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Sitzungsbericht e der Heidelberger

Akademie der Wissenschaften


Mathematisch-naturwissens chaftliche Klasse

Die Jahrgänge bis 1921 einschließlich erschienen im Verlag von Carl Winter, Universitäts-
buchhandlung in He1:delberg, die Jahrgänge 1922-1933 im Verlag Walter de Gruyter & Co.
in Berlin, die Jahrgänge 1934--1944 bei der Weiß'schen Universitätsbuchhandlung in
Heidelberg. 1945, 1946 und 1947 sind keine Sitzungsberichte erschienen.

Jahrgang 1937.
I. J. L. WrLSER. Beziehungen des Flußverla,ufes und der Gefällskurve des Neckars
zur Schichtenlagerung am Südrand des Odenwaldes. DMark 1.10.
2. E. SALKOWSKI. Die PETERSONschen Flächen mit konischen Krümmungslinien.
DMark 0.75.
3. Studien im Gneisgebirge des Schwarzwaldes. V. 0. H. ERDMANNSDÖRFFER. Die
"Kalksilikatfelse" von SoHOLLAOH. DMark 0.65.
4. Studien im Gneisgebirge des Schwarzwaldes. VI. R. W AGER. Über Migmatite aus
dem südlichen Schwarzwald. DMark 2.-.
5. Studien im Gneisgebirge des Schwarzwaldes. VII. 0. H. ERDMANNSDÖRFFER. Die
"Kalksilikatfelse" von URACil. DMark 0.60.
6. M. MüLLER. Die Annäherung des Integrales zusammenge~etzter Funktionen mittels
verallgemeinerter RIEMANNscher Summen und Anwendungen. DMark 3.30.

Jahrgang 1938.
1. K. FREUDENBERG und 0. WESTPHAL. Über die gruppenspezifische Substanz A
(Untersuchungen über die Blutgruppe A des Menschen). DMark 1.20.
2. Studien im Gneisgebirge des Schwarzwaldes. VIII. 0. H. ERDMANNSDÖRFFER.
Gneise im Linachtal. DMark 1.-.
3. J. D. AoHELIS. Die Ernährungsphysiologie des 17. Jahrhunderts. DMark 0.60.
4. Studien im Gneisgebirge des Schwarzwaldes. IX. R. WAGER. Über die Kinzigit-
gneise von Schenkenzell und die Syenite vom Typ Erzenbach. DMark 2.50.
5. Studien im Gneisgebirge des Schwarzwaldes. X. R. W AGER. Zur Kenntnis der
Schapbachgneise, Primärtrümer und Granulite. DMark 1.75.
6. E. HoEN und K. APPEL. Der Einfluß der Überventilation auf die willkürliche Apnoc.
DMark 0.80.
7. Beiträge zur Geologie und Paläontologie-des Tertiärs und des Diluviums in der Um-
gebung von Heidelberg. Heft 3: F. HELLER. Die Bärenzähne aus den Ablagerungen
der ehemaligen Neckarschlinge bei Eberbach im Odenwald. DMark 2.25.
8. K. GoERTTLER. Die Differenzierungsbreite tierischer Gewebe im Lichte neuer
experimenteller Untersuchungen. DMark 1.40.
9. J. D. AoHELIS. Über die Syphilisschriften Theophrasts von Hohenheim. I. Die
Pathologie der Syphilis. Mit einem Anhang: Zur Frage der Echtheit des dritten
Buches der Großen Wundarznei. DMark 1.-.
10. E. MARX. Die Entwicklung der Reflexlehre seit Albrecht von Haller bis in die zweite
Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mit einem Geleitwort von Viktor v. Weizsäcker.
DMark 3.20.

Jahrgang 1939.
1. A. SEYBOLD und K. EGLE. Untersuchungen über Chlorophylle. DMark 1.10.
2. E. RoDENWALDT. Frühzeitige Erkennung und Bekämpfung der Heeresseuchen.
DMark 0.70.
3. K. GOERTTLER. Der Bau der Muscularis mucosae des Magens. DMark 0.60.
4. I. HAUSSER. Ultrakurzwellen. Physik, Technik und Anwendungsgebiete. DMark 1.70.
Sitzungsberichte
der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse
=======Jahrgang 1949, 12. Abhandlung=======

Klimatologie und Vegetationsverhältnisse


der Athos-Halbinsel und der ostägäischen
Inseln Lemnos, Evstratios, Mytiline
und Chios
Von

Werner Raub
Heidelberg, Botanisches Institut

Mit 30 Textabbildungen

Vorgelegt in der Sitzung vorn 15. Januar t 949

Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1949


Alle Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen,
vorbehalten.
Copyright 1949 by Springer-Verlag Berlin Heidelberg
Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag 1949

ISBN 978-3-540-01428-7 ISBN 978-3-662-22066-5 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-662-22066-5
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse
der Athos~Halbinsel und der ostägäischen Inseln
Lemnos, Evstratios, Mytiline und Chios.
Von
Werner Raub, Heidelberg, Botanisches Institut.
Mit 30 Textabbildungen.
Vorgelegt in der Sitzung vom 15. 1. 49.

Inhalts ü hersich t. Seite.


Einleitung . . . . . . . 4
I. Geographische Lage und Geologie des Gebietes . 4
I I. Klimatologie. . . . . . 13
1. Windverhältnisse . . 13
2. Niederschläge . . . . 27
3. Temperaturverhältnisse. 30
III. Vegetationsverhältnisse . 32
A. Der Hagion Oros . 32
I. Hügelstufe . . 38
II. Montane Stufe 51
III. Alpine Stufe . 62
B. Lernnos . . . . 65
1. Kulturregion . . 68
2. Strandregion . . 72
3. Niederungs- Gesellschaften 76
4. Vegetation der Hügelstufe. 77
5. Vegetation der Flußtäler 83
6. Ruderalflora . . 84
7. Felsflora . . . . 84
C. Hagion Evstratios. 84
1. Kulturstufe 86
2. Hügelstufe. . 87
D. Mytiline . . . . 88
1. Kulturregion . 89
2. Niederungen . 90
3. Hügelstufe. . 91
4. Montane Region 94
E. Chios . . . . . . 95
F. Zusammenfassende Charakteristik der Inseln Lemnos, :Nlytiline
und Chios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
IV. Die Beziehungen zwischen der Vegetation Griechenlands, den ost-
ägäischen Inseln und der Vegetation Westanatoliens 104
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

37* -511-
4 \\'ERNER RAUH:

Einleitung.
Im Jahre 1942 bot sich mir Gelegenheit, die Halbinsel Chal-
kidike mit ihrer höchsten Erhebung, demA thos, die nordägäischen
Inseln Lemnos, Evstratios, Mytiline und Chios zu besuchen
und auf mehreren kürzeren und längeren Fahrten Einblick in die
Vegetationsverhältnisse von Gebieten zu erlangen, die ihrer Lage
und der politischen Verhältnisse wegen bisher von wenig Botanikern
besucht worden sind. Erst RECHINGER (1936) hat in jüngster Zeit
mehrere Reisen nach den "L\gäischen Inseln unternommen und weilte
auch kurze Zeit auf Lemnos, Mytiline und Chios, um dort für seine
"Flora aegaea" zu sammeln. Dabei zeigte sich, wie unerforscht
diese Gebiete waren, denn RECHINGER konnte anläßlich seiner
kurzen Aufenthalte zahlreiche neue Arten entdecken. Wenn so
auch zahlreiche floristische Angaben aus den obengenannten
Gebieten vorliegen, so fehlen doch solche über die Vegetations-
verhältnisse fast völlig. Nur das Gebiet des Athos ist durch die
klassische Schilderung GRISEBACHs (1841), durch die Untersuchun-
gen von MATTFELD (1927, 1930) und TURILL (1929) genauer be-
kannt geworden. Weitere Arbeiten über die ägäischen Inseln
Samothrake und Samos liegen von A. v. DEGEN (1891) und von
STEFANI und FoRSYTHE-MAJCR (1892) vor 1 . Die beiden zuletzt
genannten Inseln wurden von mir nicht besucht.
Weit besser als die Pflanzenwelt ist die Geologie der ägäischen
Inseln bekannt: Über die Chalkidike liegen Untersuchungen von
BuRGERSTEIN und NEUMAYR (1880), über Mytiline von MAIRE und
über Chios von TELLER (1830) vor.
So soll die vorliegende kleine Studie dazu beitragen, unsere
Kenntnisse über ein Gebiet zu erweitern, das die Brücke vom
europäischen Festland nach Kleinasien bildet.
Allerdings kann die Arbeit nicht den Anspruch auf Vollständig-
keit erheben, sie soll vor allem zur weiteren Erforschung dieser
bisher so wenig bekannten Gebiete anregen.

I. Geographische Lage und Geologie des Gebietes.


Fährt man von München über Salzburg durch die großartige
Welt der Alpen nach Klagenfurt und Marburg, so erfreut sich das
1 In den Arbeiten von PHILIPPSON: "Beiträge zur Kenntnis der griechi-
schen Inselwelt" (1901) und Ross: "Reisen auf den griechischen Inseln
des ägäischen Meeres'' (1840) finden sich nur wenig botanische Hinweise.
die sich im übrigen auf die westägäischen Inseln beziehen.

-512-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 5

Auge an dem tief dunklen Grün der Wälder, die sich weit die Berg-
lehnen hinaufziehen und an dem satten Grün der blumenreichen
Wiesen. Schlagartig ändert sich das Bild mit dem Entschwinden
der letzten Alpenberge. Vergeblich sucht man die grünen Wälder;
kahle, nur im zeitigsten Frühjahr von zartem Grün überhauchte,
sonst braune und ausgebrannte Hügel und Felder erblickt das Auge
weit und breit. Darin nehmen sich die Dörfer mit ihren stroh-
gedeckten Häusern und Hütten, umgeben von Obstgärten, wie
Oasen aus. Wir haben den Balkan erreicht. Stundenlang geht
nun die Fahrt durch diese kahle, waldlose Landschaft, von der
sich der Blick nach kurzer Zeit ermüdet abwendet. Endlich er-
reichen wir unser vorläufiges Ziel, Saloniki, den Umschlagshafen
der Nordägäis. Orient, Balkan und Mitteleuropa stoßen hier in
buntester Mischung aufeinander. An die Türkenzeit gemahnende
Moscheen mit ihren Minaretten, modernste Marmorpaläste im
westeuropäischen Stil und halbverfallende Elendshütten aus Well-
blech, Holz und leeren Benzinkanistern sind engste Nachbarn.
Durch enge, holperige Gassen mit malerischen Winkeln steigt
man zur alten Festung empor, die sich in beherrschender Lage auf
einem Höhenzuge nördlich der Stadt erstreckt. Weit schweift der
Blick von hier über die sanft geschwungenen, aus krista11inen
Schiefern bestehenden Berge mit ihrer höchsten Erhebung, dem
Hortiatus (1208 m). Kahl und braun erscheinen die Berge im
Sommer mit ihrer dürftigen Grasnarbe. Nur im Frühjahr sind sie
von einem frischen Grün überzogen, und große gelbe Flecken der
Papaveracee Hypeocoum grandiflorum in der Umgebung der Burg-
ruinen verleihen der Landschaft zarte, warme Frühlingstöne. Am
Fuße der Burg breitet sich im Halbkreis die Stadt aus und begrenzt
den Golf von Saloniki, in den im NE der Vardar mündet. Im SW
erhebt sich der Olymp, dessen Firnhaube fast immer von Kumulus-
wolken gekrönt ist.
Nach kurzem Aufenthalt in Saloniki besteigen wir einen der
kleinen Motorsegler, von dem zahlreiche im Hafen liegen und der
uns je nach Wetterlage in 28 Stunden bis zu mehreren Tagen
nach Lernnos bringen soll. Langsam geht die Fahrt durch den Golf
von Saloniki. Kap Epanomi wird passiert, und vor uns breitet
sich die freie See aus, begrenzt auf der einen Seite von der flachen,
aus Serpentin bestehenden Küste der Chalkidike (Abb. 2), auf der
anderen Seite von dem Ossa und dem Olymp, dessen imposanter
Anblick uns einige Stunden begleitet. Um die lange Fahrt mit dem

-513-
6 WERNER RAUH :

5-Meilensegler abzukürzen, durchfahren wir den Pinaka-Kanal


(Abb. 2), der den ersten, den Kassandra-Finger von der Chalkidike
trennt , aber nur für kleine Schiffe passierbar ist . In wenigen Minuten

- 514-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 7

haben wir ihn durchquert und nehmen in der ruhigen Kassandra-


Bucht Kurs auf die Spitze des zweiten Fingers, des Longos, über
den bereits die Marmorpyramide des A thos ragt. Bei untergehen-
der Abendsonne laufen wir in den kleinen, an der Südwestseite des
Longos in herrlicher Umgebung gelegenen Naturhafen Porto
Kufos (Abb. 2) ein. Steil, wie in einem norwegischen Fjord,
stürzen die in bunten Farben erstrahlenden Felsen ins Meer. Über-
rascht blicken wir auf die Fülle der Vegetation, deren Formationen
wir schon vom Wasser aus erkennen können. Dichte, undurch-
dringliche Macchie bedeckt die F eisen. In höheren Lagen wird sie
von schütteren Kiefernwäldern abgelöst. Kleine Kiefernbestände
in der Umgebung von Kufos deuten darauf hin, daß ehemals aus-
gedehnte Wälder vorhanden gewesen sein müssen, ehe sie der Axt
des Menschen zum Opfer fielen. Geschlossene Wälder konnten nur
in höheren Lagen bei Furka und im Marmara-Tal in der Mitte des
Longos beobachtet werden.
Mit Sonnenaufgang geht die Fahrt weiter. Bald umsegeln wir
das Kap des Longos und sind überrascht von dem gewaltig-schönen
Anblick des Hagion Oros, des dritten Fingers der Chalkidike.
Langgestreckte, von dichten Wäldern tiefdunkelgrün gefärbte
Höhenzüge ragen aus den klaren blauen Fluten, um in der gewal-
tigen, nach allen Seiten steil abstürzenden, nahezu 2000 m hohen
Marmorpyramide des Athos zu gipfeln. Schwarze Flecken auf dem
grell-weißen Marmor lassen von der Ferne die herrlichen Tannen-
und Tannenmischwälder ahnen. Wir fahren dicht unterhalb der
steilen, klippenreichen und hafenarmen Küste entlang. Aus dem
Grün leuchten die Kuppeln und Dächer der zahlreichen Klöster
und Einsiedeleien, die oft wie Schwalbennester an den Steilwänden
kleben. Lange noch begleitet uns dieser stolze Berg, wenn wir
Kurs auf Lernnos nehmen. Ehe er unseren Augen völlig entschwin-
det, taucht schon die Küste von Lernnos auf. Herrschte bisher
Windstille und spiegelglatte See, so tritt uns selbst bei schönstem
Wetter eine aufgewühlte See entgegen, sobald man den Athos um-
fahren hat, denn dieser aus seiner Umgebung hoch herausragende
Felsklotz ist ein Gebiet, das sich durch stürmische Fallwinde aus-
zeichnet (s. S. 23).
Ruhiger wird die See erst wieder, sobald man unte.r Landschutz
der Insel Lernnos gelangt. Im Gegensatz zur waldreichen Chalkidike
bietet die Insel von See aus gesehen einen geradezu trostlosen An-
blick. Es drängt sich einem unwillkürlich die Vorstellung auf, als

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Ahh . 2. Geologische Übersichtsk;utc der Halbinsel Chalkid ikc.
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 9

ob ein Stück einer baumlosen Hochwüste ins Mittelmeer verpflanzt


worden sei. Kahl, nackt und fast unbewohnt erscheinen von weitem
die steilen Küstenhänge und die sanft gewölbten Bergrücken. Kein
Baum, kein einladendes Dorf unterbricht die Einöde, denn die
menschlichen Siedlungen und Baumpflanzungen verstecken sich
in den Tälern unrl Geländemulden, wo sie vVasser finden und Schutz
vor den furchtbaren Nordstürmen, die den ganzen Charakter der
Insel bestimmen. Wir laufen nicht die an der Westseite gelegene
Hauptstadt Kastron an, sondern unser Schiff umfährt die Insel,
um in die große, durch eine enge Einfahrt geschützte M udros-
Bucht einzufahren (Abb. 19). Mit der ihr gegenüberliegenden
Purnia-Bucht durchschnürt die Mudros-Bucht die Insel fast in
zwei Teile. Am Ende der Bucht liegt, sich an einen Berghang
lehnend, das Dörfchen Mudros inmitten einer großen aus Lößlehmen
bestehenden, wasserführenden Ebene. Obstgärten, Getreidefelder
und Gemüsekulturen breiten sich hier aus. Von Mudros führt eine
einzige "Auto"straße nach der Hauptstadt Kastron. Auf dieser
Fahrt erhält man einen guten Einblick in den geologischen Aufbau
und die Vegetationsverhältnisse der Insel. Die Insel ist rein vul-
kanischen Ursprungs. Noch heute deuten kleinere Erdbeben und
heiße Quellen (Thermen) auf die vulkanische Tätigkeit hin. Wilde,
zerklüftete, bis 450 m aufragende Berge wechseln mit tief einge-
schnittenen, von Schwemmland erfüllten Tälern, in denen sich die
Kulturen finden, ab. Die Berge bestehen aus Phonolithen, Trachy-
ten, Tuffen, Glasen und Kieselbänken. Sie tragen nur eine dünne
Verwitterungsschicht, die durch die im Winter niedergehenden
Regengüsse weitgehend abgespült wird und sich in den Tälern
ansammelt. Ausgedehnte Niederungen, mit tertiären Sanden und
Lößlehmen erfüllt, finden sich in der Umgebung von Mudros und
im Südosten der Insel. Vorhandensein von Grundwasser in diesen
Niederungen begünstigt den Anbau von Getreide, Hackfrüchten
und Gemüse.
Ursprüngliche Vegetationsverhältnisse finden sich an kaum
einer Stelle der Insel. Von Wäldern ist keine Spur mehr zu sehen.
Was heute noch an holzigen Gewächsen vorhanden ist, fällt bei der
Knappheit an Feuerungsmaterial der Hacke zum Opfer, wobei
jeder Strauch mitsamt der Wurzel herausgerissen wird, so daß
selbst die verbreitetste Vegetationsform der Mittelmeerländer, die
Macchie, kaum mehr anzutreffen ist. Nur in der Umgebung der
Thermen, einige Kilometer von Kastron entfernt, finden sich

-517-
10 WERNER RAUH:

in einem geschützten Tale noch Reste einer Quercus coccifera-


Macchie mit einem immerhin beachtenswerten Unterwuchs. Im
übrigen sind die Hänge sonst völlig kahl. Ob diese Erscheinung
naturbedingt oder auf den Einfluß des Menschen zurückzuführen
ist, soll später erörtert werden. Nur karge Matten, die während
der ersten Frühlingswochen den Schafen und Ziegen spärliches
Grün gewähren, bedecken die steinigen Hänge. Heute geht man
dazu über, selbst die steinigen Berghänge, soweit sie nicht zu steil
sind, als Ackerland in Kultur zu nehmen. Mit primitiven Geräten
freilich reißt man die dünne Erdkrume oberflächlich auf und sät
noch zur Regenzeit das Getreide, meist Hafer oder Gerste, ein. In-
folge der bald einsetzenden Trockenheit bleiben die Halme klein
und die Ähren sind wenig ertragreich. Um ein Abschwemmen der
Verwitterungsschicht zu verhindern, terrassiert man das Gelände
durch Aufrichten niedriger, aus rohen Felsblöcken gefügter Mauern.
Von Lernnos aus kann man in wenigen Stunden die von Murlros
aus sichtbare, nach Westen gelegene Insel Hagion Evstratios
(Abb.1) erreichen, die in der Literatur auch unter dem Namen die
"Vergessene Insel" bekannt ist, und zwar deswegen, weil sie abseits
von den Hauptschiffahrtsstraßen liegt und wohl selten von einem
Fremden besucht wird. Auf der ganzen Insel befindet sich nur ein
größeres Dorf gleichen Namens. Zum Unterschied von Lernnos ist
die Insel noch mit größeren Resten von Eichenwäldern bedeckt,
so besonders auf der Ostseite. Aber auch sonst wachsen überall,
vor allem in den Tälern, vereinzelt mächtige Eichen, die auf einen
ehemals geschlossenen Eichenwald hindeuten. Heute aber bieten
die meisten aus Tuffen, Trachyten, Konglomeraten und Sand-
steinen bestehenden Berge das gleiche eintönige Bild, wie wir es
von Lernnos her kennen. Schmale Feldstreifen, dürftige Weiden
und Felstriften mit kugeligen Dornsträuchern, unter denen Pote-
rium spinosum und Centaurea spinosa vorherrschen, wechseln mit-
einander ab.
Wir fahren den gleichen Seeweg zurück, um in Mudros einen
Segler zu besteigen, der uns in 12-stündiger Fahrt nach Mytiline
(Lesbos) bringen soll. Sobald wir die enge Mudrosbucht verlassen
haben, liegen vor uns die türkischen Inseln Imbros und Tenedos.
Bei guter Sicht können wir sogar den Leuchtturm an der Darda-
nelleneinfahrt und die klassische Stätte von Troja erkennen. Stär-
kerer Seegang bei sonst spiegelglatter See zeigt uns an, daß wir
den Dardanellenstrom, rler sich mit ziemlicher Vehemenz aus dem

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Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 11

Schwarzen Meer in die Ägäis ergießt, passieren. Doch bald haben


wir die für die kleinen Motorsegler gefährliche Zone durchfahren
und ruhige See begleitet uns bis nach Mytiline, das jetzt vor uns
auftaucht. Nach Umfahren des Kaps Molivos gelangen wir in die
ruhige Straße von Mytiline. Wir fahren jetzt unter Landschutz.
Im Osten grüßen die Berge der nahen Türkei herüber, im Westen
begleiten uns die Hügel und Berge von Mytiline. Bald erreichen
wir die malerische, in der Mitte der Insel am Fuße von etwa 800 m
hohen Bergen gelegene Stadt Mytiline, die wie fast alle Insel-
städte von einem Kastron beherrscht wird. Zwei große Buchten,
der Golf von Geras und die Bucht von Kalloni geben der Insel
ihre eigenartige Form.
Unser erster Eindruck von Mytiline wird gekennzeichnet durch
das Vorherrschen baumförmiger Vegetation. Von See aus glaubt
man, ausgedehnte Eichenwaldungen vor sich zu haben, die in
höheren Regionen von Kiefernwäldern abgelöst werden und sich
bis zu den höchsten Erhebungen des Olymp (958 m) erstrecken.
Die vermuteten Eichenwälder stellen sich aber bald als Olivenhaine
heraus. Millionen von Olivenbäumen, darunter alte Exemplare,
deren Alter ich auf mehrere hundert Jahre schätze, besiedeln die
niedrigen und mittelhohen Urgesteinshänge und verleihen der gan-
zen Insel ein silbergraues Aussehen.
Gleich Lemnos besteht auch Mytiline aus vulkanischen Gestei-
nen. Auch hier deuten heiße Quellen auf vulkanischen Aufbau
hin. Die Insel ist von zahlreichen Höhenzügen durchzogen, die in
der höchsten Erhebung, dem Olymp mit 958 m gipfeln. Die Nie-
derungen nehmen nur einen kleinen Raum ein und beschränken
sich auf die Umgebung der Bucht von Kalloni und des Golfes von
Geras. Da sie aber größtenteils versumpft sind und eine Entwässe-
rung bis heute noch nicht durchgeführt ist, kann Ackerbau nur in
sehr beschränktem Maße getrieben werden. Die wichtigste Kultur-
pflanze auf Lesbos ist daher die Olive, und die Bewohner sind fast
ausschließlich auf die Ausfuhr von Öl und Seife angewiesen.
Da Mytiline wesentlich südlicher (38. Breitengrad) als Lemnos
liegt, zeichnet sich die Insel durch ein milderes Klima aus, so daß
Palmen und subtropische Gewächse mit großer Üppigkeit ge-
deihen. Aber nicht allein der südlicheren Lage verdankt Mytiline
sein mildes Klima, sondern vor allem seiner geschützten Lage.
Nördlich von Mytiline springt das türkische Festland weit nach
Westen vor und bremst mit seinen hohen Randbergen die für

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12 WERNER RAUH:

Lernnos charakteristischen N- und NE-Winde so stark ab, daß sie


in Mytiline nur als schwache Winde in Erscheinung treten.
Von Mytiline erreicht man in einer bequemen Tagesfahrt die
noch weiter südlich (37. Breitengrad) gelegene Insel Chios (Abb. 1).
wobei die Fahrt ständig unter Landschutz der Türkei vorbei am Golf
von Smyrna vonstatten geht. Durch die von der Nordspitze von
Chios und der der türkischen Küste vorgelagerte griechische
Insel Oinoussa gebildete Meerenge gelangt man in die nur wenige
Kilometer breite Straße von Chios. Von See aus macht Chios den-
selben Eindruck wie Lemnos. Kahle, waldlose, braune Berge mit
schroffen, steilen Berghängen bauen die Insel auf. An ihrem Fuße,
etwa in der Mitte der Ostseite, liegt in herrlichster Umrahmung,
eingebettet in das Grün der Obstgärten, die Stadt Chios, wiederum
überragt von einem alten Kastron. Gleich Mytiline zeichnet sich
auch Chios durch ein mildes Klima aus, bedingt durch die noch
südlichere Lage und den Landschutz der Türkei. Aber nicht Oliven
sind hier die wichtigsten Kulturpflanzen, - sie spielen nur eine
untergeordnete Rolle - sondern Orangen, Zitronen und Manda-
rinen, die sich in großen mit Bewässerungsanlagen versehenen
Plantagen, umgeben von hohen Steinmauern (Schutz gegen Frost
und Wind), in der Umgebung der Stadt finden. Erst in höheren
Lagen, so bei dem oberhalb der Stadt gelegenen Dorf Karies,
wachsen ausgedehntereBestände von Oliven untermischt mit Feigen.
So trägt jede der drei großen Inseln ihren besonderen Charakter.
Auf Lernnos geben Getreide, auf Mytiline Oliven und auf Chios
Orangen und Zitronen den Inseln das Gepräge.
Geschlossene Nadelwälder, wie wir sie in höheren Lagen auf
Mytiline beobachten konnten, fehlen; es finden sich nur noch Reste
von Kiefernwäldern. Im übrigen sind die Berge sehr vegetations-
arm und nur von niedriger Phrygana bedeckt.
Von der Stadt aufsteigend gegen die im Osten aufragenden
Kalkberge gewinnt man einen guten Einblick in die geologischen
Verhältnisse der Insel (s. Abb. 28). Westlich der Stadt breitet sich
ein von zahlreichen Tallinien durchfurchtes, mit Phrygana bewach-
senes Hügelland aus, das sich anfangs ganz allmählich aus der
tertiären Küstenebene heraushebt, dann aber, in einzelne Hügel-
terrassen sich gliedernd, rasch gegen die umliegenden Kalkberge
ansteigt. Zahlreiche paläozoische Schiefer und Sandsteine setzen
diesen am Fuße der Kalkberge zu Tage tretenden Schichtenkom-
plex zusammen.

-520
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 13

In höheren Lagen des Hügellandes schalten sich grauwacken-


artige Sandsteine und Breccien ein, die als scharf hervortretende
Bänke und Köpfe ausgebildet sind und durch körnige Quarzite
eine hellgraue bis gelbliche Farbe annehmen.
An der Kalkschiefergrenze, die durch mächtige Breccien und
losen Gehängeschutt verdeckt wird, treten stärkere Quellen zu
Tage, die in Aquädukten zur Stadt geleitet werden. In den Rinnen
und Schluchten der oft senkrecht aufsteigenden Kalkwände er-
gießen sich gewaltige Schuttreusen zu Tal, so daß Landschafts-
bilder entstehen, wie sie uns von den Kalkalpen her vertraut sind.
In Serpentinen durchsteigt man die Schutthalden und Steilhänge
und gelangt auf die eintönige, vegetationsarme, von flachen Tälern
durchzogene Kalkhochfläche, auf der sich die obener wähnten
Kiefernwaldreste finden.

II. Klimatologie.
Voraussetzung für das Verständnis der Vegetationsverhältnisse
des Untersuchungsgebietes ist die Kenntnis seines Klimas.
Das Klima Nordgriechenlands und der ägäischen Inseln ist
gekennzeichnet durch heiße, trockne, niederschlagsarme Sommer
und milde Winter. Dieser scharf ausgeprägte Gegensatz beruht
auf der sommerlichen und winterlichen großräumigen Druck-
verteilung, aus der gleichzeitig Wind-, Niederschlags- und Tem-
peraturverhältnisse resultieren.
Da der Wind in erster Linie das Klima der Nordägäis charak-
terisiert, wollen \Vir uns zunächst mit den \Vindverhältnissen be-
schäftigen, um anschließend die übrigen meteorologischen Ele-
mente zu besprechen.
1. Windverhältnisse.
Sehr übersichtlich sind die Verhältnisse im Sommer, da in-
folge geringer Zyklonentätigkeit sich stationäre Druck- und Strö-
mungsverhältnisse einstellen. Vom Azorenhoch stößt ein Keil
hohen Drucks bis zum mittleren Südeuropa vor. Das Gegen-
gewicht hierzu bildet die große asiatische Zyklone mit dem Kern-
gebiet über dem Pandschab und den Teiltiefs über dem mittleren
Turkestan und Mesopotamien. Diese beiden Gegenpole steuern die
Luftbewegung über dem östlichen Mittelmeer. Die Isobaren im Raum
Griechenland und Kleinasien verlaufen in Richtung Nord-Süd

-521-
14 WERNER RAUH:

bzw. Nordost- Südwest. Die Folge davon ist eine im wesent-


lichen Nord-Süd gerichtete Strömung, die auch unter dem Namen
Etesial-Strömung bekannt ist. In Westgriechenland kommt sie

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Abb. 3a u. b. (Aus "Fiugklimatologie des Balkans".)
16 WERNER RAUH:

Die Etesienluft stammt aus dem unteren Donaugebiet und Süd-


rußland, weht über das Schwarze Meer, biegt dann durch die Gasse
zwischen den Rhodopen und dem byzantinischen Olymp um zum
Ägäischen Meer. Infolge dieser Verengung steigt in Bodennähe,
besonders bei den Dardanellen, dem "Windloch der Erde", die
mittlere Windgeschwindigkeit stark an. Mit fast ungemindeter
Geschwindigkeit bewegt sich dann die Etesienluft über das Ägäi-
sche Meer, wobei immer neue Luftmassen herangeführt werden,
um dann mit zunehmender Nordwestkomponente nach Nordost-
afrika und Vorderasien einzufallen. Im allgemeinen läßt sich eine
Zunahme der Etesienhäufigkeit von West nach Ost und von Nord
nach Süd feststellen.
Die Etesien, die schon den Griechen des Altertums bekannt
waren, sind periodisch auftretende Winde, die mit großer Bestän-
digkeit wehen. Ihre Herrschaft beginnt Anfang Juni und endet
im September. Zumeist wehen sie nur tagsüber, und wenn sie
auch nach Sonnenuntergang weiter bestehen, so ist ihre Kraft
meist abgeschwächt (Abb. 4}. Sie werden deshalb von den grie-
chischen Schiffern auch mit dem bezeichnenden Namen "Schläfer"
belegt. Ihre größte Stärke erreichen sie in der Zeit von 12-15 Uhr
(Abb. 4). Sie treten durchschnittlich in Perioden von 4-5 Tagen
auf, die von einigen windschwächeren oder gar windstillen Tagen
unterbrochen werden (Tabelle 1 dick umrandet).
Die Durchschnittsstärken der Etesien liegen bei 3-5 Beaufort,
Spitzenböen erreichen Stärken von 7-8 Beaufort (12,5-18,2 mfsec).
Bisweilen steigern sich die Etesienperioden bis zu einer Länge
von 1-2, seltener von 3-4 Wochen.
Großartig ist der Anblick des von den Etesien gepeitschten
Meeres. "Hell strahlt die Sonne vom tiefblauen Himmel; tief-
schwarz erscheint die Meeresflut: darüber hin jagen die weißen
Schaumlinien der mächtigen Wellenkämme, die vom Sturme ab-
gerissen in gespenstische Schaumfetzen zerflattern ... Eine ge-
waltige Brandung tost dann an den Steilküsten der Inseln"
(PHILIPPSON, 1897). Wehe den kleinen Motorseglern, die von einer
nicht rechtzeitig erkannten Etesienperiode überrascht werden!
Sie zerschellen dann entweder an einer der zahlreichen Klippen
oder werden weit von ihrem eigentlichen Ziel abgetrieben. Hüllen
sich die Bergspitzen mit einem unbeweglichen blaugrauen Gewölk
ein, so ist dies ein untrügliches Zeichen dafür, daß die nun bald
aufspringenden Etesien mehrere Tage anhalten.

