datiert W. KALF 1658, und Orange, signiert und datiert W KALF 1659,
Öl auf Leinwand, 57 x 46 cm. Budapest, Szepmü- Öl auf Leinwand, 53 x 46 cm. Schwerin, Staatli­ Öl auf Leinwand, 64 x 53 cm. Verbleib unbe­
veszeti Muzeum, Inv. Nr. 3832. ches Museum Schwerin, Inv. Nr. G 77. kannt.

Das Amsterdamer (Euvre Willem Kalfs in der Perspektive - Fred G. Meijer


97
Rolle, so dient sie hier höchstens dazu zusätz­ Tischtuch (Abb. 15).20 Die funkelnden Lich­ größere Formate entschieden. Das Madrider
liches Licht in die Komposition zu bringen. ter der drei Gläser im Hintergrund tragen zur Stück ist ungefähr genauso breit wie die ande­
Nach 1659 war für Kalf offensichtlich das Bestimmung des Raumes und der Atmosphä­ ren hoch sind, weshalb die Komposition des
stimmungsvolle Bild wichtiger, bei dem vor re des Gemäldes bei, sie fordern kaum spe­ Gemäldes aufgrund des hinzugefügten, reich
dunklem Hintergrund Glas, Silber und Por­ zifische Aufmerksamkeit für sich. Ein leider bearbeiteten Nautiluspokals und des kost­
zellan aufleuchten, als ein heller Akzent, denn verlorenes Werk aus dem Jahr 1661 (früher baren Deckelglases ä la fagon de Venise auch
die weiße Serviette ist dann auf den Bildern in Dresden), wo Kalf zum ersten Mal eines anspruchsvoller wirkt. Der Römer und die
nicht mehr zu finden.19 Auf allen vier datier­ der beiden in seinem CEuvre so bekannten Orange, die auf den anderen beiden Gemälden
ten Gemälden des Jahres 1659, die in der Höhe Deckelgefaße aus chinesischem Porzellan mit Teil der Hauptgruppe sind, wurden in dieser
von etwa 50 bis 65 Zentimeter variieren und applizierten Figuren einführt, zeigt dieselbe Darstellung vernachlässigt. Wir können mit
in der Breite von 42,5 bis 53 cm, also ein ver­ Spannung, hier jedoch zwischen der Zitrone Fug und Recht behaupten, dass Kalf hier den
hältnismäßig ähnliches Format haben, spielt und dem Deckelgefäß.21 Das gleiche Gefäß ist Gipfel seines Könnens erreichte, einen Gipfel,
eine helle Orange eine wichtige Rolle. Drei- in einer etwas komplexeren Komposition ge­ über den ein Autor wie Jacob Campo Weyer-
-mal wird die Komposition durch ein Glas in meinsam mit einem vergoldeten Prunkpokal man etwa sieben Jahrzehnte später sagen wird,
die Höhe gezogen, einmal durch ein Flöten­ aus Silber auf einem etwas größeren Gemälde »dass er einer der kunstvollsten Maler in der
glas und zweimal durch ein kostbares Deckel­ aus dem gleichen Jahr zu sehen.22 Darstellung von Limonen, Orangen, goldenen
glas venezianischer Art (Abb. 13). Die vierte Auf den drei bekannten datierten Arbeiten und silbernen Vasen und Trinkschalen, Achat-
Komposition ist intimer (Abb. 14), jedoch in von 1662, darunter die »Diva« aus Kalfs CEu­ und Perlmuttbechern, Kristallkelchen und Po­
anderer Art als das 1653 entstandene Gemäl­ vre, das Gemälde im Museo Thyssen-Borne- kalen, Seehörnern und Seemuscheln war.«25
de (Kat. Nr. 24). In dem Münchner Bild wird misza in Madrid (Kat. Nr. 31), figuriert eine Die drei aus dem folgenden Jahr, 1663,
die gesamte Aufmerksamkeit von der Zitrone ähnliche Schale als Hauptmotiv.23 Auf diesen datierten Arbeiten haben nahezu dieselben
und ihres Sekundanten (der Porzellankanne) Gemälden spielt die kostbare Schale, inklusi­ Maße wie die aus dem vorhergehenden Jahr
auf sich gezogen, hier wird sie jedoch auf den ve Deckel, die Hauptrolle in dem Dialog mit (Abb. 16).26 Auch hier zeigen die beiden
Römer, die Orange und die Zitrone verteilt einer funkelnden Zitrone, deren Schale sich kleineren, aber noch immer ca. 60x50 cm
und auch der Perserteppich spielt dabei eine elegant im Raum vor dem Tisch kringelt. messenden Gemälde hinsichtlich ihrer Zu­
Rolle. Das Resultat ist eine ruhigere, visuell Drei Gläser sorgen auf zwei dieser Stilleben sammenstellung eine starke Verwandtschaft.
aber weniger spannende Komposition. für einen Kranz aus kleinen Lichtern um die Doch die Komposition des größten der drei
Anscheinend war sich der Maler dessen be­ Hauptgruppe, wobei das Flötenglas die Höhe Bilder ist kaum komplexer.27 Immer bildet
wusst, denn auf dem einzigen bekannten Ge­ der Komposition bestimmt.24 Ein flauschig eine große Porzellanschale mit Früchten das
mälde aus dem Jahr 1660 gibt es eine größere weicher Perserteppich umfängt diese funkeln­ wichtigste Bildelement. Auf den beiden klei­
Spannung zwischen den beiden wichtigsten de Gruppe mit seinen warmen Farben und neren Gemälden ist neben der Schale ein
Motiven, der Zitrone und dem orientalischen schweren Falten. Kalf hat sich hier für etwas Deckelglas von Bedeutung, das mit einem rei-

14 Willem Kalf, Stilleben mit Römer, Orange und 15 Willem Kalf, Stilleben mit Glaspokal, Römer 16 Willem Kalf, Stilleben mit einem Deckelglas
Zitrone, signiert und datiert W. KALF 1659, Öl auf und Zitrone, signiert und datiert W. KALF. 1660, auf einem vergoldeten Silberfuß und eine Porzel-
Leinwand, 49,9 x 42,2 cm. Den Haag, Koninklijk Öl auf Leinwand, 49 x 43 cm. Verbleib unbe­ lanschüssel mit Früchten, signiert und datiert W.
Kabinet voor Schilderijen Mauritshuis, Inv. Nr. kannt. KALF 1663, Öl auf Leinwand, 60,3 x 50,2 cm.
927. Cleveland, Cleveland Museum of Art, Leonard C.
Hanna, Jr., Fund, Inv. Nr. 62.292.

Das Amsterdamer CEuvre Willem Kalfs in der Perspektive - Fred G. Meijer


chen, teilweise vergoldeten Fuß versehen ist. Der Zeitraum zwischen 1658 bis einschließ­
Ein mit Weißwein gefüllter Römer spielt auf lich 1663 sollte zu dem produktivsten - und
jedem der Bilder seine schon bekannte sekun­ erfolgreichsten? - des Künstlers gehören. Mit
däre Rolle, und auch die Marmortischplatte dem Jahr 1662 scheinen Kalfs Kompositionen
und der Teppich erfüllen hier ihre nicht un­ - erneut auf die datierten Beispiele Bezug
bedeutende Nebenrolle. nehmend - eine Zeit lang etwas voller und
unruhiger (oder unfreundlich ausgedrückt:
gereizter) zu werden.29 Eine so komplexe
Die nach 1663 entstandenen Werke Komposition wie das große Stilleben in Phi­
von Willem Kalf ladelphia leidet deutlich an diesem Übel und
muss deshalb (kurz) nach dem größeren Ge­
Soweit bekannt ist, versah Kalf erst 1669, also mälde in Schwerin datiert werden.30 Vielleicht
sechs Jahre nach dem letzten datierten Gemäl­ fühlte Kalf zu diesem Zeitpunkt auch, dass er
de, erneut ein Stilleben mit einer Jahreszahl. möglicherweise zuviel wollte oder dass er das
Die Basiskomposition ist noch immer die glei­ erreicht hatte, was er erreichen konnte. Auf­
che: eine Marmorplatte, rechts mit einem ori­ grund seiner datierten Werke ist zu schluss­
entalischen Teppich bedeckt, mit einer getrie­ folgern, dass er danach stets weniger und
benen Silberschale, auf der und um sie herum während der letzten zehn bis dreizehn Jahre
Gegenstände gruppiert sind, deren höchster seines Lebens gar nicht mehr malte.
Punkt in der Mitte der Leinwand situiert ist. Doch diese Darstellung ist zu einfach und
Die Höhe wird hier von dem Motiv des Rö­ wird Kalfs CEuvre nicht gerecht, da es den un­
mers in einer vergoldeten Römerschraube aus datierten Teil außer Acht lässt. Bezieht man 17 Willem Kalf, Stilleberi mit Porzellanschüssel
Silber bestimmt. Fast genauso wichtig ist das nämlich diese undatierten Werke in die Be­ mit Früchten und Glaspokal, Öl auf Leinwand,
Deckelgefäß aus chinesischem Porzellan, das trachtung ein, dann wird deutlich, dass etliche 96,5 x 72,5 cm. Springfield, Museum of Fine Arts,
rechts hinten steht. Und erneut wird das Bild Gemälde, die zwar hinsichtlich Technik und James Philip Gray Collection, Inv. Nr. 42.10.
von einer Orange und einer hellen gelben Zi­ Themenwahl mit den datierten Arbeiten in
trone mit herabhängender Schale belebt und Verbindung gebracht werden können, in An­
gefärbt. betracht ihres Formates und ihrer Komplexi­
Auch danach dauert es abermals gute zehn tät aber nicht in das hier oben skizzierte Bild in Weißwein schwimmenden geschälten Zi­
Jahre, bis Kalf wieder ein Gemälde datiert, zu­ passen. Einige Gemälde trübten sogar das trone kommt fast ausschließlich auf den drei
mindest, wenn wir die unsichere Datierung Bild von Kalfs Chronologie, da eine Jahres­ datierten Gemälden aus den Jahren 1656,
von Kat. Nr. 36 nicht mitzählen. Auf dem zahl auf ihnen gelesen wurde, die heute aber 1658 und 1659 vor.34 Das Deckelgefäß aus
Gemälde in Weimar (Kat. Nr. 37) fehlen je­ nicht (mehr?) zu finden ist. Angenommen, Porzellan mit seinen farblosen Figuren ist auf
doch die vertrauten Südfrüchte und das Por­ diese Datierungen wären tatsächlich nicht zwei 1661 entstandenen Gemälden zu sehen,
zellan und somit auch die auffälligen Licht- authentisch oder falsch restauriert worden, während ein anderes Exemplar, mit polychro­
und Farbakzente.28 Aber auch hier steht das dann ließen sich diese Arbeiten weitaus logi­ men Figuren, auf drei Stilleben von 1662 wie-
Hauptmotiv, die »Holbeinschale«, auf einer scher in das Bild des CEuvres einordnen. So dergegeben ist.35 Ein drittes Gemälde, das das
Marmortafel mit Perserteppich, zusammen scheint ein Gemälde in der Sammlung des erstgenannte Gefäß zeigt, schließt gut bei den
mit der Silberkanne, die auch auf Kat. Nr. Instituut Collectie Nederland, von dem die anderen beiden an und wird demnach höchst­
28 wieder zu finden ist. Das Gemälde ist die Jahreszahl 1658 inzwischen verschwunden wahrscheinlich ebenfalls 1661 entstanden
letziendliche Kombination von Reichtum und ist, viel besser bei dem 1669 entstandenen sein.36 Von den drei undatierten Arbeiten, auf
Schlichtheit, eine Kombination, die ein essen­ Gemälde aus Indianapolis anzuschließen als denen auch das zweite Gefäß abgebildet wird,
tieller Teil von Kalfs Herangehensweise an ein bei solchen Arbeiten, die wirklich 1658 da­ zeigt die eine starke Verwandtschaft mit dem
Stilleben ist. tiert sind.31 Das große, bereits an früherer datierten Gemälde, die beiden anderen Bilder
Stelle genannte Stilleben in Philadelphia, auf sind hingegen schwieriger zu datieren. Es wäre
dem die Jahreszahl 1662 gelesen wurde, ist denkbar, dass diese später gemalt wurden,
Eine allgemeine Übersicht über Kalfs CEuvre zwar in Grisebachs Monographie schon ohne vielleicht mit Hilfe von Skizzen des Gefäßes,
Datierung aufgenommen, aber noch immer die Kalf aufgehoben hatte.37 Die Wiedergabe
Wenn man sich einzig auf diese Serie von den 1662 entstandenen Arbeiten zugeordnet des Gefäßes und seines Deckels scheinen dort
achtzehn oder neunzehn datierten Gemälden worden, obwohl es besser (kurz) nach 1663 jedenfalls weniger akkurat ausgeführt worden
bezieht, dann erscheint die Beschreibung der datiert werden sollte.32 zu sein als auf den 1662 entstandenen Ar­
Entwicklung und Produktivität von Kalf recht Die datierten Arbeiten könnten uns glau­ beiten. Vermutlich können die Gemälde mit
einfach: 1653 fing er mit relativ kleinen und ben lassen, dass Kalf in den fünfziger Jah­ jenem Deckelgefäß aus Porzellan, das auch
schlichten Stilleben an und wählte allmählich ren nur kleinere Stilleben gemalt haben soll. auf dem einzig datierten Stilleben von 1669
etwas größere Formate und komplexere Kom­ Doch dieser Eindruck trügt. Kat. Nr. 25 und wiedergegeben ist, mit diesem auch hinsicht­
positionen; danach vereinfachten sich seine einige sehr ähnliche Gemälde sind (bisweilen lich der Datierung in Verbindung gebracht
Darstellungen wieder etwas. Hinsichtlich der ansehnlich) größer von Format als die datier­ werden.38 Kat. Nr. 35 und das fast identische
Themenwahl verschob sich Kalfs Interesse ten vertikalen Kompositionen mit 50-60 cm Gemälde in Delft (Abb. 1 auf S. 142) schlie­
allmählich von einem Gegenstand (oder der Höhe.33 Wichtig für die Chronologie ist auch ßen gut hierbei an, doch auch das Gemälde
Gruppe von Gegenständen) auf den anderen. die Themenwahl Kalfs. Ein Römer mit einer im Louvre (vgl. Kat. Nr. 33) passt dazu, auch

Das Amsterdamer CEuvre Willem Kalfs in der Perspektive - Fred G. Meijer 99


lich in Paris in Kontakt stand. Von Linard
kennen wir schon aus dem Jahr 1638 Mu­
schelstilleben, also noch aus der Zeit vor Kalfs
Ankunft in der französischen Hauptstadt.42
Die meisten dieser Bilder erinnern aber eher
an eine Zurschaustellung besonderer Mu­
scheln in einem Naturalienkabinett als an eine
künstlerische Wiedergabe außergewöhnlicher
Objekte, wie Kalf sie uns zeigt (Abb. 18). Be­
sondere Aufmerksamkeit verdient in diesem
Zusammenhang ein Linard zugeschriebenes
kleines Muschelstilleben, das mit den beiden
kleinen Gemälden von Kalf des gleichen Typs
im Mauritshuis in Den Haag Verwandtschaft
zeigt (Abb. 19, 20 und 21).43 In Linards CEuvre
ist dieses kleine Gemälde aufgrund der voll
gepackten Komposition, welche die Muscheln
eng nebeneinander und teilweise auch hinter­
einander angeordnet zeigt, verhältnismäßig
ungewöhnlich. Fast alle dieser Muscheln sind
jedoch auf Linards 1640 entstandenem Mu­
schelstilleben in Montreal zu finden (Abb. 18)
und die Malweise der individuellen Muscheln
ist eine sehr ähnliche. Die Behandlung von
18 Jacques Linard, Stilleben mit Muscheln, Öl auf Leinwand, 53,3 x 62,2 cm. signiert und 1640 datiert. Kalfs kleinen Muschelstilleben in Den Haag
Montreal, Museum of Fine Arts, Inv. Nr. 1999-149. ist hingegen breiter und malerischer und auch
das Kolorit ist ein anderes. Die Annahme,
dass das Gemälde von Willem Kalf und nicht
von Linard gemalt worden sei, kann demnach
nicht richtig sein. Die Chance ist jedoch groß,
wenn es sich dabei um die einzige anders­ entfernt von der auf dem 1653 entstandenen dass Kalf diese oder ähnliche Arbeiten bei Li­
artige Komposition im CEuvre handelt, mit Münchner Stilleben zu sein und vielleicht ist nard gesehen hatte und sich davon inspirieren
einem Römer, in dem eine Zitrone liegt, ein dieses Bild einer der wenigen Kandidaten un­ ließ.”. Folglich liegt es nahe, dass Kalfs ers­
Motiv, das - wie wir sahen - nur in den Jahren ter Kalfs späteren Stilleben, die man - unter te Muschelstilleben noch in Paris oder kurz
1656-1659 vorkommt. Die »Holbeinschale« großem Vorbehalt - in die Jahre zwischen nach seiner Rückkehr nach Holland entstan­
scheint Kalf um 1679 gesehen zu haben und 1646 und 1653 einordnen muss. den und nicht viele Jahre später, oder gar am
offensichtlich fand er dieses Objekt bedeu­ Etwas leichter einzuordnen ist Kat. Nr. 32, Ende seiner Laufbahn.45
tend genug, um zumindest eines der beiden trotz der abweichenden Auswahl an Gegen­ Nur zwei Zeichnungen können mit dem ge­
Gemälde, auf denen er sie abgebildet hatte, zu ständen; die damals schon antiken Porzel­ malten CEuvre Kalfs in Verbindung gebracht
datieren (Kat. Nr. 36 und 37). lanobjekte finden sich auf keinem einzigen werden (Abb. 22 und 23). Sie sind ungefähr
Es gibt auch Stilleben von Willem Kalf, die anderen Stilleben von Kalf. Der stilistische gleich groß und stammen ganz gewiss von
sich durch ihre Komposition oder die abge­ Vergleich mit spät datierten Arbeiten lässt einer Hand. Ihre Darstellungen ähneln stark
bildeten Gegenstände oder aber durch ihre annehmen, dass eine Datierung in die sech­ denen der Amsterdamer Stilleben. Ob es sich
Kombination dem eben skizzierten Muster ziger Jahre (wie früher von der Literatur vor­ um Entwürfe für nicht ausgeführte oder ver­
entziehen. Deshalb bereitet die Datierung geschlagen) oder sogar in die siebziger Jahre lorene Gemälde handelt oder um Nachzeich­
dieser Gemälde Probleme. Auf einem gro­ außerordentlich plausibel ist. nungen solcher Arbeiten - in diesem Fall
ßen Stilleben im Springfield Museum of Arts Ausnahmen in Kalfs CEuvre sind auch seine vielleicht von anderer Hand - bleibt unklar.
(Abb. 17), zum Beispiel, steht neben einem fünf Muschelstilleben (siehe Kat. Nr. 22 und Die lockere und flotte Behandlung der Feder
kostbaren Deckelglas, das man auch von an­ 23), die von Grisebach als aparte Kategorie ist jedenfalls der Malweise Kalfs verwandt.
deren Stilleben kennt, ein monumentales aufgenommen wurden. Zwei dieser Bilder An früherer Stelle in diesem Essay wurde die
Porzellangefäß mit Früchten etwas verloren werden an anderer Stelle in dieser Publikation Möglichkeit angesprochen, dass sich Kalf -
im Raum auf einem Tisch, der mit einem Per­ im Kontext mit den übrigen Muschelstilleben von Hendrick Cornelisz. Pot - in den graphi­
serteppich bedeckt ist.59 Hinter dem Gefäß behandelt; sie könnten, wie Grisebach behaup­ schen Künsten ausbilden ließ. Diese Zeich­
ist rechts eine mächtige Säule zu sehen und tete, dem späten CEuvre zugeordnet werden. nungen könnten als möglicher Beweis dafür
links eine etwas gekünstelt wirkende Drape­ Doch eine frühe Datierung, an den Beginn angeführt werden. Doch wenn wir uns schon
rie.’0 Von allen Amsterdamer Stilleben Kalls der Amsterdamer Schaffenszeit oder kurz da­ auf den Pfad von Hypothese und Spekulation
erinnert dieses Gemälde bezüglich seines vor, ist sicher und vielleicht sogar noch besser begeben, könnten wir ebenso annehmen, dass
Aufbaus noch am meisten an das Pariser CEu­ zu vertreten.” Es gibt nämlich eine eindeutige die Zeichnungen vielleicht von der Hand von
vre des Malers. Die Behandlung der Zitrone Verbindung zu den Muschelstilleben von Jac­ Kalfs Ehefrau Cornelia Pluvier stammen, die
und der Silberschale scheint jedoch nicht so ques Linard, mit dem Kalf höchstwahrschein­ in der Kalligraphie unterwiesen worden war.

100 Das Amsterdamer CEuvre Willem Kalfs in der Perspektive - Fred G. Meijer
19 Jacques Linard zugeschrieben, Stilleben mit Muscheln, Öl auf Holz,
18 x 24,5 cm. Verbleib unbekannt.

20 Willem Kalf, Stilleben mit Muscheln, signiert W. KALF, Öl auf Holz,


25 x 33 cm. Den Haag, Koninklijk Kabinet voor Schilderijen Maurits*
huis, Inv. Nr. 971.

21 Willem Kalf, Stilleben mit Muscheln, signiert W. KALF, Öl auf Holz,


25 x 33 cm. Den Haag, Koninklijk Kabinet voor Schilderijen Maurits-
huis, Inv. Nr. 972.

Das Amsterdamer (Euvre Willem Kalfs in der Perspektive - Fred G. Meijer 101
22 Willem Kalf zugeschrieben, Stilleben mit 23 Willem Kalf zugeschrieben, Stilleben mit 24 Willem Kalf, Stilleben mit vergoldetem Prunk­
Nautiluspokal, Gläsern und Porzellanschüssel mit Trinkhorn und Deckelgefäß aus Porzellan, Feder pokal aus Silber und Porzellanschüssel mit Früch­
Früchten, Feder und braune Tinte, 18 x 14,3 cm. und braune Tinte, 18,2 x 14,5 cm. Paris, Fonda- ten, signiert Kalf, Öl auf Leinwand, 105 x 87,5 cm.
Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstich- tion Custodia (Sammlung Frits Lugt), St. Petersburg, Eremitage, Inv. Nr. 2822.
kabinett, Inv. Nr. 2851. Inv. Nr. J 100.

Die Bedeutung von Willem Kalf der große Einfluss von Kalfs Arbeiten auf die konnte, insbesondere dem der Amsterdamer
holländische Stillebenmalerei deutlich. Dieser Stillebenmaler, ist bereits oben beschrieben
Wenn wir über das CEuvre von Willem Kalf Einflussnahme Willem Kalfs auf andere Ma­ worden.
als Einzelfall sprechen, so ist die Frage einer ler ist ein gesondertes Essay in diesem Katalog Auch die Frage, ob Kalf nach den produk­
exakten Datierung der einzelnen Gemälde gewidmet. tiven Jahren von 1658 bis einschließlich 1663
eigentlich nicht so wichtig. Nehmen wir die tatsächlich weniger malte und sich nach 1680
etwa achtzig Gemälde aus Kalfs Amsterda­ vollständig auf den Kunsthandel und eventu­
mer Jahren in Augenschein, dann wird schon Was wir nicht wissen elle andere Aktivitäten konzentrierte, bleibt
bald deutlich, dass die Qualität des geliefer­ ebenfalls offen. Auch in dieser Hinsicht bietet
ten Werkes durchaus hoch ist und die Tech­ Viele Fragen zum CEuvre von Willem Kalf das heute bekannte CEuvre zu wenig Halt.’6
nik und Themenwahl durchweg als stabil be­ bleiben noch immer unbeantwortet. Und auch Betrachten wir Kalf als Maler, der seine Stär­
zeichnet werden können. Von einer wichtigen die zentrale Frage, ob und was Kalf zwischen ke vor allem in der Variation eines Themas
Entwicklung kann kaum die Rede sein. Qua­ dem Zeitpunkt seiner Rückkehr aus Paris und sah, dann wäre es denkbar, dass zu einem
litativ gesehen gibt es positive Ausnahmen, dem Jahr 1653 (als er das heute in München gewissen Zeitpunkt die Inspiration dazu er­
kaum negative. Kalf war vor allem ein Meister aufbewahrte Gemälde datierte) malte, ist an­ losch. Eine weitere Rolle bei dem - eventu­
in der Variation eines Themas. Seine Suche hand des erhaltenen CEuvres nicht oder kaum ellen - Beschluss mit der Malerei aufzuhören
nach der idealen Wirkung einer bestimmten zu beantworten. Kein einziges Gemälde - au­ könnte die Tatsache gespielt haben, dass Kalf
Kombination von Gegenständen brachte bis­ ßer vielleicht den Muschelstilleben - lässt sich inzwischen ein älterer Mann geworden war
weilen kaum voneinander zu unterscheiden­ mit Sicherheit in diesen Zeitraum von etwa (1679 wurde er sechzig) und vermutlich gut
de Varianten hervor und manchmal brillan­ sechs oder sieben Jahren einordnen und so­ mit seiner Kunst verdient hatte.17 Aus der um­
te Glanzstücke wie die Gemälde aus Madrid gar das 1653 entstandene Stilleben steht rela­ fangreichen Nachfolge seines Stils, sicherlich
(Kat. Nr. 31), London (Kat. Nr. 25) oder St. tiv allein da. Möglicherweise beschäftigte sich bis zur Jahrhundertwende, ist jedenfalls zu
Petersburg (Abb. 24). Kalf während dieser Jahre mit dem Kunsthan­ schlussfolgern, dass er nicht aufgrund eines
Für Kalfs Platz in der Kunstgeschichte und del, eine Branche, in der er später auch aktiv zu geringen Interesses an seinem Werk mit
die Beziehung seiner Stilleben zum Werk an­ tätig war, oder er hatte zeitweise die Malerei dem Malen aulgehört haben wird. Als Kalf
derer Maler kann eine exakte Datierung aber über und richtete seine Aufmerksamkeit auf am 3. August 1693 begraben wurde, notier­
von Bedeutung sein. Entstand zum Beispiel eine andere Fachrichtung, zum Beispiel die te der Schreiber in dem Bestattungsregister:
Kalfs Gemälde mit einem großen Krebs (Kat. Druckgraphik, vielleicht unter der Begleitung »Willem Kalf, Konstschilder« (Willem Kalf,
Nr. 25) schon früher als Simon Luttichuys’ des Hoorner Graphikers Pot? Wenn er tat­ Kunstmaler). Auch wenn Kalf damals schon
verwandte Komposition aus dem Jahre 16d6 sächlich in jenen Jahren seine Malerutensilien Jahre lang keinen Pinsel mehr angerührt hat­
(Abb. 1 auf S. 150)? Solche Fragen zielen vor eingepackt ließ, was war dann der Anlass sie te, war diese Beschreibung seiner würdig.
allem auf die fünfziger Jahre des 17. Jahr­ 1653 wieder auszupacken? Dass er genügend
hunderts. In den folgenden Jahrzehnten ist Inspiration aus dem Werk anderer schöpfen

102 Das Amsterdamer CEuvre Willem Kalfs in der Perspektive - Fred G. Meijer
Anmerkungen [hier Abb. 24]), das m. E. ebenfalls um 1658 datiert 39 Abb. 17 ist Grisebach, 1974, Kat. Nr. 84, Abb. 102.
1 Wenn er tatsächlich von Rotterdam nach Hoorn werden muss. Für den Pokal vgl. unter anderem Kat. Nr. 26 und Gri­
umgezogen ist und nicht erst noch in einer anderen 20 Dieses Gemälde wurde von Grisebach unter der sebach, 1974, Verz. Nr. B 6, siehe dazu Anm. 15 und
Stadt (z. B. in Amsterdam?) gewohnt hat. Verz. Nr. B 6 zu Unrecht als mögliche Kopie eines ver­ die Addenda und Corrigenda zu Grisebachs Katalog
2 Siehe die Biographie in dieser Publikation. lorenen Originals aufgenommen. Siehe die Addenda an anderer Stelle in dieser Publikation Nr. A 20.
Zuletzt im Kunsthandel Newhouse, New York, 1990. und Corrigenda in dieser Publikation, Nr. A 20. 49 Obwohl das Gemälde ohne diese Draperie noch
4 Ich habe bereits darauf hingewiesen in F. G. Meijer, 21 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 107. Aufgrund des einzig leerer wirken könnte kann man sich fragen, ob sie
»Een stilleven van Simon Luttichuys, >overschildcrt bekannten Fotos von diesem Werk urteilend (auch wohl ein ursprünglicher Teil der Darstellung war,
en vermeerdert< door Willem Kalf. Een bijzonder verwendet für Grisebachs Abb. 110), war der Hinter­ auch aufgrund der für Kalf ungewöhnlich breiten
aspect van de Hollandsc zeventiende-eeuwse atelier- grund des Gemäldes stark restauriert, wodurch der Manier ihrer Ausführung.
praktijk«, Razprave iz Evropske Unietnosti [Festschrift große Römer eine zu starke Akzentuierung erhielt “ Siehe die Texte bei Kat. Nr. 22 und 23.
für Ksenija Rozman], Ljubljana 1999, S. 102, 104 und und das Deckelgefäß etwas klein wirkt. 42 Siche Ph. Nusbaumer, Jacques Linard 1597-1645.
108. Das Gemälde wurde 1917 in Kassel als Arbeit 22 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 106, Abb. 114. Catalogue de l’CEuvre peint, Le-Pecq-sur-Seine 2006,
von Kalf erworben, später fand man darauf die Datie­ 25 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 115, Abb. 124 (hier Kat. Kat. Nr. 13 (1638), 17 (1638), 23 (1640), 25 (1640)
rung 1648 und die (schadhafte) Signatur von Treck. Nr. 30), Kat. Nr. 116, Abb. 125 und Kat. Nr. 117, Abb. und 45 (undatiert).
Das Gemälde ist die Kat. Nr. A 18 in der Addenda 128 (hier Kat. Nr. 31). 43 Das kleine Gemälde wurde am 24. Februar 1995
und Corrigenda zu Grisebachs Katalog an anderer 24 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 115, Abb. 124 (hier Kat. bei Christie’s in London versteigert, unter der Kat.
Stelle in dieser Publikation. Nr. 30) und Kat. Nr. 116, Abb. 125. Nr. 138, mit Farbabb. im Katalog, als Jacques Linard
5 Das Gemälde in Amsterdam Stilleben mit Römer, 25 J. C. Weyerman, De Levens-beschrijvingen der Ne- zugeschrieben.
Flötenglas, Steinkrug und Pfeifen, signiert und 1651 derlandse Konst-schilders en Konst-schilderessen, 4 44 Mickael Szanto schrieb das kleine Gemälde Kalf zu
datiert, Leinwand, 69x89,5 cm, Inv. Nr. SK-A-3988. Bde., Den Haag 1729-1769, Bd. 2, S. 266: »dat hy (siehe »Pour Jacques Linard, peintre de natures mor-
6 Segal, 1988, S. 189, wies bereits beiläufig auf diesen een van de konstrijkste Schilders is geweest in het tes (Troyes, 1597 - Paris, 1645)«, Bulletin de la Socicte
Einfluss hin. verbeelden van versehe Limoenen, Oranjeappelen, de l'histoire de Kart fran^ais, 2001 [2003 publiziert],
7 Zuletzt im Kunsthandel Johnny van Haeften, Lon­ Goude und Zilvere Vaazen und Drinkschaalen, Ag- S. 36, 38 [Abb. 14]), Philippe Nusbaumer schien das
don 1979. aaten- und Paarlemoere koppen, Kristalle kelken und Gemälde nur aus dem Artikel von Szanto zu kennen,
8 Siehe F.G. Meijer, op.cit. Anin. 4, S. 99-109. Das Bokaalen, Zeehoorns und Zeeschulpen.« also als Kalf, denn er nahm es nicht in seinen Katalog
Gemälde ist die Nr. A 22 in der Addenda und Cor­ 26 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 122, Abb. 129, Kat. Nr. 125, der Werke Linards auf (siehe Anm. 42), weder als Li­
rigenda zu Grisebachs Katalog an anderer Stelle in Abb. 133 und Kat. Nr. 126, Abb. 134 (hier Abb. 16). nard, noch als abgeschriebenes Werk.
dieser Publikation. 27 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 122, Abb. 129. 45 Die kleinen Holztafeln, auf die die Stilleben im
9 A. Bredius (Hrsg.), Künstler-Inventare. Urkunden 28 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 141, Abb. 129 (hier Kat. Mauritshuis gemalt wurden, sind eher holländisch
zur Geschichte der holländischen Kunst des XVIten, Nr. 37). als französisch (oder flämisch). Sie sind an der Rück­
XVIIten und XVIIIten Jahrhunderts, 8 Bde., Den Haag 29 Innerhalb der datierten Arbeiten von 1662 scheint seite ziemlich grob bearbeitet und ungleichmäßig ab­
1915/22, Bd. 4, S. 1288-2191. diese Entwicklung von Grisebachs Kat. Nr. 126 (Cle­ geschrägt, anders als beispielsweise die gleichmäßig
10 A. Bredius, op. cit. Anin. 9, S. 1292: »overschildert veland), einer Komposition, die noch recht würdig ausgeführten und geweißten Tafeln von De Bout, die
und vermeerdert« und ruhig ist, über Grisebachs Kat. Nr. 125 (Schwerin Kalf in Paris ziemlich regelmäßig verwendete. Eine
" Grisebach, 1974, S. 20 und 190, Dokument 13. G 71), in dem mit der Zitronenschale und den Blät­ dendrochronologische Untersuchung der Haager
12 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 85, Abb. 92. Die Bemer­ tern der Orange schon etwas Unruhe erzeugt wird, Täfelchen kann vielleicht irgendwann einmal Auf­
kung Segals, dass die Datierung dieses Stillebens bis zu Grisebachs Kat. Nr. 122 (Schwerin G 81) zu schluss über den Zeitpunkt verschaffen, zu dem sie
in Budapest vermutlich als 1658 gelesen werden verlaufen, wo das Auge des Betrachters vergeblich benutzt wurden.
muss, ist unbegründet (Segal, 1988, S. 188 und 220, einen Ruhepunkt sucht. 46 Zum Vergleich kann der Fall von Kalfs Stadtge­
Anm. 26). 30 Philadelphia: Grisebach, 1974, Kat. Nr. 119, Abb. nossen Jacob van Walscapelle (1644-1727) herange­
” Grisebach, 1974, S. 135 und 141 (von dem Grise­ 122; Schwerin: Grisebach, 1974, Kat. Nr. 122, Abb. zogen werden. Bis vor einigen Jahren nahm man an,
bach die Datierung als schwer entzifferbar aufnahm, 129. dass Van Walscapelle 1685, nachdem er eine Stelle bei
1679 oder 1680, die man jetzt aber mit Sicherheit als 31 Das erste befindet sich als Dauerleihgabe im Ste­ der Amsterdamer Gilde der Tuchhändler angetreten
1680 lesen kann, siehe Kat. Nr. 37). Die Datierung delijk Museum Het Prinsenhof in Delft, Grisebach, hatte, mit dem Malen seiner Blumen- und Früchte­
1678 auf dem Gemälde in Kopenhagen (Kat. Nr. 36) 1974, Kat. Nr. 93, Abb. 101 (hier Abb. 1 bei Kat. Nr. stilleben aufhörte. Vor kurzem sind jedoch einige
kann nach kürzlich erfolgter Reinigung höchstens 35). Seine Komposition ist fast identisch mit der von datierte Gemälde von seiner Hand aus den neunziger
als 167 entziffert werden (Mitteilung J. Giltay, Mai Grisebach, 1974, Kat. Nr. 92 (hier Kat. Nr. 35). Das Jahren aufgetaucht, die das Gegenteil beweisen.
2006). Gemälde in Indianapolis ist Grisebach, 1974, Kat. Nr. 47 Siehe hierzu auch den Text bei Kat. Nr. 37.
14 Zitiert von Grisebach, S. 1974, S. 32. 135, Abb. 145 (hier Abb. 3 bei Kat. Nr. 35).
r* Grisebach, 1974, Kat. Nr. 85 und 91. Die Datierung 32 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 119, Abb. 122.
eines zweiten Gemäldes, das von Grisebach mit der 33 Vgl. Grisebach, 1974, Kat. Nr. 75, Abb. 84, Kat. Nr.
Datierung 1658 aufgenommen wurde, verschwand 76, Abb. 82 und Kat. Nr. 78, Abb. 86 (hier Abb. 1 bei
bei der Reinigung. Für weitere Informationen hierzu Kal. Nr. 25).
siche Kat. Nr. 35. 34 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 85, Abb. 92 (hier Abb. 11),
Grisebach, 1974, Kat. Nr. 86, Abb. 93. Kat. Nr. 91, Abb. 94 (hier Abb. 12) und Kat. Nr. 95,
1 Eine Version mit einem Querformat wurde von Abb. 104 (hier Abb. 13).
Grisebach mit Recht als Kopie aufgenommen (Grise­ 35 1661: Grisebach, 1974, Nr. 106, Abb. 114 und Nr.
bach, 1974, Kat. Nr. 91a). Onno Ydema, Carpets and 107, Abb. 110; 1662: Grisebach, 1974, Nr. 115, Abb.
their Datings in Nctherlandish Paintings 1540-1700, 124 (hier Kat. Nr. 30), Kat. Nr. 116, Abb. 125 und Kat.
Zutphen 1991, S. 62, 160-162, identifizierte Kalfs Nr. 117, Abb. 128 (hier Kat. Nr. 31).
Tischteppich als persischen Ursprungs und eines 30 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 108, Abb. 111.
Typs, der am häufigsten auf holländischen Gemälden 37 Das erste: Grisebach, 1974, Kat. Nr. 114, Abb. 126,
vorkommt, von dem es aber heute nur noch wenige die anderen beiden: Grisebach, 1974, Kat. Nr. 139,
Exemplare gibt. Abb. 150 und Kat. Nr. 140, Abb. 151. Letzteres ist üb­
18 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 94, Abb. 103, Kat. Nr. 95, rigens dahingehend schwer zu beurteilen, da es nicht
Abb. 104 (hier Abb. 13), Kat. Nr. 96, Abb. 105 und als Original zu Kalfs CEuvre zu gehören scheint. Siehe
Kat. Nr. 97, Abb. 106 (hier Abb. 14). die Addenda und Corrigenda zu Grisebachs Katalog,
19 Eine wichtige Rolle spielt es noch in einem der Nr. B 16, an anderer Stelle in dieser Publikation.
Topstücke Kalfs, in dem Gemälde in der Eremitage, 38 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 135, Abb. 145 (hier Abb. 3
St. Petersburg (Grisebach, 1974, Kat. Nr. 79, Abb. 88 bei Kat. Nr. 35).

