Sie sind auf Seite 1von 16

Professor Dr.

Wolfgang Stegemann
November 2010
1. Entstehung (Einleitung)

 Übergang zweier Wissensordnungen

 Historic turn

 Realistische Bibellektüre

09. November 2010 2


Hans W. Frei

„Die westliche, christliche Lektüre der Bibel in der Zeit vor


dem Aufstieg der historischen Kritik im 18. Jahrhundert war
normalerweise streng realistisch, d.h. zugleich wörtlich und
historisch und nicht nur lehrhaft und erbaulich. Die Wörter
und Sätze meinten, was sie sagten, und weil sie dies taten,
beschrieben sie exakt wirkliche Ereignisse und wirkliche
Wahrheiten, die zu Recht nur in diesen Worten und keinen
anderen ausgedrückt wurden.“

09. November 2010 3


Grundsätzlich:
Die vor-kritische („realistische“) Lektüre der biblischen
Texte musste (in einer langfristigen Entwicklung) einer
Auffassung weichen, in der die Bibel nicht mehr den
Referenzrahmen für die Erfahrungen der Menschen in der
außerbiblischen Welt ihrer Gegenwart darstellte. Es stellte
sich vielmehr nun umgekehrt die Frage: Passen die
Erzählungen der Bibel noch zur „wirklichen“, von den
Menschen erfahrenen und zusehends umfassender und
kritischer erforschten Welt?

09. November 2010 4


Papst Benedikt XVI.
„(F)ür den biblischen Glauben ist es wesentlich,
dass er sich auf wirklich historisches Geschehen
bezieht. Er erzählt nicht Geschichte als Symbole
über geschichtliche Wahrheiten, sondern er
gründet auf Geschichte, die sich auf dem Boden
dieser Erde zugetragen hat. Das Factum
historicum ist für ihn nicht eine auswechselbare
symbolische Chiffre, sondern konstitutiver
Grund:
Et incarnatus est – mit diesem Wort bekennen wir uns zu dem
tatsächlichen Hereintreten Gottes in die reale Geschichte. Wenn wir diese
Geschichte wegschieben, wird der christliche Glaube als solcher
aufgehoben und in eine andere Religionsform umgeschmolzen.
Wenn also Geschichte, Faktizität in diesem Sinn, wesentlich zum
christlichen Glauben gehört, dann muss er sich der historischen Methode
aussetzen – der Glaube selbst verlangt es.“

09. November 2010 5


Albert Schweitzer
(14. Januar 1875 – 4. September 1965)

„Die geschichtliche Erforschung des


Lebens Jesu ging nicht von dem rein
geschichtlichen Interesse aus, sondern sie
suchte den Jesus der Geschichte als Helfer
im Befreiungskampf vom Dogma. Dann,
als sie vom pathos befreit war, suchte sie
den historischen Jesus, wie er ihrer Zeit
verständlich war.“

09. November 2010 6


„Wenn einst unsere Kultur als etwas Abgeschlossenes vor der
Zukunft liegt, steht die deutsche Theologie als ein größtes und
einzigartiges Ereignis in dem Geistesleben unserer Zeit da. Das
lebendige Nebeneinander und Ineinander von philosophischem
Denken, kritischem Empfinden, historischer Anschauung und
religiösem Fühlen, ohne welches keine tiefe Theologie möglich
ist, findet sich so nur in dem deutschen Gemüt. Und die größte Tat
der deutschen Theologie ist die Erforschung des Lebens Jesu. Was
sie hier geschaffen, ist für das religiöse Denken der Zukunft
grundlegend und verbindlich …

09. November 2010 7


[D]ie Geschichte der Erforschung des Lebens Jesu … stellt
das Gewaltigste dar, was die religiöse Selbstbesinnung je
gewagt und getan hat. Die Leben-Jesu-Forschung ist eine
Wahrhaftigkeitstat des protestantischen Christentums. In
der Darstellung ihres Verlaufes lasse ich eine Epoche
wissenschaftlicher protestantischer Theologie vor den
späteren Generationen wieder aufleben. Mögen sie den
Willen zur Wahrhaftigkeit, der jene Generation beseelte,
miterleben und dadurch in der Erkenntnis gefestigt werden,
daß unbeirrbare Wahrhaftigkeit zum Wesen echter
Religiosität gehört.“

09. November 2010 8


2. Epochen
Wann beginnt die historische Jesusforschung?

 Albert Schweitzer lässt die Leben-Jesu-Forschung beginnen mit:

Hermann Samuel Reimarus


(1694-1768)

09. November 2010 9


„Vor Reimarus hatte niemand das Leben Jesu
historisch zu erfassen versucht. Luther hatte
nicht einmal das Bedürfnis empfunden, in der
Reihenfolge der berichteten Ereignisse
klarzusehen … Das einzige interessante Leben-
Jesu vor Reimarus wurde von einem Jesuiten in
persischer Sprache verfaßt. Es stammt von dem
indischen Missionar Hieronymus Xavier … und
ist für Akbar, den mongolischen Kaiser
Hindostans, bestimmt.“

(Albert Schweitzer)

09. November 2010 10


Wie lassen sich 250 Jahre Forschung strukturieren?

Albert Schweitzer: drei große Entweder-Oder

 Strauß:
entweder rein geschichtlich
oder rein übernatürlich

 Holtzmann:
entweder synoptisch
oder johanneisch

Entweder eschatologisch oder uneschatologisch

09. November 2010 11


Im deutschen Sprachraum hat sich für die zweite
Forschungsepoche das Syntagma die „neue Jesusfrage“
eingebürgert.

Rudolf Bultmann Ernst Käsemann

09. November 2010 12


Damit ergäbe sich folgende Gliederung:

• Erste Suche (1778–1906)

• Keine Suche (1906–1953)

• Zweite Suche (1953–1973)

• Dritte Suche (1973– jetzt)

09. November 2010 13


Marsh
„Aus der Geschichte der Suche (nach Jesus) ist klar,
dass es – strikte gesprochen – nicht so etwas wie eine
Periode der Nicht-Suche gegeben hat, sondern nur
eine Periode, in der der Charakter der zur Verfügung
stehenden Quellen radikal infrage gestellt und die
Kreativität der frühesten christlichen Gemeinden
betont wurde (Wrede, Schmidt, Bultmann). Diese
überschnitt sich mit einer Periode, in der der Jesus
der Historie von einer unakzeptablen Form von
Ideologie gefangen gehalten oder regelrecht aus dem
Judentum heraus oder jenseits davon gedrängt wurde
(Jesus als Nicht-Jude, oder Jesus der Jude, dessen
Judentum nicht wirklich relevant ist).“

09. November 2010 14


Theißen/Merz

• Kritische Anstöße (H.S. Reimarus und D.F. Strauß)

• Der Optimismus der liberalen Leben-Jesu-Forschung

• Der Zusammenbruch der Leben-Jesu-Forschung

• Die ‚neue Frage‘ nach dem historischen Jesus

• The „third quest“ for the historical Jesus

09. November 2010 15


Albert
Schweitzer
(14. Januar 1875
-
4. September 1965)

09. November 2010 16

Das könnte Ihnen auch gefallen