-524-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 17

Lemnos
Januar

~-1 2-3 '1-5

Abb. 4. Windstärke verschiedener Orte der Nordägäis. H äufigkeit (%) bestimmter


Stärkestufen in Beaufortgraden (1-9).

Der Himmel ist während der Etesienzeit völlig wolkenlos, wenn-


gleich sich auch durch mitgerissenen Staub vielfach ein dunst-
getrübter Horizont einstellt. Demzufolge fällt in diesen Tagen auch

38 Heidelberger Sitzungsberichte 1949. - 525 -


18 WERNER RAUH:

Tabelle 1. Mittlere Windrichtung und Stärke 1 von 05.00-19.00 Uhr


(MudrosjLemnos 1942).
Jan. j Febr. März April Mai I Juni Juli August Sept. Okt. Nov. Dez.

1. 04/6·(o6/4. 04/6.104/4 18/2 04/1 02/3 02/3 lo211 02/4


02/2 04/4
2. 02/4 106;6 - 04/3 20/1 18/3 06/5 02/2 02/3 04/4 02/4
18/1 04/3
1----
3. 06/3 I06/5 A 04/3
-----~----
18/3
umlau-
16/4 01/5 fend 1 02/4 02/5 02(5• 02/1 04/1
4. 06/1 06/7A 04/4 16/4 24/2 06/4 04/2 02/4 02/4 04/5 A 04/2

-----1
000
16/2-i 04/J 04/3
,~

5. 18/3- 04/3 Ofi/4 04/5 02/5 02/5 04/4 04/1 04/4


6. 18/4 06/2 20/1 04/5 04/4 32/2 04/4 02/4 02/4 02/3 16/2 02/1
___!_1_!__6L_L ~j__l 04/6 A 02Q_I02/3 06/2 02/3 32/2 132/3 30/2 14/5 16/1
-~ 16/7. ~i04/L 04/2 104/3 18/2 02/4 32/3 32/<. 02/3 04/4 000
9. 14/1 1 16/4 104/3 18/2 1~:~~ 2011 02/3 02/4 02/2116/1 02/4 18/1
-----~---
10. 18/3 16/5 06/2 06/2 j 18/1 22/2 02/3 04/6A 32/4118/4 08/5 A 04/3
-~18/1, 2012 , ooü 18/1-i2ü/113o(2 32/2 04/6. 30/4 04/3 000 04/4
--~------1-.--------

12. 06/5 08/3 128/1 108/2 116/1 122/2 18/1 04/5A 32/4 000 20/2 02/3
13. o6/.3j 06/J-~18/2
-------~'-----
04/3116/1122/2 32/2 32/2 32/3 04/3 04/3 02/2
14. 06/3 I 04Q_, 06(z.:_i 04/~ 16/3 I umlaufend 2 I 000 32/2 04/3 04/5 02/3
15. 04(~\~4/2 jo2(2 i32~ 16/5 04/3 04/4 32/2 02/5 04/4 04/6 000
16. 06Q_ 06/±__i 04/'!:_(g~ 18/2 18/3 02/3 02/4 32/3 04/6 04/3 000
1 7. 04/4 ~~~~ o41_LI ~±.!'!:___! 32/3 o4/3 32/2 32/4 32/2 30/2 14/2 32/1
18. 04/5 04/7.104/3 !04/3 (o2/4I04/2 !32/2 32/5 A 32/2 22/2 i 14/6 02/1
--~-----·--~-
19. 04/5 06/8 I020__ 1_92/3__ )02/4 22/2 32/3 J2/3 32/3 120/3 I04/6 000
A A