Das Amsterdamer CEuvre Willem Kalfs in der Perspektive - Fred G. Meijer 103
22 Stilleben mit Muscheln und einem Kästchen mit Korallen

enn etwas einen Malertraum von nard, dem Kalf in Paris begegnet sein muss.2 Die Öl auf Leinwand, 54 x44 cm

W »Farbe und Licht aus Dunkelheit recht malerische Technik der Muschelstilleben Zürich, Kunsthaus, Ruzicka Stiftung,
Inv. Nr. R 52
geboren« erregen kann, dann wohl Kalfs, die an die seiner bäuerlichen Interieurs
dieses aus fernen Ländern herbeigeschaffte Mär- erinnert, besonders aber die ungewöhnliche Provenienz:
chenout«, schrieb H.E. van Gelder 1941 in sei- Wiedergabe des Perserteppichs, namentlich auf Versteigerung Genf, Moos, 25. Mai 1935, Kat.
nem Aufsatz über Kalf und meinte dabei dieses dem Gemälde in Heino (Kat. Nr. 23), könnten Nr. 75, Taf. 17; Kunsthandel W. Paech, Ams­
Gemälde. »Prächtig ist in diesem Fall die sam­ darauf hinweisen, dass diese Bilder am Anfang terdam, 1935; Kunsthandel Colman, London,
1938, Sammlung Norris, London, 1939; Ver­
tige Faktur, wobei der empfindliche Pointillis­ seiner Amsterdamer Schaffensphase oder sogar steigerung London, Sotheby’s, 11. Juni 1947,
mus, den auch Vermeer verwendete, in hohem kurz davor entstanden. Kat. Nr. 10; Sammlung Prof. Dr. L. Ruzicka,
Maße zu diesem Effekt beitrug.«1 Und tatsäch­ Kalf malte nur wenige Muschelstilleben. Ge­ Zürich, 1951; Zürich, Kunstbaus (Schenkung
lich scheint Kalf die Technik für seine Muschel­ genwärtig sind fünf solcher Darstellungen be­ Ruzicka).
stilleben dem märchenhaften Charakter seines kannt: das Gemälde in Heino (Kat. Nr. 23), zwei
Ausstellung:
Themas angepasst zu haben. Sogar das Funkeln kleine Pendants im Mauritshuis in Den Haag
Mostra di pittura olandese del Seicento, Palaz­
des vergoldeten Silbers auf Kat. Nr. 23 erscheint (Abb. 20 und 21 auf S. 101), das hier beschriebe­ zo delle Esposizioni, Rom, 1954, Nr. 71.
diffuser als auf seinen anderen Stilleben und ne Gemälde und ein sehr ähnliches Bild, das erst
auch seine Perserteppiche wirken lockerer als nach der Publikation von Grisebachs Monogra­ Literatur:
sonst irgendwo. Somit lassen sich diese Gemälde phie zum Vorschein kam (Abb. I).3 Van Gelder, 1941, S. 56 (Abb.), 57 (Detailabb.)»
58; Bergström, 1956, S. 283; H. Gerson, De
noch schwerer datieren als das allgemein schon Es stellt sich die Frage, ob Kalf seine Mu­
Nederlandse schilderkunst, Bd.2, Amsterdam
bei Kalfs Stilleben der Fall ist. Grisebach nahm schelbilder als Auftragswerke anfertigte oder in 1962, Abb. 177; Grisebach, 1974, Kat. Nr. 142,
die Muschelstilleben gesondert, am Ende seines Eigeninitiative, doch eine gesicherte Antwort Abb. 156; Segal 1988, S. 92, 214 Anm. 46.
CEuvrekatalogs auf und merkte an, dass ihre Da­ gibt es darauf nicht. Jedenfalls sind einige der
tierung problematisch sei, sie aber vermutlich abgebildeten Muscheln auf mehr als nur einem
an das Ende von Kalfs Malerlaufbahn platziert Gemälde zu sehen. Die auf diesem Zürcher Ge­
werden müssten. Ein ergänzendes Argument für mälde gezeigten murex, conus imperialis und ro­
eine frühe Datierung ist hingegen die Verwandt­ ten Korallenzweige sind auch auf dem Gemälde Anmerkungen
schaft mit den Muschelstilleben von Jacques Li- aus Heino wiedergegeben (Kat. Nr. 23), obwohl 1 Van Gelder, 1941, S. 58.
Kalf die bizarr geformte Koralle auf jedem der 2 Siehe hierzu S. 94ff.
1 Willem Kalf, Stilleben mit Muscheln und drei Bilder, auf denen sie abgebildet ist (Zürich, ■' Die beiden kleinen Gemälde im Maurits­
Schmuckkästchen, Öl auf Leinwand, 53 x 43 cm. Heino, und Abb. 1), völlig willkürlich modelliert huis (Inv. Nr. 971 und 972; Grisebach, 1974,
Kat. Nr. 144-145, Abb. 158-159) sind auf
Privatsammlung, USA. und sie den Erfordernissen seiner Komposition Holz gemalt, jedes misst 25 x 33 cm und jedes
angepasst zu haben scheint. Die Wiedergabe ist signiert mit: W. KALE Auch die Entschei­
dieser Muscheln auf mehreren Stilleben, zudem dung, Holz zu verwenden, könnte für eine
in verschiedenen Positionen, lässt vermuten, frühe Datierung sprechen, da Kalf in seiner
dass der Maler selber eine Muschelsammlung Pariser Zeil für die bäuerlichen Interieurs
häufig Holztafeln verwendete, während aus
besaß oder ihm zumindest eine solche Samm­ seinen Amsterdamer Jahren nur zwei Werke
lung zugänglich war. Aber warum malte Kalf auf Holz bekannt sind. Bei dem einen handelt
(sofern wir wissen) dann nur so wenige Mu­ es sich um das früheste datierte Amsterda­
schelstilleben und weshalb spielen Muscheln auf mer Stilleben aus dem Jahr 1653 (Kat. Nr. 24),
seinen anderen Stilleben überhaupt keine Rol­ das andere befindet sich in Portland, Oregon
(Grisebach, 1974, Kal. Nr. 140, Abb. 151). Für
le?1 Hatten diese Darstellungen doch nicht den das Gemälde in Privatbesitz (Abb. 1) siehe
vom Maler beabsichtigten Erfolg? Oder standen auch das Kapitel Addenda und Corrigenda an
ihm etwa die Muscheln nicht mehr zur Verfü­ anderer Stelle in dieser Publikation, Nr. A 26.
gung? Vielleicht hatte er aber einfach auch das ’ Abgesehen von der Turbo-Muschel auf
einem möglicherweise Kalf zuzuschreiben­
Gefühl dieses Thema erschöpfend behandelt zu
den Gemälde, bei dem es sich vermutlich um
haben und wollte sich nun mit anderen Dingen ein Fragment handelt (siehe meine Addden-
beschäftigen. da und Corrigenda zu Grisebachs Katalog,
FGM S. 160JT., Nr. B 15, mit Abb.), und der Muschel
auf der verwandten vermutlichen Kopie Gri­
sebach, 1974, Verz. Nr. C 24 (abgebildel bei
Nr. B 15 in meiner Addenda und Corrigen­
da), sind beides Werke, die mit Kalfs Pariser
Produktion in Verbindung gebracht werden
können.

104 Die Amsterdamer Stilleben


23 Stilleben mit Muschelpokal, Muscheln, Korallen
und einem Lackkästchen

ie Muschelstilleben von Willem Kalf der Darstellung zu betonen. Die chinesischen Öl auf Leinwand, 53,5x44,5 cm

D sind vielleicht stärker als seine anderen Lackkistchen, die auf den Gemälden aus Heino Signiert auf der Plinthe, rechts, in Grau: W. KALF
Stilleben ein stilles Zeugnis des hollän­ und dem Mauritshuis abgebildet sind, verstär­ Heino, Museum de Fundatie, Inv. Nr. 2131
dischen Handels im 17. Jahrhundert. Der Über­ ken den exotischen Charakter der Darstellung. Provenienz:
seehandel war für die Republik der Sieben Ver­ Auf dem Kistchen in dem hier oben erwähn­ Möglicherweise Versteigerung Berlin, Lepke,
20. März 1900, Kat. Nr. 11; im November 1901
einigten Niederlande Quelle großen Wohlstandes ten Gemälde (Abb. 1, S. 104), das dem Zürcher in Berlin; Kunsthandcl E. Bolton, London,
und brachte eine reiche Auswahl an exotischen Bild verwandt ist, ist noch vage der Schild einer 1924; Versteigerung London, 18. Juni 1924,
Objekten und Naturalien in deren Gebiete. Dies Schildkröte zu erkennen. Auch er hat einem Kal. Nr. 66; Versteigerung Amsterdam. F. Mul­
hatte eine wachsende Sammelkultur zur Folge. Es Lebewesen als »Haus« gedient und ist darüber ler & Co., 25. November 1924, Kat. Nr. 50, Abb.;
entstanden unzählige »Kabinette«, in denen eine hinaus ein verhältnismäßig exotisches Objekt. Kunsthandel A. W. Mensing, Amsterdam, 1926;
Versteigerung Amsterdam, F. Muller & Co.,
Auswahl solcher Gegenstände aufbewahrt wurde, Aufgrund seiner Verwendung als Dekor, wurde
10./11. Dezember 1935, Kat. Nr. 919; an Kunst­
und ihre Besitzer konnten damit eine gute Figur Schildpatt enorm geschätzt und auch das Perl­ handel D.A. Hoogendijk, Amsterdam, 1940-
machen und ihre Gelehrsamkeit zeigen. mutt größerer Muscheln fand großen Absatz bei 1949; Sammlung D. Hannema, Schloss Weldam
Dennoch war das Interesse an so exotischen der Produktion vieler Nippes. Stilleben, in denen bei Goor/Schloss Het Nijenhuis, Heino; Muse­
Objekten wie fremdländischen Muscheln nicht Muscheln die Hauptrolle spielen, machen einen um de Fundatie, Schloss Het Nijenhuis, Heino.
nach jedermanns Geschmack. Schon 1614 wid­ kleinen aber wichtigen Teil der holländischen Ausstellungen:
mete Roemer Visscher in seinen Sinnepoppeti Stillebenproduktion aus. Dennoch gibt es nur Nederlandse stillevens uit vijf eeuwen, Den
diesem Umstand ein Emblem. Über der Abbil­ einige wenige Gemälde mit diesen Darstellun­ Haag, Gemeentemuseum, 1926, Kat. Nr. 65;
(Jude kunst uit Twents particulier bezit, Almelo,
dung einer (auf dem Strand liegenden) Muschel­ gen. Bei den Flamen finden wir sie so gut wie Waaggebouw, 1953, Kat. Nr. 24, Abb. 50; Ne­
sammlung ließ er den Text »es ist widerlich, wo­ gar nicht. Die ersten holländischen Muschel­ derlandse stillevens uit vier eeuwen, Dordrecht,
für ein Narr sein Geld ausgibt« abdrucken - ein stilleben wurden vermutlich von Balthasar van Dordrechts Museum, 1954, Kat. Nr. 61; Kunst­
unmissverständlicher Kommentar.1 Dessen der Ast (1593/94-1657) in den dreißiger Jahren schatten uit Nederlandse verzamelingen, Rot­
ungeachtet konnte der Holländer des 17. Jahr­ des 17. Jahrhunderts in Delft gemalt. Der letzte, terdam, Museum Boymans, 1955, Kat. Nr. 81,
Abb. 124; Natures niortes hollandaises 1550-
hunderts ohne weiteres in diesen besonderen der sich auf dieses Thema konzentrierte, scheint 1950, Luxemburg, Musee de l’Etat/Luik, Mu-
Naturalien auch die Hand Gottes erkennen. Der Adriaen Coorte (tätig 1683-1707 oder später) see des Beaux-Arts, 1957, Kal. Nr. 40, Taf.27;
Pfarrer und Muschelsammler Francois Valentijn gewesen zu sein. Er produzierte zwischen 1696 Het Hollandsc stilleven 1550-1950, Eindhoven,
(1656-1727) verteidigte sich seinen Kritikern ge­ und 1698 eine kleine Anzahl atemberauben­ Stedelijk Van Abbemuseum, 1957-1958, Kat.
genüber mit der Bemerkung, dass es, wenn Gott der Muschelstilleben. Keines von ihnen, auch Nr. 40; The Age of Rembrandt - Dutch paintings
and drawings of thc 17th Century (Japanischer
sich mit der Schöpfung dieser Dinge beschäftigt nicht die Darstellungen von Van der Ast, scheint Text), Tokio, The National Museum of Western
hatte, doch keine Narretei sein könne sie zu be­ einen spezifischen Einfluss auf Kalfs Interpreta­ Arl/Kioto, Municipal Museum, 1967-1968,
wundern und genießen zu wollen.2 tion des Genres gehabt zu haben. So wie Kalfs Kat. Nr. 31, Abb.; El siglo de Rembrandt, Mad­
Das Prunkstück auf diesem Gemälde ist eine Stilleben im Allgemeinen zu den elegantesten rid, Museo del Prado, 1985-1986, Kat. Nr.23,
große polierte Muschel (turbo mannoratus), in und vornehmsten Darstellungen dieser Art des Abb.; A prosperous past. The sumptuous still-life
in the Netherlands 1600-1700, Delft, Stedelijk
teils vergoldetem Silber gefasst, mit einer Neptun­ 17. Jahrhunderts gehören, gilt dies auch für sei­ Museum Het Prinsenhof/Cambridge (Mass.),
statue im Fuß. Dieses Objekt entstammt vermut­ ne Muschelstilleben.5 Fogg Art Muscum/Fort Worth, Kimbell Art
lich Kalfs Phantasie, denn im untersten Teil dieses FGM Museum, 1988-89, Kat. Nr. 16.
Fußes ist das entsprechende Stück der Fassung ei­ Literatur:
nes venezianischen Glases zu erkennen, das auf Bergström, 1956, S. 281, 283, Abb. 232; D. Han­
dem 1663 entstandenen Gemälde in Cleveland nema, Kunst in Oude sfeer, oude en moderne
wiedergegeben ist.3 Ein kleiner Putto, der dort kunst in het kasteel Weldam, Twente, Goor 1952,
als Zwischenstück fungiert, ist hier aus themati­ S. 30, Abb. 14; D. Hannema, Beschrijvende catalo-
gus van de schilderijen, beeldhouwwerken aqua-
schem Grund durch den Gott des Meeres ersetzt Anmerkungen rellen en tekeningen behorende tot de verzameling
worden. Auf der Marmorplatte liegen rund um 1 Roemer Visscher, Sinnepoppen, Amsterdam, 1614, Em­ van de Stichling Hannema-De Stuers Fundatie
einen Seeigel Muscheln verschiedener Herkunft, blem IV, >Tis misselijck waer een geck zijn gelt aen leijt«. in het Kasteel ’t Nijenhuis bij Heino, Overijssel,
darunter eine conus imperialis, eine conus aulicus 2 Angeführt auf S. 41 in R. van *t Zeifde, »>O seldsaem Rotterdam 1967, S.35, Kal. Nr. 150, Abb. 19; D.
dierken dat so schoon paleys bewoonet!« Exotische Hannema, Supplement 1971 van de catalogus:
und eine murex (alle aus dem indisch-pazifischen schelpen in de Noord- en Zuid-Nederlandse schilder- schilderijen, beeldhouwwerken, aquarellen en
Gebiet stammend) sowie eine Blutkoralle.1 Der kunst van de zestiende en de zeventiende eeuw«, RKD/ tekeningen [...], S.36, Kat. Nr. 150; Grisebach,
Reichtum dieser Auslage wird zusätzlich von dem Standplaats: Acadeniie, Delft/Zwolle 2001, S. 41-76. 1974, S. 160, 177-178, 280-281, Kat. Nr. 143,
schweren orientalischen Tischteppich und der 3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 126, Abb. 134, siehe auch Abb. 157; I. Bergström et al., Natura in Posa
Abb. 16 auf S. 98. - la gründe stagione della natura morta Euro-
Schmuckkiste aus asiatischer Lackarbeit betont.
4 Als solches identifiziert in Ausst. Kat. A Prosperous pea, Mailand 1977 (Deutschsprachige Ausgabe
In jedem der Muschelstilleben von Kalf ist Past [...], S. 92. 1979), S. 196, Abb.; Segal 1988, S. 92,95,232, Kat.
immer auch ein (Schmuck-) Kästchen zu se­ 5 Zur Datierung von Kalfs Muschelstilleben, siehe Kat. Nr. 16; F.G. Meijer in Favorieten van Museum de
hen, zweifelsohne um den kostspieligen Aspekt Nr. 22. Fundatie, Zwolle 2005, S.48, mit Farbabb.

Die Amsterdamer Stilleben


106
24 Stilleben mit Porzellankanne

as kleine, auf das Jahr 1653 datierte Ta­ Diesen erlesenen Gebrauchsgegenständen Öl auf Eichenholz, 44,9 x 35,7 cm

D felbild ist der ungewöhnliche Auftakt eines gehobenen Haushaltes werden delikate Bezeichnet unten rechts: W. Kalf.1653
München, Bayerische Staatsgemäldesamm­
zu Kalfs Amsterdamer Zeit nach seiner Südfrüchte als gleichwertige Kostbarkeiten bei­ lungen, Alte Pinakothek, Inv. Nr. 10763
Rückkehr aus Paris 1646. Die Zäsur zwischen gegeben. Sie wurden aufgrund ihres langwieri­
dem letzten datierten Stilleben der vorausge­ gen Transportes aus fernen Ländern seinerzeit Provenienz:
henden Werkphase, das sich früher in Warwick als besondere Raritäten gehandelt. Die größte Sammlung Baron Henry de Mecklenbourg,
Castle befand, und dem hiervorgestellten könnte Aufmerksamkeit zieht eine in satt leuchtendem versteigert Paris, 1870; Sammlung Berthold
Richter, Berlin; Sammlung Joseph Block, Ber­
nicht größer sein.1 So findet sich hier nichts mehr Gelb und mit brillanten Glanzlichtern charakte­
lin; für die Bayerischen Staatsgemäldesamm­
von der verschwenderisch dicht gedrängten An­ risierte Zitrone auf sich. Ihre halb abgehobene lungen erworben aus dem Berliner Kunsthan­
häufung prunkvoller Edelmetallgegenstände in dicke Schale ist dekorativ über den Rand des del, 1940.
offenen Arrangements wie es allerdings auch Silbertellers gelegt. Während diese Frucht in
noch keinen vorausweisenden Hinweis auf die den Pariser Stilleben Kalfs als Motiv eine eher Ausstellungen:
Ausstellungen von Werken der niederländi­
ostentative Zurschaustellung einzelner kostbarer marginale Rolle spielte, erhält sie hier den pro­
schen Kunst des 17. Jahrhunderts in Berliner
Sammlungsstücke als Motive der zeitlich nach­ minenten Platz an der vordersten Bildebene. Ein Privatbesitz, Berlin, 1890, Nr. 151; Ausstellung
folgenden Gemälde gibt. Dass Kalf ein Jahr nach aufgebrochener Granatapfel mit den für ihn ty­ von Werken alter Kunst aus dem Privatbesitz
der Entstehung dieses Bildes in Amsterdam die pischen unzähligen Fruchtkernen liegt dahinter. von Mitgliedern des Kaiser-Friedrich-Muse-
Position eines angesehenen und bekannten Ma­ Auf der rechten Tischhälfte leiten zwei kleine, ums-Verems, Kaiser-Friedrich-Museum, Ber­
lin, 1906, Kat. Nr. 71; Sammlung Joseph Block,
lers inne hatte, ist ein sicheres Indiz dafür, dass samtige Pfirsiche und der reich ziselierte Knauf
Galerie Dr. A. Gold, Berlin 1928; Exhibition
er mit den, im Vergleich zu Paris unterschiedli­ eines schräg liegenden Messers den Blick in den of Dutch Art, Royal Academy, London, 1929,
chen Gepflogenheiten des Amsterdamer Kunst­ unbestimmten Hintergrund. S. 66, Kat. Nr. 240; Galerie Dr. Schaffer, Berlin,
marktes vertraut war. Ein in seinem Werk bis­ Die Zusammenstellung von Wein und Zitro­ 1932, Kal. Nr. 57
lang so ungewöhnlich schlichtes Bild wie dieses, ne als benachbarte Bildmotive ist nichts Unge­
entstand daher mit großer Wahrscheinlichkeit Literatur:
wöhnliches. Es gehörte zu den Gepflogenheiten
W. von Bode, »Ausstellung von Werken der
unter dem Einfluss der Stillebenmalerei seiner der damaligen Trinkkultur, dem süßen Wein niederländischen Kunst«, II, in Jahrbuch der
neuen Wirkungsstätte.2 die Säure der Zitrone zur Geschmacksverbes­ kgl.preuß. Kunstsammlungen 11 (1890), S. 299;
In einer von rechts nach links aufsteigenden serung beizugeben. Auch dürfte bei derartigen Warner, 1928, Tafel 56c; W. von Bode, Maler­
Komposition ordnet Kalf nur wenige Dinge auf Darstellungen der inhaltliche Verweis auf den schulen, hrsg. v. E. Plietzsch, Leipzig 1953,
einer schweren, kantigen Steinplatte an. Im Un­ S.385; Bergslröm, 1956, S.280f, Abb.227;
übermäßigen Genuss von Wein und den daraus
Katalog r\lte Pinakothek III, Holländische Ge­
terschied zu den meisten Stilleben Kalfs wird die abgeleiteten Appell an das Maßhalten durchaus mälde des 17. Jahrhunderts, bearb. v. E. Broch­
bildparallel geführte Platte von den Bildrändern noch mitgeschwungen haben (vgl. Kat. Nr. 34). hagen und B. Knüttel, München 1967, S.39;
überschnitten, ihre Oberfläche ist in diesem Fall Beim Granatapfel tradiert sich seit der Antike Pilz-von Stein, 1965, S. 61-64, 88, 133, Nr.61;
unpoliert und der obligatorische, in Falten zu­ eine sinnbildhafte Ausdeutung als verführeri­ Grisebach, 1974, S. 152f., 154, 155, 156, 157,
Kal. Nr. 72, Abb. 83; P. Eikemeier, in Alte Pi­
sammen gebauschte orientalische Teppich fehlt. sche Frucht.1 Auch wenn Kalf und die gebildeten
nakothek München. Erläuterungen zu den
Der im diffusen Dunkel gehaltene Hintergrund Käufer seiner Werke Kenntnis von der spezifi­ ausgestellten Werken, München 1983, S. 268,
wird durch eine andeutungsweise zu erkennende schen Symbolik der dargestellten Früchte besa­ Abb.; Sega), 1988, S. 188-189, Abb. S. 189; Alte
Nische charakterisiert, ein architektonisches Mo­ ßen, fiel seine Wahl auf diese Bildmotive wohl Pinakothek. Ein Rundgang durch die Samm­
tiv, das Kalf mehrfach verwendet und vermutlich eher aus ästhetischen als aus theoretischen Be­ lung, hrsg. v. d. Bayerischen Staatsgemäldes­
ammlungen, München 1991, S. 237, Abb.; E.
in den meisten seiner Stilleben vorhanden war, weggründen. So scheint Kalf bei den gewählten Gemar-Koellzsch, Holländische Stillebenma-
was heute aufgrund der oft nachgedunkelten Objekten nicht nur von dem Seltenheitswert, ler im 17. Jahrhundert, Bd.2, Lingen 1995,
Hintergründe aber nicht immer verifizierbar ist? sondern auch von der Schönheit ihrer äußeren Nr. 194/195, S. 543-544; R. an der Heiden, Die
Als vertikale Elemente arrangiert Kalf eine ele­ Erscheinung ausgegangen zu sein. Was späte­ Alte Pinakothek. Sammlungsgeschichte, Bau
gante chinesische Porzellankanne hinter einen re Kunsttheoretiker wie Gerard de Lai resse als und Bilder, München 1998, S. 519; H. Kretsch­
mer, Abenteuer Kunst, München 2001, S.99,
großen, halbgefüllten Römer, der die Mittelachse Mangel bezeichneten, nämlich dass Kalfs Male­ Farbabb.; S.Grohe, Stillleben. Meisterwerke
des Bildes beherrscht. Das Glas ist auf einem aus­ rei »keine Rechenschaft geben konnte, warum der holländischen Malerei, München 2004,
ladenden, fast über die gesamte Tischbreite und sie dies oder jenes darstellte«5, macht in diesem S. 1141'., Abb.; Alte Pinakothek, Ausgewählte
die vordere Kante ragenden Silberteller platziert. Fall gerade den besonderen Reiz des kleinen Bil­ Werke, hrsg. v. d. Bayerischen Staatsgemälde­
des aus. Fast scheint es, als hätte Kaifeine unge­ sammlungen, München/Köln 2005, S. 184,
Mit seinem unregelmäßig vorspringenden Rand
Farbabb. S.185.
stellt der Teller in Kalfs Motivrepertoire ebenso nügende inhaltliche Bedeutung mit den Mitteln
ein Unikat dar, wie die enghalsige, in floralem einer exzellenten Malweise wettmachen wollen.
Blau-Weiß-Dekor bemalte Kanne mit montier­ In virtuosem Lichterspiel versteht er es, die Ge­
ten Silberdeckel und der Römer mit seiner unge­ genstände aus dem sie umgebenden Dunkel her­
wöhnlich breiten Kuppa. aus zu leuchten: Er betont das glänzende Silber

108 Die Amsterdamer Stilleben


--
1
des Tellers und die Glätte der Kannenwandung, satter aufleuchten als bei einem Leinwandbild. Anmerkungen
zeigt die Reflexe im Glas des Römers, dessen Und Kalfs geschickte Farbsetzung wird beson­ 1 Vgl. Grisebach, 1974, Kat. Nr. 70, Abb. 71.
Rundung allein durch das Licht erst fassbar ders an der Stelle deutlich, an der das kühle 2 Vgl. Grisebach, 1974, S. 113 und den Auf­
satz von Fred G. Meijer in diesem Katalog
wird. Vor allem aber gilt seine Aufmerksamkeit Blau des Kannendekors mit dem Rot des Gra­ S. 94 ff.
den unzähligen Glanzlichtern zur Andeutung natapfels und dem Gelb der Zitrone als den drei 3 Vgl. Grisebach, 1974, S. 114, Anm. 245.
der kantigen, saftgefüllten Granatapfelsamen, Grundfarben aneinander treffen und so in ihrer 4 Mit seinen vielen Samenkernen ist der
die ihre Entsprechung in den vielfachen Licht­ Leuchtkraft eine gegenseitig Intensivierung er­ Granatapfel in der Antike Symbol der Frucht­
punkten der Nuppen am Stiel des Römers fin­ fahren. barkeit und als solches Attribut der Götter.
Persephone soll nach dem Genuss eines
den, während die Zitrone ganz aus ihrem Inne­ Das vergleichsweise sparsame Repertoire an Granatapfels ihrem Entführer Hades, dem
ren heraus zu leuchten scheint. Gegenständen und der lockere Farbauftrag wei­ Gott der Unterwelt, verfallen sein. In der Em-
Mit diesem Beispiel führt Kalf die Zitrone sen auf die nachfolgende Stillebenmalerei vor­ blematik erscheint der Granatapfel als Sinn­
auch als eine Art »Markenzeichen« ein, mit dem aus, bei der malerische Valeurs eine große Rolle bild der Verbindung des Bitteren mit dem
er viele seiner späteren Bilder »signiert« und an spielen, wie beispielsweise denen von Jean-Bap- Süßen.
5 Zit. nach: J. Becker, »Das Buch im Stilleben«,
dem er im Detail seine koloristischen wie kom­ tiste Simeon Chardin (1699-1779).7 Die abge­ in Ausst. Kat. Stilleben in Europa, Münster/
positorischen Fähigkeiten zeigen konnte. Das bildeten, zum Gebrauch bestimmten Objekte Baden-Baden 1979/80, S. 472, vgl. auch Kat.
Gemälde zeigt einen lockeren, dünnflüssigen, entziehen sich weitgehend der inhaltlichen Deu­ Nr. 34.
fast bis auf die Grundierung durchscheinenden tung, die Verselbständigung des »Malerischen« 6 Vgl. Grisebach, 1974, S. 153.
Farbauftrag, so dass die Malweise an die spä­ erreicht hier bei Kaifeinen Grad an Vollendung ' Siehe dazu den Aufsatz von Fran^oise Joulie
in diesem Katalog S. 156ff.
ten Bauerninterieurs der Pariser Zeit erinnert.6 und kunstvoller Ausgewogenheit, die dem klei­
Kaum ein anderes seiner Werke besitzt eine der­ nen Stilleben die Qualität eines Bildes von hoher
art starke Farbigkeit wie das Münchner Bild. Auf Zeitlosigkeit verleiht.
Holzgrund gemalt, können die einzelnen Töne SB

[)ie Amsterdamer St Hieben


110
25 Stilleben mit Trinkliom der Amsterdamer
St. Sebastians-Schützengilde, Hummer und Gläsern

illem Kalt"besaß eine ausgesprochene Gerade das Querformat dieses Gemäldes be­ Öl auf Leinwand, 86,4 x 102,2 cm

W Vorliebe für Hochformate. Dennoch stimmt auch seine Stärke. Das wird besonders Signiert, links unten: W. Kalf
London, National Gallery, Inv. Nr. 6444
gehören gerade viele der Querforma­ deutlich, wenn wir es mit der von Kalf gemalten
te zu den Höhepunkten in seinem CEuvre, wobei hochformatigen Variante vergleichen (Abb.l).1 Provenienz:
dieses Gemälde aus London keine Ausnahme Dort hatte sich der Maler dafür entschieden un­ Möglicherweise in der Sammlung des Wein­
darstellt. ter und über dem Stilleben etwas mehr Raum zu händlers Arnout Stevens, Amsterdam (Inven­
lassen und dem Teppich einen größeren Anteil tar vom 28. Januar 1706); Versteigerung Ams­
Außergewöhnlich ist allerdings das sofort ins
terdam, 31. März 1706, Kat. Nr 1; Sammlung
Auge springende Motiv dieses Stillebens: der in der Komposition einzuräumen. Obwohl das William Newall, London, ca. 1860; Sammlung
enorme, vom Kochen rotgefärbte Hummer. Er noch immer ein sehr eindrucksvolles Gemälde Robert Sterling Newall, 1938; 1978 von die­
bestimmt zusammen mit dem ebenso imposan­ ergibt, ist das Resultat bei weitem nicht so mo­ sem nach einer langen Zeit als Dauerleihgabe
ten Trinkhorn dahinter das Bild und wird durch numental wie im Fall des hier gezeigten Bildes der National Gallery, London, als Legat ver­
die helle gelbe Zitrone zwischen seinen Scheren aus der Londoner National Gallery. macht.
optisch in den Raum gezogen. Die übrigen Ge­ Einen gekochten Hummer sieht man auf vie- Ausstellungen:
genstände auf dem Gemälde - ein Messer, ein len Stilleben des 17. Jahrhunderts. Er wurde von Exhibition of 17th-century Art in Europe,
auf der bekannten Silberschale stehender Römer, den Malern nicht nur wegen des kräftigen roten London, Royal Academy of Arts, 1938, Kat.
eine weiße Serviette, ein Brötchen, drei kostbare Farbakzents dargestellt, den sie damit in ihre Nr. 191; Art in Seventeenth-century Holland,
venezianische Gläser und ein persischer Tisch­ Kompositionen einbauen konnten, sondern auch London, National Gallery, 1976, Kat. Nr. 64,
Abb.; A Prosperous Past. The Sumptiious Still
teppich - dienen vor allem der Festlegung von wegen seiner faszinierenden, exotischen Anato­ Life in the Netherlands 1600-1700, Stedelijk
Bildtiefe und -Stimmung. Der Untersatz des Ti­ mie. Besonders die Antwerpener Stillebenmaler, Museum Het Prinsenhof, Delft/Fogg Art Mu­
sches besteht ebenfalls aus Stein und ist mit ge- allen voran Jan Davidsz. de Heern, setzten den seum, Cambridge (Mass.), Kimbell Art Mu­
meißelten Bildwerken versehen. Wirsehen noch Kunstliebhabern gerne Hummer vor. Doch sel­ seum, Fort Worth (Texas) 1988-1989, S. 179
den Kopf und einen Arm von einem tragenden ten spielte dieses Tier eine so prominente Rolle (Farbabb.), 188-189, 192, 220 Anm. 24-29,
248, Kat. Nr. 54; Het Ncderlandse stilleven
Putto. wie hier bei Kalf. Und obwohl der Maler (und/ 1550-1720, Amsterdam, Rijksmuseum, 1999,
oder seine Käufer) angesichts der Wiederholung Kat. Nr. 49, Farbabb.
des Bildes mit dieser Themenwahl zufrieden
gewesen sein müssen, stellte er nie wieder ein Literatur:
derartiges einzelnes, großes und farbenfrohes G. Hoet, Catalogus of naamlyst van schilde­
rten, niet derzclver prysen [...], 2 Bde, Leiden
Motiv in den Mittelpunkt seiner Kompositio­ 1752, Bd. 1, S.85-87; A. Bredius, »Rembrand-
nen. Es ist anzunehmen, dass die hochformatige tiana«, Oud Holland 42 (1925), S.267-268;
1 Willem Kalf, Stilleben mit Hummer und dem
Version vor dem Londoner Gemälde entstand, Van Gelder, 1941, S. 53 (Abb.), 56, 57; R. van
Trinkhorn der Amsterdamer St. Sebastiangilde, Öl auf
da dieses Format normalerweise von Kalf ver­ Luttervelt, Kunst van Nederland. Schilders van
Leinwand, 130 x 110 cm. Verbleib unbekannt. het Stilleven, Naarden 1947, S. 57; L. Thys­
wendet wurde. Überdies erfüllt der Stuhl links
sen in Ausst. Kal. Gabriel Metsu, Stedelijk
vorne in dem Hochformat eine viel deutlichere Museum De Lakenhai, Leiden 1966, S. 133;
Funktion als Repoussoir, das heißt als ein Ge­ Grisebach, 1974, S. 119, 120, 122 Anm. 266,
genstand, der Tiefe in die Komposition bringt. 123-124, 155, 156, 157, 167 Anm. 375,
Vielen Betrachtern wird nicht sofort klar sein, 244-245, 278, 279, Kal. Nr. 77, Abb.85; B.
was sie da eigentlich in der linken unteren Ecke Haak, Hollandse schilders in de Gouden Eeinv,
Amsterdam 1984, S. 495, Abb.; N. McLaren &
des Londoner Gemäldes sehen. Ein Weglassen C. Brown, The Dutch School 1600-1900, Lon­
der Stuhllehne auf diesem Bild hätte keine dra­ don 1991, S. 213-214, Taf. 183; Ydema, 1991,
matischen Folgen für die Wirkung der Kompo­ S. 160, Nr. 439.
sition. Anders im Hochformat, wo es einen ent­
scheidenden Eingriff in das Erscheinungsbild
der Darstellung bedeuten würde.
Bei dem großen Trinkliom hinter dem Hum­
mer handelt es sich um einen bekannten Gegen­
stand. Es wurde um 1565 für die Amsterdamer
Schützengilde angefertigt und zum Zeitpunkt
der Entstehung dieses Gemäldes noch immer
bei den offiziellen Zusammenkünften dieser St.
Sebastians-Schützengilde benutzt. Der Pokal be­
steht aus einem in Silber gefassten Büffelhorn.2
Wie andere Trinkhörner, zum Beispiel der 1566

Die Amsterdamer Stilleben


angefertigte Pokal der St. Joris-Armbrustschüt- Luttichuys für sein 1656 entstandenes Stilleben Anmerkungen
zengilde oder der 1547 entstandene Pokal der mit einem großem Hummer (Abb. 1 auf S. 150) 1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 78, Abb. 86. Das
letzte Mal ist dieses Gemälde im Jahre 1935
Schützengilde5, wurde auch dieses Objekt auf speziell von dieser Komposition anregen ließ, im Kunsthandel Dr. Karl Lilienfeld in New
Schützenbildern wiedergegeben. Doch offen­ kann nicht bestätigt werden.7 Luttichuys Scha­ York öffentlich zu sehen gewesen. Einem her­
sichtlich ist dieses Horn häufig Malern als Mo­ lentier ist zwar genauso rot und prominent auf vorragenden Foto nach zu urteilen, gibt es
dell zur Verfügung gestellt worden, denn auch die Leinwand gebracht worden, hat jedoch einen keinen Grund an seiner Eigenhändigkeit zu
Gabriel Metsu gab es auf zwei seiner Genrebil­ völlig anderen Charakter als der Hummer von zweifeln, wie dies von S.Segal in dem Ausst.
Kat. A Prosperous Past. The Sunipluous Still
der wieder (Abb. 2).4 Kalf. Auch die Gesamtwirkung der beiden Ge­ Life in the Netherlands 1600-1700, Den Haag
Dieses Londoner Gemälde gehört zu einer mälde ist sehr unterschiedlich.8 Ein stichhaltiges 1988, S. 188, geäußert wurde.
Gruppe von Stilleben Kalfs, die hinsichtlich ih­ Argument für die Datierung unseres Gemäldes 2 Das Trinkhorn befindet sich im Besitz des
rer Chronologie zwischen dem 1653 datierten kann das Gemälde von Luttichuys demnach Amsterdams Historisch Museum, Inv. Nr. KA
Stilleben in München (Kat. Nr. 24) und dem nicht wirklich liefern. 13966. Siehe weiter den Artikel von Alexandra
Gaba-van Dongen über Kalfs Objekte an an­
1659 datierten Gemälde eingeordnet werden Auch wenn dieses Gemälde - ausgehend von derer Stelle in dieser Publikation.
können. Eine starke Verwandtschaft zeigen be­ einer Datierung in die Mitte der fünfziger Jahre 3 Amsterdams Historisch Museum, Inv.
sonders die Gemälde in Prag und Le Puy sowie - verhältnismäßig früh in Kalfs Amsterdamer Nr. KA 13965, und Rijksmuseum, Amster­
ein Exemplar in unbekanntem Privatbesitz.5 In Schaffensphase eingeordnet werden muss, hat dam, Inv. BK-Am-12.
der Ausführung steht die querformatige Version der Maler hier dennoch bereits eine eindrucks­ 4 Dieser Pokal ist links auf dem Porträt der
Vorstandsmitglieder der Handbogenschützen
dieser Komposition (Abb. 1) dem Münchner volle Subtilität erreicht, die er später kaum noch von Bartholomeus van der Heist, Amsterdams
Bild noch am nahesten, das hier gezeigte Ex­ übertreffen sollte. Die Entscheidung mehrere Historisch Museum, Inv. Nr. SA 7329 und auf
emplar aus London ist bereits etwas zarter und Materialien wiederzugeben gab ihm die Mög­ Gabriel Metsus Gemälden in Kassel (Gemäl­
subtiler in der Wiedergabe der Materialien, be­ lichkeit ihre Texturen eingehend zu untersuchen degalerie Alte Meister, Inv. Nr.GK 301) und
sonders des Teppichs, aber auch des Silbers. Eine und wiederzugeben und sie gnadenlos mitein­ in St. Petersburg (Eremitage, Inv. Nr.920) zu
sehen, auf letztgenanntem Bild übrigens zu­
Datierung in das Jahr 1654 oder 1655 liegt daher ander kontrastieren zu lassen. Ein Beispiel hier­ sammen mit einer getriebenen Silberschale,
nahe.6 Grisebachs Annahme, dass sich Simon für ist die Platzierung der saftigen Zitrone auf wie Kalf sie in den meisten seiner Amster­
der Tischplatte aus Hartgestein, vor dem hellen, damer Stilleben zeigt.
Licht reflektierenden Römer und zwischen den 5 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 76 (Abb. 82), 75
Hummerscheren aus sattem Rot. In gleicher (Abb. 84) und 74 (Abb. 81).
2 Gabriel Metsu, Eine Austernmahlzeit, signiert, Öl 6 Die Auffassung, dass dieses Gemälde (und
auf Leinwand, 55,5 x 42 cm. St. Petersburg, Eremi­ Weise bilden das harte Silber und Glas in der seine Variante) noch vor dem Stilleben aus
tage, Inv. Nr. 920. oberen Hälfte des Gemäldes in allem einen Ge­ dem Jahre 1653 entstanden sein könnte (Se-
genpol zu dem schwerfällig gefalteten Teppich, gal, wie in Anm. 1, S. 189), ist aufgrund der
wo sogar die kräftigsten Linien von einer unge­ hier skizzierten stilistischen Entwicklung un­
kannten Zartheit sind. Auch hier scheint es sich haltbar.
7 Grisebach, 1974, S. 155.
bei den Lichtreflexionen schon fast um ein eige­ 8 Zu diesem Gemälde siehe meinen Beitrag
nes Thema zu handeln. Außerordentlich subtil zu Kalfs Einfluss an anderer Stelle in dieser
ist zum Beispiel die Reflexion des Glanzes vom Publikation.
Rand der Silberschale durch die glatte Tischplat­
te dargestellt.
FGM

Die Amsterdamer Stilleben


114
26 Stilleben mit Glaspokal und Porzellanschüssel mit Früchten

ei diesem Stilleben handelt es sich um Dieser Pokal ist auf mehreren Stilleben Kalfs Öl auf Leinwand, 62 x 56 cm

