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de

PSYCHOLOGIE
PSYCHOLOGIE
HEUTE

HEUTE
Wie geht
August 2014

Erholung?
Die Kunst, wieder zu
Kräften zu kommen
Internet
Neue Formen des
Denkens und Lernens
SFR 10,–

Langlebigkeit
Was wissen wir
€ 6,50

wirklich über
HEFT 8

„gesundes Leben“?
41. JAHRGANG
Träume haben viel mit Ihrem Alltag zu tun. Sie sind
Botschaften aus dem Unbewussten und eine Quelle der Selbster-
kenntnis. Lernen Sie, die Bilder der Nacht zu entschlüsseln – denn sie

sind keine Schäume!

Das bewegt mich!

AL S APP
AUCH
T Z T
J E U!
NE
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Editorial 3

Vom Muss zur Muße:


Gute Erholung!

Normalerweise erholt sich unser Organismus nach einer Max Webers und der von ihm beschriebenen „protestanti-
körperlichen oder geistigen Anstrengung fast von selbst. Wir schen Arbeitsethik“ und der „Berufspflicht“ grassiert? Wenn
müssen ihm nur ausreichend Gelegenheit geben, sich zu re- man die deutsche Klagsamkeit zugrunde legt, erleben wir
generieren. Aber was heißt „nur“, wie viel ist „ausreichend“? bereits das Endstadium dieses Leidens. Aber irgendwie fin-
Und „normalerweise“ war gestern! Wir ächzen unter Dau- den wir die Sache mit dem Burnout ja auch spannend: Man-
ermüdigkeit und fühlen uns selbst nach einem längeren Ur- che seiner Opfer, wie etwa die Publizistin Miriam Meckel,
laub erschöpft. Auch das neue Mantra von der Work-Life- nutzen sogar ihre Auszeit im Sanatorium, um ihr Leiden
Balance hilft nicht weiter. Es gibt nur eine Erklärung: Wir arbeitsintensiv auszustellen. Thema: Hach, diese Termin-
wissen schlicht nicht mehr, wie man sich erholt. Ein wissen- hatz, dieser 24/7-Stress! Die Drei-Wetter-Taft-Arbeitsweise
schaftlich fundierter „Erholungstest“ der AOK, den 48 000 hat ihre Reize, aber man brennt ja so aus dabei!
Teilnehmer ausfüllten, bestätigt diesen Verdacht: Die meis-
ten Berufstätigen in Deutschland (63 Prozent) sind offenbar Ob hypochondrisch oder echt: Erschöpfung ist das Leitsymp-
unfähig, sich richtig zu erholen. Nur jeder Zehnte weiß, was tom der Moderne. Die Philosophin Hannah Arendt schrieb
ihm wirklich guttut. Fast zwei Drittel aber bleiben in einem in ihrem Buch Vita activa (1958, also Jahrzehnte vor der
ständigen Erholungsdefizit. Digitalisierung der Welt), diese Epoche sei gekennzeichnet
durch „eine unerhört vielversprechende Aktivierung aller
Vieles spricht dafür, dass es uns Deutschen besonders schlecht menschlichen Vermögen und Tätigkeiten“, die aber zur „töd-
gelingt, abzuschalten, runterzukommen oder auszuspannen. lichsten und sterilsten Passivität“ führe. So folge der Er-
Eigentlich paradox, denn nach Stundenzahlen arbeiten wir schöpfung nicht Ruhe, sondern lähmende Unruhe. In der
deutlich weniger als die meisten anderen Europäer oder gar „Gesellschaft von Jobholdern“ sei der natürliche Kreislauf
die Amerikaner oder Asiaten. Fühlen wir uns müder, weil von Anspannung, Müdigkeit und Erholung außer Kraft ge-
wir vielleicht intensiver arbeiten, ist der psychische Druck setzt. – Das mag, aufs Ganze gesehen, übertrieben sein, aber
größer als anderswo? Hat die hohe Produktivität einen ho- dass die neue Art zu leben und zu arbeiten auch neue Erho-
hen Preis? Oder ist die Arbeitsethik des Export-Vizewelt- lungsformen braucht, ist nicht zu leugnen.
meisters längst in die Freizeit des Reiseweltmeisters hinü-
bergeschwappt? Tatsächlich geben wir uns auch in der Frei- Vielleicht hindert uns heute die endlose Jagd nach dem Dabei-
zeit viel Mühe. Sie wird gründlich geplant, bewirtschaftet, sein, nach Aufmerksamkeit und nach dem Genuss der vielen
genutzt, genossen, gefüllt. Das mag Teil des Problems sein: Angebote, unsere wahren Bedürfnisse zu erkennen. Was Er-
Mehr Action statt Muße, auch die Freizeit wird zur Stress- holung überhaupt bedeutet und wie sich etwa die übersti-
falle. Der gigantische Wellnesszirkus ist im Grunde der Be- mulierte Psyche am besten regeneriert, das muss neu gedacht
weis dafür, dass vielen die Fähigkeit abhandengekommen werden. Die alte Metapher vom „Batterieaufladen“ führt
ist, sich selbst Ruhe und Regeneration zu verschaffen. Sie dabei eher in die Irre. Erholung beginnt jedenfalls mit einer
hoffen, in künstlichen Wohlfühlwelten und mithilfe von Selbstreflexion des eigenen Lebens und Arbeitens: Was macht
Experten ihre stressgeplagten Körper und überspannten See- mich nur müde – und was macht mich fertig? Was fehlt mir,
len wieder fit zu kriegen. damit ich mich wirklich erholen kann? Wie fühlt sich rich-
tige Erholung eigentlich an? Einen Anstoß für diese Refle-
Das Times Literary Supplement spottete kürzlich unter dem xion finden Sie auf Seite 20!
Titel German burnout, „Ausbrennen“ sei ein sehr deutsches
Thema. Nirgendwo sonst erschienen so viele Bücher über
Erschöpfung, Müdigkeit und Burnout. Haben wir es also
mit einer kollektiven Hypochondrie zu tun, die im Lande
(E-Mail: h.ernst@beltz.de)

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
4 In diesem Heft

Titelt hema

Erholen Sie sich gefälligst!


Längst ist Urlaub kein unschuldiges
Vergnügen mehr. Aus der Lizenz zum
Müßiggang wurde ein Imperativ:
Regeneriere dich, damit du wieder
Leistung bringst! Kein Wunder, dass
wir das Erholen verlernt haben. Das
Geheimnis echter Erholung liegt aber
gerade in ihrer Absichtslosigkeit: Erst
wenn wir alle To-do-Listen beiseite
legen, können wir unseren eigenen
Rhythmus finden. Wir nehmen uns eine
Auszeit und füllen sie mit Kontrasterfah-
rungen, die im Alltag zu kurz kommen.

20

■ Birgit Schönberger ■ Frank Berzbach im Gespräch


Erholung: Die Nöte der Freiberufler:
Die Kunst, neue Kräfte zu sammeln 20 „Es gibt Tage, da habe ich keine Ideen“ 46
■ Ursula Nuber ■ Anke Ehlers im Gespräch
Lob des Stubenhockens 28 Traumata: „Was Menschen verfolgt,
■ Christoph Augner
ist das letzte Bild vor der Katastrophe“ 60
Auch eingebildete Gefahren ■ Ingrid Glomp
können krank machen 30 Warum das Internet uns schlauer macht 66
■ Martin Hecht ■ Wilhelm Schmid
Der Geländewagen-Wahn: Warum wir Sich selbst begrenzen:
im Straßenverkehr aufrüsten 34 eine große und seltene Kunst 72
■ Sabine Laerum ■ Jochen Paulus
Selektiver Mutismus: Die Mythen vom Altwerden:
Das schweigende Kind 40 Hier irrt der Psychosomatiker! 76

PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014


In diesem Heft 5

Internet macht schlau Die Mythen vom Altwerden


Mit seiner These von der „digitalen Demenz“ traf Gesund bleiben und lange leben – wer möchte das
Manfred Spitzer einen Nerv: Smartphone und Inter- nicht. Doch wie macht man das? Hält Optimismus
net, so der Psychiater, verblöden uns und berauben jung? Oder die Ehe? Sterben Neurotiker früher?
uns der Fähigkeit, in Zusammenhängen zu denken. Viele vermeintliche Forschungserkenntnisse über
Doch andere Experten halten jetzt dagegen: Studien „gesundes Altern“ erweisen sich bei genauerem
zeigen, dass die digitalen Medien uns unterm Strich Hinsehen als irreführend. Gibt es überhaupt sichere
sogar schlauer machen. Erkenntnisse?

66 76

8 52
Themen & Trends Gesundheit & Psyche
■ Ernährung: Tiere lieben, Tiere essen ■ Modedroge Crystal Meth: Gefährliche Kristalle
■ Service: Kunden wollen kein falsches Lächeln ■ Persönlichkeit: Im Alter wird es stiller
■ Kulturen: In welche Richtung fließt die Zeit? ■ Märkte: Höhere Steuern gegen Fast Food
■ Der psychologische Begriff: Freudsche Fehlleistung ■ Sexualität: Breite Hüfte, mehr Liebhaber
Und weitere Themen Und weitere Themen

82
Rubriken
6 Briefe
Buch & Kritik
8 Themen & Trends ■ Generation Y: Glück ist wichtiger als Geld!
17 Impressum ■ Gefühlskultur: Leben wir in einer Zeit der Schamlosigkeit?
52 Gesundheit & Psyche
■ Identität: Frag die andern, wer ich bin!
82 Buch & Kritik
93 Cartoon ■ Lebenskrisen: Wie wir lernen, mit Schieflagen umzugehen
94 Im nächsten Heft Und weitere Bücher
95 Markt
6 Briefe

Leserbriefe
E-Mail ✍ k.brenner@ beltz.de

„Funktionierende“ es gibt keinen politischen Willen, die Ich habe zudem den Eindruck, dass
Qualität in den Krippen wirklich durch- es in dieser Debatte Denkverbote gibt.
Kleinkinder
gängig und umgehend zu verbessern.“ Warum baut der Staat lieber umständ-
(„Bindung ist emotionale Nahrung, die uns am
Leben hält.“ Ein Gespräch mit Karl Heinz Brisch. Warum aber ignoriert die Gesellschaft lich und kostenintensiv ein – wie im In-
Heft 5/2014) diese Erkenntnisse, die auf der Grund- terview deutlich wird – mangelhaftes
lage der Bindungsforschung schon lan- System der Fremdbetreuung auf, statt
In wenigen Jahren hat sich die Einstel- ge bekannt sind? die Eltern direkt mit dem notwendigen
lung zur Erziehung der eigenen Kinder Brisch sagt, in Deutschland seien der- Freiraum und dem richtigen Know-how
drastisch verändert. „Dank“ des Aus- zeit 60 Prozent der Kinder sicher gebun- zu unterstützen, damit sie ihre Kinder
baus der Kindertagesstätten ist es heute den, hingegen 20 bis 25 Prozent unsicher „einfühlsam“ erziehen können oder zu
eine Selbstverständlichkeit für immer gebunden. Da immer mehr Kleinkinder erziehen lernen und sie so „sicher ge-
mehr Eltern, ihre Kleinkinder ab einem Krippenkinder mit besagter Betreu- bundene“ Menschen werden?
Jahr in einer Krippe unterzubringen. ungsqualität sind, brauchen wir uns Dr. Peter Dewald, Sportsoziologie,
Viele Eltern werden sich aber nicht be- nicht zu wundern, wenn die Zahl psy- Universität Würzburg
Die Redaktion behält es sich vor, Leserbriefe zu kürzen.

wusstmachen, was dies für die psychi- chisch labiler Jugendlicher und Erwach-
sche Entwicklung ihrer Kleinkinder be- sener in Deutschland in den nächsten „Psychotherapie braucht
deuten kann. Jahren und Jahrzehnten deutlich an-
„Der jetzige Betreuungsschlüssel – steigt.
einen Beipackzettel“
(Jochen Paulus: Gute Therapeuten – schlechte
zwei Erziehungsstellen auf 12 bis 15 In der Debatte um Krippenausbau, Therapeuten. Heft 5/2014)
Krippenkinder, oft … gesplittet auf ver- Familienbild und die richtigen Formen
schiedene Teilzeitkräfte – ist für die Kin- der Kindererziehung haben wir verlernt, Als Opfer einer schädigend verlaufenen
der ein riesengroßer Stress“, so der Kin- vom Kind her zu denken. Das drückt Psychotherapie ist es mir ein großes Be-
der- und Jugendpsychiater Brisch in auch Brisch aus, der vom sehr großen dürfnis, mich für den Beitrag zu bedan-
seinem Interview. Und weiter: „ … so Druck der Gesellschaft spricht, den wir ken. Was hier endlich einmal deutlich
wie die Qualität der Krippenbetreuung heute unseren Kleinkindern zumuten, beschrieben ist, mag sicher bei vielen
derzeit organisiert ist, ist das also eine dass sie „autonom“ sein und „funktio- Psychotherapeuten eine Welle der Em-
Katastrophe. Die Politik weiß das, aber nieren“ müssen. pörung auslösen. Mir hingegen haben

PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014


Briefe 7

„In der Debatte um Krippenausbau, Familienbild und die richtigen Formen


der Kindererziehung haben wir verlernt, vom Kind her zu denken“
Dr. Peter Dewald, Sportsoziologie, Universität Würzburg

Verantwortungsfanatiker?
Sie mit dieser Offenheit einen großen
(„Warum sollte die Natur sich rächen?“ Ein Gespräch mit Lorraine Daston. Heft 6/2014)
Dienst erwiesen, weil ich selbst erleben
musste, wie therapeutisches (Fehl-)Ver- Lorraine Daston spricht davon, dass insbesondere im Zusammenhang mit
halten in die Suizidalität treiben kann, dem Klimawandel „die Frage der menschlichen Verantwortung zentral“ ge-
der Therapeut sich durch Abschieben worden ist, und weiter unten, dass „wir von der menschlichen Verantwortung
des Patienten aus der Therapie einfach besessen“ seien. Wo liegt nun die Störung – sind wir verantwortungslos oder
aus der Verantwortung für sein Handeln sind wir Verantwortungsfanatiker? Noch nannte Daston die anstehende geo-
zieht und den Patienten schließlich logische Epoche des „Anthropozän“ (Paul Crutzen) nicht. Die ehrwürdige
durch Anzeigen von Stalking krimina- Geological Society of London berät darüber, und sie wird ihre Entscheidung
lisiert, wenn dieser versucht, eine Klä- 2015 verkünden. Inhaltlich geht es für alle Wissenschaften darum, sich in
rung herbeizuführen und letztlich auf- ihren Arbeitsweisen der Dominanz der Sozialverhältnisse über den Planeten
grund erlittener Traumatisierung den zu stellen. Dass die Gattung Mensch die Natur zu ihrem Objekt gemacht hat,
Beschwerdeweg einschlägt. bedingt grundlegende Paradigmenwechsel aller Wissenschaften. Auch Psy-
Seit Ende 2008 kämpfe ich mit meiner chotherapeuten sind im Kern angesprochen: Wie gehe ich etwa professionell
erlittenen posttraumatischen Belas- mit den „Stimmen“ der Natur beziehungsweise der Umwelt um: der unbe-
tungsstörung um Gehör. Ende 2012 ha- lebten Materie, der nichtmenschlichen Wesen, als wären es meine Patienten?
be ich schließlich die Zivilklage gegen Analysiere ich Denken und Handeln, das den ökologischen Fußabdruck er-
meine Therapeutin eingereicht, weil ich höht, fördere ich Denken und Handeln, das ihn mindert? Bin ich „von Ver-
nicht das Gefühl haben konnte, dass es antwortung besessen“, wenn ich mich dem stelle?
auch nur irgendjemanden ernsthaft in- Dr. Rainer Gunkel, Psychologischer Psychotherapeut, Suhl
teressiert, dass eine Therapie schädigend
verlaufen ist, was aus dem Patienten
wird, wenn sie schiefgegangen ist, und Das den Patienten durch fehlende vom Ausland aus) an der Fernuniversi-
vor allem, weshalb eine ursprünglich Meldestellen für Nebenwirkungen und tät in Hagen (www.fernuni-hagen.de)
begonnene Depressionsbehandlung der- Schäden sowie durch mangelnde Feh- regulär Psychologie studieren kann.
art fehlschlagen konnte. Meine Fas- lerkultur auferlegte Schweigen muss Dort wird ein normal akkreditierter Ba-
sungslosigkeit über das Abschieben und endlich ein Ende haben. Psychotherapie chelor/Master-Studiengang in dem Fach
Alleinlassen des Patienten in der Not und braucht einen Beipackzettel möglicher angeboten. Auch hier gab es testweise
über die simple Möglichkeit, den un- Risiken und Nebenwirkungen. Auch schon massive open online courses,
liebsamen Patienten als Stalker anzeigen Opfer schädigend verlaufener Psycho- MOOCs (allerdings im Fach Bildungs-
zu können, um sich im öffentlich aner- therapien müssen das Recht haben, zu wissenschaften), einen Onlinekurs für
kannten Bild des armen Stalkingopfers reden, ohne angezeigt zu werden oder Studierende der Fernuni und einen, der
zu sonnen, statt das Gespräch zu suchen, den Stempel einer Persönlichkeitsstö- allen Interessierten offenstand. Ich bin
dem Patienten die Bereitschaft zu zeigen, rung aufgedrückt zu bekommen. mir sicher, dass diese Angebote in Zu-
sich mit den eigenen Fehlern auseinan- Name und Anschrift sind der Redaktion bekannt kunft auch weiter ausgebaut werden.
derzusetzen und dadurch Schadensbe- Und die Abschlüsse, die man dort er-
grenzung zu betreiben, ist grenzenlos. Fernstudium Psychologie werben kann (aber nicht muss, man
Die für mich größte Katastrophe war (Annette Schäfer: Psychologie studieren im kann auch einzelne Module studieren,
allerdings die Untätigkeit der zuständi- Internet. Heft 5/2014) auch ohne Abi), werden überall als Stu-
gen Psychotherapeutenkammer, die dem dienabschlüsse anerkannt.
Vorgang trotz der gemeldeten gravieren- Ihr Artikel war sehr interessant. Was mir Stefanie Minten, per E-Mail
den Rechts- und Pflichtverstöße nicht allerdings fehlte, war der Hinweis, dass
einmal ein Aktenzeichen gab. man in Deutschland (natürlich auch
8

Themen & Trends R E DA K T I O N : J O H A N N E S K Ü N Z E L

Vermutlich seit mehr als 9000 Jahren

Tiere lieben, halten Menschen sich Hausschweine


und verzehren ihr Fleisch

Tiere essen
Die meisten Menschen finden
Tierquälerei abscheulich,
lassen sich aber trotzdem
ihr Schnitzel schmecken.
Wie lösen sie diesen Wider-
spruch auf?

Wer etwas auf sich hält, verzichtet auf


Fleisch. Unter Stars hat sich diese Hal-
tung schon länger durchgesetzt. Promi-
nente wie die Schlagersängerin Stefanie
Hertel, der Rapper Kool Savas und die
Moderatorin Michelle Hunziker leben
vegetarisch. Auch bei ihren Fans scheint
diese Ernährungsweise anzukommen.
Sie reißen den Buchhändlern die pas-
senden Kochbücher aus der Hand. Allein
der überzeugte Veganer Atilla Hild-
mann verkaufte seine Rezeptsammlun- bund Deutschland. Das sind acht bis Es ist paradox: Ein und dieselbe Per-
gen hunderttausendfach. neun Prozent der Einwohner. Doch im son kann Tiere lieben – und essen.
Deutschland, ein Land des Fleisch- Umkehrschluss bedeutet das: Mehr als Loughnan, Bastian und Haslam glau-
verzichts? Dieser Eindruck drängt sich 90 Prozent der Bevölkerung essen ben, dass es psychologische Mechanis-
auf. Aber er ist falsch. Denn Braten, Bur- Fleisch. men geben muss, die es erlauben, mit
ger und Wurst stehen bei den meisten Dabei ist es kein Geheimnis: Bevor diesem moralischen Dilemma im Alltag
Menschen nach wie vor auf dem Spei- aus einem Rind ein Burger wird, muss umzugehen. Aussichtsreiche Erklärun-
seplan. Dafür wurden im vergangenen das Rind sterben. Ist den Freunden von gen haben die drei Wissenschaftler in
Jahr unter anderem 58,6 Millionen Steak, Schnitzel und Chickenwings das einer umfangreichen Übersichtsarbeit
Schweine und 3,5 Millionen Rinder ge- Wohl von Rindern, Schweinen und zusammengetragen.
schlachtet, wie das Statistische Bundes- Hühnern also einfach egal? Nein, sagen In einem ersten Schritt ihrer Analy-
amt berichtet. die australischen Psychologen Steve se werteten die Forscher frühere Studi-
Nur ein relativ geringer Anteil der Loughnan, Brock Bastian und Nick Has- en zur Persönlichkeit von Fleischfreun-
Bevölkerung lebt tatsächlich vegeta- lam. Fast allen Menschen fällt es schwer, den und Vegetariern aus. Dabei förder-
risch. Zwar trifft diese Beschreibung auf Tiere leiden zu sehen. Sie absichtlich zu ten sie Erhellendes zutage. Anhänger
mehr als sieben Millionen Menschen zu, quälen, gilt als verachtenswerte Hand- einer karnivoren Ernährung kommen
meint Sebastian Zösch vom Vegetarier- lung. demnach bei Tests auf höhere Werte für
Themen & Trends 9

Eine Möglichkeit besteht darin, ihre Zu- fertigen. Und trotzdem: Wer diese Tie-
neigung auf die Lebewesen zu beschrän- re als Nahrungsmittel kennengelernt
ken, die nicht auf dem Speiseplan stehen. hatte, sprach ihnen eine deutlich gerin-
Das ist gar nicht so selbstverständlich, gere Leidensfähigkeit zu.
wie es klingt, meinen Loughnan, Bas- Im dritten und letzten Schritt ihrer
tian und Haslam. Denn welche mora- Übersichtsarbeit widmeten sich Lough-
lische Wertigkeit wir nan, Bastian und Has-
Tieren zuschreiben,
hängt zumindest teil-
Die Frage ist nicht, lam dem Akt des Es-
sens. Denn spätestens
weise davon ab, ob wir „Können sie denken?“ beim Biss in den Braten
glauben, dass sie Angst würde man doch ei-
und Schmerzen wahr-
oder „Können sie gentlich erwarten, dass
nehmen können. Oder, reden?“, sondern sich bei Tierfreunden
wie es vor mehr als 200 das Gewissen meldet.
Jahren der Philosoph „Können sie leiden?“ Tatsächlich scheint es
Jeremy Bentham for- genau umgekehrt zu
mulierte: „Die Frage ist nicht: Können sein. Kurz vor und nach dem Fleisch-
sie denken? Oder: Können sie reden? – konsum sinkt das Mitgefühl für die ent-
Sondern: Können sie leiden?“ sprechenden Lebewesen deutlich. Die
Diese Frage ist entscheidend. Wer australischen Psychologen berichten:
meint, dass ein Tier nur begrenzte men- Probanden, die gerade Rind zu sich ge-
tale Fähigkeiten hat, findet es eher in nommen haben, halten Kühe für mo-
Ordnung, es zu verzehren. Das haben ralisch deutlich weniger wertvoll als
die australischen Psychologen in einer Versuchspersonen, die Nüsse gekaut ha-
früheren Arbeit gezeigt. Fleisch von Le- ben. Offenbar funktioniert das nicht nur
bewesen, die dem Menschen geistig na- kurzfristig. Wer regelmäßig Fleisch isst,
hekommen, gilt demnach als ungenieß- schreibt den Tieren auf seinem Speise-
bar, sogar ekelhaft. plan geringere geistige Fähigkeiten zu.
Doch halten wir Kühe und Schweine Die amerikanische Psychologin Me-
Autoritarismus und soziale Dominanz- für minderbemittelt, weil wir sie essen – lanie Joy hält die Übersichtsarbeit ihrer
orientierung. Sie stimmen also eher oder essen wir sie, weil sie minderbe- australischen Kollegen für ausgezeich-
Überlegungen zu, die das Recht des Stär- mittelt sind? Die Antwort liefert ein Ex- net. Die Autorin (Warum wir Hunde lie-
keren betonen; und sie glauben, manche periment, das Steve Loughnan und ben, Schweine essen und Kühe anziehen)
Gruppen seien anderen grundsätzlich Brock Bastian mit der Forscherin Boyka meint: „Hier wird sehr schön deutlich,
überlegen. Loughnan schränkt jedoch Bratanova ersonnen haben. Amerika- welche psychologischen Verrenkungen
ein, dass bislang nicht bekannt ist, in nische Versuchspersonen wurden dabei die meisten Menschen anwenden müs-
welchem Umfang dies gilt. Eine weitere nach ihrer Meinung zu einem obskuren sen, um ihr moralisches Unwohlsein
Erkenntnis: Einige Menschen sehen Bra- Tier, dem Baumkänguru gefragt. Einer beim Fleischverzehr abzumildern.“ Erst
ten und Burger als Teil ihrer Identität. Gruppe teilten die Psychologen mit, in wer sich dieser Mechanismen bewusst
Wenig überraschend berichten die Psy- Papua-Neuguinea stehe das Baumkän- sei, könne wirklich frei darüber ent-
chologen, dass es sich dabei überwiegend guru auf dem Speiseplan der Einheimi- scheiden, ob er Tiere essen will.
um Männer handelt. Ein echter Kerl, so schen. Eine zweite Gruppe erfuhr nur, ■ Johannes Künzel

die Vorstellung, braucht Fleisch. dass das Tier dort lebe.