20. 06( ~ 04/6 I 04/~__ l 04/~) 32/4 06(3 02(3 32/3 02/3 04/3 02/5 02/1
21. 06/4 ! 04/5 I 04/7 A: 04/2 22/2 06/4 32/3 30/2 132/2 06/4 I04/3 04/4
22.1()_~/S-1 04/4 i04/6 A!18/4-116/4 16/4 02/3 02/3 32/3 04/3 06/3 I 04/4
23.,06/5 06/3 04/5 !16/4.\18/1 02/5 02/4 02/3 30/2 06/2 106/2 ! 04/3
24.1 o6;sT147sl o4/412o;4io2/4 04/2 3212 02/4 14/1 04/5 ! 04/5 04/4
~--,--,--,-----~

~~~~L~14/6 _: o4/4__!_20/LI30/2_ 32/2 02/4 32/4 30/2 04/5 102/5 '04/3


26.l18(8A 14/4 1o2(1 io8(2 [32/2 32/1 32/5 A 02/5 30/1 04/2 04/2 04/5
~_7_.l_z__z/3 106/3 22/1--132(1_ ~/2_,02/3 02/5 A 02/4 32/3 000 16/1 04/6
1 1
02/5 A 14/3 04/2 000 000 04/5
28. 06/j_ 04/L[_l_§''!:_l 04/±__ 04/2_ 32/2 -
1
---
29-104/4 16/6 06/2 132/2\02/1 02/3 3213 20/1 16/2 04/1 04(5
3o.lo6/4 - : 04/6-~16/3 :0273!o4(4 02/3 000 02/4 14/4 04/2 04/3
31~ 1 04/5 ---:04/4--- 18/1 32/3 30/2 04/2
r
000

1 Die ersten beiden Zahlen bedeuten die Windrichtung nach der 32-Grad-

Skala. Die dritte Zahl gibt die Windstärke in Beaufortgraden an. A = böig,
000 = Windstille. Die dick umrandeten Zahlengruppen stellen Etesien-
perioden dar. - Sämtliche Werte sind eigne Messungen mit dem FuEss-
Böenschreiber, die auf der im Jahre 1941/42 von mir geleiteten Wetter-
warte Mudros(Lemnos durchgeführt wurden.

-526-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 19
kein Tropfen Regen. Die Etesien sind es also in erster Linie, die
für den trockenheißen Sommer Griechenlands verantwortlich zu
machen sind. Sie wirken sich auf die Vegetation dahin aus, daß
die Vegetationsperiode schon Ende Mai, spätestens Anfang Juni,
beendet ist, und Baumwuchs sich nur an windgeschützten Stellen
bilden kann. Die der vollen Kraft der Etesien ausgesetzten Inseln
Lemnos, Evstratios und Andros sind daher auch völlig waldlos
und tragen nur in windgeschützten Senken spärlichen Baum-
wuchs.
Wenn die Etesien auch in jedem Jahr auftreten, so unterliegt
ihre Stärke und Beständigkeit doch von Jahr zu Jahr großen
Schwankungen.
Sind in den Sommermonaten die Nordwinde die allein vor-
herrschenden Winde, so zeigt die winterliche Strömung kein so
einheitliches Bild (Abb. Ja), wenngleich auch im Winter, wie aus
der Zusammenstellung der Winde für Lernnos (Tabelle 1) hervor-
geht, in der Nordägäis die Nordkomponente vorherrscht. So traten
beispielsweise im Jahre 1942 auf Lernnos an
253 Tagen Winde mit Nordkomponente und nur an
53 Tagen Winde mit Südkomponente auf.
Die Hauptverbreitung der Winde aus dem Südquadranten fällt
in die Monate November bis Mai, also in die Zeit der Zyklonen-
tätigkeit in der Ägäis. Zwei ausgeprägte Hochdruckrücken beein-
flussen die Luftbewegung über dem Mittelmeer im Winter. Einmal
das südlich gewanderte Roßbreitenhoch mit seiner Zunge von den
Azoren nach der Sahara, zum anderen die Hochdruckbrücke, die
sich von Innerasien bis zum Azorenhoch hinzieht. Zwischen ihnen
liegt der Tiefdrucktrog des Mittelmeeres, in dem die von West
nach Ost wandernden Zyklonen ziehen, Luftmassen verschiedener
Herkunft heranführen und einen wechselhaften, fast mitteleuro-
päischen Witterungscharakter bewirken. Hauptquelle für die Zu-
fuhr der Luftmassen ist Innerasien. Von dort ergießt sich Kaltluft
nach Kleinasien und dem Balkan und fließt dem Druckgefälle
entsprechend schubweise gegen das Meer hin ab, wo sie sich mit
feuchten, wärmeren Luftmassen aus dem Südwesten mischt und
verwirbelt. Es entstehen jetzt ausgesprochene Frontalzonen mit
Landregen und stürmischen Süd- und Südwestwinden auf der
Vorderseite, Schauerniederschlägen und böigen Nordostwinden
auf der Rückseite (Tabelle 1) einer Zyklone. Es herrscht also im

38* -527-
20 WERNER RAUH:

Winter keine einheitliche Windrichtung wie bei der Etesialströ-


mung vor, sondern die Winde springen in erheblichen Stärken von
der Nordrichtung nach der Südrichtung um (Abb. 3a).
Langanhaltende Übergangszeiten, also ein ausgeprägtes Früh-
jahr und ein Herbst, fehlen im griechischen Raum und in der Ägäis.
Deshalb sind die Windverhältnisse in den Übergangsmonaten von
April bis Mai und Oktober bis November auch nicht typisch, son-
dern bald mehr dem sommerlichen, bald mehr dem winterlichen
Charakter angepaßt, je nach dem Zeitpunkt der Umstellung der
großräumigen Druckverteilung. Wie aus der Zusammenstellung
der Winde von Lernnos hervorgeht, überwiegen im Frühjahr die
Südwinde, im Herbst dagegen die Nordostwinde. So herrschten an
253 Tagen Winde mit Nordkomponente,
53 Tagen Winde mit Südkomponente,
34 Tagen Winde aus östlicher Richtung,
9 Tagen Winde aus westlicher Richtung,
3 Tagen umlaufende Winde,
13 Tagen Windstille.
Daß diese Zahlen nicht das zufällige Ergebnis der Messungen
eines Jahres sind, beweist die Zusammenstellung von STANGE {191 o)
über die mittlere Häufigkeit der Windrichtungen in %, aus der
Andros, Athen, Naxos, Nauploin, Saloniki, Kavalla und Skutari
am Bosporus als Beispiele ausgewählt worden sind.

Tabelle 2. Mittlere Häufigkeit der Windrichtung in %von Andros


(1894-1903)
N NO 0 so s sw w NW Stille

Frühling . 18,8 30,1 9,2 7,2 22,7 6,7 0,4 6,8 0,2
Sommer 28,1 23,1 9,6 0,7 7.4 2,8 0,2 28,0 0,1
Herbst 22,3 32,8 11,6 5,5 12,5 4,3 0,2 11,0 0,0
Winter 14,9 137.51 6,2 9,0 24,2 5.9 0,2 2,3 0,0

Tabelle 3. Athen (1895-1903).


N NO 0 so s sw w NW Stille
I
Frühling . 7.9 19,3 4,1 2,5 19,6 15.9 8,5 3,6 18,4
Sommer 12,7 26,1 2,9 1,8 12,0 14,8 5,5 4,2 20,1
Herbst 10,2 133.41 4,4 2,8 13,0 8,8 3,8 3.2 20,7
Winter 10,7 23,7 5,6 I 3.4 2o,3 I 7.7 5,1 7.8 15.7

-528-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 21
Tabelle 4. Naxos (1894-1903).
N NO 0 so s SW w NW Stille

Frühling 39.<> 7,8 0,2 4,7 22,2 9,1 3.7 2,3 10,2
Sommer 162,11 14,5 0,0 1,0 9.7 2,0 0,6 0,9 8,9
Herbst 53,7 14,2 0,6 2,9 12,7 3,5 0,9 1,3 10,0
Winter 39.5 10,7 0,8 6,1 21,9 9,0 3,6 I 2,1 6,7

Tabelle 5. Nauplion (1894-1903).


N NO 0 so s sw W NW Stille

Frühling . 13,6 9.5 11,2 4,2 18,7 12,3 7.6 4,8 18,3
Sommer 18,6 6,8 4,9 2,2 128,31 7.7 3.4 3,4 24,6
Herbst 1 22,8 11,3 11,0 2,6 19,3 6,2 3,8 6,2 17,1
Winter I 23,8 13,5 13.5 4,5 9,3 9,0 6,6 6,6 I 13,2

Tabelle 6. Saloniki (1894-1903).


N
I NO 0 so s SW w NW Stille

Frühling . 12,7 7.5 8,1 7,2 6,1 15,9 4,7 5.5 32.3
Sommer 15,3 7,0 5,1 6,4 7.1 18,3 4,8 7,2 28,8
Herbst 15,2 9,0 9,3 5.5 4,5 12,8 3,5 5.0 135,21
I
Winter 22,3 12,5 1 8,9 I 5.4 2,6 i 3.9 3.4 I 7.6 33.4

Tabelle 7. Kavalla.
N NO 0 so s sw w NW Stille

Frühling . 9.5 1,8 20,2 9,2 18,8 10,7 11,5 2,7 16,3
Sommer 6,5 3.4 18,3 6,6 13,6 18,5 14,7 2,2 16,2
Herbst 7.8 1.3 129.91 8,5 11,8 9.5 10,3 5.4 15.5
Winter 16,9 3,8 27.5 i 7.8 8,9 3,8 13,8 7.9 9.6

Tabelle 8. Skutari am Bosporus.


N NO 0 so s SW w NW Stille

Frühling . 16,9 27,7 4,6 1,9 16,2 20,5 5.4 1,2 5.4
Sommer 14,3 141,81 7,4 0,4 10,6 19,1 2,0 1,2 3,1
Herbst 13,1 32,9 11,0 3.3 9,2 17.5 3,0 1,9 8,1
Winter 18,6 26,8 11,8 5,2 11,3 16,1 3,1 2,0 5,1

Diese Zusammenstellung bestätigt in klarer Weise, daß


1. die Winde mit Nordkomponente vorherrschen und im
Sommer ihr Maximum haben,
2. die Winde mit Südkomponente hinter den Nordwinden
zurücktreten. Ihre stärkste Häufigkeit liegt im Frühjahr. Ein
zweites Maximum kann im Herbst auftreten,

-529-
22 WERNER RAUH:

3. die Ost- (Ausnahme Kavalla) und Westwinde kaum eine


Rolle spielen.
Diese durch die großräumige Druckverteilung bedingten
Strömungsverhältnisse können sich in ihrer ideellsten Form aber
nur in Gebieten auswirken, in denen ihnen keine Hindernisse ent-
gegentreten, d. h. also nur auf freier See. Nordgriechenland hat
nun aber eine vielgestaltige Oberfläche. Gebirge von mehr als
1000 m Höhe stellen sich den Winden als sperrende Hindernisse
entgegen. Nur wenige Flüsse durchschneiden das Gebirge und schaf-
fen Durchzugsstraßen. Das Meer selbst ist von einer vielgestaltigen
buchtenreichen Küste mit hohen Randgebirgen umgeben, die in
Bergen bis über 2000 m gipfeln. In der freien See stellen sich zahl-
reiche Inseln mit Bergen von 500-1000 m Höhe entgegen. Es ist
daher nur verständlich, daß in einem solchen Gebiet die boden-
nahen Luftströmungen mannigfaltigen lokalen horizontalen und
vertikalen Ablenkungen erliegen. So werden die Etesien zu
Fallwinden auf der Leeseite von Gebirgszügen mit west-
östlicher Streichrichtung, wie man sie häufig auf den Inseln
des griechischen Archipels findet. Groß ist deshalb auch die Zahl
der wegen böiger Fallwinde gefürchteten Buchten, Küsten und
Engen. Von diesen Lokalwinden, die einen nicht unerheblichen
Einfluß auf die Vegetationsverhältnisse ausüben, sollen nur der
Vardarac, der Athos-Fallwind, der Struma-Fallwind und
der Dardanellen-Düsenwind erwähnt werden.

a) Der Vardarac.
Der bekannteste Fallwind der Nordägäis ist der Vardarac oder
Vardar, ein kalter Fallwind, der sich durch das Vardartal in den
Golf von Saloniki ergießt. Mit einem Vardar ist immer dann zu
rechnen, wenn der Luftdruck über dem nördlichen Festland höher
ist als über dem Meere, wie dies im Winter oft der Fall ist. Der
Vardar ist meist von kurzer Dauer (24-36 Std), kann gelegent-
lich aber auch während des ganzen Winters wehen. Die mittlere
Geschwindigkeit eines Vardar beträgt 5-7 mfsec, in Spitzenböen
werden bis 15 mfsec erreicht. In der Regel herrscht dabei trockenes
Wetter und grobe See.
Die stärkste Kraft hat der Vardar unmittelbar beim Austritt
aus dem engen, von hohen Gebirgszügen umschlossenen Schlauch
des Vardarflußes in die Vardarebene bei Saloniki. Im Golf von
Saloniki flaut er dann ziemlich rasch ab, ist aber noch bis zum Ende

-530-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 23
des Kassandra-Fingers spürbar und kann selbst dort noch für
kleine Motorsegler recht unangenehme Folgen haben, wenn sie nicht
rechtzeitig unter Landschutz gehen (Abb. 5).

b) Der Athos-Fallwind.
Die Athos-Fallwinde sind den griechischen Schiffahrern schon
seit alten Zeiten her bekannt und von ihnen gefürchtet. Nicht ohne
Grund versuchte Xerxes, den Athosfinger an seiner schmalsten
Stelle (Xerxes-Kanal) zu durchstechen, um das für die Segelschiff-
fahrt so gefährliche Gebiet zu umgehen.
Die Athos-Fallwinde konnten auf zwei längeren, unfreiwilligen
Aufenthalten am Athos im August 1942 und im März 1943 von
mir studiert werden.
Die Berge des Hagion-Oros erreichen eine durchschnittliche
Höhe von 600-800 m. An seiner Südspitze aber erhebt sich un-
vermittelt bis fast 2000 m emporsteigend der gewaltige Marmorklotz
des Athosgipfels, der an seiner Südseite mit ungeheurer Steilheit
ins Meer stürzt. Es ist daher verständlich, daß ein solcher Berg
inmitten einer niedrigen Hügellandschaft einen nicht unerheblichen
Einfluß auf die Luftzirkulation ausübt. Der Athos wirkt daher
nach meinen Beobachtungen in hohem Maße als windverstärkender
Faktor.
Die Nord- und Nordostwinde prallen auf den Berg auf, werden
an seiner Nordseite emporgerissen und stürzen sich als Fallwinde
mit ungeheurer Vehemenz zu Tal und ergießen sich fächerförmig
einige Seemeilen weit in die freie See hinaus (Abb. 5). Solange
der Gipfel noch mit Schnee bedeckt ist, was in normalen Wintern
bis Ende April-Anfang Mai der Fall ist, sind die Fallböen eisigkalt.
Bei dem Herabfallen brechen sich die Winde an Graten, Kanten
und Schluchten und werden teilweise aus ihrer ursprünglichen
Richtung abgelenkt. Die Folge davon ist, daß die einzelnen Gebiete
des Athos kleine Verschiedenheiten in der Windrichtung aufweisen,
die sich im Seegang in der Ausbildung von Kreuzseen widerspiegeln.
Die kalten Fallwinde konnten bei einem Versuch, den Gipfel
am 19. März 1943 zu besteigen, aus nächster Nähe beobachtet
werden. Man sah d.eutlich, wie die Wolken auf der Nordseite
emporgerissen und dann zu Tal gedrückt wurden. Die Fallwinde
waren von einer solchen Vehemenz, daß es unmöglich war, die
letzten 300m bis zum Gipfel zu bezwingen.

-531-
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1.~ Vardar <
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2.~ Athos-fallwind l>ardanellen-Oüsenwind

Abb. s. Übcrsichtsl,arte der häufigsten Lokalwinde der Nordägäis. Die:> dicken Pfeile geben die Hauptstreich richtung an.
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 25
Daß die Nordwinde durch das Herabfallen vom Athosgipfel in
der Tat an Stärke zunehmen, zeigt folgende Zusammenstellung:
Athos Lernnos Kavalla Dedeagatsch Saloniki Porto Kufos

18. 3. NE 5 NE3 000 - 000 NE 1


19. 3. NE 7 NE 5 E2 -· SW4 ENE1
20. 3. NE 8-10 - 000 - SE4 E2
21. 3. NES NE 5 - NE 5 SE 3 000
22. 3. NE 7 NE 5 - NE6 000 NE2
23. 3. NES-9 NE6 NE2 NE 5 000 E4
24. 3. NE8 NE 5 NE3 NE4 N3 -
25. 3. E3 NE2 ENE2 ENE2 I 000 -
Die Stärkeangaben sind Beaufortgrade, gemittelt aus den Werten von
08.00-19.00 Uhr.

Auch die Vegetationsverhältnisse deuten auf das Vorhandensein


von Fallwinden hin. Die Nordflanke des Gipfels ist kahl und vege-
tationsarm, da sie der vollen Kraft der Nordwinde ausgesetzt ist.
Man könnte nun annehmen, daß die Südseite, die eigentlich im
Windschatten liegen sollte, mit baumförmiger Vegetation fast bis
zum Gipfel bedeckt sei. Dem ist aber nicht so. Schon bei 900 m
hört der geschlossene Wald auf, und bereits bei 1500 m liegt die
Baumgrenze mit einem schütteren Tannenwald, also rund 300m
tiefer als dies normalerweise der Fall ist. Das Herabsteigen der
Baumgrenze kann nicht auf sommerliche Trockenheit zurückgeführt
werden, denn auch in den Sommermonaten herrscht am Gipfel
noch so viel Feuchtigkeit, daß eine üppige Krautflora gedeihen
kann. Einzig und allein der Fallwinde wegen können die Bäume
nicht höher steigen. Sie zeigen auch alle die Spuren des Kampfes
mit dem Wind. Groteske Windformen und abgebrochene Baum-
wipfel weisen auf diesen Kampf hin.

c) Der Struma-Fallwind.
Ähnlich wie im Vardartal tritt auch im engen, sich erst gegen
das Meer hin verbreiternden Strumatal ein kalter Fallwind auf, der
sich in den Golf von Orphani und in die Bucht von Kavalla ergießt
(Abb. 5) und die Schiffahrt von Lernnos und Tha.sos nach Kavalla
behindert. Für das Zustandekommen eines Struma-Fallwindes ist
dieselbe Druckverteilung Vorbedingung wie beim Vardar, also hoher
Druck über dem Festland, tiefer Druck über See. Da kontinentale
Luftmassen herangeführt werden, bewirkt auch der Struma-Fall-
wind einen merklichen Temperaturrückgang.

-533-
26 WERNER RAUH:

d) Dardanellen-Düsenwind.
Die im Jahre 1942 durchgeführten Windmessungen auf Lernnos
ergaben gegenüber den \Verten der Nachbarstationen wesentlich
höhere Werte. Die Sonderstellung, die Lernnos hinsichtlich der
höheren Windstärken einnimmt, ist in seiner geographischen
Lage begründet. Lernnos liegt fast genau in der Verlängerung der
Dardanellen, die als "das schlimmste Zugloch des ganzen Mittel-
meergebietes" bekannt sind. Selbst, wenn in der Umgebung Wind-
stille herrscht, weht am Ausgang der Dardanellen immer eine
leichte Brise, die die See ständig in Bewegung hält. Bei nächtlichen
Überfahrten von Lernnos nach Mytiline kann man allein schon an
der Zunahme der Windstärke und am Seegang die Lage der Dar-
danellen erkennen. Vor allem in den Sommermonaten, zur Etesien-
zeit, spielen die Dardanellen als windverstärkender Faktor eine
nicht zu unterschätzende Rolle. Der Keil hohen Drucks über dem
Schwarzen Meer versucht die Luft im Westen Kleinasiens durch den
Schlauch des Bosporus zu pressen. Infolge dieser plötzlichen Weg-
verengung steigt die Windgeschwindigkeit in Bodennähe sehr schnell
an und flutet mit großer Vehemenz beim Austritt aus der Meeres-
enge in das Seegebiet von Lemnos, wo sie mit fast ungebrochener
Kraft auf das Felseneiland auftreffen (Abb. 5).
Die Dardanellenwinde prägen Lernnos auch seinen eigenartigen
Charakter auf. Lernnos ist eine der wenigen Inseln, die sich durch
das völlige Fehlen von Baumwuchs auszeichnen. Nur karge bis
Anfang Mai grüne Matten bedecken die schroffen Berge.
Es lassen sich also in der Ägäis neben der großräumigen Luft-
zirkulation, bedingt durch die herrschende Druckverteilung, fol-
gende Lokalwindzonen unterscheiden (Abb. 5):
a) Gebiet des Vardar (kalter Fallwind im Golf von Saloniki,
in abgeschwächter Form im Golf von Kassandra),
b) Seegebiet Athos (kalter Fallwind),
c) Golf von Orphani und Bucht von Kavalla mit Strumafall-
wind,
d) Seegebiet Lernnos mit Dardanellendüsenwind,
e) Golf von Kassandra, Golf von Hagion Oros.
Die letzteren Gebiete sind charakterisiert durch schwache
Winde, da sie weder vom Vardarac, noch von den Athos-Winden
erreicht werden. Sie sind lediglich den Süd- und Südwestwinden
ausgesetzt, die nur eine untergeordnete Rolle spielen (Abb. 5).

-534-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 27

2. Niederschläge.
Auch hinsichtlich der Niederschlagsverhältnisse finden sich
scharf ausgeprägte jahreszeitliche Gegensätze, die mit dem ver-
schiedenen thermischen Verhalten von Festland und Meer, mit der
jahreszeitlichen Druckverteilung und den Strömungsverhältnissen
in engstem Zusammenhang stehen. Wie in Abschnitt 1 ausführlich
dargelegt wurde, bewirkt die sommerliche Druckverteilung die
Nord-Süd gerichtete Etesialströmung. Die Etesien sind aus-
gesprochene Schönwetterwinde, die an den Gebirgen der pontischen
Küste Stauerscheinungen mit Geländeregen hervorrufen, über die
Ägäis und Griechenland aber als trockene, niederschlagsarme
Winde dahinwehen. Die geringen Niederschläge in den Sommer-
monaten (Tabelle 9-11, Abb. 6) fallen meist als Gewitterschauer,
deren Entstehung auf eine rasche Überhitzung des Festlandes und
damit verbundener feucht-labiler Schichtung der Atmosphäre
zurückgeführt werden kann.
Im Winter lagern kalte Luftmassen über dem Festland, die
hauptsächlich in nordöstlicher Richtung gegen das warme Meer hin
abfließen. Das Ausfließen der Kaltluft erfolgt nicht kontinuier-
lich, sondern in einzelnen Schüben. Die kalten und warmen Luft-
massen verwirbeln miteinander und erzeugen Störungen, die meist
im Golf von Genua ihren Ausgang nehmen und entlang der adria-
tischen Küste nach Griechenland und der Ägäis ziehen. Während
des ganzen Winters halten die Störungen an und führen zu kräftigen
Land- und Schauerregen, wobei die Regenmenge von Westen nach
Osten abnimmt.
Ein sehr anschauliches Bild gibt die graphische Darstellung der
Niederschlagsmengen der Inseln Lemnos, Mytiline und Chios
(Abb. 6), gemittelt aus den in Tabelle 10-11 wiedergegebenen
Durchschnittswerten während 7 Jahren. Der Zusammenstellung
ist folgendes zu entnehmen:
1. Es ist zwischen sommerlicher Trockenheit und winterlicher
Regenzeit zu unterscheiden. Das Maximum der Niederschläge auf
Chios und Mytiline fällt in den Monat Dezember, auf Lernnos in
den Monat Januar.
2. Die Niederschlagsmaxima von Mytiline und Chios liegen
wesentlich höher als das Maximum von Lemnos.
Der Grund hierfür ist in der geographischen Lage der drei Inseln
zu suchen. Mytiline und Chios liegen nur wenige Kilometer entfernt

-535-
28 WERNER RAuH:

von der mit hohen Randgebirgen umgebenen türkischen Küste und


erhalten dadurch wesentlich mehr von den Stauniederschlägen als
die in freier See liegende Insel Lemnos. Mit zunehmender Ent-
fernung von der Küste erfolgt eine Abnahme der Niederschlagshöhe.
3· Der Übergang von der sommerlichen Trockenheit zur Regen-
zeit erfolgt rascher als der umgekehrte Vorgang im FrühJahr. Das
hat seinen Grund in dem unvermittelten Einsetzen der Oktober-

Tabelle 9. Niederschlagshöhe in mm auf Lernnos von 1936--1942.


Januar Febr. März April Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov.l Dez.

1936 226,3 126,0 74,4 24,0 71,3 9,0 49,6 0,0 34,1 162,0 72,0 83,7
1937 55.8 25,2 15.5 24,0 9.3 0,0 105,4 24,0 27,9 69,0 135,0 127, I
1938 15,5 39,2 80,6 150,0 6,2 0,0 0,0 0,0 37,2 39,0 63,0 117,8
1939 124,0 67,2 201,5 0,0 27,9 24,0 0,0 18,6 103,4 9,0 30,0 96,1
1940 65,1 64,4 80,6 57,0 80,6 15,0 0,0 0,0 106,5 0,0 144,0 96,1
1941 40,3 8,4 0,0 42,0 18,6 0,0 0,0 0,0 106,5 3,0 15,0 31,0
1942 123.5 35,2 38.9 5.3 0,7 31,6 8,5 1,0 0,0 29.5 73.3 62,5
Summe 650,5 365,6 491,5 302,3 214,6 79.6 163,5 43,6 415,6 311,5 532.3 614,3
Mittel-
werte 92,9 52,2 70,2 43,2 30,7 11,4 23,4 6,2 59,4 44,7 76,1 87,8

Tabelle 10. Niederschlagshöhe in mm auf Mytiline von 1936--1942.


Januar Febr. März April Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov. Dez.

1936 93.5 183,8 106,0 31,5 49,5 5,4 6,6 0,0 4,4 64,9 84,6 63,5
1937 65,5 65,6 11,9 51,6 10,0 0,0 0,0 14,2 0,0 126,0 285,7 201,9
1938 111,3 76,4 37.9 56,6 37,2 0,0 0,0 0,0 6,0 90,0 71,8 186,9
1939 194,1 68,0 202,4 0,6 9.3 29,0 0,0 4,2 29.5 28,1 276.7 331,8
1940 155,8 123,1 51,2 251,4 27,2 0,9 11,8 0,0 14,7 43,1 89,3 237.9
1941 81,2 82,7 45,6 0,0 18,2 0,0 27,6 47,7 46,6 153,4
1942 212,0 129.7 15.2
Summe 913,4 729,3 470,2 391,7 133,2 35.3 36,6 18,4 82,2 399.8 854,7 1175,4
Mittel-
werte 1130,5 104,21 67,2 78,3 26,6 5,9 6,1 3,1 13.7 66,6 142,5 195.9

Tabelle 11. Niederschlagshöhe in mm auf Chios von 1936--1942.


Januar Febr. März April Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov. Dez.

1936 78,0 237,8 57,9 18,9 27,0 26,0 3,6 0,0 9,1 82,6 133,4 139,6
1937 49.5 138,5 14,6 24,8 0,8 0,0 4,7 0,0 0,0 57,6 98.7 134,6
1938 82,6 95,6 63,1 79.6 0,3 0,0 0,0 0,0 5,8 67,2 77,1 207,6
1939 271,2 97,0 140,2 0,0 28,6 22,8 0,0 0,4 32.7 9,3 102,8 211,3
1940 86,4 107,6 35.7 112,2 27,8 14,4 0,0 0,0 6,9 21,1 57,8 281,9
1941 62,8 44,7 18,8 66,8 1,5 0,0 0,0 0,0 0,0 35,0 17,4 87,0
1942 172,4 178,8 8.2 14,4 0,0
Summe 802,9 900,0 338.5 316,7 86,0 63,2 8,3 0,4 54.5 272,8 487,2 1062,0
Mittel-
werte 114,7 128,6 48,4 45,2 12,3 10,5 1,4 0,07 9,1 45,5 81,2 177,0

-536-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 29

regen, was auf schnelle Umstellung der Druckverhältnisse auf


winterliche Verhältnisse zurückzuführen ist.
Ein zweites Maximum der Niederschläge tritt in den Monaten
Februar bis April auf, also zur Zeit der Umstellung der Druckver·
teilung auf sommerliche Verhältnisse. Die Niederschläge dieser
Zeit fallen in der Regel als Schauer von großer Ergiebigkeit,
begleitet von einem starken Auffrischen des Windes.
200
190
180
170
160
150
1'10
.~130
~... 120
~ 110
~ 100
~ 90
80-
70
60
50
'10
30
20
i/
.'/
10 ~
o~~~~~~~--~~L-~--~~~~~~~
Juli Aug. Sepf. Okf. Nov. Oez. Jan. Febr. März Apr. Mai Juni
Abb. 6. Mittelwerte der Niederschlagshöhe in mm der Jahre 1936-1942.

Worauf das September-Maximum auf Lernnos zurückzuführen


ist, konnte nicht festgestellt werden, da die anderen meteorologi-
schen Daten der Vorjahre nicht zugänglich ·waren.
Im übrigen ist die jährliche Regenmenge in Griechenland
starken Schwankungen unterworfen. Nach Berichten scheinen
auch fast regenlose Jahre vorzukommen, während andererseits im
November 1899 in Athen an einem einzigen Tage 155 mm Regen
fielen, was mehr als die gesamte Regenmenge des Vorjahres war.
Schneefall erfolgt in den Monaten von Dezember bis Februar.
Die Häufigkeit nimmt im allgemeinen von Süden nach Norden und
von der Küste nach dem Binnenland zu. In den schneereichsten
Monaten hat die West- und Südküste von Griechenland und Klein-
asien nur durchschnittlich einen Tag mit Schneefall zu verzeichnen,
während es an der Ost- und Nordküste an 5 Tagen und an der
pontischen Küste an 10-20 Tagen im Jahr schneit. Doch hält

-537-
30 WERNER RAUH:

sich der Schnee in niederen Lagen nur sehr kurze Zeit. Im Winter
1942 blieb er auf Lernnos nicht länger als 8 Tage, auf Mytiline und
Chios sogar nur 2 Tage liegen. In höheren Lagen dagegen hält sich
der Schnee bis in den Frühsommer hinein. So konnte am Athos
auf der Nordseite, in geschützten Rinnen und Schluchten, Schnee
bis Ende Mai und Anfang Juni beobachtet werden.

3. Temperaturverhältnisse.
Das für das östliche Mittelmeergebiet typische subtropische
Etesienklima führt zur Bildung von heißen, trocknen Sommern
und milden feuchten Wintern mit sehr großen winterlichen Tem-
peraturschwankungen, besonders im nördlichen Teil Griechenlands.
Die von Südmßland in das östliche Mittelmeer vorstoßenden Kalt-
luftmassen treffen mit der aus Nordafrika strömenden subtropischen
Warmluft zusammen, wodurch auf engstem Raum Temperatur-
schwankungen bis zu 20° C vemrsacht werden. Da die feuchte
Meeresluft ausschließlich aus Süden und Westen, die kontinentalen
Luftmassen aus östlicher und nördlicher Richtung einströmen,
macht sich im Norden und an der Ostküste Griechenlands der
kontinentale Einfluß viel stärker bemerkbar als im Süden und

1'abelle 12. Höchst- und Tiefsttemperaturen von Juli 1941 bis


Dezember 1942 in MudrosjLemnos 1 •
Minimum Maximum

1941 Juni. 13,0 (9.) 31.0 (15.)


Juli . 17,5 (9.) 34.4 (16.)
August. 17,8 (10.) 35,4 (3.)
September 11,4 (27.) 27,2 (14.)
Oktober 4,8 (15.) 24,4 (12.)
November -2,0 (29.) 21,0 (11.) 1 Frosttag
Dezember -4,1 (28.) t 5.9 (9.) 7 Frosttage

1942 Januar. -3.8 (1.) 12,9 ( 11.) 10 Frosttage


Februar 0.0 (5.) 15,6 (8.) 1 Frosttag
März -2,8 (22.) 16,5 (27.) 2 Frosttage
April 2,5 (2.) 22,6 (23.)
Mai . 7,8 (7.) 30.5 (31.)
Juni 14,0 (24.) 34.5 (12.)
Juli . 15,4 (28.) 34,0 (13.)
August. 16,6 (5.) 32.4 (8.)
September 15.8 (17.) 29.7 (14.)
Oktober 7.8 (22.) 26,8 (7.)
November 3.8 (26.) 20,5 (5.)
Dezember 4,6 (29.) 15.6 (7.)
1 Die Zahl hinter der Temperatur gibt den Monatstag an, an dem die
betreffende Temperatur herrschte.

-538-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 31

Westen. In dem erstgenannten Gebiet tritt daher nicht selten im


Winter Frost auf. So hatte Lernnos im Winter 1941/42 21 Frost-
tage mit einer Tiefsttemperatur von - 4,1 °C am 28. Dezember
(Tabelle 12).
Auch im Sommer herrschen große Temperaturunterschiede,
aber weniger zwischen Nord und Süd, als vielmehr zwischen dem
Binnenland und der Küste, worin der Gegensatz zwischen dem
Binnenland und dem Seeklima zum Ausdruck kommt.
Eine sehr gute Charakteristik des griechischen Sommers gibt
PHILIPPSON (1901): "Tag für Tag sendet die Sonne ihre glühenden
Strahlen auf die dürstende Erde herab, von einem tiefblauen
Himmel, an dem sich nur hie und da im Laufe des Tages eine kleine,
weiße Haufenwolke zeigt. Sehr selten geht einmal ein kurzer
Regenguß nieder, um sofort zu verdampfen, ohne Spuren zu hinter-
lassen. . .. In stillen Stunden vibriert die erhitzte Luft über dem
glühenden Boden, in anderen jagt der Nordwind dichte Staubwolken
über das Blachfeld dahin und wirbelt sie in großen Tromben auf.
Luftspiegelungen lassen ferne Inseln und Vorgebirge über der
Meeresfläche schwebend erscheinen. Die meisten Bäche nnd Flüsse
sind versiegt, Gräser und Kräuter verdorrt, das Getreide abgeerntet.
Von Trockenrissen zerspaltet liegt der Boden kahl und nackt da
unter der schimmernden Sonnenglut; WÜstenhaft in grelle Farben
getaucht erscheint jetzt dieselbe Landschaft, die im Frühjahr von
wogenden Kornfeldern oder vom grünen Schimmer der sprossenden
Kräuter bedeckt war. Nur die Wein- und Maisfelder und die be-
wässerten Gärten bewahren sich ihr frisches Grün .... Die Hitze
ist glühend, aber nicht schwül. Viel drückender als an der Küste
ist die Hitze in geschützten Tälern und Senken des Innern oder
in künstlich bewässerten feuchten Gartenlandschaften. Des Nachts
findet zwar eine verhältnismäßig starke Ausstrahlung statt, trotz-
dem aber bleibt die Temperatur immer noch reichlich warm, nur
selten kommt es zur Taubildung."
In den Küstengebieten und auf den Inseln wird die Sommerhitze
gemildert durch den regelmäßigen Wechsel von Land- und Seewind,
der durch die rasche Erwärmung des Landes bei Tag und entspre-
chender Abkühlung bei Nacht gegenüber der geringeren Wärme-
schwankung über dem Meer bedingt ist. Nach den schwülen
Morgenstunden am Vormittag setzt eine Seebrise ein, die in den
ersten Nachmittagsstunden ihre größte Stärke erreicht, so daß die
Zeit der höchsten Lufttemperatur gemildert wird. Eine noch

-539-
32 WERNER RAUH:

stärkere Abkühlung erfolgt durch den nächtlichen Landwind, der


gerade die Mittelmeernächte so angenehm gestaltet.
In den sommerlichen Temperaturen der drei Inseln MytiJine,
Chios und Lernnos machen sich nur geringe Unterschiede bemerkbar
(Abb. 7). Im Winter dagegen treten nicht ganz unerhebliche Tempe-
raturdifferenzen auf, die in der geographischen Lage begründet sind.
Lemnos, das den kalten Nord- und Nordostwinden ausgesetzt ist,
hat wesentlich tiefere Temperaturen und eine höhere Zahl von
JO
•c
25

... 20
~
~~
~
~15
~
1:::
10 .

0 Juli Aug. Sept. Okf. Nov. Dez. Jan. Febr. Miirz Apr. Mai Juni
Abb. 7. Mittelwerte der Temperaturen der Jahre 1936-1942.

Frosttagen als Mytiline und Chios, die unter Landschutz der nahen
Türkei liegen. Diese Unterschiede prägen sich auch deutlich im
Vegetationskleid der drei Inseln aus. Während auf Mytiline und
Chios Apfelsinen, Zitronen und Oliven mit größter Üppigkeit ge-
deihen, sind diese auf Lernnos nur an geschütztesten Stellen in
K ümmerexemplaren anzutreffen.

111. Vegetationsverhältnisse.
A. Der Hagion Oros.
Der östlichste Finger der Chalkidike, die Athos-Republik oder
das "Mekka der anatolischen Christenheit" ist die Fortsetzung des
Rhodopen-Massivs und besteht aus alten Gesteinen, Gneisen und
Grünschiefern, die von der Hauptmasse der Chalkidike durch
tertiäre Ablagerungen in der Nähe des Xerxes-Kanals bei Jerissos
abgetrennt werden (Abb. 2). In einem von Nordosten nach Süd-
westen ansteigenden Höhenzug bauen die Gneise und Grünschiefer
den nirgends 1000 m überragenden und wenig undulierten Kamm

-540-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 33

des "Heiligen Waldes" auf. Im Norden der Halbinsel erhebt sich


ein quer verlaufender, schroffer Kamm aus festen Gneisen, die
"Megali Viglia", die infolge ihrer Steilheit und des dichten Vege-
tationskleides einen natürlichen Schutzwall des heiligen Bezirkes