B eine der ruhigeren Kompositionen im zu finden, wo er manchmal auch mit einem De­ Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen,
Inv. Nr. 2503
CEuvre Willem Kalfs. Hier gibt es keinen ckel gezeigt wird. Der Bauch des Glases besteht
aufragenden, strahlend glänzenden silbernen aus so genanntem »Eisglas« mit einer künstlich Provenienz:
Gegenstand und keinen funkelnd reflektieren­ krakelierten Oberfläche. Der Fuß und die als Sammlung Oppler, Hannover; Kunsthandel
den Römer. Obwohl ein kaum beleuchtetes Flö­ Löwenmasken gestalteten Applikationen sind Dr. N. Beets, Amsterdam, 1929; Sammlung
tenglas die Komposition etwas in die Höhe zieht, vergoldet. Es handelt sich um ein venezianisches D. G. van Beuningen, Vierhoulen, 1958 vom
hat diese dennoch einen weitaus geringeren ver­ Museum Boymans-van Beuningen, Rotter­
Modell aus dem 16. Jahrhundert, doch Kalfs Ex­
dam, erworben.
tikalen Charakter als die meisten Stilleben Kalfs. emplar kann genauso gut aus späterer Zeit stam­
Obwohl Kalfs Leinwände keine wirklich großen men und in einem Glasatelier in Amsterdam an­ Ausstellungen:
Differenzen bezüglich ihres Formates aufwei­ gefertigt worden sein.1 In einer dem Rotterdamer Oude Kunst, Amsterdam, Rijksmuseum, 1929,
sen, scheint der Maler die Arbeit auf Standard­ Gemälde sehr ähnlichen Komposition in Berlin Kat. Nr. 79, Abb.; Kersttentoonstelling, Rotter­
formaten gemieden und die Verhältnisse seiner dam, Museum Boymans, 1929/30, Kat. Nr.6,
(Kat. Nr. 27) fehlt die Porzellanschüssel, wodurch
Abb.; Het Stilleven, Kunsthandel J. Goudstikker,
Leinwände von der beabsichtigten Komposition das Glas eine noch wichtigere Rolle in der Dar­ Amsterdam, 1933, Kat. Nr. 174; Tcntoonstel-
abhängig gemacht zu haben. stellung erhielt. ling van 115 stillevens, 1480-1933, Rotterdam,
Das wichtigste Element in diesem Stilleben Beide Gemälde sind bisher recht früh in Kalfs Museum Boymans, 1933, Kat. Nr.48; Vermeer,
ist die Porzellanschüssel mit einer halb geschäl­ Amsterdamer Schaffensphase eingeordnet wor­ oorsprong en invloed, Rotterdam, Museum
ten Zitrone und zwei Orangen, wovon die eine den, um 16562, doch eine etwas spätere Datie­ Boymans, 1935, Kat. Nr. 63, Abb. 103; Meester-
werken uit dc verzamcling D.G. van Bennin­
noch ein Zweiglein mit Blüten und einer un­ rung wäre sicherlich auch zu vertreten. So gibt gen, Rotterdam, Museum Boymans, 1949, Kat.
ausgereiften kleinen grünen Orange trägt. Die es eine starke Verwandtschaft mit einem 1659 Nr.52; Chefs deeuvre de la Collection D.G. van
Schüssel ruht relativ schräg auf dem bekannten datierten Werk, auf dem die gleiche Porzellan­ Beuningen, Pans, Petit Palais, 1952, Kat. Nr. 103,
Perserteppich. Links davon steht auf der harten schüssel abgebildet ist und die Behandlung fast Abb. 39; Kunstschatten uit Nederlandse verza-
steinernen Tischplatte die ebenfalls bekannte melingen, Rotterdam, Museum Boymans, 1955,
aller, in beiden Gemälden zu findenden Motive
Kat. Nr. 82, Abb. 123; Meesterwerken van de
Silberschale, unter der der Achatgriff eines Mes­ (Teppich, Silberschale, Tischplatte, Messer etc.), Nederlandse schildcrkunst uit de 17de eeuw uit
sers in den Raum ragt. Auf der Silberschale liegt völlig übereinstimmend ist. (Abb. 9, S. 96).3 Museum Boymans-van Beuningen - Rotterdam,
ein Pfirsich, hinter dem der andere Hauptakteur FGM Sophia, National Galier); 1985, Kat. Nr. 2, Abb.;
dieses Stillebens steht, ein Glaspokal mit Fuß, S edevry Zapadnoevropejskoj zivopisi XVI-XIX
verziert mit Applikationen. Das schon erwähnte vekov : iz sobrania muzcä Bojmans-van Beunin­
gen, Leningrad, 1986, Kat. Nr. 17, Abb.
Flötenglas komplettiert die Komposition.
Das Spiel von Farbe und Licht in der Schüs­ Literatur:
sel mit den Früchten zeigt den Maler von sei­ Van Gelder, 1941, S. 44, 52, 55; N. Ottema, Chi­
ner besten Seite. Die spiralförmige, hellgelbe neesche ceramiek, Amsterdam, 1946, Abb. 208;
Zitronenschale leitet den Blick des Betrachters D. Hannema, Catalogue of the D.G. van Beun­
ingen Collection, Rotterdam 1949, Kat. Nr. 52;
in das Innere des Gefäßes, wo das Gelb und die Pilz-von Stein, 1965, S. 74, 75, 135, Nr.75; Gri­
beiden Orange-Töne perfekt harmonieren. Das sebach, 1974, S. 157, 247, Kat. Nr.82, Abb.90;
dunkle Orange der einen Apfelsine bestimmt Ter Kuile, 1985, S.28; EG. Meijer, Stillevens
genau die Stelle der hellen zweiten sowie der uit de Gouden Eeuw. Eigen collectie / Still Life
gelben Zitrone in dem Raum davor. Der Zweig Paintings front the Golden Age. Own Collection,
Museum Boymans-Van Beuningen, Rotterdam,
der vorderen Orange spielt bei der räumlichen Rotterdam 1989, S.29 (Farbabb.), 90, 91, Kat.
Suggestion ebenfalls eine wichtige Rolle. Das Nr.21; Ydema, 1991, S. 161, Nr.441
Blau und Weiß der Schüssel ergänzen die war­
men Farbtöne der Früchte. Das Licht auf dem Anmerkungen
Porzellan ist ein prachtvolles Beispiel für Kalfs 1 Fürdieals venezianisch identifizierten Exem­
Beobachtungsvermögen. Er zeigt uns, wie das plare siehe G. Weiss, Antiek Glas, oudheid tot
helle Licht durch das dünne, nahezu transparen­ en niet Jugendstil (Elseviers Antiekbiliotheek),
Amsterdam/Brüssel 1968, S.85, Abb. 50 und
te Porzellan zu brechen versucht und der scharfe O. Wilkinson, Old Glass. Manufacture Styles
Rand der Schüssel hell aufleuchtet. Das Licht auf Uses, London/Toronlo 1968, Tal. 41.
der Unterseite der Schüssel ist das Resultat der 2 Grisebach, 1974, S. 157 und laut der Ord­
Reflexion des Lichtes durch die Silberschale. Die nung seines Katalogs (vor den datierten Wer­
ken von 1656). Ich übernahm diese Datierung
gleichen Reflexionen lassen auch die Unterseite
in meinem Katalog der Stilleben im Museum
des Pfirsichs aufleuchten und sind Teil der Prä­ Boijmans Van Beuningen von 1989.
sentation des Glaspokals. ' Grisebach, 1974, cat. nr. 94, alb. 103.

116 Die Amsterdamer Stilleben


27 Stilleben mit Glaspokal und Flüchten

ie wenigen Gegenstände dieses Stil­ der Verlauf der breiten, hoch gebauschten Falte Öl auf Leinwand, 65 x 56 cm

D lebens aus den Anfangsjahren von Kalfs bis in den Bildhintergrund sichtbar, wo der Tep­ Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemälde­
galerie, Kat. Nr.948D
Amsterdamer Zeit sind auf einer schwe­ pich den Tellerrand umrahmt. Beim Silberteller
ren, scharfkantigen Tischplatte angeordnet. Die­ akzentuiert Kalf den barocken Ohrmuschelstil Provenienz:
se ist in ihrer gesamten Tiefe bis in den Hinter­ durch subtil auf den Rand gesetzte Lichtreflexe. Sammlung Sir Julius Wernher, London; Ge­
grund des Bildes sichtbar und deutet eine größe­ Der Teller stammt vermutlich aus dem Kreis der schenk Wernher 1893; Kaiser-Friedrich-Mu­
re Räumlichkeit an, als bei Kalfs Kompositionen Amsterdamer Goldschmiedfamilie Van Vianen, seum, Berlin.
sonst üblich. So kann man unter der Tischplatte deren kostbaren Erzeugnisse sich großer Be­
Ausstellungen:
auch die Kontur des geschwungenen Steinso­ wunderung erfreuten und entsprechend begehrt Central Collecting Point, Wiesbaden, 1949,
ckels wahrnehmen. Zur Hälfte ist der Tisch mit waren. Kalfs explizite Darstellung von Messer­ Kat. Nr. 90; Meesterwerken uit de Musea van
einem schweren, orientalischen Teppich be­ griffen aus Achat wurde dagegen von Arnold Berlijn, Brüssel, 1950, Kal. Nr. 60; Chefs-
deckt, der sich zum linken Bildrand hin in brei­ Houbraken ausdrücklich gelobt.’ dceuvre des Musees de Berlin, Musee du Petit
Palais, Paris, 1951, Kat. Nr. 94, Abb.
ten Falten bauscht. Auf der Tischplatte steht ein Auch wenn Pfirsich und Orange aus heutiger
silbergetriebener Teller. Mit seinem Rand ragt Sicht zu den eher alltäglichen Dingen zählen, Literatur:
er leicht über die vordere Tischkante hinaus, erfuhren sie zu Kalfs Zeiten eine hohe Wert­ Königliche Museen zu Berlin, Die Gemälde­
während er seitlich von einer hoch gebauschten schätzung aufgrund ihrer weit entfernten Ur­ galerie des Kaiser-Friedrich-Museums, Zweite
Teppichfalte bedeckt wird. Auf diesem wird ein sprungsländer. Dementsprechend ostentativ Abteilung: Die Germanischen Länder, Ber­
bauchiger Glaspokal präsentiert, davor liegend lin 1911, S.245, Abb.S.244; Warner. 1928,
werden hier die beiden Früchte in den optischen
Taf. 55b; E. H. Gombrich, Die Geschichte der
ein Pfirsich und eine große Orange, zwischen wie räumlichen Mittelpunkt des Bildes platziert. Kunst, Köln/Berlin 1952, Abb. 269; A. Lieder­
denen der Achatgrift' eines Messers hervorragt. Pfirsiche (nialum persicum) erreichten über die wald, Niederländische Glasformen des 17. Jahr­
Aus der Mitte des dunklen Hintergrundes tritt Handelsschiffe Holland, wo sie als Untergattung hunderts, Phil. Diss. Freiburg i. Brsg. 1964,
als weiteres Glas eine Flöte hervor. Nur durch der Äpfel verstanden wurden. In zahlreichen S. 154; R. Klessmann, Holländische Malerei
einen zarten Lichtreflex ist ihr oberer Rand des 17. Jahrhunderts, Berlin 1969, Taf. VIII;
Stilleben der Zeit werden sie daher mit deren
E. Hubala, Die Kunst des 17. Jahrhunderts
noch zu erkennen und ihre eigentliche Höhe Symbolik belegt. Auch wenn in diesem Bild ein (Propyläen Kunstgeschichte Bd.9), Berlin
abschätzbar. Abseits dieser Gruppe sind auf der inhaltlicher Verweis unwahrscheinlich ist, könn­ 1970, Taf. 181b; Grisebach 1974, S. 117, 123,
unbedeckten Tischplatte gleichsam als »Stilleben te Kalf ihre Funktion als therapeutisches Mittel 156-157, Kat. Nr. 83, Abb. 91; Gemäldegale­
im Stilleben« eine ausgelöste Orangenspalte, ein gegen Trunkenheit durch übermäßigen Wein­ rie Berlin, Katalog der ausgestellten Gemälde
einzelner Fruchtkern und in gefährlich labiler des 13.-18. Jahrhunderts, Berlin 1975, S. 211,
genuss gekannt haben.5 Am Beispiel der Orange
Abb.; F. G. Meijer, St Hievens uit de Gouden
Position der Deckel des Pokals zu sehen. Kalf führt der Maler uns alle Stadien der Fruchlent- Eeuw. Eigen collectie / Still Life Paintings front
lässt den Objekten viel Raum, so dass sie ein­ wicklung vor Augen: vom einzelnen Kern an der the Golden Agc. Own Collection, Museum
ander kaum berühren. So wird im Stiel des Flö­ vorderen rechten Tischecke über die am Zweig Boymans-Van Benningen, Rotterdam, Rotter­
tenglases die Gestaltung in der Fa^on de Venise sichtbare Blüte und den ersten Fruchtansatz bis dam 1989, S.90, Abb. 21.1; Gemäldegalerie
wahrnehmbar, wie auch beim Glaspokal, dessen Berlin, Gesanitverzeichnis/Staatliche Museen
zur prallen Form der ausgereiften Frucht selbst,
zu Berlin, Bearb. v. H. Bock, Berlin 1996, S. 65,
schöne Form in vollem Umfang zu erkennen ist. und weist damit auf die botanische Besonderheit Abb. S. 354» Nr. 1387.
Zwischen den bei Kalf zahlreich anzutreffenden des Orangenbaums hin, der gleichzeitig Blüten
Gläsern muss er als Einzelstück betrachtet wer­ und Früchte tragen kann. Den Blick in die in­
den.1 Seine Charakteristika sind die bauchige nere Beschaffenheit der kostbaren Südfrucht
Kuppa mit hohem Rand auf balusterförmigem ermöglicht die einzelne, an der vorderen Tisch­
Stiel mit ausladendem, gewelltem Fuß. Der De­ kante liegende Spalte.
ckel besitzt einen aus Tropfenformen gebildeten Meisterhaft setzt Kalf Licht und Schatten ein,
Knauf. Seine Bezeichnung als so genanntes »Eis­ aus denen sich die Körperlichkeit der Gegen­
glas« rührt von der körnigen Struktur der Ober­ stände erst entwickeln kann. Neben Glanzlich­
fläche her2, deren Extravaganz Kalf mit unzäh­ tern sind es vor allem die Schattenpartien, die
ligen, winzigen Glanzlichtern zur Anschauung den Dingen eine haptische Existenz verleihen,
bringt. Mit Hilfe der Lichtführung lenkt Kalf die so zum Beispiel beim Schattenwurf des Pfirsichs
Aufmerksamkeit auch auf den Teppich und den auf die Orange oder der der Orangenspalte auf
Silberteller, zwei Objekte, die sonst eher eine un­ die Tischkante. Vor der gedämpften Tonigkeit
tergeordnete, »tragende« Rolle spielen. So wird des Hintergrundes leuchten die wie von innen
nicht nur das kunstvolle, in warmen Beige-, glühenden Farben der voll vom Licht getroffenen
Braun- und Rottönen gewirkte Muster des um Früchte, die roten Flecken des Pfirsichs wie das
1600 in Ostpersien angefertigten, so genannten kräftige Gelbrot der Orange, das in der Flüssig­
»Herat« zur Geltung gebracht3, sondern auch keit des Glases reflektiert wird. Mit den Mitteln

118 Die Amsterdamer Stilleben


1
der Farbe gelingt es Kalf, die verschiedenartigen Eng verwandt mit dem Berliner Bild ist ein Anmerkungen
Stofflichkeiten der Gegenstände hervorzuhe­ im Museum Boijmans Van Benningen in Rot­ 1 Siehe Grisebach, 1974, S. 123, Anm. 269. Zu
den Gläsern bei Kalf siehe auch im Aufsatz
ben: so in der großporig matten Orangenschale terdam befindliches Stilleben, auf dem derselbe
von Alexandra Gaba-van Dongen in diesem
und der pelzigen Oberfläche des Pfirsichs, die Glaspokal zu sehen ist (siehe Kat. Nr. 26). Auch Katalog
ihrerseits mit dem samtenen Flor des Teppichs die anderen Objekte, die in beiden Bilder vor­ 2 Neben der durch plötzliche Abkühlung
korrespondiert. Die schimmernde Feuchtigkeit kommen, entsprechen sich in ihrer Wiedergabe hervor gerufenen Craquelebildung wird wie
des Fruchtfleisches findet ihre Entsprechung völlig. Nur in Bildaufbau und Komposition sind in diesem Beispiel eine ähnliche Wirkung
durch das Auflegen unzähliger kleiner Glas­
im kühlen Glanz der Gefäße. Kalf erreicht hier Unterschiede festzustellen.
splitter erzielt, die dann mit der Oberfläche
einen Grad an malerischer Raffinesse, wie sie SB verschmolzen werden.
sich innerhalb dieses Stillebentyps aus Gläsern 3 Siehe Grisebach, 1974, S. 121 und in diesem
und Früchten selten findet. Katalog S. 97, Anm. 13.
’ Vgl. die Pokale von Christian Van Vianen
auch in Kat. Nr. 28 (Amsterdam) und 37
(Weimar) wie auch in einem Willem Kalf
zugeschriebenen Stilleben im Suermondt-
Ludwig-Museum Aachen, Inv. Nr.GK 1194.
A. Houbraken, De groote schouburgh der
Nederlantsche konstschilders en schilderessen,
Bd.2, Amsterdam 1718-1721, S.218: »[...]
voornamentlyk Goud en Zilverwerk, Paarel­
moer, Hörens, en Agale heften van Messen
zoo verwonderlyk uitvoerig en natuurlyk wist
te schilderen«.
5 Mit Beginn des Handels mit China kamen
Pfirsiche in den Mittelmeerraum und von
dort in die Niederlande; vgl. auch N. Schnei­
der, Stilleben. Realität und Symbolik der Dinge,
Köln 1989, S. 129. Auch sollte der Geschmack
der Pfirsiche durch »einen guten Trunck
Wein darauf« gesteigert werden, zit. nach N.
Schneider, »Wirlschafts- und sozialgeschicht­
liche Aspekte des Früchtestillebens«, in Ausst.
Kat. Stilleben in Europa, Westfälisches Lan­
desmuseum für Kunst und Kulturgeschichte,
Münster 1979, S. 284, Anm. 74.

Die Amsterdamer Stilleben


120
28 Stilleben mit Silberkanne, Römerschraube
und Porzellanschale mit Früchten
(nur in Rotterdam)

tillebenmaler des 17. Jahrhunderts gaben Gemälde diese Kanne zusammen mit einer ver­ Öl auf Leinwand, 71,5 x 62 cm

S oft sehr moderne Gegenstände auf ihren goldeten Römerschraube aus Silber wieder, die Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr.SK-A-199
Gemälden wieder, doch Willem Kalf muss einen Putto in ihrem Stamm zeigt und einen mit Provenienz:
wohl nicht so großen Wert darauf gelegt haben. Weißwein gefüllten Römer trägt. Rechts vorne Sammlung des Stillebenmalers Albertus Jo­
So stammen viele seiner Porzellanschalen aus liegt eine Uhr mit geöffnetem Deckel in einem nas Brandt; Versteigerung Sammlung Brandt,
dem frühen 17. Jahrhundert, aus der Regie­ goldenen Kästchen. Da der Perserteppich - ein Amsterdam, 29. Oktober 1821, Kat. Nr. 96, an
rungszeit des Ming Kaisers Wan-li (1573-1619). wichtiges Standardmotiv bei Kalf - hier fehlt, das Rijksmuseum, Amsterdam.
Die Schale auf diesem Gemälde wurde vermut­ wird die gesamte Aufmerksamkeit auf die Ge­
Ausstellungen:
lich etwas später angefertigt, war aber sicher genstände in dem Stilleben gelenkt, wobei die De Hollandsche schilderkunst van Jeroen Bosch
keine Novität. Bei Kalf zählte allein die Qualität; Zitronen und Orangen mit ihren farbenfrohen tot Rembrandt, Brüssel, Paleis voor Schone
die allgemein üblichen Wan-li-Schälchen und Schalen das vornehme Silber und Porzellan zu Künsten, 1946, Kat. Nr. 56; Holländer des 17.
Schüsseln, die zu Tausenden von der Vereinig­ übertrumpfen versuchen. Jahrhunderts, Zürich, Kunsthaus, 1953, Kal.
Nr. 70; Mostra di pittura olandese del Seicen-
ten Ost-Indischen Compagnie eingeführt wor­ Es ist sehr interessant dieses Stilleben von
to, Rom, Palazzo delle Esposizioni, 1954, Kat.
den waren und mannigfaltig auf den Gemälden Kalf mit einem 1659 entstandenen Gemälde von Nr. 69; Natures mortes hollandaises 1550-1950,
vieler anderer Stillebenmaler zu sehen sind, Willem van Aelst zu vergleichen, das hinsicht­ Luxemburg, Musee de 1’Etat/Lültich, iMusee
kommen bei ihm fast nicht vor.1 lich seiner Motive große Verwandtschaft zeigt des Beaux-Arts, 1957, Kat. Nr. 39, Abb. 26;
Auch die hier wiedergegebene Silberkanne (Abb. I).3 Van Aelst war 1656 nach einem etwa Het Hollandse stilleven 1550-1950, Eindho­
ven, Stedelijk Van /Xbbemuseum, 1957-1958,
war keineswegs neu, aber ein besonderes Ob­ zehnjährigen Auslandsaufenthalt nach Amster­ Kat. Nr. 39, Abb; Zeldzaani zilver uit de Gou-
jekt. Sie wurde vermutlich um 1632 von dem dam gekommen. Zunächst hatte er einige Jahre den Eeuw. De Utrechtse edelsnteden Van Via­
einflussreichen Utrechter Silberschmied Chris- in Paris gearbeitet, wo er 1645 Kalf noch getrof­ nen, Utrecht, Centraal Museum, 1984-1985,
tiaen van Vianen angefertigt. Der Entwurf für fen haben könnte. Danach war er als Hofmaler Kat. Nr. 116, Abb. 18; Still Lifes: Techniques
dieses Gefäß geht allerdings auf ein Modell aus für den Erzherzog Ferdinand II. de’ Medici in and Style. An Examination of Paintings front
the Rijksmuseum, Amsterdam, Rijksmuseum,
dem Jahre 1619 zurück, das von seinem Vater Florenz tätig. Während seiner Florentiner Zeit 1999, Kat. Nr. 10, Farbabb.; Still-Life Paintings
Adam van Vianen stammt.2 Kalf gibt in seinem hatte Van Aelst einen äußerst verfeinerten höfi­ front the Netherlands 1550-1720, Cleveland,
schen Stil entwickelt. Stolz auf seine italienische The Cleveland Museum of Art, 2000, Kat.
Vergangenheit, signierte er seine Gemälde ab Nr. 49, Farbabb.
1659 ausschließlich mit »Guill(er)mo van Aelst«.
1 Willem van Aelst, Stillebcn mit Silberkamie, Literatur:
Romerschraube, Früchten und einer Muschel, signiert
Mit seiner Niederlassung in Amsterdam muss er G. Rathgeber, Niederländische Gemälde und
und datiert 1659, Öl auf Leinwand, 84 x 70 cm. zu einem der wichtigsten Kollegen und Konkur­ Kupferstiche des Herzogi. Museums zu Gotha
Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, renten von Kalf geworden sein. Viele besondere aus den Jahren MDC bis MDCLXIV, Gotha
Kal. Nr. 975, seit 2006 als Dauerleihgabe im Suer- Objekte wie die Van-Vianen-Kanne sind auf den 1840, S. 163; Warner, 1928, S. 122, 123, Abb;
mondt-Ludwig-Museum, Aachen. Stilleben beider Künstler zu finden, doch man A. P. A. Vorenkamp, Bijdrage tot de geschiede-
nis van het Hollandsch stilleven in de zeven-
hat den Eindruck, sie hätten untereinander ab­ tiende eeuw, Leiden 1933, S.51; Van Gelder,
gesprochen, dass der persische Tischteppich in 1941, S. 55 Anm. 2; R. van Lutterveld, Kunst
Kalfs Zuständigkeitsbereich und das Tischtuch van Nederland. Schilders van het Stilleven,
aus Satin in den von Van Aelst fallen sollte. Das Naarden 1947, S.50, 56, Abb. 27; Bergström,
einzige Mal, wo Van Aelst ein orientalisches 1956, S. 278, Abb. 229; M.H. Gans u. Th.M.
Duyvene de Wit-Klinkhamer, Dutch silver,
Tischtuch wiedergab, ähnelt dieses in seinem
London 1961, S. 18, Taf. 19; Pilz-von Stein,
Faltenwurf verdächtig stark dem von Kalt? 1965, S.90, 138, Nr. 106; Grisebach, 1974,
Doch zurück zu unserem Vergleich: wie bei S. 124-125, 156-157, 242, 246, 248, 279, Kat.
Kalf, scheinen auch bei Van Aelst die Früchte Nr. 80. Abb. 89; P. J. J. van Thiel et al.. Alle schil­
(und die Muschel) die Aufmerksamkeit des Be­ derten van het Rijksmuseum te Amsterdam.
Volledig geillustreerde catalogus, Amsterdam/
trachters von den kostbaren Artefakten ablenken
Maarssen, 1976, S. 310, Nr.A 199, Abb.; Ter
zu wollen. Die Van-Vianen-Kanne nimmt bei Kuile, 1985, S.49, Abb. 32, 124; Segal, 1988,
ihm Genüge mit einem bescheidenen Platz auf S. 193, 194, Abb. 10.6; Brunnenkant, 1999,
dem zweiten Rang, die Römerschraube mit dem Heft 2, S. 278-279 (auch angeführt in etlichen
Römer ragt jedoch triumphierend überden Rest allgemeinen Kunslhandbüchern und Über­
sichtswerken).
hinaus. Soweit zu den Übereinstimmungen. Van
Aelst hält weitaus größeren Abstand zu seinem
Thema als Kalf, was eine vornehme, höfische
Distanz und eine gewisse Monumentalität des
Bildes zur Folge hat, obwohl sein Gemälde nicht

Die Amsterdamer Stillebcn 121


viel größer ist als das von Kalf. Dabei ist seine Kalfs Gemälde wurde technisch gründlich Anmerkungen
Herangehensweise an das Thema außerordent­ analysiert.5 Dabei ergab sich, dass er seine ge­ 1 Auf einigen der frühen Pariser Stilleben ist
ein verhältnismäßig alltäglicher Wan-li-Teller
lich deskriptiv: jedes Detail wird mit großer Ge­ samte Darstellung auf einer dunklen, braunroten
zu sehen und auf einem seiner Meisterwerke,
nauigkeit wiedergegeben. Van Aelsts Gemälde Unterschicht entwarf. Man fand Spuren einer dem Gemälde in St. Petersburg (Grisebach,
ist in der Tat eines Fürsten würdig. Kalf hinge­ Untermalung für eine andere Komposition als 1974, Kat. Nr. 79; siehe Abb. 20 auf S.101), se­
gen gibt dem Betrachter das Gefühl, dass einzig die hier sichtbare, woraus hervorgeht, dass Kalf hen wir eine »gewöhnliche« Wan-li-Schüssel,
und allein für ihn diese Gegenstände zusam­ (zumindest in diesem Fall) nicht anhand einer bei der es sich um ein recht großes Exemplar
mit einem vermutlichen Durchmesser von
mengetragen wurden. Da gerade jemand den zuvor angefertigten Skizze arbeitete, sondern
etwa 53 cm handelt. Auch das Krähenschäl­
Vorhang zur Seite geschoben hat, fangen diese seine Kompositionen direkt auf der Leinwand chen auf dem Stilleben der Fondation Cus­
Objekte unvermutet einen Lichtstrahl ein, der entwickelte. Er malte sie zunächst in mittleren todia in Paris (Grisebach, 1974, Kat. Nr. 121,
Farben und Reflexionen hervorruft, die ihnen Farbtönen und gab dann die kräftigsten Lichter Abb. 127) war ein einigermaßen alltägliches
Form und Identität verleihen. Weil jedoch alles mit Bleiweiß, Blei-Zinngelb und gelbem Ocker Objekt.
2 Siehe Ausst. Kal. Zeldzaam zilver uit de
teilweise in Dunkel gehüllt bleibt, lässt sich - im an. Danach modellierte Kalf seine Gegenstän­
Gouden Eeuw. De Utrechtse edelsmeden Van
Gegensatz zu Van Aelst - einiges davon eher de mit Hilfe des Wechsels von zarten Farbtö­ Vianen, Utrecht, Centraal Museum, 1984-85,
nur erraten. Die verspielten Formen der Kanne nen und scharfen Höhungen in der ihm völlig Kat. Nr. 65.
müssen, um sie kennen zu lernen, mit dem Auge eigenen Manier. Aus der Analyse der von Kalf 3 Siehe hierzu auch Vorenkamp, 1933. Er
systematisch abgetastet werden. Über Kaifist zu für die Porzellanschale verwendeten Farbe geht schrieb: »Van Aelst bleibt bei einer genauen
sagen, dass er in Gemälden wie diesem eine in­ Wiedergabe der Gegenstände in einer gefäl­
hervor, dass er sich hier für kostbarere Pigmente
ligen Gruppierung stehen, während das Ge­
time, beinahe fühlbare Spannung hervorruft. entschied, als er sie eigentlich für den beabsich­ mälde von Kalf eine Verherrlichung des Lich­
Vor allem ist aber festzustellen, dass, wo Van tigten Effekt benötigt hätte. Vielleicht darf man tes ist, manifestiert in Gegenständen.«
Aelst Kunstwerke für Fürsten schuf, Willem Kalf hieraus die Schlussfolgerung ziehen, dass Kalf so 4 Blumen in einer Vase auf einer teilweise mit
Kunst für die wohlhabenden holländischen Bür­ erfolgreich war, dass er bei der Wahl seiner Far­ einem Orientteppich bedeckten Marmorplat­
ger machte. Und da diese holländischen Bürger te, signiert und datiert 1660 (und undeutlich
ben nicht kleinlich zu sein brauchte.
1659), öl auf Leinwand, 83,8x66,7 cm, Kap­
sich gerne Fürsten wähnten, waren sowohl Van FGM stadt, Michaelis Collection, Inv. Nr. 14/1.
Aelst als auch Kalf erfolgreich. 5 M. Bijl und A. Wallert, in Still Lifes: Techni-
ques and Style. An Examination of Paintings
front the Rijksmuseum, Amsterdam, Rijksmu­
seum 1999, S. 77-80, Nr. 10.

Die Amsterdamer Stilleben


122
29 Stilleben mit Prunkpokal, Porzellanschüssel und Gläsern

uf einer von rechts ins Bild ragenden unterhalb der Schüssel, das gefährlich weit über Ö1 auf Leinwand, 66 x 55,6 cm

A polierten Steinplatte arrangiert Kalf ei­ die Tischkante hinaus in den Raum des Betrach­ Signiert links unten: W KALF (nur schwer
erkennbar)
nige wenige Gegenstände, die in den ters ragt. Mit diesem seinerzeit unter Stilleben­
Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum,
Stilleben seiner Amsterdamer Zeit häufig anzu­ malern angesehenen Kunstgriff, setzt es zu der Landesgalerie, Inv. Nr. PAM 803
treffen sind: So ist in der Mittelachse des Bildes instabilen Position der Schüssel einen weiteren
Provenienz:
ein kunstvoll gearbeiteter Prunkpokal platziert, Akzent hinzu. Als kleinste Gegenstände sind auf Nachlass Franz Ernst von Wallmoden, Han­
dessen Deckel abgenommen und davor gelegt der freiliegenden Tischplatte links noch einzelne nover, 1779; Sammlung Christian Ludwig von
ist. Begleitet wird er von einem hohen, mit Rot­ Fruchtkerne verstreut. Hake, Hannover; Sammlung Bernhard Haus­
wein gefüllten Flötenglas, das nur noch andeu­ Dass Kalf einen winzigen Zitronenkern sich mann, Hannover, 1822; Königlich-Hannover­
tungsweise aus dem dunklen Bildhintergrund in seiner glatten Unterlage spiegeln lässt, er­ scher Besitz, 1857; Fidei-Commiss-Galerie des
Gesamthauses Braunschweig-Lüneburg im Pro-
heraus tritt, und einem rechts vor dem Pokal weist den Maler einmal mehr als Meister einer vinzial-Museum Hannover, 1893; Erworben
stehenden Römer mit Weißwein. Halb auf der virtuosen Lichtregie. Wie alle Gegenstände ist durch Niedersächsische Landesgalerie, 1925.
blanken Tischplatte, halb auf dem nach rechts der Kern aus der ihn umgebenden Dunkelheit
Ausstellungen:
zusammen geschobenen orientalischen Teppich des Raums wirkungsvoll herausgeleuchtet. Be­ A Fruitful Pasl. A survey of the fruit still lifes
liegt im Vordergrund ein silberner Präsentiertel­ sonders auf dem Prunkpokal mit den vielfälti­ of the northern and Southern Netherlands front
ler, der mit seinem ornamentierten Rand leicht gen Ausbuchtungen seines Ornaments entfaltet Brueghel till Van Gogh, Gallery P. de Boer Ams­
über die profilierte Tischkante hinausragt. Er sich das von oben einfallende Licht mit zahlrei­ terdam, Herzog Anton-Ulrich-Museum Braun­
schweig, 1983, S. 78, 126, Kat. Nr. 51, Abb.
trägt eine weite chinesische Porzellanschüssel, chen Reflexen, während es bei dem weiter vorne
die auf den Falten des Teppichs liegend, leicht stehenden Römer direkt am oberen Kelchrand Literatur:
zur Mitte hin geneigt ist und verschiedene auftrifft, um sich dann in der Flüssigkeit zu bre­ Verzeichnis der Gemälde,welche sich in der
Sammlung des verstorbenen Herrn Kammer­
Früchte darbietet: eine Orange mit Blütenzweig, chen. Der vollständig gezeigten, von keinem an­ herren von Wallmoden in Hannover befinden,
einen aufgebrochenen Granatapfel, einen Pfir­ deren Gegenstand im Bild überschnittenen oder nebst beygefügter Nachricht von ihren Inhalten,
sich und eine halbgeschälte Zitrone, deren Scha- verschütteten Schüssel fällt innerhalb dieses Ar­ Leipzig 1779; Handschriftlicher Katalog der von
le in kunstvollen Spiralen über den Schüsselrand rangements eine besondere Rolle zu. Gänzlich Hakeschen Sammlung Nr. 14’, G. Rathgeber,
und die Tischkante herab fällt. Auf dem Teller vom direkten Licht getroffen, hebt sie sich mit Niederländische Gemälde und Kupferstiche des
Herzoglichen Museums zu Gotha aus den Jah­
verbleiben einige Haselnüsse und ein Messer Nachdruck von den gedämpften Tönen von Glä­ ren MDC bis MDCLX1V, Gotha 1840, S. 163;
sern, Pokal und Teppich ab. G. Parthey, Deutscher Bildersaal, Verzeichnis
1 Willem Kalf, Stilleben mit vergoldetem Prunk­ Die aus besonders dünnen und hart gebrann­ der in Deutschland vorhandenen Ölbilder ver­
pokal aus Silber, Gläsern und Porzellanschüssel mit storbener Maler aller Schulen, 2 Bde.» Berlin
ten Porzellan hergestellte Schüssel mit dem
Früchten, Öl auf Leinwand, 65 x 54 cm. Oxford, 1863, Bd. 1, S. 652, Nr. 18; G. Ebe, Der deut­
Ashmolean Museum, Daisy Linda Ward Bequest,
diagonal verlaufenden Muster ist charakteris­
sche Cicerone. Führer durch die Kunstschätze
Inv. Nr. A 563. tisch für die Zeit des Ming Herrschers Wan-li, der Lander deutscher Zunge, Bd. IV, Leipzig
die 1620 endete. In Holland bekannt als kraak- 1901, S. 506; H. Schneider, in Thieme-Becker,
Porzellan, wurden die blau-weißen Schüsseln Bd. 19, S. 465; Jahrbuch des Provinzialmuseums
in China für den Transport hergestellt und mit zu Hannover, 1927, S. 89, Abb. 13; A. Dörner,
Meisterwerke aus dem Provinzial-Museum
den Handelsreisen der 1602 gegründeten Ost-
in Hannover, Hannover 1927, S.26, Taf.40;
Indischen Kompanie nach Holland gebracht. K.T. Parker, Paintings in the Asmolean Muse­
Da der Import des chinesischen Porzellans in um, Ausst. Kat. Oxford 1961, S. 80, W 39; Gri­
den 1640er Jahren einbrach, war sie zum Ent­ sebach, 1974, S. 115-116, 131, 138, 141, Kat.
stehungszeitpunkt des Gemäldes bereits alt und Nr. 105, Abb. 115; E. Benezit, Dictionnaire cri-
tique et documentaire des Pein tres, Sculpteurs,
entsprechend wertvoll. Daher wurde sie ein be­
Dessineurset Graveurs, Nouvelle Edition, Bd.6,
sonders häufig »porträtiertes« Objekt der Stille­ Paris 1976, S. 148; Niedersächsisches Landes­
benmalerei. museum Hannover, Schriftenreihe museum,
Das Licht, das bei Kalf die unterschiedlichen Braunschweig 1984, S.94, Abb.S.91; Elemente
Stofflichkeiten charakterisiert wie beispielsweise künstlerischer Gestaltung, hrsg. von W. Ner-
dinger, München 1986, S. 117 f., Abb.; Grimm,
die Glätte von Metall und Glas oder der feuchte
1988, S.221, 223, Detailfarbabb. 153, S.244;
Schimmer des Fruchtfleisches im Kontrast zur M. Trudzinski, Verzeichnis der ausgestellten
rauen Schale der Früchte und dem stumpfen Gemälde in der Niedersächsischen Landesga­
Flor des Teppichs, scheint hier die Materialität lerie Hannover, Hannover 1989, S. 68, Abb. 71;
des Gegenstandes fast aufzulösen: Das zartwan­ U. Wegener, Die holländischen und flämischen
Gemälde des 17. Jahrhunderts, Niedersäch­
dige chinesische Porzellan mit seinem dünnen,
sisches Landesmuseum/Landesgalerie, Han­
weiß aufleuchtenden Rand wird als besonders nover 2000, S. 230-231, Kat. Nr. 107, Farbtafel
zerbrechliches Material erfahrbar. Wie varia- XL; Meijer, 2003, S. 227 Anm. 6

Die Amsterdamer Stilleben


tionsreich Kaifan dieser Stelle mit der Wirkung liegt außerdem eine aufgeklappte Taschenuhr. Anmerkungen
des Lichts umzugehen versteht, zeigt auch der Ein in Detroit befindliches Bild zeigt die Kom­ 1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 104, Abb. 113 und
Kat. Nr. 100, Abb. 108.
aus Achat gefertigte Griff des Messers. Seine position mit nach rechts geneigter Schüssel auf 2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 126, Abb. 134 und
glatte, durchscheinende Materie fängt das Licht vollständig mit Teppich bedecktem Tisch.1 Die­ A. Chong European & American Painting in
ein und wirft es seinerseits auf die Wandung der selbe Schüssel, leicht gedreht und in ähnlich Vie Cleveland Museum of Art. A Summary
Schüssel zurück. labiler Position auf dem Teppich platziert, zeigt Catalogue, Cleveland 1993, S. 120, Abb.
Die Eigenfarbigkeit der Gegenstände kann in ein Stilleben Kalfs im Cleveland Museum of 3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 106, Abb. 114.
■* Vgl. Grisebach, 1974, Kat. Nr. 122, Abb. 129
diesem Bildbereich ihre stärkste Leuchtkraft ent­ Art, datiert 1663 (siehe Abb. 16 auf S. 98).2 Der und K. von Berswordt-Wallrabe, Stillleben des
falten. So wird mit den Früchten die ganze Ska­ Prunkpokal findet sich identisch auf dem Still­ Goldenen Zeitalters. Die Schweriner Samm­
la vom blassen Gelb über Orange zum dunklen leben der ehemaligen Sammlung Henle in Duis­ lung, Staatliches Museum Schwerin 2000,
Rot vorgeführt. Indem Kalf deren warme Farben burg.3 In Komposition wie auch Motivrepertoire S. 64, mit Farbabb. S. 65.
zudem mit dem kühlen Blau-Weiß-Dekor des am engsten verwandt ist ein ebenfalls 1663 da­
Porzellans kontrastiert, erfährt die koloristische tiertes Stilleben im Staatlichen Museum Schwe­
Wirkung des Bildes an dieser Stelle ihre höchste rin.’ Hier ist die Tischplatte allerdings gerundet
Entfaltung. Als optischer »Wegweiser« leitet die und der Deckel des Pokals nach vorne gerichtet.
Ausrichtung der leuchtendgelben Zitronenscha­ Rechts hinter der Schüssel liegen ferner zwei
le den Blick des Betrachters ebenfalls auf diesen Pfirsiche, während im Hannoveraner Beispiel
Bereich. dort schon der dunkle Hintergrund beginnt, in
Mit dem hier vorgestellten Bild im Typus dem nichts von der herausragenden Position der
vergleichbar ist ein Gemälde im Ashmolean chinesischen Porzellanschüssel im Bild ablenkt.
Museum Oxford, das mit Prunkpokal, Gläsern SB
und Obstschüssel dieselben Gegenstände in
sehr ähnlicher Anordnung zeigt (Abb. 1). Dem
Pokal ist hier der Deckel aufgesetzt, der Römer
ist nach links gerückt. An der freien Tischkante