Doch auch sensiblere Personen kön- Keiner der Befragten hatte jemals Steve Loughnan, Brock Bastian, Nick Haslam: The psy-
nen Tierliebe und Schnitzelleidenschaft selbst Baumkänguru probiert, niemand chology of eating animals. Current Directions in Psy-
chological Science, 23/2, 2014, 104–108. DOI:
unter einen moralischen Hut bringen. musste also sein eigenes Verhalten recht- 10.1177/0963721414525781

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
10 Themen & Trends

Wo wir die Zukunft vermuten


Für Mitteleuropäer fließt die Zeit von links nach rechts. Doch diese Richtung lässt sich
ganz einfach umkehren: indem wir einige Minuten Spiegelschrift lesen

Mal angenommen, jemand drückt Ihnen drei Kärtchen mit Dennoch war nicht unbedingt zu erwarten, dass sich der
den Beschriftungen „Frühstück“, „Mittagessen“ und „Abend- mentale Zeitstrahl innerhalb weniger Minuten umdrehen
essen“ in die Hand. Sie sollen diese in die richtige Reihen- lässt – die Versuchspersonen waren immerhin Studenten mit
folge bringen. Das Mittagessen kommt in die Mitte, so viel mehr als einem Jahrzehnt Leseerfahrung. „Die Leichtigkeit,
steht fest. Doch wo platzieren Sie das Frühstück – links oder mit der sich die Richtungsänderung erzielen lässt, ist über-
rechts? raschend“, kommentiert der Psychologe Ulrich Weger von
In Deutschland würde ein solches Experiment wohl ziem- der Universität Witten/Herdecke, der ebenfalls zur Reprä-
lich eindeutig ausfallen: Das Frühstück kommt nach links, sentation von Zeit beim Menschen geforscht hat. „Oftmals
das Abendessen nach rechts. In Ägypten wäre es dagegen sind derartige Effekte jedoch sehr kurzlebig und verschwin-
genau andersherum. Man den nach kurzer Zeit wie-
könnte den Versuch mit der. Ich vermute, dass das
den Kärtchen nun auf an- auch in diesem Fall so ist.“
dere Kulturkreise erwei- Die Studienautoren Da-
tern. Dabei würde man niel Casasanto und Rober-
schnell auf einen interes- to Bottini glauben, dass
santen Zusammenhang das Spiegelschrift-Experi-
stoßen: Alle Kulturen, die ment nicht in grundsätz-
von links nach rechts lesen, liche Vorstellungen von
ordnen frühere Zeitpunk- der Zeit eingreife, sondern
te nach links und spätere nur Teilaspekte davon mo-
nach rechts. Bei denjeni- difiziere. So lernen bereits
gen, die von rechts nach Kleinkinder, dass sich ein
links lesen, ist es umge- fahrendes Auto mit der
kehrt. Zeit immer weiter fortbe-
Doch woran liegt das? Wo geht es hier Richtung Zukunft? Die Antwort hängt davon ab, in welchem wegt. Daraus leiten sie ab,
Beeinflusst unsere kultu- Land man lesen gelernt hat dass sich zeitliche Abläufe
rell geprägte Zeitvorstel- als Positionsänderungen
lung unsere Leserichtung, oder justiert die Leserichtung den im Raum bemerkbar machen. „Diese Grundhypothese ent-
Zeitpfeil? hält aber noch keinerlei Aussagen über die Bewegungsrich-
Forscher aus den USA und Italien haben diese Frage jetzt tung“, schreiben die Forscher. Schulkinder ergänzen diese
mit einem Experiment beantwortet: Sie ließen Versuchsper- Vermutung um eine spezifischere Vorstellung: Je nach Le-
sonen Wörter in Spiegelschrift lesen. Der mentale Zeitstrahl serichtung verläuft die Zeit nun nach links oder nach rechts.
der Probanden wechselte daraufhin binnen weniger Minu- Wenn diese Schüler später als Studenten Spiegelschrift
ten die Richtung. Dieser Effekt hielt auch noch einige Mi- lesen, eignen sie sich dadurch keine gänzlich neue Zeitvor-
nuten an, nachdem die Teilnehmer ihren letzten spiegelbild- stellung an; sie wandeln lediglich die Grundhypothese in
lichen Begriff gelesen hatten. einer anderen Weise ab, als sie es zuvor getan haben. Anders
Dass die Leserichtung unsere Vorstellung vom Lauf der ausgedrückt: Fest steht für uns Menschen (unabhängig von
Zeit beeinflusst, erscheint plausibel: Schließlich liest ein Deut- unserem Kulturkreis) nur, dass die Zeit eine Richtung hat.
scher die Wörter am linken Rand der Zeile vor den Wörtern In der Frage, wohin der mentale Zeitstrahl zeigt, sind wir
am rechten Rand. „Die räumliche Bewegung nach rechts ist dagegen erstaunlich flexibel. ■ Frank Luerweg

daher eng mit der zeitlichen Bewegung hin zu einem späte-


ren Zeitpunkt verknüpft“, schreiben die Autoren. Beim Le-
Daniel Casasanto, Roberto Bottini: Mirror reading can reverse the flow of time.
sen lernen wir also die Assoziation „links = früher“ und Journal of Experimental Psychology: General, 143/2, 2014, 473–479. DOI: 10.1037/
„rechts = später“. a0033297

PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014


Themen & Trends 11

Die Einsamkeit
der Alten
Wie hat sich das Leben von Witwen
und Witwern in den vergangenen
Jahrzehnten verändert? Zumindest in
finanzieller Hinsicht hat sich ihre Lage
verbessert

Der Tod des Partners ist für ältere Menschen ein einschnei-
dendes Ereignis. Sie verlieren meist ihre wichtigste Bezugs-
person. Als Zurückbleibende sind sie auf sich allein gestellt
und müssen ihrem Leben einen neuen Sinn geben. Wie er-
leben verwitwete ältere Menschen solche Herausforderungen,
und welche Rolle spielen dabei ihre äußeren Lebensumstän-
de? Mit diesen Fragen beschäftigten sich Forscher der Uni-
versitäten Zürich und Bern.
Ihre Studie beruht auf drei Erhebungen, die 1979, 1994
und 2011 in den Kantonen Genf und Wallis stattfanden. Ein-
bezogen wurden die Daten von rund 1200 verwitweten
Schweizern im Alter von 65 bis 102 Jahren. Frauen bilden Die größte Herausforderung für Witwen und Witwer
die Mehrheit der Befragten; ihr Anteil war bei allen drei Un- bleibt die subjektiv empfundene Einsamkeit
tersuchungen mehr als doppelt so hoch wie der der Männer.
Kein Wunder, denn in der Regel sind Frauen jünger als ihre
Ehemänner und haben darüber hinaus eine höhere Lebens- Deutlich wurden jedoch erhebliche Unterschiede zwischen
erwartung. Männern und Frauen. Witwen kämpfen nach wie vor häu-
Die Studie ergab: Die Belastung, die ältere Menschen durch figer mit finanziellen Problemen als Witwer. Sie waren damit
den Tod des Partners erlebten, blieb über alle drei Untersu- umso stärker konfrontiert, je früher sie Witwe wurden und
chungen hinweg mehr oder weniger konstant. Geschlecht je länger dieser Status andauerte. Insgesamt betrachtet, hat
und Alter spielten dabei kaum eine Rolle, ebenso wenig, seit sich die finanzielle Lage der weiblichen Hinterbliebenen je-
wann und wie lange die Befragten schon verwitwet waren. doch verbessert. Während 1979 rund ein Drittel der befrag-
Auch an den negativen psychischen Folgen änderte sich in- ten Frauen massive Geldsorgen hatte, war es 2011 nur noch
nerhalb von gut 30 Jahren nur wenig. Die größte Herausfor- knapp ein Fünftel.
derung war bei allen drei Erhebungen die subjektiv erlebte Außerdem klagten 2011 weniger Befragte über einen Man-
Einsamkeit. Sie machte fast jedem zweiten Befragten zu schaf- gel an sozialen Kontakten. Die Unterstützung durch Ver-
fen – Männern etwas stärker als Frauen. Außerdem konnte wandte, Freunde oder Bekannte hat zugenommen. Auch die
sich rund ein Viertel der Witwerinnen und Witwer nur schwer eigene Gesundheit wurde positiver eingeschätzt. Die güns-
daran gewöhnen, allein Verantwortung zu tragen, alles selbst tigeren Lebensumstände beeinflussten jedoch erstaunlich
erledigen und dem Leben einen neuen Sinn geben zu müs- wenig das psychische Wohlbefinden der Befragten. Die For-
sen. scher schließen daraus, dass der Verlust des Partners zual-
Allerdings hat sich die Lebenslage älterer Schweizer in den lererst ein individuelles Schicksal ist. Wie sich die Betroffe-
vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Die Altersvorsor- nen an die neue Situation anpassen, scheint vor allem von
ge ist erheblich ausgebaut worden, die Altersarmut hat sich der jeweiligen Persönlichkeit abzuhängen. ■ Gabriele Kunz
verringert, und die Lebenserwartung ist gestiegen. All dies
schlug sich auch in den Antworten der Befragten nieder.
François Höpflinger, Stefanie Spahni, Pasqualina Perrig-Chiello: Persönliche Bilan-
Über die Jahre hinweg berichteten immer weniger von ihnen zierung einer Verwitwung im Zeit- und Geschlechtervergleich. Zeitschrift für Fami-
über große finanzielle Probleme. lienforschung, 25/3, 2013, 267–285
12 Themen & Trends

Falsches Lächeln in der Servicewüste


Am liebsten haben Kunden mit Angestellten zu tun, die wirklich freundlich sind.
Aber wie verträgt sich Echtheit mit Professionalität?

vicewüsten keineswegs. Selbst Kunden mit schlechtem Radar


für ihr Gegenüber ließen sich von echten Gefühlen eher an-
stecken als von gespielten.
Kundenorientierung ist als Leitbild groß, aber verschwom-
men. Dazu gehört eben nicht nur das Verhalten der Beschäf-
tigten, sondern auch die richtige Unternehmensstrategie und
-politik sowie die passende technische und organisatorische
Umsetzung. Hapert es da, landet der Ärger oft bei den Mit-
arbeitern. Diese sollen an der Servicefront nicht selten Per-
sonalmangel und Kostendruck weglächeln.
Wie steht es da mit der eigenen, mehr oder weniger aus-
geprägten Kundenorientierung?
Für Simon Brach ist sie auch eine individuelle Disposition.
„Sie hängt mit sozialer Kompetenz zusammen, ist aber nicht
mit ihr identisch. Es geht um die Fähigkeit, aus dem Erfüllen
von Kundenwünschen auch persönliche Befriedigung zu zie-
hen.“ Zur Aufrechterhaltung bloßer Servicefassaden sei sie
Verordnete Freundlichkeit kann nach Ansicht von Arbeitspsychologen nicht da. Brach sagt: „Der Mitarbeiter kann gegenüber dem
negative Auswirkungen auf Körper und Seele haben Verbraucher das Unternehmen nur so gut repräsentieren,
wie dessen Kultur des Umgangs mit ihm ist.“ Hohe Kunden-
Unternehmer sprechen gerne von Kundenorientierung. Doch orientierung ist demnach Zeichen für eine kollegiale und
woran zeigt sie sich im Alltag – am verkrampften Dauerlä- wertschätzende Arbeitsatmosphäre, nicht ihr Ersatz.
cheln der Angestellten? Wir, die Kunden, haben daran schon Dass verordnete Freundlichkeit und Lächelzwang, der
länger unsere Zweifel. Zu Recht, wie Forscher aus Jena, Müns- Widerspruch zwischen gefordertem Verhalten und den ‚ei-
ter und dem australischen Kensington nachgewiesen haben. gentlichen Gefühlen‘ negative Auswirkungen auf Körper und
Eigentlich meint das Konzept der Kundenorientierung, Seele haben kann, ist Arbeitspsychologen längst bekannt.
dass Firmen ihre Strategie an die Wünsche, Bedürfnisse und Allerdings hat die Arbeit an den eigenen Gefühlen nicht
Erwartungen der Verbraucher anpassen. In der Praxis zeigt nur negative Seiten. Denn wie stark Dissonanzen belasten,
sich das zum Beispiel durch den Service der Mitarbeiter: Wie ist auch eine Frage der Handlungsspielräume am Arbeitsplatz
hilfsbereit, wie freundlich sind sie? und eine Frage des eigenen Erlebens. Der Fake in guter Ab-
Das internationale Forscherteam um den Sozialpsycho- sicht, die gelungene Performance kann auch Selbstwirksam-
logen Simon Brach untersuchte knapp 300 alltagstypische keit, Kontrolle der Situation und Leistung bedeuten. Ent-
Verkaufs- und Beratungsgespräche in deutschen Dienstleis- scheidend sei die Integration ins Selbstkonzept, meint die
tungsunternehmen – etwa beim Friseur, im Restaurant oder Personal- und Organisationsexpertin Daniela Rastetter.
in der Videothek. Direkt im Anschluss an die konkrete Be- Und für negative Gefühle, die ganz akute miese Stimmung
diensituation notierten sowohl der Beschäftigte als auch der gilt der Echtheitsvorteil ohnehin nicht. „Desinteresse und
Kunde ihr Erleben. So konnten die Wissenschaftler erkennen, Unfreundlichkeit kommen beim Kunden nicht gut an“, be-
ob sich die Selbstwahrnehmung der Angestellten mit der tont Simon Brach. Das Abladen negativer Emotionen gehö-
Einschätzung der Kunden deckte. re schlicht nicht in professionelle Handlungsrahmen.
Die Auswertung ergab: Authentische Freundlichkeit kam ■ Ulla Gosmann
bei den Konsumenten besonders gut an. Fühlten sich die Simon Brach u. a.: A dyadic model of customer orientation: Mediation and mode-
ration effects. British Journal of Management, online vor Print, 2013. DOI:
Mitarbeiter wohl und zeigten dies auch nach außen, ver- 10.1111/1467-8551.12049
stärkte dies den Eindruck von Kundenorientierung. Dagegen Daniela Rastetter: Zum Lächeln verpflichtet. Emotionsarbeit im Dienstleistungsbe-
bewässerte ein aufgesetztes „Lächeln um jeden Preis“ Ser- reich. Campus, Frankfurt/New York 2008

PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014


Themen & Trends 13

Anders denken,
anders leben
Ich habe eine
gute und
eine schlechte
Nachricht
für Sie
Wir wollen unangenehme Dinge schnell hinter uns bringen.
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In der Kommunikation ist das nicht immer sinnvoll ISBN 978-3-466-34597-7

Kann der Körper sich selbst heilen? Lissa


Spielt es eine Rolle, in welcher Reihenfolge gute und schlechte Nachrichten über- Rankin, Ärztin und Bestseller-Autorin aus den
USA, schafft es mit ihrem neuen Buch, Schul-
bracht werden? Dieser Frage gingen die amerikanischen Psychologinnen Ange-
medizin und das Phänomen der Selbstheilung
la Legg und Kate Sweeny von der University of California nach. An ihren drei endlich unter einen Hut zu bringen! Sie plädiert
Experimenten nahmen insgesamt 390 Probanden teil. für ein gemeinsames Vorgehen von Medizin,
Im ersten Versuch wurden die Freiwilligen in die Gruppen „Sender“ und ganzheitlichen Methoden, persönlicher Verant-
„Empfänger“ aufgeteilt. Zudem nahmen sie an einem Persönlichkeitstest teil. wortung und dem selbstbewussten Einsatz
Legg und Sweeny berichteten den Empfängern anschließend, dass sie dort teil- eigener Fähigkeiten.
weise gut und teilweise schlecht abgeschnitten hätten. Die Studienleiterinnen
fragten, in welcher Reihenfolge die Testergebnisse präsentiert werden sollten.
Auch die Sender stellten die Wissenschaftlerinnen vor die Wahl. Sie sollten
den Empfängern die Testergebnisse überbringen – durften aber selbst entschei-
den, ob sie mit den positiven oder den negativen Nachrichten anfangen wollten.
Wie sich zeigte, zogen es die Empfänger vor, erst die schlechten Ergebnisse
zu hören. Anschließend konnte es ja nur noch besser werden. „Eine knappe
Mehrheit der Sender wollte hingegen lieber mit den guten Ergebnissen beginnen,
weil sie es schwierig fanden, mit etwas Negativem anzufangen“, sagen die Au-
torinnen.
Dass sich diese Tendenz leicht verändern ließ, bewiesen Legg und Sweeny im
zweiten Experiment. Die Nachrichtenüberbringer sollten sich nun in ihre Ge-
genüber eindenken und auf deren Gefühle Rücksicht nehmen. Schon ging es
mit den unangenehmen Resultaten los und endete mit den angenehmen.
€ 17,99 [D]
Sollten wir also schlechte Nachrichten immer zuerst überbringen? Eher nicht, ISBN 978-3-466-30927-6
wie die Psychologinnen in einem dritten Versuch zeigten. Denn wer zuerst ne-
Sich ändern ist nicht leicht. Aber möglich,
gatives Feedback und dann positives hörte, war zwar besser gelaunt und zuver- z. B. mit Hilfe der Schematherapie: ein moder-
sichtlicher als jemand, der die Informationen in umgekehrter Reihenfolge er- ner und integrativer Ansatz, der ein tiefes Ver-
halten hatte. Das hatte allerdings einen hohen Preis: Die Selbstzweifel hielten ständnis der menschlichen Natur mit prakti-
sich in Grenzen, und damit auch der Wille, an sich zu arbeiten oder anderen schen Techniken verbindet.
selbstlos zu helfen. »Die Resultate der Schematherapie sind ein-
Wer die Gefühle anderer schonen will, beginnt mit der schlechten Nachricht. drucksvoll und evidenzbasiert. Es funktioniert
Wer aber andere zu Veränderungen bewegen will, beginnt besser mit der guten. wirklich. Manche dieser nützlichen Dinge können
■ Marion Sonnenmoser Sie selbst tun. Wie und warum werden Sie beim
Lesen herausfinden.« Jeffrey Young,
Angela Legg, Kate Sweeny: Do you want the good news or the bad news first? Personality and Social Psycho-
Begründer der Schematherapie
logy Bulletin, 40/3, 2014, 279–288. DOI: 10.1177/0146167213509113

www.koesel.de
14 Themen & Trends

Notizen

Geschlechtertrennung
ist in Schulen wenig sinnvoll
Reine Mädchenschulen führen nicht dazu, dass Mädchen bessere Noten in Mathema-
tik und Naturwissenschaften bekommen oder diese Fächer später eher studieren. Zu
diesem Schluss kommen drei Forscherinnen um Erin Pahlke vom Whitman College im
amerikanischen Bundesstaat Washington.
Traditionell wurden Mädchenschulen von Erzkonservativen propagiert. Doch seit
einigen Jahrzehnten begeistern sich auch Feministinnen dafür. Denn in gemischten
Klassen dominieren angeblich die Jungs den Unterricht – vor allem in Mathe und na-
turwissenschaftlichen Fächern –, sodass Mädchen sich auf diesen Gebieten weniger
zutrauten. Es scheine, „als ob die Jungen im Rahmen der Koedukation eine Bühne erhalten sollen, auf der sie ihre Männlichkeit“
zur Schau stellen könnten, behauptete die Dortmunder Didaktikprofessorin Sigrid Metz-Göckel.
Grundlage solcher Aussagen waren Befunde, nach denen weit mehr Absolventinnen von Mädchenschulen als von gemisch-
ten Schulen Fächer wie Chemie oder Informatik studierten. Allerdings wurden dabei oft Äpfel mit Birnen verglichen: Die Kinder
in Mädchenschulen kommen nicht unbedingt aus typischen Elternhäusern, auch die Schulen selbst sind anders.
Solche Probleme hat Erin Pahlke in ihrer neuen Untersuchung berücksichtigt. Für die wertete sie 184 Studien aus, an denen
gut anderthalb Millionen Schülerinnen und Schüler teilgenommen hatten. Ergebnis: Egal ob es um Noten in Mathematik, Na-
turwissenschaften oder Sprachen geht, um Berufswünsche oder um den Glauben an Geschlechterklischees – die Unterschiede
zwischen getrennten und gemischten Schulen darf man getrost vernachlässigen. „Es gibt kaum Belege für Vorteile getrenntge-
schlechtlicher Schulen – für welche Ergebnisse auch immer“, resümieren die Autorinnen. ■ JOCHEN PAULUS

Erin Pahlke u. a.: The effects of single-sex compared with coeducational schooling on students’ performance and attitudes: A meta-analysis. Psychological
Bulletin, online vor Print, 2014. DOI: 10.1037/a0035740

Verbraucher halten Frühstücksflocken für vertrauens-


würdiger, wenn die Figur auf der Schachtel ihnen direkt
in die Augen blickt. Da sich viele Produkte an Kinder richten,
schauen die Figuren aus dem Supermarktregal oft nach
unten – wo die kleinen Kunden stehen.