gegen die Umwelt bildet und jeden unbemfenen Eindringling
zurückhält. Am südöstlichsten Ende des Fingers ragt plötzlich und
unvermittelt die schroffe, mit furchtbaren Steilwänden ins Meer
stürzende Pyramide des nahezu 2000 m hohen Athos-Gipfels
empor, der aus rein weißen, stark kristallinen, fast ungeschichteten
und sehr widerstandsfähigen Kalken besteht (Abb. 2). Sie ent-
halten zahlreiche Einlagemugen von Grünschiefern, die ihrer
leichten Verwitterbarkeit zufolge herausgewaschen werden und so
eine Zerklüftung des Massivs bewirken. Die Einsattelung zwischen
der höchsten Spitze und dem nördlichen Nebengipfel ist auf diese
Weise entstanden. An der Grenze zwischen dem Marmor und den
für Wasser wenig durchlässigen Schiefern ist ein ausgezeichnetes
Quellniveau. Zahlreiche ergiebige Wasseradern kommen deshalb
auch an dieser Kontaktzone zu Tage und liefern noch während der
sommerlichen Trockenheit reichlich Vlasser.
Der Athos ist der beherrschende Berg der Nordägäis. Von
seinem Gipfel genießt man bei klarem Wetter einen prächtigen
Rundblick bis zum thessalischen Olymp, Euböa-Nord, dem griechi-
schen Archipel und zur kleinasiatischen Küste. Doch nicht allein
die beherrschende Lage macht den Athos zu einem Anziehungs-
punkt, auch das Leben in diesem gegen die Außenwelt abgeschie-
denen Staat, die Schönheit und Wildheit der Landschaft und nicht
zuletzt die Üppigkeit der Vegetation nimmt jeden Besucher ge-
fangen. Herrliche Wälder saftig grüner Kastanien, Eichen und
Tannen, fließende Bäche und spmdelnde Quellen erfreuen das
Auge, das sich an den kahlen und ausgedörrten Bergen Griechen-
lands satt und müde gesehen hat. Eingebettet in dieses Grün auf
kleinen Rodungen liegen die 20 Hauptklöster des Athos, die in der
Zeit vom 10.-16. Jahrhundert gegründet worden sind und trotz
aller politischen Wirren in ihrer ursprünglichen Form sich bis heute
gehalten haben. Man glaubt sich dort in die Zeit des Mittelalters
und in eine andere Welt versetzt. 16 Klöster haben griechische
Bewohner, je eines mmänische, bulgarische, serbische und russische.
Zur Hälfte etwa liegen die Klöster an der flacheren Ostküste, die
zu geräumigen Niederlassungen Platz bietet und sogar kleine Häfen
bildet (Abb. 8). Zur anderen Hälfte kleben die Klöster gleich

39 Heidelberger Sitzungsberichte 1949. - 541 -


34 WERNER RAUH:

Schwalbennestern an den Steilabstürzen der hafenarmen West-


küste. Mit ihren trutzigen Wachttürmen, Wehrgängen und den
von klaffenden Rissen durchzogenen Schießscharten legen die
Klöster Zeugnis ab von den bestandenen Kämpfen mit Seeräubern
und Piraten. In der Umgebung der Hauptklöster finden sich zahl-
reiche einzeln stehende Häuser, Einsiedeleien und Klausnereien
(Kelleaeen), zum Teil in nur schwer zugänglichen Steilwänden und
Schründen hängend (Abb. 9). Sie werden von Eremiten bewohnt,

Abb. 8. Athos-Ostküste mit Strandbildungcn.

die sich der Welt völlig entzogen haben, sogar den Umgang mit
Klosterbrüdern meiden und ihren Lebensunterhalt sich nur durch
ihrer Hände Arbeit selbst verschaffen.
In der Mitte der etwa 6Meilen langen Halbinsel, umrahmt von
prächtigen Kastanienwäldern, liegt die Hauptstadt Karyes, der
Sitz des Gouverneurs der Athosrepublik und der heiligen Synode,
zu der jedes Kloster einen Bruder entsendet. Sie übernimmt die
innere Verwaltung des Staates, legt die erforderlichen Steuern auf,
entscheidet in Streitfällen zwischen den einzelnen Klöstern. In
Karyes befinden sich auch die Post und die wenigen Kaufleute,
die die zum Leben erforderlichen Dinge, die von außerhalb
kommen, vertreiben. An Markttagen bringen die Mönche selbst-
gefertigte Dinge, hölzerne Löffel, Kreuze mit Schnitzwerk aus Holz
oder Horn und mehr oder weniger schlechte Heiligenbilder nach
dort, durch deren Verkauf sie sich einen kleinen Gewinn zu ver-
schaffen suchen. Karyes ist eine der merkwürdigsten Städte der
Welt, denn sie ist die Stadt ohne Frauen. K ein weibliches Wesen,

- 542 -
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 35

also nicht nur Frauen, sondern auch weibliche Tiere wie Stuten,
Kühe, Schafe, Ziegen und Hennen, darf den Hagion Oros durch
seine Gegenwart "entweihen".
Mit Kasteiungen, Gebetsübungen, Fasten und etwas Garten-
arbeit verbringen die Mönche ihre Tage. Nirgends ist mehr eine
Spur von gelehrtem Triebe und von einer Nutzung der zum Teil
sehr wertvollen Sammlun-
gen patristischer Literatur
zu beobachten. Die tref-
fende Charakteristik, die
GRISEBACH 1839 von den
Athos- Mönchen gegeben
hat, stimmt heute noch
genau so wie vor mehr als
100 Jahren. Es gibt wohl
in Europa kaum einen
Ort, an dem die kulturel-
len Verhältnisse seit dem
Mittelalter so stationär
geblieben sind, wie in den
Athos-Klöstern.
"Unwissenheit, Egois-
mus und an die Stelle der
Religion getretener For-
mendienst steht als das
. h E b· d
endllC e rge nlS es vor dromus. Die Schründe in den Steilwänden
Abb. 9. Athos, Einsiedeleien beim Kloster Pro-
werden
1500 J ahren begonnenen zur Anlage terrassenförmiger Gärten a usgenutzt.
und streng ausgeführten
Versuchs da, in einem zwar kleinen, aber von den übrigen Menschen
sowohl abgesonderten Reiche christliche Entsagung und betrach-
tende Lebensrichtung als Grundlage der Gesellschaft festzustellen"
(GRISEBACH). An anderer Stelle äußert GRISEBACH eine Ansicht ,
der ich auf Grund eigner Erfahrung beipflichte: "Das Streben der
Mönche nach dem, was ihnen annehmlich erscheint, ihre Klagen
und Wünsche sprechen sie so unverhohlen aus, daß man einsieht,
wie viele sich in die Welt zurücksehnen, ihren Eintritt bereuen,
und erinnerten sie sich nicht, daß man dort nur durch Arbeit und
Tätigkeit das Wünschenswerte zu erreichen vermöge, sich gern
von den Klöstern lossagen würden. Sieht man dann plötzlich , w ie
sie sich beschäftigen, und dächte man sich selbst in eine Lage, in

39* -543 -
36 \VERNER RAUH:

der die Zeit inhaltsleer den Geist am drückendsten belasten


müßte, so begreift man kaum, daß sie sich nichtsdestoweniger
jeder selbsttätigen Ausbildung entschlagen und nicht einmal das
Zunächstliegende, die Kenntnis des Altgriechischen zu erwerben
versuchen, indem sie geradezu den indolenten Vorwand aus-
sprechen, daß das Hellenische nicht für den Kirchendienst er-
forderlich sei" (S. 255/56).
Eine Eigenschaft aber zeichnet alle Mönche aus, die man als
Reisender als besonders angenehm empfindet. Sie alle üben außer-
ordentliche Gastfreundschaft aus. Kostenlos wird Speise und Quar-
tier geboten, und ohne von dem "Uso", einem landesüblichen
Anisschnaps, Kaffee mit Honig oder kandierten Früchten genossen
zu haben, darf man das Kloster nicht verlassen.
Die Hauptbeschäftigung der Mönche sind Andacht und Gebets-
übungen. 8 Stunden dauert gewöhnlich der Gottesdienst, vor den
Fastenzeiten steigert er sich sogar bis zu 16 Stunden hintereinander.
Die übrige Zeit wird mit Gartenarbeiten verbracht. Nicht nur die
großen Klöster, auch die kleinen Einsiedeleien sind von Gärten um-
geben, die man in mühevoller Arbeit dem steinigen Boden abringt
und die sich terrassenförmig oft weit die Schluchten hinabziehen
(Abb. 9). Die Gärten machen durchweg einen gepflegten Eindruck
und liefern den Mönchen die wichtigsten Nahrungsmittel. Durch
hohe Mauern schützt man die Pflanzen gegen die kalten Nordost-
Stürme. Auf den fruchtbaren Verwitterungsböden gedeihen in dem
niederschlagsreichen Klima mit großer Üppigkeit viele Garten-
früchte wie Tomaten, Melonen, Gurken, Zwiebeln, Bohnen, Kar-
toffeln, Mais, Kohl u. v. a. Große Weingärten versorgen die Klöster
mit dem unentbehrlichen Wein, Olivenhaine spenden das not-
wendige Öl, und Feigen, Apfelsinen, Zitronen, Pfirsiche, Pflaumen,
Äpfel und Walnüsse bilden eine angenehme Bereicherung des in
manchen Klöstern rein vegetarischen Küchenzettels.
Ursprünglich wie das ganze Leben am Athos ist auch die Vege-
tation, von der GRISEBACH sagt, daß er nirgends in Europa eine
solche Dichtigkeit und Fülle der Vegetation angetroffen habe als
im Heiligen Walde. Heute aber infolge des starken Plenterbetriebes
sind die Vegetationsverhältnisse etwas gestört, und die Athos-
Wälder nehmen immer mehr den Charakter von typischen Nieder-
wäldern an. Der Grund hierfür ist, worauf auch schon MATTFELD
(1937) und REGEL (1943) hinweisen, folgender:

-544-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 37

Früher bezogen die Klöster ihre Einkünfte von außerhalb des


Athos durch freiwillige Spenden der orthodoxen Kirche und ihrer
Landesfürsten. Nach Zusammenbruch des Zarenreiches und nach
Einführung der Agrarreform in Griechenland mußten sich die
meisten Klöster nach anderen Einnahmequellen umsehen. Nichts
lag daher näher, als daß bei der herrschenden Holz- und Kohlen-
knappheit der angrenzenden Länder die Wälder abgeholzt und als
Brennholz oder Holzkohle verkauft wurden. Trotzdem ist es bis
heute noch nicht zu einer solchen Waldverwüstung gekommen, wie
wir sie von anderen Gebieten Griechenlands her kennen. Die Vege-
tation bietet sich deshalb noch fast in der gleichen Üppigkeit und
Fülle dar wie zu den Zeiten GRISEBACHs. Es ist daher auch nicht
weiter verwunderlich, wenn dieses interessante Gebiet, das sich
auf dem waldlosen, bzw. waldarmen Balkan wie eine Oase aus-
nimmt, eine Reihe von Botanikern angezogen und zu mehreren,
teilweise recht ausführlichen und guten Schilderungen Anlaß ge-
geben hat. Unübertroffen ist auch heute noch die Schilderung
GRISEBACHs, der den Berg auf seiner "Reise durch Rümelien und
nach Brussa im Jahre 1839" besucht hat. 1927 hat MATTFELD
den Berg bestiegen zwecks Klärung der Frage der Zugehörigkeit
der Athos-Tannen. Aus dem Jahre 1937 liegen die Arbeiten von
TURILL und ScHACHT vor. Die jüngste Arbeit stammt von REGEL
(1943). Letzterer stellt die Vegetationsverhältnisse des Athos in
den großen Rahmen Griechenlands und Westanatoliens und ent-
lehnt seine Formationsbezeichnungen der Schweizer Pflanzen-
geographischen Schule. Unserer Besprechung legen wir unter Be-
rücksichtigung der zerstreut sich findenden Literatur folgende Ein-
teilung in Vegetationszonen zugrunde.

I. Hügelstufe.
1. Strandformation und Küstenfelsen,
2. Macchie (0-600 m).
II. Montane Stufe.
1. Kastanien-Tannen-Mischwald (600-1300 m),
2. Kiefernwald mit Macchie und sommergrünen Sträuchern
(bei 1300 m),
3· Tannenwald (1300-1500 m).
III. Alpine Stufe (1600-1950 m).

-545-
38 WERNER RAUH:

I. Hügelstufe.
Strandformation.
1.
Da die Küste entlang der ganzen Athoshalbinsel als klippen-
reiche Steilküste ausgebildet ist (Abb. 1 o), kommt es nur an wenigen
Stellen (vor allem an der Ostküste bei Hagion Artemis, Iviron) zu
eigentlichen Strandbildungen (Abb. 8). Kleine, schwer zugäng-
liche Buchten mit einer wenige Meter breiten Geröllzone aus groben
Blöcken sind zahlreicher. In ihnen und in den Spalten der Küsten-
felsen siedelt sich eine charakteristische Flora an, in der folgende
Arten vorherrschen:
Cynodon dactylon Medicago marina
Imperata arundinacea Biserrula pelicinus
Muscari tenuiflorum V icia dasycarpa
Crocus biflorus (Strandfelsen bei Ornithopus perpusillus
Karakalu) Tordylium apulum
Parietaria judaica (Felsspalten) Hippomarathrum cristatum
Silene fabaria (Geröll und Fels- Daucus guttatus
spalten) Crithmum maritimum
Spergularia rubra Eryngium maritimum
sp. salina Orlaya p!atycarpa
Obione portulacoides A nagallis phoenicea
A triplex litoralis Plantaga lanceolata
A. hastata var. microsperma f. salina Pl. maritima
Salsola Tragus Pl. crassifolia var. bissuta
S. Kali Clystegia Soldanella
M athiola sinuata A rmeria sancta
Cakile maritima Statice sinuata (auf flach geneigten
M alcolmia incrassata Küstenfelsen Bestände bildend)
M. flexuosa Verbascum pinnatifidum
Glaucium flavum Campanula rupestris
Phytolacca decandra Centaurea pannosa
Euphorbia peplus C. peucedanijolia (Hafen Daphni)
E. Paralias Inula viscosa
E. chamaesyce M ollugo cerviana.

Als Fremdling konnte ich am Landungsplatz von Kapso-Kalivia


die in Brasilien beheimatete Nicotiana glauca 1 beobachten. Die
auffällige, kugelbuschbildende Chamaepeuce mutica kann nicht als
typische Strandpflanze bezeichnet werden, denn ihr Hauptver-
breitungsgebiet sind die Felsen in etwas größerer Entfernung vom
Strande; häufig ist sie sogar in den Felsheiden anzutreffen. Gern
siedelt sich Ficus carica in den Spalten der Küstenfelsen an. Er
bleibt dort aber immer krüppelhaftund setzt nur selten Früchte an.
1 Die Pflanze scheint in Griechenland weitere Verbreitung zu haben.
Ich konnte sie an ähnlichen Standorten auch auf Oinoussa bei Chios und
auf Evstratios beobachten.

~ 546 ~
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 39

2. Macchie.
Den breitesten Raum am Athos-Finger nimmt die Macchie ein
(immergrüne Region nach GRISEBACH; Stufe des Hartlaubwaldes
nach REGEL). Vom Meeresspiegel bis zu einer durchschnittlichen
Höhe von 400--450 m aufsteigend, stellenweise auch höher bis in
die montane Region eingreifend, umsäumt die immergrüne Region
sowohl die Ost- als auch die Westseite des Fingers (Abb. 10) . Was
zunächst auffällt, ist die unge-
heuere Üppigkeit der Macchie,
von der GRISEBACH und MATT-
FELD übereinstimmend sagen,
daß sie eine solche geschlossene
dichte und hohe Macchie in
ganz Griechenland nicht wieder
beobachten konnten. Ich seihst
'k enne sie in einersolchen Wuchs-
freudigkeit und Üppigkeit nur
von Korsika her. Während dort
aber der Erdbeerbaum ( Arbutus
unedo) das vorherrschende Ge-
hölz ist, ist es am Athos die
Kermeseiche (Quercus coccifera)
zusammen mit anderen immer-
grünen Gehölzen: QtJercus ilex,
Rhamnus alaternus, Laurus no-
büis, Phyllirea media, Olea eu-
ropaea ssp. oleaster, Pistacea Abb.10. Athos, Südküste, im Vordergrund
die mit Macchie bestandene Hügelstufe.
terebinthus, Spartium iunceum,
Arbutus unedo, Calycotome villosa, Fraxinus ornus, Erica arborea,
E. verticillata, Cistus monspeliensis, C. salviaefolius, C. villosus
ssp. creticus. Von den selteneren Bestandteilen sind zu erwähnen
der schöne Arbutus andrachne und der Bastard zwischen A. unedo
und A . andrachne = A. andrachnoides. In bunter Mischung schlie-
ßen die 1-2m hohen Sträucher zu einem solchen Dickicht zu-
sammen, das ohne ausgetretenen Saumpfad zu durchdringen völlig
unmöglich ist . Lianen, wie Rubia peregrina, Smilax aspera, Sm. ex-
celsa, Tamus communis var. cretica, Asparagus acutifolius und Cle-
matis flammula schlingen von Strauch zu Strauch und verflechten
d~s Ganze zu einer undurchdringlichen, kaum lichtdurchlässigen
Wand. So einheitlich die Macchie in ihrer Zusammensetzung auf

-547 -
40 vVERNER RAuH:

der Wanderung vom Kloster Rossikon auf der Westseite über Dio-
nysios, Agios Paulus, Agios Anna, Kapso-Kalivia, Lawra, Iviron
und Karyes auf der Ostseite ist, so wirkt sie doch nie lang-
weilig und ermüdend. Nicht nur das Vorherrschen bald der
einen, bald der anderen Art verleiht der Macchie eine mannig-
fache Ausprägung, auch das mehr oder weniger stark bewegte
Gelände mit den schluchtartig eingeschnittenen Tälern und vor-
springenden, steil ins Meer stürzenden Felswänden unterbricht

Abb. 11. Quercus ilex-Bestand beim Kloster Prodromus.

die Einförmigkeit. Felsheiden, Schluchtwälder, kleine , durch


Menschenhand geschaffene Wiesen und R es te von Hochwald tragen
ferner zur Abwechslung bei. Die letzteren vor allem lassen wichtige
Rückschlüsse auf die Entstehung der Macchie zu. An zahlreichen
Stellen findet man eingestreut in die Macchie kleine Inseln von
Quercus ilex (Abb. 11), Acer monspessulanum und Cercis sili-
quastrum. Auch Quercus coccifera und Phyllira media sind viel-
fach als kleine Bäume anzutreffen. Das alles deutet darauf hin,
daß die Macchie infolge Waldverwüstung aus Hochwald hervor-
gegangen ist. Würde man die Macchie heute sich selbst überlassen,
so würde sie zweifellos schnell zu Hochwald regenerieren. An
einigen Stellen, wie oberhalb des rumänischen Klosters Prodromus,
ist sie auch auf dem besten Wege dazu (Abb. 11). REGEL be-
zeichnet die Pflanzendecke der niederen Regionen deshalb auch
nicht als Macchie, sondern als Hartlaubwald. Nur an exponierten
Standorten, an den windgeblasenen Südwest- und Südostkanten

-548 -
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 41

des Fingers, auf den steilen Kalkfelsen und im Kalkgeröll der Süd-
seite dürfte das Quercus coccifera-Gebüsch eine natürliche Forma-
tion darstellen, denn an diesen Stellen ist die Macchie auffällig arm
und dürftig ausgebildet. Die windgeschorenen Büsche erreichen
nur die Höhe von 50 cm bis 1 m.
REGEL unterscheidet innerhalb der Macchie die beiden Assoziationen
des a) Quercus coccifera- Quercus ilex-Arbutus-Hartlaubwaldes und des
b) Pinus halapensis-Hartlaubwaldes.
Nach den vorherrschenden Arten teilt er die erste Assoziation in fol-
gende Subassoziationen ein:
a) Quercetum cocciferum mixtum,
b) Quercetum ilicis,
c) Quercetum cocciferae,
d) Ericetum arboreae.
Nach meiner Ansicht liegen keine zwingenden Gründe zu einer solchen
Gliederung vor. Wenn REGEL sich schon durch die lokale Häufung einer
Art, von der nicht einmal sicher ist, ob sie nicht anthropogenen Ursprungs
ist, verleiten läßt, so hätte er seine Gliederung weiter führen und das lokale
Vorherrschen der Cistrosen und die durch Auflockerung der Macchie ent-
standenen Felsheiden (Garigues) erwähnen müssen. Es erscheint mir rich-
tiger, die Macchie als eine einheitliche Formation ohne starke Gliederung
in Subassoziationen aufzufassen, eben entstanden aus Hochwald.
Mit der obigen Aufzählung der Gehölze erschöpft sich keineswegs
der Artenreichtum der Macchie. Zwischen den einzelnen Büschen
und auf kleineren Lichtungen siedeln sich noch zahlreiches Gestrüpp
und zahlreiche Kräuter an. Von den weiteren Gehölzen der Macchie
sind zu nennen :
Arbutus andrachne (selten; in größeren Beständen beim Kloster
Rossikon),
M yrtus cummunis,
Crataegus monogyna (auch im Kastanien-Hochwald),
Sorbus torminalis (auch im Kastanien-Hochwald).
Die Cistrosen, Cisttts monspeliensis, C. salviaefolius, C. villos~ts
ssp. creticus haben nur eine lokale Verbreitung. Auf der West-
seite sind diese zwischen Dionysios und Hagion Anna zusammen mit
Euphorbia dendroides und E. spinosa anzutreffen. Auf der Süd-
seite sind sie mit Erica arborea auf die trockensten und sonnen-
durchglühten Hänge zurückgedrängt und bilden häufig nicht
unwesentliche Bestandteile der Felsheiden. Auf der Ostseite
wachsen die Cistrosen zusammen mit Erica arborea und E. verti-
cillata.
Häufig, aber lichte Stellen bevorzugend und meist auf Eichen
schmarotzend, ist Osyris alba. Gleich einer Liane überzieht Ephedra

-549 --
42 vVERNER RAUH:

campylopoda unterhalb der Klostersiedlung Kapso-Kalivia mit


ihren 1 -2 m langen Sprossen Quercus- und Rlzamnus-Büsche und
hüllt diese vollkommen ein.
Von geringerer Bedeutung sind: Juniperus oxycedrus, Ruscus
aculeatus, R. hypoglossum, Paliurus aculeatus, Coronilla emeroides,
Ostrya carpinifolia, Corylus avellana, Colutea arborescens, Cytisus
laniger, Quercus lanuginosa. An feuchteren Stellen wachsen: Hedera
Helix, Vitis silvestris und Humulus lupulus.
Die Macchie zeichnet sich jedoch nicht allein durch einen großen
Reichtum an Holzarten aus, auch zahlreiche Kräuter und Stauden
wachsen überall dort, wo sie genügend Licht vorfinden, also vor-
wiegend am Gebüschrand und im niederen Quercus coccifera-
Gebüsch 1 :
Ephedra distachya Orchis provincialis
A ira capillaris 0. quadripunctata
A vena sterilis 0. morio
Dactylis glomerata 0. T ridendata
Briza maxima 0. pseudosambucina
M elica ciliata var. M agnolii A nacamptis pyramidalis
(auch in Felsheiden) A rum orientale ssp. elongatum
Bromus scoparius (bei Chilandari) A. Pelteri var. nigrum
A rrhenaterum elatius Serapias vomeracea
Gastridium ventriculosum (beiDaphni) ]uncus pygmaeus (auf Wegen)
Asphodelus microcarpus Anemone hortensis
Asphodeline lutea (bei Prodromus A. nemorosa
häufig) Ranunculus rumelicus
Ornithogalum tenuifolium R. muricatus (quellige Orte)
0. nanum (bei Prodromus häufig) R. ficaria ssp. grandiflora
A llium trifoliaturn R. incomparabilis
A. margeritaceum (bei Prodromus) Parietaria lusitanica
A. sphaerocephalum Rumex sanguineus
A. ursinum (bei Sirnon Petra) Alyssum umbellatum
Pancratium maritimum A. saxatile (an Klostermauern, bei
Romulea Linaresii ssp. graeca Lawra auch in Felsheiden)
A risarum mügare Biscutella ciliata (auch in Fels-
Dracunculus vulgaris ssp. creticus heiden)
Galanthus graecus Aubrietia deltoidea (auch in der
Gagea amblyopetala Mattenregion)
Iris Reichenbachii Brassica cretica var. nivea (bei
Fritillaria pontica Hagion Anna)
Scilla autumnalis Clypeola J onthlaspi
Crocus pulchellus Cardamine hirsuta
Cephalanthera longifolia C. graeca
C. damascenia Crambe hispanica
1 Die in den folgenden Listen aufgeführten Pflanzen wurden größten-

teils von mir selbst gesammelt. Die Bestimmung übernahm Prof. BoRN-
MÜLLER t (Weimar), wofür ich ihm großen Dank schulde. Die Listen
wurden nach der vorhandenen Literatur ergänzt.

-550-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 43

Lunaria annua ssp. pachyrhiza Coronilla emeroides


N asturtium lippicense C. glauca
Alliaria officinalis Astragalus macedonicus
M alcolmia flexuosa H ymenocarpus circinatus
A rabidopsis Thaliana Anthyllis Hermanniae (auch in Fels-
Fumaria macrocarpa heiden und auf Küstenfelsen)
F. Thurettii Dorycnium herbaceum
Cerastium manticum Lathyrus grandiflorus
C. viscosum L. digitatus
Polycarpon tetraphyllon L. villosus
Dianthus chalcideus V icia pannonica
Silene armeria V. onobrychoides
S. vulgaris V. grandiflora var. Kitaibelia
S. flavescens V. villosa
S. W aldsteinii V. melanops
Kohlrauschia velutina V. B arbacitae
Fumana thymifolia (auch in Fels- Lupinus angustijolius
heiden) L. Terminus
F. ericoides Adenocarpus intermedius
Tuberaria guttata (auf dem Longos Lotus angustissimus
als Strandpflanze) L. aegaeus
Saxifraga rotundifolia (an quelligen Pisum elatius
Orten) Ornithopus compressus
Geranium purpureum 0. ebracteatus
G. asphodeloides Trifolium subterraneum
G. malle T. uniflorum
Erodium malacoides T. procumbens
M alva moschata T. arvense
A lthaea cannabina T. pratense
Lavertera unguiculata T. campestre
Linum gallicum T. glomeratum
L. corymbulosum (zwischen Fels- T. 1'adiosum
blöcken) T. scabrum
Viola hirta T. tomentosum
V. hymettica T. ochroleucum
V. alba ssp. scotophylla f. violacea T. diffusum
V. Kitaibeliana T. spumosum
V. alba T. repens
V. alba ssp. thessala T. speciosum
Hypericum Montbretii T. Lagrangei
H. angustifolium Onobrychis caput galli
H. perforaturn Trigonella monspeliacea
H. perforaturn f. angustifolium M edicago coronata
H. origanifolium Securigera coronilla
H. rhodopaeum Scorpiurus subvillosus
H. crispum Umbilicus pendulinus (an Mauern
H. Spruneri (die meisten Hyperi- und im Schatten von Fels-
cum-Arten sind auch in den Fels- blöcken)
heiden anzutreffen) Sedum glaucum var. Buxbaumii
Phytolacca decandra 5. cepacea
Psoralea bituminosa 5. athos
Cytisus hirsutus Euphorbia spinosa (häufig bei Pro-
C. triflorus dramas)

- 551
44 WERNER RAUH:

E. veneta Cynoglossum creticum


E. dendroides A nchusa italica
E. oblongata A. officinalis var. moesiaca
E. verrucosa Lithospermum purpureo-coeruleum
E. amygdaloides (auch in der Tannen- (auch in Felsheiden)
Kastanienregion) Echium plantagineum
E. apios Cerinthe minor
E. characias Lamium garganicum var. glabratum
E. helioscopia L. amplexicaule
E. deflexa (auch im Geröll oberhalb Salvia triloba
des Mischwaldes) S. Horminium
A ndrachne telephioides 5. verbenaca
Crozophora tinctoria Stachys arvensis
Fragaria vesca Ajuga chamaepytis var. [ randiflora
Poterium spinosum Thymus heterotrichus
Potentitla hirta Teucrium chamaedrys var. eucha-
Rubus tomentosus maedrys
A melanchier vulgaris Origanum heracleoticum
Pimpinetla peregrina Stachys leucoglossa (auch in Fels-
Daucus guttatus heiden)
Eryngium creticum Melissa officinalis
Lagoecia cuminoides M elittis melissophyllum
Scaligera cretica Lavandula Stoechas
Smyrnium perfoliaturn Phlomis samia (auch im Tannen-
Sm. orphanides (auch auf Küsten- Kastanien wald)
felsen) 5crophularia heterophylla ssp. lacini-
Ferula communis ata var. variegata
Ferulago monticola (Karyes) Sc. peregrina
Orlaya platycarpa (auch auf Wiesen Veronica cymbalaria
und Matten der höheren Region) Digitalis leucophaea (auch im Misch-
Cyclamen neapolitanum wald)
Lonicera xylosteum D. lanata
Galium erectum D. viridiflora
G. verticilhtum Orobanche M uteli
G. murale (Chilandari an Mauern) Linaria genistifolia
Rubia Olivieri Plumbago europaea (häufig im Quer-
Asperula longiflora cus-Ilex-Wald)
Valeriana Dioscoroides Globularia Alypum
V. carinata G. aphylanthes
V alerianella coronata Campanula Andrewsii var. Lawrenis
Centhranthus Sibthorpii (an feuchten Mauern beim Brun-
Crucianella latifolia nen im Kloster Lawra)
Cephalaria ambrosiades C. glomerata
Cionura erecta C. lingulata
Aristolochia pallida C. persicifolia (auch in höheren Re-
Vincetoxicum speciosum gionen)
V inca herbacea C. Erinus
Chlora perfoliata C. trachelium ssp. athos (im Gebüsch-
Gonvolvulus cantabricus (auch im Fels schatten)
und auf Wiesen) 5 pecularia pentagonia
C. elegantissimus Calendula arvensis
Cerinthe maior Jurinea mollis
Alkanna graeca Leontodon tuberosus var. Oliveri

-552-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 45

Phagnalon graecum (auch in Fels- 5. foeniculaceus


heiden) 5. vernalis
Inula Aschersonia var. athoa Cichorium pumilum
Scorzonera mollis Lactuca muralis
Tragopagon dubius L. cretica
Be!Jis hybrida Doronicum caucasicum
Crupina crupinastrum (auch in Fels- Cirsium acarna
heiden) Centaurea diffusa
Lagoseris sancta Crepis foetida ssp. eufoetida
5enecio lividus Thrincia tuberosa (Olivenhaine)

Verhältnismäßig arm ist die Macchie an Pteridophyten. An


Mauern wachsen:
Ceterach officinarum Asplenium trichomanes
N otochlaena marantae Polypodium vulgare

Auf Lichtungen und im niedrigen Quercus coccifera-Gebüsch


breitet sich herdenweise Pteris aquilina aus; zwischen Felsblöcken
und im Geröll siedelt sich Cystopteris regia an; im Schatten von
Gebüsch kann man Asplenium fissum, Asplenium adiantum nigrum,
Aspleni1,t,m lanceolatum var. obovatum (auch im Wald), Cheilanthes
fragans, Scolopendriztm vulgare, Dryopteris pallida und Cystopteris
fragilis finden. Feuchte Orte, Bäche, Quellen und Brunnen bevor-
zugt Adiantum capillus veneris, der dort in üppigen Beständen auf-
tritt (am Brunnen in Kapso-Kalivia und an der Quelle des Hlg.
Athanasios).
Rasenbildend ist Selaginella denticulata, die am Athos, wie auch
an anderen Orten Griechenlands vorwiegend in der Quercus ilex-
l\Iacchie gedeiht. Von Chilandari auf der Nordostseite der Halb-
insel wird noch Ophioglossum vulgatum erwähnt.
Als besondere Ausbildungsform der typischen Macchie (Quer-
cetum cocciferos~tm mixtum nach REGEL) seien die in die Gebüsch-
zone eingestreuten Waldinseln, hauptsächlich von Quercus ilex
(Quercetum ilicis nach REGEL), erwähnt, die nur lokale Verbreitung
haben und vermutlich Reste des ehemals die unteren Lagen bedek-
kenden Hochwaldes darstellen. Heute ist dieser Wald meist nur
auf Schluchten und Tälchen beschränkt. Auf dem Wege von
Kapso-Kalivia nach Prodromus und Lawra durchquert man einige
dieser Waldinseln (Abb. 11). An ihrem Aufbau beteiligen sich in
erster Linie Quercus ilex, Qu. lanuginosa, Fraxinus ormts, Ostrya
carpinifolia, prächtige Exemplare von Acer monspess11lanum und
Cercis siliquastrum. Letzter bietet zur Blütezeit einen unver-
geßlichen Eindruck und gehört zu den auffälligsten Erscheinungen

-553-
46 WERNER RAUH:

der nordgriechischen Wälder. Ein kleiner, aber prächtiger Eichen-


wald findet sich oberhalb des rumänischen Klosters Prodromus bei
den Einsiedeleien (Abb. 11). Alte, knorrige Exemplare von Quercus
ilex sind gemischt mit Quercus lanuginosa und Cercis siliquastrum.
In ihrem Schatten breitet sich ein üppiger Unterwuchs von Sam-
bucus Ebulus, S. nigra, Malva moschata, Althaea cannabina, Rubus
tomentosum, Origanum heracleoticum, Plumbago europaea, H yperi-
cum perforatum, Ranunculus muricatus, R. jicaria ssp. grandiflora,
Cyclamen neapolitanum, Euphorbia amygdaloides, Arum italicum und
Rosa spinosissima aus. Die Lichtungen werden von Pteris aquilina
eingenommen.
Eine sehr untergeordnete Rolle am Athos spielt die Aleppo-
kiefer ( Pinus halapensis), die auf der übrigen Chalkidike als
Waldbaum ein ziemlich großes Areal einnimmt. Auf der Athos-
Halbinsel tritt sie nur vereinzelt oder in kleineren Gruppen, nie
aber waldbildend in Erscheinung. MATTFELD beobachtete sie auf
dem Wege von Daphne nach Karyes in einer Höhe von 200-300 m
zusammen mit Pinus Pallasiana und an der Ostküste nordwestlich
von Iviron, unweit der Quelle des Hlg. Athanasios. Von der
gleichen Stelle gibt sie bereits GRISEBACH an. Ich selbst beobachtete
ein kleines Vorkommen unterhalb des Klosters Provatu auf der
Ostküste. Ein weiterer Standort von Pinus halapensis befindet
sich nach REGEL bei den Klöstern Vatopedi und Zoographu. Erst
nördlich Chilandari wird die Aleppokiefer häufiger.
Der von mir durchquerte Aleppokiefernbestand ließ im Früh-
jahr folgenden Unterwuchs erkennen:
Erica arborea (häufig) Quercus coccijera
E. verticillata M yrtus communis
A rbutus unedo Smilax aspera
Quercus ilex Asphodelus microcarpus
Cistus villosus A risarum vulgare
H ypericum perforaturn Anemone hortensis
Phyllirea media Osyris alba
Fraxinus ornus Ruscus aculeatus

Der Kiefernwald ist arm an Kryptogamen. Farne beobachtete


ich nicht, dagegen zahlreiche Moose und Flechten 1 •
Das starke Zurücktreten der Aleppokiefer am Athos-Finger hat