Die Amsterdamer Stilleben


30 Stilleben mit chinesischer Porzellandose, Gläsern und Früchten

m Holland des 17. Jahrhunderts war die Fas­ aufgesetzt, die in paarweise Anordnung die acht öl auf Leinwand, 64 x 53 cm

I zination des gelehrten Publikums an kunst­


handwerklichen Kostbarkeiten ferner Län­
dergroß. Kalfs 1662 entstandenes Gemälde steht
dafür als ein hervorragendes Zeugnis. Im Mittel­
Unsterblichen des Taoismus verkörpern.2 Sie
blieben unglasiert und erhielten eine eigene Be­
malung, deren Farbgebung bei Kalf hier mit der
des Teppichs korrespondiert. Die sie rahmende,
Bezeichnet links unter der Tischecke:
W.KALF 1662.
Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäl­
degalerie, Kat. Nr. 948f.

punkt des von Seitenlicht erfüllten Raumes steht blau-weiße Bemalung mit Landschaftselementen Provenienz:
eine chinesische Porzellandose mit plastisch setzt sich auf dem leicht zur Seite geschobenen Museum Straßburg, erworben in Pariser Kunst­
aufgesetztem Figurenschmuck. Ihre besondere handel, 1899; Erworben 1899 von Straßburg,
Deckel fort. Als metallener Knauf dient ihm das
im Austausch gegen ein anderes Stilleben von
Wertschätzung wird durch die Begleitung wei­ buddhistische Motiv eines/u-Hundes. Die spezi­ Willem Kalf (Grisebach, 1974, Kat. Nr. 110)
terer erlesener Gegenstände aus Glas und Edel­ elle Symbolik des Dekors lässt darauf schließen,
metall unterstrichen. Aus dunklem Hintergrund dass derartige Deckeldosen nicht in erster Linie Ausstellungen:
treten - kaum sichtbar - Gläser unterschiedli­ für den europäischen Markt gefertigt wurden, in Central Collecting Point, Wiesbaden, 1949,
chen Typs hervor. Nur zarte Lichtreflexe ver­ Kat. Nr. 91; Meesterwerken uit de Musea van
Holland waren sie nur in wenigen Exemplaren
Berlijn, Brüssel 1950, Kat. Nr. 59, Abb. 98;
mitteln einen Eindruck ihrer Form und Größe: bekannt und als Sammlerstücke entsprechend Chefs-dceuvre des Musces de Berlin, Musee du
das hintere, ein mit Rotwein gefülltes Flötenglas, gesucht. Zwischen ihrer Herstellung in China Petit Palais, Paris, 1951, Kat. Nr. 93, Abb.; A
bildet zugleich die vertikale Mittelachse der und der Entstehung des Gemäldes liegen meh­ Fruitful Past. A survey of the fruit still lifes of
Komposition und die Spitze des pyramidialen rere Jahrzehnte, so dass die Porzellandose neben the northern and Southern Netherlands front
Brueghel till Van Gogh, Gallery P. de Boer
Aufbaus. Im linken, venezianischen Glas ist nur ihrer »exotischen« Besonderheit auch aufgrund
Amsterdam, Herzog Anton Ulrich-Museum
noch wenig Wein enthalten. Rechts steht ein ihres Alters an Wert gewann. Den prominenten Braunschweig 1983, S. 78, 126, Nr. 50, Abb
großer, halbgefüllter Römer in Nachbarschaft Platz innerhalb des Motivensembles nimmt sie
zur Deckeldose. Mit Zitrone und Orange plat­ aufgrund ihrer ästhetischen Qualitäten wie auch Literatur:
ziert Kalf im Vordergrund zwei Zitrusfrüchte in als Dokument einer kunsthandwerklichen Kost­ Königliche Museen zu Berlin, Die Gemälde­
galerie des Kaiser-Friedrich-Museums, Zweite
leuchtenden Gelb- und Orangetönen. Zwischen barkeit ein, deren Aussehen man im Bild fest­
Abteilung: Die Germanischen Länder, Berlin
die Früchte ist ein Messer gesteckt, dessen po­ halten wollte und die gemaltes Zeugnis von den 1911, S. 246, Abb; W. v. Bode, Die Meister der
lierter Achatgriff im Schein des einfallenden weit reichenden Handelsbeziehungen der Nie­ holländischen und vlämischen Malerschulen,
Lichtes glänzt und die Reihe der weiß blitzen­ derlande in deren Goldenem Zeitalter war (vgl. Leipzig 1917» S. 292, Abb. S. 293; Warner, 1936,
den Glanzlichter auf dem Rand des Silbertellers Abb. 13, S. 32). S.20, Abb. 90; W. Bernt, Die niederländischen
Maler des 17. Jahrhunderts, Bd. 2, München
fortführt. Der Präsentierteller, vermutlich ein Ob Dosen dieser Art tatsächlich zur Aufbe­
1948» Nr. 438, Abb.; W. v. Bode, Malerschulen,
zeitgenössisches Stück aus einer Amsterdamer wahrung von Zucker dienten, der dem Wein zur hrsg. v. E. Plietzsch, 1953, Farbtafel S.383,
Goldschmiedewerkstatt, stellt ein in Kalfs Still­ Verbesserung des Geschmacks zugefügt wurde, Abb. S. 393; D. Hannema, A. v. Schendel jr.»
leben häufig anzutreffendes Motiv dar. Ein nach lässt sich nicht zufriedenstellend beantworten? Noord- en Zuid-nederlandsche schilderkunst der
rechts zurück geschobener, ostpersischer Herat- In Verbindung mit der Säure der Zitrusfrüchte XVIle eeuw, Amsterdam 1955, S. 27, Taf. 103;
W. v. Bode, Die Meister der holländischen und
Teppich (vgl. z. B. Kat. Nr. 27) bedeckt den Mar­ könnte in diesem Fall ein symbolischer Bezug vlämischen Malerschulen, 8. Aufl., Leipzig
mortisch, auf dem die Gegenstände arrangiert als Mahnung zur temperantia, der Mäßigung, 1956, S. 383, Abb. S. 384, 393; E. Redslob, Ge­
sind. Auf seiner freien Fläche schließt eine auf­ angedeutet sein. Anders als in zahlreichen Still­ mäldegalerie Berlin-Dahlem, ehemals Kaiser-
geklappte Taschenuhr das Objektensemble nach leben seiner Zeitgenossen spielen bei Kalf mora­ Friedrich-Museum, Baden-Baden 1964, S. 260,
links hin ab. Ihr Uhrenschlüssel hängt an einem lische Verweise dieser Art aber eine eher unter­ Abb. 153 u. 155 (Farbdetail); G. Lindemann,
Das goldene Zeitalterder niederländischen Ma­
hauchdünnen blauen Band über die Tischkante geordnete Rolle.
lerei, Braunschweig 1965» S. 112-113, Farbtaf.
herab und belebt die dunkle Partie, in der sich Zweifellos schenkt Kalf neben der Deckeldose S. 120; Pilz-von Stein, Intentionen der hollän­
als »Schlüssel zum Bild« auch die Signatur Kalfs als materiell wertvollstem Gegenstand der Dar­ dischen Stillebenmalerei zwischen 1640 und
befindet. Gleichzeitig lenkt dieses kleine Detail stellung der Zitrone besondere Aufmerksam­ 1680: Inaugural-Dissertation [...] München,
den Blick auf die schöne Marmorierung der keit. In kunstvoll abgelösten Spiralen hängt die München 1965.S.77,135,Nr.80;Spriggs, 1967,
S. 78, Anm. 37; R. Oertel, Gemäldegalerie Ber­
Steinplatte. Schale über die Tischkante herunter. Sie ist ein
lin, Berlin 1969, Farbtaf. 76; Grisebach, 1974,
In dem von Seitenlicht erhellten Dunkel des »Markenzeichen« des Malers und ein in ver­ S.116, 117, 132, 140, 151, 265-266, 267, 269,
Raumes ist zweifellos die chinesische Deckel­ schiedenen Versionen von ihm oft wiederholtes 278, 279, Kat. Nr. 115, Abb. 124; Gemäldega­
dose als bedeutsamstes Objekt hervor geho­ Motiv. Hier reicht sie, in vorderster Bildebene, lerie Berlin, Katalog der ausgestellten Gemälde
ben. Es handelt sich um ein Porzellan der Ti- weit in den Raum des Betrachters hinein und des 13.-18. Jahrhunderts, Berlin 1975, S. 211 f»
anqi-Periode (1621-1627) der Ming-Dynastie, bildet mit ihrer hell beleuchteten Schale eine Abb.; Gemäldegalerie Berlin, Gesamtverzeich­
nis/Staatliche Museen zu Berlin, Bearb. v. H.
das Kalf wohl aufgrund seines außergewöhnli­ optische Verlängerung der vom Flötenglas aus­ Bock, Berlin 1996, S. 65, ?\bb.S.354, Nr. 1388;
chen Dekors mehrfach dargestellt hat (vgl. Kat. gehenden Mittelachse. Gemäldegalerie Berlin/Staatliche Museen zu
Nr.31).1 Als Hauptdekorationselement sind auf In malerisch höchster Finesse stellt Kalf die Berlin, 200 Meisterwerke, verf. v. H. Bock, Ber­
der Wandung vollplastisch modellierte Figuren transparente Feuchtigkeit des aufgeschnittenen lin 1998, S. 298, Abb. S. 299.

Die Amsterdamer Stilleben 127


beziehungsweise aufgerissenen Fruchtfleisches das satte Orange neben das blaue Dekor des chi­ Anmerkungen
dar. Wie aus sich selbst heraus leuchtend, wett­ nesischen Gefäßes und das grüne Glas des Rö­ ’ Siehe Grisebach, 1974, Kat. Nr. 114, 116,
117, 139, 140. Siehe zu den dargestellten Ob­
eifert sie mit dem Glanz des Tischgeschirrs, den mers und fügt die Gegenstände in einen farblich
jekten den Aufsatz von Alexandra Gaba-van
Kalf durch nuancenreich gesetzte Lichtreflexe harmonischen und räumlich verbundenen Zu­ Dongen in diesem Katalog.
meisterhaft darzustellen versteht. Im Kontrast sammenklang. 2 Vgl. dazu: Stephen Little, Chinese Ceramics
dazu führt er die stumpfe, großporige Oberflä­ Es wurde schon darauf hingewiesen, dass Kalf of the Transitional Period: 1620-1683, China
chenstruktur der Orange vor Augen, die im sam­ die Deckeldose mehrfach darstellte (vgl. Anm. Institute in America, New York 1983, S.40
und P. Lunsingh Scheurleer, Asiatic Art in the
tenen Flor des Teppichs ein farbliches wie auch 1). Auch die spezielle Form der sich kringelnden
Rijksmuseum Amsterdam, Amsterdam 1985,
haptisches Pendant findet. Die dicht beieinander Zitronenschale findet sich in anderen Beispielen S.82. Kalfs Stilleben trugen dazu bei, Rück­
gesetzten Gegenstände unterschiedlichster Ma- wieder. In dem ebenfalls 1662 datierten Stilleben schlüsse auf die ursprüngliche Bemalung der
terialbeschaffenheit vermögen sich so in ihrer mit Porzellandose, Gläsern und Früchten in Figuren zu ziehen, die heute nur noch frag­
Wirkung gegenseitig zu steigern. Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, stim­ mentarisch vorhanden ist. Siehe auch dazu im
Kalf schafft auch überraschende Verbindun­ Aufsatz von Alexandra Gaba-van Dongen in
men alle Motive mit dem Berliner Bild unter
diesem Katalog, S. 31, Anm. 74.
gen zwischen verwandten Farben. Der Wein im leichter Veränderung ihrer Anordnung überein 3 Bei Grisebach, 1974, Kat. Nr. 115 und z. B.
Flötenglas und große Partien des Teppichs wer­ (Abb.l).-’ im Katalog der Gemäldegalerie Berlin/Staat-
den im gleichen Rotton wiedergegeben. Um die SB liche Museen zu Berlin, 200 Meisterwerke,
Dose herum setzt er das Gelb der Zitrone und verf. v. H. Bock, Berlin 1998, S. 298. Ein in
der Dose des Madrider Bildes der Sammlung
Thyssen-Bornemisza eingestellter Löffel legt
diese Vermutung nahe, vgl. Kat. Nr. 31.
4 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 116, Abb. 125.

1 Willem Kalf, Stilleben mit chinesischer Porzellan­


schüssel, Gläsern und Früchten, signiert und 1662
datiert, Öl auf Leinwand, 66,5 x 55 cm. Kopenhagen,
Statens Museum for Kunst, Inv. Nr. 384.

128 Die Amsterdamer Stilleben


2
31 Stilleben mit Nautiluspokal und Porzellandose

ehrfach mit den malerischen Qualitä­ Wie der Römer rechts verbleibt der weiter Öl auf Leinwand, 79,4 x 67,3 cm

M ten Rembrandts verglichen, ist dieses hinten stehende Glaspokal im Halbdunkel des (Originalleinwand 78,5 x 66,8 cm)
Signiert oben links: W KALF Fecit;
1662 datierte Gemälde eines der pro­ Raumes. Das schräg einfallende Licht hebt ein­
datiert oben rechts: Ao 1662
minentesten Werke der holländischen Stilleben­ zelne Details des opulenten Deckelaufsatzes und Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza,
malerei. Das mit »W KALF Fecit« bezeichnete des reichen ornamentierten Stiels aus diesem Inv. Nr. 1962.10
Bild zählt ohne Frage zu seinen gelungensten Dunkel hervor. Mit wenigen, pointiert gesetz­
Schöpfungen. Der Künstler beschränkt sich hier ten Lichtpunkten gelingt es Kalf, die spezifische Provenienz:
Evtl. Auktion Sammlung Pieter van den Bo-
nicht nur auf die Darstellung eines originären Form der Gläser anzudeuten, die beim mit Rot­
gaerde, Amsterdam, 1778; evtl. Comte Alexis
und herausragenden Objekts, sondern auf ein wein gefüllten Flügelglas wohl auf venezianische Orlov-Denisov, St. Petersburg; Sammlung Mi­
Ensemble von Gegenständen, die alle auserle­ Vorbilder zurückgeht. chel van Gelder, Uccle/Brüssel, 1911; Kunst­
sene Erzeugnisse von beträchtlichem Wert dar­ Das sicherlich ungewöhnlichste Objekt der handel Daniel Katz, Dieren, 1936; Sammlung
stellen. So stehen ein Meisterwerk der Natur wie Komposition ist ein Nautiluspokal in auf­ H. E. len Cale, de Lutte/Oldenzaal, 1938; er­
auch von Menschenhand geschaffene Kunst­ worben für die Sammlung Thyssen-Borne­
wendiger Goldmontierung. Er vertritt neben
misza, Caslagnola-Lugano, 1962.
stücke nebeneinander. In einem annähernd als den artificialia als vom Menschen gefertigten
Dreieckskomposition aufgebauten Arrangement Kunststücken mit den naturalia ein Zeugnis Ausstellungen:
zeigt Kalf auf einem Marmortisch mit locker zu­ der göttlichen Schöpfung. Der Nautilus ist das Importants tableaux anciens de lecole hollan-
sammen geschobenem Teppich eine chinesische seltene Exemplar eines Tintenfischs mit Schale, dais, Frederik Muller & Cie., Amsterdam
Deckeldose, einen Nautiluspokal und ein hohes 1911, Kat. Nr. 7; Dutch Art 1450-1900, Royal
der nur im Pazifik beheimatet ist. Im Unter­
Academy of Arts, London, 1929, S. 142, Kat.
Flügelglas nach venezianischer Art.' Wie in an­ schied zu denen anderer Meeresschnecken rollt Nr. 299; >Het Stilleven< len bäte van de Ver-
deren seiner Stilleben begleiten auch hier eine sich die Schale beim Nautilus in ungewöhnli­ eeniging »Rembrandt*, Kunsthandel J. Goud-
Reihe »gebräuchlicher« Dinge, wie die halbge­ cher Form ein und besticht so mit großer Ele­ stikker, Amsterdam, 1933, Kat. Nr. 172,
schälte Zitrone auf dem Silberteller, ein Messer ganz.2 Zu Kalfs Zeiten mitgebracht von den Abb. 41; 115 stillevens, Museum Boymans,
mit Achatgriff, eine Orange in den Falten des Rotterdam, 1933, Kat. Nr. 46, Abb. 7; Cinq
überseeischen Handelsreisen, wurde er rasch
siecles dart, I. Peintures, Art ancien Bruxcllois
Teppichs platziert, und ein dahinter stehender zum kuriosen Sammelobjekt. Die angemessene et Sections Etrangercs, Exposition Universelle
kleiner Römer die Gruppe der »extravaganten« Form auf dieses Wunder der Natur zu reagieren, et Internationale, Brüssel, 1935, S. 173, Kat.
Objekte. Auch wird die Komposition wie meis­ war die kunstvolle Einfassung durch Gold- und Nr. 739; Otide kirnst uit het bezit van den in­
tens von links oben aus dem Dunkel des Raumes Silberschmiede. Zuvor aber wurde die Schale ternationalen handel, Rijksmuseum, Amster­
herausgeleuchtet, wobei das Licht seine größte dam, 1936, S. 21, Kat. Nr. 84, Abb. 84; Tentoon-
gescheuert, um die Silbertönung des Perlmutts
stelling van 16e en 17e ceuwsche Hollandschc,
Intensität auf der Deckeldose entfaltet, bevor es frei zu legen. In dem von Kalf gemalten Beispiel Vlaanische en Italiaansche schilderijen uit de
in abgemilderter Form die anderen Gegenstän­ wurde die Öffnung der Schale in den Kopf ei­ Collectic der Finna D. Katz tc Dieren, Stedelijk
de erreicht. nes Meeresungeheuers mit weit aufgerissenem van Abbemuseum, Eindhoven, 1936-37,S. 14,
Die chinesische Dose aus der späten Ming- Rachen umgestaltet, der eine kleine, laufende Kat. Nr. 32; Belangrijke 16e en 17e ceuwsche
Dynastie war ein kostbares Sammlerstück (vgl. Hollandschc schilderijen, Kunsthandel Da­
Figur auszuspeien scheint. Eine weitere Figu­
niel Katz, Dieren, 1937, S. 13-14, Kat. Nr.41;
Kat. Nr. 30), und der Maler nahm die Gelegen­ rine mit Dreizack auf dem Kopf des Ungeheu­ Meesterwcrken uit vier eeuwen, Bd. I, Museum
heit wahr, es mehrfach darzustellen, so lange er ers stellt vermutlich Neptun dar, während ein Boymans Van Beuningen, Rotterdam, 1938,
offensichtlich Zugang dazu hatte. Das Stilleben karyathidenähnlicher Triton als Pokalhals die S.24, Kat. Nr.92, Tafel II, S.79, Abb. 125;
mit chinesischer Porzellandose, Gläsern und Schale trägt. Grisebach erkannte in der kleinen Dutch Paintings in the Seventcenth Century,
Rhode Island School of Design, Providence
Früchten in Berlin (Kat. Nr. 30) datiert aus dem Gestalt Jonas, der um sein Leben rennt, und in­
(RI), 1938, Kal. Nr. 24, Tafel 24 (Katalog von
gleichen Jahr. Das Madrider Bild zeigt das Gefäß terpretierte in entsprechenden ikonologischen W. Stechow); Dutch Pamting: Seventeen Mas-
aus leicht geänderter Perspektive. Der Deckel Bezügen? In einem sehr ähnlich gefassten Nau­ terpieces of the Seventcenth Century, Schaeffer
ist abgenommen und schräg gestellt, so dass ein tiluspokal von Pieter Claesz, ist die Jonasfigur Galleries, New York, 1939, Kat. Nr. 7; Master­
Blick auf den inneren Rand möglich wird, an in Zusammenhang mit van/tas-Darstellungen pieces of Art, World’s Fair, New York, 1939,
Kat. Nr. 206 (Katalog von G. H. McCall/W. R.
den ein Löffel angelehnt ist. Auf dem Blau-Weiß- gebracht. Kalf stellte den Nautiluspokal ein wei­
Valentiner); Masterpieces of Art front Foreign
Porzellan sind paarweise vollplastische Figuren teres Mal ohne Jonasfigur dar, was die Vermu­ Collections: European Paintings front the Two
appliziert, die die acht Unsterblichen des Tao­ tung nahe legt, in diesem speziellen Beispiel hier World’s Fairs, Institute of Arls Delroit, 1939,
ismus verkörpern (vgl. Kat. Nr. 30), den Deckel tatsächlich einen inhaltlichen Verweis sehen zu S. 10, Kat. Nr.26 (Kalalog von F.W. Robin­
ziert als Knauf ein vergoldeter /«-Löwe (oder können. Als Modell für Kalfs Nautiluspokal son); Seven Centurics of Painting, California
Palace ofl he Legion of Honor and the M. H.
-Hund). Im Vergleich mit dem Berliner Gemäl­ wird eine Arbeit des Utrechter Silberschmiedes De Young Memorial Museum, San Francisco,
de hebt Kalf hier die Figuren in ihrer Plastizität Jan Jacobsz. van Royesteyn vom Ende des 16. 1939-40, S.38, Kal. Nr.L-68, Abb.; Master­
und Farbgebung in warmen Tönen deutlicher Jahrhunderts herangezogen, von dem sich ein pieces of Art front European and American
hervor, so dass sie ein von der Wandung unab­ ähnliches, 1596 datiertes Stück heute im Toledo Collections: European Paintings front the Two
Museum of Art befindet (Abb. 10, S. 30)? World’s Fairs of 1939, Institute of Arts, Detroit,
hängiges Eigenleben zu führen scheinen.

130 Die Amsterdamer Stilleben


Die in phantasievolle Figuren gefassten Nau­ 1941, S. 13, Nr. 34; Paintings by the Great Dutch Mas­ Kuile, Dutch Art and Architecture, 1600-1800,
tiluspokale waren extravagante Sammlerstücke, ters of the Seventecnth Century, Duveen Galleries, Hammondsworth 1966, S. 200, Tafel 167; Spriggs,
New York, 1942, S.51-52, Kat. Nr.32, Abb.S. 124; 1967, S. 78 Anm. 37; R. Heinemann, The Thysscn-
die in Kunst- und Wunderkammern der Zeit Five Centuries of Dutch Art, Art Association, Mon­ Bornemisza Collection, Lugano-Castagnola 1969, I.
aufbewahrt und gezeigt wurden. Es war nicht treal, 1944, S. 40, Kat. Nr. 67, Abb. S. 78; La Nature S. 174-175, Kat. Nr. 150, Abb.II, Tafel 168 (Deut­
ungewöhnlich, dass diejenigen, die sich ein sol­ Morte de l'Antiquite a nos jours, LÖrangerie, Paris sche Ausgabe 1971, Bd.I, S.200-202, Kat. Nr. 150,
ches Stück nicht leisten konnten, es zumindest 1952, S. 65-66, Kat. Nr. 45 (Katalog von C. Sterling); Abb.; II, Tafel 168; Grisebach, 1974, S. 116, 117,
aber imaginär (im Bild) besitzen wollten.5 Oude kunst uit Twents particulier bezit, Kunstkring 122, 126, 151, 162, 173, 260-263, 265-269, 276,
»De Waag«, Almelo, 1953, S. 18-19, Kat. Nr.25, Kat. Nr. 117, Abb. 128; A. de Gaigneron, »Nouveau
Das Gemälde belegt erneut Kalfs Interesse
Abb. 49 (Katalog von D. Hannema); Dutch Painting regard sur la collection Thyssen«, Connaissance
(und das seines Publikums) an Objekten, die the Golden Age, Metropolitan Museum of Art, New des Arts CCCVI (1977), S. 57, Abb.; I. Bergström et
sich durch außergewöhnliche Form oder Her­ York, Museum of Art, Toledo (Ohio), Art Gallery of al., La grande stagione della natura morte Europea,
kunft auszeichneten. Doch scheint der Maler Ontario, Toronto, 1954-55, S.47, Kat. Nr.47, Abb.; Mailand 1977, Abb., S. 196; M. Wohlgemuth, »Wil­
hier nicht nur von deren Seltenheitswert be­ Rembrandt et son temps, Palais des Beaux-Arls, lem Kalfs Stilleben der Amsterdamer Periode: zwei
Brüssel, 1971, S.76, Kat. Nr.58, Abb.S.77; Old Mas­ Bilder der Sammlungen Bührle und Thyssen«, Der
eindruckt, sondern auch von der Schönheit ih­
ter Paintings front the Collection of Baron Thyssen- Landbote, 8. Juli 1978, S. 23-25, Farbabb.; S. Alpers,
rer äußeren Erscheinung. Zwar sind es auch in Bornemisza, National Gallery of Art, Washington The Art of Describing: Dutch Art in the Seventeenth
diesem Fall Prunkgegenstände, aber von ihm D. C. (und acht weitere Stationen), 1979-81, S. 132, Century, Chicago/London 1983, S. 91, 115, 118,
offensichtlich ausgewählt nach ihrer besonde­ Kat. Nr. 39, Farbabb. S.61; Shedevrui iz Sobraniya 225, Abb.S.115, Nr. 59 (Deutsche Ausgabe: Kunst
ren Eigenschaft, das faszinierende Spiel mit dem Barona Tissen-Bornemisa (Zapadnoevropeiskaya als Beschreibung, Holländische Malerei des 17.
Zhivopis XIV-XVII w.), Pushkin Museum, Moskau, Jahrhunderts, Köln 1985, Abb. S. 207, Nr. 59; R.N.
Licht auf den Gegenständen, dessen Widerspie­
Hermitage Museum, Leningrad und Museum for Kingzett, »Dutch Treat for Atlanta«, Apollo CXXIII
gelungen und Brechungen besonders trefflich Ukrainian Art, Kiev, 1983-1984, S. 34, Kat. Nr II, (1986), S.21; G. Borghero, Thyssen-Bornemisza Col­
zum Ausdruck zu bringen. Durch die Behand­ Farbabb. S. 35; Masterpieces of the Dutch Golden Age, lection. Catalogue Raisonne of the exhibited Works
lung des Lichts verliert die Nautilusmuschel ihre High Museum of Art, Atlanta (GA), 1985, S. 89, Kat. of Art, Mailand 1986, S. 162, Kat. Nr. 150, Farbabb.;
»objektive« Erscheinung zugunsten einer Trans­ Nr. 38, Abb. S.88; Im Lichte Hollands, Holländische N. Schneider, Stilleben. Realität und Symbolik der
parenz, die ihn von innen heraus leuchten lässt. Malerei des 17. Jahrhunderts aus den Sammlungen Dinge, Köln 1989, S. 108, Farbabb. S. 109, Detailabb.
des Fürsten von Liechtenstein und aus Schweizer Be­ in Farbe S. 110; I. Gaskeil, Thc Thyssen-Borneniisza
Die Glanzlichter auf der Orange und am rechten sitz, Öffentliche Kunstsammlungen, Kunstmuseum, Collection, Seventeenth-century Dutch and Flemish
Rand des Dosendeckels erscheinen wie Reflexe Basel, 1987, S. 152, Kat. Nr.50, Abb.S. f53 (Katalog painting, London 1990, S. 74-77, Farbtafel S.75;
dieser inneren Lichtquelle. Im Zusammenspiel von P. Ten-Doesschate Chu und P. H. Boerlin); De Ydema, 1991, S. 62, 64, Abb. 54, 162, Nr. 470 (als
mit der roten Farbe des Weins versteht es Kalf, Rijkdom Verbeeld. A Prosperous Past. TheSumptuous 166[ 1)); Meijer, 2003, S. 16, Abb. 7, 17, 21, Anm. 47.
die lichtdurchlässige Erscheinung der Perlmutt­ Still Life in the Nethcrlands 1600-1700, Stedelijk
Museum Hel Prinsenhof Delft, Fogg Art Museum,
wandung noch wirkungsvoller zur Darstellung Cambridge (Mass.) und Kimbell Art Museum, Fort
zu bringen. Diese besonderen Qualitäten schei­ Worth (Texas), 1988, S. 194-195, 248, Kat. Nr. 55,
nen das eigentliche Thema des Bildes zu sein, Farbabb. S.182 (Katalog von S.Segal); Willem Kalf
und diese wurden zu seiner Zeit hoch gelobt.6 Original y copia, Museo Thyssen-Bornemisza Ma­
Es kann deshalb auch als eine Hommage Kalfs drid, 1998, S . 48-57, Kat. Nr.4, Farbabb. S. 49, De-
tailabb. in Farbe S.97, 99, 101, 103, 105, 107; Still Anmerkungen
an die Kunstwerke der Natur wie an die virtuo­ Life Paintings front the Nethcrlands 1550-1720, 1 Zu den dargestellten Objekte siehe den Beitrag
sen Hervorbringungen menschlichen Schöpfer­ Rijksmuseum Amsterdam, The Cleveland Museum von Alexandra Gaba-van Dongen in diesem Kata-
geistes verstanden werden, denen er mit seiner of Art, 1999/2000, S. 216-218, Farbabb. S. 217 (Kata­ log.
ebenso qualitätvollen Malkunst ein Denkmal log von Alan Chong und Wouter Kloek) 2 Vgl. H.U. Mette, 1995, hier zitiert nach U. Met­
setzt. te, »Schöne curiose Werke. Zu Sebastian Stoskopffs
Stilleben mit Conchylien«, in Ausst. Kat. Sebastian
SB Literatur: Stoskopjf 1597-1657. Ein Meister des Stillebens,
R. L. Hobson, »»Chinese porcelain in Dutch pic- Strasbourg/Aachen 1997, S. 128;
tures«, Country Life LXV (1929), S. 244, Abb. 4; A. P. 3 Grisebach, 1974, S. 173-174.
Vorenkamp, »Masterpieces of Dutch painting, an 4 Zum Gemälde von Pieter Claesz, Vanitasstilleben
important exhibition at the Providence Museum«, mH Nautiluspokal, 1636, Westfälisches Landes­
Art News, Dec. 10, 1938, S. 12, Abb.S. 10; A.M. museum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster,
Frankfurter, >»17 pictures of the 17th Century«, Abb. in P. Biesboer, M. Brunner-Bulst, Pieter Claesz,
Art News XXXVII, xix (1939), S.21, Abb.S.7; Van Stilleben, Frans Halsmuseum, Haarlem/Kunslhaus,
Gelder, 1941, S.51, 54, Abb. 51; N. Ottema, Chi­ Zürich 2004, Kat. Nr. 27; zu anderen Beispielen bei
neesche ccramiek, 2. Auf!., Amsterdam 1946, S. 184, Kalf: Grisebach, 1974, Kat. Nr. 118, Abb. 136; zum
Abb. S. 182, Nr. 209; H. Gerson, De Nederland- Pokal von Jan Jacobsz van Royesteyn, ebd. S. 202,
se Schilderkunst, II. Hel Tijdperk van Rembrandt Abb. 194, und Mette 1995, op. eil. Anm. 1, S. 58-59,
en Vermeer, Amsterdam 1952, S. 60, Abb. 179; D. Nr. 50.
Hannema, Catalogue of the H.E. len Cate Collec­ 5 Gisela Luther, »Stilleben als Bilder der Sammel­
tion, Rotterdam 1955, Bd.I, S. 10-11, Kat. Nr.8; leidenschaft«, Ausst. Kat. Münster/Baden-Baden
Bd. II, Tafel 15; K.-H. Hering, Silberschmiedegefässe 1979/80, S. 88-138.
auf niederländischen Stilleben des 17. Jahrhunderts 6 Siehe den Beitrag Fred G. Meijer in diesem Ka­
(Diss. Freie Universität, Berlin), Berlin 1955, S. 80; talog, »Das Amsterdamer CEuvre Willem Kalfs in
C. Sterling, Still-life Painting from Antiquity to the der Perspektive«, S. 97, Anm. 17. Gerade die unver­
Present Time, Paris/New York 1959, S. 54, Tafel 33 gleichlich brillante Behandlung des Lichtes macht
(Neuauflage New York 1981, S. 76, Tafel 33); M.C. die malerischen Qualitäten Kalfs aus, mit denen
Roodenburg, Een Hollands Pronkst Hieven (Bank seine Bilder von den beiden, fast gleich großen Ko­
voor Handel en Scheepvaarl, n.v.), Rotterdam 1959, pien von fremder Hand unterschieden werden kön­
S. 21, Anm. 17; G.C. Argan, L'Europe des capitales, nen, siehe dazu: Willem Kalf. Original y copia, Mu­
Paris 1964, S. 211, Abb.; Pilz-von Stein, 1965, S. 78, seo Thyssen-Bornemisza Madrid 1998, Kat. Nr.4,
79, Kat. Nr.84; J. Rosenberg, S.Slive und E. H. ter S. 48-57 und Kat. Nr. 5, S. 58-61.0

132 Die Amsterdamer Stilleben


32 Stilleben mit chinesischer Porzellankanne,
Schüssel, Nautilus- und Glaspokal

ässt man das Werk Willem Kalfs aus sei­ die hellsten Stellen der Komposition bilden. Das öl auf Leinwand, 111 x 84 cm

L nen Amsterdamer Jahren Revue passieren, Licht scheint die rechte Wandung der Schüssel Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza,
Inv. Nr. 1981.77
so zeigt sich, dass er nicht nur ein Meister zu durchdringen und macht so auf die Zartheit
brillanter Lichtführung, sondern auch der Wie­ und Zerbrechlichkeit des Porzellans aufmerk­ Provenienz:
derholung ist. Er variiert eine überschaubare sam. In bereits abgemilderter Form trifft es auf 1700 verkauft in /Amsterdam durch Philips
Anzahl von Objekten in immer neuen Gruppie­ die Schale des Nautilus auf. In ihrem Glanz spie­ de Flines (?); 1906 Sammlung Oscar Huld-
rungen. Größtenteils gleichen sich diese Dinge, gelt sich der Rand der davor liegenden Schüssel. schinsky; 1928 P. Cassirer und H. Helbing,
Karl Haberstock, Berlin; 1928 erworben von
Gläser, Pokale, Silberteller, Porzellanschüsseln Kleine Glanzlichter führen das Ornament des Baron Heinrich Thyssen-Bornemisza (gcst.
etc. so sehr, dass man im Einzelnen von jeweils Silbertellers vor Augen, wie sie auch das Aus­ 1947); vererbt an Baroness Adolphe Bentinck
identischen Gegenständen ausgehen kann. Gri­ kristallisieren der Früchte in der Schüssel veran­ (geb. Baronin Gabriele Thyssen-Bornemisza);
sebach hat das veranlasst, Kalfs Werk in Still­ schaulichen. 1966 und 1972-74 als Leihgabe an das Kunst­
lebentypen mit bestimmten Objektgruppen zu Vor allem in den Größenverhältnissen der museum Bern, 1970-71 an das Kunstmuseum
Düsseldorf, 1981 an das Kunstmuseum Basel;
kategorisieren.1 Das hier vorgestellte Stilleben Objekte zueinander manifestiert sich die beson­ 1982 von der Sammlung Thyssen-Bornemisza
aus der Sammlung Museo Thyssen-Bornemisza dere Wertschätzung der Hauptmotive. In Rela­ in Lugano erworben.
lässt sich in keine dieser Objektkategorien ein­ tion zu den »genormten« Größen von Messer,
ordnen. Weder die chinesische Porzellankanne Taschenuhr, Silberteller und Früchten besitzen Ausstellungen:
noch diese Art Schüssel sind in einem anderen Schüssel und Kanne eine weitaus höhere Promi­ Werke alter Kirnst aus dem Privatbesitz der
Mitglieder des Kaiser-Friedrich-Museums-
Werk Kalfs dargestellt. nenz als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Ihre Vereins, Gräflich Redern’sches Palais, Berlin,
Vor dem diffusen Dunkel des Hintergrundes Überdimensionierung erklärt auch das verloren 1906, S.23, Kat. Nr. 72; Dutch Art 1450-1900,
sind die Gegenstände auf einem orientalischen wirkende Erscheinungsbild der Zitrone, die hier Royal Academy of Arts, London, 1929, S. 136,
Teppich arrangiert, der fast die gesamte Fläche in Bezug auf Platzierung und Farbwirkung eine Kat. Nr. 286; Sammlung Schloss Rohoncz,
des Marmortisches bedeckt und in großen Fal­ periphere Rolle spielt. Im Zusammenspiel mit Neue Pinakothek, München, 1930, S. 50, Kat.
Nr. 167, Tafel 71; Holländer des 17. Jahrhun­
ten zum rechten Bildrand hin zurück geschoben den beiden Bild beherrschenden Gegenständen derts, Kunsthaus, Zürich, 1953, Kat. Nr. 71;
ist. Die größte Aufmerksamkeit zieht eine gro­ erscheint selbst der sonst Aufmerksamkeit ein­ Pittura olandese del Seicento, Palazzo delle
ße, bauchige Porzellankanne mit hohem Fuß auf fordernde Nautiluspokal vergleichsweise weni­ Esposizioni, Rom/Palazzo Reale, Mailand,
sich. Sie ist im chinesischen Blau-Weiß-Dekor ger imposant. Kalf hat diesen Nautilus kein wei­ 1954, S. 48, Kat. Nr. 77; The Age of Rembrandt,
bemalt und mit einer vergoldeten Silbermontie­ teres mal dargestellt. Möglicherweise handelt es California Palace of the Legion of Honor, San
Francisco/Museum of Art, Toledo/Museum of
rung eingefasst. Ihr zur Seite befinden sich eine sich auch generell um ein kleineres Exemplar Fine Arts, Boston, 1966/1967, S. 153, Nr. 105
große, halb auf den Falten des Teppichs auflie­ der Gattung.2 Das Muster mit den Halbmonden (Abb.); Choix de la Collection Bentinck, Insti­
gende und sich zur Mitte hin neigende Porzel­ auf der Rückenwölbung des Nautilus folgt einer tut Neerlandais, Paris, 1970, Kat. Nr. 30» Tafel
lanschüssel, ebenfalls mit aufwendiger Einfas­ so regelmäßigen Anordnung, dass man von ei­ 17; Die Sammlung Bentinck-Thyssen, Kunst­
sung. Verschiedenartige Früchte, von denen eine ner nachträglichen Bemalung ausgehen könnte, museum, Düsseldorf, 1970-71, Kat. Nr. 28,
Abb.; Shedevrui Zapadnoevropeiskoi Zhivopisi
kleine Zitrone erkennbar ist, die anderen sich statt von einer natürlichen Einlagerung in der XIV-XVIH w. iz Sobraniya Tissen-Borneniisa,
aber nicht mit Bestimmtheit identifizieren las­ Perlmuttschale. Dass Kalfs Wahl gerade auf die­ Pushkin Museum, Moskau/Hermitage, Lenin­
sen, liegen darin. Zurückversetzt zwischen den sen seltenen Typus fiel oder er einen bekannten grad, 1987, S.72, 107, Kat. Nr. 32, Abb. S. 73;
beiden Porzellangefäßen erscheint ein Nautilus­ dahin gehend veränderte, mag in dessen spezifi­ Maestros Antiguos de la Coleccion Thyssen-
pokal. Er wird flankiert von einem zarten Glas­ scher hellblauer Färbung eine Erklärung finden, Bornemisza, Real Academia de Bellas Artes
de San Fernando, Madrid, 1987/1988, S.78,
pokal venezianischer Art zur rechten und einem mit der er dem kühlen Farbklang von Schüssel Kat. Nr. 21, Abb. S. 79; Willem Kalf. Original
in der Mittelachse des Bildes positionierten, ho­ und Kanne einen weiteren Akkord zu einem ycopia, Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid,
hen Flötenglas, dessen Kontur im dunklen Hin­ harmonischen Gesamtbild hinzufügte. 1998» S.62-65, Kat. Nr. 6, Farbabb. S.63.
tergrund versinkt. Diesen kostbaren Gegenstän­ Die Nautilus-Montierung wird bekrönt von
den beigegeben sind eine Reihe von Objekten, einer goldenen Neptun-Figur, die mit einem Literatur:
H. Schneider; W.G. Constable, Commcmora-
die aus anderen Werken Kalfs bekannt sind: ein Dreizack bewaffnet ist. Ursprünglich chinesi­ tivc Catalogue of the Exhibition of Dutch Art
Messer mit Achatgriff, eine Taschenuhr, einige scher Herkunft wurden auch Kanne und Schüs­ held in the Galleries of the Royal Academy,
auf und neben einem Silberteller verstreute Nüs­ sel mit in Europa entstandenen Montierungen Burlington House, London, 1929, London
se und Kerne, schließlich im Flintergrund links versehen. Als Bekrönung des Kannendeckels 1930, S.67; Katalog Slg. Thyssen-Bornemisza
in die Teppichfalten eingebettet zwei Pfirsiche fungiert ein Hirsch, der Ausguss wird von einem 1937, Bd.I, S.79, Kat. Nr. 213, Abb. 11, Tafel
146; Van Gelder, 1941, S.53, Abb. 52; Van
mit Blütenzweig, sowie als weitere Frucht ver­ Hundekopf gefasst, während den Henkel ein
Gelder, 1942 S. 45, Abb. 3; N. Ottema, Chi­
mutlich eine Melone. bärtiges Gesicht ziert und das ganze Gefäß auf neesche ceramiek, 2. Aull, Amsterdam 1946,
Kalf konzentriert die LichXfuprung auf die er- einem aufwendigen Standring ruht. Eine kunst­ S. 184; Bergström, 1956, S. 282; K.-H. Hering,
lesendsten Objekte des Arrangements, in dem volle Einfassung durch Meisterwerke der Gold­ Silberschmiedegefäße auf niederländischen
der Bauch der Kanne untf•”däsjßchüsselinnere oder Silbeschmiedekunst war die angemessene Stilleben des 17. Jahrhunderts, Diss. Freie