DOI : 10.1177/ 0013916514528793

Meine Meinung ist ganz objektiv!


Sicher, es ist leicht, sich in seinem Urteil von Dingen beeinflussen zu lassen, die nicht zur Sache
gehören. Aber das gilt natürlich nur für die anderen, nicht für uns selbst. Komischerweise glauben
die anderen das auch, wie Katherine Hansen zusammen mit Kollegen von der Princeton University
gerade demonstriert hat.
Sie zeigte Studentinnen und Studenten am Computermonitor achtzig Bilder, die angeblich ent-
weder von bekannten oder von unbekannten Künstlern stammten. Ein Teil der Versuchspersonen
erfuhr die angeblichen Namen der Maler, der andere nicht. Vorab erkundigten sich die Forscher, ob
es das Urteil beeinflussen würde, den Namen des Malers zu kennen. Das fanden die Teilnehmer
durchaus. Dann bewerteten sie die Bilder und ließen sich prompt beeinflussen – sie bescheinigten
den angeblich von Berühmtheiten gemalten Werken einen höheren künstlerischen Wert. Dass sie
sich beeinflussen ließen, obwohl sie diese Gefahr vorab erkannt hatten, war aber nur das eine.
Obendrein hielten sie ihr Urteil hinterher für genauso objektiv wie andere, die keine Künstlernamen
zu sehen bekommen hatten. Diese Befunde bestätigte Hansen mit einem zweiten Experiment.
Den eigenen Mangel an Objektivität können wir also kaum erkennen. Es ist aber möglich, Vor-
eingenommenheiten von vornherein auszuschließen. So lassen einige Symphonieorchester Kandi-
daten für den Klangkörper hinter einem Vorhang vorspielen. Als Resultat stieg der Anteil der Frauen
drastisch. Aber warum sollte man selbst zu solchen Maßnahmen greifen? Wir lassen uns ja nicht
beeinflussen. ■ JOCHEN PAULUS

Katherine Hansen u. a.: People claim objectivity after knowingly using biased strategies. Personality and Social Psychology
Bulletin, online vor Print, 2014. DOI: 10.1177/0146167214523476
Themen & Trends 15

Glückliche
Liebe
auf Dauer

Zwischen Lüge und Wahrheit


Niemand sagt immer die Wahrheit. Oder möchten Sie nach einem misslungenen
Friseurbesuch wirklich von jedem Bekannten ehrlich hören, wie er das Ergebnis
findet? Doch auch wenn Lügen aus unserem Leben nicht wegzudenken sind: Nie-
mand wird mit dieser Fähigkeit geboren. Kinder müssen diese kognitive Leistung
erst lernen. So haben die Psychologinnen Leslie Carver und Chelsea Hays von der
University of California gezeigt, dass Drei- und Vierjährige noch nicht überzeugend
flunkern können.
In ihrem Experiment ließen die Forscherinnen 186 drei- bis siebenjährige Kinder
mit einem verdeckten Stofftier allein. Die klare Anordnung der Leiterinnen: Linst
nicht unter das Tuch! Das stachelte die Neugier der meisten Jungen und Mädchen
aber erst recht an. Die Mehrheit lüftete den Schleier, um sich das Spielzeug anzuse-
hen.
Später gab rund die Hälfte der Drei- und Vierjährigen die Schandtat zu. Ganz
anders verhielten sich die Fünf- bis Siebenjährigen. Sie erwiesen sich als geübte
Schwindler und schworen anschließend, sich an die Anweisung gehalten zu haben.
Carver und Hays bauten einen interessanten Kniff in ihren Versuch ein. So wiesen
sie einen Teil ihrer erwachsenen Helfer an, die jungen Teilnehmer zu belügen und
diesen Betrug aufzuklären. Dieses Verhalten hatte einen starken Einfluss auf die
älteren Kinder. Diejenigen, die selbst angeflunkert worden waren, nahmen es dar-
aufhin in neun von zehn Fällen mit der Wahrheit ebenfalls nicht so genau. Doch
selbst ohne dieses schlechte Vorbild flunkerten sie in sieben von zehn Fällen. Für die
256 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag
jüngeren Probanden war es dagegen unwichtig, was der Helfer tat.
€ 19,99 | SBN 978-3-451-61258-9
Die Erkenntnisse der amerikanischen Wissenschaftlerinnen belegen: Ob und wie
Auch als ebook lieferbar
häufig Kinder zu ihrem persönlichen Vorteil lügen, hängt einerseits von ihrem Alter
ab – und andererseits davon, was Erwachsene ihnen vorleben. ■ DAGMAR KNOPF
Es ist schwerer, das Glück in der Liebe zu ge-
Chelsea Hays, Leslie Carver: Follow the liar: the effects of adult lies on children’s honesty, Develop- stalten und zu verwalten als Konflikte, Krisen
mental Science, online vor Print, 2014. DOI: 10.1111/desc.12171 und Störungen der Liebe zu bearbeiten. Als Paar
miteinander glücklich zu werden, ist eine große
menschliche Herausforderung – und zugleich das
Ziel aller Liebenden. Michael Cöllen konzentriert
sich mit dem Konzept der Paarsynthese entspre-
chend weniger auf die bekannte therapeutische
Konfliktarbeit, sondern vielmehr darauf, wie das
Überraschende Nachrichten aus Italien: Mafia-
Glück zwischen Mann und Frau sensibel gestaltet
gangster weisen weniger psychopathische Eigen- werden kann. Dabei verbindet er Theorie und
schaften auf als andere Verbrecher. Nach Erkenntnis- Praxis mit vielfältigen Anleitungen und Falldar-
stellungen.
sen eines Teams um Adriano Schimmenti sind Ge-
fängnisinsassen mit Clanhintergrund weniger ge-
fühlskalt und grausam als andere Häftlinge.

DOI : 10.1002/ CBM.1902 www.facebook.com/kreuzverlag


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P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4 Was Menschen bewegt
16 Themen & Trends

Notizen

Darf ich vorstellen?


Man erkennt sie meist an diesem Satz: „Ich weiß da jemanden, den musst du
unbedingt mal treffen!“ Leidenschaftliche Kuppler sind sich nämlich stets sicher,
mit wem man perfekt zusammenpassen würde. Haben sie Erfolg, freut sich nicht
nur das frischverliebte Paar. Einer amerikanischen Studie zufolge macht es glück-
lich, Amor zu spielen.
Die Forscherin Lalin Anik von der amerikanischen Duke University und ihr
Harvard-Kollege Michael Norton baten in einem ersten Teil ihrer Untersuchung
Freiwillige darum, Fragebögen auszufüllen. Die Teilnehmer gaben an, wie glücklich sie im Großen und Ganzen
waren – und wie oft sie Freunde und Bekannte zusammenführten. Chronische Kuppler berichteten generell
ein höheres Wohlbefinden. In ihrer nächsten Untersuchung luden Anik und Norton weitere Freiwillige ins
Labor. Dort durften die Probanden einander zu Paaren zusammenbringen. Einigen Kupplern trugen die Forscher
auf, möglichst gezielt Personen mit großen Gemeinsamkeiten zu vermitteln. Das konnten etwa ähnliche Hob-
bys sein. Der andere Teil konnte die Personen wahllos miteinander bekannt machen. Sowohl am Anfang als
auch am Ende des Experiments gaben alle Probanden an, wie zufrieden und glücklich sie sich fühlten. „Wer
andere einander selektiv vorstellte, war glücklicher und erfüllter“, so die Wissenschaftler. Dagegen hatte das
wahllose Stiften von Bekanntschaften keine positive Wirkung.
Doch was macht das Verkuppeln so reizvoll? Die Wissenschaftler argumentieren, dass Beziehungsstifter ihr
Handeln möglicherweise deshalb genießen, weil sie sich so ihre eigene Menschenkenntnis und ihr soziales
Gespür bestätigen können. ■ ANNA GIEL AS

Lalin Anik, Michael Norton: Matchmaking promotes happiness. Social Psychological and Personality Science, 2014, online vor Print.
DOI: 10.1177/1948550614522303

Regen schlägt auf die Stimmung. Darunter leiden


auch Restaurantbesitzer. Denn ihre Gäste sind bei
schlechtem Wetter deutlich unzufriedener als sonst. Das
hat die Auswertung von mehr als einer Million Einträgen
auf Bewertungsportalen im Internet gezeigt.

DOI : 10.1145 /2566486.2568021

Schnell gelesen, wenig verstanden


Wer liest, bewegt seine Augen. Bisher hat das niemanden gestört. Nun sind findige
Entwickler jedoch zu der Ansicht gelangt, dass wir so unsere Zeit verschwenden. Neue
Anwendungen wie die App Spritz (www.spritzinc.com) sollen Abhilfe schaffen. Dadurch,
dass die Wörter nacheinander an derselben Stelle eines Smartphone- oder Computer-
bildschirms angezeigt werden, bleiben die Augen immer auf eine Stelle fixiert. Angeblich
lassen sich so bis zu 600 Begriffe pro Minute aufnehmen – ohne technische Hilfsmittel
sind es deutlich weniger. Ist das der Todesstoß für traditionelle Zeitungen, Bücher und E-Reader? Die Psychologin Elizabeth
Schotter ist da ziemlich skeptisch. Die Forscherin von der University of California in San Diego ist überzeugt: Ohne Augenbe-
wegungen leidet das Textverständnis. Dass wir normalerweise selbst kontrollieren können, in welcher Geschwindigkeit und
welcher Reihenfolge wir unsere Blicke durch die Zeilen schweifen lassen, sei sinnvoll. So sei sichergestellt, dass wir immer die
richtigen Informationen zur passenden Zeit aufnehmen.
In einem Experiment zeigten Schotter und Kollegen 40 Studenten Beispielsätze an einem Bildschirm. Dabei lasen die Pro-
banden entweder ganze Sätze – oder ihnen wurde nur ein Wort zu einem Zeitpunkt präsentiert. Das Ergebnis war eindeutig.
Sowohl einfache als auch komplizierte Sätze wurden besser verstanden, wenn die Teilnehmer ihre Augen ungehindert darüber
schweifen lassen konnten. Die Psychologen glauben deshalb, dass Apps wie Spritz höchstens für sehr kurze oder sehr simple
Texte sinnvoll sind. ■ JOHANNES KÜNZEL

Elizabeth Schotter u. a.: Don’t believe what you read (only once): Comprehension is supported by regressions during reading. Psychological Science,
online vor Print, 2014. DOI: 10.1177/0956797614531148
Themen & Trends 17 Impressum / Service

REDAKTION SANSCHRIFT Werderstraße 10, 69469 Weinheim


Postfach 10 0154, 69441 Weinheim
Telefon 0 62 01/60 07-0
Fax 0 62 01/60 07-382 (Redaktion) Fax 0 62 01/60 07-310 (Verlag)
E-MAIL DER REDAKTION redaktion@psychologie-heute.de
WWW.PSYCHOLOGIE-HEUTE.DE

Besser entscheiden in der Natur HERAUSGEBER UND VERLAG Julius Beltz GmbH & Co. KG, Weinheim
Geschäftsführerin der Beltz GmbH: Marianne Rübelmann
CHEFREDAKTEUR Heiko Ernst
Wie wir über die Zukunft denken, beeinflusst unser Verhalten in der Gegen-
REDAKTION Ursula Nuber (stellvertr. Chefredakteurin), Katrin Brenner-Becker,
wart. Ein Beispiel: Wer ein hohes Alter erreichen möchte, ernährt sich heute Anke Bruder, Johannes Künzel, Thomas Saum-Aldehoff
gesund. Allerdings hat die Zukunft im Alltag ein großes Problem – sie ist weit REDAKTIONSASSISTENZ Nicole Coombe, Doris Müller
weg. Oft genug ziehen Menschen deshalb eine sofortige Belohnung einem KORRESPONDENTEN IN DEN USA Dr. Annette Schäfer
LAYOUT, HERSTELLUNG Johannes Kranz
späteren Gewinn vor. Um im Beispiel zu bleiben: Bier und Zigaretten wirken ANZEIGEN Claudia Klinger
sofort, die gesundheitlichen Folgen zeigen sich dagegen erst später. Postfach 10 0154, 69441 Weinheim
Telefon 0 62 01/60 07-386, Fax 0 62 01/60 07-93 86
Motivationspsychologen nennen dieses Phänomen „zeitliche Diskontie- Anzeigenschluss: 7 Wochen vor Erscheinungstermin
rung“. Nun haben niederländische Forscher um Arianne van der Wal eine GESAMTHERSTELLUNG Druckhaus Kaufmann, 77933 Lahr
Umgebung ausfindig gemacht, die uns bedachter mit unserer Zukunft um- VERTRIEB ZEITSCHRIFTENHANDEL ASV Vertriebs GmbH, Süderstraße 77
gehen lässt: die Natur. In einem ihrer Experimente betrachteten zwei Grup- 20097 Hamburg, Telefon 0 40/3472 92 87

pen von Probanden entweder Fotos von Naturlandschaften oder die Bilder Copyright: Alle Rechte vorbehalten, Copyright © Beltz Verlag, Weinheim. Alle
Rechte für den deutschsprachigen Raum bei Psychologie Heute. Nachdruck, auch
einer Großstadt. Anschließend nahmen sie an einem Spiel teil. Dabei ent-
auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion. Nachdruck, Auf-
schieden sie, ob sie lieber nahme in Onlinedienste und Internet sowie Vervielfältigung auf Datenträger wie
CD-ROM, DVD-ROM etc. nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung der Re-
sofort 100 Euro bekom- daktion. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Mei-
men oder 90 Tage warten nung der Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandtes Material übernimmt die
Redaktion keine Gewähr.
würden – um dann bis zu Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt.
170 Euro zu erhalten. Je Übersetzung, Nachdruck – auch von Abbildungen –, Vervielfältigungen auf
fotomechanischem oder ähnlichem Wege oder im Magnettonverfahren, Vortrag,
kleiner die Summe, auf die Funk- und Fernsehsendung sowie Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen –
die Teilnehmer drei Mona- auch auszugsweise – bleiben vorbehalten.

te lang zu warten bereit FRAGEN ZUM ABONNEMENT


waren, desto niedriger ih- Deutschland: Beltz Medien-Service
Postfach 10 05 65, 69445 Weinheim
re zeitliche Diskontierung. Telefon: 0 62 01/60 07-330 / Fax: 0 62 01/60 07-93 31
Die vier Forscher stell- E-Mail: medienservice@beltz.de
www.psychologie-heute.de
ten fest, dass die Naturbil- Studentenabos (Vollzeitstudium) gegen Vorlage der Studienbescheinigung
der tatsächlich eine zu- (per Fax, E-Mail-Anhang oder Zusenden einer Kopie)
kunftsorientiertere Hal- EINZELHEFTBESTELLUNGEN
Deutschland: Beltz Medien-Service bei Rhenus
tung förderten: Die Teilnehmer waren im Durchschnitt bereit, 90 Tage auf 86895 Landsberg, Telefon: 0 81 91/9 70 00-622
eine Summe von rund 125 Euro zu warten – in der Großstadtgruppe ließen Fax: 0 81 91/9 70 00-405, E-Mail: bestellung@beltz.de.,
www.shop-psychologie-heute.de
die Probanden erst ab 138 Euro von der sofortigen Belohnung ab.
Schweiz, Österreich, Rest der Welt: Adressen wie unter „Abonnement“
Später bestätigten die Wissenschaftler diese Erkenntnisse in einem Feld-
Einzelheftpreis: € 6,50 (Schweiz 10,– sFr.); bei Zu sendung zzgl Versandkosten.
experiment mit 43 Freiwilligen. Dabei zeigte sich, dass Teilnehmer, die we- Abonnementpreise: Jahres-/Geschenkabo: Deutschland € 69,90, Österreich,
nige Minuten durch einen Wald spazierten, danach zukunftsorientiertere Schweiz € 71,90 (jeweils inkl. Versand); alle anderen Länder € 63,90 zzgl. Porto
(auf Anfrage). Jahres-/Geschenkabo plus: Deutschland € 83,90, Österreich,
Entscheidungen trafen als Probanden, die durch ein modernes Hochhaus- Schweiz € 85,90 (jeweils inkl. Versand); alle anderen Länder: € 77,90 zzgl. Porto
(auf Anfrage). Studentenjahresabo: Deutschland € 62,90, Österreich, Schweiz
gebiet gelaufen waren. ■ ANNA GIEL AS
€ 64,90 (jeweils inkl. Versand); alle anderen Länder € 56,90 zzgl. Porto (auf An-
frage). Studentenabo plus: Deutschland € 76,90, Österreich, Schweiz € 78,90
Arianne van der Wal u. a.: Do natural landscapes reduce future discounting in humans?
(jeweils inkl. Versand); alle anderen Länder: € 70,90 zzgl. Porto (auf Anfrage).
Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 280/22, 2013. DOI: 10.1098/ Kennenlernabo: EU-Länder, Schweiz € 13,–, andere Länder auf An frage.
rspb.2013 Kennenlernabo plus: EU-Länder, Schweiz € 17,–, andere Länder auf Anfrage.
Die Berechnung in die Schweiz erfolgt in sFr. zum tagesaktuellen Umrechnungs-
kurs. Nähere Infos unter http://psychologie-heute-abo.kohlibri.de
Psychologie Heute kann im Abonnement oder als Einzelheft beim Buchhandel
oder direkt beim Verlag bestellt werden. Zahlungen bitte erst nach Erhalt der
Rechnung. Das Abonnement ist nach der Laufzeit von 6 Monaten jederzeit
kündbar. Zu viel bezahlte Beträge erhalten Sie zurück. Erfolgt keine Abbestel-
lung, verlängert sich das Abonnement automatisch um ein weiteres Jahr. Psy-
chologie Heute kann aus technischen Gründen nicht in den Urlaub nachge-
schickt werden.

BEILAGENHINWEIS Der Aboauflage Inland liegt eine Beilage der Firma Axma
Ab 24 Jahren nimmt die Gedankenschnellig- Wind GmbH und der RSD Reise Service Deutschland GmbH bei. Der gesamten
Aboauflage liegt eine Beilage des Verlages Hans Huber bei. Wir bitten unsere Leser
keit ab. Darauf deuten die Auswertungen um freundliche Beachtung.
von mehr als 3000 Spielern eines Computerspiels BILDQUELLEN Titel: SIGN Kommunikation. S. 3: Gudrun-Holde Ortner. S. 4, 20,
21, 23, 25, 28: Eléonore Roedel. S. 6, 58 rechts unten, 82: Corbis. S. 8, 9, 10, 11, 13,
hin. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Ältere 14 links oben, 14 rechts unten, 15, 16 rechts oben, 17, 58 links oben, 94: Getty.
S.12: Picture Alliance. S. 16. links unten: www.spritzinc.com/press. S. 18, 19: Sabine
zocken mit einfacheren Strategien – und schneiden Kranz. S. 30, 32, 53, 57: Mauritius. S. 34, 35, 37, 38: Stefan Matussek. S. 40, 41, 43,
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deshalb nicht schlechter ab als Jungspunde. S. 54: Max-Planck-Institut, Leipzig. S. 55: Arthotek. S. 56: Science Photo Library.
S. 59, 61, 62: Ullstein. S. 64: Privat. S. 5. links oben, 66, 67, 68, 70: Frank Maier.
S. 72, 73, 74, 75: Petra Kofen. S. 5 rechts oben, 76, 77, 78, 80: Freimut Woessner.
DOI : 10.1371/JOURNAL.PONE.0094215
S.93: Peter Thulke

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
18 Themen & Trends Serie: Der psychologische Begriff

Freudsche
Fehlleistung
H
ans und Georg sind anderen sein müssen! Was
Freunde aus der Manchmal rutschen uns Bemerkungen heraus, die macht Michael mit diesem
Schulzeit. Freund- uns in peinliche Situationen bringen. Oder wir tun ehelichen Desaster, das den
schaften, das wissen wir, sind das Gegenteil von dem, was wir vorhatten. Reine häufigen Vorwurf seiner Frau
nicht nur einfach. Hans hat Unaufmerksamkeit? Nein. Solche Fehlleistungen bestätigt, er höre ihr nicht zu?
gerade einen Ford Fiesta ge- sind Produkte eines inneren Konfliktes Michael erinnert sich: Er
kauft; er möchte ihn Georg stand im Supermarkt vor den
vorführen. Georg bemerkt: Flaschen, dachte an Petras
„Da hast du dir einen schönen Auftrag, schwankte zwischen
Fiasko gekauft.“ Georg ist entsetzt; be- Michael hat Petra versprochen, im Grün und Orange – und dennoch legte
treten schaut er Hans an. Hans ist per- Supermarkt das flüssige Waschmittel in er das falsche Waschmittel in den Ein-
plex; er sagt nichts. Beide brüten über den orangefarbenen Plastikflaschen zu kaufswagen. Wieso? Können Georg und
den Satz mit dem schönen Fiasko; er kaufen; sie hat ihm eingeschärft, nicht Michael ihr Verhalten als Flüchtigkeits-
arbeitet in ihnen. Sie schweigen. Was die grünen Flaschen zu nehmen. Ein- fehler entschuldigen, als kleine alltägli-
macht Georg mit diesem kommunika- käufe für den Haushalt, das wissen wir, che Unaufmerksamkeit?
tiven Scherbenhaufen? Wie repariert er sind keine einfachen Unternehmungen. Sigmund Freud hat uns diesen Aus-
ihn? Georg könnte sagen: „Entschuldi- Stolz breitet Michael auf dem Küchen- weg genommen. In seiner 1904 erschie-
ge, ich habe mich versprochen. Ich woll- tisch seinen Einkauf aus und präsentiert nenen Arbeit Zur Psychopathologie des
te dir zum Kauf gratulieren.“ Aber was Petra – die grünen Plastikf laschen. Alltagslebens beschreibt er die Momen-
sagt Georg zum Fiasko? Blitzartig fällt ihm ein: Es hätten die te des Versprechens, des Vergessens, des

PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014


Serie: Der psychologische Begriff Themen & Trends 19

Verlegens und Vergreifens als „Fehlleis- sen sich fragen, ob es nichteingestande-


tungen“. Diese, so lautet seine Theorie, ne aggressive Impulse bei ihnen gibt und
sind intendiert und bedeuten nicht ein wie diese in den jeweiligen Beziehungen
Versagen (oder Versehen), sondern sind aussehen. Wenn Georg und Michael ih- Der Weg vom Gehirn
eine höchst kreative Verdichtungsleis- ren aggressiven Impulsen dank ihrer in den Körper
tung widersprüchlicher Impulse oder Fehlleistungen auf die Spur kommen,
Kontexte. In dem Moment eines unkla- dann bestätigen sie damit den selbstre- und wieder zurück.
ren, aber artikulierten f lexiven Aspekt der
Konflikts verdichten sich freudschen Konzepti-
bewusste und nichtbe- on der Fehlleistung:
wusste Kontexte. Die Sie hilft, nach anderen
Fehlleistung diente Freud als den selbstideali-
als Hinweis und Beleg für sierten Anteilen in
die Existenz, Konstanz uns Ausschau zu hal-
und Wirksamkeit nicht- ten. Für Freud war die
bewusster Kontexte; de- Fehlleistung (neben
ren Analyse lieferte den dem Traum) die psy-
Prototyp psychoanalyti- chische Leistung, mit