in der Literatur zu verschiedenen Vermutungen Anlaß gegeben.
REGEL ist sich nicht klar darüber, ob die wenigen Vorkommen von
1 Meine gesamte Moos- und Flechtensammlung ist in den Kriegswirren

verloren gegangen, bevor sie bestimmt werden konnte.

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Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 47
Pinus halapensis anthropogenen Ursprungs sind. Er wirft deshalb
auch die unbeantwortete Frage auf: "Sind die Exemplare von
Pinus halapensis am Athos Relikte ehemals größerer Bestände oder
Vorposten der auf der Chalkidike größeren Wälder ?" TURILL
glaubt, daß die lichtbedürftigen Keimlinge von Pinus halapensis
sich in der dichten und schnellwüchsigen Macchie nicht halten
können und aus diesem Grunde die Aleppokiefer nicht in Er-
scheinung tritt. Dieses Argument erscheint mir jedoch nicht stich-
haltig, denn ich konnte zwischen den mannshohen Büschen von
Erica arborea und Quercus coccifera in größerer Zahl schon meh-
rere Jahre alten Kiefernjungwuchs beobachten. Die gleiche Fest-
stellung konnte ich auch auf Mytiline machen.
Auf trockenen, sonnendurchglühten Hängen wird die Macchie
sehr arm an Gehölzen. Alle anspruchsvolleren Holzarten treten
zu Gunsten von Quercus coccifera zurück. Mit zunehmender Steil-
heit des Geländes lockert sich auch dieses Gebüsch schließlich auf
und macht Felsheide-ähnlichen Formationen Platz. Es sind meist
Xerophyten, die mit ihren langen Pfahlwurzeln tief in die Spalten
des Gesteins eindringen. In der Felsheide begegnen uns zahlreiche
Pflanzen der Macchie wieder, die sich hier im prallen Sonnenlicht
erst zur vollen Üppigkeit entfalten. Aus der Macchie wandern in
die Felsheiden vor allem dornenlose und mit Dornen bewehrte
Kugelsträucher wie die schöne Chamaepeuce mutica, Anthyllis
Hermanniae, Euphorbia spinosa, E. dendroides, Poterium spinosum,
ferner: Quercus coccifera (Kümmerform), Rhamnus alaternus, Rhus
coriaria, Juniperus oxycedrus, Cistus monspeliensis, C. salviaefolius,
Crataegus monogyna, Osyris albaund Ephedra campylopoda. Vor-
herrschend sind auch Labiaten, unter denen die endemische Stachys
leucoglossa eine besondere Rolle spielt. Origanum heracleoticum
bildet große Büs~he, zwischen denen Micromeria fuliana var.
angustifolia, M. graeca, Tet.ecrium divaricatum, T. polium, Salvia
Horminium, Satureia thymbra und Scutellaria albida in bunter
Mischung durcheinander wachsen. Von den weiteren Bestandteilen
der Felsheiden seien erwähnt:
Bromus sterilis Asphodeline lutea
Briza maxima Fritillaria pontica
Lagurus ovatus Arisarum vulgare
Poa bulbosa A rum italicum
Melica ciliata var. Magnolii Aristolochia pallida
Agrostis verticillata Biscutella ciliata
Asphodelus microcarpus Papaver hybridum

-555-
48 WERNER RAUH:

Silene inflata Gonvolvulus cantabricus


Trifolium nidificum Centhranthus ruber
T. arvense C. Sibthorpii
Ornithopus ebracteatus Crucianella latifotia var. monspe-
Psoralea bituminosa liacea
Dorycnium herbaceum Galium mollugo
Coronilla Emerus var. multiflorus Vincetoxicum fuscatum var. Athoum
Spartium junceum Campanula erinus
Sedum altissimum Verbascum banaticum
Helianthemum thymifolium V. phoeniceum
Geranium purpureum Plantaga Iagopus
G. rotundifolium Pt. Bellardi
Linum angustifolium PI. coronopus
L. elegans Pl. lanceolata
H ypericum rhodopaeum Scabiosa Webbiana
H. perforaturn var. latifolium Zacyntha verrucosa
H. origanifolium Inula candida
Ruta graveolens Picris pauciflora
Thesium Bergeri Phagnalon graecum
Foeniculum vulgare Filago gallica
Eryngium campestre Grepis neglecta
Smyrnium orphanides C. pulchra
Lagoecia cuminoides Pallenis spinosa
Linaria genistifotia Senecio vernalis
Onosma paradoxa Taraxacum megalorrhizon
Orobanche caryophyllacea Crupina crupinastrum
L ithospermum purpureo-coeruleum Hedypnois rhagadioloides ssp. cretica
Cerinthe minor Parentuceltia latifolia
Eingestreut in die Macchie liegen kleine durch Menschenhand
geschaffene Wiesen, deren Vegetation stark durch den Menschen
und den Weidebetrieb beeinflußt ist. Auf diesen Wiesen zwischen
Lawra und Prodromus, die in den Sommermonaten schon stark
ausgebrannt waren, konnte ich folgende Arten beobachten:
Dactylis glomerata T. repens
Phleum ambiguum Psoralea bituminosa
Sorghum halapense(größereBestände) Medicago lupulina
Cynodon dactylon Geum urbanum
Brachypodium silvaticum (am Ge- Agrimonia Eupatoria
büschrand) Rumex acetosella
Briza maxima Linum gallicum
A rum italicum M alva moschata
Fritillaria pontica A lthaea cannabina
Asphodelus microcarpus Geranium lucidum
Lilium Heldreichii Foeniculum vulgare
Corydalis Wettsteinii F erula communis
Galanthus graecus Viola hirta
Ranunculus ficaria ssp. grandiflora Erythraea maritima
Alliaria officinalis Trixago maritima
Anemone hortensis Galium constrictum (feuchte Stellen)
Trifolium resupinatum (an feuchten Periploca graeca
Stellen) Sambucus Ebulus

-556-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 49
Lamium striatum Am vValdrand und im Schatten vom
Symphytum tuberosum Gebüsch wachsen:
Scrophularia alata
Cyclamen neapolitanum
Veronica cymbalaria
Campanula trachelium
Leontodon autumnalis
C. persicifolia
Bellis hybrida
Heracleum sphondylium
B. perennis
H. sibiricum
Hieracium praealtum
Asplenium fissum
Chondrilla juncea
Polypodium vulgare
Cichorium pumilum
Meist werden die Wiesen von kleineren Bächen durchflossen,
die von einer charakteristischen Sumpf- und \Vasserpflanzenflora
umsäumt werden:
Pulicaria uliginosa Cirsium ligulare ssp. albanum
Sonchus oleraceus Ranunculus muricatus
Eupatorium cannabinum R. peltatus
Lysimachia punctata R. paucistamineus
Scrophularia lucida R. ophioglossoides
S. alata R. sarduus
Verbena officinalis N asturtium officinale
Brunella vulgaris Saxifraga hederacea
Mentha pulegium f. tomentella M ontia verna
Lythrum Salicaria ]uncus bufonius
Epüobium parviflorum Heleocharis palustris
E. lanceolatum Scirpus setaceus
Veronica Beccabunga Sc. Savii
Rumex sanguineus Carex distans
R. crispus C. divisa var. chaetophylla
A ngelica silvestris C. acuta
Polygomum hydropiper Sorghum halapense
Humulus lupulus A rundo Donax
Rubus spec.
An größeren Bächen, die in den weichen Schiefern schlucht-
artig die Macchie durchschneiden, finden sich außerdem die kon-
stanten Flußbegleiter Griechenlands, wie prächtige Exemplare ur-
alter Platanen ( Platamts orientalis), Pyramidenpappeln, Oleander,
Tamarisken (Tamarix tetranda), Vitex agnus castus, Gomphocarpus
jruticosus, Salix albaund Salix caprea. Kommt es in den Talböden
zu einer Versumpfung, wie dies zwischen Iviron und Lawra mehr-
fach der Fall ist, so siedeln sich größere Bestände von Alnus gluti-
nosa an (Abb. 12), an Stärke und Verzweigung der Kastanie nicht
nachstehend, ohne Unterholz, jedoch in ihrem Schatten einem
dichten Gefilde von Equisetum Telmateia, Arundo Donax und
Bidens tripartita Raum gewährend. Zu diesen gesellen sich:
Orobus niger Circaea lutetiana
M elittis melissophyllum Arabis hirsuta
Festuca drymea Limodarum abortivum

40 Heidelberger Sitzungsberichte 1949. -557-


50 WERNER RAUH:

Cyclamen neapolitanum C. remota


Bellis hybrida Humulus Lupulus und Hedera Helix
Sonchus oleraceus schlingen von Baum zu Baum
Lactuca muralis und dazwischen wachsen schöne
Heracleum sibiricum Büsche des am Athos seltenen
Smyrnium orphanides Königfarns (Osmunda regalis)
Saxifraga rotundifolia (s. auch GRISEBACH S. 266)
Carex pendula
Wie schon einleitend erwähnt, fällt in die immergrüne Stufe
auch die Kulturregion. Durch Roden und intensive Bewässerung

Abb. 12. Alnus glutinosa-Wald in einem Flußtal zwischen Lawra und Iviron.

des an sich fruchtbaren Verwitterungsbodens haben die Mönche


Ackerland geschaffen, auf dem sie einen großen Teil ihrer täglichen
Nahrung bauen. Umgeben werden die Klöster von Weingärten
und Olivenhainen. Walnüsse, Feigen, Pfirsiche, Aprikosen, Zitronen
und Apfelsinen gedeihen an geschützten Stellen prächtig.
In der Nähe der Klöster und auf den Feldern siedelt sich wieder-
um eine charakteristische Flora an, auf die schon GRISEBACH kurz
verwiesen hat:
Lamium striatum Barisch a viscosa
L. moschatum Papaver hybridum
Lythrum hyssopifolia Lepidium spinosum
Berteroa orbiculata Cleome aurea
Pisum elatum V icia narbonensis
Lathyrus aphaca V . bythnica
Lotus conimbricensis Specularia speculum
Bisserula pelicinus Silene gallica
Campanula ramosissima Ranunculus Heldreichianus
C. phrygia Nigella arvensis var. microcm·pa

- 558 -
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 51
Polycarpon alsinaefolium X. strumarium
Carthamus dentatus Ecballium elaterium
Centaurea diffusa H eliotropium europaeum
Atriplex hortensis (verwildert?)
Polygonum Bellardi In den Spalten der Mauern
Rumex acetosella siedeln:
Crucianella latijolia Asplenium trichomanes
Gonvolvulus tenuissimum Polypodium vulgare
C. hirsutus N otochlaena M arantae
Heliotropium europaeum Adiantum capillus veneris (feuchte
H. suaveolens Mauern)
Cynoglossum pieturn
Veronica acinifolia Campanula Andrewsii var. Lawrensis
C. Erinus
Linaria elatine
Alyssum saxatile
Microlonchus salmanticum
Parietaria lusitanica
H ypericum crispum
P. vulgaris
Scandix australis
Fumaria capreolata
Equisetum elongatum
Galium murale
Auf wüsten Plätzen und in der Veronica arvensis
Umgebung von Wohnungen kann Rosmarinus officinalis
man folgende Ruderalpflanzen sam- Siderites romana
meln: Umbilicus pendulinus
H yoscyamus albus und zahlreiche Moose
X anthium spinosum

I I. Montane Stufe ( 600- 1500 m).


4. Kastanien- Tannen-Mischwald (600-1300 m).
Die montane Stufe der Athos-Halbinsel ist das Reich der Wäl-
der, die sich in einer Höhe von 600-1300 m erstrecken, teilweise
aber auch bis 1500 m aufsteigen. Ohne scharf ausgeprägten Über-
gang schließen sie an die immergrüne Region an und bilden auf
dem eigentlichen Athos-Finger mit seinen nirgends die 1000 rn-
Grenze überschreitenden Bergen den sog. "Heiligen Wald". Es ist
ein Mischwald von einer Üppigkeit und Dichte, wie er in Griechen-
land kaum wieder angetroffen wird. Am Athos-Berg selbst ist der
Wald nur in den niederen Lagen geschlossen; in höheren Regionen
lockert er sich der orographischen Beschaffenheit des Geländes zu-
folge auf und zieht sich streifenförmig in Schluchten zwischen den
exponierten und waldfeindlichen Graten herab (Abb. 15). Nicht
selten, vor allem in Flußtälern, greift der Wald in die Macchie C'in,
verzahnt sich mit dieser und steigt sogar bis zum Meer hinab
(Täler zwischen Karakalu und Lawra).
Zwei Bäume sind es, die sich besonders am Aufbau der Wälder
beteiligen: die Kastanie (Castanea vesca) und die Tanne ( Abies
Borisii regis). Letztere steigt aus den höheren Regionen herab und

40* -559-
52 WERNER RAUH :

soll nach verschiedenen Beobachtungen in den niedrigen Lagen


steril sein. Vorherrschend ist die Kastanie, die stellenweise - die
Kalkhänge der Südseite ausgenommen - reine Bestände bildet.
Das Vorherrschen der Kastanie dürfte wohl nicht natürlich und
vielmehr auf menschlichen Einfluß zurückzuführen sein. Wie
schon eingangs erwähnt, fallen große Teile des Waldes der Holz-
kohlenbrennerei zum Opfer, was zu einer Bt>vorzugung der schnell-
wüchsigen Kastanie ge-
führt haben dürfte. Nach
Aussagen von Mönchen
wird in Abständen von
10 Jahren der Wald abge-
schlagen. Die Kastanie ist
jedoch sehr regenerations-
fähig und erzeugt an der
Basis des in einer Höhe von
1m abgeschlagenen Haupt-
stammes neue Schößlinge,
die schnell heranwachsen
und schon nach wenigen
Jahren wieder blühen und
fruchten.
Dem Kastanien-Tan-
nen-Mischwald (Abb. 13)
sind noch zahlreiche an-
dere immer- und sommer-
Abb. 13. Athos, Tannen·Mischwald.
grüne Gehölze beigemischt.
Im Frühjahr, wenn die
sommergrünen Gehölze noch unbelaubt sind, erhält man von
erhöhten Standpunkten einen guten Einblick in die Zusammen-
setzung des Waldes. Auf der Südseite, oberhalb Prodromus
und Kapso-Kalivia, mischen sich prächtige Exemplare von Ilex
aquifoliztm ein, die vielfach die Höhe der Tannen erreichen, im
Frühjahr über und über mit roten Früchten bedeckt sind und
einen prächtigen Schmuck des Waldes bilden. An feuchten Stellen,
so bei den "Kalten Wassern" (Kryo nero), sind größere Bestände
der Zitterpappel ( Populus tremula) anzutreffen. Auf trocknen
und steileren Hängen siedelt sich die sommergrüne Eiche Quercus
Frainetto an, die lokale Reinbestände bildet. Auf diesen Bäumen
schmarotzt Loranthus europaeus. Ebenfalls trockne und lichte Orte

- 560 -
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 53

bevorzugt die Hopfenbuche (Ostrya carpinifolia). In den Schluchten


steigt die Platane ( Platanus orientalis) empor. Auf der Westseite,
auf dem Wege vom Kloster Hagios Paulus nach Karyes nimmt
der Mischwald durch das Hinzutreten der Buche (Fagus silvatica)
mit einem Unterwuchs von Plathanthera bifolia, Neottia nidzts avis,
Veronica serpyllifolia, M elittis melissophyllum und Buxus Semper-
virens durchaus mitteleuropäischen Charakter an. Untergeordnete
Elemente des Mischwaldes sind: Acer psettdoplatanus, Acer mon-
spessulanum (an lichten Stellen), Quercus ilex, Pirus domestica,

Abb. 14. Athos, Corylus avellana-Gebüsch bei Karyes.

Sorbus torminalis, Jtmiperus oxycedrus. Die Strauchschicht wird


gebildet von: Evonymus latifolius, Sambucus nigra, Daphne lau-
reola, Genista tinctoria, Ruscus hypoglossum, R. aculeatus. Der
letztere tritt oft in solchen Massen auf, daß es unmöglich er-
scheint, den Wald zu durchqueren. An der Grenze zwischen Wald
und Macchie dringen von Seiten der Macchie Fraxinus ormts, Laurus
nobilis, Quercus ilex und Corylus maxima in den Wald ein. Ein
dichtes Gebüsch bildet die Haselnuß auf einer kleinen Lichtung
oberhalb Karyes (Abb. 14) \ die im Frühjahr einen prächtigen
Blumenflor trägt. Große weiße Flecken von Schneeglöckchen,
vermischt mit dem Blau von Scilla bifolia und Crocus athous, mit
dem flammenden Rot von Anemone hortensis und dem Gelb von
Ranunculus ficaria ssp. grandiflora erfreuen das Auge. Fritillaria
pontica, Tulipa Celsiana var. montana, Cyclamen neapolitanum,
1 Es dürfte sich hier wohl um eine Anpflanzung von Corylus handeln.

- 561 -
54 WERNER RAUH:

Hedera Helix, Corydalis Wettsteinii, Viola silvestris, V. Riviniana,


Lactuca muralis, Heracleum sibiricum, Arum italicum, Symphytum
ottomanum, Ranunculus lanuginosus (?, nicht blühend) Polypodium
vulgare, Asplenium adiantum nigrum und Aspidium aculeatum
sind weitere Bestandteile dieser üppigen, von einem kleinen Bach
durchflossenen Vegetation. An Mauern und zwischen wasserüber-
rieselten Felsblöcken wachsen: Umbilicus, Saxifraga rotundifolia,
Lamium striatum und eine reiche Laub- und Lebermoosflora.
Von einer kaum vorstellbaren Üppigkeit sind die Lianen im
Hochwald des Athos. Bis in die höchsten Baumgipfel steigt Hedera
Helix, die dicken Stämme der Kastanie vollständig einhüllend.
Als dicke Taue hängen die Sprosse von Clematis vitalba von den
Bäumen herab. Smilax aspera, Sm. excelsa und Tamus cretica,
zusammen mit Rubus fruticosus und Rosa canina verflechten sich
stellenweise zu einem undurchdringlichen Dickicht. Die Wedel
des die Lichtungen überziehenden Adlerfarns (Pteris aquilina)
erreichen nicht selten die Höhe von mehr als 2 m und steigen dann
gleich Lianen in die Baumgipfel empor.
Von einer großen Luftfeuchtigkeit im Innern des Waldes zeugen
die zahlreichen Baummoose und Flechten. In dicken Bärten hängen
von den Zweigen der Kastanien und Eichen Bartflechten und
Parmelien herab, und die Rinden der Bäume sind über und über
bedeckt mit Sticta pulmonatia.
Neben der großen Luftfeuchtigkeit herrscht auch eine große
Bodenfeuchtigkeit, die zur Bildung einer dicken Humusschicht bei-
trägt. Nicht allein die zahlreichen Quellen und Bäche, die an
der Kontaktzone von Marmor und Urgestein auftreten, spenden
Wasser, sondern auch die winterlichen Niederschläge, die meist
als Schnee fallen. In dem auf den milden Winter 1943 folgenden
Frühjahr reichte der Schnee Ende März auf der Nord- und Nord-
ostseite noch bis auf 500 m herunter und bildete in dieser Höhe
stellenweise eine geschlossene Decke bis zu 1m Dicke. An schattigen
Stellen hält der Schnee sich bis Ende Mai und Anfang Juni. Bei
der Schneeschmelze entsteht dann soviel Wasser, daß der als
Schwamm wirkende Humusboden noch im Sommer gut durch-
feuchtet ist, wodurch die Voraussetzung zum Gedeihen einer üppigen
Staudenflora auch im Hochsommer gegeben ist.
Im Frühjahr bedecken auf weite Strecken hin Galanthus graecus,
Scilla bifolia und der endemische Crocus athous den Waldboden.
Auf lichten und trocknen Stellen leuchten die azurblauen Blüten

-562-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 55

von Anemone blanda; in den F eisspalten von Marmorblöcken siedelt


sich Ranuncultts incomparabilis an. Ranunculus ficaria ssp. grandi-
flora, Euphorbia amygdaloides, Ranunculus muricatus, Lamium
striatum, Viola st'lvestris, V. Riviniana, Potentilla micrantha, Vero-
nica cymbalaria, Tussilago farfara (an Quellen) und Stellaria media
vervollständigen den Frühlingsflor. Viel üppiger aber ist die
S crr IDEevegetation mit folgenden Arten:
L uzuta silvatica S. muricata
L. Forsteri S. geoides
Carex pendula (an Bächen) A remonia agrimonioides
C. vemota (an Bächen) Astragalus glycyphyllus
M elica uniflora Lathyrus niger
Planthanthera chlorantha L. venetus
Cephalanthera rubra Orobus hirsutus
Limodarum abortivum Vicia Barbazitae
Orchis simia Cytisus hirsutus
0. 1·omana M edicago falcata
Asphodelus microcarpus Trifolium Boissieri
Rumex creticus (an Bächen) T. patulum
R. acetosella (lichte Stellen) Dorycnium herbaceum
Silene nemoralis Bupleurum comutatum
S. italica var. athoa (Kerasia) Sanicula europaea
Cerastium glomeratum Ferulago monticola
A ristolochia rotunda Ramischia secunda
Anemone nemorosa Lysimachia punctata (an Bachufern)
Cardamine hirsuta Cyclamen neapolitanum
C. bulbifera (feuchte Stellen) Stachys cassia
C. graeca (Karyes) St. italica
Avabis verna f. Turrita Lamium bifidum
A lyssoides utriculatum var. graecum M elittis melissophyllum
I satis praecox Brunella vulgaris
A lliaria officinalis Mentha viridis var. minuidonta (an
Hesperis glutinosa Bächen)
Erysimum calycinum M. pulegium var. tomentella
Berteroa obliqua Scutellaria albida
H ypericum vesiculosum Calamintha suaveolens
H. perfoliatum Thymus heterotrichus
H. rhodopaeum (lichte Stellen) Phlomis Samia
Helianthemum vulgare Lithospermum officinale
Viola alba M yosotis cadmea
Geranium lucidum Veronica chamaedrys
G. striatum Symphytum ottomanum
Epilobium parviflorum (an Bächen) Scrophularia Balbisii
Sedum album var. athoum Sc. peregrina (an Bachufern)
Digitalis leucophaea
S. ochroleucum
Atropa Belladonna
S. athos Erythraea Centaureum
S. hispanicum Galium mollugo
Potentilla hirta var. pedata G. rotundifolium
Sanguisorba minor Asperula lutea

-563-
56 WERNER RAUH:

V alerianella microcarpa Senecio pappuosus var. aranosus


Lonicera xylosteum Centaurea cuneifolia
L. implexa C. Huljakii
Sambucus Ebulus (Hochstauden an Achillea grandiflora (Hochstauden)
Bächen) Crepis dioscoroides
Inula graveolens Polypodium vulgare
Tanacetum corymbosum Aspidium aculeatum
T. macrophyllum (Hochstauden) Athyrium filix femina

Die Grenze zwischen der immergrünen und montanen Stufe


zieht sich nicht als scharf ausgeprägte Linie um den Berg, sondern
je nach der orographischen Beschaffenheit des Berges verzahnen
sich beide Regionen ineinander. In den Schluchten zieht sich
einerseits der Wald bis fast an die Meeresküste herab, andererseits
kehren macchienähnliche Formationen an exponierten Stellen
innerhalb des Kastanien-Tannenwaldes (oberhalb Kapso-Kalivia),
bzw. an dessen oberen Grenze wieder (Abb. 15). Sehr schön kann
man das Herabsteigen des Waldes auf der Ostseite zwischen Iviron
und Lawra beobachten. Man überschreitet auf dem Küstenwege
mehrere schluchtartige Täler, deren Flanken von Kastanien, ein-
zelnen Tannen, Fraximts ornus, Quercus ilex, Qu. Frainetto einge-
nommen werden. Verbreitern sich die Täler vor ihrer Einmündung
in das Meer, und werden die Talsohlen durch einen auch während
der Sommermonate wasserführenden Bach feucht gehalten, so
kommt es zur Ausbildung der schon aufS. 49 beschriebenen Almts
glutinosa-Bestände.
An den feuchten Talwänden siedelt sich eine üppige Krypto-
gamenvegetation von Polypodium vulgare, Asplenium trichomanes,
A. adiantum nigrum, Polystichum setiferum, Marchantia-, Fegetella-,
Mnium-, Hylocomium-Arten u. v. a. Moosen an. In fließenden
Bächen untergetaucht wachsen Fontinalis-Arten.
Die Verzahnung von Macchie und Wald an dessen Obergrenze
kann man sehr klar auf dem Wege von den "Kalten Wassern"
(Kryo nero, 650 m) über die Klostersiedlung Kellea Kerasia (700 m)
nach der Panagia (1354 m) beobachten. Bei den "Kalten Wassern"
durchquert man einen üppigen Tannenwald, dem vereinzelt Kasta-
nien und sehr viel Zitterpappeln beigemischt sind. Von den Quellen
führt der Weg zunächst eben hin, wobei an verschiedenen Stellen,
so vor allem oberhalb der Siedlung Kapso-Kalivia in einer Höhe
von etwa 850 m mehrmals Macchie auftritt. Sie stockt hier auf
Marmor und ist sehr arm in ihrer Artenzusammensetzung. Vor-
herrschend ist ein niedriges Gebüsch von Quercus coccifera und

-564-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 57

~ Slrand u. Sleilld!sfen-
,_ formalionen
c::=J Macchie
~ Felsneide
li!\,f!q:mi!il Tannenmischwald
lt•!+t•~l Kiefernwald
f""A."-._.. 1Tannenwald
- alpine Malten

-l2~0
- 1500

- 1000
\·.;,;{·.." ...~ --,. 500

b
Abb. 15 a u. b. a Vegetationskarte der Athos-Halbinsel; b vertikale Vegetationszonierung.

- 565 -
58 \\fERNER RAUH:

Spartium iunceum, dazwischen finden sich kleine Bäume von


Arbutus andrachne (selten), Acer monspessulanum, Crataegus,
Ostrya carpinifolia, Querctts Frainetto, Qu. ilex, Sorbus torminalis,
Asparagus acutifolius. Von den krautigen Begleitern der Macchien-
flora treffen wir: Crocus aureus, Anemone hortensis, zwei macchien-
treue Pflanzen, die wir in der Tannenregion vermißt haben, ferner
Anemone blanda, Ranunculus incomparabilis, Thesium Bergeri,
Euphorbia Characias, Digitalis leucophaea, Coronilla emeroides,
Centranthtts ruber. Nach nochmaligem Durchqueren kleinerer Be-
stände von Tannen-Mischwald hört der Wald plötzlich und unver-
mittelt auf. Man überschreitet eine von riesigen Marmorblöcken
übersäte Blockhalde, die wohl von dem großen Erdbeben im Jahre
190 5 herrühren dürfte und heute erst von wenigen Kräutern,
Moosen und Flechten besiedelt ist:
Senecio rupester, Anthemis tinctoria, Festuca spec., Centranthus
ruber, Cyclamen neapolitanum, Alsine verna, Asplenium ceterach
und zahlreiche Moose.
Großartig ist der Blick von dem Westgrat der Blockhalde in
die Tiefe. Unter uns breitet sich in herrlichen Farben das Kloster
Karmilion aus, umrahmt von schlanken Zypressen und fruchtbaren
Gärten. Steil und schroff erhebt sich der Westpfeiler des Athos-
Fingers, das Vorgebirge Agios Jorjui aus dem Meer, gegen dessen
Wände mit unheimlichem Donnern und Grollen die aufgewühlten
Wogen bei Nordoststürmen gepeitscht werden.

2. Kiefernwald (bei 1300 m).


Nach Überschreitung des Grates quert man ein Tälchen, in dem
man eigentlich nochmals einen Tannenwald erwarten würde. Doch
findet sich nichts davon. Nur eine Gestrüppgruppe von Acer,
Ostrya, Quercus Frainetto und Qu. ilexzieht sich herab. Im Westen
wird das Tälchen von einem trocknen Hang begrenzt, auf dessen
Rücken man bis zu einer Zisterne, der letzten Quelle, emporsteigt.
Der Hang ist sehr trocken, und mit zunehmender Höhe bleibt eine
Raumart hinter der andern zurück. Die Tanne fehlt auf diesem
Hang vollständig. Die Kastanie bildet nur noch einen kleinen,
wahrscheinlich künstlichen Bestand in der Umgebung der Zisterne.
Auch Quercus coccifera wird seltener, dafür wird Qu. Frainetto
häufiger und bildet lichte Wälder mit einem spärlichen Unterwuchs
von Cistus villosus, Spartium und ] ~miperus. Statt dessen breitet

-566-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 59

sich eine dichte Grasnarbe aus, in der Dactylis und Brachypodium


vorherrschen. Dadurch nimmt der obere Eichenwald ein fast
mitteleuropäisches Gepräge an. Begleitpflanzen dieses Waldes sind:
Phlomis samia, Crocus aureus, C. athous, Digitalis leucophaea,
Sanguisorba minor, Teucrium divaricatum, Coronilla emeroides,
Thesium Bergeri, Cnidium silaifolium, Pimpinella tragium, Onosma
echioides, Scabiosa Webbiana, Thalictrum minus, Origanum heracleo-
ticum, Pteris' aquilina. Als neues Element gesellt sich hinzu
Pinus Pallasiana, die zunächst in einzelnen, kräftigen Exemplaren
auftritt, in 1100 m Höhe aber häufiger wird.
Bei der Zisterne (1200) erreicht man wieder ein kleines Tal, an
dessen trockner, aus großen Marmorblöcken bestehender Westseite
es aufwärts geht. Hier hat sich überraschenderweise bei etwa
1200m noch einmal ein Gestrüpp von Qt6ercus Frainetto angesiedelt.
Aber schon wenige Meter höher verengt sich das Tal und auf seiner
fast ebenen Talsohle siedelt sich ein epiphytenreicher Mischwald
von Tanne und Kiefer von geringer Ausdehnung, aber charak-
teristischer Ausprägung an. Am Ende des Waldes öffnet sich das
Tälchen zu einem weiten Hochtal, das sich nun bis zur Panagia
emporzieht. Auf der linken Talseite (Ostseite) und auf seinem
plateau-artigen Rücken breitet sich ein mit Populus untermischter
Kiefernwald aus. Auf der rechten Talseite (Westseite) und der rasch
ansteigenden Sohle des Hochtals stockt ein schütterer Kiefern-
Tannen-Mischwald. Der größte Teil des Hochtals aber wird von
einem lichten, steppenheide-artigen Wald eingenommen mit Ge-
hölzen wie: Quercus lanuginosa, Acer monspessttlanum, Carpinus
duinensis, Fraximes ornus, Sorbus torminalis, Sorbus aria, Vibur-
num opulus, Crataegus Heldreichii, Cr. monogyna, Rosa spinosissima,
R. glutinosa, Juniperus foetidissima und Berberis cret?"ca sind die
Bestandteile dieses lichten Waldes (Abb. 16). Aus dem Wald
heraus tritt man unerwartet auf eine mit kleinen Gruppen von
Tannen und Kiefern bestandene Matte, die einzige Andeutung einer
subalpinen "Almwiese" am Athos-Massiv. Sie erstreckt sich bis
zur Platte bei der Kapelle Panagia. Da die Wiese sich nach Süd-
westen erstreckt, apert sie im zeitigen Frühjahr aus. Bei einem
Aufstieg im März 1943 wurde beobachtet, daß der Tannenwald
noch tief verschneit war, während die Wiese schon einen reichen
Blumenflor von Crocus athous und Romoulea Linaresii trug.
Im Hochsommer (Juli-August) erstrahlt die Hochwiese in
einem prächtigen Blütenflor und ist die Fundgrube von zahlreichen

-567-
60 WERNER RAUH:

seltenen Pflanzen, von denen nur wenige in die alpine Stufe de:;
Gipfels emporsteigen. Vorherrschend ist das Blau von Echinops
Ritro. Dazwischen leuchten die aromatisch duftenden Polster von
Thymus serpyllum var. genuinensis. Im Marmorgeröll siedeln sich
Galium scabrifolium, G. rhodopaeum, G. purpureum, G. mollugo, G.fir-
mum, G. cruciata, Jurinea anatolica, Allium rotundum, Centaurea
athoa an. In den Steilabstürzen unterhalb der Panagia siedeln

Abb. 16. Athos, Hochtal unterhalb der Panagia mit Ausblick auf die Hochalm. Links
steppenheideartige Wälder, in der Bildmitte Tannen-Kicfernwald.

große Stachelpolster von Astragalus angustifolius (Abb. 17). An


weiteren nennenswerten Pflanzen können wir sammeln:
Allium moschatum A. rostrata
Asphodeline lutea Cerastium pumilum
Gagea arvensis A renaria serpyllifolia
Bromus mollis Dianthus athous
B. fibrosus D. strictus
Poa alpina Coronilla varia
Briza maxima Dorycnium hirsutum
Dactylis glomerata Astragalus monochorum
Brachypodium pinnatum Anthyllis vulneraria var. rosea
T amus cretica Geranium rotundifolium
Clyopetala J onthlaspi M ercurialis ovata
Vesicaria utriculata Euphorbia myrsenites
Draba aizoides Sanguisorba minor
I satis athoa Cotoneaster tomentosa
A ubrietia deltoidea Rhamnus rhodopaea
Tlaspi perfoliatum Thalictrum olympicum
Alyssum minimum Helianthemum nitidum var. glabrum
A lsine verna H ypericum perjoratum

-568-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 61
H. athoum Groß ist auch die Zahl der
Viola delphinata Kompositen mit ihren Endemiten
Cnidium silaifolium wie:
Eryngium campestre Crepis athoa
Smyrnium orphanides Centaurea athoa
Phlomis samia C. chalcidicaea
Teucrium divaricatum ssp. athoum Leontodon aspera
Onosma echioides L. cripsus var. setulosus
Origanum heracleoticum Senecio barabaraefolius
Calamintha anisophylla Tragopagon porrifolius
C. vulgaris var. pauciflora Podospermum canum
C. alpina var. athoa Taraxacum Hoppeanum
Sideritis perfoliata Danthonia calycina
J.onicera etrusca Hieracium epinephum
Pterocephalus perennis ssp. Parnassi H. pseudobracteatolum
(große Polster bei der Panagia H. auriculoides ssp. sarmentosum
bildend) H. zalanum
Scabiosa Webbiana H. Bauhini ssp. sarmentosum
Cephalaria ambrosioides. H. Tauschii ssp. atticum

Dicht bei der Kapelle Panagia findet sich eine lägerartige Hoch-
staudenflur, die von der sommerlichen Beweidung herrührt. Der
Platz vor der Kapelle ist der Lagerplatz der Ochsen und Schafe,
worauf nitrophile Pflanzen wie Urtica pilulifera und U. dioica hin-
weisen. Auch ein hochstaudiger Rumex paßt in diese Gesellschaft.
Centaurea cyanus, Convolvultes arvensis, Sambucus eb~tlus, I satis
athous, Asphodeline lutea, Reseda lutea var. cripsa, Chondrilla
iuncea var. acanthophylla, Nepeta Sibthorpii, Lamium striatum,
Verbascum, Achillea grandiflora und Berberis cretensis vervollstän-
digen die Vegetation des Lagerplatzes.

3· Tannenwald (1300-1500 m).


Von der Felsplatte bei der Panagia hat man einen großartigen