Die Amsterdamer Stilleben 133


Reaktion, derart seltene Objekte zu adeln. An Die ungewöhnliche Tatsache, dass die beiden Universität, Berlin 1955, S. 81-82; Y. Hacken­
verschiedener Stelle ist in der Literatur darauf chinesischen Porzellane in keinem anderen Kalf- broch. »Chinese Porcelain in European Silver
Mounts«, Connoisseur CXXXV (June 1955),
hingewiesen worden, dass ein in Typus und Stilleben als Motiv Wiederverwendung fanden
S.28, Abb. S. 29, Nr. 19; Pilz-von Stein, 1965,
Dekor sehr ähnliches Exemplar aus der 2. Hälf­ und das Bild weder signiert noch datiert ist, hat S. 121, 122 Anin. 145; Spriggs, 1967, S . 75,
te des 16. Jahrhunderts vom persischen Schah in den 1920er Jahren zu Überlegungen nach ei­ Tafel 61a; Grisebach, 1974, S. 116 Anm. 250,
Abbas dem Großen (1587-1629) für den Mos­ ner anderen Zuschreibung geführt, die jedoch 118, 127-128, 170 Anin. 397, Kat. Nr. 120,
lem-Schrein in Ardebil beauftragt wurde.' Die nicht haltbar ist.6 Abb. 123; U. Hoff, »Cross currents in Dutch
and Flemish painting in the seventeenth Cen­
Blau-Weiß-Bemalung der Schüssel mit fruktu- Wahrscheinlich waren die beiden Gegenstän­
tury«, Apollo CXVII1 (1983), S.62-63, Abb.5;
ralen Motiven am oberen Innenrand und auf de aufgrund ihres individuellen Dekors äußerst G. Borghero, Thyssen-Bornemisza Collection.
der Außenwandung unterscheidet sich deutlich seltene Sammlerstücke und es ist daher nicht Catalogue Raisonne of the exhibited Works
von jener der sonst dargestellten Schüsseln. Auf­ auszuschließen, daß dieses Bild im Auftrag eines of Art, Mailand 1986, S. 161, Kat. Nr. 149a,
grund eines sehr ähnlichen Vergleichsbeispiels Sammlers angefertigt wurde. In der Kunstwelt Farbabb.; I. Gaskell, The Thyssen-Boniemisza
Collection, Seventeenth-century Dutch and
kann die Schüssel in die 2. Hälfte des 16. Jahr­ des 17. Jahrhunderts scheint es kein unübliches
Flemish painting, London 1990, S. 78-80, Kat.
hunderts, ihre Montierung präziser in die Zeit Verfahren gewesen zu sein, Gegenstände einer Nr. 11, Farbabb. (dort ausführliches Literatur­
um 1580 datiert werden.4 Von einem mehrfach Sammlung abzumalen, das heißt zu »porträtie­ verzeichnis bis 1989).
profilierten Standring verläuft die Montierung ren«, um mit dem Gemälde dann ein weiteres
in Karyatiden als Verbindungsstegen zur oberen Kunstkammerstück zu besitzen.7
Randeinfassung. Vollplastisch ausgearbeitete Eine weitere Möglichkeit, weshalb Kalf die
Tritonen mit nach hinten abgewinkelten Armen Objekte - ohne Auftrag - gemalt haben könnte, Anmerkungen
dienen als Griffe. In ihrer Eigenschaft als dämo­ ist durch seine zeitweilige Tätigkeit als Kunst­ 1 Grisebach, 1974, S. 120-122.
nische Meeresgötter bereichern die Tritonen die händler vorstellbar. In dieser Eigenschaft wusste 2 Zum Nautiluspokal bei Kalf: Grisebach,
bereits in der Neptunsfigur des Nautilus ange­ er um den Wert und die Seltenheit der Dinge.8 1974, S. 269; im allgemeinen vgl. Mette 1995,
hier zitiert nach U. Mette, »Schöne curiose
sprochene Meeressymbolik um einen weiteren Sollte er auf diesem Wege Zugang zu diesen un­ Werke. Zu Sebastian Stoskopffs Stilleben mit
Aspekt. gewöhnlichen Gegenständen besessen haben, Conchylien«, in Aussl. Kat. Sebastian Slos-
Ein dagegen in Kalfs Stilleben mehrfach er­ wird er in seiner Position als Maler die Chance kopff 1597-1657. Ein Meister des Stillebens,
scheinendes Objekt, meist an den Rand der ergriffen haben, diese mittels seiner ebenso hoch Strasbourg/Aachen 1997, S. 128; siehe auch
Komposition gerückt, ist die Taschenuhr. Hier geschätzten Malerei im Bild festzuhalten und ih­ den Beitrag von Alexandra Gaba-van Dongen
in diesem Katalog.
allerdings wird sie an exponierter Stelle auf dem nen solchermaßen seine künstlerische Referenz 3 Die Kanne befindet sich heute im Archäo­
Präsentierteller in der Bildmitte und zwischen zu erweisen. logischen Museum von Teheran. Siehe Grise­
den beiden kostbarsten Gegenständen gezeigt. SB bach, 1974, S. 127, Abb. 196; R. L. Hobson,
Ihr gläserner Deckel ist aufgeklappt. Der Uhr­ »Chinese Porcelain in Dutch Pictures«, Coun­
schlüssel hängt an einem Bändchen über den try Life LXV (1929), S. 243-244, Spriggs,
1967, S. 75, Tafel 61b; siehe auch den Beitrag
Tellerrand hinab. Sollte der Verwendung dieses von Alexandra Gaba-van Dongen in diesem
Motivs bei Kalf ein sinnbildhafter Bezug zu­ Katalog.
grunde liegen, dann ist er hier offensichtlicher 1 Die Schüssel aus der ehemaligen Slg. Wil­
als in den anderen Stilleben. Neben ihrer Eigen­ liam Cecil, Lord Burghley befindet sich heute
schaft als vanitas-Symbol, als Hinweis auf die im Metropolitan Museum of Art in New York,
Grisebach, 1974, S. 127; Gaskell, 1990, S.80,
Vergänglichkeit (irdischen Reichtums), erinnert Anm. 8; siehe auch den Beitrag von Alexan­
die gleichmäßig tickende Taschenuhr auch an dra Gaba-van Dongen in diesem Katalog.
die damals so hoch geschätzte Tugend des rech­ 5 Vgl. C. Klemm, »Weltdeutung - Allegori­
ten Maßes.5 en und Symbole in Stilleben«, in Ausst. Kat.
Münster/Baden-Baden 1979/80, S. 202.
6 Zur Datierung: von Grisebach, 1974, Kat.
Nr. 120, noch vor 1663 datiert, tendiert
F. G. Meijer dazu, das Bild aufgrund der
malerischen Behandlung des Teppichs und
der Darstellung eines außergewöhnlichen
Objektes in die Zeit um 1670-1680 zu datie­
ren; zu Fragen der Zuschreibung: S. Gaskell,
1990» S. 80. Jurriaen van Streecks Stilleben mit
Porzellankanne wurde von Gaskell als Ver­
gleichsbeispiel genannt, aber Gaskell lehnt
diese Zuschreibung ab und datiert das Bild in
Kalfs mittlere Phase, um 1660. Van Streecks
Motive besitzen nur annähernd Ähnlichkeit
mit denen Kalfs. Auch in den Prinzipen des
Bildaulbaus wie des Farbauftrags und der
Lichtbehandlung sind Unterschiede offen­
sichtlich.
7 Vgl. dazu G. Luther, »Stilleben als Bilder der
Sammelleidenschaft«, in Ausst. Kat. Münster/
Baden-Baden 1979/80, S. 106.
8 Siehe auch den Beitrag von Fred G. Meijer in
diesem Katalog, S. 94ff.

Die Amsterdamer Stilleben


134
I
33 Stilleben mit Ingwertopf und Porzellanschälchen

uch wenn sie, wie im Falle Kalfs, große ne Deckel eines Streuers, dessen Korpus, kaum Ö1 auf Leinwand, 55 x 68 cm

A Anerkennung erfuhren, wurde im 17. noch sichtbar, zwischen die beiden Porzellange­ Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum,
Landesgalerie, Leihgabe aus Privatbesitz
Jahrhundert den Werken der Stilleben­ fäße gekippt ist.
maler von der Kunsttheorie ein vergleichsweise Ein schräg liegendes Messer verbindet optisch Provenienz:
niedrig stehender Platz in der Hierarchie der Schale und Silberteller und weist mit seinem Vermutlich Auktion Amsterdam, 8. Februar
Gattungen zugesprochen. Als Argument dien­ Achatknauf ebenso über die Tischkante hinaus 1773, Kat. Nr. 72: »Een Stil Leven; natuurlyk
te das Fehlen eines »höheren« Inhaltes, wie er wie die zum linken Bildrand die Komposition op Doek geschilderd, door Kalf, h. 21 !4, b.27
duim (Öl auf Leinwand, 55x69 cm); Samm­
beispielsweise in der Historienmalerei gegeben abschließende aufgeklappte Taschenuhr. In for­
lung Dr. Hewlett Johnson, Dekan von Can­
war.1 Kalf - wie auch viele seiner Künstlerkolle­ maler Entsprechung zu den Teppichfransen terbury; Auktion Londen, Sotheby’s, 16. Juli
gen - konnte dieser Einschätzung durch beson­ hängt deren Schlüsselband von der Tischkante 1980, Kat. Nr. 203, mit Abb.; Privatsammlung,
dere Virtuosität in der Ausführung entgegen­ herab. Deutschland seit 1980; 1999 Leihgabe aus
wirken, indem er seine malerischen Fähigkeiten Am Beispiel des Römers manifestiert sich ein­ deutschem Privatbesitz an das Niedersäch­
sische Landesmuseum in Hannover.
zu ungeahnter Perfektion entwickelte. In diesem mal mehr die für den Maler konstatierte Virtu­
Stilleben beweist Kalf einmal mehr seine unbe­ osität in der Behandlung des Lichtes. Wie es das Ausstellungen:
strittene Meisterschaft in dieser Hinsicht. Aber weingefüllte Glas durchdringt und mit einem Keine.
auch die Darstellung eines Gegenstandes von goldenen Schimmer dann auf der Wandung des
besonderer »Noblesse« bedeutete eine Aufwer­ Topfes, im hellen Teil seines Dekors, auftrifft, Literatur:
Segal, 1988, S. 221 Anm. 50; E. Gemar-
tung der Gattung. In einigen Fällen malte Kalf ist meisterhaft dargestellt. Seine größte Inten­ Koellzsch, Luca-Bild-Lexikon. Holländische
hochgeschätzte und identifizierbare Unikate wie sität erfährt es im kleinen Porzellanschälchen Stillebenmaler int 17. Jahrhundert, hrsg. v. K.
z. B. die »Holbeinschale« (Kat. Nr. 36-37) oder des Vordergrundes. Als einziger der zentralen Ertz und C. Nitze-Ertz, Lingen 1995, Band
das Trinkhorn der Sebastiansgilde (Kat. Nr. 25)? Bildgegenstände ist dieses Gefäß vollständig zu 1: Texte und Farbtafeln, S. 164, Farbtafel 56,
Selbst wenn er einzelne Objekte mehrfach dar­ sehen, während die anderen Dinge einander Bd 2, S. 555, Kal. 194/38; C. Bottermann, in:
TausendSchön. Neue Schätze im Niedersächsi­
stellte, besaßen diese immer noch einen beson­ überschneiden. Kalf setzt eine Reihe weiterer
schen Landesinuseum Hannover (1992-2005)
deren Wert. Auf dem damaligen Kunstmarkt Kunstgriffe ein, die dem Gemälde trotz dichter Die CD, hrsg. v. H. Grape-Albers, CD-rom,
waren die Gemälde auch von hoch gehandelten Motivanhäufung den Eindruck einer Komposi­ Hannover 2005.
Malern, häufig preiswerter als die Gegenstände, tion von großer Ausgewogenheit und Harmonie
die darauf dargestellt waren? verleihen. In motivischer Hinsicht wird bei­
In diesem für Kalfs Werk seltenen Querformat spielsweise mit den Orangenblättern, dem Ran­
ist der große, bauchige Porzellantopf mit blau­ kenornament des Topfes und dem Blattmuster
weißer Glasur der tonangebende Gegenstand im des Teppichs ein kompositorischer Bogen ge­
Motivensemble ausgesuchter Objekte. Um ihn schlagen. Eine wohldurchdachte Farbsetzung
herum sind diese auf einer polierten Steinplatte leitet den Blick des Betrachters von Objekt zu
mit zurück geschobenem Orientteppich in dich­ Objekt. Als Hauptmotiv des Bildes wird der kühl
ter Anordnung präsentiert. Das Porzellangefäß glänzende Porzellantopf von warmen Rottönen
wird in der Raumtiefe zur Linken von einem ho­ »gerahmt« und akzentuiert, während durch
hen Flötglas mit Rotwein und rechts, kaum noch Orange- und Gelbtöne die Früchte miteinander
sichtbar, von einem Glas mit weiter Kuppa und in Kommunikation treten.
gewelltem Rand hinterfangen. Als drittes Glas Das für den heutigen Betrachter vermutlich
ist ihm ein halbgefüllter Römer voran gestellt. merkwürdig erscheinende Eintauchen der ge­
Zu der darin liegenden Zitrone mit dekorativ schälten Zitrone in den Wein war zu Kalfs Zei­
sich über den Glasrand hinab windender Schale ten eine weit verbreitete Praxis, um den süßli­
gesellen sich als weitere Südfrüchte eine Orange chen Geschmack des Getränks durch die Säure
mit Blütenstengel und leicht eingerissener Schale der Zitrusfrucht abzumildern.
sowie eine Melone, in deren Anschnitt das gelbe In vielen seiner Stilleben kombiniert Kalf den
Fruchtfleisch leuchtet. Halb auf den Falten des weingefüllten Römer in Nachbarschaft mit davor
zur Seite geschobenen Teppichs, halb auf einem liegenden Zitronen, bei einer Reihe von in ihrer
silbernen Präsentierteller mit Haselnüssen an­ Komposition sehr ähnlichen Stilleben, zeigt er
gelehnt, zieht im hell beleuchteten Vordergrund wie hier die im Glas liegende Zitrone.1
eine zarte kleine Porzellanschale mit geweiltem Die häufig anzulreflende Bezeichnung des
Rand und chinesischen Blatt- und Tierdekor die bauchigen Porzellangefäßes als »Ingwertopf«
Aufmerksamkeit auf sich. In ihr liegt die Schale deutet auf seine Funktion zur Aufbewahrung
der abgegessenen Melonenspalte und der silber­ der aus den Tropen stammenden Gewürzpflan-

136 Die Amsterdamer Stilleben


ze hin, die vor dem Austrocknen geschützt wer­ durch Abwandlungen im Dekor des Topfes.6 Anmerkungen
den musste. Das in China hergestellte Porzellan Grisebach vermutet dennoch bei allen Beispie­ 1 Siehe J. Becker, »Das Buch im Stilleben. Das
Stilleben im Buch«, in Ausst. Kat. Stilleben
mit kurzem, geraden Hals wird in die Zeit um len ein konkretes Exemplar als Vorlage, das Kalf
in Europa, Westfälisches Landesmuseum für
die Mitte des 17. Jahrhunderts datiert.5 Es zeigt in Kenntnis von Ornamentdetails mit eigenen Kunst und Kulturgeschichte, Münster 1979,
eine blaue Fläche mit weißem Rankenorna­ Variationen versah und so neu »erfand«. Das S.469.
ment, das zwei gegenüberliegende weiße Bild­ Gemälde aus Hannover zeigt einzelne Moti­ 2 Die von Kalf dargestellten chinesischen Por­
felder trennt. Oberhalb eines Zickzack-Musters ve, die mit denen in Amiens und Indianapolis, zellanschalen und -Schüsseln sind dagegen
auch häufig in Werken anderer Stillebenmaler
ziert eine liegende Raute den Hals des Topfes. 1669, übereinstimmen. Kalfs Vorgehen, frühere anzutreffen.
Kalf stellte das elegante Gefäß in vier weiteren erfolgreiche Kompositionen Jahre später wieder 3 Vgl. dazu J. Loughman, »The Market for
seiner Stilleben dar, die sich heute in Amiens aufzunehmen, erschwert eine konkrete Datie­ Netherlandish Still Lifes, 1600-1720«, Still-
(Kat. Nr. 35), in Delft, Prinsenhof, als Leihgabe rung des vorliegenden Bildes. Für ein in Kom­ Life Paintings front the Netherlands 1550-
des 1CN Rijswijk, Inv. NK 1896 (Abb. 1, S. 142), position und Motivrepertoire entsprechendes 1720, Rijksmuseum Amsterdam/Cleveland
Museum of Art 1999/2000, S.88. Über die
im Louvre in Paris und in Indianapolis (Abb. 3, Gemälde, das sich im Louvre in Paris befindet,
Geringschätzung von Stilleben im späten
S. 144) befinden. Das hier vorgestellte Gemälde wird mit einer Datierung um 1660 die gleiche 18. Jahrhundert und die gegenteilige Bewer­
unterscheidet sich von diesen allerdings durch Entstehungszeit wie für das Bild in Hannover tung von Kalf durch Goethe, siehe Bothe &
das Querformat, wie auch durch das Fehlen der angenommen.7 Hausmann, Goethes Bildergalerie, Kunst­
Römerschraube im Gegenstandsrepertoire und SB sammlungen Weimar 2002, S. 150.
‘ Vgl. Kalfs St Hieben mit Silberschale, Gläsern
und Früchten, Szepmüveszeli Muzeum, Buda­
pest, Grisebach, 1974, Kal. Nr. 85, Abb. 92, das
Stilleben mit Silberschale, Gläsern und Fruch­
ten, Staatliches Museum, Schwerin, Grise­
bach, 1974, Kat. Nr. 91, Abb. 94, und das Still­
leben mit Silberschale, Gläsern und Früchten,
Universitätsmuseum, Lund, Grisebach, 1974,
Kat. Nr. 86, Abb. 93.
5 Grisebach, 1974, S. 128 Anm. 296: zwischen
dem Ende der Ming-Dynastie (1644) und
dem Beginn der Kang-hsi-Periode (1662);
siehe auch Segal, 1988, S. 196.
6 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 92, Abb. 100, Kat.
Nr.93, Abb. 101, Kat. Nr. 135, Abb. 145. Am
engsten verwandt ist der Ingwertopf auf dem
Gemälde in Indianapolis (Abb. 3, S. 144), das
1669 datiert ist, während die liegende Raute
auf dem Gefäß im Topf des Delfter Stillebens
dargestellt ist. (Abb. 1, S. 142).
7 Grisebach, 1974, S. 128f., zur Datierung
S. 159 f. und E G. Meijer in diesem Katalog,
S. 94, der in dem in Louvre befindlichen Still­
leben allerdings die erste Version der beiden
Bildern sieht.

138 Die Amsterdamer Stilleben


34 Stilleben mit Römer, Zitrone und Orangen

uffallend bei diesem Bild ist die Redu­ stand man die süße Orange und die saure Zitro­ Öl auf Leinwand, 36,5 x 30,8 cm

A zierung auf nur wenige Bildelemente. ne auch als sich ergänzende Säfte, die ein durch Bezeichnet links neben der Tischplatte:
W.KALF
Vor dem dunklen Hintergrund einer Ernährung notwendiges Gleichgewicht im Kör­ Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle,
nur vage zu erkennenden Nische steht im Zen­ per herstellen sollten.1 Inv. Nr. 2585
trum des Bildes ein halb mit Wein gefüllter Rö­ Für die nachfolgende Generation verloren
mer. Neben und hinter ihm liegen drei Orangen, sich offensichtlich derartige Bezüge im Stilleben, Provenienz:
davor an der Kante des Tisches eine Zitrone. so dass ein in der Komposition so schlicht aus­ Sammlung Jonkheer Victor de Stuers, Den
Deren abgelöste Schale liegt mit ihrem Ende an Haag und Paris, 1881; Sammlung Frau A.
geführtes Stilleben wie dieses Gerard de Lairesse
Gatacre De Stuers, De Wiersse; Kunsthan­
der Tischecke auf, so dass sie den »Rahmen« zu der Kritik an Kalf veranlasst haben könnte, del Sem Nystad, Den Haag, 1966 und ande­
für einen kleinen, nahe der Kante zu sehenden dass er »keine Rechenschaft geben konnte, wa­ re Händler; Kunsthalle Karlsruhe, erworben
Zitronenkern bildet. Unter die Schale ist ein rum sie dies oder jenes darstellte, sondern nur 1969.
Messer geschoben, das mit seinem polierten das, was ihm eben einfiel, ausbildete, ohne je
Ausstellungen:
Achatgriff über den Tischrand hinaus in den darüber nachzudenken, etwas Bedeutendes Ausstellung Sammlung Victor de Stuers, Den
Raum des Betrachters ragt (vgl. dazu auch Kat. mit einem tieferen Sinn zu machen«.2 Trotz der Haag, 1881, Kat. Nr. 171; Jean Simeon Chardin
Nr. 31 und 37). Anders als in den meisten Bil­ Geringschätzung des Stillebens von Seiten der 1699-1779. Werk, Herkunft, Wirkung, Staat­
dern Kalfs, in denen die Zitronenschale in de­ Kunsttheorie im Allgemeinen und Kalfs im Be­ liche Kunsthalle, Karlsruhe, 1999, S. 299-300,
korativ-spiraligem Fall die senkrechte Bildachse sonderen, war die Nachfrage nach derartigen Kat. Nr. 136, Farbabb. (Katalogtext Siegmar
Holsten).
beherrscht, bildet sie hier ein kompositorisches Bildschöpfungen aber offensichtlich groß. Grise­
Pendant zu den Blättern des Orangenzweiges, bachs Zusammenstellung zeigt, dass Kalf diese Literatur:
mit dem Kalf die strenge Axialität der übrigen und andere Bildtypen in mehreren Varianten G. Lafenestre u. E. Richtenberger, La Hollande,
Anordnung durchbricht. Die Komposition ist durchspielte3 und die Zitrone, deren Schalen, Paris 1898, S. 142; J. Lauts, Stilleben alter Meis­
betont einfach. Bei der Auswahl der Motive ver­ kunstvoll abgelöst, in Windungen herabhängt, ter, /. Niederländer und Deutsche (Bildhefte
der Staatlichen Kunsthalle, Nr. 6), Karlsruhe
zichtet Kalf auf den sonst häufig anzutreffenden zu einer Art Markenzeichen ausbildete, an dem 1969, S.32-34, Abb. 22, 2. Auf!., 1983, S.28,
repräsentativen Teppich oder den ornamentier­ er unter anderem seine malerischen Fähigkeiten Abb. S. 29; J. Lauts, Staatliche Kunsthalle Karls­
ten Silberteller, auf welche die Gegenstände nor­ beweisen konnte. Zu recht sagt Svetlana Alpers ruhe. Neuerwerbungen alter Meister 1966-
malerweise gebettet sind. darüber: »Niemals zuvor hat man eine Zitrone 1972, Karlsruhe 1973, S.86-87, Nr. 2585,
Die Beschränkung auf nur wenige Objekte so gesehen. Sie unterliegt nicht dem Verfall der Farbabb.; Grisebach, 1974, S. 117, 159 Anm.
353, 354, S.273, Kat. Nr. 129, Abb. 139; Stil­
lenkt den Blick mit größerer Aufmerksamkeit Zeit, wie heutzutage behauptet wird, sondern leben aus vier Jahrhunderten. Aus dem Besitz
auf Details, wie beispielsweise die Steinarbeiten. der Kontrolle der Augen.«’ Zu der Aufmerksam­ der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, hrsg. v. d.
Die profilierte Tischplatte zeigt eine besonders keit, die die Künstler des 17. Jahrhunderts dem Landesbildstelle Baden-Baden und der Staat­
kräftige Marmorierung, die optisch mit den hell Objekt entgegenbrachten, gehörte es auch, die lichen Kunsthalle Karlsruhe, Karlsruhe 1985,
leuchtenden Einschlüssen im Achat korrespon­ Zitrone aufzuschneiden, um ihre innere Struk­ S.31, Abb. 11; Grimm, 1988, S. 223, Abb.155
(Detail); Norbert Schneider, Stilleben. Realität
diert. Mit der von Kalf so meisterhaft beherrsch­ tur bloß zu legen. Da zu Kalfs Zeiten längs nicht und Symbolik der Dinge, Köln 1989, S. 111,
ten Wiedergabe verschiedenartiger Oberflächen jedermann Zugang zu den damals noch seltenen Farbabb.; E. Gemar-Koeltzsch, Holländische
werden hier in unmittelbarer Nachbarschaft die Südfrüchten hatte, war die Darstellung einer Stillebenmaler im 17. Jahrhundert, Bd.2, Lin­
Glätte des polierten Marmors, die feuchte Trans­ aufgeschnittenen Frucht auch eine Art Zur­ gen 1995, Nr. 194/25, Abb. S. 552; C. Gröschel
parenz des Zitronenanschnitts und die stumpfe schaustellung botanischer Kenntnisse, an denen in Ausst. Kat. »Oranien-Orangen-Oranien-
baum«, hrsg. v. Vorstand der Kulturstiftung
Grobporigkeit der Zitrusfruchtschalen vorge­ ein Maler wie Kalf seine ganze Virtuosität und
Dessau Wörlitz, Dresden 1997, S. 144-145,
führt. Doch kann man vermuten, dass Kalf die ein Sammler seine Bildung und Weltläufigkeit Abb. S. 145.
Zitrusfrüchte nicht nur wegen ihrer äußerst ge­ demonstrieren konnten. Der gelehrte Betrachter
gensätzlichen Beschaffenheit im Inneren und an schätzte die Fähigkeiten der Maler, bestimmte
der äußeren Oberfläche auswählte. Oberflächenstrukturen und die Wirkung des
Zitrone und Orange in ihrer Kombination Lichts auf unterschiedlichen Gegenständen dar­
sind ein für den damaligen Betrachter durchaus zustellen, da diese zu den schwierigsten Auf­
geläufiges Symbol für die temperantia gewesen. gaben der Malerei überhaupt gehörten. Nicht
Der moralische Appell an die Mäßigung bezog notwendigerweise an eine gewisse Opulenz
sich konkret auf den übermäßigen Genuss von oder größere Anzahl der gemalten Gegenstände
Wein, der bei Kalf hier im Römer dargebo­ gebunden, wird Kalfs brillante Lichtführung in
ten wird, im übertragenen Sinne aber auch als der hier vorgestellten kleinen Bildform ebenso
Aufforderung, jeglichem übermäßigen Genuss deutlich wie in den größeren Kompositionen:
zu entsagen. Aus Sicht der im 17. Jahrhundert in den Spiegelungen auf den glatten Flächen wie
populären humoralmedizinischen Theorie ver­ beim Achat des Messerknaufs beispielsweise,

Die Amsterdamer Stilleben 139


am oberen Rand des Weinglases und dem win­ tronenschale zur Akzentuierung ihrer gröberen Anmerkungen
zigen Kern, der seinerseits einen Reflex auf die Stofflichkeit gesetzt wurde. »Was immer sonst 1 VgL C. Gröschel, 1997, S. 144; und allge­
Tischplatte wirft. Unzählige kleine Lichtpunkte noch diese Werke auszeichnet, klar ist, dass sie mein zur Theorie medizinischer Wirkung
von Früchten im 17. Jh.: N. Schneider, »Wirt­
werden gesetzt, um die feuchte Transparenz des ein Fest für die Augen sein sollen.«5 schafts- und sozialgeschichtliche Aspekte des
Fruchtfleisches darzustellen oder die Körnigkeit Grisebach datiert das Bild in die Zeit um Früchtestillebens«, in Ausst. Kat. Stilleben in
der Nuppen am Römer herauszumodellieren. In 1663/64. Fred G. Meijer verweist auf einen kom­ Europa, Westfälisches Landesmuseum für
der transparenten Materie des Weines wird das positorischen Zusammenhang und möglichen Kunst und Kulturgeschichte, Münster 1979,
Licht gebrochen, das diffuse Spiegelbild der da­ Einfluss eines Gemäldes von Jan Jansz. van de S.282.
2 Zit. nach J. Becker, »Das Buch im Stilleben«,
vor liegenden Früchte zeigt sich in eben diesem Velde III, das 1649 datiert ist.6 in Ausst. Kat. Stilleben in Europa, Westfä­
Glas, während der Farbauftrag bei den Weiß­ SB lisches Landesmuseum für Kunst und Kultur­
lichtern auf den hoch stehenden Partien der Zi­ geschichte, Münster 1979, S. 472.
3 Siehe für dieses Beispiel: Grisebach, 1974,
Kat. Nr. 127, Abb. 137; im Allgemeinen: Grise­
bach, 1974, S. 180-186.
4 S. Alpers, Kunst als Beschreibung. Hollän­
dische Malerei des 17.Jahrhunderts, Köln
1985, S. 175.
5 lbid.,S. 175.
6 Siehe den Aufsatz von Fred G. Meijer in die­
sem Katalog, S. 94 ff.

140 Die A msterdanier St Hieben


35 Stilleben mit Römerschraube, Deckelgefaß aus Porzellan,
Alelone und einer Rose

ieses stimmungsvolle Stilleben aus in derartigen Tütchen Tabak, doch Tabak und Öl auf Leinwand, 101,5x82,8 cm

D Amiens gehört zu den größeren For­ Rauchgerät fehlen völlig auf Kalfs Gemälden. Amiens, Musee de Picardie,
Inv. Nr.MP Lav. 1894-20
maten in Willem Kalfs CEuvre. Darüber Das könnte etwas damit zu tun haben, dass man
hinaus ist es eines jener Gemälde, von denen es das Rauchen im Allgemeinen für eine nur we- Provenienz:
ein zweites, nahezu identisches Exemplar gibt, nig vornehme Angelegenheit hielt und dass eine Sammlung Gebrüder Lavalard, Roye und Pa­
das sich in Delft befindet (Abb. 1). solche Assoziation gewiss das letzte gewesen ris, 1890 als Legat an Amiens, Musee de Picar­
Die Aufmerksamkeit für die - wie immer sein dürfte, was Kalf mit diesem Stillebentyp er­ die (1894 übertragen).
- kostbaren Objekte ist in dem Stilleben aus reichen wollte. Blumen und Früchte spielen bei Ausstellungen:
Amiens gleichmäßig verteilt. Jeder Gegenstand Kalf selten eine wichtige Rolle, abgesehen von Le siede de Rembrandt, Paris, Petit Palais,
spielt seine Rolle mit einer eigenen spezifischen der häufig vorkommenden halb geschälten Zi­ 1970/1971, Kat. Nr. 121, Abb.; Hollandse Schil­
Eigenschaft und Textur. Im Mittelpunkt steht ein trone sowie den Orangen und Pfirsichen, womit derijen uit Franse Musea, Amsterdam, Rijks­
Römer auf einer teilweise vergoldeten silbernen vor allem ein Bild von Luxus vermittelt werden museum, Kat. Nr. 40, Abb.; La nature morte
de Brueghel ä Soutine, Bordeaux, Galerie des
Römerschraube, die ein anregendes Spiel von sollte. Demnach handelt es sich bei der hier zu
Beaux-Arts, 1978, Kat. Nr. 43; Couleurs du
Schatten, Lichtreflexionen und durchschim­ sehenden Rose und der aufgeschnittenen Melo­ Nord. Peintures Flaniands et Hollandaises des
merndem Licht auf dem rechts zu sehendem ne um abweichende Motive, die diese Kompo­ musees d'Aniiens, Amiens, Musee de Picardie,
großen Deckelgefäß aus chinesischem Porzellan sition von Kalf stärker noch als andere in einen 1999, S. 24.
bewirkt. Im Vordergrund ist Kalfs »Stammgast« Zusammenhang mit den Arbeiten von Zeitge­
Literatur:
zu sehen, eine getriebene Silberschale, auf der nossen wie Jan Davidsz. de Heern rücken, bei
Catalogue des tableaux composant la collection
ein seltenes weißes Porzellanschälchen mit einer dem gerade die Blumen und Früchte die wich­ Lavalard Freres de Roye au Musede Picardie,
feinen, dünnen blauen Verzierung steht. In die­ tigen Motive sind (Abb. 2). Auch ein Brötchen Amiens 1894, S.8, Kat. Nr. 20; A. Bredius,
sem Schälchen liegt ein zu einer Tüte gerolltes ist von Kalf selten so prominent wie auf diesem »Nederlandse kunst in provinciale musea van
Blatt Papier, vielleicht eine Seite aus einem Al­ Bild wiedergegeben worden. Im Stamm der Frankrijk«, Oud Holland 19 (1901), S. 8; Grise­
bach, 1974, S. 128-129, 144-146, 252-253,
manach, das vermutlich Pfeffer enthält. Auf vie­ Römerschraube erscheint dieses Mal nicht ein 276, Kat. Nr. 92, Abb. 100; J. Foucart, Les Fre­
len Stilleben des 17. Jahrhunderts befindet sich Putto, sondern ein weiblicher Akt, der rittlings res Lavalard de Roye, niecenes du Musee de

1 Willem Kalf, Stilleben mit chinesischer Porzellan­


schüssel, Gläsern und Früchten, signiert und 1662
datiert, Öl auf Leinwand, 66,5 x 55 cm. Kopenhagen, 2 Jan Dz. de Heern, Stilleben von Früchten und Blumen in einer Landschaft, signiert und
Statens Museum for Kunst, Inv. Nr. 384. datiert 1655, Öl auf Leinwand, 95 x 124,5 cm. St. Petersburg, Eremitage, Inv. Nr. 1107.