NEU
scher Theorie und Methode. der sich die Selbstexploration vorantrei-
Versprecher oder Fehlhandlungen ben lässt.
sind das Produkt eines Konflikts und Wann ist eine Fehlleistung eine freud-
eines Kompromisses. Die bewussten Ab- sche Fehlleistung? Entscheidend ist der
sichten – Georg will Hans zum Ford Fi- Nachweis des Konflikts. Man muss die
esta beglückwünschen, und Michael will eigene störende Gegentendenz bei sich Elisabeth Baender-Michalska,
Rolf Baender
Petra das richtige Waschmittel besor- wahrnehmen und bestätigen können.
gen – werden im Vollzug des Handelns Im Alltag kann ein verstolpertes Han- Yoga & Embodiment
(des Sprechens und des Kaufens) von deln als Fehlleistung aufmerksam ma- Stress und Schmerz bewältigen
nicht-bewussten Impulsen dominiert chen für die eigenen Konflikte – die Mit einem Geleitwort von Johann Caspar Rüegg
und modifiziert. Den nichtbewussten plötzlich deutlich werden –; im psycho-
Impuls nannte Freud die störende Ten- therapeutischen Prozess kann man sich ‡Umfassend: Alles über Yoga und Embodiment –
von der Neurobiologie bis zum Sonnengruß
denz, die bewusste Absicht die gestörte Zeit lassen für die Erörterung und Re-
‡Praktisch: Tipps zum richtigen Praktizieren von
Tendenz. Die störende Tendenz, behaup- konstruktion der Momente alltäglichen Yoga und zum Stressabbau im Alltag
tete Freud, ist ein unterdrückter Gegen- Scheiterns, die helfen, die lebenslange ‡Online: Das Zehn-Kurseinheiten-Basisprogramm,
impuls. Dieser, so folgerte Freud weiter, Konflikthaftigkeit zu verstehen und mit Präsentationsunterlagen für Ihre Patientenvorträge
war einmal ein bewusster Gedanke ge- ihr zu leben. Was ist, wenn der Nachweis Elisabeth Baender-Michalska und Rolf Baender
wesen, der, so seine Faustregel, meistens nicht gelingt? Manchmal fällt es schwer, nutzen das Prinzip des Embodiments: Nicht
in einer unfreundlichen (aggressiven) Auskunft zu geben über die Gedanken, nur die Psyche beeinflusst den Körper – auch
umgekehrt wirken sich die Selbstwahrnehmung
Idee oder Fantasie bestand. Freud ver- Erinnerungen und Fantasien der eige- und der Umgang mit dem Körper auf die Psyche
stand den unterdrückten Gegenimpuls nen inneren Welt. Dann muss die Frage aus.
I L L U S T R AT I O N E N : S A B I N E K R A N Z

zumeist als Kränkungsabsicht. offenbleiben, ob die vermutete Fehlleis- Lesen Sie, wie Stress entsteht und welche ge-
Das ist natürlich eine unerfreuliche tung eine Fehlleistung ist. sundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen er
Irrtum und Preisänderungen vorbehalten. Abb.: © www.fotolia.de

hat. Entdecken Sie die Funktionsweise und Wir-


Auskunft, die uns Freud mit seiner The- ■ Gerhard Bliersbach
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„Frustrationstoleranz“ eigentlich? Und wie wichtig ist
seine zu Petra überdenken; beide müs- diese Fähigkeit für ein gelingendes Leben?

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20 Titel

Erholung:
Die Kunst,
neue Kräfte zu
sammeln
Titel 21

Erhol dich gut! Aus dieser freundlichen Bemerkung am Ende einer Woche oder
zu Beginn des Urlaubs ist heute fast ein Befehl geworden: Regeneriere dich,
damit du wieder Leistung bringen kannst! Die Fähigkeit, den Akku aufzuladen,
gilt im Zeitalter von Burnout als Schlüsselkompetenz. Doch immer weniger
Menschen gelingt es, richtig auszuspannen. Woran liegt das?

■ Birgit Schönberger

E
ndlich Urlaub! Nur noch schnell hinterher doppelt so viel wegschaffen wie wir wieder ins Gleichgewicht kom-
das Telefon umstellen, den Com- kannst. Und wenn dir das nicht gelingt men“, sagt der Hamburger Psychologe
puter runterfahren, der Kollegin und du danach nicht wie Phönix aus der und Facharzt für Psychotherapie Micha-
tschüss sagen und dann die große Frei- Asche wieder im Büro auftauchst, hast el Sadre-Chirazi-Stark. 14 Jahre war er
heit genießen. Trödeln, träumen, schlen- du was falsch gemacht und musst drin- Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie
dern, schlemmen, Wolkenformationen gend lernen, dich richtig zu erholen. Aus und Psychotherapie des Asklepios-West-
bewundern, den Wind auf der Haut der Erlaubnis zu entspannen ist ein Be- klinikums Hamburg. Seit 2013 leitet er
spüren, in Romanen versinken, Löcher fehl geworden. Du musst dich regene- ein psychotherapeutisches Zentrum zur
in die Luft gucken, barfuß Behandlung von Stress und Er-
durchs Gras laufen, an Blüten schöpfung. Ein wichtiger As-
schnuppern, fremden Stimmen pekt von Erholung im Urlaub
lauschen, Muscheln sammeln, sei, wieder in den eigenen
küssen, lachen, philosophieren, Rhythmus zurückzufinden.
sich vom Sternenhimmel ver- Wer vom Chronotyp her ei-
zaubern lassen … Von wegen! gentlich eine Eule ist und erst
Alles romantische Retrofanta- mittags richtig auf Touren
sien. Schlendern und genießen kommt, wegen des Jobs aber
war vorgestern. früh aufstehen und zeitig ins
Längst ist Urlaub kein Ver- Bett gehen muss, genießt es im
gnügen mehr, sondern eine Urlaub, endlich auszuschlafen
ernste Angelegenheit. Aus der und lange aufzubleiben. „Die
Lizenz zum Ausruhen ist ein beruf lichen Anforderungen
wichtiger Punkt auf der To-do-Liste ge- rieren! Und zwar gründlich. Die Fähig- zwingen uns oft einen fremden Rhyth-
worden. Wie jedes Projekt muss auch keit, den Akku aufzuladen, wie Erholung mus auf, den wir aushalten müssen und
das Projekt „Erholung“ sorgfältig ge- neuerdings umschrieben wird, gilt im der uns Energie kostet. Der Urlaub gibt
I L L U S T R AT I O N E N : E L É O N O R E R O E D E L

plant und systematisch abgearbeitet Zeitalter grassierender stressbedingter uns die Chance, das ein wenig auszu-
werden, inklusive Erfolgskontrolle und Erkrankungen als Schlüsselkompetenz. gleichen und so wieder in die Homöo-
Projektbericht am Ende, Posting auf „Erholung ist extrem wichtig gewor- stase, die Selbstregulation zu kommen.“
Facebook nicht zu vergessen. Der einst den, weil die gestiegenen Leistungser- 14-tägige Fernreisen mit Zeitver-
fröhlich zum Abschied hingeworfene wartungen im Beruf dazu führen, dass schiebung hält Stark deshalb für kon-
Satz „Schönen Urlaub. Erhol dich gut!“ wir uns unbewusst immer stärker be- traproduktiv. „Die Erholung, die eigent-
ist mittlerweile zum kategorischen Im- lasten. Wir brauchen den Urlaub, um lich Sinn des Urlaubs ist, fällt dann völ-
perativ mutiert. Der Subtext lautet: Er- diese Belastungen auszugleichen, aber lig flach, weil wir zehn Tage brauchen,
hol dich gefälligst effektiv, damit du wir haben das Gefühl dafür verloren, um uns an die fremde Zeitzone zu ge-

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
22 Titel

Im Urlaub können wir den Seelenenergietank wieder füllen. Das setzt aber
Kontrasterlebnisse voraus: Wir sollten tun, was im Arbeitsalltag zu kurz kommt

wöhnen.“ Mit Sorge beobachtet Stark, berücksichtigen und eine innere Acht- vom Persönlichkeitstyp her neugierig
dass Urlaub zunehmend zum Status- samkeit zu entwickeln. Was tut mir gut? und offen ist und auch einen Job hat, in
symbol wird und der eigentliche Sinn Was belastet mich in meinem Ar- dem er ständig in der Öffentlichkeit steht
von Ferien in den Hintergrund gerät. beitsalltag besonders? Was könnte ein und neue Kontakte knüpft, braucht im
Surfen in der Karibik, Schnorcheln im gutes Gegengewicht dazu sein? Urlaub die Möglichkeit, sich zurückzu-
Roten Meer, Trekking im Himalaya. Das In der therapeutischen Arbeit mit sei- ziehen und mal allein zu sein, und fin-
alles sei sehr attraktiv, habe aber mit Er- nen Patienten benutzt Stark gerne ein det bei einer Paddeltour oder einer Me-
holung wenig zu tun. „Urlaub soll dem Bild. Er spricht vom Seelenenergietank, ditationswoche im Kloster eher Erho-
Körper helfen, sich zu regulieren und aus dem wir unsere Alltagskräfte schöp- lung als bei einer Kreuzfahrt oder im
ins Gleichgewicht zurückzufinden. Das fen. „Der Seelenenergietank funktio- Ferienhaus mit vielen Freunden. „Wer
passiert nicht, wenn wir der Maxime niert ähnlich wie der Benzintank unse- vom Persönlichkeitsstil her sehr für-
,schneller, höher, weiter‘ folgen, sondern res Autos. Der Benzintank hat allerdings sorglich ist und auch noch einen sozia-
nur, wenn wir uns an dem orientieren, den Vorteil, dass die rote Lampe an- len Beruf hat, in dem er ständig für an-
was wir wirklich brauchen, um wieder springt, wenn die letzten fünf Liter an- dere da sein muss, sollte einen Wellness-
in Balance zu kommen.“ Bei vielen sei gebrochen werden. Dann steuern wir urlaub machen und sich mal selbst um-
der Zugang zu den Quellen der Erholung automatisch die nächste Tankstelle an, sorgen und verwöhnen lassen“ rät
verschüttet. Nicht nur bei seinen Pati- weil wir wissen, dass wir sonst unter- Michael Stark. Menschen, die eher
enten in der Klinik registriert der Arzt wegs liegenbleiben.“ Auch der Seelen- zwanghaft und kontrollierend sind,
und Psychologe einen erschreckenden energietank hat eine Art rote Lampe. könnte ein Abenteuerurlaub guttun.
Mangel an Wissen über grundlegende Um seine Signale zu verstehen, brauchen Dass Kontrasterlebnisse wichtig sind,
Zusammenhänge zwischen Dauerbelas- wir jedoch mehr Aufmerksamkeit und um einseitige Beanspruchungen und
tung und stressbedingten Symptomen. Wissen. Gereiztheit, Erschöpfung, Belastungen auszugleichen, glaubt auch
Doch wie kann das sein? Es vergeht Schlafstörungen, Pfeifen im Ohr, lange Carmen Binnewies, Professorin für Ar-
keine Woche, in der nicht in irgendeiner anhaltende Verspannungen oder stän- beitspsychologie an der Universität
Talkshow über Stress, Erschöpfung und dig wiederkehrende Erkältungen sind Münster. Sie erforscht, wie Menschen
Burnout diskutiert wird. In den Buch- Anzeichen dafür, dass wir auf Reserve Arbeitsstress bewältigen und am besten
handlungen stehen meterweise Ratgeber laufen. „Meist tun wir dann das Gegen- regenerieren. Bisher gebe es noch weni-
mit Titeln wie Dem Stress keine Chance, teil dessen, was wir tun müssten, wenn ge Studien, die untersuchen, welche Art
So erholen Sie sich richtig, Burn-in statt wir das Prinzip des Seelenenergietanks von Urlaub für wen geeignet ist. „Es gibt
Burn-out. Michael Stark, der selbst ein verstanden hätten. Wir nehmen eine jedoch einige Hinweise darauf, dass
Burnout-Präventionstraining entwi- Tablette, um den Schmerz wegzudrü- Kontrasterfahrungen generell gut sind
ckelt hat, glaubt, dass trotz der Omni- cken, trinken ein Glas Rotwein mehr, für die Erholung.“ Binnewies verweist
präsenz des Themas in den Medien ins- um einschlafen zu können, oder machen auf eine Studie ihrer Mannheimer Kol-
besondere das Wissen über das seelische eine anstrengende Städtereise, weil wir legin Sabine Sonnentag. Die Organisa-
Gleichgewicht nicht wirklich angekom- nicht zugeben wollen, dass wir wirklich tionspsychologin konnte nachweisen,
men ist. „Dass der Körper Erholung Ruhe brauchen.“ dass Flugbegleiter sich schlecht erholen,
braucht, ist den meisten klar, aber dass Um den Seelenenergietank in der wenn sie abends mit Kollegen zusam-
auch die Seele sich wieder regulieren Freizeit und im Urlaub wieder aufzu- men sind. Ihr Fazit auch für andere Be-
muss, ignorieren viele nach wie vor.“ Um füllen, ist es wichtig, sich nicht an äu- rufsgruppen: Anforderungen, die man
im Urlaub den notwendigen Ausgleich ßeren Trends zu orientieren, sondern an während der Arbeit hat, sollte man in
zu finden, sei es wichtig, sich gut zu ken- inneren Bedürfnissen und an dem, was der Freizeit und im Urlaub meiden. „Das
nen, den eigenen Persönlichkeitsstil zu im Arbeitsalltag zu kurz kommt. Wer Ergebnis der Flugbegleiterstudie ist in-
Titel 23

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
24 Titel

teressant, weil soziale Aktivitäten sonst und der vorherige Zustand wiederher- forscherin rät dazu, die Urlaubstage gut
bei sämtlichen Stichproben zu Urlaub gestellt. Die Psychologin Jessica de übers Jahr zu verteilen und mehrere
und Erholung als wichtiger positiver Bloom von der Universität Nimwegen Kurzurlaube zu planen, um öfter in den
Faktor genannt werden. Dass das auf zog bereits 2009 in einer Übersichtsar- Genuss der positiven Wirkungen zu
Flugbegleiter nicht zutrifft, spricht da- beit zu den bislang erschienenen Ur- kommen. Doch wenn die Länge keine
für, dass Kontraste wichtig sind. Wer laubsstudien das ernüchternde Fazit, große Rolle spielt, wovon hängt es dann
ständig nett zu Kunden sein muss, ent- dass der langersehnte Urlaubseffekt ab, ob der Urlaub Erholung bringt? „Es
spannt sich nicht beim Drink mit Freun- meist bereits innerhalb der ersten Wo- klingt vielleicht banal, aber ganz ent-
den an der Hotelbar, sondern vielleicht che, spätestens jedoch nach vier Wochen scheidend ist, ob jemand zufrieden ist
eher auf einer Wandertour allein oder verschwunden ist. Je größer der Arbeits- mit seiner Urlaubsgestaltung und den
nur zu zweit“, so Carmen Binnewies. berg, der am ersten Tag wartet, desto Urlaub genießt oder damit hadert“,
Obwohl immer wieder die Aussage schneller schmilzt das Entspannungs- meint Binnewies. Vor allem wenn man
kursiert, dass richtige Erholung erst nach gefühl dahin. mit der Familie verreist, sei es deshalb
zehn Tagen Urlaub anfange, gibt es em- Daraus solle man jedoch auf keinen wichtig, darauf zu achten, dass auch die
pirisch keinen Hinweis darauf, dass ein Fall die Konsequenz ziehen, weniger eigenen Interessen und Bedürfnisse be-
längerer Urlaub mehr Erholung bringt oder keinen Urlaub mehr zu machen. rücksichtigt werden und für jeden etwas
als ein kürzerer. Unabhängig davon, ob „Auch wenn der Effekt nicht so lange dabei ist.
der Urlaub nun zwei oder drei Wochen anhält, wie man sich das wünscht, ist Als größter Erholungskiller wirken
dauert, lässt der Erholungseffekt bereits Urlaub trotzdem sehr wichtig. Wir brau- negative Gedanken an die Arbeit. Wer
kurz nach Urlaubsende spürbar nach, chen Zeiten, in denen wir abschalten“, in der Hängematte oder im Strandcafé
die Leichtigkeit des Seins ist verflogen sagt Carmen Binnewies. Die Erholungs- über unerledigte Aufgaben, missratene
Präsentationen und Auseinanderset-
zungen mit dem Vorgesetzten grübelt
oder sich Sorgen macht, wie es in der
SO WIRD DIE AUSZEIT ZUR ERHOLUNG Firma weitergeht, erholt sich nachweis-
Die wichtigsten Erkenntnisse der Erholungsforschung lich nicht. Wer sein Smartphone mit an
● Ganz wichtig: Ehe Sie eine Auszeit oder ● Vorsicht vor zu großen Erwartungen: Der den Strand oder in die Berghütte nimmt,
einen Urlaub planen, sollten Sie sich fra- Erholungseffekt hält nach dem Urlaub um regelmäßig die Mails aus der Firma
gen, wovon Sie sich erholen müssen. nicht lange an. Spätestens nach vier Wo- zu checken, oder auf Facebook verfolgt,
Grundsätzlich gilt: Kontrasterfahrungen chen ist er verschwunden. welche beruflichen Erfolge die Kollegen
sind wichtig! Wenn Sie ständig in der Öf- posten, während man am Pool liegt,
● Faul sein ist erlaubt, aber in Maßen. Die
fentlichkeit stehen und mit vielen wech- kann gleich zu Hause bleiben. Carmen
Balance zwischen Entspannung und Be-
selnden Menschen in Kontakt sind, brau- Binnewies spricht von vier wesentlichen
wegung ist wichtig. Denn durch sportli-
chen Sie Zeiten, in denen Sie sich von der Erholungserfahrungen:
che Betätigung werden Spannungen
Welt zurückziehen und mal allein sein 1. Abschalten von der Arbeit: die Arbeit
abgebaut, und man erlebt sich als kom-
können. Wer in einem sozialen Beruf tätig gedanklich hinter sich lassen, Abstand
petent – gute Voraussetzungen für die
ist, ständig für andere da sein muss, soll- gewinnen, sich innerlich freimachen
Regeneration. Deshalb: Nicht nur im Ur-
te in Urlaubszeiten selbst im Mittelpunkt 2. Entspannung: Ruhe, Gelöstheit und
laub die Joggingschuhe anziehen oder
stehen und „bedient“ werden. Wer stän- Gelassenheit erleben, körperlich und
den Tennisschläger schwingen: Die beste
dig freundlich zu Kunden sein muss, soll- mental
Erholung garantiert die regelmäßige, in
te seine Erholung weniger in Gruppen 3. Mastery-Erfahrungen: körperliche
den Alltag integrierte Bewegung.
suchen. oder intellektuelle Herausforderun-
● Auch im Alltag sollte man sich regelmäßig gen meistern, einen Berg besteigen,
● Fernreisen mit Zeitverschiebung bringen Zeit nehmen für Pausen. Lieber nicht mit Spanisch lernen, einen See durch-
Anregung. Erholung bieten sie schon al- Kollegen in der Mittagspause den neues- schwimmen
lein deshalb wenig, weil der Körper einige ten Klatsch durchsprechen, sondern lie- 4. Kontrolle über die Freizeit: frei wäh-
Tage benötigt, um sich an die Zeitver- ber allein einige Schritte gehen oder auf len können, wann und wie man etwas
schiebung zu gewöhnen. der Yogamatte Atemübungen machen. macht, das einem Freude bereitet.
● Mehrere, gut übers Jahr verteilte Urlaubs-
tage sind sinnvoller als der große mehr- Dass eine gelungene Mischung aus Ent-
wöchige Urlaub am Stück. spannung und Bewegung Erholung be-
günstigt, zeigt sich konsistent in allen
Titel 25

te Gefühle haben, und nicht erst, wenn


wir nicht mehr können.“
Einmal im Jahr messen Froböse und
sein Team Herzfrequenz und Laktatwert
der Jogger im Kölner Stadtwald und un-
tersuchen die Ermüdungserscheinun-
gen. „80 Prozent der Männer laufen zu
schnell und bringen sich dadurch um
die Belohnung, die das Laufen für sie
bereithielte, wenn sie das Prinzip der
subjektiven Unterforderung berücksich-
tigen würden.“ Wer sich beim Sport nur
an Zeiten, Pulsfrequenzen und Kilome-
tern orientiert, überträgt die Leistungs-
anforderungen im Beruf auf die Freizeit
und sabotiert auf diese Weise Wohlbe-
finden, Erholung und Genuss. „Wer
beim Sport vor allem Leistung und nicht
das Wohlbefinden in den Vordergrund
stellt, kann Bewegung nicht zur Rege-
neration nutzen. Übertriebene körper-
liche Aktivität, die die eigenen Leis-
Durch Bewegung bauen wir Spannungen ab. tungsgrenzen nicht berücksichtigt,
wirkt sogar eher kontraproduktiv“, sagt
Doch viele überfordern sich beim Freizeitsport der Sportmediziner.
Dabei gebe es nichts Besseres als wohl-
dosierte körperliche Aktivität, um nach
der Arbeit oder im Urlaub Stress abzu-
Untersuchungen. Besonders deutlich Die meisten Menschen hätten jedoch bauen, den Kopf freizubekommen und
konnte nachgewiesen werden, wie wich- völlig falsche Vorstellungen von körper- in einen entspannten Modus zu finden.
tig Sport für Regeneration im Urlaub licher Aktivität und zu wenig Wissen, „Im Alltag gehen wir oft mit einem ho-
und in der Freizeit ist. Binnewies führt welche Bewegungsdosis zu ihnen passt hen Adrenalinspiegel aus dem Büro,
das auf den Mastery-Effekt zurück, das und heilsam wirkt. „Leider betreiben kaufen unterwegs noch schnell ein, ste-
gute Gefühl, etwas bewältigt zu haben. die meisten Sport nur deswegen, weil hen im Stau und kommen entsprechend
Eine Joggingrunde um den See, eine ihr Kopf es ihnen befiehlt.“ Eine rein geladen zu Hause an.“ Dann gibt es
Fahrradtour in die benachbarte Klein- kopfgesteuerte sportliche Aktivität brin- nichts Besseres, als die Turnschuhe an-
stadt, ein Aufstieg auf den Berg, den man ge jedoch in der Regel Überforderungs- zuziehen und eine Runde durch den
vom Balkon der Ferienwohnung aus und Frusterlebnisse. Das Ergebnis ist auf Park zu laufen, zur Lieblingsmusik zu
sieht. Der Sportmediziner Ingo Frobö- lange Sicht, dass man die Lust verliert tanzen, einen flotten Spaziergang zu
se, Professor für Prävention und Reha- und lieber auf der Couch liegenbleibt, machen, zum Tischtennistraining oder
bilitation an der Deutschen Sporthoch- als die Laufschuhe anzuziehen und eine zum Yoga zu gehen oder was auch im-
schule Köln, ist davon überzeugt, dass Runde durch den Park zu drehen. Um mer einem Spaß macht.
Sport noch aus anderen Gründen zen- dauerhaft Freude an Bewegung zu ha- Optimal ist, wenn die Laufschuhe
tral für die Regenerationsfähigkeit ist. ben, müsse man das Prinzip der subjek- immer griffbereit vor der Tür stehen
„Durch Bewegung bauen wir Spannun- tiven Unterforderung berücksichtigen. oder die Sporttasche schon gepackt ist.
gen ab, verbrauchen die Adrenaline, die „Subjekte Unterforderung heißt: Wow, „Bewegung lebt von Ritualen. Ich darf
der Körper in Stresssituationen aus- war das schön, das mache ich morgen nicht mehr darüber nachdenken“, sagt
schüttet, und bringen so unsere Hor- wieder“ erklärt Froböse. „Körperliche Froböse. „Rituale sind entlastend und
mone wieder in Balance. Durch körper- Aktivität wirkt nur dann regenerierend sorgen dafür, dass wir in den Genuss
liche Aktivität normalisieren wir unse- und entspannend, wenn wir danach der Regeneration kommen. Das bedeu-
re Homöostase und schaffen so erst die nicht vollkommen erledigt aufs Sofa fal- tet aber noch nicht, dass wir uns erho-
Voraussetzung für Entspannung.“ len, sondern aufhören, solange wir gu- len.“ Regeneration und Erholung sind

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
26 Titel

Nicht alle Erholungswünsche auf die Ferien projizieren!