Blick in die ungeheuren Südabstürze des Athos. Nach Norden hin
erhebt sich die Marmorpyramide des Athosgipfels, dessen Fuß in
einem schmalen Gürtel eines reinen, aber lichten Tannenwaldes
steckt (Abb. 1 7). Oberhalb der Kapelle ist keine einzige Kiefer
mehr anzutreffen. Wie in den südlichen Gebirgen Griechenlands
wird auch am Athos die Waldgrenze von der Tanne gebildet,
denn die Bnche meidet den Kalk in Griechenland. Bemerkenswert
für den Athos ist, daß die Waldgrenze sehr tief liegt. Schon bei
1500 m Höhe findet der geschlossene Tannenwald sein Ende. Ein-
zelne, vom Wind zerzauste Wettertannen steigen jedoch bis etwa
1600 m auf. GRISEBACH stellt große Erörterungen an, warum am
Athos die Waldgrenze so niedrig liegt. Er kommt zu keiner

-569-
62 WERNER RAUH:

befriedigenden Lösung. Auf Grund längerer klimatologischer Be-


obachtungen zu verschiedenen Jahreszeiten neige ich zu der An-
sicht, daß einzig und allein der Wind der verantwortliche Faktor
für die niedrige Waldgrenze ist. Anläßlich zweier längerer Auf-
enthalte am Athos konnte ich feststellen, daß ein N- bis NE-Sturm
von einer Durchschnittsstärke von 15-25 mjsec (Windstärke 7-8)
10 Tage ohne Unterbrechung wehte. Der Wind steigt an der Nord-
seite des Massivs auf und wird als Fallböe mit furchtbarer Gewalt

Abb. 17. Athos, Waldgrenze. Im Vordergrund Hohlkugelpolster von


Astragalus angustifolius.

über den Gipfel hinweg auf die Südseite hinabgedrückt (s. S. 23).
Wird man von einer solchen Fallböe erfaßt, so hat man Mühe, sich
aufrechtzuhalten. Die zahlreichen, abgebrochenen Baumwipfel und
die zerzausten Wettertannen deuten auf die Gewalt des Windes
hin, nur niedrige, dem Boden augepreßte Spaliersträucher steigen
bis zur normalen Höhe der Waldgrenze empor. Der Tannenwald
selbst ist hier sehr artenarm. Außer einem dichten Gestrüpp von
Berberis cretensis findet sich kaum Unterwuchs.

111. Alpine Stufe ( 1500- 1935 m).


Eine subalpine Stufe in Form einer Krummholzregion fehlt am
Athos. Auch die Dornpolsterformation, die in den mediterranen
Gebirgen sonst an Stelle der Krummholzregion anzutreffen ist, ist
hier nur angedeutet. Vereinzelt finden wir oberhalb der Wald-
grenze Zwerggehölze, unter denen die dornigen Hohlkugelpolster

-570 -
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 63

von Astragalus ang~tstifolius ssp. (Abb. 17) pungens, die häufigsten


sind. Daphne oleoides, Rosa olyrnpica und die niederliegenden
Sträucher von Juniperus hemisphaerica und Prunus Prostatus ent-
sprechen den alpinen Spaliersträuchern. Im übrigen werden die
letzten )00 m der Südseite des Gipfels von alpinen Matten ein-
genommen, die infolge starker Geröll- und Blockbildung keine
zusammenhängende Vegetationsdecke darstellen. REGEL spricht
deshalb auch von einer "Kalkfelsenwüste" und unterscheidet darin
eine Stipa- und eine Festuca-Wüste. Diese Zonierung ist aber
sehr wenig ausgeprägt, und ich habe beide Gräser durcheinander
wachsen sehen. War schon bei der Panagia eine reiche und seltene
Flora anzutreffen, so ist die der alpinen Matten infolge des Reich-
tums an Endemiten 1 noch üppiger und interessanter. Die Gipfel-
flora des Athos ist genügend bekannt, so daß ich mich auf die
Aufzählung der wichtigsten Arten beschränken kann:
Festuca spec. S. compacta
Bromus fibrosus S. genistifolia
Br. asper Corydalis digitata
Agriopyrum sanctum Thalictrum minus var. olympic~tm
Poa alpina var. pumila Th. elatum f. glaucum
Poa violacea Erysimum pusilla
Koeleria splendens Cardamine graeca
Calamagrostis arundinacea I satis athoa
Brachypodium pinnatum Alyssoides utriculatum var. grandi-
A vena sterilis flora
Briza spicata Arabis alpina
Melica ciliata var. Magnolii A. bryoides
Stipa pulcherrima A. drabiformis
Sesleria nitida Aethionema athoum
Arrhenaterum elatius ssp. palaeti- Helianthemum nitidum var. glabrum
nus Viola delphinata
Colchicum latifolium V. athoa
Scilla bifolia H ypericum athoum
Crocus aureus Linum elegans
Romulea Linaresii L. tenuifolium
Minuartia verna ssp. Gerardi var. L. austriacum
mediterranea L. iberidifolium
M. setacea var. athoa Euphorbia fragifera
A renaria rotundifolia var. pauciflora E. myrsenites
A. biflora E. deflexa
A. filicaulis Sempervivum Schlehani var. blandum
Dianthus athous S. marmoreum
D. gracilis Sedum ochroleucum
Silene cucubalus Anthyllis pulchella
S. orphanides A. montana
1 Die große Anzahl der Endemiten ist aus dem Spezies-Namen "athous"

zu ersehen.

-571-
64 WERNER RAUH:

A. vulneraria G. incanum
Astragalus depressus G. asparagijalium
H ypacrepis camasa G. apiculatum
Cnidium silaifalium Pteracephalus perennis
Opapanax hispidus Centranthus junceus
Pimpinella tragium Scabiasa Webbiana
Verbascum thapsijarme Campanula crphanidea
Teucrium mantanum C. ratundifalia var. sancta
T. divaricatum Carduus armatus
Scutellaria vacillans var. samathraica Anthemis Sibtharpii
Calamintha hirta Chandrilla juncea
C. alpina Centaurea athaa
Thymus achreus C. chalcidicaea
Th. Tavesii Cicharium pumilum
Th. ]ankae Hieracium serieaporum
M yasatis alpestris H.pannasum
Plantaga lancealata Leantadan asperus
A sperula athaa Anthemis Sibtharpii
Galium jirmum

In den Spalten der Gipfelfelsen wachsen Polster von Saxifraga


sancta, S. Friderica-Augusti, Draba aizoides, D. bryoides, Saxifraga
porophylla, Arabis alpina f. grandiflora, A. drabiformis, Anthemis
Sibthorpii, Sempervivum marmoreum, Cerastütm banaticum ssp.
alpinum.
Unübertroffen ist der Blick vom Athos-Gipfel. Weit schweift
das Auge über den Rücken des "Heiligen Waldes". Der Longos-
und der Rassandra-Finger tauchen aus dem blauen Meer auf,
schemenhaft zeichnet sich der Olymp in weiter Ferne gegen den
blauen Himmel ab, bekränzt von einigen duftigen Haufenwolken.
Im Süden erblicken wir Euböa-Nord; die nördlichen Sporaden,
Mytiline, Evstratios und Lernnos schwimmen gleich trägen Schild-
kröten in der tiefblauen Ägäis; die Gefilde von Troja, die Darda-
nelleneinfahrt, Imbros, Thasos und Samothrake liegen zu unseren
Füßen; bei guter Sicht ist sogar der byzantinische Olymp zu sehen.
Reicher, interessanter und lebendiger ist aber der Blick in die Tiefe,
den GRISEBACH mit folgenden Worten geschildert hat: "Große
Formen, blendende Farben sprechen unmittelbar zum Gemüt, die
tiefen Abgründe, die hohen Marmorfelsen, das mannigfache Grün,
das Indigo und Lasurblau, alles das wirkt auf das Auge in ganz
ähnlicher Weise, als wenn das Ohr durch gewaltige und harmonische
Töne gereizt wird. Wenn aber schroffe und zugleich im gewissen
Sinne versöhnende Gegensätze in dieser Sphäre die größte Wirkung
äußern, so ist es hier besonders die Nähe des Meeres an den wildesten
Gestaden der Feste, die der großartigen Natur einen beruhigenden

-572-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 65

Charakter verleiht. Denn die stille blaue Fläche erscheint stets in


äußerster Nähe, als sehe man von einem Turm auf die klare Flut
hinab. Aber erst wenn man einen Berg, der tausendmal höher ist
als der Mensch, besteigt, empfängt man sein Bild, so wie es unseren
Begriffen von materiellen Größen entsprkht" (S. 315).

B. Lemnos.
Wie einleitend erwähnt, zeichnet sich Lernnos gegenüber allen
anderen Inseln der Ägäis durch seine öde, aber eigenartige Land-
schaft aus und macht einen ganz fremdartigen Eindruck. "Nackte,
graubraune Felspartien (Trachyte, Tuffe) wechseln mit schon recht
sommerlich dürren Grasplätzen (22. Mai) ab; von zusammen-
hängender Baum- und Strauchvegetation ist weit und breit nichts zu
sehen; von den sonst so allgemein verbreiteten Macchiensträuchern
sah ich nicht eine Spur, die nirgends fehlenden Phrygana-Zwerg-
sträucher sind hier nur durch Poterium spinosum und Calycotome
villosa vertreten und schließen nirgends zu Beständen zusammen.
Ob diese Armut an holzigen Gewächsen nur auf übermäßig starken
Verbrauch an Brennmaterial zurückzuführen ist oder zu den ur-
sprünglichen Eigentümlichkeiten der Insel zählt, vermag ich nicht
zu beurteilen, vermute aber eher das letztere, da sich sonst an
schwerer zugänglichen Stellen, an denen wahrhaftig kein Mangel
herrscht, Reste erhalten hätten." So viel schreibt RECHINGER
(1929, S. 289) über die Vegetationsverhältnisse von Lemnos. Da
sich RECHINGER aber nur 6 Tage dort aufgehalten und wohl nur
die engere Umgebung der im Westen liegenden Hauptstadt Kastron
kennengelernt hat, so ist sein Urteil nicht ganz zutreffend. Wenn
sich die Vegetation von Lernnos auch durch mangelnden Baum-
wuchs auszeichnet, und diese nur an wenigen Stellen etwas von
ihrem ursprünglichen Charakter erhalten hat, so läßt sich doch aus
diesen wenigen Resten auf eine ehemals viel reichere Vegetation
schließen. Daß die Insel wohl niemals geschlossenen Wald getragen
hat, haben wir schon im Abschnitt II begründet, daß aber aus-
gedehnte Macchiengebüsche (Kermeseiche, Cistrosen, Spartium
und Calycotome) und geschlossene Phryganabestände vorhanden
gewesen sein müssen, darauf deuten heute noch Reste hin, die sich
an vielen Stellen der Insel, wenn auch in geschützter Lage, finden.
Die Unterhaltung der Feuer in den Hütten der Inselbewohner
dezimieren aber die Holzbestände mehr und mehr. Man beschränkt
sich nicht allein darauf, die oberirdischen Triebe der im allgemeinen

41 Heidelberger Sitzungsberichte 1949. - 573 -


66 WERNER RAUH:

sich durch große Regenerationsfähigkeit auszeichnenden Macchien-


und Phryganasträucher abzuschlagen, sondern reißt die Sträucher
mitsamt der Wurzel heraus.
Aber nicht nur der Mensch greift umgestaltend in die Vegeta-
tionsverhältnisse ein, sondern auch die zahlreichen Ziegen und Schafe.
Da die Tiere die dornigen Gewächse (Kompositen) meiden,
tritt auf diese Weise eine einseitige Auslese ein, die zum Vorherr-
schen bestimmter Pflanzen führt, während andere sofort abge-
fressen werden, sobald sie nur ihre ersten Spitzen über den Erd-
boden senden. Aber noch in anderer Weise tragen die Tiere zu
einer Umgestaltung der Vegetationsverhältnisse bei, indem sie zahl-
reiche Ruderalpflanzen in die ursprünglichen Verbände schleppen.
Trotz dieser gestörten Verhältnisse1 lassen sich folgende Vegetations-
zonen unterscheiden:
1. Kulturregion,
2. Strand-Gesellschaften,
3. Niederungs-Gesellschaften,
4. Vegetation der Hügelstufe,
a) Macchie,
b) Phrygana,
c) Trockenrasen,
5. Vegetation der Flußtäler,
6. Ruderalflora,
7. Felsflora.
Ehe die einzelnen Vegetationszonen besprochen werden sollen,
seien der Morphologie der Insel noch einige Worte gewidmet, so-
weit dies nicht bereits in der Einleitung geschehen ist.
Lernnos ist rein vulkanischer Entstehung. Tuffe, Trachyte und
Phonolithe bauen die Berge auf. Dazwischen lagern Kieselbänke
mit einer reichen, versinterten Flora, die mit zahlreichen auf-
gefundenen Blattabdrücken und Baumstämmen auf baumförmige
Vegetation hinweist 2 • Steil und bizarr ragt die klippenreiche
Küste aus dem Meer; nur an wenigen Stellen ist sie als flacher
1 Die Umgestaltung der Vegetation machte gerade in den Kriegsjahren

große Fortschritte. Um der durch den Krieg enstandenen Hungersnot ent-


gegenzuarbeiten, wurde jedes einigermaßen kultivierbare Land, auch in den
Bergen, in Ackerland verwandelt, so daß die Kulturregion immer größere
Ausdehnung erlangt.
2 Leider ist auch diese Sammlung durch Kriegseinwirkung restlos
verloren gegangen.

-574-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 67
Sandstrand ausgebildet. Schroffe, wild zerklüftete Bergwände und
tief eingeschnittene Täler wechseln miteinander ab . Der zerklüf-
tetste Teil der Insel ist der Südwesten mit Erhebungen bis zu 450 m.
Nach Osten zu nehmen die Berge an Höhe und Wildheit ab und
machen ausgedehnten Niederungen Platz, die sich in der Um-
gebung von Aziki, Lichna, Mudros, Kontopuli, Rossopuli finden .
Tertiäre Ablagerungen in Form von Sanden (Aziki) und Lößlehmen
(Lichna, Mudros) füllen diese Niederungen an. Zwei tief ins

Land greifende Buchten, die Mudros-Bucht im Südwesten und die


Purnia-Bucht im Nordosten durchschnüren die Insel fast in zwei
Hälften (Abb . 19).
Die Wasserversorgung der Insel ist denkbar schlecht. Die
kleinen Bäche führen nur während der winterlichen Regenzeit
Wasser, vom Mai bis Oktober aber sind sie trocken . In der Ebene
von Mudros jedoch steht der Grundwasserspiegel so hoch, daß
Brunnen schon in einer Tiefe von 2- 3m Wasser, wenn auch kein
Trinkwasser, liefern. Mit Hilfe von Schöpfrädern wird das Wasser
dann gehoben und mit primitiven Berieselungsanlagen den Kultu-
ren zugeführt. Schwieriger ist die Wasserversorgung in den Bergen.
Die geringen Winterniederschläge werden in Zisternen gesammelt
und müssen bis weit in den Sommer hinein reichen. An eine Be-
wässerung der Felder in höheren Lagen ist deshalb nicht zu denken.
An der Grenze zwischen Tuffen und Trachyten bilden sich vielfach
kleine Quellhorizonte aus, aus denen auch in den Sommermonaten
das Wasser heraustropft. Gekennzeichnet sind diese Horizonte

4t• - 575 -
68 WERNER RAUH:

durch das Auftreten von Juncaceen ( Juncus acutus) inmitten der


Trockenrasen. In der Umgebung dieser quelligen Stellen liegen
dann auch die wenigen Gehöfte, aus unbearbeiteten Gesteinsbrocken
zusammengefügte Hütten, umgeben von niedrigen Steinmauern,
meist mit einem kleinen Obst- und Gemüsegarten versehen (Abb. 18).
Der Boden der Gebirge ist sehr unfruchtbar, da sich auf dem
gewachsenen Fels nur eine dünne Ackerkrume findet. Infolge des
Fehleus jeglicher baum- und strauchförmigen Vegetation und einer
geschlossenen Grasnarbe, werden die Verwitterungsprodukte durch
die gußartigen Niederschläge abgespült und sammeln sich in den
Tälern undEbenen als fruchtbares Ackerland an. Durch Terrassie-
rung des Geländes versucht man diesem Abspülen Einhalt zu ge-
bieten.

I. Kulturregion.
Den weitaus größten Teil der Insel nimmt heute das Kulturland
ein. An baumförmigen Kulturpflanzen finden sich, vor allem in
der Umgebung der Ortschaften:
Wein, Feigen, Pflaumen, Äpfel, Birnen, Granatäpfel, Ölweiden,
vereinzelt und in besonders geschützten Lagen Zitronen, Apfelsinen,
Mandarinen, Oliven, Pfirsiche und Aprikosen. Vorherrschend sind
die Mandeln. Ausgedehnte Mandelkulturen wachsen in den frucht-
baren und geschützten Tälern bei den Thermen.
Als Alleebäume werden angepflanzt: A ilanthus altissima,
Melia Azederach, Morus albaund M. nigra, Ölweiden. In versumpf-
ten und Malaria-gefährdeten Gegenden soll Eucalyptus zur Ent-
wässerung beitragen.
Eine besondere Rolle spielt das Getreide, so daß wir Lernnos
zum Unterschied von den anderen Inseln als Getreide-Insel be-
zeichnen können. Im Frühjahr sind die großen Niederungen bei
Mudros, Lichna, Aziki, sowie alle Täler mit Schwemmböden, von
wogenden Getreidefeldern bedeckt. Von den angebauten Getreide-
arten ist ein langbegrannter Weizen mit schwarzen Spelzen erwäh-
nenswert, der sich durch besondere Güte im Wuchs und im Ertrag
auszeichnet. Trotz der frühsommerlichen Trockenheit erreichen die
Halme eine Länge von weit über 1m und tragen schwere 4-6-
zeilige Ähren mit großen Körnern. Von untergeordneter Bedeutung
sind Gerste und Hafer, die vor allem in höheren Lagen angebaut
werden.

-576-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 69

Als Unkräuter in den Getreidefeldern und an Feldrainen sind


zu beobachten:
Allium sPhaerocephalum Trifolium angustifolium
A. cyrilli Medicago scutellata
M uscari comosum M. turbinata
Polypagon monspeliense M. denticulata
Lolium temulentum M. falcata
Phalaris brachystachys Galium tricorne
Imperata cylindrica Scandix australis
Ranunculus arvensis Torilis nodosa
Delphinium paniculatum Bifora testiculata
Papaver Rhoeas M atricaria chamomilla
P. dubium var. collinum Chrysanthemum segetum
P. hybridum Sonchus oleraceus
H ypecoum grandiflorum Centaurea solstitialis
Fumaria parviflora Gonvolvulus arvensis
Lepidium spinosum A nagallis arvensis
Cardaria draba Mercurialis annua
Bunias erucago Euphorbia helioscopia
Rapistrum rugosum var. Rumex acetosella f. multifida
orientale Urtica pilulifera
Rapkanus rostratus H ypericum perforaturn var. angusti-
Reseda lutea f. crispa folium
R. luteola f. crispata Leontice leontopetalum
Agrostemma githago Scabiosa columbaria
Herniaria cineria

Das Getreide steht Mitte Mai, bzw. Anfang Juni in Vollreife und
wird auf denkbar primitive Weise geerntet. Die moderne Technik
mit ihren landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen, die einen
extensiven Ackerbau ermöglicht, hat auf Lernnos noch keinen Ein-
zug gehalten. Man fühlt sich beim Anblick der landwirtschaftlichen
Geräte geradezu in die Steinzeit zurückversetzt. Mit der Hand
reißt man die einzelnen Halme heraus oder mäht sie mit großen
Sicheln ab. Esel und Maultiere transportieren die Garben zu runden
Plätzen, die mit "Katzenköpfen" gepflastert sind. Dort breitet man
das Getreide aus und fährt dann stundenlang darüber mit einem
durch Steine oder Personen beschwerten Holzschlitten, auf dessen
Unterseite spitze Feuersteine eingelassen sind. Auf diese Weise
werden die Halme und Ähren zu einem feinen Häcksel zermahlen.
Durch Emporwerfen gegen den Wind trennt man die Spreu von
den Körnern. Mit Handmühlen oder in primitiven, von Segeltuch-
flügeln betriebenen Windmühlen werden die Körner dann weiter
zu Mehl verarbeitet.
Die abgeernteten Felder bleiben entweder als Brachäcker liegen,
oder man bepflanzt sie mit Hackfrüchten, Tomaten, Gurken, Mais,

~ 577 ~
70 WERNER RAUH:

Melonen, jedoch nur dort, wo genügend Wasser zur Bewässerung


vorhanden ist.
Auf den Brachäckern siedelt sich sofort eine charakteristische
Flora an, von denen einige Arten bestandsbildend sind.
Im Frühjahr:
Gagea arvensis
Ranunculus ficaria.
Im Sommer und Herbst:
Cynodon dactylon
Imperata cylindrica (auf sandigen Äckern bei Aziki)
Polypagon monspeliense
Latium temulentum
M ercurialis annua
Hypecoum grandiflorum (bestandsbildend)
Papaver Rhoeas
Matricaria chamomilla (bestandsbildend)
Chrysanthemum segetum
H ypericum perforaturn var. angustijolium
Tribulus terrestris
Heliotropium villosum (bestandsbildend)
Centaurea solstitialis
Ecballium elaterium
Ende August-Anfang September tritt dann die Komposite
Inula viscosa auf, die mit ihren reich verzweigten Büschen so dichte
Bestände bildet, daß sie der braunen, toten Landschaft etwas Be-
lebendes gibt und den Eindruck frischer grüner Wiesen hervorruft.
An weiteren Kulturpflanzen sind zu nennen:
Baumwolle (gedeiht auf L. recht gut), Sesam (feldmäßiger An-
bau; wichtiges Volksnahrungsmittel; Samen werden zu Öl-und
Ölkuchen verarbeitet), Mais, Melonen (Zucker-, Wassermelonen),
Kürbis, Gurken. Verbreitet ist der aus Nordafrika stammende
rankenlose Kürbis (Gorgetten, Cococellen), dessen längliche Früchte
in Olivenöl gebacken ein sehr schmackhaftes Gericht liefern; ferner
Tomaten, Paprika, Eierfrüchte, Artischocken, Gombo, eine Mal-
vaceae, die im Orient viel verzehrt wird. An Hülsenfrüchten finden
sich: Bohnen ( Phasealus), Saubohnen (V icia F aba), Erbsen,
Kichererbsen (Lathyrus Cicer), Linsen, und verschiedene Kohl-
arten.
Kartoffeln gedeihen in dem Klima von Lernnos nicht, wohl
aber recht gut auf Chios. Eigne Anbauversuche mit Kartoffeln
(aus Südbulgarien stammende Sorten), die mir Wert erscheinen
mitgeteilt zu werden, hatten folgende Ergebnisse: Legt man die

-578-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 71

Knollen noch während der Regenzeit in den Boden , so treiben


zunächst kräftige Laubtriebe aus, die auch zahlreiche Ausläufer

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entwickeln. Zur Zeit der Knollenbildung herrscht aber schon die


sommerliche Dürre. Steht nun nicht genügend Wasser zur Be-
wässerung zur Verfügung, so bleiben die Knollen klein und haben

- 579-
72 WERNER RAUH:

eine dicke Schale. Sie wachsen sofort wieder aus, d. h. die End-
knospe der Knolle verlängert sich wieder ausläuferartig unter Aus-
saugen der soeben gebildeten Knolle. Nach kurzer Zeit stellt dieser
Ausläufer unter knollenförmiger Verdickung sein Längenwachstum
ein, um dieses bald wieder aufzunehmen. Dieser Vorgang wiederholt
sich in einer Vegetationsperiode mehrmals hintereinander.

2. Strandregion.
Wie schon einleitend erwähnt, ist die Küste von Lernnos fast
durchwegs als Steilküste ausgebildet; nur in der Umgebung der tief
ins Land greifenden Buchten ist an wenigen Stellen flacher Strand
(Sand und Lößlehm) ausgebildet, so in der Umgebung von Mudros,
beim Leuchtturm Combi, in der Kondia-Bucht, bei Kastron und an
verschiedenen Stellen der Ost- und Südküste.
Am ungestörtesten sind die Vegetationsverhältnisse bei Combi,
da dies ein schwer zugänglicher Punkt der Insel ist. Flacher Strand
und Steilküste wechseln hier miteinander ab, so daß auf engstem
Raum zwei Vegetationsformen nebeneinander beobachtet werden
können.
Combi ist ein steil aus dem Wasser ragender Sandsteinfelsen,
an der Einfahrt der Mudrasbucht gelegen und durch einen schmalen
Steindamm mit dem Festland verbunden, dem an dieser Stelle ein
breiter Sandstrand vorgelagert ist. Dieser selbst ist sehr vege-
tationsarm. Einzelne Polster von Frankenia laevis, gelbe Flecken
des in Vollblüte stehenden Medicago marina, Cakile maritima,
Plantaga psyllium, Ephedra dt:stachya, Eryngium maritimum und
Salsola Kali beleben die eintönigen Sandflächen. Zwischen ihnen
haben sich angespülte und getrocknete Blätter von Zostera an-
gesammelt. Aber schon wenige Meter landeinwärts, dort, wo das.
Land anzusteigen beginnt, ändert sich das Bild. Weite Fluren von
Centaurea spinosa dehnen sich aus (Abb. 20). Wenn C. spinosa
auch weiter in das Innere des Landes geht und beispielsweise auf
Evstratios auf die Berge steigt, so ist doch ihr Hauptverbreitungs-
gebiet die Küste und der Sandstrand. Die gleiche Formation wurde
in der Kondia-Bucht auf Lemnos, am Golf von Jera und Kalloni
auf Mytiline und bei Ermioni auf Chios beobachtet. Centaurea
spinosa bildet verholzte Kugelbüsche (Hohlkugelpolster, s. RAUH,
1939) mit verdornten Infloreszenzen (s. RAUH, 1941), so daß die
Oberfläche dieser Büsche von Dornen starrt. C. spinosa wird des-
halb auch vom Vieh gemieden. Die größten beobachteten Polster

~580 ~
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 73
hatten einen Durchmesser von etwa 2 m und eine Höhe bis zu 70 cm.
Auf der dem Wind ausgesetzten Seite werden sie durch Trockenheit
und Sandgebläse vielfach zum Absterben gebracht, während die
dem Wind abgekehrte Seite üppig weiter wächst. Zwischen und
in den Centaurea-Polstern ist eine reiche Krautflora anzutreffen,
von der die folgenden Arten envähnt seien:
Helichrysum italicum Gonvolvulus althaeoides
Plantago Zagopus Cichorium pumilum
Anthyllis vulneraria Paronychia argentea
Aegilops ovata M uscari comosum
Cynodon dactylon Rumex bucephalophorus
Bromus ste1·ilis Echium plantagineum
H ordeum murinum Tordylium apulum
Onobrychis caput galli

Abb. 20. Lemnos, Centaurea spinosa-Formation am Sandstrand von Combi .

Mit steiler werdendem Gelände werden die Centaurea-Bestände


von Phrygana-ähnlichen Formationen abgelöst. die weite Flächen
der Berge bedecken und in denen gleichfalls dornige Kugelbüsche
vorherrschen: Poterium spinosum und A nthyllis H ermanniae.
Diese Formation ähnelt ganz der Steilküstenvegetation, wie wir
sie nicht nur bei Combi, sondern an der ganzen Steilküste von
Lernnos finden. Als Beispiel diene wieder die Steilküste von Combi :
Eine vertikale Zonierung ist nicht zu beobachten . Alle Pflanzen
wachsen bunt durcheinander, sowohl in unmittelbarer Meeresnähe
als auch in größerer Entfernung vom Wasser. Vorherrschend sind
auch hier wieder dornige Kugelbüsche: Neben Centaurea spinosa,
die infolge der Steilheit des Geländes keine geschlossenen Bestände

- 581 -
74 WERNER RAUH:

bildet, wachsen Poten'um spinosum, eine windblütige Rosacee mit


verdornten Infloreszenzen (diese interessante Erscheinung ist von
mir ausführlich 1941, an anderer Stelle behandelt worden), Anthyllis
H ermanniae, die zur Blütezeit als gelbe Farbkleckse sich vom grauen
Sandstein abhebt. Zwischen den Dornpolstern kriechen die Triebe
von Asparagus acutijolius und Capparis spinosa umher. Asphodelus
microcarpus erhebt seine großen, reich verzweigten Infloreszenzen.
In den Felsspalten wuchern die sukkulenten Triebe von Crithmum
maritimum, die saftig grüne Inula viscosa, das mit gelben Blüten
über und übt>r bedeckte Glaucium flavum und die kleine Komposite
Phagnalon graecum.
Reich, wenn auch nicht an Arten, so doch an Individuenzahl
ist die Krautflora, die sich in und zwischen den Polstern findet: An
erster Stelle sei die Umbellifere Thapsia garganica genannt, deren
Sprosse die stattliche Höhe von 1 m erreichen und die oft bestands-
bildend auftritt. Dazwischen leuchten große Flecken der blau-weiß
blühenden Statice sinuata, Asteriscus spinosus und Corydothymus
capitatus. Vereinzelt, doch nicht selten, finden sich :
M uscari comosum A nthyllis vulneraria
Lagurus ovatus Hedysarum pallens
Aegilops triuncinalis H ymenocarpus circinatus
H ordeum murinum Sedum rubrum
Cynosurus echinatus Convolvulus althaeoides
Paronchychia argenta B allota acetabulosa
Frankenia laevis Helichrysum italicum
Plantaga psyllium Cichorium pumilum
Pl.lagopus Cardopatium corymbosum
Pl. cynops Callistemma palaestinum
Eryngium campestre Teucrium divaricatum
Orlaya platycarpa Armeria undulata

Ähnliche Vegetationsverhältnisse finden wir auch an der Steil-


küste des Burgberges bei Kastron. Thapsia garganica wird hier
vertreten von der Umbellifere Smyrnium orphanides, die in solchen
Mengen auftritt, daß im Herbst die Felsen leuchtend gelb gefärbt
werden. Sm. orphanides konnte ich an keiner anderen Stelle auf
Lernnos wieder finden, wohl aber am Athos, auf Mytiline und Chios.
Als neu hinzukommende Elemente sind noch zu erwähnen: die
Asclepediacee Cionura erecta und Origanum heracleoticum var.
trichocalycinum.
Als fremde, im Mittelmeergebiet aber eingebürgerte und sich
heimisch fühlende Pflanzen wachsen an den Steilküsten Opuntien,
Agaven und zahlreiche Arten von Mesembryanthemum.

-582-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 75

In etwas modifizierter Form ist die Centaurea spinnsa-Forma-


tion in der Kondia-Bucht ausgebildet, wo eine deutliche Zonierung
zu beobachten ist.
Auf einen schmalen, vegetationslosen Sandstreifen folgt die
Euphorbia paralias-Gesellschaft, in der die grau-grün bereiften
und reich verzweigten Euphorbia-Büsche tonangebend sind. Zwi-
schen ihnen, auf kleinen Sanddünen, findet man Strandhafer,
Agriopyrum maritimum, die kleine holzige Scrophulariacee Verbas-
cum spinosum und auf dem Boden hinkriech end die Sprosse von

Abb . 21. Lemnos, Juncus acutus·Formation in der Kondia -ßucht.

Tribulus terrestris. Rote, leuchtende Mohnblüten und die gelb-


weißen Köpfchen der Kamille bringen etwas Abwechslung in die
Eintönigkeit.
Die Euphorbia-Gesellschaft wird abgelöst von der Centaurea
spinosa-Formation, in der Euphorbia nur noch vereinzelt auftritt.
An die Centaurea-Zone schließt sich ein Gürtel von Juncaceen
an, in der die großen, stacheligen Horste von Juncus acutus
und J. maritimus tonangebend sind (Abb. 21) . Die Begleitpflanzen
dieser Gesellschaft sind:
Sagina maritima A . Guicciardii
Spergularia rubra Plantago coronopus
Frankenia laevis M alcolmia flexuosa
A egilops bicornis Salsola Kali
Phleum arenarium Papaver Rhoeas
H ordeum maritimum M atricaria chamomilla
Cynodon dactylon Tribulus terrestris
Lepturus incurvatus Cardopatium corymbosum
Anthemis peregrina Scirpus holoschoenus

- 583 -
76 WERNER RAUH:

In der näheren Umgebung von Mudros fehlt Centaurea spinosa.


Ich führe das darauf zurück, daß C. spinosa sandige Böden bevor-
zugt, die hier fehlen und durch Lößlehme vertreten werden. Am
Ostausgang des Dorfes erstrecken sich diese weit in das Land hinein,
stehen im Winter unter Wasser und versumpfen. Im Sommer aber
trocknen sie aus. An heißen Tagen blüht dann das Salz aus und
überzieht den Boden auf weite Strecken hin mit einer dicken Salz-
kruste. Auf diesen Böden können nur extrem halophile Pflanzen
wachsen wie Salicornia fruticosa, die hier einen gedrungenen,
niederliegenden Wuchs zeigt und im Sommer rot gefärbte Polster
bildet. Zwischen ihnen leuchten die kleinen Rasen von Frankenia
laevis. Statice graeca, Salsola Kali, Cakile maritima, Hordeum
maritimum, Suaeda maritima, Obione portulacoides, Cynodon dac-
tylon, Agrostis capillaris und Lepturus incurvatus fehlen nie, wenn-
gleich sie auch keine geschlossene Vegetationsdecke bilden, wie dies
auf den Salzwiesen von Lichna der Fall ist. Weiter landeinwärts,
wo der Boden allmählich auszusüßen beginnt, bleiben die Halophy-
ten zurück, und Juncaceen werden vorherrschend. Unter ihnen
nehmen Juncus acutus und J. maritimus eine besondere Stellung
ein, die auf große Strecken hin bestandsbildend auftreten. Zwischen
diesen Juncaceen-Horsten wächst eine ähnliche Flora, wie wir sie
bereits am Strande von Kondia angetroffen haben:
Spergularia rubra
Medicago marina
Ranunculus muricatus
Euphorbia gerardiana (E. paralias auf dem Strande vertretend)
Thapsia garganica
Cardopatium corymbosum
Verbascum sinuatum
An Stellen, die auch während der Sommermonate gut durch-
feuchtet sind, wächst Vitex agnus castus, ein Strauch, der sonst
ein Begleiter der Bäche ist. In seinem Schatten gedeihen M entha
pulegium, Ranunculus muricatus und ] uncus buffonius.

3. Niederungs-Gesellschaften (Vegetation der Salzwiesen).


Eine gewisse Ähnlichkeit in der floristischen Zusammensetzung
mit der Strandflora hat die Vegetation der Salzwiesen in der Um-