142 Die Amsterdamer Stilleben


auf einem großen Horn sitzt. Diese Frauenfigur Tischtuch aus nahezu schwarzem Satin ersetzt Picardie, Amiens 1977, S. 19, 38, Kat. Nr. 19;
stellt vermutlich Ceres dar, die Göttin der Erde wurde, das mit langen Goldfransen versehen ist Ter Kuile, 1985, S. 124, 125, Abb.VI-31a;
Ydema, 1991, S. 161, Nr.447; V. Huchard
und des Ackerbaus, die auf dem cornucopia (Abb. 1). Außerdem erscheint anstelle des linken
et al., Le Musee de Picardie, Amiens, Paris
sitzt, dem Horn des Überflusses. Die Melone, Pokals nun ein niedriges Weinglas ä la fa^on 1995, S. 91, 92; G. Wajcman, Nature de vase
das Brötchen und die Rose können als Produk­ de Vettise. Die Existenz zweier so sehr überein­ ä la morte de Chine ou pourquoi la peinture
te der Erde unmittelbar mit ihr in Verbindung stimmender Gemälde kann eigentlich nur damit ne sent pas, Creil 1997; M. Pi nette, Couleurs
gebracht werden. Mit der links auf dem Tisch erklärt werden, dass es auf dem Kunstmarkt ein d'ltalie, couleurs du Nord. Peintures etrangeres
des musees d'Amiens, Amiens 2001, S. 178, 179
liegenden Uhr wollte Kalf vielleicht daran erin­ spezielles Interesse dafür gab. Kalf könnte das (Farbabb.), 263.
nern, dass dieser irdische Überfluss nur zeitlich Bild aber auch für einen Auftraggeber angefer­
ist und nicht länger als ein kurzes Leben dauert. tigt haben, der die erste Version gesehen hatte.
Außer dem Römer in der Römerschraube sind Oder er arbeitete simultan an beiden Gemälden, Anmerkungen
1 Wer in Grisebachs Monographie die gegen­
noch weitere Gläser auf dem Tisch angeordnet. wissend, dass er für beide Arbeiten einen Käufer über liegenden Seiten mit den Abbildungen
Links steht ein Pokal aus Eisglas, der auch auf hatte oder finden würde. Einem künstlerischen der beiden Gemälde aufschlägt (Abb. 100
zahlreichen anderen Gemälden zu finden ist Anliegen scheint er jedenfalls mit dieser Dupli­ und 101), denkt zunächst zwei Abbildungen
(vgl. Kat. Nr. 26). Ein weiterer Pokal, ebenfalls zierung wohl kaum gedient zu haben. Dennoch desselben Gemäldes zu sehen. Vgl. auch mei­
aus Eisglas und mit Löwenmasken, steht kaum ist festzuhalten, dass sich Kalf in dem Bild aus ne Bemerkung zu den Tischtüchern bei Kalf
und Willem van Aelst unter Kat. Nr. 28. Kalfs
erkennbar im Hintergrund. Rechts von dem Rö­ Amiens für ein orientalisches Tischtuch ent­ Satintuch zeigt weitaus geringere Verwandt­
mer ist ein hohes Flötenglas zu sehen. Der Per- schied, während er auf der Delfter Version ein in schaft mit dem Tuch von Van Aelst als der
serteppich spielt hier eine weniger bedeutende seinem CEuvre unübliches Tischtuch aus dunk­ Orientteppich des Letztgenannten mit den
Rolle als sonst in den Stilleben Kalfs. lem Satin wiedergab. Da aber auch der Perser­ Teppichen von Kalf.
Der wichtigste Unterschied zu der eingangs teppich ziemlich dunkel gehalten ist, beeinflusst 2 Ter Kuile erwähnte in seinem Katalog der
Slillebensammlung des Rijksdienst Beeiden­
erwähnten zweiten Version dieses Gemäldes diese Entscheidung den Gesamteindruck der de Kunst (jetzt Instiluut Collectie Nederland)
besteht darin, dass der Perserteppich durch ein Gemälde im Hinblick zueinander nicht auffal­ von 1985 (siehe Literatur) nur die kaum les­
lend.1 bare Signatur (»W. KAL..«, wie ich sie am 20.
Die Jahreszahl auf der Delfter Version ist frü­ Juli 2006 auf dem Gemälde las); die Datierung
her als 1658 gelesen worden und Grisebach über­ war offensichtlich schon früher verschwun­
3 Willem Kalf, Stilleben mit Römerschraube, den. Das Gemälde ist in der Vergangenheit
Deckelgefäß aus Porzellan und Südfrüchten, signiert nahm diese Datierung. Deshalb wurde auch die­ mehrmals intensiv restauriert worden, zum
und datiert 1669, Öl auf Leinwand, 77 x 65,5 cm. ses Stilleben aus Amiens um 1658 datiert. Doch letzten Mal im Jahre 2003 von Annetje Roorda
Indianapolis, Indianapolis Museum of Art, gestiftet auf dem Delfter Bild ist das Dalum verschwun­ Boersma, Rotterdam.
von Mrs. James W. Fesler zur Erinnerung an Daniel den und aus stilistischen Gründen erscheint eine 3 Das wenig subtile weiße Glanzlicht auf dem
W. und Elisbeth C. Marmon, Inv. Nr. 45.9. spätere Datierung plausibler.2 Beide Gemälde Porzellantopf des Stillebens in Indianapolis
hat keine wirkliche Funktion. Es fehlt auf je­
stehen in vielerlei Hinsicht dem 1669 datierten der anderen Abbildung dieses Gegenstandes
Stilleben nahe, das in Indianapolis aufbewahrt von Kalf und ist daher wahrscheinlich eine
wird (Abb. 3), nicht nur angesichts der Auswahl vermeintliche Verbesserung des Gemäldes
der Gegenstände, sondern auch aufgrund der von einer späteren Hand.
Ausführung und Beleuchtung. Man vergleiche ■’ Ein anderes Stilleben mit einer sehr ähnli­
chen Auswahl an Gegenständen (Kal. Nr. 33,
zum Beispiel das Spiel des Lichtes in dem Römer Hannover und seine Variante im Louvre,
und die Behandlung der Silberschale.3 Obwohl Grisebach, 1974, Kat. Nr. 137, Abb. 149) passt
es beinahe unmöglich ist, die Arbeiten Kalfs in hinsichtlich der Ausführung wieder besser in
allen Punkten an eine genaue Datierung zu kop­ das CEuvre um 1660.
peln, darf man wohl davon ausgehen, dass die
Gemälde aus Amiens und Delft eher um 1669
als um 1658 entstanden sind. ’
FGM

144 Die A msterdamer Stilleben


36 Stilleben mit Holbeinschale, Pokal, Nautiluspokal
und Porzellanschüssel mit Flüchten

illem Kalf gab auf seinen Stilleben nach einem Entwurf von Hans Holbein verse­ Öl auf Leinwand, 68 x 56 cm

W häufig besonders kostbare Gegen­ hen. Auf diesem Stilleben ist auf der Schale die Signiert und datiert, links unten:
W. KALF 167.
stände wieder, wie den Hornpokal Inschrift »HoLBeen Fe« zu sehen, die jedoch auf Kopenhagen, Statens Museum for Kunst,
auf Kat. Nr. 25 oder die Van-Vianen-Kanne auf dem realen, in München aufbewahrten Gegen­ Inv. Nr. 1531
Kat. Nr. 28. Ein einzigartiger Gegenstand, den stand fehlt. Es scheint sich also bei dieser Inschrift
Provenienz:
Kalf in seine Stilleben aufnahm, ist wohl die so um einen von Kalf vorgenommenen Hinweis für Sammlung Bodendick, Kopenhagen; Samm­
genannte »Holbeinschale« (Abb. 12, S. 31), die den Betrachter zu handeln. Die Schale war ur­ lung Dänisches Königshaus, Schloss Fredens-
außer auf diesem Bild auch auf einer etwas grö­ sprünglich Teil der Sammlung Heinrichs VIII. borg; Kopenhagen, Statensmuseum for Kunst,
ßeren Arbeit zu sehen ist, auf dem 1680 entstan­ von England und wurde nach dem Fall König Erwerb 1896
denen Gemälde in Weimar (Kat. Nr. 37). Auf Karls I. im Jahre 1649 von der neuen Regierung Ausstellungen:
dem hier gezeigten Stilleben aus Kopenhagen zu Geld gemacht. Erst 1711 tauchte sie wieder Kunstforeninmgen t Kobenhavn, Kopenhagen,
wird die Schale, die auf Kalfs unvermeidlicher in der Sammlung von Kurfürst Johann Wilhelm 1896, Kat. Nr. 67
Silberschale steht, von einer Porzellanschüssel in Düsseldorf auf. Es liegt nahe, dass dieser Ge­ Literatur:
mit zwei Pfirsichen flankiert, hinter der sich ein genstand über den holländischen Kunst- und Catalogue dune Collection de Tableaux [Samm­
reich ornamentierter Nautiluspokal befindet. Antiquitätenhandel dorthin gelangte, denn der lung Bodendick], Kopenhagen, 1784, Kat.
Nr. 53; H. Weinrich, Fortegnelse over den
Dahinter sind einige kleine Lichter zu erkennen, Kurfürst verfügte über viele Kontakte in die Nie­ Bodendickse Malerisamling, Kopenhagen, 1825,
die einen Glaspokal andeuten. Die profilier­ derlande. Ob Kalf die Schale selbst als Händler in S.2, Nr. 1; K. Madsen, in Tilskneren, 14 (1897),
te Marmortischplatte ist zum größten Teil mit seinem Besitz hatte, ist nicht zu sagen, vielleicht S. 133f., Abb.S. 133; H. Vollmer, »Die alte Ge­
einem Perserteppich bedeckt, dessen Fransen sah er sie auch bei einem Händlerkollegen. Ange­ mäldegalerie in Kopenhagen«, Monatschrift
jedoch ausnahmsweise recht prominent wieder­ sichts seiner Vorliebe für glänzende Gegenstände für Kunstwissenschaft 2 (1909), S. 558; P. Hertz,
Kunstmuscets Aarsskrift 8-10 (1921-1923),
gegeben wurden. Unter der Silberschale steckt wird eine solche Kuriosität gewiss nicht seiner S.384; K.-H. Hering, Silberschmiedegefäße,
erneut ein Messer mit Achatgriff und auf ihrem Aufmerksamkeit entgangen sein. Theoretisch Berlin o.J. [1953], S.81 f.; Bergström, 1956,
Rand liegt eine Uhr mit geöffnetem Deckel. Der könnte eines der beiden Stilleben mit der Dar­ S.280, Abb. 231, 282; J.F. Hayward, »A Rock-
an einem Band hängende kleine Uhrenschlüssel stellung dieser Schale auf Wunsch eines Besitzers crystal bowl from the Treasure of Henry VIII«,
baumelt gerade so über dem Bildrand. gemalt worden sein, doch aufgrund der Hinzufü­ Burlington Magazine 100 (1958), S. 120-124;
J. F. Hayward, »The Mannerist Goldsmiths, IV«,
Die »Holbeinschale« aus Bergkristall soll aus gung anderer prominenter Kostbarkeiten ist dies Connoisscur 159 (1965), Nr. 640, S.82-84; P.
dem 14. Jahrhundert stammen. Sie wurde im 16. eher unwahrscheinlich. Der Nautiluspokal ist Gammelbo, Dutch Still-Lifc Painting from the
Jahrhundert mit dem vergoldeten Silberbeschlag mit seiner reichen Fassung auf keinem anderen 16th to the ISth Centuries in Danish Collections,
Stilleben zu sehen. Bei dieser Fassung handelt es Kopenhagen/Leigh-on-Sea/Amslerdam 1960,
1 Willem Kalf, Stilleben mit Prunkgeschirr und sich möglicherweise um ein Produkt von Kalfs Kat. Nr. HO; Pilz-von Stein, 1965, S.90,91, 138,
Porzellanschüssel mit Früchten, Öl auf Leinwand, Nr. 108; Grisebach, 1974, S. 126-127, 160-161,
Phantasie. Die Form der Muschel ist der von an­ 245, 272» 277-278, 279, Kat. Nr. 138, Abb. 146-
121 x 105 cm. Philadelphia, Philadelphia Museum of deren Nautiluspokalen sehr ähnlich (Abb. I).1 147; Segal, 1988, S. 195, 196, 221 Abb. 10.9; Yde-
Art, John G. Johnson Collection, Inv. Nr. J634. Kalfs Datierungen haben offensichtlich die ma, 1991, S. 163, Nr. 489; E. Gemar-Koeltzsch,
Neigung zu verschwinden und auch die Jah­ Luca Bild-Lexicon. Holländische Stillebenmaler
reszahl 1678 auf diesem Werk ist laut aktueller im 17. Jahrhundert, 3 Bde., Lingen 1995, Bd.2,
S.551 (Abb.), 522, Nr. 194/19 (immer als 1678
Angabe des Museums nicht mehr zu erkennen. datiert); R. Botho, U. Hausmann, Ausst. Kal.
Andere konnten darauf jedoch noch »167.« ent­ Goethes »Bildergalerie«, Kunstsammlungen zu
ziffern.2 Die Variante in Weimar (Kat. Nr. 37) Weimar 2002, S. 150.
wurde von Grisebach auf »1680 oder 1679 [?]«
Anmerkungen
vom Museum aber heute eindeutig auf 1680 da­ 1 Grisebach, 1974» Kat. Nr. 119, Abb. 122. Je­
tiert. Zweifellos sind beide Gemälde am Ende nes Gemälde soll 1662 datiert sein, aber diese
der siebziger Jahre entstanden, womit auch der Datierung ist, wie auch die Signatur, schon seit
Verbleib der »Holbeinschale« in Amsterdam do­ langem nicht mehr darauf zu erkennen; sie
kumentiert wäre. wurde jedoch von Grisebach akzeptiert. Viel­
leicht muss das Gemälde aber angesichts der
FGM starken Ähnlichkeit mit diesem Bild aus Ko­
penhagen in den gleichen Zeitraum, d.h. die
späten siebziger Jahre eingeordnet werden.
2 Mit Dank an Jeroen Gillaij für die Mitteilung,
dass Friso Lammerlse und Annetje Roorda
Boersma bei der kürzlich erfolgten Besichti­
gung des Gemäldes diese Ziffer noch erkennen
konnten. Während der Ausstellung wird die
Probe aufs Exempel gemacht werden können.

146 Die A msterdamer Stilleben


37 Stilleben mit Holbeinschale und Silberkanne
(nur in Aachen)

illem Kalf versah dieses Stilleben mit diesen Gegenständen. Vielleicht waren diese Stu­ Öl auf Leinwand, 82,5 x 71,8 cm

W der Jahreszahl [ 16]80.’ Damit handelt dien nicht besonders genau, denn die Details der Signiert und datiert, links unten:
W. KALF ..80
es sich um das letzte datierte Gemäl­ hier gezeigten Silberkanne weichen beträchtlich
Weimar, Staatliche Kunstsammlungen Weimar,
de, das wir von Ihm kennen. Der Maler starb erst von ihrer Wiedergabe auf dem Amsterdamer Schlossmuseum, Inv. Nr. G 169
dreizehn Jahre später, doch der Konsens in der Gemälde ab. Dabei fällt außerdem auf, dass die
Provenienz:
Literatur lautet, dass er während dieser letzten Ausführung sowohl der Kanne als auch des Gla­ Zum ersten Mal im Katalog von 1824 der
Lebensjahre nicht oder nur noch selten malte. ses auf den anderen Gemälden weitaus subtiler, Weimarer Sammlung erwähnt (als anonymes
Als er dieses Gemälde anfertigte, war er unge­ kräftiger und auch virtuoser ist. Doch auch die Werk).
fähr einundsechzig Jahre alt. Möglicherweise Darstellung der »Holbeinschale«, die Kalf noch Ausstellungen:
nahmen sein Sehvermögen und die Sicherheit nicht allzu lange Zeit vorher auf dem Gemälde Goethes »Bildergalerie«, Kunstsammlungen zu
seiner Hand ab, vielleicht konnte er aber auch aus Kopenhagen abgebildet hatte (Kat. Nr.36), Weimar, 2002-2003, Kat. Nr. 59, mit Farbabb.
nichts mehr mit dem Thema anfangen, das er in bleibt hinsichtlich der Stärke in der Modellierung Literatur:
den drei vorangegangenen Jahrzehnten in im­ und hinsichtlich der Brillanz hinter diesem frü­ Verzeichnis Meyer, 1824, S. 9 (als unbekannt);
mer neuen Variationen dargestellt hatte, nämlich hen Stilleben zurück. Die »Holbeinschale« wirkt Kal. Weimar 1869, Kat. Nr. 26; Pilz-von Stein,
einen teilweise mit einem orientalischen Teppich hier übrigens größer als auf Kat. Nr. 36 (vgl. das 1965, S.90, 91, 92, 138, Nr. 107; Grisebach,
1974, S. 158, 162, 246, 278, 279, Kal. Nr. 141,
bedeckten Marmortisch, auf dem eine Anord­ Verhältnis bezüglich der getriebenen Silberscha­
Abb. 152 (als 1680 oder 1679); Segal, 1988,
nung kostbarer Gegenstände zu sehen ist. le), aber auch das Gemälde selbst hat ein größeres S. 194, 196, 221; Ydema, 1991, S. 163, Nr. 492;
Es fällt jedenfalls auf, dass er auf den letzten Format als das Kopenhagener Bild und ist sogar J. Kelch in R. Bothe u. a., Kunstsammlungen
beiden, uns bekannten, datierten Arbeiten, wo­ größer als das Gemälde mit der Silberkanne aus zu Weimar. Schloßmuseum Gemäldegalerie,
bei es sich um das hier zu behandelnde Gemälde Amsterdam (Kat. Nr. 28). München 1994, S.74, 75 (Farbabb.); E. Ge-
und das 1678 entstandene Bild in Kopenhagen mar-Koeltzsch, Luca Bild-Lexicon. Hollän­
Obwohl man in Kalfs CEuvre keine Gemälde
dische Stillebenmaler im 17. Jahrhundert, 3
(Kat. Nr. 36) handelt, einem sehr außergewöhn­ benennen kann, die mit Sicherheit nach diesem Bdc., Lingen 1995, Bd.2, S.552, Nr. 194/20,
lichen Kunstobjekt die Hauptrolle zudachte, um Stilleben aus Weimar entstanden sein müssen, mit Abb. (als 1679/1680); R. Bothe, U. Haus­
so mehr, da das letzte, diesen Werken vorange­ bleibt unklar, ob Kalf nach 1680 noch gemalt mann, Goethes »Bildergalerie«, Kunstsamm­
hende, datierte Gemälde etwa zehn Jahre vor­ hat. Viel wird es jedenfalls nicht gewesen sein.3 lungen zu Weimar 2002, S. 150, Kal. Nr. 59.
her, also 1669 gemalt wurde.2 Dieses besondere Von diesem Stilleben gibt es übrigens eine Ko­ Anmerkungen
Objekt, die bereits unter Kat. Nr. 36 besproche­ pie, auf der einige Änderungen in der Komposi­ 1 Grisebach, 1974, erwähnte die Datierung
ne »Holbeinschale«, wird hier zusammen mit tion vorgenommen wurden (Abb. B 17, S. 167).’ als »1680 oder 1679 [?]«. Inzwischen wird
einem anderen seltenen Stück aus Kalfs Reper­ diese mit Sicherheit als ..80 gelesen.
So liegt ein Rosenzweig an der Stelle des Mes­
2 Das Gemälde in Indianapolis, Grisebach,
toire gezeigt, der silbernen Van-Vianen-Kan- sers und der rechten Uhr und die linke Uhr, 1974, Kat. Nr. 135, Abb. 145, siehe hier auch
ne, das piece de resistmice auf dem Stilleben aus die nun an anderer Stelle platziert ist, wird mit Abb. 3, S. 144.
dem Amsterdamer Rijksmuseum (Kat. Nr. 28). geöffnetem Deckel gezeigt. Die Ausführung der 3 Siehe auch mein Essay, bes. S. 102.
Das Deckelglas ä lafa^on de Venise, Kalfs allge­ Kopie steht der Arbeit Kalfs sehr nahe, weshalb ’ Das Gemälde befand sich der Sammlung von
genwärtige getriebene Silberschale (auf der die Fritz Frey, Bürgenstock (Katalog 1967, S.94,
man darin vielleicht doch eine etwas spätere ei­
95) und wurde als Arbeit von Kalf (zu Unrecht
»Holbeinschale« platziert ist) und einige kleine­ genhändige Variante sehen könnte. Wenn sei­ mit Erwähnung der Bestätigung der Zuschrei­
re Gegenstände wie ein Messer mit Achatgriff ne Fähigkeiten tatsächlich ab 1680 abnahmen, bung durch meine Person) aufgenommen in
und zwei Uhren, die linke mit geschlossenem könnte dies die Schwächen in diesem Gemälde dem Versteigerungskatalog London, Sotheby’s,
und die rechte mit geöffnetem Deckel, sind auf erklären, aufgrund derer das Bild zu einer Kopie 11. Dezember 1996, Kat. Nr. 75, mit Farbabb.,
diesem Gemälde aus Weimar sekundär. abgestempelt wurde.5 jedoch vor der Versteigerung wieder zurück­
gezogen. Im Hintergrund standen ursprüng­
Bemerkenswerterweise scheint Kalf bei diesem FGM lich eine Weinflasche mit silbernem Stöpsel an
Gemälde hinsichtlich der Auswahl seiner Objek­ einer Kelle und ein Römer, der jedoch später
te zu einem wesentlichen Teil auf frühere Arbei­ von laienhafter Hand mit einer Porzellankan­
ten zurückgegriffen zu haben. Das Deckelglas ne bzw. einer Kanne aus »Delfter Blau« über­
malt wurde, die zum Zeitpunkt der Versteige­
ähnelt sehr dem Exemplar, das wir auf Gemälden
rung im Jahre 1996 teilweise entfernt wurde;
sahen, die noch in die fünfziger Jahre zu datieren dabei wurde die Stöpselkelte der Weinflasche,
sind, darunter auch das Gemälde aus der Londo­ links davon, wieder einigermaßen sichtbar.
ner National Gallery (Kat. Nr.25), während die Das Ornament oben auf dem Deckelglas ist
Van-Vianen-Kanne auf drei anderen Gemälden auf dem allen, hier abgebildeten Foto nicht zu
erkennen und vermutlich eine Erfindung des
Kalfs wiedergegeben ist (darunter Kat. Nr. 28),
»Restaurators«, der es nach dieser Zeit (um
die ebenfalls vor 1660 entstanden. Vermutlich 1930?) in Arbeit hatte.
verwendete er beim Malen des Weimarer Still­ 5 Deshalb erfolgte die Aufnahme in die Ad­
lebens in seinem Besitz befindliche Studien von denda und Corrigenda, S. 167, Nr. B. 17.

148 Die Amsterdamer Stilleben


In der Nachfolge von Willem Kalf
Fred G. Meijer

Einleitung: Kaifund seine Amsterdamer bedeutet jedoch nicht zwingend, dass beide später), Luttichuys’ Krebs als direktes Zitat in
Zeitgenossen Künstler in Kontakt miteinander standen. eine seiner eigenen Kompositionen aufnahm
Vielleicht verkehrten sie beide bei dem glei­ (Abb. 2).3 Gillis war der Sohn des erfolgrei­
Kalf fügte sich mit seinen Stilleben nahtlos chen Antiquitätenhändler oder Sammler, der chen Antwerpener Stillebenmalers Jacob
in das künstlerische Klima Amsterdams der ihnen diese Objekte zur Verfügung stellte. Si­ van Hulsdonck (1582-1647). Nach dem Tod
fünfziger Jahre des 17. Jahrhunderts ein. Er cherlich werden sie mit Interesse das Werk des seines Vaters kam er nach Amsterdam, wo
muss mit Interesse das Werk früherer Still­ jeweils anderen betrachtet haben. Obwohl die er sich einen rein holländischen Stil zulegte.
lebenmaler wie Jan Jansz. den Uyl und Jan Auswahl ihrer Themen bis zu einem gewissen Leider datierte er keines seiner Stilleben, so
Jansz. Treck betrachtet haben, wie auch das Grad übereinstimmt, stellten sie diese in einer dass weder eine Chronologie noch spezifische
der damals schon in Amsterdam tätigen Zeit­ ganz persönlichen Ausdrucksweise dar. Verbindungen, wie die mit dem Gemälde von
genossen Pieter van den Bosch und Simon In einigen Fällen, wie bei Luttichuys und Luttichuys, klarer dargestellt werden können.
Luttichuys. Nachdem Kalf um 1653 seinen Pieter van den Bosch, ist bei den undatierten Aus dem gleichen Jahr wie Kalfs frühestes da­
eigenen Stil entwickelt und gefestigt hatte, Gemälden nicht oder kaum festzustellen, ob tiertes Amsterdamer Gemälde (1653) stammt
scheint er sich kaum noch beeinflusst haben man von einem Einfluss von oder auf Kalfspre­ das einzige von Abraham van den Hecken (ca.
zu lassen. Im Gegenteil, seine Arbeiten wur­ chen kann. Die geringe Anzahl von datierten 1615-1655/69) bekannte Stilleben.'1 Es zeigt
den nun für andere zu einer Quelle der An­ Arbeiten Kalfs, die vor 1658 entstanden, trägt viele der bei Kalf zu sehenden Motive: einen
regung. Über persönliche Kontakte von Kalf mit dazu bei. Luttichuys’ 1656 entstandenes Perserteppich, eine getriebene Silberschale,
zu seinen Künstlerkollegen ist nichts bekannt, Stilleben mit einem großen roten Krebs kam einen Römer, eine halb geschälte Zitrone und
auch wenn er angesichts der Expertisen, die er bereits zur Sprache (Abb. I).2 Möglicherwei­ eine Orange; das Ganze vor einem recht dunk­
einige Male zusammen mit anderen Malern se wurde er zu dieser Darstellung von einem len Hintergrund wiedergegeben (Abb. 3). Da
vornahm, gut in das Amsterdamer Künstler­ Gemälde Kalfs angeregt, das sich heute in der schon damals in den Gemälden Van den He­
milieu eingeführt gewesen sein muss.1 Es fällt Londoner National Gallery befindet (Kat. ckens Perserteppiche seit Jahren eine wichtige
auf, dass einige der kostbaren Gegenstände, Nr. 25), mit Sicherheit ist dies jedoch nicht Rolle spielten, wäre es denkbar, dass Kalf in ge­
die Kalf in seinen Stilleben darstellte, auch zu sagen. Es ist aber offensichtlich, dass ein wissem Maße davon beeinflusst wurde.5
auf Gemälden von Willem van Aelst zu sehen anderer Maler, der als Nachfolger Kalfs gelten Auch der Amsterdamer Gerard van Berle-
sind (vgl. Kat. Nr. 28 und dort Abb. 1). Das kann, Gillis van Hulsdonck (1625-1669 oder borch (tätig vor 1649-1658 oder später)

1 Simon Luttichuys, Stilleben mit Hummer, 2 Gillis van Hulsdonck, Stilleben mit Hummer, 3 Abraham van den Hecken, Stilleben auf
signiert und 1656 datiert, Öl auf Leinwand, signiert, Öl auf Holz, 64 x 52 cm. Stockholm, Perserteppich, signiert und 1653 datiert, Öl auf
58,3 x 67,6 cm. Verbleib unbekannt. Nationalmuseum, Inv. Nr. NM 1390. Leinwand, 60 x 54,5 cm. London, Sammlung
Hohenbuchau.

150 hi der Nachfolge von Willem Kalf- Fred G. Meijer


4 Gerard van Berleborch, Stilleben mit einer 5 Gerard van Berleborch, Stilleben mit einem 6 Christiaen Striep, Stilleben mit Prunkpokal,
Römerschraube und einem Deckelglas, signiert Römer und einer silbernen Tazza, signiert und signiert und datiert [,.]54, Öl auf Leinwand,
und 1650 datiert, Öl auf Holz, 110 x 83 cm. 1655 datiert, Öl auf Holz, 55 x 73,5 cm. 66,2 x 54,2 cm. Verbleib unbekannt.
Verbleib unbekannt. Verbleib unbekannt.

scheint in einem 1650 entstandenen Stilleben Direkte Nachfolger in Amsterdam kam und dort - möglicherweise sogar von
hinsichtlich seiner Themenwahl Kalf voraus­ Kalf - ausgebildet wurde. Ein frühes Gemälde
zugehen (Abb. 4).6 Ob wir in einem 1655 ent­ Zweifellos stark von Kalf beeinflusst ist der von seiner Hand, auf dem die Datierung ..54
standenen, kompositorisch viel anspruchsvol­ aus s-Hertogenbosch stammende Stilleben­ zu erkennen ist (Abb. 6), zeigt jedenfalls Kalfs
leren Werk von seiner Hand (Abb. 5) schon maler Christiaen Striep (1633/34—1673), der Einfluss und erinnert ein wenig an eine ähn­
den Einfluss von Kalf erkennen können, sei 1656 in Amsterdam das Bürgerrecht erhielt, liche Komposition des Meisters in Weimar.8
dahingestellt.7 aber vermutlich schon früher in die Stadt Die späteren Bilder Strieps sind mehrheitlich

7 Christiaen Striep, Stilleben mit Prunkpokal, 8 Abraham de Heusch, Stilleben mit Rosen und 9 Jurriaen van Streek, Stilleben mit Porzellan
signiert, Öl auf Leinwand, 99 x 81 cm. Oxford, Porzellanschale mit Früchten, signiert, Öl auf und Südfrüchten, signiert, Öl auf Leinwand,
Ashmolean Museum, Daisy Linda Ward Bequest, Leinwand, genaue Maße unbekannt. Verbleib 86 x 70 cm. Verbleib unbekannt.
Inv. Nr. A 603. unbekannt.

In der Nachfolge von Willem Kalf- Fred G. Meijer 151


10 Hendrick van Streek, Stilleben mit Früchte­ 11 Pieter Janssens Elinga, Stilleben mit 12 Willem Claesz. Heda, Stilleben mit Nautilus­
schale und Nautiluspokal, signiert, Öl auf Südfrüchten und Gläsern, signiert, Öl auf pokal, signiert und 1664 datiert, Öl auf Holz,
Leinwand, 90 x 70 cm. Verbleib unbekannt. Leinwand, 54 x 44 cm. Verbleib unbekannt. 79 x 66 cm. Paris, Galerie Virginie Pitchal.

etwas monumentaler und breiter gemalt als so exakt, dass ihre Gemälde bisweilen kaum fest, wie der Wan-li-Schale aus dem frühen 17.
dieses Beispiel, bleiben jedoch Kalfs Darstel­ voneinander zu unterscheiden sind. Doch Jahrhundert und dem mit einer Fortunafigur
lungen verbunden. Offensichtlich war Striep Hendrick gelang es nur selten seine Kompo­ bekrönten Nautiluspokal, doch ein Gemälde
technisch nicht so beschlagen wie Kalf, oder sitionen mit einer wirklichen Spannung zu wie das hier abgebildete von 1664 (Abb. 12)
aber er verwendete anfälligere Materialien, versehen und in diesem Mangel zeigt er sich zeigt mit seinem Orientteppich, der Orange
denn seine dunklen Hintergründe leuchten deutlich eine ganze Generation von Kalf ent­ und den Zitronen eindeutig den Einfluss von
oft stark durch die obersten Farbschichten, fernt (Abb. 10).“ Kalf auf Heda.
was die Wirkung seiner Gemälde etwas be­ Pieter Janssens, genannt Elinga (1623-1682 In Kalfs ehemaligem Wohnort Hoorn ließ
einträchtigt. Das ist auch der Fall bei einem oder früher) malte Stilleben und Genre­ sich Jan Alberlz. Rotius von Willem Kalf zum
charakteristischen Beispiel aus seinem reife­ darstellungen. In Brügge geboren, arbeitete Malen einiger Stilleben in dessen Stil verlei­
ren Werk, das sich in Oxford befindet (Abb. Elinga eine Zeit lang in Rotterdam und kam ten. Zumindest kann ein Exemplar aus dem
7). Einer der Lehrlinge von Striep war Abra­ 1653 nach Amsterdam. Seine Genrebilder Jahre 1662 nicht ohne die Kenntnis von Kalfs
ham de Heusch (tätig ca. 1665-1690?), der in wurden wesentlich von den Werken Pieter de Arbeiten aus den vorangegangenen Jahren
mindestens einem Stilleben die Faszination Hoochs (1629—1683/84) beeinflusst. In seinen entstanden sein, auch wenn dafür keines der
seines Lehrmeisters für die Arbeiten Kalfs an­ Stilleben sind verschiedene Einflüsse auszu­ Stilleben Kalfs als direktes Vorbild gedient
klingen ließ (Abb. 8).9 machen, worunter der von Kalf nicht unwich­ haben wird (Abb. 13).13 Aus dem vorherge­
Ein anderer Künstler, dessen Name immer tig ist. Ein Gemälde wie das der Abbildung 11 henden Jahr, 1661, stammt ein Stilleben des
dann fällt, wenn über die Nachfolger von ist zwar etwas schlichter im Entwurf als die Goudaer Malers Adriaen van der Spell (ca.
Willem Kalf gesprochen wird, ist Jurriaen van Kompositionen von Kalf, erinnert jedoch un­ 1630-1673), das an die gleiche Thematik an­
Streek (1632-1687). Vor allem seine Themen­ mittelbar an diese.12 schließt (Abb. 14). Es führt vermutlich zu weil
wahl erinnert an Kalf: Porzellan, farbenfrohe für diesen Stillebentyp die Arbeiten Kalfs als
Zitronen und Orangen und Perserteppiche. unmittelbares und einziges Vorbild zu sehen.
All das ist bei van Streek in großer Zahl zu Der allgemeine Einfluss Willem Kalfs Es wird wohl eher so gewesen sein, dass diese
sehen. Van Streeks Malstil ist jedoch weniger Maler sich einem allgemeinen Interesse des
raffiniert als der von Kalf und dessen Spiel Dass Kalf auch Einfluss auf die Arbeiten äl­ kaufenden Publikums fügten, ein Interesse,
mit (Glanz-) Licht(ern) interessiert ihn offen­ terer Zeitgenossen hatte, sogar außerhalb dessen sich auch die Arbeiten Kalfs erfreuten.
sichtlich weitaus weniger als die von Kalf ge­ Amsterdams, wird an den späten Stilleben des Zweifelsohne kann man hier von einem kom­
wählte Thematik. Dennoch nähert sich Van Haarlemer Nestors Willem Claesz. Heda (ca. plexen, mehrdimensionalen künstlerischen
Streek in seinen besten Arbeiten dem Vorbild 1596-1680) deutlich. Dieser wählte seit den Zusammenhang sprechen, der sich auf eine
recht gut, auch wenn seine Darstellungen sel­ späten fünfziger Jahren regelmäßig dunkle gewisse Marktwirkung bezog. Dieser Zusam­
ten die gleiche Ruhe ausstrahlen (Abb. 9).10 Hintergründe und nahm orientalische Teppi­ menhang lässt sich nur schwer im Detail fas­
Sein Sohn Hendrick van Streek (1659-1720 che in seine Stilleben auf. Zum Teil hielt er an sen, könnte aber vielleicht unter dem Schirm
oder später) übernahm den Stil seines Vater seinen traditionellen Motiven und Attributen des Zeitgeistes eingefangen werden. Das gilt

152 In der Nachfolge von Willem Kalf - Fred G. Meijer


13 Jan Albertz. Rotius, Stilleben mit Nautilus­ 14 Adriaen van der Spelt, Stilleben mit Nautilus­ 15 Pieter Galllis, Stilleben mit Südfrüchten
pokal, signiert und datiert 1662, Öl auf Leinwand, pokal, signiert und datiert 1661, Öl auf Leinwand, und Austern, signiert, Öl auf Leinwand,
68 x 56 cm. Verbleib unbekannt. 67 x 56 cm. Gouda, Museum Gouda. 64,7 x 59,4 cm. Verbleib unbekannt.

genauso für das Werk des seit 1683 ebenfalls In wiefern der Maler C. van Dielaert (tätig Orientteppiche und Fruchtschalen aus Por­
in Hoorn tätigen, aber möglicherweise in vor 1665-1671 oder später) unter dem Ein­ zellan wieder näher bei den Arbeiten Kalfs.
Amsterdam ausgebildeten Pieter Gallis, der flussbereich Kalfs gesehen werden muss, ist Aufgrund des im »Kalf-Stil« gemalten Perser­
für das hier abgebildete Stilleben (Abb. 15) sicher diskussionswürdig. Die wenigen Still­ teppichs auf dem Stilleben des etwas rätselhaf­
außer auf Kalf auch auf Luttichuys und sogar leben von Pieter Forbes (1637/38 [1617/18?]- ten F. Sant-Acker (um 1669 tätig, Abb. 16), ist
auf das späte Werk von Heda geschaut haben 1663 oder später), die Dielaerts Arbeiten anzunehmen, dass dieser sich vermutlich direkt
muss.” leicht verwandt sind, stehen angesichts ihrer von Kalfs CEuvre anregen ließ. Auch der Leide-

16 F. Sant-Acker, Stilleben mit Nautiluspokal, 17 Jan Potheuck, Früchtestilleben auf einem 18 Claes Bergoijs, Stilleben mit einer Feldflasche
signiert, Öl auf Leinwand, 66 x 56,6 cm. orientalischen Tischtuch, signiert und 1667 und einem Perserteppich, signiert und 166[.)
Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. SK-A-2655. datiert, Öl auf Leinwand, 67 x 60 cm. datiert, Öl auf Leinwand, 73,2 x 60 cm.
Verbleib unbekannt. Verbleib unbekannt.

In der Nachfolge von Willem Kalf - Fred G. Meijer 153


Kalf arbeitete, kommt er der Stimmung von
Kalfs Gemälden ab und an sehr nahe, wie in
dem Fall des Gemäldes von Abbildung 18.16
Dass dieser »Kleinmeister« etwas konnte,
zeigt ein Prunkstilleben aus dem Jahre 1665,
das fast eine Synthese der Motive und Stile der
drei Großmeister des niederländischen Still­
lebens des 17. Jahrhunderts ist: Jan Davidz.
de Heern, Willem van Aelst und Willem Kalf
(Abb. 19).17
Ein jüngerer Maler, der sich in der An­
näherung an Kalfs CEuvre in besonderem
Maße Mühe gab, ist Barent van der Meer
(1659-1692/1703). Van der Meer war der
Sohn eines Haarlemer Landschaftsmalers, ließ
sich aber um 1683 in Amsterdam nieder. An
einem Gemälde wie dem von Abbildung 20
wird deutlich, wie er Kalfs Themenwahl und
Lichtbehandlung übernahm, die Qualität und
Spannung von Kalfs Stilleben jedoch nicht er­
reichen konnte.18 Van der Meers CEuvre zeigt
einmal mehr, wie wenig selbstverständlich die
völlige Einheit von Motiven, Lichtwirkung
19 Claes Bergoijs, Prunkstilleben, signiert und 1665 datiert, Öl auf Leinwand, 84,5 x 121 cm.
Verbleib unbekannt.
und Komposition eigentlich ist, die man bei
einem Großmeister wie Kalf fast immer se­
hen kann. Auch die Stilleben eines Malers wie
Hubert van Westhoven (ca. 1642-1699 oder
später), der sich vielleicht eher an dem Werk
ner Maler Jan Potheuck (1626-1670) scheint te Stillebenmaler Claes Bergoijs (tätig vor von Epigonen wie Van Streek und Van der
- zumindest in übertragenem Sinn - Kaifeinen 1651-1668). Da jedoch das heute bekannte Meer als direkt an Kalfs Arbeiten orientierte,
Besuch abgestatten zu haben, um sich den Per­ CEuvre Bergoijs’ vor allem aus den sechziger zeigen, dass ein reines Zusammentragen von
serteppich von ihm auszuleihen (Abb. 17).15 Jahren stammt, kann es unmöglich ohne Kalfs Motiven schon rasch ein dekoratives Ganzes
Als Kalf sich in Amsterdam niederließ, Vorbild entstanden sein. Obwohl Bergoijs in ergibt, doch selten erhebende Kunst zur Folge
arbeitete dort bereits der wenig bekann­ einem etwas trockeneren, strengeren Stil als hat (Abb. 21).19

20 Barent van der Meer, Stilleben mit Prunkpokal 21 Hubert van Westhoven, Prunkstilleben 22 Georg Hinz, Prunkstilleben mit Nautiluspokal,
und Deckelgefäß aus Porzellan, signiert und 1686 mit Hummer, signiert, Öl auf Leinwand monogrammiert, Öl auf Leinwand
datiert, Öl auf Leinwand, 89,5 x 73,3 cm. 120 x 102,2 cm. Verbleib unbekannt. 118 x 93 cm. Verbleib unbekannt.
Verbleib unbekannt.