Lieber im Alltag für ein Gleichgewicht aus Anforderung und Entspannung sorgen

in der Sportmedizin unterschiedliche schung noch stimmt. Auch die Arbeits- gehen über ihre Grenzen und beuten sich
Qualitäten. „Regeneration ist, wenn ich psychologin Carmen Binnewies kon- selbst aus. Wer hingegen sagt, ich bin
abends nach Hause gehe und am nächs- zentriert sich in ihrer Forschungsarbeit ein Mensch, der genießen kann, daraus
ten Morgen den Ursprungszustand wie- auf Erholung im Alltag. Aktuell gilt ihr schöpfe ich meine Selbstbestimmung
derhergestellt und die verbrauchten Res- besonderes Interesse der Frage, wie Ab- und meinen Selbstwert, kann sich bes-
sourcen wieder kompensiert habe“, er- schalten vom Job gelingen kann. „Viele, ser abgrenzen.“
klärt Froböse. Erholung hingegen be- die wir befragt haben, berichten, dass Die beste persönliche Prävention nüt-
deute, einen Zustand zu erreichen, der es ihnen im Urlaub und in ihrer Freizeit ze jedoch nichts, wenn das berufliche
deutlich über dem normalen Leistungs- schwerfällt, belastende Gedanken an die Umfeld zu belastend sei. Michael Stark
niveau liegt. Arbeit abzuschütteln.“ Das liege auch sieht auch die Unternehmen in der
Diese Unterscheidung, die im Sport daran, dass Arbeit sich durch Smart- Pflicht. Wenn Mitarbeiter am Wochen-
sehr ernst genommen wird, sei auch für phones und Heimarbeit immer mehr ende und im Urlaub mit Anrufen, An-
den Umgang mit Urlaub und Freizeit entgrenze. fragen und Aufträgen per Mail belästigt
wichtig. „Leider scheitern viele schon an Binnewies setzt auf Selbstmanage- werden, müsse man sich über die stei-
der Regeneration, weil sie viel zu wenig ment. „Man kann sich disziplinieren gende Anzahl psychischer Erkrankun-
Pausen machen oder die Pausen nicht und die klare Entscheidung treffen, zu gen nicht wundern. Er hat jedoch den
zum Auftanken nutzen. Wer in der Mit- Hause grundsätzlich nicht zu arbeiten Eindruck, dass Mitarbeiter in den Per-
tagspause mit den Kollegen essen geht oder nur zu begrenzten Zeiten in einem sonalabteilungen vieler Firmen inzwi-
und dabei ununterbrochen über die Ar- klar abgegrenzten Bereich. Also keine schen umdenken. „Unternehmen reali-
beit redet, baut keine Ressourcen auf, Mails auf dem Sofa checken und keine sieren allmählich, wie kostspielig es ist,
sondern ab und ist danach weder er- Ordner auf dem Küchentisch bearbei- wenn sie ihre gut ausgebildeten Mitar-
frischt noch entspannt.“ Wer freitags ten, sonst durchdringt die Arbeit das beiter durch Krankheit verlieren“, be-
nicht auf dem Zahnfleisch nach Hause gesamte Privatleben.“ Noch besser funk- obachtet der Facharzt für Psychiatrie
kriechen wolle, müsse diszipliniert Pau- tionieren nach ihrer Erfahrung heilige und Psychotherapie. Wenn er Vorträge
sen einhalten und sie so verbringen, dass Erholungs- und Auszeiten. „Wichtig ist, für Unternehmen hält, spricht er be-
er die verbrauchte Energie wiederge- dass man Kollegen mitteilt, wann man wusst drastisch von Wartungsinterval-
winnt und sich danach erfrischt und beruflich erreichbar ist und wann nicht, len. „Ich sage ganz brutal: Jede Maschi-
aufgeladen fühlt. Das Wochenende und und sich auch daran hält.“ Sie rät, Er- ne hat ein Wartungsintervall. Von Men-
der Urlaub sollten der Erholung dienen. holungspausen im Voraus zu planen und schen wird angenommen, sie bräuchten
Aus Sicht des Sportmediziners ist Ur- in den Kalender einzutragen wie einen das nicht. Das ist ein großer Irrtum. Der
laub wichtig, um Abstand zu gewinnen, beruflichen Termin. Dass die innere Urlaub ist ein kleiner Teil des Wartungs-
Ermüdung entgegenzuwirken und ge- Einstellung entscheidend ist, glaubt auch intervalls, das wir genauso dringend
nuss- und leistungsfähig zu bleiben. der Arzt und Psychologe Michael Stark. brauchen wie ein freies Wochenende
Man solle jedoch nicht den Fehler ma- Um dauerhaft in einem guten Gleich- und einen Feierabend, der den Namen
chen, alle Erholungswünsche auf die gewicht zu leben, sei es wichtig, aus dem verdient.“
wenigen Urlaubswochen zu projizieren. selbstausbeutenden Modus auszusteigen Der letzte Abschnitt ist geschrieben.
Viel wichtiger sei, im Alltag für ein gu- und Selbstfürsorge zu lernen. „Viele ver- Die Augen sind müde, der Kopf raucht,
tes Gleichgewicht aus Anforderung, Ent- knüpfen ihren Selbstwert ausschließlich die Beine wollen sich bewegen. Die War-
spannung und Bewegung zu sorgen und mit Leistung. Dadurch werden sie leicht tungslampe blinkt. Die Autorin dieser
regelmäßig zu überprüfen, ob die Mi- zum Opfer des ökonomischen Drucks, Zeilen ist dann mal weg.

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28 Titel

Lob des Stubenhockens


Warum in Urlaub fahren? Warum die wertvolle freie Zeit mit Aktivitäten füllen?
Öfter mal nichts tun ist eine wirksame Waffe gegen die Erschöpfung

■ Ursula Nuber

Z
eit ist ein wertvolles Gut. Wir
haben permanent zu wenig da-
von. Weshalb wir alles unter-
nehmen, um möglichst viel in den Tag
hineinzupacken. Am Ende, so hoffen
wir, bleibt dann noch etwas Zeit für uns
selbst. Für die wohlverdiente Erholung.
Die Work-Life-Balance muss schließlich
stimmen. Doch leider tut sie das immer
weniger. Wie der Stressreport Deutsch-
land 2012 der Bundesanstalt für Arbeits-
schutz und Arbeitsmedizin zeigt, sind
die Krankheitstage aufgrund des Burn-
outsyndroms innerhalb von acht Jahren
um das 18-Fache gestiegen. Das ist nur
die Spitze des Eisbergs, denn die Men-
schen, die sich nicht krankschreiben
lassen, sich aber tagtäglich energielos,
erschöpft, müde und überfordert füh-
len, werden nicht erfasst. Die Gründe
für die um sich greifende Mattigkeit sind
vielfältig und klar belegt: Multitasking,
Termin- und Leistungsdruck, ständig
derselbe Trott, zu wenig Pausen. Die
Erschöpfung ist allgegenwärtig, fast je-
der kennt sie. „Wer ‚Erschöpfung‘ sagt,
erhält sogleich ein Echo, es bedarf keiner
weiteren Erklärung, jeder weiß offenbar
sofort, was gemeint ist, jeder kann eige- Wochenende und Urlaubszeiten gel- liegt zum einen an dem, was die meisten
ne Erfahrungen und Erlebnisse einbrin- ten den Erschöpften als rettende Inseln. Menschen zu ihrer Erholung tun. Und
gen. Die Betroffenheit ist allgemein, Dann endlich kann man loslassen, ent- es liegt vor allem daran, dass sich Ar-
denn erschöpft ist irgendwie jeder oder spannen, Kraft schöpfen. Manchmal beitszeit und Freizeit wie zwei feindliche
doch zumindest ermüdet und in der gelingt das auch. Aber doch eher selten. Blöcke gegenüberstehen. Entweder oder.
Krise“, schreibt Wolfgang Martynkewi- Wahrscheinlicher als die Erholung ist Beides geht nicht. Oder doch?
cz in seinem Buch Das Zeitalter der Er- die Enttäuschung. Die Batterie, kaum Erschöpfung signalisiert: Eine Pause
schöpfung (Aufbau-Verlag, Berlin 2013). aufgeladen, ist schnell wieder leer. Das wäre angebracht. In der Regel kommt
Titel 29
Die weltweit
erste Biografie!
dieses Signal ungelegen, die meisten Idee klingt in unseren Ohren, die wir ja
Menschen ignorieren es und hören nicht Reiseweltmeister sind, skurril: Statt in
die Botschaft, „die zum Nicht-Tun ins- Urlaub zu fahren, so Löffler, sollen wir
piriert“, meint Byung-Chul Han, Pro- Stubenhocker werden und eine „Liebes-
fessor für Philosophie und Kulturwis- beziehung mit unserem Sofa“ beginnen.
senschaft an der Universität der Künste Was zunächst nach Verweigerungshal-
Berlin, in seinem Buch Müdigkeitsgesell- tung und ungesundem Rückzug klingt,
schaft (Matthes & Seitz, Berlin 2010). hat bei näherem Hinsehen seinen Reiz.
Das „Nicht-Tun“ wird verschoben, auf Aus eigener Erfahrung weiß wohl jeder,
freie Zeiten vertagt, was nicht bedeutet, dass stimmt, was der Autor schreibt:
dass dann – endlich – die Hände in den „Reisen und die andauernde Jagd nach
Schoß gelegt werden. Es wird nur etwas Wellness kann ziemlich erschöpfend
anderes getan. „Die meisten Menschen sein.“ Zudem hält Löffler es überhaupt
versuchen in ihren hektischen, überbor- nicht für gesichert, dass der Urlaub das
denden Alltag zwischen die normalen bringt, was man sich von ihm verspricht:
Geschäftstermine noch zusätzliche Ver- Erholung. Die ist allenfalls kurzfristig.
pflichtungen wie Sport oder Geselligkeit Kommt man danach wieder nach Hau-
einzubauen, denen sie dann hinterher- se, stellt man fest: „Alles beim Alten. Sie
hetzen müssen, weil sie den Überblick haben immer noch den gleichen Beruf,
verlieren und angesichts ihres übervol- die gleichen Nachbarn, die gleichen Le-
len Kalenders in Stress geraten“, stellt bensumstände. Was Sie vor dem Urlaub Andrea Köhler-Ludescher
der Literatur- und Medienwissenschaft- genervt hat, nervt Sie immer noch.“ Für Paul Watzlawick – die Biografie
Die Entdeckung des gegenwärtigen
ler Falko Löffler fest. Falko Löffler gibt es nur eine radikale
Augenblicks
Soll die ganz normale Erschöpfung Konsequenz: „Werden Sie Stubenho-
nicht zum totalen Ausbrennen führen, cker.“ Das hat Vorteile: „Sie brauchen 2014. 320 Seiten,
braucht es die ganz unspektakulären, nicht ans andere Ende der Welt jetten, gebunden mit Schutzumschlag
etwa € 29.95 / CHF 39.90
aber regelmäßigen Zeiten des Nicht- um die Seele baumeln zu lassen“, das ISBN 978-3-456-85412-0
Tuns. Selbst Sisyphus hatte, wenn der geht auch zu Hause. Und zu Hause kann auch als E-Book erhältlich
Fels mal wieder nach unten gerollt war, man sich darum kümmern, sein Leben
beim Abstieg vom Berg ausreichend Mu- in den Griff zu bekommen, „anstatt da-
ße zum Nachdenken, zum Kraftschöp- vor zu fliehen“. Die faszinierende Biografie
fen, zum Nichtstun. Solche „Vom-Berg- Auch wenn dieser Vorschlag wohl des großen Kommunikations-
heruntergehen-Phasen“ existieren auch nicht für jeden attraktiv ist – die Idee
wissenschaftlers und Weg-
im noch so hektischen modernen Alltag. des „Stubenhockens“ hat ihren Charme.
Man muss sie nur wahrnehmen. Da gibt Sie bringt gut zum Ausdruck, wie wich- bereiters der systemischen
es zum Beispiel die Zeitlöcher zwischen tig das „Nicht-Tun“ für die Erholung ist. Therapie – mit vielen un-
den Tätigkeiten. Nutzen wir sie, können Die kleine Anleitung des Stubenhockens veröffentlichten Texten und
wir uns einen regelrechten „Pausen- von Falko Löffler hat durchaus Verfüh- Bildern! Die Autorin lässt Paul
wohlstand“ anlegen, wie der Zeitfor- rungspotenzial: „Setzen Sie sich einfach Watzlawick als Mensch und als
scher Karlheinz A. Geißler es nennt. hin. Ganz still. Schließen Sie die Augen.
überragenden Denker des
Dazu gehört die kurze Wartezeit an der Sie haben einen leeren Kalender und
roten Ampel oder in der langen Schlan- keinerlei Verpflichtungen. Niemand 20. Jahrhunderts mit spiritu-
ge an der Supermarktkasse, dazu gehört verlangt Ihre Anwesenheit. Nichts muss eller Prägung greifbar werden.
auch ein Wochenende ohne Termine, erledigt werden. Sie leben in dem Mo-
dazu gehört das scheinbar untätige Still- ment und horchen in sich hinein, wo-
sitzen und Aus-dem-Fenster-Schauen. nach Ihnen der Sinn steht. Und Sie wun-
Eine ganz ungewöhnliche Form des dern sich, warum andere so verzweifelt
Nicht-Tuns schlägt Falko Löffler in sei- ihr Leben entschleunigen wollen und es
nem Buch Bin ich blöd und fahr in Ur- nicht hinbekommen – für Sie das Leich-
www.verlag-hanshuber.com
laub? Zuhausebleiben ist der beste Trip teste, was es gibt.“ PH
(Goldmann, München 2014) vor. Seine

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
30

Auch eingebildete Gefahren


können krank machen
Radioaktivität, Luftschadstoffe, belastete Lebensmittel, elektromagnetische
Felder: Die Welt um uns ist voller potenzieller Gefahren. „Umweltkrankheiten“
häufen sich. Schmerzen, Ausschlag, Konzentrationsstörungen: Die Beschwerden
sind real – doch bisweilen ist nicht die Umwelt der Verursacher, sondern die
eigene Erwartungshaltung
■ Christoph Augner
Umweltängste 31

E
ine Dame mittleren Alters geht Dermatozoenwahn ist ein spektaku- „Tatsächlich werden während der
zu ihrem Hausarzt. Sie berichtet läres, aber glücklicherweise seltenes Scheinexposition häufig die gleichen
ihm von kleinen Maden, die sie Symptom. Doch auch bei weniger bi- Symptome geschildert wie während ei-
aus ihrer Haut gezogen hat und zeigt zarren Beschwerden haben Umweltfak- ner tatsächlichen Exposition“, berichtet
eine eigenartige Sammlung winziger toren als Erklärung bei Medien und Pa- Michael Witthöft von der Universität
Partikel, aufbewahrt in einer Dose. Aus tienten Konjunktur. Die neuen Umwelt- Mainz. So war es auch bei einem Expe-
Sicht der Patientin der Beweis: Parasi- syndrome tragen Namen wie multiple riment seiner Forschungsgruppe zur
tenbefall. Der Arzt schickt die Probe ans chemische Sensitivität, sick building syn- Elektrosensitivität. Mehr als die Hälfte
Labor. Ergebnis: Das Lichtmikroskop drome oder Elektrosensitivität. der Versuchsteilnehmer, die glaubten,
zeigt kleinste Lebensmittelreste. Das einem WLAN-Signal ausgesetzt zu sein,
serologische Ergebnis ist negativ. Im Aus Angst in den Wohnwagen entwickelten daraufhin Symptome wie
ärztlichen Gespräch mit den Befunden Gerade bei der Elektrosensitivität gibt es Kopfschmerzen, Konzentrationsstörun-
konfrontiert, reagiert die Patientin aber eine Menge seltsamer Geschichten. Da gen oder Kribbelempfindungen – selbst
ganz anders als erwartet: Sie beschuldigt ist der junge Mann, der es vorzieht, auf wenn gar kein Funknetz existierte (sie-
den Mediziner, die Proben manipuliert möglichst abgelegenen Plätzen im Wohn- he Heft 9/2013).
zu haben oder inkompetent zu sein. Sie wagen zu leben, nur um den beinah über-
verlässt die Praxis und kommt nie wie- all vorhandenen Funknetzen zu entkom- Der Noceboeffekt:
der. So oder ähnlich beginnen die Kran- men. Oder das Ehepaar, das nach der „Das wird mir schaden!“
kengeschichten von Patienten, die an Errichtung eines Senders auf der gegen- Doch wenn eine physikalische Erklärung
Parasiten- oder Dermatozoenwahn lei- überliegenden Straßenseite nachts nicht unwahrscheinlich ist – worauf sind die
den. mehr schlafen kann, Hautausschläge Beschwerden dann zurückzuführen? Für
„Diese Menschen gehen fälschlicher- entwickelt und letztlich sogar das Ein- Witthöft ist eine wesentliche Grundlage
weise davon aus, dass sie von Parasiten, familienhaus aufgibt, in dem die beiden der Noceboeffekt, also eine Art Umkeh-
Bakterien oder Ungeziefer befallen dreißig Jahre lang gelebt haben. Und da rung des Placeboeffekts. Treibende Kraft
sind“, beschreibt die Biologin Ilse Jekel ist die Rede von Menschen, die ihre Sym- ist in beiden Fällen die Erwartungshal-
vom Universitätsklinikum Salzburg die- ptome auf einen neuen Mobilfunksender tung des Patienten. Ein Placebo wirkt,
se leider schwer zu behandelnde Psycho- in der Nachbarschaft zurückführten – indem es eine Heilungserwartung weckt,
se. Medienberichte über die sogenann- und später stellte sich heraus, dass dieser ein Nocebo hingegen schadet, weil von
te Morgellonen-Erkrankung haben dem noch gar nicht in Betrieb war. ihm aus Sicht des Patienten ein Gefähr-
Parasitenwahn Nahrung gegeben. Mor- Im Gegensatz zu den Betroffenen ge- dungs- und Bedrohungsgefühl ausgeht.
gellonen sollen als Fasern aus der Haut hen viele Wissenschaftler davon aus, Ein zentraler Mechanismus scheint
wachsen und durch Umweltgifte verur- dass bei der Elektrosensitivität und an- dabei die klassische Konditionierung zu
sacht sein. deren Umweltkrankheiten psychische sein. Beim pawlowschen Hund wurde
Die vermeintlichen Folgeschäden rei- Mechanismen eine wichtige Rolle spie- durch wiederholte gleichzeitige Gabe
chen bis hin zu kognitiven und emoti- len. Schätzungen zufolge ist bei mehr von Futter und einem akustischen Sig-
onalen Defiziten. Wissenschaftlich ge- als 90 Prozent der Patienten von Um- nal (einer Glocke) ein Lernprozess aus-
sehen ist das nicht haltbar: „Die Labor- weltambulanzen kein oder fast kein gelöst: Irgendwann reichte das akusti-
befunde sind in diesen Fällen wiederholt Kausalzusammenhang zwischen ihren sche Signal, um bei dem Hund Speichel-
negativ. Die Patienten lassen sich aber Symptomen und dem jeweiligen Um- fluss auszulösen, obwohl es gar kein
von dieser Idee nicht abbringen“, sagt weltfaktor vorhanden. Überprüft wird Futter gab. Im Falle von Umweltrisiken
Jekel. dieser Zusammenhang in „verblindeten funktioniert die klassische Konditionie-
Es gab Fälle, in denen die Betroffenen Dosis-Wirkung-Versuchen“. Das heißt: rung in etwa so: Gefahr erzeugt Angst.
ihr ganzes Haus mit Wasser geflutet ha- Der Patient wird dem vermeintlichen Ob und welche Gefahren von Technik
ben – aus Angst vor dem Parasitenbefall. Schadstoff entweder tatsächlich, und und Umwelt ausgehen, ist nun aber für
Oft wechseln die Patienten den Arzt, zwar in unterschiedlicher Dosis, oder den Laien schwer einzuschätzen. Wer-
schicken ihre Proben an verschiedenste nur zum Schein ausgesetzt. Der Ver- den wir von Experten und Medien davon
Institute und Spezialisten. Aber die suchsteilnehmer weiß jedoch nicht, ob überzeugt, dass Mobilfunksender
Überzeugung ist so stark, dass sie auch und in welcher Dosis er mit dem „Übel- schädlich sind, dann gewinnen diese
durch negative Laborbefunde nicht ver- täter“ in Kontakt gekommen ist. Die Geräte Signalcharakter: Ihre Gegenwart
ändert werden kann. Zurück bleibt ein Forscher schauen dann nach, ob und wie löst eine Angstreaktion aus – so ähnlich
unbehandelter und unverstandener Pa- stark die Symptome auch während der wie Pawlows Glocke den Speichelreflex
tient. „Scheinexposition“ auftreten. seiner Hunde.

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32 Umweltängste

Angst wiederum löst Symptome aus.


Luana Colloca und Franklin G. Miller
von den National Institutes of Health in
Bethesda, USA berichten in einer 2011
erschienenen Übersichtsarbeit, dass bei
Angst der in der Darmschleimhaut ge-
bildete Botenstoff Cholecystokinin aus-
geschüttet wird, der im Gehirn eine
Schmerzreaktion bewirkt. Auch einma-
lige Informationen über bevorstehende
Schmerzen können langanhaltende
Wirkungen entfalten. Eine dieser beob-
achteten Wirkungen war eine gesteiger-
te Betriebsamkeit im Inselkortex, einer
Gehirnstruktur, die an der emotionalen
Bewertung von Schmerzen beteiligt ist.
Die Übererregung dieser Hirnregion
hielt acht bis neunzig Tage an.