gebung von Lichna und an den Ufern der Salzseen bei Kontopuli.
Obwohl beide Stellen nicht direkt mit dem Meer in Verbindung
stehen, ist der Boden so salzhaltig, daß nur extreme Halophyten
sich halten können. Es sind wenige Arten, die aber in einer solchen

-- 584-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 77

Individuenzahl auftreten, daß sie regelrechte Wiesen bilden. Von


einer Pflanzenzonierung kann nicht gesprochen werden. Alle unten
aufgeführten Pflanzen wachsen bunt durcheinander:
Salicornia fruticosa Spergularia rubra
Suaeda maritima Frankenia lavis
Obione portulacoides T amarix pentandra
Hordeum maritimum Cynodon dactylon
Statice graeca Aeluropus litoralis

Mit Aussüßung des Bodens gesellen sich hinzu:


] uncus acutus I mperata cylindrica
]. maritimus Carex divisa
Delphinium paniculatum C. extensa
Oryzopsis miliacea Thapsia garganica
Agrzopyrum maritimum

4. Vegetation der Hügelstufe.


a) Macchie.
Während sonst die Macchie in Griechenland eine große Rolle
spielt und die beherrschende Formation in Höhen bis zu 400 m ist,
nimmt sie auf Lernnos einen sehr beschränkten Raum ein. Ich
konnte sie nur an zwei Stellen beobachten, in den östlich der Ther-
men gelegenen, windgeschützten Tälern und auf der NE-Seite des
Paradiesberges südlich Mudras (Abb.19). Doch dürfte die Macchie
ehemals einen weit größeren Raum eingenommen haben, denn
man kann heute beobachten, wie auch diese Restbestände alljähr-
lich weiter dezimiert werden und der Axt zum Opfer fallen. An
beiden Stellen handelt es sich um die in Ostgriechenland weit
verbreitete Kermeseichen (Quercus coccifera)-Macchie. Ihren Auf-
bau wollen wir uns anläßlich mehrerer Besuche zu verschiedenen
Jahreszeiten vor Augen führen. Wir wählen hierzu die bei den
Thermen wachsenden Bestände.
Mitte Dezember: Die Nordostflanke des Tales ist bis zu einer Höhe
von etwa 300 m mit einem dichten Gestrüpp von Quercus coccifera überzogen.
Die Büsche erreichen eine durchschnittliche Höhe von 1 m. In besonders
geschützten Lagen werden sie auch höher. Auf Lichtungen gesellen sich zu
der Kermeseiche kümmerliche Büsche von Cistus villosus, Poterium spinosum
(stellenweise häufig) und Corydothymus. Auf der Kermeseiche schmarotzt
die halbstrauchige Osyris alba, und in den Büschen ranken die Sprosse von
Asparagus acutijolius. Die Staudenflora ist zunächst nur durch Asphodelus
microcarpus, lnula viscosa, EuphoYbia Characias und Rosetten von Verbas-
cum lasianthum vertreten. Ferula communis beginnt gerade seine ersten
feingefiederten Blätter zu entfalten. Unter den Quercus-Büschen breiten
sich Rasen von Selaginella denticulata, zahlreiche Moose und Polypodium
vulgare aus.

-585-
78 WERNER RAUH:

Überschreiten wir den nach der Südwestseite hin abfallenden Höhenzug,


auf dessen Nordostflanke die eben geschilderte Kermeseichen-Macchie sich
herabzieht, so ändert sich das Vegetationsbild. Die geschlossenen Quercus
coccifera-Bestände lockern sich auf, treten teilweise ganz zurück und machen
einer reichen Krautflora Platz, die zu allen Jahreszeiten einen verschiedenen
Aspekt bietet. Kleinere Gebüsche von Oliven (Wildform), Quercus coccifera,
Pirus amygdalijormis und Schlehdorn ( Prunus spinosa), überzogen von
Brombeerranken, sind die Holzgewächse. Dazwischen wachsen die Halb-
sträucher Osyris alba und Asparagus acutifolius. In Felsspalten und auf

Abb. 22. Feru/a communis in der Macchie Abb. 23. Dracunculus vulgaris var. cretensis
bei den Thermen. bei Mudros.

Podesten sitzen große Büsche von Euphorbia Characias. Wiesenbildend


tritt Asphodelus microcarpus auf, vermischt mit den Rosetten vonFerula com-
munis. An lichten Stellen, auf sandigen Verwitterungsböden beobachten
wir die Rosetten von Verbascum lasianthum und Althaea rosea. Diese For-
mation zieht sich den Abhang bis zur Talsohle hinab, die von einem kleinen
Bach durchflossen wird, auf dessen Vegetation später noch zurückzukommen
ist. Der Talboden selbst wird von großen Mandelhainen und von Kulturland
eingenommen.
Mitte März: Die Mandeln stehen in Vollblüte. Wie ein zarter weißer und
rosa Schleier liegt der Blütenflor über den jetzt zartgrünen Hängen. In der
Quercus coccifera-Macchie ist nicht viel Neues zu beobachten; nur die kleine
Erophila verna und Rumex bucephalophorus, Erodium cicutarium und Calen-
dula arvensis stehen in Blüte.
Auf der Südwestseite hat die Vegetationsentwicklung ziemliche Fort-
schritte gemacht. Euphorbia Characias blüht, Asphodelus bildet die Inflo-
reszenzen aus, und Ferula hat seine ersten großen Fiederblätter entfaltet.

- 586-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 79

Aber auch neue Pflanzen begegnen uns. Aus dem Grau-grün der Asphodelus-
Wiesen leuchten überall die großen dunkelroten, violetten oder weißen
Blüten der schönen Anemone hortensis, versteckt und unauffällig ragen die
kleinen kurzgestielten Blüten von Romulea Linaresii über die Erde. In
Felsspalten und zwischen Felsblöcken entdecken wir das interessante Ari-
sarum vulgare mit auffällig braun-gestreifter Spatha und lang heraushängen-
dem sterilem Kolbenende. Aus dem Schlehdorngebüsch leuchten die großen
gelben Sterne von Ranunculus jicaria ssp. grandiflora 1 , die eingerollten Blätter
von Dracunculus vulgaris var. cretensis durchbrechen gerade den Boden.
Auch Ballota acetabulosa entfaltet seine ersten, mit weiß-filzigen Blättern
besetzten Triebe.
Mitte Mai: Die Vegetation steht in vollster Entwicklung. Nur noch
wenige Wochen und alle Pflanzen sind abgestorben und tot. Auch zu dieser
Zeit bietet die Quercus-Macchie nichts Auffälliges. Die Cistrosen und Spar-
tium blühen. Asphodelus ist schon im Abblühen begriffen. Specularia pen-
tagonia und Ornithagalum tenuifolium vervollständigen die Flora.
So arm die Nordseite ist, so reich ist die Südseite. Hier breitet sich die
ganze Blütenpracht der mediterranen Flora aus: A sphodelus ist schon ver-
blüht und im Einziehen begriffen. Tonangebend ist jetzt Ferula communis,
deren Infloreszenzschäfte inzwischen die stattliche Höhe von 1,5ü-2 m
erreicht haben und über und über mit großen gelben Dolden besetzt sind.
Der ganze Hang erscheint davon gelb gefärbt. Man glaubt fast, durch einen
Wald von Umbelliferen zu gehen. Dazwischen wachsen in bunter Mischung
all die zahlreichen, unten aufgeführten in Vollblüte stehenden Stauden
und Kräuter:
Lagurus ovatus Cerastium illyricum
Cynosurus echinatus Erysimum Rechingeri (Felsspalten)
A vena sterilis Bunias erucago
Briza maxima Althaea rosea
Melica ciliata var. Magnolii M alva ambigua
Bromus tectorum H ypericum perforatum var. angu-
B. alopecuroides stijolium
Elymus crinitus H. perfoliatum
Dactylis glomerata var. hispanica H. aegyptiacum (in Felsspalten)
Scleropoa rigida Geranium lucidum,
Poa b lbosa
Aegilops triuncinalis Zahlreiche Papilionaceen, wie:
Imperata cylindrica Ononis antiquorum
A ira capillaris Trigonella monspeliacea
Cynodon dactylon Trifolium subterraneum
Haynaldia villosa Tr. angustijolium
Ornithogalum tenuifolium Tr. stellatum
Muscari comosum Tr. scabrum
Dracunculus vulgaris var. cretensis Tr. tomentosum
Rumex bucephalophorus Tr. uniflorum
R. acetosella f. multifida Tr. campestre
Osyris alba Tr. spumosum
Silene vulgaris var. angustifolia Tr. lappaceum
S. italica Tr. nidifolium
S. dichotoma Medicago ciliaris
1 Da ich Ranunculus ficaria ssp. grandiflora nie fruktifizierend beobachtet

habe, ist anzunehmen, daß es sich hier um eine Polyploide handelt.

-587-
80 \VERNER RAUH:

M.minima Asteriscus spinosus


M. rigidula Cnicus benedictus
M. hispida M atricaria chamomilla
M. orbicularis Chrysanthemum segetum
M. falcata Anthemis tinctoria
H ymenocarpus circinatus Ballota acetabulosa
Biserrula pelicinus Salvia virgata
S. verbenacea
Ferner: Teucrium polium
Paronychia argenta Origanum heracleoticum var. tricho-
Linum strictum calycinum
Eryngium campestre Echium italicum
Lagoecia cuminoides E. plantagineum
Orlaya platycarpa V erbascum lasianthum
Scandix australis Scrophularia canina
Echinophora spinosa Statice sinuata
Filago germanica var. eriocephala Armeria undulata (Felsspalten)
Wenige Wochen später ist der ganze Blütenflor verschwunden, und die
abgetrockneten Infloreszenzsprosse von Ferula bieten einen traurigen An-
blick. An blühenden Kräutern finden wir nur noch Anthemis tinctoria und
Echinophora spinosa.
Hier sei noch eine spezielle Schilderung der Macchie am Paradies-
berg gegeben, die besonders eindrucksvoll ist. Die NE-Seite des
Paradiesberges südlich von Mudras ist eine riesige Halde aus Sand-
steinblöcken, auf der sich noch ganz ansehnliche Reste von Macchie
finden, wenngleich diese auch nicht so artenreich ist wie jene bei
den Thermen. Daß am Paradiesberg sogar einmal Wald gestanden
haben muß, davon zeugen heute noch einige baumförmige Eichen,
übrigens die einzigen Waldbäume - von einigen, wahrscheinlich
angepflanzten Pinien am Strand von Kastron abgesehen - die ich
auf Lernnos beobachten konnte. Im übrigen herrscht Quercus
coccifera vor und zwar in solch dichten Beständen, daß kaum noch
andere Pflanzen Platz zwischen dem Gestrüpp finden. Auf den
kleinen Lichtungen in der Macchie kriechen die Triebe von Clematis
cirrhosa umher. Tamus communis und Ruscus aculeatus begegnen
uns hier zum ersten Male. Auch die nie fehlenden Macchienbegleiter
Osyris albaund Asparagus acutifolius stellen sich ein. Im Schatten
von Felsblöcken und von Kermeseichenbüschen gedeihen die
Rosetten von Cotyledon horizontalis. Neben der Kermeseiche ist
Pteris aquilina die vorherrschende Pflanze. An sonstigen Be-
gleitern sind zu nennen:
Elymus crinitus Briza maxima
Melica ciliata var. Magnolii Bromus tectorum
Dactylis glomerata var. hispanica Lamarckia aurea
Cynosurus echinatus A sphodelus microcarpus

588-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 81
Muscari comosum Trifolium spumosurn
Cistus villosus Tr. subterraneum
Poterium spinosum M edicago ciliaris
Cichorium pumilum H ypericum angustifoliurn
Asteriscus spinosus Origanum heracleoticum
Thapsia garganica M arrubium vulgare
Lagoecia cuminoides Salvia virgata
Delphinium paniculatum S. verbenacea
Nigella arvensis var. gla1tca Stachys germanica
Ononis antiquarum

b) Phrygana.
Entgegen der Ansicht RECHINGERs (1939), "daß die nirgends
fehlenden Phrygana-Zwergsträucher auf Lernnos nur durch Caly-
cotome villosa und Poterium spinosum vertreten sind und nirgends
zu Beständen zusammenschließen", bedeckt doch dichte, wenn
auch kümmerliche Phrygana weite Strecken der Insel (Abb. 19,
punktiert). Gleich der Macchie verschwindet auch diese alljährlich
mehr, denn die holzigen Phrygana-Sträucher sind oft das einzige
Feuerungsmaterial während der Winterzeit. Die Phrygana stockt
in der Regel auf den trockensten Gesteinen, wie Tuffen und Trachy-
ten. An ihrem Aufbau beteiligen sich vor allem dornige Zwerg-
sträucher wie Poterium spinosum, Calycotome villosa, Anthyllis
H ermanniae und Corydothymus capitatus. Vielfach sind alle Arten
in einem Verband anzutreffen, oder eine der oben genannten ist
vorherrschend (häufigeres Verhalten).
IX) Poterium spinosum-Phrygana. Sie ist die Verbreiteteste
Form der Phrygana und in ihrer Zusammensetzung sehr arm.
Neben der Leitpflanze finden sich :
Briza maxima M arrubium vulgare
A vena sterilis Origanum heracleoticum
Dactylis glomerata var. hispanica Cichorium pumilum
Asphodelus microcarpus Carlina graeca
Nigella arvensis var. glauca Carthamus glaucus
Calycotome villosa C. dentatus
Euphorbia Characias Pycnemon acarna
Eryngium campestre
ß) Corydothymus-Phrygana. Poterium spinosum tritt weit-
gehend zurück, und vorherrschend werden Labiaten (Tomillares
nach ADAMOVIc), unter denen Corydothymus die Leitpflanze ist. Mit
ihren violett-roten Blüten färbt sie im Spätsommer die Hänge und
verbreitet einen aromatischen Duft. An Begleitpflanzen treffen wir:
Teucrium polium Stachys acutijolia
T. divaricatum Salvia virgata

42 Heidelberger Sitzungsberichte 1949. -589-


82 WERNER RAUH:

Salvia vet'benacea A lthaea t'Osea


Poa bulbosa Dianthus spec.
Bt'iza maxima Nigella ayvensis var. glauca
Byomus tectot'um A t'meria undulata
Lagurus ovatus Statice sinuata
Cynosut'us echinatus Scabiosa columbaria
A sphodelus microcat'pus Knautia integrifolia
Allium parviflot'um Filago germanica
H ypet'icum atomat'icum Cichorium pumilum

c) Trockenrasen.
Den weitaus größten Teil der Insel nehmen die Trockenrasen
ein. Es ist kein fest zu umschreibender natürlicher Pflanzenverband,
sondern eine durch Menschenhand und Weidebetrieb geschaffene
Pflanzengesellschaft, in der sich auch zahlreiche durch Weidetiere
verschleppte Ruderalpflanzen finden. Vorherrschend in diesen
Trockenrasen sind natürlich alle diejenigen Pflanzen, die von
Weidetieren gemieden werden. Es sind dies vor allem Kompositen
mit harten Dornblättern. Im Herbst treten die folgenden Kompo-
siten in solcher Menge auf, daß es Schwierigkeiten bereitet, diese
Bestände zu durchschreiten :
Carlina graeca; Scolymus hispanicus; Carthamus glaucus;
C. dentatus; Pycnemon Acarna.
Daneben finden sich aber auch zahlreiche andere Pflanzen, die
uns schon in anderen Formationen begegnet sind:
Ephedra distachya (in Felsspalten) S. italica
Romulea Linaresii Cerastium illyricum
Ornithogalum tenuifolium A renaria leptocladus
A sphodelus microcarpus A lsine verna
Lamarckea aurea H ypericum atomaricum
Lagurus ovatus Geranium lucidum
Cynosurus echinatus Erodium cicutarium
A vena sterilis Ononis antiquarum
Elymus crinitus Trifolium stellatum
Scleropoa rigida Tr. angustifolium
Dactylis glomerata var. hispanica Tr. scatrum
Bromus intermedius Tr. tomentosum
B. sterilis Tr. campestre
B. tectorum Tr. spumosum
Poa bulbosa H ymenocarpus circinatus
Aegilops triuncinalis Biserrula pelicina
Nigella arvensis var. glauca Astragalus hamosus
Erysimum Rechingeri Paronychia macrosepala
Erophila verna Eryngium campestre
Gapparis spinosa (Felsspalten) Echinophora spinosa
Silene vulgaris ssp. angustifolia Orlaya platycarpa
S. dichotoma Ammi majus

-590-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 83
Knautia integrifolia Reichardia picroides
Scabiosa columbaria Crepis multiflora
Filago germanica var. eriocephala Cionura erecta (Felsspalten)
Cardiopatium corymbosum Anchusa hybrida
Carduus tagyetus Echium italicum
Onopordon elatum var. argolicum E. plantagineum
0. myriacanthium Verbascum lasianthum
Tyrimnus leucographus Scrophularia canina
Crupina crupinastrum Stachys acutifolia
H ypochoeris radicata Ballota acetabulosa
Rodigia commutata Statice sinuata
Cichorium pumilum Armeria undulata (Felsspalten)
Talpis virgata A marantus retroflexus
Rhagodiolus stellatus var. edulis Parietaria vulgaris (Felsspalten)

5. Vegetation der Flußtäler.


Eine charakteristische Flora findet sich entlang der Bäche und
Flüsse, die jedoch nur während des Winters und Frühjahrs fließen-
des Wasser führen. Im Sommer trocknen sie bis auf einige kleine
Tümpel aus. In ihnen untergetaucht, bzw. auf der Oberfläche
schwimmend, findet man dann:
Chara foetida var. subinermis N asturtium officinale
Lemna minor A pium nodiflorum
Potamogeton polygonifolius Veronica anagallis.

An feuchten und versumpften Stellen wachsen:


Ranunculus muricatus Sorghum halapense
Melilotus indicus Chlorocyperus badius
M entha Pulegium H oloschoenus romanus
]uncus bufonicus var. hybridus Carex divisa
]. acutus C. extensa
]. conglomeratus Sambucus Ebu us (auch an trocknen
]. maritimus Stellen)

Umsäumt werden die Bachränder von alten Platanen, Pyra-


midenpappeln und einem dichten Gebüsch von Vitex agnus castus
und Nerium oleander. Die blühenden Oleander"hecken" gehören
zu den unvergänglichsten Eindrücken von Lemnos. Gleich blut-
roten Bändern winden sich im Hochsommer die Flüßchen durch
die schon grau-braune Landschaft. In diesem Gebüsch beobachten
wir im Frühjahr Ranunculus ficaria ssp. grandiflora, Arum italicum,
und im Sommer die schon tropisch anmutenden Infloreszenzen von
Dracunculus vulgaris var. cretensis (Abb. 23), ferner Lysimachia
atropurpftrea, die schönen Gramineen Agrostis verticillata und
Oryzopsis mileacea.

42* -591-
84 WERNER RAUH:

6. Ruderalflora.
An wüsten Plätzen und Schuttablagerungen siedelt sich eine
charakteristische Flora an, die auch nicht selten in andere Forma-
tionen eindringt :
Ecballium elaterum (große Bestände Gonvolvulus arvensis
bildend) Verbena officinalis
X anthium spinosum Batiota acetabulosa
Centaurea solstitialis U rtica urens
H yoscyamus albus U. pilulifera
Sambucus nigra Reseda lutea f. crispa
Malva parviflora R. luteola f. crispata
H eliot, opium villosum Chenopodittm murale
An Besonderheiten für die Flora von Lernnos erwähnt RECHIN-
GER: Raphanus rostratus, Erysimum Rechingeri und Euphorbia
Niciciana.
7. Felsflora.
· Überaus reich entwickelt ist die Flechtenflora von Lemnos, die
als Krustenflechten große Felspartien und Gesteinsblöcke bedecken,
so daß das darunter liegende Gestein kaum noch zu erkennen ist.
Die üppige Flechtenflora deutet auf eine große Luftfeuchtigkeit hin,
die in der Tat auch vorhanden ist. Die relative Feuchte in den
Nächten beträgt, auch in den Sommermonaten, durchschnittlich
60-80% (Abb. 24 und 25).
Da das gesammelte Material ohne vorherige Bestimmung rest-
los verloren gegangen ist, muß leider auf eine Aufzählung der zahl-
reichen Flechten verzichtet werden. Es würde sich allerdings
lohnen, nochmals zu sammeln, da ich vermute, daß auf Lernnos
zahlreiche, wenig bekannte, bzw. neue Arten anzutreffen sind.

C. Hagion Evstratlos.
Die Vegetationsverhältnisse von Hagion E vstra tios zeigen
große Übereinstimmungen mit denen von Lemnos. Die Verwüstun-
gen sind allerdings noch nicht so weit fortgeschritten, und man kann
sogar noch Reste von Eichenwald antreffen. Mit Ausnahme der
den NE-Stürmen ausgesetzten Bergkuppen dürfte einstmals die
ganze Insel Wald getragen haben. Kleine Bestände davon finden
sich noch auf der ganzen Insel verstreut, vor allem aber an der
Ostseite. Die Macchie scheint zu fehlen. Ich konnte sie wenigstens
an keiner Stelle beobachten. Dafür nimmt die Phrygana einen
um so größeren Raum ein. Alle Berghänge und Kuppen sind, so-
weit sie nicht in Kultur genommen, von dornigen Kugelbüschen

-592-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 85
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Abb. 24. Monatsmittel der relativen Feuchte, Temperatur und Niederschläge der Monate
Januar (1942) bis Dezember (1942) von Mudros/Lemnos.

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5o%L-~------------------------~~----------------~~
Jo(7uor Juli /Jezem6er
Abb. 25. Monatsmittel der relativen Feuchte der Jahre 1926-1942 von Lemnos,
Mytiline und Chios.

42a Heidelberger Sitzungsberichte 1949. - 593 -


86 WERNER RAUH:

bewachsen, die zu mehr oder weniger dichten Beständen zusammen-


schließen und die Trockenrasen weitgehend zurückdrängen. Leider
habe ich nur die Sommervegetation der Insel kennengelernt, so daß
ich über den Frühlingsaspekt der Insel nichts zu sagen vermag.
In Übereinstimmung mit
Lernnos können wir folgende
Vegetationsformen unter-
scheiden:
1. Kulturstufe,
2. Hügelstufe.
a) Eichenwaldregion,
b) Phrygana.

I. Kulturstufe.
Sie beschränkt sich 1m
wesentlichen auf das einzige
größere Flußtal, das sich am
Fuße des Dorfes hinzieht. Die
Talsohle wird von fruchtbaren
und gepflegten Gemüse- und
Obstgärten (Mandeln, Oliven,
Abb. 26. Evstratios, Trockenrasen mit einzel- Granatäpfel, Wein) einge-
nen B äumen von Quercus cerris. Im Vorder-
grund t errassierte Getreidefelder. nommen, die mit Getreide-
feldern abwechseln, auf denen
vorwiegend Weizen gebaut wird. Gerste und Hafer gedeihen
in höheren Berglagen auf terrassenförmig angelegten F eidstreifen
(Abb. 26). Wie auf Lernnos werden die Äcker nach der Ernte
in der Regel als Brachäcker liegen gelassen. Sie werden dann
alsbald besiedelt von:
Inula viscosa, Centaurea spinosa, Eryngium campestre und
zahlreichen Gräsern wie Avena sterilis und Elymus crinitus.
Vegetation der Bäche.
Da die kleinen Bäche während der Sommermonate vollständig
austrocknen, fehlt die Wasserflora. Auch hier werden die Bach-
läufe begleitet von prächtigen alten Platanen, Pappeln, V itex agnus
castus und Nerium oleander. An sonstigen Begleitpflanzen konnte
Im Sommer nichts weiter beobachtet werden.

-594-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 87
2. Hügelstufe.
a) Eichenwaldregion.
Das Hauptverbreitungsgebiet der Eiche sind heute die niederen
Lagen der Ostküste. Aber auch sonst finden sich auf der ganzen
Insel verstreut, in Tälern und Berghängen der mittleren Lagen,
vereinzelte Baumgruppen von prächtigen alten Eichen (Quercus
cerris).
Als Unterwuchs in den Eichenwäldern konnte ich im Juli fest-
stellen:
Lonicera implexa Biserrula pelicina
Rubus spec. Lupinus angustifolius
Tamus communis H ypericum perforatum var. angttsti·
Asparagus acutifolius folium
Asphodelus microcarpus H. olympicum
A vena sterilis Ferula communis (vereinzelt)
Elymus crinitus Eryngium campestre
Dactylis glomerata Orlaya platycarpa
Briza maxima Poterium spinosum
Trifolium angustifolium Centaurea spinosa
Tr. Lappaceum Verbascum spec. (nicht blühend)
Tr. stellatum Polypodium vulgare
Tr. scabrum Asplenium ceterach

b) Phrygana.
Der weitaus größte-Teil der Insel wird heute von Phrygana ein-
genommen, dornigen Kugelbüschen, unter denen Centaurea spinosa
und Poterium spinosum vorherrschen. Wenn bei der Besprechung
der Vegetationsverhältnisse von Lernnos angeführt wurde, daß
C. spinosa nur auf Sand anzutreffen sei, so scheint das im Wider-
spruch mit den Beobachtungen auf Evstratios zu stehen. Doch
wird das Auftreten von Centaurea spinosa verständlich, wenn
man die geologischen Verhältnisse der Insel berücksichtigt. Die
Berge bestehen zu einem großen Teil aus gehobenen Konglomeraten,
die mit Sandbänken abwechseln (Abb. 27) und sehr leicht zu
einem feinen Sandgrus verwittern, in dem sich dann Centaurea
ansiedelt. Die dornigen Kugelsträucher schließen aber nie so dicht
zusammen, daß nicht für andere Pflanzen Raum wäre. So konnten
als Begleitpflanzen folgende Arten beobachtet werden:
A vena sterilis Bromus tectorum
Elymus crinitus A egilops triuncinalis
Dactylis glomerata var. hispanica Cynosurus echinatus
H aynaldia villosa Asphodelus microcarpus
Briza maxima Gapparis spinosa (Felsspalten)

-595-
88 WERNER RAUH:

H ypeyicum atoma'l'icum Cionura erecta


H. peyfomtum var. angustifolium Statice sinuata
Trifolium radiosum Scrophularia canina
Tr. subtenaneum V erbascum spec.
Tr. Lappaceum Cichorium pumilum
Orlaya ptatycarpa Scolymus hispanicus
Ferula communis Carthamus glaucus
Eryngium campestre C. dentatus
Lagoecia cuminoides Pycnemon A carna
Thymus serpyllum Carlina graeca

Abb . 27. Evstratios, Steilküste, die aus gehobenen Sandsteinkonglomeraten besteht.


Die Kugelbüsche im Vordergrund sind Centaurea spinosa .

D. Mytiline.
Auf zwei 14tägigen. Reisen hatte ich Gelegenheit, die Insel
Mytiline kennenzulernen. Die erste Reise erfolgte im Januar, zu
einer Zeit, als die Frühlingsflora noch nicht entwickelt war, die
zweite im Juli zur Zeit der sommerlichen Dürre. Da Mytiline etwa
die doppelte Größe von Lernnos besitzt, war es mir nicht möglich,
die ganze Insel kennenzulernen. Auch auf den Besuch der mon-
tanen Stufe am 950 m hohen Olymp mußte verzichtet werden.
Näher untersucht habe ich die Vegetationsverhältnisse der 300 bis
400 m hohen Kalkberge in der Umgebung der Stadt und jene auf
auf einer Fahrt von der Stadt Mytiline zu dem am Nordende der
Insel gelegenen Dorf Molivos. Der Weg führt durch die längste
Erstreckung der Insel, vorbei an den Niederungen von Jera und
Kalloni, über Berge und Täler, so daß man auf dieser Fahrt einen
recht guten Einblick in die Vegetationsverhältnisse von Mytiline

-596-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 89

erhält. Der Gliederung von Lernnos folgend, können wir auch hier
folgende Regionen unterscheiden:
1. Kulturregion,
2. Niederungen,
3. Hügel-Stufe,
a) Macchie,
b) Phrygana,
4. Montane Region (Kiefernwälder).

I. Kulturregion.
Auch auf Mytiline nimmt die Kulturregion den größten Raum
ein. Doch spielt der Getreideanbau eine untergeordnete Rolle. Er
wird nur in den Niederungen von Jera und Kalloni betrieben, in
denen sich außerdem große Kulturen von Gemüse (Tomaten,
Melonen, Kürbis, Gurken, Artischocken, Eierfrüchte, Paprika, Kohl,
Bohnen, Erbsen, Baumwolle, Mais) und Obst (Mandeln, Feigen,
Wein) finden.
Das milde Klima von Mytiline offenbart sich in der tropisch
und subtropisch anmutenden Vegetation in den Gärten in der
engeren Umgebung der Stadt. Palmen, Zypressen, Zedern, Apfel-
sinen, Zitronen gedeihen mit großer Üppigkeit.
Die häufigste und verbreitetste Kulturpflanze aber ist die
Olive, die in Hainen und Wäldern die unteren, aus schiefer-
artigen Gesteinen bestehenden Berglagen (bis 300m) besiedelt.
Stundenlang fährt man auf dem Wege von Mytiline nach Molivos
durch Olivenhaine. Meist sind es alte Bäume von groteskem Aus-
sehen, an unsere Kopfweiden erinnernd. Von einem kurzen,
knorrigen, vielfach tordiertem und meist hohlem, an einer Seite
aufgerissenen Stamm gehen schopfartig zahlreiche Äste aus, die
zur Fruchtzeit über und über mit den kleinen blau-schwarz be-
reiften Früchten behangen sind. Diese eigenartige Wuchsform der
Olive, die man auch in Italien, Südfrankreich und auf den west-
mediterranen Inseln antrifft, ist natürlich das Produkt menschlichen
Einflusses. Von Zeit zu Zeit schlägt man die alten Zweige am
Stammende bis auf einen kurzen Stumpf ab und veranlaßt die
ruhenden Knospen auszutreiben, um auf diese Weise immer junges
Fruchtholz zu haben. Außerdem hält man dadurch die Bäume
niedrig, um die Ernte zu erleichtern. Man schlägt nämlich die
Früchte einfach mit Stangen herunter, oder ---was noch bequemer

-597-
90 WERNER RAUH:

ist -man läßt sie abfallen, um sie dann aufzulesen. Mit Hilfe von
Eseln und Maultieren werden die Früchte in die zahlreichen Öl-
mühlen gebracht, um dort zum wichtigsten Ausfuhrprodukt von
Mytiline, dem Olivenöl, verarbeitet zu werden.
Stocken die Oliven auf Verwitterungsböden, so werden zwischen
den einzelnen Bäumen Hülsenfrüchte und Gemüse gepflanzt. Auf
den schiefrigen Berghängen ist das nicht möglich, da die Verwitte-
rungskruste zu dünn ist, um bearbeitet zu werden. Man findet
dann als Unterwuchs in den Olivenwäldern zahlreiche Pflanzen,
die zum Teil aus benachbarten Pflanzengesellschaften ausgewandert
sind:
Ceterach officinarum Cyclamen neapolitanum (an feuchten
Polypodium vulgare Stellen)
Asplenium adiantum nigrum Orlaya platycarpa
Adiantum capillus veneris (an feuch- Daucus guttatus
ten Stellen) Lagoecia cuminoides
Ophioglossum vulgatum Cerastium viscosum
Aegilops bicornis Medicago hispidula var. denticulata
Lagurus ovatus Trifolium campestre var. subsessile
Bromus sterilis Teucrium polium
B. rigidus M arrubium vulgare
B. intermedius Origanum onites
B. alopecuroides Corydothymus capitatus
Cynosurus echinatus Specularia pentagonia
Poa bulbosa Verbascum lasianthum
Asphodelus microcarpus V. sinuatum
Orchis sanctus V. Aschersonii
Arisarum vulgare (zwischen Fels- V. M ytilinense R. fil. (V. Aschers. x
blöcken) V. sinuatum) bei Kalloni
Arum italicum Carlina graeca
Dracunculus vulgaris var. cretensis Pycnemon Acarna
Crocus moesiacus Carthamus dentatus
Anemone hortensis C. glaucus

2. Niederungen.
Über die Vegetation der Ebenen von Jera und Kalloni kann
nicht viel Neues berichtet werden; es finden sich die gleichen For-
mationen mit denselben Elementen wie auf Lemnos. Auch die
gleiche Zonierung ist anzutreffen: Der flache Sandstrand wird
wiederum von der Centaurea spinosa-Gesellschaft eingenommen,
die von der Juncaceen-Zone (Juncus acutus und J. maritimus)
mit Arundo Donax, Tamarix und Rubus spec. abgelöst wird. Auf
lößlehmigem Untergrund fehlt die Centaurea-Vegetation und wird
vertreten durch Wiesen von Salicornia fruticosa, Suaeda maritima,
Obione porhtlacoides, Statice Limonium, Spergularia maritima,

-598-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 91
Hordeum maritimum,Frankenia laevis. Auch an diesen Halophyten-
Verein schließt die Juncaceenformation an, die dann weite Strecken
der Ebene einnimmt.
3. Hügelstufe.
a) Macchie.
Steigt man von der Stadt Mytiline gegen die im Westen gele-
genen Kalkberge auf, so durchschreitet man zunächst ausgedehnte
Olivenhaine, die sich bis zu einer Höhe von 200-300 m erstrecken.
Mit zunehmender Steilheit des Geländes werden diese lichter und
hören dann ziemlich unvermittelt auf. Nur noch vereinzelte Bäume
von krüppelhaftem Wuchs gehen in die sich anschließende Macchie,
die von nun an wie ein grünes Tuch die Bergkuppen überzieht und
nur steil abstürzende Felsklippen frei läßt. Es ist nicht die arme
Form der Macchie, die wir auf Lernnos kennengelernt haben, son-
dern die reichere ostmediterrane Macchie, die sich auf Mytiline
durch große Vitalität auszeichnet. Vorherrschend sind die immer-
grünen Sträucher: Quercus coccifera (in niederen Lagen auch baum-
förmig) und Arbutus unedo. Aber auch zahlreiche andere, zum Teil
sommergrüne Holzgewächse finden sich:
Pistacia lentiscus Anthyllis Hermanniae
Cistus villosus Rhus cotinus
C. salviaefolius Lavandula stoechas
Calycotome villosa Pirus amygdaliformis
Osyris alba Asparagus acutifolius.
Poterium spinosum
Von der krautigen BegleitHora konnte ich im Winter und Som-
mer folgende Arten beobachten:
Asphodelus microcarpus Poa bulbosa
Orchis sanctus Haynaldia villosa
Epipactis spec. (nicht blühend) Parietaria vulgaris (Felsspalten)
Allium subhirsutum (zwischen Fels- Silene italica