154 In der Nachfolge von Willem Kalf- Fred G. Meijer


Dass Ruhm und Einfluss Kalfs bis über die Anmerkungen sehen in der Versteigerung New York, Sotheby’s, 17.
Landesgrenzen reichten, wird unter anderem 1 Siehe hierzu auch Kalfs Biographie in dieser Publi­ Januar 1985, Kat. Nr. 61, mit Farbabb.
kation. 14 Das Gemälde von Abb. 15 wurde zuletzt gesehen
an dem Werk des Hamburger Stillebenmalers
2 Zuletzt in der Versteigerung Amsterdam, Christie’s, in der Versteigerung New York, Christie’s, 23. Mai
Georg Hinz (oder Hainz, 1630-1688) deutlich 9. Mai 2000, Kat. Nr. 140, mit Farbabb. 1997, Kat. Nr. 41, mit Farbabb. (fälschlich mit der
(Abb. 22).20 Dieser Künstler hegte das gleiche 3 Ein sehr ähnliches Stilleben in Berlin wird unter Kat. Nr. 42 versehen).
Interesse wie Kalf für besondere und kost­ dem Namen von Luttichuys geführt, ist jedoch in der Auch ein zweites Stilleben von Sant-Acker zeigt
bare Gegenstände, die er auf etlichen seiner Ausführung zu schwach, um von diesem Künstler zu einen starken Einfluss von Kalf, was anhand der
stammen. Vielleicht müssen wir auch in dieser Arbeit Orange auf der getriebenen Silberschale und der
Stilleben im selben Kolorit und Helldunkel
die Hand von Van Hulsdoncksehen (Holz, 59 x 50 cm, erneuten Darstellung des orientalischen Teppichs
wiedergab. Sein Malstil ist jedoch schärfer als Berlin, SMB, Gemäldegalerie, Kat. Nr. 1939). deutlich wird (Versteigerung Amsterdam, Sotheby’s,
der von Kalf und könnte sogar als graphisch 4 Van den Hecken, aus Antwerpen stammend, führte 3. Mai 1999, Kat. Nr. 78, mit Farbabb.). Sant-Ackers
bezeichnet werden. ein relativ unstetes Leben. Er wohnte regelmäßig in Arbeitsort ist unbekannt. Wenn er nicht in Amster­
Amsterdam, wo er sich mit Sicherheit in den Jahren dam tätig war, dann hat er sich jedenfalls von Ams­
1649 bis 1651 aufhielt. Im Jahre 1652 ist seine An­ terdamer Künstlern beeinflussen lassen. Potheucks
wesenheit in London dokumentiert und von 1653 Gemälde von Abb. 17 wurde zuletzt gesehen in einer
Nachwort bis 1655 in Den Haag, wo dieses Stilleben entstanden Berliner Versteigerung, 31. März 1925, Kat. Nr. 57,
sein könnte. Da Van den Hecken offensichtlich stark mit Abb.
Anhand des oben Ausgeführten wird deutlich, mit Amsterdam verbunden war, ist es durchaus mög­ 16 Das Gemälde von Abb. 18 wurde zuletzt gesehen
dass Kalfs Stilleben einen nicht zu leugnen­ lich, dass Kalf es dort gesehen hat. in der Versteigerung London, Sotheby’s, 22. April
5 Vgl. zum Beispiel van den Heckens Porträt des 2004, Kat. Nr. 23, mit Farbabb.
den direkten oder indirekten Einfluss auf das
Amsterdamer Ingenieurs, Graphikers und Zeichners 17 Zuletzt im Kunsthandel Trafalgar Galleries, Lon­
Werk unzähliger Künstler gehabt haben muss, Cornelis Meijer im Amsterdamer Rijksmuseum, Inv. don, Kat. Trafalgar Galleries XII, 1993, Kat. Nr. 19,
in jedem Fall bis zum Ende des 17. Jahrhun­ Nr. SK-A-1410, auf dem der Teppich wichtiger zu mit Farbabb.
derts. Danach scheinen seine Arbeiten schon sein scheint als der Porträtierte. ’* Das Gemälde von Abb. 20 wurde zuletzt gesehen
bald in Ungnade gefallen zu sein. Jacob Cam­ 6 Dieser Maler erscheint in der Literatur häufig als in der Versteigerung London, Christie’s, 7. April
G. van Berkborch. Er wurde von A. van der Willigen 1995, Kat. Nr. 2, mit Farbabb.
po Weyerman schrieb bereits 1729, dass »die 19 Das Gemälde von Abb. 21 wurde aus dem Besitz
als Gerard van Berleborch identifiziert, der in schrift­
Stücke von diesem Kalf gegenwärtig im Preis lichen Quellen Amsterdams erwähnt wird; das »le« der New York Historical Society, New York, verstei­
gefallen sind, ohne dass die Kunstkenner da­ in seiner Signatur war immer verkehrt als k gelesen gert in New York, Sotheby’s, 12. Januar 1995, Kat. Nr.
für irgendeinen plausiblen Grund vorbrin­ worden. Siehe A. van der Willigen und F. G. xMeijer, A 50, mit Farbabb.
gen können«.21 In Jan van Gools De Nieuwe Dictionary of Dutch and Fleniish Still-Life Painters in 20 Das Gemälde von Abb. 22 wurde zuletzt gesehen
Oils, 1525-1725, Leiden 2003, S. 36. im Kunsthandel Frye & Sohn, Münster, um 1995.
Schoubnrgh der Nederlandsche kunstschilders 21 Jacob Campo Weyerman, De Levens-bcschrijving-
7 Zuletzt in der Versteigerung London, Phillips, 10.
en schilderessen von 1750 erscheint sein Name Dezember 1996, Kat. Nr. 127, mit Farbabb. en der Nederlandse Konst-schilders en Konst-schilder-
schon gar nicht mehr und auch die meisten 8 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 81, Abb. 87. Das Gemälde essen, 4 Bde, Den Haag 1729-1769, Bd. 2, S. 266: »de
der oben vorgestellten Künstler bleiben un­ von Abb. 6: Versteigerung Amsterdam, Christie’s, 8. stukken van dien Kalf thans in prijs zijn vervallen,
genannt. Wie bereits ausgeführt, passte Kalfs November 1999, Kat. Nr. 104, mit Farbabb. zonder dat er de Konstkenners eenige aanneemelijke
9 Das Gemälde von Abb. 8 wurde zuletzt 1938 in der redenen voor können te berde brengen.«
Werk ausgezeichnet in die Kunst seiner Zeit Galerie Van Diemen in Berlin gesehen. 22 Ab und zu tauchen sogar moderne Kalfnach-
und war ein organischer Teil davon. Doch in 10 Das Gemälde von Abb. 9 wurde zuletzt gesehen in ahmungen auf, wie zum Beispiel ein Gemälde von
der Ästhetik des 18. Jahrhunderts hatte seine der Versteigerung New York, Christie’s, 31. Mai 1991, Cornelis le Mair (geboren 1944, siehe Tableau 26,
Kunst keinen Platz mehr. Die Neubewertung Kat. Nr. 79, mit Farbabb. Nr. 2, April 2004, S. 3).
von Kalf erfolgte am Ende des 19. Jahrhun­ 11 Das Gemälde von Abb. 10 wurde zuletzt gesehen
in der Versteigerung Monaco, Sotheby’s, 7./8. De­
derts, als das Licht in seinen Gemälden in
zember 1990, Kat. Nr. 35» mit Farbabb.
Verbindung mit dem von Rembrandt und 12 Das Gemälde von Abb. 11 wurde zuletzt gesehen
Vermeer gebracht wurde. Heute können wir in der Versteigerung München, Hampel, 9. Dezember
Kalf wieder aufgrund der Eigenwilligkeit und 2005, Kat. Nr. 245, mit Farbabb.
der hohen Qualität seiner Kunst schätzen, so, 13 Über die mögliche Verwechslung von Jan und Ja­
cob Rotius im Hinblick auf diese Stilleben siehe A.
wie seine (malenden) Zeitgenossen dies auch van der Willigen und F.G. Meijer, op.cit. Anin. 6,
unübersehbar taten.22 S. 171. Das Gemälde von Abb. 13 wurde zuletzt ge­

In der Nachfolge von Willeni Kalf - Fred G. Meijer 155


Der Einfluss Willem Kalfs auf die französischen Künstler
und Kunstliebhaberin! 17. und 18.Jahrhundert

Franfoise Joulie

Als der Sachverständige Pierre Remy 1771 im sehr begehrt und fanden sich in allen Pari­ ausgezeichneten Stil und exquisite Farben.«
Palast des Herzogs von Luynes in der Pariser ser Sammlungen. Boucher war verrückt nach Das Werk wurde vom Hofbaumeister Lou­
Rue Saint-Dominique die Sammlung des Fürs­ Werken von Kalf. Künstler werden Bilder die­ is-Francois Trouard, dem die Inspektion aller
ten begutachtete, fand er das Werk Die schöne ses Meisters weiterhin ob ihrer vornehmen­ königlichen Gebäude unterstand, für die be­
Dorfbewohnerin von Francois Boucher vor. den Farben und Harmonie sehr schätzen.«2 trächtliche Summe von sechshundert Pfund
Laut Remy sei dieses zwischen 1730 und 1740 Ohne Zweifel bezogo sich Lebrun bei sei- erworben.3 Am 22. Februar 1779 wurde das
vom Vater des Herzogs erworbene Gemäl­ ner Erwähnung der besonderen Leidenschaft Gemälde mit dem Nachlass von Trouard un­
de unter den Werken der nordeuropäischen Bouchers für Kalf auf das Bäuerliche Interieur ter der Positionsnummer 122 erneut verkauft,
Künstler einzureihen, denn »der Hintergrund (Kat. Nr. 7), ein herausragendes Werk, das zu­ und vom Sachverständigen Paillet mit der Po­
und das Gemüse wurden von Kalf gemalt«1. sammen mit der Sammlung des Grafen von sitionsnummer 13 (Bäuerliches Interieur mit
Diese Äußerung ist widersprüchlich, denn Vaudreuil verkauft wurde. Denn bei der Ver­ Familie am Tisch, einem Werk von Sebastien
Kalf starb noch vor der Geburt Bouchers. Sie steigerung der Sammlung des französischen Bourdon, Abb. 1) verglichen. Es gibt keinen
unterstreicht jedoch den Einfluss des nieder­ Hofmalers in seiner Wohnung im Louvre- Hinweis darauf, dass dieses Gemälde von
ländischen Meisters auf den französischen Palast im Februar 1771 wurde dasselbe Ge­ Bourdon sich in der Sammlung von Francois
Maler. Der Kunsthändler Jean-Baptiste Pierre mälde von Remy unter der Positionsnummer Boucher befand. Eindeutig zu identifizieren
Lebrun beschrieb 1792 ein ihm gehörendes 21 folgendermaßen beschrieben: »Haushalts­ ist in der Sammlung Bouchers nur Maria mit
Gemälde Willem Kalfs mit dem Titel Innenan­ geräte, Gemüse und Wurzelgemüse in einer dem Kind und dem Heiligen Johannes (Musee
sicht einer Küche (Paris, Institut Neerlandais, Küche. Rechts im Bild steht eine Frau neben d’Epinal, Leihgabe des Musee du Louvre).'1
Inv. Nr. 2493) folgendermaßen: »Alle Werke einer Tür. Neben ihr befindet sich ein Huhn Im 18. Jahrhundert wurden also Kalf und
des Holländers zeichnen sich durch prächtige auf einem Bretterzaun. Links im Hintergrund Bourdon wie selbstverständlich miteinander
Farben und einen ausdrucksstarken Stil aus. wärmen sich ein Mann und eine Frau neben in Verbindung gebracht. In der Beschreibung
[...] Gemälde dieses Meisters waren damals dem Feuer. Dieses Gemälde auf Holz von Wil­ des Werkes von Sebastien Bourdon wird »die
bei allen Künstlern und Kunstliebhabern lem Kalf zeigt zahlreiche Details sowie einen Ähnlichkeit mit der Malweise des Gemäldes
von Kalf Nr. 122« sowie die Tatsache, dass
beide Werke gleiche Maße haben und als
Pendant betrachtet werden können, unterstri­
chen. Der damalige Hoffalkenmeister, Graf
von Vaudreuil, kaufte die beiden Pendantbil­
1 Sebastien Bourdon, Bäuerliches Interieur nut Familie am Tisch, Eiche, 32 x 34 cm. Paris, Musee du der. Bei der Auflösung seiner Sammlung ab
Louvre, Jnv. Nr. MI 1027.
dem 24. November 1784 konnte der Graf von
Angiviller im Auftrag Königs Ludwig XVI.
die zwei Gemälde sowie 35 weitere Werke
nordeuropäischer Künstler erwerben. Das
Gemälde Willem Kalfs wurde zu dieser Zeil
als »eines der schönsten Werke des Künst­
lers« gepriesen. »Es vereint einen Hauch Spiri­
tualität mit einer verführerischen Harmonie«,
schrieb Lebrun weiter. Das Werk von Bour­
don sei, so fahrt er fort, »durch äußerst feine
Farben« gekennzeichnet und »durch manche
Details als Pendant des Bildes von Kalf Nr. 54
zu betrachten«.
Sebastien Bourdon und Willem Kalf lern­
ten sich persönlich kennen. Nach seiner
Rückkehr aus Rom 1637-38 verkehrte der
junge Bourdon im Kreise der nordeuropäi­
schen Künstler von Sainl-Germain-des-Pres.
Er begleitete sogar Philippe Vleughels dort­
hin, als dieser Neuankömmling Kontakt mit
»geschickten Malern wie Nicasius, Vanboui-
le, Fouquiers und Calf« aufnehmen wollte.5
Guillet de Saint-Georges, der Biograph von

156 Der Einfluss Willem Kalfs auf diefranzösischen Künstler und Kunstliebhaber im 17. und 18. Jahrhundert - Franfoise Joulie
Sebastien Bourdon, beschreibt den Maler mit zeigen eindeutig, dass dieser von dem hollän­ Stile von Kalf auf dem von Boucher um 1728
folgenden Worten: »Ein Genie des Feuers, mit dischen Künstler stark beeinflusst wurde. Die in Rom gemalten Werk Die Mahlzeit erschei­
lebhafter Fantasie, weitreichendem Gedächt­ oben erwähnte Schöne Dorfbewohnerin bei­ nen, obwohl die Vorskizze solche Elemente
nis und großer Kunstfertigkeit. Ein Mann, der spielsweise entstand um 1735, als der Einfluss nicht enthielt, ist mit Sicherheit kein Zufall.12
ohne Anstrengung alles nachahmen konn­ Kalfs auf Boucher und die französische Schule Im Paris des 17. Jahrhunderts waren die
te, was er einmal gesehen hatte.« Nachdem besonders ausgeprägt war. Außer religiösen Werke Willem Kalfs mehr noch von Malern
Bourdon in Rom von der Gruppe der Bam- und mythologischen Werken malte Boucher als von Kunstliebhabern begehrt. Claude Vi-
boccianti beeinflusst wurde, nahm er in den damals auch kleine Genrebilder, in welchen gnon und Jacques Blanchard waren unter den
Jahren 1640-1650 Kalf als Vorbild. Bekannt ebenfalls Elemente von Vleughels und Wat­ ersten Sammlern der Gemälde des niederlän­
wurde er mit Bauernszenen, welche den Wer­ teau wiederzufinden sind. Die Tatsache, dass dischen Meisters. Obwohl Antoine Coypel
ken nordeuropäischer Maler so sehr ähnelten, selbst Watteau Kalf nachahmte, wird unter seinerseits die »Niedrigkeit der Motive und
dass er laut Arnold Houbraken sogar den Hol­ anderem durch das im Straßburger Musee des die geringe Zeichnungsbegabung der nordi­
länder Theodoor van der Schuer (1634-1707) Beaux-Arts aufbewahrte Gemälde Die Kup- schen Maler« anprangerte, wusste er die Tech­
zu seinen Schülern zählte. fertopfputzerin bestätigt.9 Außerdem wurde nik von Willem Kalf zu schätzen, als er sagte:
Ebenso wie die Gemälde Willem Kalfs zei­ schon nachgewiesen, dass Francois Boucher »Meines Erachtens sprechen die Stilleben von
gen auch frühe Interieurbilder von Sebastien hauptsächlich von Antoine Watteau ausgebil­ Kalf eine gleichwertige Kunstsprache wie die
Bourdon verstreutes Küchengerät und Gemü­ det wurde.10 Auch Nicolas Vleughels hat den Werke von Giorgione und Tizian«13 Darüber
se, wobei Werke von Le Nain und Michelin jungen Boucher beeinflusst, und zwar zuerst hinaus demonstrierten im 18. Jahrhundert
ebenfalls solche Elemente enthalten.6 Nach­ in Paris und später auch in Rom, nachdem der die Sammlungen der Künstler das beständige
dem Kalf Paris 1645 beziehungsweise 1646 Niederländer dort zum Leiter der Academie Interesse der damaligen Maler an Originalbil­
verlassen hatte, gab Bourdon diese trivialen de France ernannt worden war, wie Beverly dern und Kopien des niederländischen Meis­
Motive jedoch allmählich auf und bevorzugte Schreiber Jacoby als Erste nachweisen konnte.'1 ters. So besaß beispielsweise Michel Francois
- wie auch der in die Niederlanden zurück­ Zum Schluss sollte die Verbindung zwischen Dandre-Bardon, ein Freund Bouchers, eine
gekehrte Kalf- Goldschmiedegeschirr. Werke Willem Kalf und Philippe Vleughels noch er­ Kopie auf Holz der Innenansicht einer Kü­
mit historischem Inhalt wie Der Tod Didons wähnt werden. Dass Gemüse und Früchte im che (Nr. 17 seiner Nachlassversteigerung),
und Martyrium des Heiligeti Johannes sind
hier perfekte Beispiele dieser parallelen Ent­
wicklung.o7
Darüber hinaus wirkte der Einfluss Kalfs
auf Philippe Vleughels, später auch auf dessen
2 Willem Kalf, Bäuerliches Interieur, Mann mit Korb und Frau am Kamin, Eiche, 22 x 26 cm. Dijon,
Sohn Nicolas. Das im Louvre-Museum aufbe­ Musee des Beaux-Arts, Inv. Nr. CA 140.
wahrte Bild mit dem Titel Alte Frau sich nach
Rechts drehend (Inv. Nr. 35092) weist starke
Ähnlichkeiten mit der Stute von Meister Pe­
ter auf. Dieses Bauerninterieur wurde zuerst
Kalf, dann Bourdon, und schließlich von Lu­
cius Grisebach einem französischen Nachah­
mer Willem Kalfs zugeschrieben.
In der Sammlung von Francois Boucher
befand sich ein zweites Werk Willem Kalfs.
Dieses wird unter der Positionsnummer 22
als »ähnlich wie das Andere« beschrieben.
Es dürfte sich also um ein weiteres bäuerli­
ches Interieur handeln - das bevorzugte Mo­
tiv Kalfs während seiner Zeit in Frankreich
zwischen 1640 und 1646. Das Bild wurde auf
ein 6 Zoll hohes und 8 Zoll breites Holzbrett
gemalt, und ebenfalls von Trouard zu einem
nichtbekannten Preis erworben. Es könn­
te sich um das im Musee des Beaux-Arts de
Dijon aufbewahrte Bäuerliches Interieur (Inv.
Nr. C A 140, Abb. 2) handeln, denn das Motiv,
die Technik und die Maße beider Werke äh­
neln sich sehr.8 Dieses Gemälde wird in zwei
weiteren Verkaufskatalogen (Prince de Conti,
1779, Kat. Nr. 305 und Marquis de Menars,
1782, Kat. Nr. 48) beschrieben.
Bouchers Sammelleidenschaft für die Inte­
rieurs von Kalf ist keinesfalls überraschend,
denn die früheren Gemälde des Franzosen

Der Einfluss Willem Kalfs auf die französischen Künstler und Kunstliebhaber im 17. und 18. Jahrhundert - Franfoise Joulie 157
während Jean-Francois de Troy ein ländliches (Abb. 4), das zur gleichen Zeit entstand, ver­ lichen Bilder eines Teniers orientierte. Um
Genrebild mit einem Bauernpaar (Nr. 63 sei­ herrlicht die häuslichen Tugenden der jungen 1737-1738 jedoch wandte sich Boucher von
ner Nachlassversteigerung) besaß. Mütter. Wie oben erwähnt, wurde das Werk den einfachen Kücheninterieurs ab und malte
In den 1730er Jahren hingegen sammelten 1771 als »teilweise von Kalf« beschrieben, da Hirtenszenen, welche dem Geschmack sei­
nur wenige Pariser Kunstliebhaber Werke die Komposition das Gemälde Interieur mit ner Auftraggeber mehr entsprachen und sein
von Willem Kalf. Um 1734-35 war Boucher Küchengerät, Gemüse und einem Menschen persönliches Interesse für Musik und Theater
in Kontakt mit einem dieser Kunstliebhaber: auf einer Leiter des holländischen Meisters widerspiegelten. Das Gemälde Bouchers Frau
Chevalier de la Roque, Herausgeber der Zeit­ (Abb. 5)15 eindeutig zitiert. Grisebach vermu­ mit Strohhut und einem Kind auf dem Schoß,
schrift Mercure de France, der drei Gemälde tete, das sich dieses Bild 1794 in der Samm­ das 1737 im Auftrag des Königs im Schloss
des Meisters besaß. Eines dieser Bilder wurde lung des Niederländers Joan Fredrik Molte16 Fontainebleau entstand, dokumentiert die­
1745 beim Tode des Sammler von Kardinal befunden haben könnte. Dies ist allerdings se Entwicklung eindeutig: Der mit Trauben
de Bernis erworben (heute im City Art Mu­ aus zweierlei Gründen höchst unwahrschein­ überfüllte Fruchtkorb ist vielmehr dem Stil
seum of Saint Louis, Missouri, Inv. Nr. 93/47), lich: Erstens hat Boucher das Werk 1735 in von Snijders oder Fijt als demjenigen von Kalf
während die zwei anderen der Sammlung von Paris gesehen; Zweitens befand es sich 1863 verpflichtet.18
Crozat de Thiers, dem Neffen des berühmten in der Viardot-Sammlung, das heißt immer 1762 schrieb der Kunstkritiker Dazellier
Kunstliebhabers Pierre Crozat, hinzugefügt noch in Frankreich. Unseres Erachtens be­ d’Argenville: »Die Flamen haben wahrhaftig
wurden (heute in der Eremitage, Sankt Pe­ fand sich damals Die schöne Dorfbewohnerin nur einfache Motive gemalt. Ihre Helden sind
tersburg, Inv. Nr. 945 und 946). 1735 gab auch in der Sammlung des Herzogs von Chevreuse, Bauern, ihre Bühnen ein Chemielabor, eine
Chevalier de la Roque ein Werk bei Boucher denn das Werk wurde 1748 in seinem Haus Küche, eine Volksfest.«19 Mit anderen Worten:
in Auftrag14, als dieser schon mit mehreren unter dem Titel Frau in ihrem Haushalt be­ Ihre Gemälde entsprachen nicht dem franzö­
Bildern im Stile von Kalf beschäftigt war, dar­ schrieben.17 sischen Geschmack. Boucher hatte dies ver­
unter Köchin und junger Mann, Ländliches Zwischen 1730 und 1740 war Francois Bou­ standen und adaptierte seine Arbeit dement­
Glück, Ruhende Bauern, Der Maler in seiner cher weitaus mehr von Willem Kalf beein­ sprechend. Eine ähnliche Entwicklung fand
Werkstatt und vor allem Das schöne Küchen­ flusst als andere Maler derselben Generation. auch bei den Kunstliebhabern statt, als sie von
mädchen (Abb. 3) - Ein Werk, das im April Von den Genrebildern des holländischen Malern eine Überarbeitung bestimmter Bil­
1735 als Vorlage für einen Kupferstich dien­ Meisters übernahm Boucher das realistische der verlangten. So beispielsweise Chevalier de
te und heute im Pariser Musee Cognacq-Jay Dekor und die zurückhaltende Sinnlichkeit, la Roque, der Nicolas Lancret aufforderte, ein
aufbewahrt wird. während ein Maler wie Jean Simeon Char­ Interieurbild von Kalf zu verändern. Lancret,
Das Bild Die liebenswürdige Hausfrau din sich mehr an der Gelassenheit der alltäg­ der zu dieser Zeit neben Francois Boucher im

3 Francois Boucher, Das schöne Küchenmädchen, 4 P. Duverbret, Die liebenswürdige Hausfrau, Stich 5 Willem Kalf, Bäuerliches Interieur, ini Hinter­
Eiche, 55,5 x 43,2 cm. Paris, Musee Cognacq-Jay, nach dem Gemälde von Francois Boucher, Die grund Frau am Kamin und Mann auf Leiter, Lein­
Inv. Nr. 13. Dorfsschöne im Norton Simon Museum in Pasa- wand, 33,7 x 26,5 cm. Amiens, Musee de Picardie,
dena. Paris, Musee du Louvre, Departement des Inv. Nr. 1894-19.
Arts Graphiques, Sammlung Rothschild,
Inv. Nr. 18561 L.R.

158 Der Einfluss Willem Kalfs auf die französischen Künstler und Kunstliebhaber im 17. und 18. Jahrhundert - Fran^oise Jouhe
Schloss Fontainebleau arbeitete und ein ent­ Anmerkungen 10 F. Joulie, Formation et culture de Francois Bou­
1 Th. de Luynes, B. Pons, Lc Faubourg Saint-Germain, cher - De qui est-il donc le disciple?, Paris, Ecole des
zückendes Hochzeitsmahl malte, musste seine Beaux-arts 2003, S. 76-87 und Francois Boucher,
Arbeit unterbrechen, und auf einem Gemäl­ la nie Saint-Dominique, Hotels et Amateurs, Paris,
musee Rodin, 1984, S. 56-62. eleve d’Antoine Watteau, Actes du Colloque Watteau,
de Kalfs eine über einen Brunnen gebückte 2 J. B. P. Lebrun, Galerie des peintres flaniands, hol- 2005-2006, Valenciennes 2007.
Bäuerin durch ein sich lebhaft unterhaltendes landais et allemands - Ouvrage enrichi de deux Cent 11 B. Schreiber Jacoby, Francois Bouchers Early De­
Paar in eleganten Kleidern ersetzen.20 planches gravees dapres les meilleurs tableaux de ces velopment as a Draughtman, 1720-1734, New York
Obwohl er sich in seiner weiteren Laufbahn maitres, par les plus habiles artistes de France, de Hol- 1986, S. 64-80.
lande et d’Allemagne, Paris-Amsterdam 1792-1796, 12 Das Werk dient als Abbildung in A. Laing, Fran­
nicht mehr an Willem Kalf orientierte, war cois Boucher 1703-1770, Paris 1986, S. 120, Abb.
Bd 2, S. 70.
Francois Boucher bis zu seinem Lebensende 3 Im 18. Jahrhundert stieg der Preis der Gemälde 86. Das Original befindet sich in Ottawa, National
»verrückt« nach den Gemälden des nieder­ Willem Kalfs kontinuierlich. Bei der Auflösung der Gallery of Canada, Inv. Nr. 4444.0.65. S. Couturier,
ländischen Meisters, und zwar wegen ihrer Sammlungen La Roque und Julienne (1745 bzw. Dessins fran^ais du Musee des beaux-arts du Canada,
außergewöhnlichen technischen Qualität. 1767) wurden Werke Kalfs für 100 bis 200 Pfund ver­ Ottawa, National Museum of Canada 2004, Kat. Nr.
kauft. Bei der Auflösung der Sammlung Randon de 35. Bezüglich der Datierung des Gemäldes nach der
Der Kunstkritiker La Font de Saint-Yenne Zeichnung siehe F. Joulie, Boucher et les peintres du
Boisset (1777) fanden Werke des holländischen Meis­
meinte 1746, dass »diese Bilder voller Ma­ ters für 400 bis 600 Pfund einen Abnehmer. Das Bild Nord, Dijon, Musle Magnin, Londres, The Wallace
gie, Lieblichkeit und Harmlosigkeit in jene Kucheninterieur, das heute im Louvre aufbewahrt Collection 2004, S. 35. Grisebach, 1974, Kat. Nr. 19
verzauberten Paläste, welche die bildenden wird, wurde 1784 vom König von Frankreich für 800 bezieht sich auf ein Interieurbild von Kalf, das sich im
Künste hochschätzen« - das heißt in die Pri­ Pfund gekauft. 1794 meinte Lebrun, ein Meisterwerk 18. Jahrhundert in Rom befand.
von Willem Kalf könne für 1000 bis 1200 Pfund ver­ ” A. Merot, Les Conferences de l’Academie royale de
vatsammlungen - unbedingt Einzug halten peinture et de sculpture au XVII* siede, Paris 1996,
kauft werden.
müßten.21 Demnach ist es keinesfalls überra­ 4 J. Thuillier, Sebastien Bourdon, Montpellier, Musee S.414.
schend, dass ein Meisterwerk Willem Kalfs Fabre, 2000-2001, Nr. 125. 11 A. Ananoff, D. Wildenstein, Francois Boucher,
sich in der Sammlung von Francois Boucher, 5 B. Hercenberg, Nicolas Vleughels - Peintre et direc- Bd. I., Paris-Lausanne 1976, Nr. 226.
einer der schönsten Pariser Kunstsammlun­ teur de l’Acadtmie de France ä Rome, 1668-1737, Pa­ 15 Interieur mit Küchengerät, Gemüse und einem
ris 1975, S. 194-195. Mensch auf einer Leiter, Amiens, Musle de Picardie,
gen des späten 18. Jahrhunderts, befand. Inv. MP. 1894-19.
6 D. Bakhuys, Peintres hollandais a Paris au XVII'sie­
de - Premier acte d’une reception differee, in Imagin- 16 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 31.
aire et creation artistique ä Paris sous l’Ancien Regime 17 Th. de Luynes, B. Pons, Le Faubourg Saint-Germain,
(XVIF-XVIIFsiecles), Annales du centre Ledoux, Bd. la nie Saint-Dominique, Hotels et Amateurs, Paris,
2, 1998, S. 15-21, M. Szanto, Linard, »Stoskopff et Musee Rodin 1984, S. 57.
Kalf«, Bulletin de la Societe d'histoire de lart fran^ais, 18 E Joulie, Boucher et les peintres du Nord, Dijon, Mu­
2001-2002, S. 25-62. see Magnin, London, The Wallace Collection 2004,
7 J. Thuillier, Sebastien Bourdon, Montpellier, musee Abb. 27, S. 68. Siehe F. Ribemont, de Boysson, Les
Fabre, 2000-2001, Nr. 78-80. raisins du silence, Bordeaux, Musee des Beaux-arts
8 Laut L. Grisebach wurde das Werk nachträglich ver­ 1999-2005.
ändert. Die Maße des Werkes waren damals 19x22 19 A. J. Dezallier d’Argenville, Abrege de la vie des plus
cm, das heißt ungefähr diejenigen des Werkes von fameux peintres, 1762, Bd. 3, Vorwort.
Boucher (circa 15,20x20,30 cm). In Katalogen aus 20 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 2, Abb. 2 und 3.
dem 19. Jahrhundert werden allerdings als Maße 21 £. de La Font de Saint-Yen ne, Reßexions sur quel-
22x26 cm angegeben. Grisebach, 1974, S. 19-20, ques causes de l'Etat present de la peinture en France
Kat. Nr. 22, Abb. 24. avec un examen des principaux ouvrages exposes au
9 G. Glorieux, Watteau et le Nord - Lespeintres defetes Louvre, 1746, Neuauflage, Paris 2001.
galantes, Valenciennes, Musee des Beaux-arts, 2004,
S. 45-56.

Der Einfluss Willem Kalfs auf die französischen Künstler und Kunstliebhaber im 17. und 18. Jahrhundert - Francoise Joulie 159
Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs
Katalog der Werke von Willem Kalf

Fred G. Meijer

Seit dem Erscheinen von Lucius Grisebachs Unter den B-Nummern sind Gemälde auf­ A. Eigenhändige Gemälde
Monographie über Willem Kalf im Jahre 1974 geführt, die von Grisebach noch als eigenhän­
sind viele Gemälde von Willem Kalf zum Vor­ dige Arbeiten aufgenommen wurden, heute A 1 (Grisebach Kat. Nr. 1
schein gekommen, andere wurden restauriert aber abgeschrieben werden. Außerdem wer­ Verz. Nr. C 11, Abb. 169)
und (oder erneut) untersucht. Auch von je­ den hier Gemälde aufgeführt, die seit Grise­ Bäuerliches Interieur
nen Arbeiten, die Grisebach nur von Fotogra­ bachs Publikation ans Tageslicht kamen. Für Monogrammiert und datiert, rechts unten:
fien oder Abbildungen kannte, konnten in­ diese letztgenannten Gemälde wird eine Zu­ WK1638
zwischen mehrere näher untersucht werden. schreibung an Kalf erwogen, die jedoch nicht Holz, 32,2 x 26,2 cm
Die hier präsentierte Liste ist als Ergänzung mit Sicherheit bestätigt werden kann. Dar­ New York, Privatsammlung
zu Grisebachs Katalog zu verstehen und ihre über hinaus finden sich unter den B-Num­ Das Gemälde wurde von Grisebach als Nach­
Ordnung folgt so gut wie möglich der von mern Gemälde, die bisher als Werke von Kalf ahmung abgetan, ist aber als frühe Arbeit von
Grisebachs Publikation. Ergänzenden Infor­ publiziert wurden, deren Zuschreibung aber Kalf aus seiner Lehrzeit in Rotterdam zu ver­
mationen zu den bestehenden Grisebach- zurückzuweisen ist. teidigen. Siehe weiter Kat. Nr. 1.
Nummern werden unter den entsprechenden Teilweise wird für nähere Informationen auf
Grisebach-Nummern aufgeführt. Unter den Texte an anderer Stelle in diesem Katalog ver­
A-Nummern wurden neu entdeckte Arbeiten wiesen. Literatur und Provenienzen sind hier
aufgenommen sowie auch einige Werke, die nicht vollständig aufgeführt, obwohl versucht
von Grisebach abgeschrieben wurden, nun wurde, die wichtigsten Referenzen wieder­
aber als eigenhändige Arbeiten von Kalf ak­ zugeben (sofern dies nicht schon an anderer
zeptiert werden können. Stelle in dieser Publikation geschieht).

A 2 Bauernhof mit einem Mann bei einem Brun­ A 3 Bäuerliches Interieur, im Hintergrund ein A 6 Bäuerliches Interieur mit einer alten Frau und
nen und Aussicht auf Pans, signiert in der Mitte Mann und eine Frau am Kamin, unten rechts einem Gcmüsestilleben, signiert und datiert oben
unten: KALF, Öl auf Kupfer, 51 x 34,5 cm. Privat­ signiert W. CALF, Öl auf Holz, 35,6 x 29,2 cm. links: KALF 1644, Öl auf Kupfer, 16 x 13 cm.
sammlung. Verbleib unbekannt. Zürich, David Koetscr Gallery.

160 Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf- Fred G. Meijer
A2 Abb.
Bauernhof mit einem Mann bei einem Brun­
nen und Aussicht auf Paris
Signiert, in der Mitte unten: KALF
Kupfer, 51 x34,5 cm
Privatsammlung
Provenienz: Versteigerung London, Sotheby’s,
9. Dezember 1992, Kat. Nr. 171, mit Abb.;
Kunsthandel P. de Boer, Amsterdam; Kunst­
handel Hoogsteder & Hoogsteder, Den Haag.
Literatur: The Hoogsteder Journal 3 (1997)
S. 8, mit Farbabb.

Grisebach Kat. Nr. 6: siehe B 3. A 7 Bauernhaus mit zwei Figuren, signiert, Öl auf A 8 Bäuerliches Interieur mit einer Frau mit
Grisebach Kat. Nr. 15: siehe B 4. Kupfer, 13x17 cm. Verbleib unbekannt. Besen und einem Mann beim Feuer, Öl auf Kupfer,
13,2 x 17 cm. Privatsammlung, Schweden.
A3 Abb.
Bäuerliches Interieur, im Hintergrund ein
Mann und eine Frau am Kamin Zustand und es gehört mit Sicherheit nicht zu A7 Abb.
Signiert, rechts unten W. CALF den gelungensten Kompositionen Kalfs. Bauernhaus mit zwei Figuren
Holz, 35,6x29,2 cm Signiert, rechts unten: KALF
Verbleib unbekannt Grisebach Kat. Nr. 34 Abb. 1, S. 56 Kupfer, 13 x 17 cm
Provenienz: Kunsthandel F. Mont, New York, Bäuerliches Interieur mit Frau am Butterfass Verbleib unbekannt
1949. Holz, 32,3x23,6 cm Provenienz: Versteigerung Stockholm, Bu­
Dieses Gemälde wurde von Grisebach zu Un­ Alte Inschrift in Verso: Calphe kowski, 5./8. November 1975, Kat. Nr. 25, mit
recht als identisch zu seiner Kat. Nr. 17 aufge­ Niederlande, Privatsammlung Abb.; 1980 aus einer Privatsammlung in Reck­
nommen. Die Ausführung ist jedoch weitaus Provenienz: Privatsammlung, Frankreich; linghausen gestohlen (siehe Die Weltkunst, 15.
besser. Außerdem ist dieses Gemälde signiert. Versteigerung London, Sotheby’s, 5. April Dezember 1980, S. 3705, mit Abb.)
Obwohl es eigentlich von Grisebach unter der 1995, Nr. 54, als Nachfolger von W. Kalf.
Kat. Nr. 17 aufgenommen wurde, wird es hier Grisebach kannte dieses Gemälde nur von ei­ A8 Abb.
unter einer neuen (A) Nummer aufgefuhrt. Sie­ ner druckgraphischen Reproduktion von Ba- Bäuerliches Interieur mit einer Frau mit
he B 6, weiter unten, für das Gemälde, das sich san (seine Abb. 35), die es spiegelbildlich wie- Besen und einem Mann beim Feuer
zuvor in der Sammlung Girardet befand (Grise­ dergibt. Das Gemälde passt tatsächlich gut in Kupfer, 13,2 x 17 cm
bach Kat. Nr. 17, Abb. 20 und Farbabb aufS.2). das CEuvre. Grisebach platzierte es zwischen Privatsammlung, Schweden
die 1643 entstandenen Arbeiten, vielleicht ist Provenienz: Versteigerung London, Sotheby’s,
A 4 (Grisebach Verz. Nr. A 1) Abb. 3, S. 38 aber eine Datierung in das Jahr 1644 genauer. 1. November 2001, Nr. 61, mit Farbabb.
Blick in einen Laden Wenn es, wie von Grisebach vorgeschlagen,
Kupfer, 17,5x 13,5 cm identisch ist mit dem Gemälde in der Verstei­ A 9 (Grisebach Kat. Nr. 42a) Abb.
München, Bayerische Staatgemäldesammlun­ gerung Paris, 9.-19. April und 2.-5. Mai 1764, Bäuerliches Interieur mit einer Frau am
gen, Inv. Nr. 5727 Nr. 62, sind die Maße dort (14 zu 10 Vi pouces Brunnen
Grisebachs Zweifel an der Zuschreibung = ca. 38 x 28 cm) abweichend angegeben wor­ Signiert, rechts unten: KALF
scheinen unbegründet zu sein. Das abwei­ den (vielleicht inklusive Rahmen?). Holz, 33x26,5 cm
chende Motiv ist kein stichhaltiges Argument Verbleib unbekannt
für eine Abschreibung. Vermutlich 1642 oder Grisebach Kat. Nr. 36 Kat. Nr. 12 Provenienz: (vermutlich) Sammlung M.F.
1643 zu datieren. Frau am Brunnen vor dem Haus Lindemeyer-Christ, Basel; Galerie Heine­
Holz, 32,5x24,5 cm mann, München; Versteigerung London,
A 5 (Grisebach Verz. Nr. B 3, Abb. 164) Heino, Museum De Fundatie, Inv. Nr. 148 Sotheby’s, 8. Juli 1999, Nr. 167, mit Farbabb.
Bäuerliches Interieur mit Frau am Brunnen Die Datierung des Gemäldes erweist sich bei Das Gemälde ist vermutlich identisch mit
Holz, 34,2x26,3 cm wiederholtem Lesen als 1645 und nicht als Grisebach 42a, dort als Kopie. Es ist etwas
Verbleib unbekannt 1643. verschlissen, doch, anhand des Gemäldes ur­
Provenienz: Kunsthandel P. de Boer, Amster­ teilend, muss an der Eigenhändigkeit nicht
dam, 1937-1938; Sammlung Mr. W. Russell, A6 Abb. gezweifelt werden.
Amsterdam; Versteigerung London, Christie’s, Bäuerliches Interieur mit einer alten Frau
12. Dezember 1990, Kat. Nr. 202, mit Abb. und einem Gemüsestilleben
Von Grisebach als vermeintliche Kopie von Signiert und datiert, links oben: KALF 1644
einem verlorenen Original aufgenommen. Kupfer, 16 x 13 cm
Bei näherer Betrachtung des Gemäldes wird Kunsthandel David Koetser Gallery, Zürich
jedoch deutlich, dass darin mit ziemlich gro­ Provenienz: Privatsammlung, Niederlande;
ßer Sicherheit die Hand Kalfs zu erkennen ist. Kunsthandel Robert Noortman, London, 1981,
Das Gemälde ist aber in keinem optimalen Kat. Nr. 9, mit Farbabb.; Privatsammlung, USA.

Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf- Fred G. Meijer 161
A 10 Bäuerliches Interieur mit einer Gemüse put­ A 12 Kücheninterieur mit einer Frau beim Kamin,
zenden Frau und einem Mann mit einer Leiter, Öl unter in die Mitte »signiert« mit einer Zeichnung
auf Holz, 35,8 x 54,6 cm. Verbleib unbekannt. von einem Kalb, Öl auf Kupfer, 30,5 x 40 cm.
Privatsammlung.

Grisebach Kat. Nr. 55: siehe B 9. die von dem Autor zu Recht als vermutliche
Kopien von einem (damals noch) unbekann­
A 9 Bäuerliches Interieur mit einer Frau am Brun­ A 12 Abb. ten Original aufgenommen wurden.
nen, signiert unten rechts »RALF«, Öl auf Holz, Kücheninterieur mit einer Frau beim Kamin
33 x 26,5 cm. Verbleib unbekannt.
In der Mitte oben »signiert« mit einer Zeich- A 13 Kat. Nr. 13
nung von einem Kalb Bäuerliches Interieur mit einem Jungen mit
Kupfer, 30,5 x 40 cm Gemüse und einer Frau in der Türöffnung
Privatsammlung Signiert, rechts oben: KALF/ 1645
A 10 Abb. Provenienz: Kunsthandel Charles Roelofsz, Leinwand, 28,2 x 40 cm.
Bäuerliches Interieur mit einer Gemüse Amsterdam, 1986. Rotterdam, Museum Boijmans Van Beunin­
putzenden Frau und einem Mann mit Literatur: C. Grimm, Stilleben. Die niederlän­ gen, Leihgabe Stiftung Willem van der Vorm.
einer Leiter dischen und deutschen Meister, Stuttgart/Zü- Provenienz: Privatsammlung (Deutschland?);
Holz, 35,8 x 54,6 cm rich 1988, S. 156-157, mit Abb. und Detail- Versteigerung London, 16. April 1997, Nr. 113,
Verbleib unbekannt abb. in Farbe. mit Farbabb.; Kunsthandel Johnny van Haef-
Provenienz: Sammlung Rigaud (?); Sammlung Zweifelsohne handelt es sich hierbei um das ten, London, 1998; Kunsthandel P. de Boer,
Edaurd Fabre, Les Ormeaux (laut Inschrift Vorbild für Grisebach Verz. Nr. Bl und B2, Amsterdam.
auf der Rückseite); Versteigerung London,
Christie’s, 10. April 1987, Kat. Nr. 6, mit Farb- Grisebach Kat. Nr. 56: siehe B 10.
abb.; Versteigerung London, Christie’s, 18. A 11 Bäuerliches Interieur mit Figuren im Hinter­
grund, Öl auf Holz, 28 x 21 cm. Verbleib unbe­
Dezember 1987, Kat. Nr. 162, mit Abb.; Ver­ A 14 (Grisebach Verz. Nr. A 3) Abb. 1, S. 70
kannt.
steigerung London, Christie’s, 16. Dezember Stilleben mit Rechaud und Glaskanne
1988, Kat. Nr. 112, mit Abb.; Kunsthandel Ca- Holz, 45,5 x 64 cm
retto, Turin, 1989, Kat. Nr. 36, mit Farbabb. Signiert, rechts unten: WKALF (»WK« ligierl)
Zweifelsohne handelt es sich hierbei um eine Verbleib unbekannt
eigenhändige Version/Variante der Grisebach Das Bild wurde nach Grisebachs Publikation
Kat. Nr. 47, 48 und 49. noch vom Kunsthandel P. de Boer in Amster­
dam gezeigt, auf der Oude Kunst- en Antiek-
A 11 Abb. beurs, Prinsenhof, Delft, 1983 (mit Abb. im
Bäuerliches Interieur mit Figuren im Hinter­ Führer, S. 19).
grund Die nähere Analyse der frühen Arbeiten Kalfs
Holz, 28x21 cm plädiert für die Aufnahme dieses Bildes als
Verbleib unbekannt eigenhändiges Werk, das kurz nach der An­
Provenienz: Versteigerung Paris, Palais d’Or­ kunft Kalfs in Paris entstanden sein muss. Sie­
say, 30. März 1979, Kat. Nr. 13, mit Abb, als he weiter den Essay auf S. 70.
Willem Kalf zugeschrieben.
Das Bild zeigt die gleiche Komposition wie
Grisebach Kat. Nr. 55 (Museum Boijmans Van
Beuningen), ist jedoch weitaus überzeugender
in der Ausführung, weshalb die Grisebach Kat.
Nr. 55 heute als Kopie oder höchstens als Wie­
derholung aus der direkten Umgebung von
Kaifeinzuordnen ist (siehe B 9, weiter unten).