Gefährliche Informationen
Informationen über reale oder fiktive
Gesundheitsgefahren werden über die
Medien verbreitet. „Studienergebnisse Mit der Kommunikation von Risiken Boden fallen, um ihre Nocebowirkung
legen nahe, dass Medien – neben ande- in den Medien beschäftigt sich auch der zu entfalten. Manche Menschen sind für
ren Faktoren – einen bedeutsamen Ein- englische Soziologe Adam Burgess von diese Art der Beeinflussung und ihre
fluss auf die Elektrosensitivität haben“, der University of Kent, der in seinem Gesundheitsfolgen empfänglicher als
sagt Michael Witthöft. Als eine Art Mo- Buch Cellular Phones, Public Fears, and andere. Schon 1998 präsentierten die
dellfall für die Folgen einer hysterischen a Culture of Precaution die Kommuni- Psychologen Uwe Harlacher und Jo-
Berichterstattung gilt die sogenannte kation potenzieller Risiken durch den achim Schahn ein Modell zur Erklärung
Arjenyattah-Epidemie im Jahr 1983. Ein Mobilfunk in England analysierte. „Die von Elektrosensitivität, das auch auf an-
junges Mädchen im Westjordanland Journalisten glaubten in den 1990er Jah- dere Umweltsyndrome anwendbar ist:
klagte nach dem Besuch der Schultoi- ren, der Mobilfunk sei das zweite Rau- Physische Faktoren, organische Krank-
lette über Übelkeit – angeblich roch es chen. Und jeder wollte der Erste sein, heiten, psychosozialer Stress und Per-
dort nach Schwefelwasserstoff. Nach- der darauf hinweist“, so Burgess. Die sönlichkeitsfaktoren führen zu Primär-
dem sich das Gerücht herumgesprochen englischen Medien führten in dieser Zeit symptomen, die von Ärzten und ande-
hatte und die Gesundheitsbehörden von Kampagnen gegen das mobile Telefo- ren Experten nicht zufriedenstellend
einem Giftgasanschlag ausgingen, ver- nieren. Jedes Problem, das eventuell erklärt werden können.
breiteten auch die Medien diese Infor- durch Mobiltelefonieren verursacht Danach entwickelt der Patient seine
mationen über Wochen. Am Ende gab worden sein könnte, wurde genüsslich eigene Theorie, es entsteht ein „Elek-
es fast 1000 Erkrankte, viele davon wur- ausgeschlachtet. Aufgrund des voran- trosensitivitätsverdacht“. Dieser wird
den im Krankenhaus behandelt. Die gegangenen BSE-Skandals hatte es die durch Selbsttests immer wieder bestä-
Epidemie endete so abrupt, wie sie ge- Presse mit einer defensiven und vorsich- tigt, da unbewusst eine Verifikations-
kommen war: Es konnten keine Gift- tigen Politik zu tun. „Der sogenannte strategie gewählt wird: Der Betroffene
gasspuren oder andere Schadstoffe ge- Vorsorgeansatz wurde damals modern: achtet auf potenzielle Quellen von elek-
funden werden. Ein ähnlicher Fall er- Das heißt, jedes noch so kleine poten- tromagnetischen Feldern. Wird er fün-
eignete sich 1998 in den USA: Angebli- zielle Risiko muss ausgeschaltet werden. dig, so stellt er fest, dass auch seine Sym-
cher Gasgeruch in einer Schule führte Das beginnt beim Mobilfunk und geht ptome sich verschlimmert haben. Ist er
zu zwei Evakuierungen, über 100 Kran- weiter über Pestizide in der Landwirt- hingegen einmal nicht im Wirkungsbe-
kenhausaufnahmen und extensiver Me- schaft bis hin zur Nutzung der Gentech- reich der vermeintlichen Gefahrenquel-
dienberichterstattung. Verschiedene Be- nik“, meint Burgess. le, so kommt er erst gar nicht auf den
hörden untersuchten die Schule und Informationen über Umweltgefahren Gedanken, zu überprüfen, ob seine
fanden – nichts. müssen aber auch auf einen fruchtbaren Symptome nun zurückgegangen sind,
Umweltängste 33

„Elektrosensitivität“ als selbsterfüllende Prophezeiung: Sobald die Symptome


sich melden, suchen die Betroffenen nach einer Gefahrenquelle – und werden immer fündig

denn in diesem Moment ist das Thema tion, bis er erfuhr, dass er zur Placebo- hingegen in den meisten Fällen eine The-
nicht im Fokus seiner Aufmerksamkeit. gruppe gehört und folglich keinerlei rapie mit antipsychotischen Medika-
So entsteht eine Überzeugung, die sich Wirkstoff erhalten hatte. menten unerlässlich.
ständig selbst bestärkt. Das Beispiel zeigt: Die Symptome bei Natürlich beruht nicht jede Umwelt-
Im Laufe der letzten 15 Jahre wurden Umweltsyndromen sind überaus real angst auf Einbildung. Wir leben in einer
diese Vermutungen über die psychi- und bisweilen drastisch. Nur die Ursa- Welt voller Technik, die unser Leben
schen Mechanismen hinter den Symp- chenzuschreibung ist häufig unzutref- erleichtert, aber auch Gefahren birgt.
tomen immer wieder auch empirisch fend. Entsprechend schwierig gestaltet Die Grenze zwischen berechtigter Vor-
bestätigt. James Rubin und seine Kolle- sich die Behandlung, und es bringt die sicht und übertriebener Ängstlichkeit
gen vom King’s College in London er- Therapeuten in ein ethisches Dilemma: ist da fließend. Wie sollen wir abwägen,
mittelten in einer Studie, dass „Elek- Einerseits führt die Konfrontation des was nun ein echtes und was ein einge-
trosensitive“ in beinahe allen untersuch- Patienten mit möglichen psychischen bildetes oder überbewertetes Risiko ist?
ten Gesundheitsparametern schlechte- Ursachen nicht selten zum Abbruch der Mithilfe der Vernunft, meint der Sozio-
re Werte aufwiesen. Gegenüber einer Arzt-Patient-Beziehung, andererseits loge Adam Burgess: „Wir leben nicht in
Vergleichsgruppe zeigten sie neben ver- wäre es unethisch und aus therapeuti- einer idealen Welt, es gibt kein Nullri-
minderter körperlicher Gesundheit scher Sicht kontraproduktiv, einfach die siko. Wir sollten die Menschen ermuti-
auch höhere Depressivität und größere Annahmen des Patienten zu überneh- gen, in rationalen Alternativen zu den-
Besorgnis gegenüber anderen Umwelt- men. Unter diesen Voraussetzungen ei- ken und sich nicht von ihren Ängsten
gefahren. Auch Michael Witthöft von ne Vertrauensbasis zum Patienten auf- steuern zu lassen oder die Verantwor-
der Universität Mainz hält erhöhte zubauen und sich auf die Symptomatik tung einfach auf Experten abzuschie-
Furcht für einen wesentlichen Faktor zu konzentrieren ist eine schwierige Auf- ben.“ PH
beim Entstehen von Umweltsyndromen. gabe. Viele Therapeuten tendieren dazu,
„Bei ängstlichen Personen, die mögli- dem Patienten beweisen zu wollen, dass Dr. Christoph Augner ist Medizin- und Wirt-
schaftspsychologe und Gründer des Internetblogs
cherweise eine negative Erwartungshal- seine Einstellung falsch ist – leider kei- moments of truth: http://augner.blogspot.co.at/
tung bezüglich der Gesundheitsgefah- ne vertrauensbildende Maßnahme.
ren von alltäglicher elektromagnetischer Doch trotz dieser Schwierigkeiten und
Strahlung haben, können entsprechen- obwohl die Patienten Psychologen und Literatur
de Medienberichte ein Erleben von kör- Psychiater meiden, da sie aus ihrer Sicht
C. Augner, M. Lechner , I. Jekel: Dermatozoenwahn:
perlichen Beschwerden intensivieren“, ja ein organisches Problem haben, sind Psychologische Aspekte für die dermatologische
so Witthöft. Behandlungsansätze, die bei der Psyche Praxis. Aktuelle Dermatologie, 36/12, 2010, 471 bis
ansetzen, am wirkungsvollsten. 473
Die Folgen sind nicht immer harmlos Die kognitive Verhaltenstherapie ist L. Colloca, F. G. Miller: The nocebo effect and its
relevance for clinical practice. Psychosomatic Me-
Dass psychische Mechanismen durch- für James Rubin und seine Kollegen am dicine, 73/7, 2011, 598–603
aus auch schwerwiegende Symptome Londoner King’s College die Methode der
U. Harlacher, J. Schahn: „Elektrosensitivität“ – ein
bewirken können, zeigt folgendes Bei- Wahl. Das Entwickeln von anderen Er- psychologisches Problem? In: E. Kals (Hg.): Umwelt
spiel: Roy Reeves berichtete 2007 von klärungsmustern für die Symptome, die und Gesundheit: Die Verbindung ökologischer und
einem Placeboexperiment, bei dem ei- psychische Bewältigung der Beschwer- gesundheitlicher Ansätze. Beltz PVU, Weinheim
1998
ner der Teilnehmer versuchte, sich mit den und der erfolgreiche Umgang mit
G. J. Rubin , A. J. Cleare, S. Wessely: Psychological
einer „Überdosis“ des vermeintlichen Stress sind nur einige der Bestandteile
factors associated with self-reported sensitivity to
Medikaments das Leben zu nehmen. Er dieser Therapie. Bei psychotischen Sym- mobile phones. Journal of Psychosomatic Research,
lag dann tatsächlich auf der Intensivsta- ptomen wie dem Dermatozoenwahn ist 64, 2008, 1–9

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
34 Statussymbole

Der Geländewagen-Wahn
Warum wir im Straßenverkehr
aufrüsten
Dicke, breite, überdimensionierte
Geländewagen bevölkern unsere Straßen –
egal wie eng und vollgestopft es da mittlerweile zugeht.
Vor fünf Jahren noch hatte es den Anschein, als sei der große
SUV-Boom vorbei, der Ende der neunziger Jahre aus den USA
zu uns herübergeschwappt war. Jetzt zeigt sich: Er fängt erst
richtig an. Was bringt immer mehr Autofahrer dazu, sich so
eine Riesenkarosse zuzulegen?
■ Martin Hecht

E
s ist wie bei den Dinosauriern – Straßenverkehr, über Statusbedürfnisse, trem schadstoffarme Wagen im Sorti-
immer dicker, immer höher, über unsere Gesellschaft? ment, da sich die EU-Grenzwert-Richt-
immer breiter: Nach einer Pro- linie auf die gesamte Produktpalette an
gnose der Universität Duisburg-Essen Erhöhte innere Sicherheit, Fahrzeugen bezieht, die ein Autoherstel-
könnten 2015 schon 22 Prozent aller abnehmende äußere Sicherheit ler anbietet. Experten sagen, diese so-
neuzugelassenen Pkw in Deutschland Ökologisch ist das SUV-Syndrom ein genannten super credits hätten nur noch
SUVs sein, Sport Utility Vehicles, also Paradox. Die dicken Dinger sind Dreck- eine Feigenblattfunktion für das um-
sogenannte „Sportnutzfahrzeuge“. 2020 schleudern mit einer verheerenden weltfreundliche Image vieler Autokon-
soll die Zahl auf ein Drittel anwachsen. Energiebilanz. Sie verbrauchen sehr viel zerne, weil sie die Gesamtbilanz drücken
Doch wird es bald nicht nur immer mehr Kraftstoff, blasen, wie etwa der BMW und es den Herstellern erst ermöglichen,
SUVs oder Geländewagen geben – auch X5, bis zu 325 Gramm Kohlendioxid pro der großen Nachfrage an den umwelt-
der Trend beim Normalauto geht zu Kilometer in die Luft – und das ausge- feindlichen Großraumwagen gerecht zu
immer dicker, immer breiter, immer rechnet in Zeiten, in denen der peak oil werden.
bulliger. Inzwischen gibt es auch die längst überschritten ist, das Benzin Genauso paradox ist die Erscheinung,
normalen Autos in XXL. Ein Beispiel: knapp wird und schadstoffarme Autos wenn es um die Verkehrssicherheit geht.
Der Opel Mokka, ein sogenannter Mini- das Gebot der Vernunft sind. Die Euro- Alles redet über mehr Sicherheit – mit
SUV, seit kurzem auf dem Markt, hat päische Union hat daher längst alle Au- immer mehr Geländewagen erhöht sich
bereits knapp 180 000 Vorbestellungen – tohersteller verpflichtet, gewisse CO2- jedoch insgesamt die Gefahr im Stra-
und fast jeder andere Automobilbauer Grenzwerte einzuhalten – und die haben ßenverkehr: für alle anderen Verkehrs-
hat heute Fahrzeuge im Sortiment, die reagiert: Um dennoch die begehrten teilnehmer. Zwar ist die individuelle
wie aufgepumpt daherkommen. Was SUV-Klimakiller produzieren zu kön- Sicherheit für Insassen eines Gelände-
sagt der SUV-Boom aus über unseren nen, führen Autobauer immer auch ex- wagens und SUVs höher als in einem
Statussymbole 35

Normal-Pkw, für dessen Insassen jedoch diesem Fazit sind in den letzten Jahren wegen kann. Genau das wird umge-
wächst die Gefahr für Leib und Leben verschiedene Forschungsinstitute ge- kehrt.“ Eine andere Stresssituation auf
mit jedem neu zugelassenen dicken kommen, zuletzt eine Umfrage der deutschen Autobahnen, die in den letz-
Fahrzeug. SUVs oder Geländewagen IMAS-Marktforschung, die gezeigt hat, ten Jahren immer öfter wiederkehrt, er-
wiegen oft über zwei Tonnen, sie sind dass sich heute fast doppelt so viele Au- läutert Michael Hess von der „Gesell-
so stabil gebaut, dass sie bei einem Zu- tofahrer auf überfüllten Straßen einfach schaft für Weiterbildung und Medien-
sammenstoß verheerende Unfallfolgen „durchschlängeln“ als noch vor 20 Jah- konzeption (GWM)“, einer Tochterfir-
für normale Pkw haben. In Crashtest- ren. Zwei andere Szenarien, die jeder ma des Deutschen Verkehrssicherheits-
Filmen sieht man immer wieder, mit kennt, zeigen ebenfalls eindrücklich, rates, die Weiterbildungen zum Thema
welcher Brutalität ein SUV beim Fron- dass immer mehr Aggression auf deut- „Verbesserung der Verkehrssicherheit“
talzusammenstoß einen normalen schen Straßen unterwegs ist. Beispiel konzipiert. Er betont, dass die Differenz-
Kleinwagen regelrecht aufspießt. Die Autobahnauffahrt. Der Verkehrspsy- geschwindigkeit zwischen einem auf der
Überlebenschancen für die Insassen ei- chologe Gerhard Bliersbach beschreibt Überholspur heranfliegenden und ei-
I L L U S T R AT I O N E N : S T E FA N M AT U S S E K

nes normalen Autos sind dabei minimal. eine gängig gewordene Fahrpraxis: nem mit 120 km/h rechts fahrenden Pkw
Wer dagegen im Geländewagen sitzt, ist „Ganz typisch ist mittlerweile die Pha- mittlerweile immens ist. „Man sieht oft
bei den Siegern, wenn’s kracht. se des Sicheinfädelns auf den Autobah- nur einen kleinen Punkt im Rückspiegel,
nen. Man hat drei Autos noch hinter der in Bruchteilen von Sekunden auf-
Aggression und Schutz sich. Die schießen dann buchstäblich zufahren droht. Wenn etwas Unvorher-
Das neue Schutzbedürfnis scheint ver- von der Beschleunigungsspur sofort auf gesehenes geschieht, ist die Reaktions-
ständlich, wenn man in Betracht zieht, die Überholspur der Autobahn. Eigent- zeit, die dieser Schnellfahrer zum Brem-
dass der Verkehr in Deutschland tat- lich sollte der, der vorne in der Schlan- sen oder Ausweichen braucht, oft zu
sächlich immer aggressiver wird. Zu ge ist, der Erste sein, der sich weiterbe- kurz. Noch problematischer wird die

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
36 Statussymbole

richtige Wahrnehmung bei Dunkelheit. Erhebung des Autoportals „auto.de“ ist besonders, weil er ein zentrales Kriteri-
Der Stress und das Gefahrenpotenzial das Argument Statussymbol für fast ein um aller Statusabbildungen erfüllt: die
in solchen Situationen haben sich ext- Drittel aller Fahrer unter 30 Jahren und Wahrnehmbarkeit der angestrebten Di-
rem erhöht.“ noch für etwa sieben Prozent der Fahrer stinktion. Eine Grundregel aller Sta-
Gesteigerte Aggression und gleich- unter 50 Jahren ausschlaggebend. Be- tusabbildungen lautet: Um mein sozia-
zeitig ein erhöhtes Schutzbedürfnis sind rücksichtigt man den naheliegenden les Überlegenheitsgefühl zu demonstrie-
die beiden Urerfahrungen, die immer Umstand, dass es zum „Angeben“ ge- ren, muss das Symbol, das ich dafür
mehr Autokäufer in einen SUV treiben. hört, dass der „Angeber“ selbstverständ- wähle, wahrnehmbar, also für alle sicht-
Der SUV ist die Antwort des modernen lich beim Kauf eines Produkts leugnet, bar sein. Und was gibt es schon Auffäl-
Autofahrers auf eine neue Unübersicht- damit „angeben“ zu wollen, dann be- ligeres als so einen riesengroßen Premi-
lichkeit. Im immer größer werdenden kommt man ein realistischeres Bild. Au- um-Geländewagen?“
Verkehrschaos will man den Überblick tohändler sprechen davon, dass mindes-
behalten, unversehrt bleiben und vor tens für die Hälfte ihrer Käufer die Tat- Stress durch Dichte
allem sich (und auch den eigenen Nach- sache wichtig sei, dass sie sich von ihrem Tatsächlich eignet sich der SUV wie we-
wuchs) gefahrenfrei durch die Höllen- neuen SUV einen nicht unwesentlichen nige andere Lifestyle-Accessoires zum
schlünde unserer Großstädte beför- Statuszuwachs versprechen. Der Ver- Statussymbol. Mit einem Auto, aus dem
dern – unbeschadet und möglichst oh- kehrspsychologe Bernhard Schlag von man nicht mehr aussteigt, sondern he-
ne Feindberührung. der TU Dresden sagt über die Motive, rausklettert, hat man einen „richtigen
die heute zum Kauf der großen Autos Auftritt“. Der SUV ist nicht nur ver-
Wer fährt SUV? führen: „Das Auto ist zumindest für kehrstechnisch, sondern auch psycho-
Es gibt Marktuntersuchungen zum So- Männer nach wie vor als Statussymbol logisch eine weithin sichtbare Erweite-
zialprofil des typischen SUV-Fahrers, ein großes Thema – und der SUV ganz rung der persönlichen Wirkungshülle.
aber die sind nicht sonderlich erhellend.
Nach Daten, die das Marktforschungs-
institut „plus marketing“ erhoben hat,
lässt sich behaupten, dass es sich bei MEHR ALS EINE MODE
SUV-Fahrern eher um Mehr- oder Viel- Das ZEIT-Magazin verblüffte im letzten Jahr mit einer irreführenden Grafik: Entgegen
fahrer handelt. Rund 40 Prozent aller landläufiger Gerüchte gebe es geländegängige Allradwagen tatsächlich dort, wo es
SUV-Besitzer legen im Jahr mehr als gebirgig sei in Deutschland, hieß es da. Man glaubte, so das Klischee der „wohlhabenden
20 000 Kilometer zurück, bei normalen Großstadtmutti“ widerlegen zu können, die mit ihrem SUV die Kinder zur Schule bringt.
Pkw sind es nur rund 20 Prozent. Der Und man schloss voreilig: „Tatsächlich gibt es in Frankfurt am Main und anderen reichen
typische SUV-Fahrer ist mit 47 Jahren Städten nicht auffallend viele SUVs.“ Aber das stimmt nicht. Erstens gibt es auch im
im Durchschnitt ein paar Jahre älter als Flachland und sogar in unseren Großstädten überraschend viele echte Geländewagen.
ein durchschnittlicher Normal-Pkw- Und zweitens hat die ZEIT übersehen, dass Allradautos und SUVs mittlerweile zwei
Fahrer und verfügt über ein deutlich ganz verschiedene Paar Stiefel sind. Zunächst muss man SUVs von Geländewagen un-
höheres Einkommen als der Durch- terscheiden. Das Bundeskraftfahrtamt tut dies seit 2013, was man an der unterschiedli-
schnittsdeutsche. Aus den Zahlen lässt chen Typengenehmigung erkennen kann. Demnach muss ein echter Geländewagen über
sich ablesen: Wer kann, der kauft. Der bestimmte, klar definierte Merkmale verfügen. Die wichtigsten sind Allradantrieb, eine
Geländewagen ist eine gesamtgesell- Bodentiefe unter den Achsen von mindestens 18 Zentimetern und eine eingebaute Dif-
schaftliche Wunschfantasie geworden. ferenzialsperre, um Steigungen von mehr als 30 Grad zu meistern. Von solchen echten
Ein Statussymbol – zu dem alle reflex- Geländewagen gibt es in Deutschland, Bestand November 2013, etwa 1,3 Millionen –
haft greifen, sobald es das eigene Budget auch viele in Düsseldorf-Hubbelrath und Hamburg-Eppendorf. SUVs hingegen haben
erlaubt, schichtenübergreifend. nur einen optischen „Offroadcharakter“, verfügen aber nicht über die Merkmale eines
Zwar betonen Soziologen seit Jahren richtigen Geländewagens. Von ihnen gab es auf deutschen Straßen im November 2013
immer wieder den Bedeutungsrückgang rund eine Million. Im Moment ist ein geringfügiger Rückgang bei „echten“ Geländewa-
des Autos als Statussymbol, und Wis- gen zu erkennen, jedoch ein deutlicher Zuwachs von fünf Prozent bei SUVs.
senschaftler wie etwa Stefan Bratzel von Nach Daten, die vom Marktforschungsinstitut „plus marketing“ erhoben wurden,
der Fachhochschule für Wirtschaft in trifft man SUVs zu über 60 Prozent in Städten mit einer Einwohnerzahl von über 20 000
Bergisch Gladbach sprechen von der an, fast 40 Prozent davon gibt es in Großstädten. Am Klischee ist also doch was dran,
„Entemotionalisierung des Autos“. Aber ziemlich viel sogar. Was sich da beobachten lässt, ist mehr als irgendein Modetrend.
der große Hang zum SUV scheint etwas
ganz anderes nahezulegen. Nach einer
Statussymbole 37

Gesteigerte Aggression und gleichzeitig ein erhöhtes Schutzbedürfnis:


Das sind die beiden Grundmotive für den Kauf eines Straßenpanzers

„Selbstausstülpung“ nennt Ger-


hard Bliersbach diesen Akt der
künstlichen Persönlichkeitser-
weiterung. „Wenn Sie mit Ihrem
Freund zu einem Parkplatz ge-
hen“, sagt er, „werden Sie selten
sagen, da hinten habe ich meinen
Wagen geparkt, sondern man sagt
meistens: Da hinten stehe ich. Ein Auto
ist ja nicht nur ein Transportmittel, son-
dern vor allem auch ein Mittel zum Fan-
tasieren, und mit diesen geländegängi-
gen großen Fahrzeugen, aber auch mit frei sein, wenn ich es wollte – auch wenn Konkurrenten aus dem Territorium zu
denen, die ja jetzt als Limousine einen man seit zwei Stunden im Stau steht.“ vertreiben. Der dritte Kontext ist die
Allradantrieb haben, hat man natürlich Partnerwahl. Die Männchen wollen, in-
bestimmte Fantasien. Mit dem Gelän- Parallelen zum Tierreich dem sie größer wirken, die Weibchen
defahrzeug ist man gewissermaßen für In der tierischen Verhaltensforschung anlocken.“
jede Gelegenheit im Straßenverkehr aus- ist die „Selbstausstülpung“, also die Ver- Tierisches Verhalten auf der Über-
gerüstet. Obwohl man es nie macht, größerung der körperlichen Oberfläche, holspur mit eingeschalteter Lichthupe –
könnte man vielleicht die Böschung run- ein gut erforschtes Gebiet. Die Zoologin das kann in der menschlichen Gesell-
terfahren und sich dann wie im Kino Klaudia Witte von der Universität Siegen schaft nur Praxis werden, wenn die po-
den eigenen Weg bahnen, durchs Gehölz vergleicht die Außenhülle eines SUV mit litische Organisation unseres Verkehrs-
und durch die Hecken. Man hat zumin- den Reaktionsweisen von Tierkörpern – wesens Konkurrenz nicht eindämmt,
dest so dieses Gefühl: Man könnte, wenn und zwar in Extremsituationen. „Diese sondern zulässt. Hier zeigt sich eine
man wollte.“ Solche Fantasien werden SUVs oder Geländewagen sind natürlich deutsche Besonderheit. Amerikaner et-
in dem Maße stimuliert, in dem es auf wesentlich auffälliger und größer als die wa fahren in ihrer Spur und lassen das
den Straßen immer eingeengter und normalen Autos. Eine Parallele zum Auto rollen. Man fährt so seine lange
überfüllter zugeht. „Jenseits aller Nut- Tierreich gibt es in drei verschiedenen Distanz mehr oder weniger entspannt,
zenerwägungen kauft man sich einen Kontexten. Zum einen machen sich Tie- das berichten viele, die in den USA ein-
Zugang zu einer ganzen Welt der Mög- re größer zur Feindabwehr, um zum mal Auto gefahren sind. Unser Straßen-
lichkeiten“, pflichtet Bernhard Schlag Beispiel einen potenziellen Räuber zu verkehr ist mehr auf Konkurrenz aus-
von der TU Dresden bei. „Der SUV ist erschrecken. Oder eben, um größer zu gelegt, auf Machtdemonstration. Ger-
in einer Welt der immer eingeschränk- erscheinen, als man eigentlich ist, etwa hard Bliersbach meint, das liege eindeu-
teren Bewegungsfreiheit auf den dicht- um einen Konkurrenten auszuschalten tig am fehlenden Tempolimit auf
gedrängten Straßen Ausdruck einer beziehungsweise zu vertreiben. Die deutschen Autobahnen: „Dadurch, dass
Freiheitsfantasie. Seine Botschaft lautet: Männchen-Kragenechse etwa spreizt es enorme Leistungsunterschiede in den
Ich könnte jederzeit offroad ausbrechen, den Kragen ab, um einen möglichen Fahrzeugen gibt, dadurch gibt es auf den

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
38 Statussymbole

Freude am Fahren war gestern.


Heute geht es auf deutschen Straßen um Vorsprung und Dominanz

Autobahnen auch riesige Unterschiede, Autobahnkrieg und der Einzelkämpfer- hört und spürt man nichts mehr von
wie schnell die Fahrzeuge gefahren wer- mentalität erst den Boden. Je dichter es außen, selbst wenn man ein Kleintier
den. Für Amerika würde vielleicht das im Gedränge unserer Straßen oder Le- überfahren würde, würde das kaum ei-
alte BMW-Motto noch gelten: ,Freude bensräume zugeht, desto aggressiver ner der Insassen bemerken. Der SUV ist
am Fahren‘. Da könnte man vielleicht sind die Signale, die wir aussenden, um ein Abstandshalter zwischen sich und
sagen: Freude am Rollen oder Laufen- für genügend Abstand zu sorgen. der vollgestopften Autowelt da drau-
lassen. Bei uns ist das ja eher geprägt Der Verkehrspsychologe Michael ßen – und auch deshalb so begehrt.
durch diesen Spruch aus der Audi-Wer- Hess ist Hobbyangler und wählt eben- Die Ausbreitung von Geländewagen
bung: ,Vorsprung durch Technik‘. Mit falls einen tierischen Vergleich, um den gerade dort, wo gar kein „Gelände“ ist,
dem Vorsprung sind genau die Konkur- „Stress durch Dichte“ zu erläutern. „Frü- ist ein klares Zeichen. Das Klima wird
renz und das Dominieren angespro- her dachte ich, wenn Lachse zwei, drei rauer. Die dicken Autos rollen durch
chen.“ Meter in die Luft springen, sie täten dies Straßen, auf denen gekämpft wird. Der
vor lauter Übermut und Lebensfreude“, großspurige und kraftmeiernde Auf-
Dichte und Aggression sagt er, „heute weiß ich, dass es eine Re- tritt, dazu die eindimensionale Presti-
Aber es muss noch mehr dazukommen, aktion auf eine zu große Schwarmdich- geabbildung, das spricht auch für die
um den spezifisch deutschen Boom bei te ist, die Stress auslöst. Die Tiere lösen These eines verschärften Erfolgsdrucks
SUVs und Geländewagen zu erklären. diese Anspannung, indem sie sich aus in der Gesellschaft. Und es wird so wei-
Aggressivität, auch „vorbeugende“, ist der Nähe befreien: durch eine Kraftan- tergehen, der Gigantismus auf deutschen
nicht zuletzt abhängig von der Dichte, strengung.“ Der SUV-Fahrer fantasiert Straßen nimmt so bald kein Ende. 2015,
der ständig wachsenden Verkehrsdich- den Ausbruch aus dem Stressgedränge, so hat die Audi-Tochter Lamborghini
te auf unseren Straßen. Sie bereitet dem der Lachs bricht tatsächlich aus. Im SUV vermeldet, will man mit dem Super Lu-
xury-SUV „Urus“ auf den Markt. Das
wird ein 600-PS-XXXL-Panzer mit bis-
her ungeahnten Werten sein, ein neues
SUV-Monstrum.
Um für die eigenen schadstoffarmen
Kleinwagen zu werben, hat der japani-
sche Autohersteller Suzuki einen Anti-
SUV-Spot als Animationsfilm lanciert,
in dem ein SUV als Brontosaurier gezeigt
wird, der an einer Tankstelle Unmengen
von ölhaltiger Nahrung schluckt, um
danach trampelnd und laut rülpsend
alles um sich herum plattzumachen. Die
Parallelen zwischen Dinos und Gelän-
dewagen drängen sich auf. Bei den Di-
nosauriern war die Überdimensionie-
rung im Körperwuchs die letzte Dege-
nerationsstufe vor dem Aussterben.
Vielleicht wiederholt sich dieses Ent-
wicklungsprinzip auch im deutschen
Straßenverkehr. PH

PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014


* Gebührenfrei aus dem deutschen Festnetz

Heute ist ein guter Tag zum Reden. Worüber, ist


entscheidend. Reden Sie nicht über Ihre Arbeit,
Ihre Beziehung, Politik oder andere Krankheiten.
Und schon gar nicht über das Wetter – es sei denn,
es hagelt tennisballgroß. Reden Sie lieber über

Klopapier.
Wir tun das. Sogar sonntags. Die Geschichte eines
speziellen Toilettenpapiers aus Ausgabe 6/2014
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40 Selektiver Mutismus

Das schweigende Kind


Manche Kinder schweigen. Im Kindergarten, in der Schule, auf dem Kinderge-
burtstag – während sie zu Hause munter drauflosplappern. Warum tun sie das?
Und wie kann ihnen geholfen werden?
■ Sabine Laerum
Selektiver Mutismus 41

I
rgendwann morgens fällt Sarah im selektivem Mutismus leiden – also min-
Kindergarten hin. Ihr Knie blutet, destens 7 von 1000 Kindern. Zum Ver-
aber ihre Hose bedeckt die Schram- gleich: Störungen aus dem autistischen
me. Ihre Erzieherin hat nicht gesehen, Spektrum kommen mit 1,1 bis 2,6 Pro-
was passiert ist, aber sie spürt, dass etwas zent etwas häufiger vor. Aber wer
nicht in Ordnung ist, und fragt: „Bist schweigt, stört nicht, und so werden se-
du okay?“ Sarah wendet sich ab, senkt lektiv mutistische Kinder meist nur als
den Kopf, zieht die Schultern hoch und extrem schüchtern wahrgenommen.
heftet den Blick auf den Boden. Sie sieht Das hat zur Folge, dass sie oft erst im
abweisend aus, fast trotzig und sagt kein Alter von fünf bis acht Jahren diagnos-
Wort. Aber als ihre Mutter sie abholt, tiziert werden, obwohl die Störung be-
wirft sie sich weinend in ihre Arme und reits zwischen drei und fünf Jahren be-
bittet um ein Pflaster. ginnt. Vier von zehn Kindern bekom-
Sarah war damals vier Jahre alt, und men keine spezifische Therapie, im
diese war eine von vielen Situationen, schlimmsten Fall werden sie als autis-
in denen sie Hilfe gebraucht hätte, sich tisch fehldiagnostiziert. Häufig wird
aber nicht mitteilen konnte. Sie leidet darauf gewartet, dass sich das Schweigen
an selektivem Mutismus, einer komple- auswächst, was jedoch selten – und nur
xen Angststörung, die es ihr schwer bis unter emotionalen Qualen – geschieht.
unmöglich macht, in der Öffentlichkeit „Schüchterne Kinder tauen nach einer
zu sprechen, während sie zu Hause eine Anwärmphase auf. Kinder mit selekti-
lustige Quasselstrippe ist. Kinder mit vem Mutismus können jahrelang schwei-
selektivem Mutismus sprechen übli- gen. Spricht ein Kind vier Wochen nach
cherweise daheim ganz normal mit ver- Kindergarten- oder Schulbeginn nicht,
trauten Menschen wie Eltern und Ge- ist das ein Alarmsignal“, differenziert
schwistern, verstummen aber regelmä- Steven Kurtz. Er hat das Selective Mutism
ßig in Situationen, in denen Sprechen Program am Child Mind Institute in New
erwartet wird – zum Beispiel auf Fami- York aufgebaut, arbeitet aber mittlerwei-
lienfeiern und Kindergeburtstagen, le in privater Praxis. Das Child Mind In-
beim Arzt, beim Einkaufen, auf dem stitute ist eine gemeinnützige Organisa-
Spielplatz und ganz oft im Kindergarten tion, die darauf spezialisiert ist, Kindern
und in der Schule. mit psychischen Problemen zu helfen.
Ihr Schweigen liegt nicht an einer Stö- Steven Kurtz hat in den vergangenen 15
rung in der Sprachentwicklung, obwohl Jahren 500 Kinder mit selektivem Mu-
jedes zweite betroffene Kind auch mit tismus gesehen und 90 Prozent davon
einer solchen Problematik zu kämpfen geholfen. „Selektiver Mutismus kann gut
FOTOS: JU LIA BRIGGS

hat. Laut dem amerikanischen Diag- mithilfe von Verhaltenstherapie und


nostic and Statistical Manual of Mental eventuell medikamentöser Unterstüt-
Disorders (DSM-5) ist selektiver Mutis- zung überwunden werden. Unbehandelt
mus eine Angststörung, genauer: eine ist die Gefahr groß, dass weitere Angst-
spezifische Phobie. Diese führt mit der störungen oder auch Depressionen da-
Zeit zu einem Vermeidungsverhalten: zukommen“, sagt er.
Wer die Höhe fürchtet, steigt nicht auf Die Angst vor dem Sprechen hat vie-
Türme, wer Spinnen scheut, geht nicht le Facetten: Manche Kinder sind so
in den Keller, wer Angst vor dem Spre- ängstlich, dass sie gar nicht oder nur mit
chen hat, schweigt. 75 Prozent der Be- Gesten kommunizieren – sie nicken,
troffenen leiden zudem noch an weiteren schütteln den Kopf, zucken mit den
Angstproblematiken wie Trennungs- Schultern, deuten. Andere pusten, äu-
ängsten oder Zwangsstörungen. ßern einzelne Laute, ahmen Tiergeräu-
Studien aus den USA und Israel legen sche nach oder sprechen Babysprache.
nahe, dass zwischen 0,7 und 2 Prozent Dritte flüstern, sagen Wörter oder gan-
der Kinder im Grundschulalter unter ze Sätze, aber nur zu ausgewählten Per-

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42 Selektiver Mutismus

Die Kinder sind nicht verstockt. Sie wollen reden, doch der Körper reagiert panisch,
und die Angst verschließt ihnen den Mund

sonen. Manche sprechen mit Kindern Selektiver Mutismus ist kein Zeichen Angst nicht überwinden. Jemand wird
und nicht mit Erwachsenen, aber es dafür, dass daheim etwas schiefläuft, und mich retten. Jemand wird für mich re-
kann auch gerade umgekehrt sein. verdeckt auch kein Trauma, darin sind den.
Keines dieser Kinder schweigt vor- sich Fachleute einig. Ein traumatisiertes Jedes Mal, wenn ein Kind nicht spre-
sätzlich. Sie alle wollen reden. Erwach- Kind verstummt eher völlig statt nur in chen kann, schleift sich das schweigende
sene denken trotzdem oft, die Kinder bestimmten Situationen. Es sind alltäg- Verhalten tiefer ein, darum ist es wichtig,
seien trotzig oder wollten sie provozie- liche Dinge wie der Kindergartenstart, diesen Teufelskreis so früh wie möglich
ren, denn die zugrunde liegende Angst der Schulbeginn, ein Umzug, Mehrspra- zu durchbrechen.
ist ihnen nicht ins Gesicht geschrieben. chigkeit oder das Leben in einer fremden Je schneller und intensiver ein Kind
Stattdessen sieht es maskenhaft aus, wie Kultur, welche die Angststörung auslö- Hilfe bekommt, desto höher sind die
leer gewischt von Gefühlen. Nicht bei sen können. So sind mehrsprachige Kin- Heilungschancen. Tatsächlich startet die
allen, aber bei vielen reagiert der Körper der wie Sarah, die als Deutsche in den Therapie aber meist zu spät und dauert
panisch: Das Herz rast, die Hände sind USA aufwächst, dreimal häufiger betrof- zu lang. Kurtz hat darum eine Intensiv-
schweißnass, der Hautwiderstand ist er- fen. Und gerade bei diesen Kindern wird gruppentherapie für drei- bis achtjäh-
höht, alle Muskeln sind angespannt und das Schweigen leicht missverstanden: rige Kinder entwickelt, die Brave Buddies
bereit zur Flucht. Lernt ein Kind eine zweite Sprache, („Mutige Freunde“). Das ambulante
durchläuft es eine stille Phase, die bis zu Programm läuft in New York zweimal
einem Jahr dauern kann. im Jahr für fünf Tage und viermal für
„Kinder mit selektivem Mutismus einen Einzeltag.
MEDIKAMENTE haben meist ein gehemmtes Naturell. In den vergangenen fünf Jahren ab-
ODER THERAPIE? Bei etwa 75 Prozent hat mindestens ein solvierten insgesamt 121 Kinder den
Die Standardbehandlung von selektivem Elternteil als Kind mit sozialen Angst- Wochenkurs, und Steven Kurtz schätzt,
Mutismus ist die Verhaltenstherapie. störungen gekämpft“, sagt Steven Kurtz. das 12,5 Prozent von ihnen anschlie-
Sprechen Kinder nur langsam oder gar Zu der genetischen Disposition kommt, ßend diagnosefrei waren. Bei zwei Drit-
nicht darauf an, ist es möglich, sie unter- dass Erwachsene das Schweigen oft lan- teln besserten sich die Symptome signi-
stützend mit angstlösend wirkenden An- ge unbewusst stützen, indem sie für die fikant, 12,5 Prozent kamen mehrmals,
tidepressiva aus der Gruppe der Seroto- Kinder antworten. Ein Beispiel: „Wie so wie Sarah.
nin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) zu heißt du denn?“, fragt die Frau an der Als sie das erste Mal bei den Brave
behandeln. In den USA ist dies üblicher Supermarktkasse. Buddies mitmachte, war sie so ängstlich,
als in Deutschland, SSRI sind allerdings in Sarah schweigt. Die Frau legt nach: dass sie nur wenige Worte über die Lip-
beiden Ländern nicht für die Behandlung „Na, bist du wohl schüchtern?“ Schwei- pen brachte. Trotzdem sagte sie beim
von selektivem Mutismus zugelassen. gen. Sie versucht es mit einem Scherz: Abholen zuallererst: „Mama, ich habe
Ärzte können sie aber auf eigene Verant- „Hast du etwa deine Zunge verschluckt?“ brave talking gemacht, und es hat sich
wortung verschreiben. Es wird mit einer Schweigen. Die Situation ist für alle drei gut angefühlt.“ Etwas in ihr war ange-
sehr niedrigen Dosis begonnen, die dann unangenehm, und Sarahs Mutter sagt: stoßen worden, und am folgenden Tag
langsam erhöht wird. Spricht ein Kind „Sie heißt Sarah.“ Drei kleine Worte. antwortete sie nach zweieinhalb Jahren
neun bis zwölf Monate erfolgreich, wird Alle fühlen sich besser. Ihre Mutter ist des Schweigens ihrer Erzieherin im Kin-
das Medikament wieder ausgeschlichen. erleichtert und Sarahs Angst verschwin- dergarten das erste Mal. „Worin habt
det, aber sie hat gelernt: Ich muss meine ihr euch in der letzten Zeit geändert?“,

PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014


Selektiver Mutismus 43

7 REGELN FÜR MUTIGES SPRECHEN


1 Erst mal nichts fragen, um den Druck zum Sprechen
zu nehmen.

2 Beschreiben und loben, was das Kind tut, solange


es schweigt: Statt „Du willst bestimmt mit den Autos
spielen“ sagen: „Du nimmst die Autos. Ich mag, wie du
die Autos so ordentlich nebeneinander stellst.“

3 Auswahlfragen stellen: „Möchtest du mit dem roten


oder dem blauen Auto spielen?“ Die Antwort liegt in der
Frage, das macht das Sprechen leichter.

4 Offene Fragen stellen, wenn Auswahlfragen klappen:


„Was möchtest du als Nächstes spielen?“

5 Fünf Sekunden warten: Kinder mit selektivem Mutis-


mus antworten oft zeitverzögert.

6 Das Gesagte wiederholen und als mutig loben.


„Ich möchte mit den Autos spielen.“ – „Toll, dass du mir
sagst, dass du mit den Autos spielen willst. Das hast du
sehr mutig gesagt.“

7 Niemals Ja/Nein-Fragen stellen: Sie lassen sich mit


Kopfschütteln oder Nicken beantworten. Das Kind kann
so das Sprechen vermeiden.

hatte diese gefragt. „Ich mache jetzt mu- Sarah erlebte bei den Brave Buddies Alle Betreuer schult Steven Kurtz in
tiges Sprechen und habe neue Freunde“, das erste Mal, wie es sich anfühlt, in ei- solchen Strategien, außerdem bringt er
sagte Sarah. ner Gruppe sprechen zu können. Um so ihnen auch eine von ihm modifizierte
Brave Buddies simuliert einen typi- weit zu kommen, wurde sie schrittwei- Version der Eltern-Kind-Interaktions-
schen amerikanischen Grundschultag se an die anderen Kinder und deren Be- therapie bei (Parent Child Interaction
mit Morgenkreis, Präsentationen, Fra- treuer gewöhnt: Zuerst spielte sie mit Therapy, PCIT). PCIT ist ein verhaltens-
ge-und-Antwort-Situationen, Mittages- ihrer Mutter, dann kam die Psycholo- therapeutisches Programm, das ur-
sen, Spielzeiten, Aktivitäten und Aus- giestudentin Julia dazu. Als Sarah sich sprünglich entwickelt wurde, um sozi-
flügen. Alles zielt darauf, ohne Druck mit Julia wohlfühlte und ein paar Wor- al auffälligen Kindern zu helfen. Eine
möglichst viele Situationen zu kreieren, te gesagt hatte, ging die Mutter fort. Ju- Regel ist dabei, Kinder nicht mit Fragen
in denen die bis zu 24 Kinder sich trau- lia und Sarah spielten erst allein, später zu löchern, sondern sie das Spiel leiten
en zu sprechen. Allen Kindern steht ein kam ein anderes Kind dazu. Langsam zu lassen und erst einmal in Ruhe non-
eigener Psychologe oder Psychologiestu- rückten die drei an die Gruppe heran verbal Kontakt aufzunehmen. Das ist
dent zur Seite, der einschätzt, wie weit – stets nur so viel, dass die Worte weiter für selektiv mutistische Kinder beson-
das Kind ist, es motiviert und ihm hilft, flossen. Erst spielten sie bei geschlosse- ders wichtig, weil sie die Welt sehr rasch
täglich fünf Stunden in Erfolgserlebnis- ner Tür, dann bei offener, dann im Flur, unterteilen in Menschen, mit denen sie
sen zu baden. Das macht selbstbewusst, am Rand des Zimmers, in dem alle an- sprechen können, und solche, mit denen
und diese Dynamik überträgt sich in deren spielten, bis sie schließlich inmit- es nicht geht. Hat sich das Schweigen
den Alltag. ten des Trubels waren. mit Leuten etabliert, ist es sehr schwer,
44 Selektiver Mutismus