blöcken) Trifolium arvense
Bromus sterilis Sanguisorba verrucosa
B. intermedius Orlaya platycarpa
B. alopecuroides Lagoecia cuminoides
Lagurus ovatus Smyrnium orphanides
A egilops triuncinalis Eryngium campestre
A vena sterilis Tordylium apulum
A. barbata Specularia pentagonia
Melica ciliata var. Magnolii Ballota acetabulosa
F estuca pseudo-supina Pycnemon Acarna.
An Steilwänden, auf Schutthängen, auf Podesten und Felsköp-
fen, an Orten also, an denen die Macchie von Natur aus schlecht

-599-
92 WERNER RAUH:

gedeiht und sich demzufolge auflockert, entwickelt sich eme


felsähnliche Flora mit aromatisch duftenden Labiaten und
Kompositen:
Origanum onites 1\11icromeria juliana
M arrubium vulgare Satureja thymbra
Teucrium polium Thymbra capitata
T. divaricatum Phagnalon graecum
Thymus spec. (nicht blühend)
Eine besonders schöne Pflanze der Felsspalten ist Inula hetero-·
lepis, auffällig durch seine weißfilzigen Blätter und seine reich
verzweigten Infloreszenzen.
In diesen Felsheiden wurden ferner beobachtet:
Melica ciliata var. Magnolii Bupleurum trichopodum
Dactylis glomerata var. hispanica Euphorbia graeca
Stellaria_ media var. pallida Sedumalbum
Festuca pseudo-supina Verbascum subvacillans (V. sinua-
Minuartia tenuifolia tum x V. vacillans)
Gapparis spinosa Tragapogon porrifolius
Linum angustifolium Urginea maritima
Galium brevifolium Cnerach offzetnarum
Auf den trocknen, beweideten Hängen nahe bei der Stadt,
auf denen die Macchie vernichtet ist, sammelte RECHINGER im
Frühsommer folgende Arten:
Alyssum campestre var. hirtum Phagnalon graecum
Silene italica N otobasis syriaca
Cerastium viscosum Onopordon illyricum
Stellaria media pallida Centaurea mixta f. caulescens
Minuartia tenuifolia hybrida C. solstitialis
Linum angustifolium Crupina crupinastrum
H ypericum perforaturn var. angu- Rodigia commutata
stifolium Tragopagon porrifolius var. brachy-
H. atomaricum phyllus
Geranium lucidum Lactuca cretica
Medicago hispidula var. denticulata Crepis multiflora
Trifolium campestre var. subsessile Specularia pentagonia
Dorycnium hirsutum Cuscuta globularis
Onobrychis aequidentata Echium plantagineum
0. caput galli Alkanna tinctoria
Sanguisorba verrucosa Verbascum lasianthum
Lagoecia cuminodes Linaria parviflora
Orlaya platycarpa Veronica arvensis
Daucus guttatus Teucrium divaricatum
Tordylium officinale T. polium
Scaligera cretica Salvia virgata
Bupleurum flavum Stachys acutifolia
B. trichopodum St. spinulosa
Galium setaceum Micromeria juliana
I nula attica Micromeria myrtifolia

-600-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 93
Jf. graeca Gastridium lendigerum
Origanum onites A vena sterilis
Lavandula Stoechas A. barbata
Plantaga cretica Melica ciliata var. Magnolii
Euphorbia graeca Dactylis glomerata V:;lr. hispanica
Parietaria vulgaris var. microphylla Bromus sterilis
Asparagus aphyllus B. rigidus
Asphodelus microcarpus B. intermedius
Allium subhirsutum B. alopecuroides
1W:uscari comosum Poa bulbosa
Urginea maritima H ordeum bulbosum
Dracunculus vulgaris var. cretensis Haynaldia villosa
Phleum subulatum Aegilops ovata var. triaristata
Oryzopsis coerulescens Ceterach officinarum

b) Phrygana.
Ein größeres Areal als die Macchie nimmt die Phrygana ein.
Bei der Durchquerung der Insel von Mytiline nach Molivos fährt
man fast nur durch Phrygana, die in geschlossenen Beständen die
Südseiten der aus Schiefern bestehenden Berge bedeckt. Auf Grund
meiner Beobachtungen vermag ich die Frage nicht zu entscheiden,
ob in der Verteilung von Macchie und Phrygana die Bodenunterlage
eine Rolle spielt, obwohl auf Kalk vorwiegend Quercus coccifera-
ArbutftS unedo-Macchie, auf schiefrigem Gestein nur Phrygana be-
obachtet werden konnte. Beide Formationen sind auf Mytiline
deutlich als Sekundärformationen zu erkennen, hervorgegangen
aus dem Unterholz der vernichteten Nadelwälder. Diese finden
sich in größeren Beständen nur noch auf den Ost- und Nordost-
hängen der mittleren und höheren Lagen. Macchien- und Phrygana-
Sträucher werden auch heute noch von einzelnen Kiefern überragt.
Die Phrygana ist eine recht eintönige Formation, arm an Arten,
aber reich an Individuen. Ihre Hauptbestandteile auf Mytiline
sind die Dornkugelsträucher:
Poterium spinosum, Anthyllis Hermanniae und Calycotome
villosa. Bald ist die eine, bald die andere Art vorherrschend; bald
treten alle in bunter Mischung nebeneinander auf.
Auch die Begleitflora der Phrygana ist recht arm. Von den
strauchigen bzw. halbstrauchigen Gewächsen sind zu erwähnen:
Fumana arabica Lavandula Stoechas
F. thymifolia Phyllirea media
Satureja thymbra Spartium junceum
Thymbra capitata Osyris alba
Cistus villosus Juniperus oxycedrus (buschförmig}
C. monspeliensis Erica arborea

-601-
94 WERNER RAUH:

An krautigen Begleitpflanzen finden sich:


Asphodelus microcarpus Eryngium creticum
A ristella bromoides (Felsspalten) Verbascum lasianthum
Briza maxima Linaria parviflora
Bromus rigidus Teucrium polium
B. intermedius Stachys acutijolia
Poa bulbosa M arrubium vulgare
Lagurus ovatus Origanum onites
Paronychia macrosepala Fitaga germanica
Silene italica Cichorium pumilurn
Orlaya platycarpa Scolymus hispanicus
Bupteurum flavum Pycnemon Acarna
B. trichopodium Carthamus dentatus

4. Montane Region (Kiefernwälder).


Die Wälder setzen sich fast ausschließlich aus Kiefern zusammen.
Ob neben Pinus brutia in höheren Lagen, wie am Olymp, die
Schwarzkiefer vorkommt, entzieht sich meiner Kenntnis, da ich
diesen Berg nicht besuchen konnte. RECHINGER, der am Olymp
gesammelt hat, erwähnt nichts davon. Reste der ehemals ausge-
dehnten Wälder finden sich auf der ganzen Insel verstreut, ihr
eigentliches Areal ist heute aber auf die Nord- und Ostseiten der
Berge beschränkt. Dort bilden sie schüttere Haine, die in höheren
Lagen an Dichte zunehmen.
Im Unterwuchs der Kiefernwälder der niederen Lagen erkennen
wir beide Formationen der Hügelstufe wieder, die Phrygana und
die Macchie. Daraus können wir schließen, daß diese heute ein so
großes Areal einnehmenden Pflanzengesellschaften den Unterwuchs
ehemaliger Wälder darstellen und in ihrer Verbreitung durch das
Abholzen der Bäume begünstigt worden sind.
Die Leitpflanze der Wälder mit macchienartigem Unterwuchs ist
E rica arborea, diejenige derWälder mit phrygana -artigem Unterwuchs
ist Poterium spinosum, so daß wir den Poterium spinosum-Kiefern-
wald und den Heide-Kiefernwald unterscheiden können.
Der Poterium spinosttm- Kiefernwald scheint der häufigere,
nicht nur auf den Inseln, sondern überhaupt in Nordgriechenland
zu sein, denn ich konnte ihn auch auf Chios und der Chalkidike
wieder finden. Auf Mytiline ist er in engster Umgebung der Stadt
westlich der mit Macchien bestandenen Kalkberge anzutreffen.
Neben der Leitpflanze Poterittm spinostim finden sich:
Corydothymus capitatus A rbutus unedo
Cistus villosus Asphodelus microcarpus
Ruscus aculeatus Epipactis spec. (nicht blühend)
Rhus cotinus

-602-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 95

Die Heide-Kiefernwälder sind in schöner Ausbildung auf den


Höhen zwischen dem Golf von Jera und Kalloni anzutreffen.
Leitpflanze ist Erica arborea, die hier eine Höhe von 50-120 cm
erreicht; dazwischen wachsen:
Erica verticillata Spartium junceum
Lavandula Stoechas Genista acanthoclada
A rbutus unedo Filago germanica
A nthyllis H ermanniae Pycnemon Acarna
Poterium spinosum (wenig) Asphodelus microcarpus
Die Gräser und Kräuter waren im Sommer nicht mehr mit
Sicherheit zn bestimmen.
Werden die Wälder abgeholzt, so breitet sich Erica arborea mit
solcher Wüchsigkeit aus, daß alle anderen Pflanzen zurückgedrängt
und Reinbestände gebildet werden. Kilometerweit werden die
waldlosen Berghänge nur von Heide bedeckt, die zur Blütezeit
einen prachtvollen Anblick bieten.
E. Chios.
Von allen drei Inseln trägt Chios wohl die interessanteste Flora.
Wenn die Insel auch heute fast völlig entwaldet ist, so lassen die
wenigen Reste immerhin noch eine ehemalige Bedeckung von
Kiefernwald erkennen.
Das milde Klima von Chios äußert sich in der schon fast subtro-
pisch anmutenden Vegetation der Kulturstufe, die sich auf den
tertiären und alluvialen Ablagerungen an der Ostküste und der
Umgebung der Stadt ausbreitet (Abb. 28). Wie ein großer Garten
erscheint dieser Teil der Insel von See aus gesehen. Umgeben von
hohen Mauern zum Schutz gegen Frost und Kälte breiten sich
ausgedehnte Haine von Apfelsinen, Mandarinen, Zitronen und
Grape-Früchten aus, vermischt mit Aprikosen, Pfirsichen, Äpfeln,
Pflaumen, Granatäpfeln, Mandeln, Feigen, Johannisbrotbäumen
und Oliven; Zypressen, Eukalypten und Palmen aller Art ver-
vollständigen das Bild dieser üppigen, subtropischen Vegetation.
Große, elektrisch betriebene Schöpf- und Berieselungsanlagen
schaffen das notwendige Wasser herbei, das gerade zur Zeit des
Fruchtansatzes der Apfelsinen und Mandarinen, am Beginn der
sommerlichen Trockenheit, notwendig ist. Die Haupterntezeit der
Mandarinen sind die Monate November und Dezember, die der
Apfelsinen die Monate Dezember und Januar. Die Zitronen werden
während des ganzen Jahres geerntet. Als Unterwuchs in den
Orangenhainen findet sich reichlich A rum italicum.

-603-
96 WERNER RAUH:

Straße von
Chios

~ Paläozoische.. • •
_ Schiefer

- Fusulinen Kalke

~iiil~~fi:WEI Mesozoische Kalke


•.•.•. •"•' l.imnische Tertiär -
•• •• •• Bildungen
Wßfldßl F!usss::;~;en ufl(/

Abb. 28. Geologische Verhältnisse der Insel Chios (nach TELLER) .

Die auf Mytiline vorherrschende Olive tritt auf Chios weit-


gehend zurück. Sie findet sich meist nur als Einzelbaum, nie in
größeren Hainen. Erst in höheren Regionen, wie bei dem oberhalb

- 604-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 97

Chios gelegenen Dorf Karyes, wo keine Orangen mehr gedeihen,


wird auch die Olive häufiger. Wir können also eine untere Oran-
gen- und eine obere Oliven-Stufe unterscheiden. Zwischen
beide schiebt sich auf den paläozoischen Schiefern eine eintönige
Phrygana ein (Abb. 28).
Auch der Getreidebau spielt auf Chios eine sehr untergeordnete
Rolle. Dafür wird um so mehr Gemüse aller Art gepflanzt. Kar-
toffeln gedeihen auf Chios sehr gut.

Vegetation der paläozoischen Schiefer.


Steigt man zu den im Westen gelegenen Kalkbergen empor in
Richtung· des kleinen Dorfes Karyes, so ändert sich das Vege-
tationsbild, sobald man die Stadt verlassen hat. Unter uns liegen
die grünen Gärten mit ihrer üppigen Vegetation; vor uns aber, auf
den sanft gerundeten, von Tälern durchschnittenen Hügeln breitet
sich eine arme, baumlose Phrygana aus von der gleichen Zusammen-
setzung, wie wir sie bereits auf den Schiefern von Mytiline kennen-
gelernt haben. Vorherrschend ist auch hier Poterium spinosum,
hinter dem die dornigen Kugelsträucher Anthyllis Hermanniae,
Erinacea ptmgens und Calycotome villosa an Individuenzahl stark
zurücktreten. Von den Begleitern dieser Dornkugelbusch-Formation
sind zu nennen:
Corydothymus capitata Euphorbia myrsenites
Cistus villosus E. Characias
Lavandula Stoechas Linaria Pelisseriana
Fumana arabica V erbascum lasianthum
Astragalus tragacantha Pycnemon A.carna
Ononis antiquarum Carthamus dentatus
Hypericum perforatum var. angusti- Carlina graeca
folium Centaurea Urvillei
H. olympicum Asphodelus microcarpus
Nigella damascena Briza maxima
Origanum onites Lagurus ovatus
M arrubium vulgare Lygeum Spartum
Salvia virgata Selaginella denticulata (im Schatten
Stachys cret1ca ssp. smyrnacea von Felsblöcken)
Paronychia macrosepala

Flora der Dolomitbreccie.


Unmittelbar unterhalb des Dorfes Karyes treten die Schiefer
zurück und werden überlagert von dolomitischenKalken (Abb. 28),
die an der Kontaktzone zu Grauwacken und Breccien verkittet
sind. Es entstehen dadurch recht eigenartige Geländeformen:
Steilabstürze, Dolomitköpfe und flach geneigte Podeste geben der

H Heidelberger Sitzungsberichte 1949. - 605 -


98 WERNER RAUH:

Landschaft starke Bewegung Jetzt tritt auch die Olive auf, die
in der Umgebung von Karyes zusammen mit Feigen lichte Haine
bildet. Orangen und Zitronen gedeihen in dieser Höhe nicht mehr,
da sie zu stark den Winden und der winterlichen Kälte ausgesetzt
sind. Aber auch die geschlossene Poterium-Phrygana lockert sich
auf, und Poterium spielt nicht mehr die Rolle wie auf dem Schiefer.
In Felsspalten der Steilabstürze und auf den Dolomitköpfen
beobachten wir folgende Arten:
Ceterach officinarum T. polium
Chailanthes fragans Satureia Thymbra
A vena sterilis Vitex agnus castus
Bromus sterilis Echium italicum
B. alopecuroides Scrophularia heterophylla
Briza maxima S. lucida
H ordeuin murorum S. canina
Galanthus nivalis (auch im Geröll) Linaria Pelisseriana
Smilax aspera Cichorium pumilum
Clematis cirrhosa Verbascum glomeratum
Gapparis spinosa V. chium (V. glomeratum Boiss. x
Quercus coccifera (vereinzelte Büsche) V.lasianthum Boiss.) V. glomera-
Hypericum perforaturn var. angusti- tum in höheren Lagen auf Dolomit,
folium V. lasianthum in tieferen Lagen
Eryngium campestre meist auf Schiefer
Astragalus tragacantha Lactuca viminosa
C yclamen neapolitanum I nula heterolepis
M arrubium vulgare Helichrysum siculum
Corydothymus capitatus Centaurea Urvillei
Thymus serpyllum Pycnemon Acarna
Teucrium divaricatum Cineraria bicolor

Auf den
Dolomitköpfen und flachen Podesten
am Fuße der steil aufragenden Kalkberge breiten sich Tomillares-
ähnliche Formationen aus, in denen neben den Dornkugelbüschen
Labiaten vorherrschen. Leitpflanze dieser Formation ist:
Corydothymus capitatus, der wie auf Lernnos stellenweise Rein-
bestände bildet (Abb. 30). In der Regel aber ist er vergesell-
schaftet mit:
Teucrium polium Satureja Thymbra
T. divaricatum M arrubium vulgare

Auch Dornsträucher, wenn auch in weit geringerer Zahl, sind


beigemischt:
Poterium spinosum Erinacea pungens
AnthylUs Hermanniae Calycotome villosa

- 606 --
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 99

An weiteren Begleitern konnte ich im Winter und Sommer


feststellen :
M uscari comosum Cistus villosus
Delphinium criocarpum Convolvulus althaeoides
Dianthus spec. (nicht blühend) Vincetoxicum canescens
Euphorbia myrsenites Linaria Pelisseviana
Quercus coccifera (vereinzelt) Onosma echioides
Spartium junceum Verbascum glomeratum
Fumana arabica Echium plantagineum
F. thymifolia

Abb. 29. Chios, Kalkberge oberhalb der Stadt.

Eine ganz ähnliche Flora siedelt sich auch auf den


Schutt- und Geröllhalden
an, die sich am Fuße der Kalkberge anhäufen, aus lockerem Kalk-
schutt bestehen und doch in Bewegung sind (Abb. 29). Die
Vegetationsdecke ist deshalb auch nicht geschlossen, sondern offen
und locker: Juniperus phoenicea (kleine Büsche bildend; Juniperus
wächst auch in den Steilwänden und auf der Hochfläche), Pirus
amygdaliformis und Prunus spinosa.
An Phrygana-Sträuchern finden sich: Poterium spinosum (ein-
zelne, große Büsche bildend), Anthyllis Hermanniae, Corydothymus
capitatus (vorherrschend) und Satttreia Thymbra.
Die Kräuterflora setzt sich aus folgenden Elementen zusammen:
Asphodelus microcarpus Lagurus ovatus
Urginea maritima (truppweise auf- Bromus sterilis
tretend, Abb. 30) B. alopecuroides
M uscari comosum Dactylis glomerata
Briza maxima Euphorbia Characias

43 a Heidelberger Sitzungsberichte 1949. - 607 -


100 WERNER RAUH:

E. myrsenites Cineraria bicolor


E. Aleppica Pycnemon Acarna
M arrubium vulgare Verbascum glomeratum
Teucrium polium Cyclamen neapolitanum
T. divaricatum Vincetoxicum canescens
Dianthus spec. (nicht blühend) Onosma echioides
Scrophularia canina
Eine sehr arme Vegetation tragen die
Steilhänge und Hochflächen,
die zum Teil wieder mit geschlossener Macchie bewachsen sind. An
neuen Pflanzen treffen wir die kleinasiatische, in Griechenland

Abb. 30. Chios, Vegetation der Schuttreusen mit Urginea maritima, Corydothymus
capitatus und Euphorbia myrsenites.

seltene Zwergpflaume Prunus prostrata, von der GRISEBACH


schreibt, "daß man auf den Athos, Ida, Parnaß und Libanon steigen
müßte, um diese interessante Pflanze wieder zu finden". Sie ist
ein kleiner Spalierstrauch, der seine knorrigen Zweige dem Gestein
dicht anpreßt und zur Fruchtzeit über und über mit kleinen, kuge-
ligen, roten Früchten besetzt ist.
Acantholimon echinus zeigt an, daß wir nur wenige Kilometer
vom kleinasiatischen Festland entfernt sind.
Die übrigen Gewächse sind all die bekannten Pflanzen, die uns
schon in tieferen Lagen auf den Dolomitköpfen und Schutthalden
begegnet sind:
P oterium spinosum (als häufigstes Corydothymus capitatus
Element) Satureja Thymbra
Anthyllis Hermanniae Juniperus phoenicea
Erinacea pungens Pirus amygdalijormis

-- 608 -
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 101

Astragalus Chius Jvl arrubium vulgare


Asphodelus microcarpus Carlina graeca
Delphinium criocarpum Scolymus hispanicus
Dianthus spec. (nicht blühend) Pycnemon Acarna
Euphorbia my1'semtes Carthamus dentatus
Cyclamen neapolitanum

Wälder.
Verfolgt man in südlicher Richtung den Kamm der sich oberhalb
der Stadt hinziehenden Kalkberge, so gelangt man an deren Nord-
und Ostflanken bald in die Reste ehemals ausgedehnter Kiefern-
wälder (Pirus brutia). Sie sind licht und schütter, und die Bäume
zeigen im Vergleich zu denen auf Mytiline einen kümmerlichen,
zum Teil krüppelhaften Wuchs.
Der Unterwuchs der Wälder zeigt große Übereinstimmungen
mit der Vegetation der Hochflächen und Bergflanken, so daß man
wohl daraus den Schluß ziehen darf, daß das Areal der Kiefern-
wälder einstmals eine größere Fläche einnahm.
Vorherrschend im Unterwuchs ist auch hier Poterium spinosum,
vergesellschaftet mit:
Erinacea pungens Thymelaea Tartonreira
Astragalus chius Erica verticillata
Corydothymus capitatus Asphodelus microcarpus
Satureia Thymbra Selaginella denticulata

F. Zusammenfassende Charakteristik der Inseln Lemnos, Mytiline


und Chios.
Die spezielle Darstellung hat gezeigt, daß die natürlichen
Vegetationsverhältnisse der drei Inseln Lernnos, Mytiline und Chios
große Übereinstimmungen aufweisen. Auf allen drei Inseln zeigt
die Vegetation, soweit sie noch nicht durch Menschenhand ver-
nichtet oder umgestaltet worden ist, die gleiche Zonierung mit den
gleichen Pflanzengesellschaften und fast denselben Arten. Daß
es dennoch auf den einzelnen Inseln zur Ausbildung von Ende-
mismen gekommen ist, nimmt nicht wunder, da seit dem Ende
des Pliozän keine feste Landverbindung zwischen den Inseln mehr
besteht. Es kann allerdings heute die Frage der Inselendemismen
noch nicht eindeutig beantwortet werden, da eine gründliche
floristische Durchforschung der Inseln, insbesondere von Mytiline
und Chios, noch aussteht. Wenngleich also die drei Inseln einem
gemeinsamen Florenbezirk zuzuordnen sind, so trägt dennoch jede
Insel ihre eignen Charakterzüge, die aus dem Zusammenwirken

43b Heidelberger Sitzungsberichte 1949. - 609 -


102 WERNER RAUH:

der geographischen Lage, der klimatologischen und geologischen


Verhältnisse resultieren und auf die noch einmal zusammenfassend
hingewiesen werden soll:
Der hervorstechendste Charakterzug von Lernnos ist die
heute völlige Baum- und Waldlosigkeit. Diese dürfte nicht
allein auf die Einwirkung des Menschen, sondern auch auf klimati-
sche Faktoren zurückzuführen sein. Infolge seiner freien Lage
ist Lernnos der vollen Kraft der Dardanellendüsenwinde ausgesetzt,
die einen Baumwuchs nicht aufkommen lassen. Selbst wenn es
gelingen sollte, auf den ihrer Erdkrume beraubten Hügel Wald
aufzuforsten, so würde sich dieser wohl nur in den vor den Nord-
und Nordostwinden geschützten Tälern halten können. Die fossilen
Funde baumförmiger Vegetation in den Sinterbänken - ich habe
verkieselte Stämme von einem Durchmesser bis zu 30 cm Dicke
gefunden - deuten aber auf einen ehemaligen Baumwuchs hin 1 ;
doch dürfte dieser in eine Zeit zurückzuverlegen sein, als noch eine
feste Landverbindung mit dem kleinasiatischen Festland bestand.
Mit der Entstehung der Dardanellen und der Isolierung der Insel
durch das Versinken des "ägäischen Festlandes" dürfte die Wald-
verarmung von Lernnos bereits eingeleitet worden sein, die dann
in geschichtlicher Zeit durch den Menschen weiter zur heutigen
völligen Waldlosigkeit geführt wurde.
Ein zweiter Charakterzug der Insel Lernnos ist das Fehlen der
montanen Region. Die höchsten Gipfel erheben sich nur bis 450 m,
also bis in eine Höhe, die im östlichen Mittelmeergebiet noch von
Macchie, d. h. von Hartlaubwäldern, eingenommen wird. Der
Kieferngürtel, den wir in der montanen Region von Mytiline und
Chios antreffen, dürfte auf Lernnos primär gefehlt haben.
Der dritte Charakterzug von Lernnos ist das heutige Vorherr-
schen der Kulturregion. Mit seinen von alluvialen Schwemmböden
erfüllten Niederungen ist die Insel gegenüber Mytiline und Chios
auch in hervorragender Weise als Kulturland geeignet. Neben den
zahlreichen im Mittelmeergebiet und Orient angepflanzten Gemüse-
arten wird vor allem Getreide gebaut, so daß wir Lernnos geradezu
als "Getreide-Insel" bezeichnen können.
Mit seinen kahlen, nackten, nur von Phrygana und Trocken-
rasen bewachsenen Hängen gleicht Lernnos von See aus gesehen
1 Es würde sich lohnen, erneut die verkieselte Baumflora zu sammeln,
die sicherlich ein aufschlußreiches Bild der ehemaligen Vegetationsverhält-
nisse von Lernnos ergeben würde.

-610-
Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 103

einer Hochwüste. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die großen


Salzseen, so daß das Landschaftsbild von Lernnos an eine Land-
schaft von Inneranatolien erinnert.
Ganz anders Mytiline! Der auffälligste Charakterzug der Insel
ist die starke Bewaldung und eine üppige Ausbildung der Macchie.
Da Mytiline gegenüber Lernnos nicht nur eine südlichere, sondern
auch eine gegen die kalten Nordost- und Ostwinde geschütztere
Lage einnimmt, kann sich der Wald hier in geschlossenen Beständen
halten. Das mildere Klima von Mytiline äußert sich vor allem in
der Kulturregion. Während der Getreidebau infolge der orographi-
schen Beschaffenheit kaum eine Rolle spielt, nimmt dafür die
Olive auf den paläozoischen Schiefern einen um so größeren Raum
ein, so daß wir Mytiline geradezu als "Oliven-Insel" bezeichnen
können.
Wieder ein anderes Landschaftsbild bietet Chios. Die noch
südlichere Lage (38. Breitengrad) mit einer gegenüber Lernnos
wesentlich höheren Jahresmitteltemperatur (s. Abb. 7) läßt hier
eine üppige subtropische Vegetation zur Entfaltung kommen.
Palmen, Orangen und Zitronen geben der Kulturregion das Gepräge.
Zur Blütezeit der Orangen weht ein wunderbarer Duft vom Land
auf das Meer, so daß man schon aus größerer Entfernung die Lage
von Chios erraten kann. Chios soll daher als "Orangen-Insel"
bezeichnet werden.
In der Ausbildung der Hügel- und montanen Stufe ist gegen-
über Mytiline aber eine wesentliche Verarmung zu beobachten, die
wohl in erster Linie im geologischen Aufbau der Insel begründet ist.
Die zentralen Bergketten von Chios bestehen größtenteils aus
dolomitischen Kalken, die sehr wasserarm sind und starke Ver-
karstungserscheinungen aufweisen. Es findet sich daher nur eine
sehr arme und kümmerliche Form der Macchie. Die feuchtigkeits-
liebenden Erica-Arten, die auf Mytiline in der montanen Region
große Bestände bilden, treten auf Chios weitgehend zurück. Auch
die Reste der Kiefernwälder sind gegenüber denen von Mytiline
von einem krüppelhaften Wuchs. Als Besonderheiten aber enthält
die Vegetation von Chios typisch kleinasiatische Florenelemente,
wie Astragalus- und AcanthoUmon-Arten, die wir sowohl auf
Mytiline als auch auf Lernnos vermißt haber1.
Mit seinen schroffen Kalkbergen und den mächtigen Schutt-
hängen entstehen auf Chios Landschaftsbilder, wie wir sie von den
Kalkalpen her kennen.

-611-
104 WERNER RAUH:

IV. Die Beziehungen zwischen der Vegetation


Griechenlands, den ostägäischen Inseln
und der Vegetation Westanatoliens.
Da die ostägäischen Inseln nur wenige Kilometer von der
kleinasiatischen Westküste entfernt und demzufolge beide Gebiete
den gleichen klimatischen Bedingungen ausgesetzt sind, erhebt sich
von selbst die Frage, ob Gemeinsamkeiten in den Vegetationsver-
hältnissen beider Gebiete bestehen. Daß zweifelsohne derartige
Beziehungen nicht nur zwischen den Inseln, sondern zwischen dem
weiter entfernten Griechenland und Kleinasien existieren, ist schon
seit längerer Zeit bekannt und in mehreren Untersuchungen nieder-
gelegt, so daß wir nur noch einmal auf das Grundsätzliche hin-
weisen wollen. Während bislang Westanatolien und Griechenland
als besondere Florengebiete der großen mittleren Mediterran-
provinz angesehen wurden, werden heute beide Gebiete auf Grund
der Untersuchungen von KRAUSE (1915) und REGEL (1943) als ein
einheitliches Florengebiet betrachtet. Beide Gebiete sind so nahe
miteinander verwandt, daß man kaum von einem Unterschied
reden kann. Es ist dies auch ganz natürlich, da zwischen beiden
Gebieten lange Zeit, zumindest bis zum Ende des Pliozäns eine
feste Landverbindung bestand und beide Gebiete heute noch durch
die Inselgruppen des ägäischen Meeres fortwährend in Berührung
stehen. Vlenn nun schon zwischen dem entfernteren griechischen
Festland und Westanatolien große floristische Gemeinsamkeiten
bestehen, so ist es wohl ganz natürlich, daß die Vegetationsver-
hältnisse der Inseln und Westanatoliens überhaupt keine Unter-
schiede aufweisen, zumal die geringste Entfernung zwischen den
Inseln und dem kleinasiatischen Festland an manchen Stellen nur
wenige Kilometer beträgt. In beiden Gebieten sind nicht nur die
gleiche Vegetationszonierung, sondern auch die gleichen Vegeta-
tionsgesellschaften mit denselben Arten anzutreffen.
Da die Westküste Kleinasiens gleich der Küste der Inseln als
Steilküste ausgebildet ist, kommt es nur an Bach- und Flußmün-
dungen zur Ausbildung einer sandigen Flachküste. Diese trägt im
wesentlichen die gleiche Flora, wie wir sie für den Sandstrand der
Inseln kennengelernt haben: Lagurus ovatus, Aeluropus littoralis,
Salsola Kali, Eryngium maritimum, Cakile maritima, Juncus
maritimus, Euphorbia peplis, Glaux ma1'itima und Statice-Arten
herrschen vor.

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Klimatologie und Vegetationsverhältnisse. 105
Von den ausgedehnten Beständen von Centaurea spinosa, die
charakteristisch für den Sandstrand von Lemnos, Mytiline und
Evstratios sind, erwähnt KRAUSE für Kleinasien nichts.
Die kleinasiatischen Strandsümpfe zeigen ebenfalls eine weit-
gehende Ähnlichkeit mit den Salzsümpfen der Inseln und des
griechischen Festlandes.
In den Flußtälern und an Bachläufen sind sowohl in Kleinasien
als auch auf den Inseln Nerium Oleander und Vitex agnus castus
die vorherrschenden Pflanzen.
An die Strandregion schließt wie auf den Inseln auch in Klein-
asien die Region der Macchie an, die, vielfach unmittelbar am Meer
beginnend, im Innern des Landes in Höhen von J00--400 m empor-
steigt. Wie in Griechenland ist -- von exponierten Standorten
abgesehen -die Macchie in Kleinasien als Sekundärformation an-
zusehen, die durch Qttercus coccifera als vorherrschendes Gehölz
charakterisiert wird. Als Begleitpflanzen finden sich alle die Pflan-
zen wieder, die von der griechischen Macchie her bekannt sind:
Quercus ilex, Phyllirea media, Pütacia lentiscus, P. terebinthus,
Arbutus u,nedo, A. andrachne, Erica arborea, Cistus-Arten, Poterium
spinosum, Calycotome villosa u. v. a.
Am Athos wird die Macchie von einem Bergwald abgelöst, der
im wesentlichen von der Kastanie und der Tanne gebildet wird.
Derartige Wälder finden sich in Kleinasien nur an der Nordwest-
küste und an der Küste des Marmara-Meeres. An der viel trockne-
ren Westküste wird die montane Stufe von Kiefernwäldern ein-
genommen. Wie auf Mytiline und Chios ist auch hier Pinus brutia
der wichtigste waldbildende Baum, der bis in Höhen von 1100 m
aufsteigt. Die Kiefernwälder Kleinasiens haben einen ähnlichen
Unterwuchs wie die der Inseln. Die Verbreitung von Pinus brutia
ist in Kleinasien meeresbedingt. Im Innern des Landes fehlen aus-
gedehnte Wälder.
Am Athos, dem einzigen Gebiet, das eine Höhe von 2000 m
erreicht, wird die Waldgrenze von der Tanne ( Abies regis Borisii)
gebildet. Auch in Kleinasien, z. B. auf dem Bythnischen Olymp,
bildet die Tanne ( Abies Bornmülleriana) die Waldgrenze. Die an
die Waldgrenze anschließende subalpine Zwergstrauchregion wird
hier in ihrem unteren Teil vorwiegend aus dornigen Hohlkugel-
polstern gebildet, unter denen die für Kleinasien charakteristischen
Astragalus- und Acantholimon-Arten vorherrschen. Von diesen
haben wir auch einige Arten in der subalpinen Stufe des Athos

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106 WERNER RAUH:

und in der montanen Stufe von Chios angetroffen. Es hat also


zwischen Kleinasien und Griechenland, bzw. den ostgriechischen
Inseln nicht nur ein Florenaustausch von West nach Ost, sondern
auch von Ost nach West stattgefunden, wenngleich auch die typisch
kleinasiatischen Arten auf den ostägäischen Inseln weitaus in der
Minderzahl sind.
Zusammenfassend können wir also sagen, daß in den Vegeta-
tionsverhältnissen des westlichen Kleinasiens, der ostägäischen
Inseln und des griechischen Festlandes so große Übereinstimmun-
gen1 bestehen, daß beide Gebiete einem gemeinsamen Florenbezirk,
und zwar der Ostmediterranis zuzuordnen sind, die durch
Quercus coccifera als Hauptbestandteil des Hartlaubwaldes charak-
terisiert werden. Die Grenze zwischen der mediterranen Vegetation
und derjenigen des inne