162 Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf- Fred G. Meijer
A 15 (Grisebach Kat. Nr. 64b) Kat. Nr. 17 lands 1600-1700, Den Haag 1988, S. 184 (Fig.
Stilleben mit Feldflasche aus Zinn, stehenden 10.2), 185, 220 (Anm. 9).
und liegenden vergoldeten Schenkkannen und Vgl. Kat. Nr. 20.
großer getriebener und vergoldeter Silberschale.
Leinwand, 132,5x71 cm Grisebach Kat. Nr.93 Abb. I, S.142
Rouen, Musee des Beaux-Arts, Inv. Nr. 833-5 Die Jahreszahl 1658 ist von diesem Gemälde
Aufgrund der Qualität der Ausführung han­ verschwunden.
delt es sich hierbei um eine eigenhändige,
vielleicht erste Version von dieser Komposi­ A 18 Abb. 4, S. 95
tion. Siehe weiter Kat. Nr. 17. Stilleben mit Zinnkrug und Deckelpokal
(J. Jz. Treck, übermalt von Willem Kalf)
Grisebach Kat. Nr. 65, Abb. 69 Signiert und datiert, links unten: 1648/ J...
Dieses Gemälde ist signiert. reck
Sammlung Mr. and Mrs. Edward William Holz, 83 x 60 cm
Carter, Los Angeles Kassel,Staatliche Kunstsammlungen,Gemälde­
Provenienz: Kunsthandel Hoogsteder-Nau- galerie, Inv. Nr.GK 876
mann Ltd., New York, 1983. Provenienz: Kassel, Staatliche Kunstsamm­
S. Segal (siehe Ausst. Kat. A Prosperous Past. lungen, Gemäldegalerie, Erwerb 1917, als W.
The Sumptuous Still Life in the Netherlands Kalf, Inv. Nr.GK 876.
1600-1700, Stedelijk Museum Het Prinsen- Literatur: G. Gronau, »Erwebungen der Cas­
hof, Delft/Fogg Art Museum, Cambridge, seler Galerie 1912-1922«, Berliner Museen 44 A 16 Slilleben mit Teilen eines Harnischs, Waffen
Mass./Kimbell Art Museum, Fort Worth, (1923), S. 67, als: W. Kalf?; A. Polak, »Glass in und Prunkgegenständen und mit dem Spiegelbild
Texas 1988/9 [Kat. von S.Segal; redigiert von Dutch Painting«, The Conoisseur 193 (1976), des Künstlers, Öl auf Holz, 40,5 x 32 cm. Verbleib
W.B. Jordan], S. 184-185) meinte daraufeine Nr. 776, S. 119f., mit Abb., als J.Treck; N. R. A. unbekannt.
Datierung 163(9) lesen zu können, doch C. Vroom, A Modest Message as Intimated by the
Schneider und J. Walsh (A mirror of nature: Painters of the »monochrome banketje«, Schie-
Dutch paintings front the collection of Mr. and dam 1980, Bd. 1, S.211 (Abb. 286), 213, Bd. 2,
Mrs. Edward William Carter, New York 1992, S. 126, Nr. 648; G.J.M. Weber, Stilleben alter van Dedem gift«, Mauritshuis in focus 15
S. 124-127, Kat. Nr.31) fanden keine Spur Meister in der Kasseler Gemäldegalerie, Staat­ (2002), Nr.2, S. 19-21, Nr. 11; Q. Buvelot und
einer Datierung und schlugen zu Recht vor liche Kunstsammlungen Kassel, Kassel 1989, C. Vermeeren, Royal Picture Gallery Mau­
die von Grisebach empfohlene Datierung um Kat. Nr. 15, mit Abb., als J. Treck; F.G. Meijer, ritshuis. A Summary Catalogue, Den Haag/
1643 zu handhaben. »Een stilleven van Simon Luttichuys, >over- Zwolle 2005, S. 172-173, Abb.
schildert en vermeerdert< door Willem Kalf. Grisebachs Zweifel an der Zuschreibung er­
A 16 Abb. Een bijzonder aspect van de Hollandse ze- wiesen sich als unbegründet. Obwohl das Ge­
Stilleben mit Teilen eines Harnischs, Waffen ventiende-eeuwse atelierpraktijk«, Razprave mälde sicher nicht zu den stärksten Arbeiten
und Prunkgegenständen und mit dem iz Evropske Unietnosti [Festschrift für Ksenija Kalfs gehört, in keinem optimalen Zustand ist
Spiegelbild des Künstlers Rozman], Ljubljana 1999, S. 102,108 (Abb. 5), und zumindest in den weißen Lichtern und
Holz, 40,5 x 32 cm als J. Jz. Treck, vollendet von W. Kalf. in der Oberfläche der Orange Retuschen auf­
Verbleib unbekannt weist, ist Kalfs Hand in diesem Stilleben deut­
Provenienz: Versteigerung London, Bonhams, A 19 (Grisebach Verz. Nr. A 5, Abb. 163) lich zu erkennen.
22. April 1982, Kat. Nr. 107, mit Abbildung, Stilleben mit Südfrüchten und Gläsern
als Nachfolger von Willem de Poorter. Signiert, links oben: kalf
A 17 Stilleben nut Teilen eines Harnischs, Waffen
Das Bild wurde vermutlich als »modello« Leinwand, 49,3 x 42,9 cm
und Prunkgegenständen und mit dem Spiegelbild
für das Gemälde in Le Mans (Grisebach Kat. Mauritshuis, Den Haag, Inv. Nr. 1126 des Künstlers, Öl auf Leinwand, 153 x 165,7 cm.
Nr. 66) und die Version hier unten (A 17) ge­ Provenienz: Sammlung 5. Graf Spencer, 1892; Verbleib unbekannt.
malt. Siehe auch Kat. Nr. 20. Sammlung 8. Graf Spencer, Althorp, North-
hamptonshire; Kunsthandel Robert Noortman,
z\ 17 Abb. Maastricht; Sammlung Diethelm Doll, Bad Go­
Stilleben mit Teilen eines Harnischs, Waffen desberg; Versteigerung London, Christie’s, 8.
und Prunkgegenständen und mit dem Dezember 1995, Nr. 42, mit Farbabb.; nach der
Spiegelbild des Künstlers Versteigerung von Willem, Baron van Dedem,
Leinwand, 153x 165,7 cm gekauft; von diesem 2002 der Stichting Vrien-
Verbleib unbekannt den van het Mauritshuis, Den Haag, geschenkt.
Provenienz: Edward Speelman Gallery, Lon­ Ausstellung: London, Thomas Agnew and
don, 1979; Versteigerung New York, Sotheby’s, Sons, Althorp Collection, 1946, Kat. Nr. 3.
16. Mai 1996, Kat. Nr. 89, mit Farbabb. und Literatur: Grisebach, 1974, S.284, Verz. Nr.
Versteigerung London, Sotheby’s, 17. Dezem­ A5, Abb. 163; P.C. Sutton, Dutch & Flemish
ber 1998, Kat. Nr. 10, mit Farbabb. Paintings: The collection of Willem Baron van
Literatur: S. Segal in Ausst. Kat. A Prosperous Dedem, London 2002, S. 144-147, Kat. Nr. 29,
Past. The Sumptuous Still Life in the Nether­ mit Farbabb.; Q. Buvelot, »Catalogue Baron

Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf- Fred G. Meijer 163
A 20 (Grisebach Abb. 15, S. 98 Grisebach Kat. Nr. 114, Abb. 126
Verz. Nr. B 6, Abb. 166 Stilleben mit Schüssel aus chinesischem Por­
Stilleben mit Glaspokal, Römer und Zitrone zellan mit Figuren, Südfrüchten, Deckelglas
Signiert und datiert, links unten: W. KALF. und weiteren Gläsern
1660 Signiert, rechts unten: W. KALF (und mög­
Leinwand, 49 x 43 cm licherweise Reste einer Datierung, zu lesen
Verbleib unbekannt als 1662, laut freundlicher Mitteilung von
Provenienz: Sammlung Wolff, Kassel; Kunst­ Richard Charlton Jones, Sotheby’s London,
handel J. Böhler, München, 1920; Versteigerung der das Gemälde 1995 untersuchte)
London, Sotheby’s, 17. Mai 1961, Kat. Nr. 144; Leinwand, 58,5 x 48,5 cm
Kunsthandel Duits, London, 1961; Versteige­ Privatsammlung, Europa
rung London, Sotheby’s, 14. Dezember 2000, Das Bild wurde von Grisebach zu Unrecht für
Kat. Nr.31, mit Farbabb.; Privatsammlung. identisch mit dem Gemälde bei M. Knoedler
Das Bild wurde von Grisebach zusammen mit & Co, New York, 1952 (später versteigert bei
A 21 (siehe unten) für die Kopie eines verlo­ Christie’s, New York, 31. Mai 1991, Kat. Nr. 65,
renen Originals gehalten. Bei der Entfernung mit Farbabb., richtig als Umkreis von W. Kalf)
der Übermalungen und der Restaurierung gehalten.
zeigte sich jedoch die eigenhändige Qualität.
Überdies kamen die verschwundene Signatur A23 Kat. Nr. 33
und die Datierung wieder zum Vorschein. Stilleben mit Deckelgefäß aus Porzellan, ei­
A 21 Stilleben mit Glaspokal, Romer und Zitrone, nem Schälchen, Gläsern und Früchten
links unten signiert: W. KALF, Öl auf Leinwand, A 21 (Grisebach Verz. Nr. B 7) Abb. Leinwand, 55 x 68 cm
44,6 x 35,2 cm. Europäische Privatsammlung. Stilleben mit Glaspokal, Römer und Zitrone Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum
Signiert,
o links unten: »W. KALF« Provenienz: Sammlung Dr. Hewlett John­
Leinwand, 44,6 x 35,2 cm son, Dekan von Canterbury; Versteigerung
Privatsammlung, Europa London, Sotheby’s, 16. Juli 1980, Nr. 203, mit
Provenienz: Kunsthandel J. Goudstikker, Abb.; Privatsammlung, Deutschland, 1999;
Amsterdam; Kunsthandel Dowdeswell, Lon­ (nach Reinigung und Restaurierung) als Leih­
don; Versteigerung London, Sotheby’s, 9. Juli gabe im Niedersächsischen Landesmuseum,
1998, Verz. Nr. 260, mit Farbabb. Hannover.
Das Bild wurde von Grisebach zusammen mit Grisebach Kat. Nr. 137, Abb. 149 (Paris, Lou­
A 19 (siehe oben) für die Kopie eines verlo­ vre, Inv. Nr. R. F. 796) kann noch immer als
renen Originals gehalten. Bei der Entfernung erste Version dieser Komposition gelten. Seit
der Übermalungen und der Restaurierung
zeigte sich jedoch die eigenhändige Qualität.
Überdies kam die verschwundene Signatur
wieder zum Vorschein. A 25 Stilleben mit silbernen Geräten, Porzellan­
Bei dieser Arbeit handelt es sich sicher um topfund Gläsern, Öl auf Leinwand, 107 x 85 cm.
A 24 Stilleben mit Prunkpokal, Fruchtschale und eine eigenhändige, wenn auch nicht optimal Aachen, Suermondt-Ludwig Museum,
Gläsern, Öl auf Leinwand, 71 x 59 cm. Verbleib erhaltene Version von A 20. Inv. Nr. GK 1194.
unbekannt.
A22 Abb. 10 auf S. 96
Stilleben mit silberner Wasserkanne und
dazugehörigem Becken und einer Porzellan­
schüssel mit Früchten und Gläsern
(Begonnen von Simon Luttichuys, vollendet
von Kalf)
Leinwand, 86 x 81,5 cm
Privatsammlung, Frankreich
Provenienz: Privatsammlung, Frankreich, 1990.
Literatur: F. G. Meijer, »Een stilleven van
Simon Luttichuys, >overschildert en vermeer­
derb door Willem Kalf. Een bijzonder aspect
van de Hollandse zeventiende-eeuwse atelier-
praktijk«, Razprave iz Evropske Umelnosti
[Festschrift für Ksenija Rozman], Ljubljana
1999, S. 99-109, mit Farbabb.

164 Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf Fred G. Meijer
der Entdeckung von A 23 galt dieses Gemälde Dieses Gemälde ist in jeder Hinsicht verwandt
als Kopie, doch die Ausführung ist komplexer, mit Grisebachs Kat. Nr. 143 (hier Kat. Nr. 23)
subtiler und raffinierter als die Version in und besonders mit der Kat. Nr. 142 (hier Kat.
Hannover, auch wenn sich auf dem Stück aus Nr. 22) und wird ungefähr zur gleichen Zeit
dem Louvre diverse Retuschen finden (u.a. mit dem letzteren entstanden sein. Gegen die
auf dem Flötenglas, dem Glas rechts hinten Meinung, bei den beiden Gemälden könn­
und auf dem Deckelgefäß). Vermutlich han­ te es sich um Pendants handeln, sprechen in
delt es sich bei dem Gemälde in Hannover um gewisser Weise ihre recht abweichenden Ab­
eine eigenhändige zweite Version. messungen, vor allem aber die Tatsache, dass
sie beinahe exakt das Gleiche wiedergeben.
A 24 (Grisebach Kat. Nr. 100a) Abb.
Stilleben mit Prunkpokal, Fruchtschale
und Gläsern B. Unsichere Zuschreibungen/
Leinwand, 71 x 59 cm abgeschriebene Werke
Verbleib unbekannt
Provenienz: Den Haag, Koninklijk Kabinet B 1 (Grisebach Verz. Nr. C 15) Abb.
voor Schilderijen Het Mauritshuis, Inv. Nr. 666 Interieur mit Karten spielenden Soldaten
(Erwerb 1902, verkauft 1962); Kunsthandel Signiert, links unten: »W. KALF«
S. Nystad, Den Haag, 1962; Privatsammlung, Holz, 30x21 cm
England; Versteigerung London, Christie’s, Verbleib unbekannt
12. November 2001, Kat. Nr. 55, mit Farbabb. Nach der Akzeptanz von Al, siehe oben, als
Das Bild ist von Grisebach zu Unrecht als Ko­ eigenhändige Arbeit von Kalf wäre es nun
pie seiner Kat. Nr. 100 aufgenommen worden. vorstellbar, dass auch dieses Gemälde zu dem
Die Komposition weicht jedoch beträchtlich frühen CEuvre von Kalf, vor 1640, gezählt
davon ab und die Qualität der Ausführung werden kann. Die Kombination von hollän­ B 1 (Grisebach C 15) Interieur nut Karten spielen­
ist derart, dass man die Arbeit ohne jeglichen dischen und französischen Motiven scheint den Soldaten, signiert unten links: W. KALE Öl auf
Zweifel Kalf zuschreiben kann. Die Datierung es jedenfalls damit in Verbindung zu bringen. Holz, 30 x 21 cm. Verbleib unbekannt.
ist vermutlich später als die von Grisebach Eine Untersuchung des Gemäldes und insbe­
vorgeschlagene anzusetzen, d. h. ans Ende der sondere der Authentizität der Signatur wird
sechziger Jahre. hoffentlich irgendwann einmal Aufschluss
darüber geben können.
A 25 (Grisebach Verz. Nr. C 25) Abb. B 4 (Grisebach Kat. Nr. 15, Abb. 16)
Stilleben mit silbernen Geräten, B 2 (Grisebach Verz. Nr. C 7, Abb. 176) Bäuerliches Interieur mit schlafender Frau
Porzellan topf und Gläsern Bäuerliches Interieur mit einer Figur, die Holz, 26,5x38,5 cm
Leinwand, 107 x85 cm einen Korb auf dem Rücken trägt Museum Boijmans Van Beuningen, Rotter­
Aachen, Suermondt-Ludwig Museum, Inv. Kupfer, 28,8 x 37,4 cm dam, Inv. Nr. 2504
Nr.GK 1194 Jerusalem, Israel Museum, Ergänzende Literatur: F. Lammertse, Neder-
Literatur: T. Fusenig, Suermondt-Ludwig-Mu- Inv. Nr. M74-4-65 landse genreschilderijen uit de zeventiende
seum Aachen. Bestandskatalog der Gemälde­ Dieses Gemälde steht besonders aufgrund des eeuw. Eigen Collectie Museum Boijmans Van
galerie. Niederlande von 1550 bis 1800, Aachen, zentral dargestellten Stillebens sehr nahe bei Benningen, Rotterdam, Rotterdam, 1998, Kat.
München 2006, S. 154-156, mit Farbabb. den Arbeiten von Kalf, vergleiche zum Bei­ Nr. 31, als Kopie nach Willem Kalf.
Obwohl die Komposition unüblich ist, scheinen spiel A 12, weiter oben. Andere Partien wei­ Die technische Untersuchung des Bildes er­
Zweifel an der Eigenhändigkeit dieses Werkes chen jedoch ab oder erscheinen zu schwach wies, dass dies ein Werk späteren Datums ist.
überflüssig zu sein. Laut aktueller technischer für Kalf als Schöpfer. Das Bild ist jedenfalls Auch die Qualität der Ausführung deutet auf
Untersuchung ist das Gemälde wahrscheinlich nicht mit völliger Sicherheit aus dem CEuvre eine Kopie hin (nach Grisebachs Kat. Nr. 14,
durch Brand beschädigt worden, möglicherwei­ auszuschließen. Vielleicht handelt es sich da­ Abb. 15).
se als es sich während der Bombardements im bei um eine Zusammenarbeit mit einem nicht
Zweiten Weltkrieg in Aachener Privatbesitz be­ näher identifizierbaren Pariser Künstler. B5
fand. Danach ist das Bild verkleinert worden. Bäuerliches Interieur mit ruhender Frau
B 3 (Grisebach Kat. Nr. 6, Abb. 6) Holz, 59 x 49 cm
A 26 Abb. 1,S. 104 Bäuerliches Interieur mit Gemüse und Verbleib unbekannt
Stilleben mit Muscheln und Gefässen Provenienz: Versteigerung New York, Sothe­
Schmuckkästchen Holz, 28,5 x 43 cm by’s, 15. Januar 1987, Kat. Nr. 135, mit Farb­
Leinwand, 53x43 cm Instituut Collectie Nederland, Amsterdam/ abb., als Willem Kalf.
Privatsammlung, USA Rijswijk, Inv. Nr.NK 1743 Die Motive des Stillebens sowie das Interieur
Provenienz: Sammlung Paul Cornet (1892— Diese Arbeit kann nicht länger als eigenhän­ entsprechen ganz und gar denen von Kalf,
1977), Ort unbekannt, seit ca. 1953; Verstei­ diges Werk von Kalf akzeptiert werden. Die doch die Ausführung stammt sicher von einer
gerung London, Sotheby’s 12. Juli 2001, Kat. Ausführung ist zu steif und leblos für Kalf. anderen Hand. Vermutlich handelt es sich um
Nr. 310, mit Farbabb., als Umkreis W. Kalf; Vielleicht handelt es sich um eine Kopie oder die Arbeit eines französischen Künstlers aus
Privatsammlung, Monte Carlo. Nachahmung. Kalfs Umgebung.

Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf- Fred G. Meijer 165
B7 Abb. 1, S. 66 der Kessel und der Kohl, erscheinen schwach
Bauernhof mit einer Frau bei einem Brunnen und nicht verstanden. Das Bild gilt vermut­
Holz, 31,6 x 23,4 cm lich zu Unrecht als Pendant von Grisebachs
Verbleib unbekannt Kat. Nr. 58, die weitaus stärker in der Aus­
Provenienz: Versteigerung Amsterdam, Chris­ führung ist, denn nichts in den Darstellungen
tie’s, 2. September 2003, Kat. Nr. 131, mit weist darauf hin, dass beide Holztafeln ur­
Farbabb. sprünglich zueinander gehörten. Interessant
Die Komposition dieses Gemäldes ist eng ver­ ist aber, dass beide Tafeln (auf der Rückseite)
wandt mit Grisebachs Kat. Nr. 36 und 52. Es nahezu identisch sind und von dem Antwer­
zeigt einige Schwächen in der Ausführung, pener Holztafelhersteller Melchior de Bout zu
doch eine Eigenhändigkeit ist nicht vollstän­ stammen scheinen, dessen Produkte Kalf mit
dig auszuschließen. ziemlicher Regelmäßigkeit für seine Bauern­
interieurs verwendete.
B8 Abb. Das Gemälde in Amiens, das Grisebach als
Bäuerliches Interieur mit Frau beim Feuer Kopie (Kat. Nr. 58a) aufnahm, ist in keinem
Holz, 43 x 32,5 cm guten Zustand, aber gewiss nicht weniger gut
Verbleib unbekannt in der Qualität der Ausführung als B 11. Die
Provenienz: Versteigerung Christie’s, London, Eigenhändigkeit dieser Version ist nicht im
2. November 2001, Kat. Nr. 30, mit Farbabb. Voraus auszuschließen, aber aufgrund des Er­
Vieles in der Ausführung dieses Gemäldes er­ haltungszustandes nicht mehr mit Sicherheit
B 8 Bäuerliches Interieur mit Frau beim Feuer, scheint zu schwach für Kalf als Schöpfer, oder festzustellen. Auffällig ist, dass auch dieses
Öl auf Holz, 43 x 32,5 cm. Verbleib unbekannt.
weicht von seiner Arbeitsweise ab. Dennoch kleine Interieur auf eine Tafel von De Bout
stehen manche Details, zum Beispiel der Fett­ gemalt wurde.
fänger, die Zwiebeln oder die Frau beim Feuer, Ergänzende Literatur: M. Pinette, Couleurs
dem eigenhändigen Werk sehr nahe. Wenn es d’Italie, couleurs du Nord. Peintures etrangeres
sich nicht (im Entwurf) um eine Arbeit von des musees dAmiens, Amiens 2001, S. 263, mit
B 6 (Grisebach Kat. Nr. 17, Abb. 20 und Kalf handelt, dann ist es vermutlich das Werk kleiner Farbabb., als W. Kalf (eine große Abb. ist
Farbabb. auf S. 2) eines Pariser Malers aus Kalfs Umgebung. auf der Internetseite des Museums zu finden).
Bäuerliches Interieur, im Hintergrund ein
Mann und eine Frau beim Kamin B 9 (Grisebach Kat. Nr. 55, Abb. 57) B 12 (Grisebach Kat. Nr. 64) Kat. Nr. 19
Holz, 32 x 25,5 cm Bäuerliches Interieur mit Figuren im Stilleben mit Feldflasche aus Zinn, stehenden
Verbleib unbekannt Hintergrund und liegenden vergoldeten Schenkkannen
Das Bild wurde von Grisebach zu Unrecht mit Holz 28,5x22 cm und großer getriebener und vergoldeter
A 3 (siehe oben) identifiziert. Ein detaillierter Museum Boijmans Van Beuningen, Rotter­ Silberschale
Vergleich machte jedoch deutlich, dass es sich dam, Inv. Nr. 3386 Signiert und datiert, rechts unter der Tisch­
dabei um eine Kopie oder höchstens um eine Nach dem Vergleich mit All, siehe oben, ist platte: W. KALF 1643
(Atelier?) Wiederholung von A3 handelt. das Bild als Kopie einzuordnen oder höchs­ Leinwand, 114,5 x 85,5 cm
tens als eine Wiederholung aus Kalfs direkter Köln, Wallraf-Richartz-Museum,
Umgebung. Inv. Nr.WRM 2598
Seit Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahr­
B 10 (Grisebach Kat. Nr. 56, Abb. 62) hunderts wird dieses Bild nicht mehr zu den
Bäuerliches Interieur mit einer Frau in der eigenhändigen Werken von Willem Kalf ge­
Türöffnung und einer Frau beim Herd zählt. Siehe weiter Kat. Nr. 19
Holz, 26 x 33 cm
St-Lö, Musee de la Ville (Leihgabe des franzö­ Grisebach C24 Stilleben mit Kokosnusspokal, Por­
B 15 Stilleben mit Muschel, Metallgefäßen und sischen Staates, Inv. Nr. MI 1293) zellanvase, Branntweinschale und Silberpokal, öl
einer Zitrone auf einem Zinnteller, Öl auf Lein­ Das Bild ist zu schwach in der Ausführung, um auf Leinwand, 77 x 94 cm. Verbleib unbekannt.
wand, 39,5 x 53,5 cm. Deutsche Privatsammlung. von Kalfs Hand zu stammen. Genau wie Grise­
bachs Kat. Nr. 56a handelt es sich hierbei ver­
mutlich um die Kopie oder Nachahmung eines
unbekannten oder verlorenen Originals.

B 11 (Grisebach Kat. Nr. 57, Abb. 58)


Bäuerliches Interieur, im Flintergrund ein
Mann und eine Frau beim Feuer
Holz, 30x22,5 cm
Göteborg, Konstmuseum, Inv. Nr. 159
Die Zuschreibung dieser Holztafel ist recht
dubios. Teilweise meint man darin Kalfs Hand
zu erkennen, doch ebenso viele Details, wie

Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf- Fred G. Meijer
166
B 13 Kat. Nr. 18 B 16 (Grisebach Kat. Nr. 140, Abb. 151)
St Hieben mit Feldßasche aus Zinn, stehenden Stilleben mit Schale aus chinesischem Porzel­
und liegenden vergoldeten Schenkkannen lan, verziert mit Figuren, sowie mit Muschel­
und großer getriebener und vergoldeter Sil­ pokal und Südfrüchten
berschale Leinwand, 66 x 50 cm
Leinwand, 146x 103 cm. Verbleib unbekannt
Undeutlich signiert: W. Kalf [...] Das Bild ist von Grisebach als möglicherweise
Niederlande, Privatsammlung stark übermaltes, schwaches spätes Werk
In der Literatur ist das Bild nicht ganz über­ aufgenommen worden, zusammen mit Grise­
zeugend als Original für Grisebach Kat. Nr. 64 bach Kat. Nr. 140a (Sammlung Robert Smith,
(B 12, siehe oben) vorgeschlagen worden. Washington) als Kopie. Kat. Nr. 140a ist je­
Siehe weiter Kat. Nr. 18. doch in vielerlei Hinsicht detaillierter als Kat.
Nr. 140, aber tatsächlich zu schwach für ein
B 14 (Grisebach Kat. Nr. 67a) Original. Sowohl Grisebachs Kat. Nr. 140 als
Stilleben mit liegender Feldßasche, silbernem auch 140a sind sehr wahrscheinlich Kopien
Leuchter, Porzellanßasche und Gläsern eines verschwundenen oder verlorenen Ori­
Signiert, links unten: Kalf 1645 (oder 1675) ginals von Kalf.
Leinwand, 68 x 60 cm
Rouen, Musee des Beaux-Arts B 17 (Grisebach Kat. Nr. 141a) Abb.
Die Qualität der Ausführung bleibt hinter der Stilleben mit Holbein-Schale und Silberkanne
von Grisebach Kat. Nr. 67 zurück, ist jedoch Leinwand, 84x69,8 cm (laut Sotheby’s, 1996. B 17 Willem Kalf oder nach Willem Kalf, Stilleben
im Großen und Ganzen zu hoch, um das Ge­ Grisebach: 86,5 x 70,5 cm) mit Holbeinschale und Silberkanne, Öl auf Lein­
mälde einfach als Kopie abzutun. Wie bereits Verbleib unbekannt wand, 84 x 69,8 cm. Verbleib unbekannt. Zustand
Grisebach anmerkte, könnte die Datierung, Provenienz: Kunsthandel D. Katz, Dieren vor Übermalung, um 1930.
die vom Museum mit 1675 angegeben wird, (Zeitpunkt unbekannt); Kunsthandel J. Böh­
wenn sie als 1645 gelesen werden würde, eine ler, München, 1934; Kunsthandel A.G., Lu­
Indikation für die Datierung seiner Kat. Nr. 67 zern; Versteigerung Luzern, Fischer, 21./25.
sein und außerdem mit Kalfs letztem Jahr in Oktober 1947, Kat. Nr. 3008; Sammlung Grisebach Nr. C 26
Paris zusammenfallen. Fritz Frey, Bürgenstock, 1967; Versteigerung Stilleben mit elefantenköpfigem Porzellan­
London, Sothebys, 11. Dezember 1996, Kat. gefäß (Kendi)
B 15 Abb. Nr. 75, mit Farbabb. (Teil Sammlung E Frey Monogrammiert, links unten: W. K.
Stilleben mit Muschel, Metallgefäßen und vor der Versteigerung zurückgezogen), im­ Leinwand, 69x61 cm
einer Zitrone auf einem Zinnteller mer als Willem Kalf. Weimar, Kunstsammlungen zu Weimar,
Leinwand, 39,5 x 53,5 cm Literatur: F. Frey, The Bürgenstock, art, history, Schlossmuseum, Inv. Nr.G 1158
Deutschland, Privatsammlung tradition, hotel village, 1967, S. 94, 95, als W. Das Bild wird hier nur deshalb aufgeführt,
Provenienz: Versteigerung London, Sotheby’s, Kalf; Grisebach, 1974, S.279, Kat. Nr. 141a da es von dem heutigen Autor als Vergleich
7. Juli 1999, Kat. Nr. 427, mit Farbabb., als (Kopie von Kat. Nr. 141). und als Arbeit von Kalf in F.G. Meijer, Ashmo-
Haarlemer Schule, Mitte 17. Jahrhundert; Die Tatsache, dass es hinsichtlich Grisebachs lean Museum, Oxford. Catalogue of the Col­
Versteigerung Amsterdam, Christie’s, 7. No­ Kat. Nr. 141 kleine, aber bedeutende Abwei­ lection of Paintings. The Collection of Dutch
vember 2001, Kat. Nr. 19, mit Farbabb., als chungen in der Komposition gibt (wie die and Fleniish Still-Life Paintings Bequeathed
Nachfolger von W. Kalf; Privatsammlung, Rosen, die Uhr links, die Stelle des Deckelge­ by Daisy Linda Ward, Oxford/Zwolle 2003,
Deutschland, als W. Kalf. fäßes) und die Tatsache, dass die Ausführung S. 295, Abb. 79.1 aufgenommen wurde. Grise­
Dieses Gemälde befindet sich in keinem guten in vielen Details, darunter der orientalische bachs Schlußfolgerung, dass dieses Gemälde
Erhaltungszustand und viele der breiten wei­ Teppich und die Holbein-Schale, der des Wei­ kein eigenhändiges Werk von Kalf ist, war je­
ßen Lichter sind später hinzugefügt worden. marer Gemäldes besonders nahe steht, sug­ doch richtig.
Dennoch ist es aufgrund der Qualität in der gerieren, dass es sich hierbei vielleicht doch
Ausführung der Zitrone und des metallenen um eine etwas spätere Variante von diesem
Gegenstandes rechts nicht völlig als eigen­ eigenhändigen Gemälde Kalfs handelt. Der
händige Arbeit auszuschließen. Vermutlich nicht besonders gute Erhaltungszustand des
handelt es sich um ein Fragment; die Kom­ Bildes erschwert zudem die Beurteilung der
position stimmt in großen Zügen mit der lin­ Eigenhändigkeit.
ken Hälfte von Grisebach C 24 (Abb.) über­
ein. Grisebach halte mit Recht seine C 24 in
einen Zusammenhang mit seiner Kat. Nr. 60
gebracht und schlussfolgerte richtigerweise,
dass es nicht von Kalf gemalt worden sein
könnte.

Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf- Fred G. Meijer 167
Abgekürzte Literatur

Ausst. Kat. Münster/Baden-Baden 1979/80 Meijer, 2003


Ausst. Kat. Stilleben in Europa, West­ F. G. Meijer, The Ashmolean Museum Ox­
fälisches Landesmuseuni für Kunst und ford. Catalogue of the collection of paint­
Kulturgeschichte Münster/Staatliche ings. The Collection of Dutch and Flemish
Kunsthalle Baden-Baden 1979/80. Still-Life Paintings beqeathed by Daisy
Linda Ward, Oxford/Zwolle 2003.
Bergström, 1956
I. Bergström, Dutch Still-Life Painting in Mette 1995
the Seventeenth Century, New York, 1956. H.-U. Mette, Der Nautiluspokal.
Wie Kunst und Natur mitein­
Blök, 1919 ander spielen, München 1995.
I. Blök, »Willem Kaiff«, Onze Kunst,
35 (1919), ps. 85-94, 137-145. Pilz-von Stein, 1965
J. Pilz-von Stein, Intentionen der hollän­
Brunnenkant, 1999 dischen Stillebenmalerie zwischen 1640 und
K. Brunnenkant, »Falscher Glanz? Technolo­ 1680: Inaugural-Dissertation zur Erlan­
gische Untersuchung des >W.Kalf 1643< sig­ gung des Doktorgrades der Philosophischen
nierten Prunkstillebens im Wallraf-Richartz- Fakultät zu München, München 1965.
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aus der Pariser Periode Willem Kalfs (ca. Schneider 1989
1619-1693)«, Zeitschrift für Kunsttechnologie N. Schneider, Stilleben. Realität und
und Konservierung 13 (1999), p. 245-284. Symbolik der Dinge, Köln 1989.

Van Gelder, 1941 Segal, 1988


H. E. van Gelder, W. C. Heda, A. van Beye- S. Segal in Ausst. Kat. A Prosperous Past.
ren, W. Kalf, Amsterdam 1941 (Paletserie). The Sumptuous Still Life in the Netherlands
1600-1700, hrsg. v. W. B. Jordan, Stedelijk
Van Gelder, 1942 Museum Hel Prinsenhof, Delft/Fogg Art
H.E. van Gelder, »Aantekeningen over Museum, Cambridge(Mass.) Kimbell Art
Willem Kalf en Cornelia Pluvier«, Museum, Fort Worth (Texas), 1988-89
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Grimm, 1988 A.I. Spriggs, «Oriental Porcelain in Western
C. Grimm, Stilleben. Die niederländischen Paintings 1450-1700», Transactions of the
und deutschen Meister, Stuttgart/Zürich 1988. Oriental Ceramic Society, London 1967

Grisebach, 1974 Warner, 1928


L. Grisebach, Willem Kalf R. Warner, Dutch and Flemish Flower
1619-1693, Berlin 1974. and Fruit Painters of the XVIIth and
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Ter Kuile, 1985
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Mai, 1990
E. Mai, Willem Kalf 1619-1693. Origi­
nal und Wiederholung. Ein Prunkstil­
leben des 17. Jahrhunderts, Köln 1990

168
Abbildungsnachweis

Sofern nicht nachfolgend aufgeführt,


stammen die Abbildungen von den
Leihgebern und deren Fotografen.

Foto: C.-P. Charniot (Abb. 3/S. 25, Abb. 6/


S. 26), Marc Jeanneteau (S. 143), Jörg P.
Anders, Berlijn (S. 53, 119, 129), Francois
Jay (S. 83), RMN (S. 55, Abb. 2/S. 25),
Catherine Landen, Carole Loisel (Abb. 3/
S. 71), Tom Haartsen (S. 49, 51, 63, 85).

Archivfotos Rijksbureau voor Kunsthisto­


rische Documentatie Den Haag: Abb. 2/S. 71,
Abb. 2/S. 74, Abb. 2/S. 94, Abb. 8 en 10/S. 96,
Abb. 13/S.97, Abb. 15/S. 98, Abb. 1/S. 112,
Abb. 1/S. 150, Abb. 4, 5, 6, 8 en 9/S. 151,
Abb. 10 en 11/S. 152, Abb. 13, 15, 17 en 18/
S. 153, Abb. 19 en 21/S. 154, Abb. A2/ S. 160,
Abb. All en Al 2/S. 162, Abb. A16 en A17/
S. 163, Abb. A24/S. 164, Abb. Bl/ S. 165,
Abb. C24/S. 166. Christie’s London: Abb. 19/
S. 101 Archivfoto Meijer: Abb. 1/S. 104,
Abb. 22/S. 154

Trotz intensiver Nachforschungen könnte


es möglich sein, dass nicht alle Urheber­
rechtsfragen vollständig geklärt wurden.
Bei Einwänden nehmen Sie bitte Kontakt
auf zu info@boijmans.rotterdam.nl oder
info@suermondt-ludwig-museum.de

169
Impressum

Der Katalog erscheint aus Anlass der Ausstellung KATALOG AUSSTELLUNG SUERMONDT-
Willem Kalf (1619-1693) vom 25. November 2006 LUDWIG-MUSEUM AACHEN
Konzeption
bis 18. Februar 2007 in Rotterdam, Museum Boij­
mans Van Benningen, und der Ausstellung Gemal­ Jeroen Giltaij Ausstellungsleitung
tes Licht. Die Stilleben von Willem Kalf (1619-1693) Redaktion Sylvia Böhmer und Peter van den Brink
vom 8. März bis 3. Juni 2007 in Aachen, Suer- Peter van den Brink Projektkoordinierung
mondt-Ludwig-Museum. Fred G. Meijer Anna Koopstra
Sylvia Böhmer
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Autoren Anna Koopstra und Evelin Wölk
Katalog und Ausstellung wurden unterstützt von: Sylvia Böhmer
Alexandra Gaba-van Dongen Marketing
SNS Bank Renate Fassbender und Frank Heidemann
Jeroen Giltaij
Peter und Irene Ludwig Stiftung Franchise Joulie Ausstellungsarchiteklur
Sparkasse Aachen Friso Lammertse Uwe Eichholz
Fred G. Meijer
ERCO Nederland Michael Szanto
Museum Boijmans Van Beuningen
Übersetzung Museumpark 18/20
Wera Homeyer (Niederländisch-Deutsch) 3015 CX Rotterdam
Susanne Karau (Niederländisch-Deutsch) Niederlande
Marcel Sache (Französisch-Deutsch) T +31 (0)10 4419400
Fotoredaktion F +31 (0)10 4360500
Jeroen Giltaij info@boijmans.rotterdam.nl
www.boijmans.nl
Koordination
Sabine Terra
Suermondt-Ludwig-Museum
Gestaltung und Herstellung Wilhelmstrasse 18
Rüdiger Kern, Berlin 52070 Aachen
Deutschland
Lektorat
T +49 (0)241 479800
Martin Steinbrück
F+49 (0)241 37075
Reproduktionen info@suermondt-ludwig-museum.de
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Berlin
Druck und Bindung
Printer Trento S.r.L, Trento-Gardolo
Bibliographische Informationen
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese
Publikation in der Deutschen Nationalbibliothek;
detaillierte bibliographische Daten sind im Inter­
net unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

2. Auflage 2007
© 2007 Deutscher Kunstverlag München Berlin
Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam
Suermondt-Ludwig-Museum, Aachen
Autoren und Fotografen

ISBN 978-3-422-06673-1 Umschlagabbildung:


Willem Kalf, Stilleben mit Trinkhorn der Amster­
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Werks damer St. Sebastians-Schützengilde, Hummer und
darf ohne schriftliche Zustimmung des Verlags Gläsern (Detail). London, National Gallery.
vervielfältigt, in elektronischen Systemen einge­
speichert oder veröffentlicht werden, in welcher Abbildung Seite 2
Form auch immer, sei es elektronisch, mechanisch Willem Kalf, Stilleben mit Nautiluspokal und Por­
durch Fotokopien oder aufnahmen jeder Art. zellandose. Madrid, Museo Thyssen-Bornernisza.
Date Due

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stamped below.
E0078855

illem Kalf nutzte beim Malen stets das Licht als Leitfaden.
W Auf den prunkvollen Stilleben funkelt auf den reich
dekorierten Tischen seltenes Porzellan neben Glas, Tellern und
Pokalen aus Gold und Silber. Aber auch seine Bauernszenen be­
zaubern durch das Spiel von Hell und Dunkel und die Effekte
von Licht und Farbe. Der Katalog zeigt die Meisterwerke des
Künstlers aus berühmten Sammlungen in aller Welt.

»Die Stilleben des Willem Kalf sind ein Fest für die Augen.«
Jutta Göricke, Süddeutsche Zeitung

»Nichts hat den Maler Willem Kalf so sehr beschäftigt wie die
Gesetze und Grenzen des Wahrnehmens, wie das Reich und die
Kraft und die Herrlichkeit des Lebens. Davon erzählen alle vier­
zig Bilder der Ausstellung, die man getrost eine der schönsten
des Jahres nennen darf.«
Benedikt Erenz, Die Zeit

»Es handelt sich bei den Stilleben um Traktate zur Sichtbar­


keit und letztlich zum Widerschein des Göttlichen im eigenen
Haushalt ... Bei genauem Hinsehen tauchen winzige Fenster­
scheiben und Mobiliar im Römerglas auf - ein ganzer Kosmos
im Tropfen.«
Dirk Schümer, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Suermondt-Ludwig-Museum Deutscher Kunstverlag

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