ANSPRECHPARTNER
In Deutschland wird selektiver Mutismus
ambulant oder stationär behandelt, häu-
fig von Sprachtherapeuten, oft mit der
kooperativen Mutismustherapie (KoMut)
oder der systematischen Mutismusthera-
pie (SYMUT).
Das Kölner Institut für Sprachthera-
pie arbeitet mit SYMUT eher verhaltens-
therapeutisch (www.boris-hartmann.de).
In Expositionen übt das Kind, in Situati-
onen zu sprechen, in denen es sonst
schweigt. Ein Verzeichnis von Therapeu-
ten, die mit SYMUT arbeiten, gibt es
unter www.mutismus.de.
Die kooperative Mutismustherapie
setzt auf einen spielerischen Zugang, bei es zu überwinden. Wohlbekannte Per- steins der PCIT. Statt: „Kochst du Kaf-
dem das Sprechen zunächst nicht im Vor- sonen, Orte und Aktivitäten sind oft wie fee? Lass uns Kaffeekränzchen spielen“,
dergrund steht. So wird zum Beispiel kontaminiert, während neue Menschen würde man sagen: „Du stellst den Kes-
durch Rollenspiele und mit Handpuppen und Situationen noch nicht mit einer sel auf den Herd. Du nimmst die gelbe
langsam Kontakt aufgebaut. Der Verein Geschichte des Nichtsprechens ver- Tasse. Toll, wie behutsam du sie hältst.“
StillLeben bietet online eine Therapeuten- knüpft sind. Es können schon 15 bis 20 Minuten
liste an: www.selektiver-mutismus.de. „Um nicht in der falschen Schublade Spieltraining genügen, damit ein Kind
Stationäre Behandlung: Die Glantal- zu landen, ist es das Allerwichtigste, erst sich entspannt und von sich aus Kontakt
klinik Meisenheim (www.glantal-klinik- einmal überhaupt keine Fragen zu stel- aufnimmt – mit einer offeneren Kör-
meisenheim.de) und das Sprachheilzen- len“, sagt Steven Kurtz. Wer nicht fragt, persprache, einem Lächeln, mit Tierge-
trum Werscherberg (www.klinik-werscher erwartet keine Antwort. Das nimmt den räuschen oder einzelnen Lauten, einem
berg.de) behandeln stationär für die Druck zu sprechen, was die Angst sig- Flüstern oder sogar seiner regulären
Dauer von sechs bis 18 Monaten. Mei- nifikant senkt. Doch diese Zurückhal- Stimme. Beginnt das Kind zu verbali-
senheim hat eine Klinikschule, Werscher- tung fällt den meisten Menschen schwer. sieren, helfen ihm spezielle Kommuni-
berg arbeitet mit örtlichen Schulen. Es Der Psychologe hat in Videoaufzeich- kationsregeln, mehr zu sprechen (siehe
gibt in fast allen Bundesländern weitere nungen gezählt, dass Erwachsene einem Kasten 7 Regeln für mutiges Sprechen auf
Sprachheilzentren und Kliniken. schweigenden Kind in fünf Minuten bis Seite 43).
Die Kosten für die stationäre Therapie zu 24 Fragen stellen. Als die Brave Buddies loszogen, um
bestreiten Krankenkassen gemeinsam Und wie kommunizieren wir, ohne Eis essen zu gehen, übte Julia auf dem
mit der zuständigen Kreis- und Stadtver- zu fragen? „Wir lassen uns ganz von den Weg zur Eisdiele zum Beispiel unent-
waltung sowie aus Sozialhilfemitteln. Ideen des Kindes leiten, wir beschreiben, wegt das Bestellritual mit Sarah: „Möch-
Ambulante Therapie wird auf Rezept des was es tut, loben es dafür, imitieren, was test du eine Kugel Schokoladeneis oder
Kinderarztes von den meisten Kranken- es macht, und zeigen unsere Begeiste- Vanilleeis?“ „Vanille.“ „Vanille, das hast
kassen bezahlt. rung“, beschreibt er die Regeln des Spiel- du toll gesagt. Magst du es in der Waffel
trainings, eines weiteren Grundbau- oder im Becher haben?“ „In der Waffel.“

PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014


Selektiver Mutismus 45

Endlich rannte sie auf dem Schulweg los und rief:


„Mama, ich bin jetzt ein Kind, das spricht!“

„In der Waffel, danke, dass du mir das fen nach dem Preis und auf der Straße schen gewachsen – Kellner, Verkäufer
sagst. Willst du Streusel darauf haben nach dem Weg fragen. Um all diese Si- und Taxifahrer nicht mitgerechnet. Vor
oder etwas anderes?“ „Streusel.“ „Klas- tuationen nach und nach meistern zu kurzem rannte sie auf dem Weg zur
se, dass du sagst, dass du Streusel haben können, braucht es einen Erwachsenen, Schule los, lachte, sah zurück und rief:
willst, das hast du alles sehr mutig ge- der mit dem Kind übt und dabei erkennt, „Mama, ich bin jetzt ein Kind, das
sagt.“ Als sie schließlich in der Eisdiele zu welchem kleinen Schritt es jeweils in spricht!“ PH
standen, hatte Sarah so oft geübt, dass der Lage ist: Vielleicht kann es sein Eis
Literatur
sie ihr Eis selbst bestellen konnte. noch nicht selbst bestellen, aber es ist so
Boris Hartmann, Michael Lange: Mutismus im Kin-
„Ich musste mich daran gewöhnen, weit, dem Vater vor dem Eisverkäufer
des-, Jugend- und Erwachsenenalter. Für Angehö-
alles, was Sarah sagt, zu wiederholen und zuzuflüstern, was es haben möchte. rige, Betroffene sowie therapeutische und pädago-
sie dafür explizit als mutig zu loben“, Beim nächsten Mal wird es vielleicht in gische Berufe. Schulz-Kirchner, Idstein 2013 (6.
sagt ihre Mutter. Sarah bekam auch erst seiner normalen Stimme mit seinem Auflage)

einmal einen Schreck, wenn sie so deut- Vater sprechen können, aber nur mit drei
lich auf ihr Sprechen hingewiesen wur- Metern Abstand zum Eisverkäufer.
de. Die Wiederholung und das Lob sen- Übt ein Kind das Sprechen in solcher-
den aber drei wichtige Botschaften: „Ich lei Situationen oft, überlernt es allmäh- Ein wertvoller Ratgeber für Eltern
höre dich sprechen – du hast es gerade lich das schweigende Verhalten. Bis ein
von schweigenden Kindern
geschafft, deine Angst zu überwinden, Kind so weit ist, braucht es zwischen drei
du bist mutig, und ich finde das gut.“ Monate und zwei Jahren intensive Arbeit
Leseprobe
Das hilft langfristig, eine höhere Stress- mit dem Kind und viel Geduld: Nach unter
toleranz zu entwickeln und sich als je- Steven Kurtz’ Erfahrung muss ein Kind www.v-r.de
mand zu definieren, der spricht. fünf- bis siebenmal ein Eis bestellt ha-
Während die Kinder in ihrer Gruppe ben, bis es sich dabei langsam sicher D
Dieser Ratgeber
Aufgaben wie das Eisbestellen bewälti- fühlt. In der Schule spricht Sarah heute ggibt konkrete
A
Antworten auf
gen, lernen die Eltern in einer Fortbil- zu 99 Prozent. Sie ist trotzdem nicht ge- ddie drängende
dung die Techniken, die die Betreuer heilt, es gibt immer noch Situationen, FFrage von
anwenden. Denn auch wenn ein guter in denen die Angst vor dem Sprechen EEltern, deren
Therapeut und ein Programm wie die sie überwältigt, zum Beispiel wenn sie K
Kind nicht
Brave Buddies wunderbar sind, so ist vor der Klasse etwas vortragen soll. Aber ssprechen will:
doch das Engagement der Eltern und sie ist auf einem guten Weg. W
Was kann ich
sselbst zu Hause
Lehrer entscheidend. Mit einer Thera- Als sie vier Jahre alt war, hatte sie nur ttun, damit
piestunde hier und da ist es nicht getan, mit drei Menschen auf der Welt unbe- m
mein Kind
weil die Chancen, das Schweigen zu schwert gesprochen: ihrer Mutter, ihrem zzum Sprechen
überwinden, in vielen kleinen Alltags- Vater und ihrem Bruder. Zehn Monate fi
findet?
situationen liegen: in der Schule Fragen später, nach drei Einzeltagen und einer 214 Seiten, mit Illustrationen von Martin Koppenwallner,
beantworten und stellen, selbst ein Bröt- Woche Brave Buddies sowie unzähligen kart. € 19,99
chen beim Bäcker kaufen, mit neuen Alltagssituationen, in denen sie „muti- ISBN 978-3-525-40215-3
Freunden spielen, Verwandte besuchen, ges Sprechen“ geübt hat, ist die Liste de-
im Restaurant bestellen, beim Einkau- rer, mit denen Sarah redet, auf 78 Men-
Vandenhoeck & Ruprecht
www.v-r.de
46 Freiberufler

„Es gibt
Tage,
da habe
ich keine
Ideen“
Menschen, die freibe-
ruflich arbeiten, haben
viele Freiheiten. Doch
sie sind auch mit ganz
besonderen Herausfor-
derungen konfrontiert.
Erfolgsdruck und Exis-
tenzsorgen machen
vielen zu schaffen.
Ganz besonders in
Zeiten, in denen das P S Y C H O L O G I E H E U T E Kaum ein hohe Arbeitsideale oder der Glaube, es
Freiberufler, der nicht über die eigenen müssten beim Arbeiten immer kreative
Geschäft nicht so läuft Arbeitsbedingungen klagt. Was sind die Flow-Erlebnisse – sozusagen der innere
wie gewünscht, brau- häufigsten Anlässe? „Kick“ – auftreten oder dass Arbeit im-
F R A N K B E R Z B AC H Die meisten kla- mer Spaß machen müsse. Nein, Arbeit
chen Selbständige gen, und zwar ohne dass ihnen das im- ist Arbeit, macht oft keinen Spaß und
klare Strukturen und mer bewusst wäre, über ihre eigenen ist ein Muss des menschlichen Daseins.
Ängste und den inneren Druck, den sie In Kreativberufen werden zudem oft das
Gelassenheit, meint der selbst erzeugen. Etwa die Angst, Erwar- künstlerische Ego und der Wunsch nach
Medienpädagoge tungen nicht zu erfüllen. Meist aber sind Selbstverwirklichung nicht in Einklang
das Erwartungen, die sie selbst konst- gebracht damit, dass es sich bei der Ar-
Frank Berzbach ruieren. beit um eine Dienstleistung handelt.
P H Woher kommt das? Und da gilt: Wer die Kapelle bezahlt,
B E R Z B AC H Dem liegen viele unrealis- bestimmt die Musik. Freiberufler in der
tische Vorstellungen zugrunde: viel zu Kreativwirtschaft müssen begreifen,
Freiberufler 47

dass es nicht darum geht, einen künst- meintlich strikte Trennung von Arbeit völlig chaotischen und unbefriedigen-
lerischen Stil oder Anspruch durchzu- und Leben gibt es ohnehin nicht. Wir den Alltag zu erzeugen, in dem man
setzen. verbringen so viel Zeit mit unserer Ar- dann untergeht. Übrigens haben es El-
P H Liegen Küche und Schreibtisch di- beit, dass wir uns immer sagen sollten: tern mit kleinen Kindern oder Hunde-
rekt nebeneinander, sind wir ganz Das ist auch mein Leben. Deshalb ist es besitzer einfacher, denn die müssen
schnell im Hamsterrad, gerade wenn es ja so wichtig, sich Arbeit gesund zu morgens raus aus dem Bett und sich erst
beruflich nicht läuft. strukturieren. Und gerade in der Frei- mal um andere kümmern.
B E R Z B AC H Das selbständige Arbeiten beruflichkeit bestehen ungeheure Mög- P H Sie geben in Ihrem Buch Die Kunst,
im Homeoffice birgt die Gefahr, dass lichkeiten, Arbeit und Arbeitsplatz nach ein kreatives Leben zu führen den Men-
man die innere Uhr falsch stellt. Wenn den eigenen Wünschen zu gestalten. schen viele Leitsprüche an die Hand, die
ich morgens als Erstes den Laptop ins P H Aber was müssen Freiberufler denn bei der Reflexion des eigenen Lebens
Bett hole, um schon zu arbeiten, bevor dann lernen? helfen können – ausbeuterische Wirt-
ich den Vorhang aufziehe, dann beginnt B E R Z B A C H Sie müssen lernen, sich schaftsstrukturen lassen sich damit na-
das Desaster. Das ist dann nicht Freiheit, selbst einen Rhythmus und eine Struk- türlich nicht ändern.
sondern Fluch. Wenn wir keinen geson- tur zu geben, und zwar örtlich, zeitlich B E R Z B AC H Das stimmt. Ungerechte
derten Büroraum in der Privatwohnung und psychisch. Sie müssen entscheiden, Wirtschaftsstrukturen lassen sich so-
haben, finden wir nur schwer eine an- wo sich der Arbeitsraum
gemessene Arbeitsumgebung. oder der Arbeitsplatz be-
P H Freiberufler scheinen sehr oft in die findet, wann sie sich dort
„Mancher fängt ohne Früh-
Falle zu geraten: prekär finanziert, ho- aufhalten und welche Ar- stück an zu arbeiten, macht
he Abhängigkeit von einzelnen Auftrag- beitsintervalle psychisch
gebern und damit in Honorarfragen für sie gut sind. Wer den keine Pause – und wird
leicht erpressbar. Alltag zu sehr mit der Ar-
B E R ZBAC H Das gilt ganz besonders für beit verknüpft, der fängt immer unkonzentrierter“
diejenigen, die nach dem Studium ihre ohne Frühstück zu arbei-
Berufstätigkeit gleich mit Freiberuflich- ten an, macht womöglich Dr. Frank Berzbach ist Me-
keit starten. Es fehlt an Souveränität im keine Mittagspause und dienpädagoge an der staatli-
chen Fachhochschule in Köln
Umgang mit Auftraggebern, generell an merkt um 14 Uhr, dass er und unterrichtet Psychologie
Berufserfahrung und auch an Kollegen, körperlich völlig unterver- an der ecosign, Akademie für
die unterstützend sind. Das wird dann sorgt ist. Dann ist man Gestaltung, ebenfalls in Köln.
schnell zur Überforderung. Gerade bei schnell genervt, wird im- Er veröffentlichte das Buch
Die Kunst, ein kreatives Leben
Akademikern sind ja die ersten Berufs- mer unkonzentrierter und zu führen. Anregung zu Acht-
jahre die eigentlichen Lehrjahre, und produzier t nur noch samkeit im Schmidt-Verlag,
zwar nicht nur berufspraktisch, denn schlechte Arbeitsergebnis- Mainz.
die Hochschulen mit ihrer verschulten se. Prompt geht der Ar-
Struktur bringen niemandem bei, wie beitstag frustrierend zu
man sich als Freiberuf ler den Ar- Ende. Und weil ich in der zweiten Ta- wieso nur politisch und sozialpolitisch
beitsalltag organisieren sollte. Das heißt, geshälfte nichts Produktives mehr zu- lösen. Strukturell stimmt bei uns na-
die jungen Leute kommen aus einer stu- stande gebracht habe, muss ich mich türlich vieles nicht. Psychologisch kann
dentischen Kultur, in der Arbeit und abends noch mal hinsetzen. Und so wei- man aber dazu beitragen, dass Men-
Leben schon stark durcheinandergin- ter. schen ihre eigene Position klären und
gen. Jetzt sollen sie plötzlich eine Frei- In der anderen Variante führt diese die eigentlichen persönlichen Ziele nicht
beruflichkeit erfolgreich managen. Hilf- Selbstkasteiung zu dem Gefühl, viel zu aus den Augen verlieren. Das stärkt psy-
I L L U S T R AT I O N E N : R Ü D I G E R T R E B E L S

reich sind dann Bürogemeinschaften, arbeiten mache einem gar nichts aus. chisch, und man verliert in schwierigen
da kann man beispielsweise auch mal Oder sogar: Wenn ich nichts zu arbeiten Phasen den Mut nicht so schnell. Wir
gemeinsam Pause machen, man sieht, habe, werde ich unzufrieden. Das ist müssen als Individuen ja versuchen,
wie sich andere organisieren, und man dann beinahe eine Askesestruktur. Und möglichst zufrieden zu bleiben im Le-
kann mal schnell die anderen um Rat für das viele Arbeiten werden wir ja auch ben, denn wenn wir psychisch labil oder
fragen. unentwegt gelobt in unserer Gesell- sogar krank werden, ändert das auch
P H Also müssen Freiberufler als Erstes schaft. keine Struktur. In schweren depressiven
lernen, Arbeit und Leben zu trennen? Also, man muss Arbeit und Leben Phasen schafft kein Mensch mehr kre-
B E R Z B A C H Ja und nein. Diese ver- unterscheiden lernen, um nicht einen ative Produkte.

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
48 Freiberufler

Freiberufler müssen mit Unsicherheiten klarkommen. Doch die Stellen von


Festangestellten in der Kreativwirtschaft sind heute kaum sicherer

Leute haben einen Teilzeitjob oder über- kommen leise daher. Deshalb ist es üb-
nehmen einmal die Woche eine Schicht rigens auch so wichtig, dass kreative
in einer Kneipe. Ein solches Leben kann Menschen lernen, innere Ruhe zu er-
sehr befriedigend sein. Man muss wis- zeugen.
sen, was man will, und seine Ziele im P H Sie glauben an die Ruhe?
Auge behalten. B E R Z B AC H Ja, auch an die glaube ich
P H Man kann als Freiberufler seine ganz besonders. Man kann es an den
Auftraggeber wählen? Da wird so man- Freejazzern illustrieren, die in einem
cher Freiberufler jetzt den Kopf geschüt- irrsinnigen Tempo auf das reagieren,
telt haben. was andere spielen. Sie brauchen dafür
B E R ZBAC H Man kann es sich natürlich eine große handwerkliche Fähigkeit, da-
Was Freiberufler deshalb besonders nicht immer aussuchen, aber man hat mit sie reflexhaft reagieren können, sie
lernen müssen, ist, mit Unsicherheiten ab einem gewissen Konfliktpotenzial brauchen aber auch eine sehr große in-
umzugehen. Allerdings gibt es auch ei- die Möglichkeit zu sagen:
ne Überbewertung der Sicherheit in heu- Für den arbeite ich nicht
tigen Anstellungsverhältnissen. Wir mehr. Das beißt sich „Damit das Geld reicht,
glauben, wir wären sicher, wenn wir an- manchmal mit dem eige-
gestellt sind. Aber wo gibt es in der Kre- nen Bankkonto, aber man arbeiten manche nebenher in
ativwirtschaft Sicherheit? Agenturen kann Auftraggeber ableh-
sind ruck, Zuck geschlossen, ein Wech- nen, zum Beispiel auch aus
der Kneipe. Ein solches Leben
sel des Chefs, und wir sind „draußen“, moralischen Gründen. Der kann sehr befriedigend sein“
eine Abteilung wird dichtgemacht – das eine arbeitet grundsätzlich
geht doch alles ganz schnell heute. nicht für die Fleischindus-
P H Sind die Freiberufler so etwas wie trie, der andere nicht für Ölkonzerne. nere Ruhe, um das offene Ohr zu haben,
die Sklaven des Turbokapitalismus? Das ist doch eine große Freiheit. Das um schneller zu sein als der Gedanke
B E R Z B AC H Das würde ich nicht sagen. sehe ich als Privileg an. Das hat man bei im Kopf. Free Jazz erscheint oft so hek-
Es kommt darauf an, was jemand von einer Festanstellung nicht. tisch oder unkoordiniert, aber ich glau-
der Freiberuflichkeit erwartet. Wer eine P H Sie betonen, dass Kreativität eine be, dass diese Musiker über eine große
Familie mit drei Kindern ernähren muss stille Angelegenheit sei. Und wo bleibt innere Ruhe verfügen.
oder wer einen Porsche fahren will, der die Teilhabe am aktiven Leben? Eine solche innere Stille und Ruhe
nimmt sich einiges vor, wenn er das mit B E R Z B AC H Man braucht das aktive, kann man auch als Freiberufler üben,
Honoraren der Kreativwirtschaft ver- teilnehmende Leben als eine vorberei- etwa mittels Meditation oder bewusster
dienen will. Aber die Freiberuflichkeit tende Stufe von Kreativität. Da kom- Atmung. Es geht darum, erst einmal den
schafft ungeheure Privilegien: Ich selbst muniziert man und lässt sich inspirie- Kopf frei oder leer zu kriegen.
entscheide, wann ich morgens aufstehe, ren. Beuys hat mal gesagt, das ganze P H Spätestens bei der Akquise ist ein
wann ich arbeite, wer mir was sagt, wel- Leben sei eine Vorbereitung auf das offensives Zugehen auf andere nötig, was
che Kunden ich annehme. Außerdem schöpferische Handeln. Ideenfindung so manchem Freiberufler schwerfällt.
ist man ja frei auch darin, mit welchen und -entwicklung brauchen aber eine Raus aus der Isolation – wie geht das?
anderen Einkommensmöglichkeiten gewisse Ruhe, einen entspannten Geist. Hilft Facebook?
man das Kreativsein kombiniert, damit Anders bekommt man keinen Zugang B E R Z B A C H Das Kontakteknüpfen
das Geld auf jeden Fall reicht. Manche zur eigenen Intuition. Viele Intuitionen kann selbstverständlich auch über so-
Freiberufler 49

wo Ordnung ist, sei ansonsten Ein Freiberufler, der sein Einkommen


meist nichts, plädieren Sie erst sichert, dem gelingt ja vieles. Auch mit
einmal fürs Ordnunghalten. unseren Zielen müssen wir gelassener
B E R Z B AC H Ich glaube nicht umgehen. So können wir uns zum Bei-
an den Zusammenhang von spiel Wochenpläne aufstellen, sollten
Kreativität und Chaos. Ord- aber zufrieden sein, wenn wir nur sieb-
nung und Rhythmus setzen ei- zig Prozent davon schaffen. Ich persön-
nen Rahmen, in dem man frei lich schaffe meine To-do-Liste nie, aber
sein kann. Wer einen Arbeits- ich würde mir auch große Sorgen ma-
auftrag übernimmt, muss in- chen, wenn ich sie schaffte.
nerhalb eines gegebenen Rah- P H So mancher Freiberufler quält sich
mens kreativ sein. Das ist sogar besonders mit dem Gefühl herum, dass
die eigentliche Kunst dabei. das Erreichte niemals gut genug ist.
Finanzrahmen, Material, Zeit, B E R Z B AC H Dass wir nie ausreichen,
das sind die Rahmenbedingun- ist ein Grundelement der christlichen
gen kreativen Schaffens. Ich Kultur. Wir sind ja immer schon schul-
glaube an Handwerk, Form dig. Da tut uns ein bisschen Buddhismus
und Ordnung. Und ich glaube gut. In dem sind wir als Individuen näm-
ans Üben – ja, ich weiß, das lich erst mal in Ordnung. Dieses Unzu-
klingt alles furchtbar altmo- länglichsein wird uns ja auch beruflich
disch. mit dem permanenten Druck vermittelt,
P H Was ist, wenn uns all un- uns fortbilden zu sollen. „Bilde dich
sere klugen Einsichten nicht ständig weiter!“ heißt, du genügst nicht.
helfen, das Chaos zu organisie- Das wird dann zum lebenslangen Pro-
ren? Zuweilen scheitern wir ja zess.
auch an unserer Persönlich- P H Und das alles auch noch mit dem
keit, die nicht wahllos ver- Vorzeichen: Sei kreativ!
änderbar ist. B E R Z BAC H Ja, das ist irre anstrengend.
B E R Z B A C H Die Umsetzung Dabei können wir nicht fortwährend
von Erkenntnissen in die eige- kreativ sein. Das geht gar nicht. Es gibt
ziale Netzwerke funktionieren. Dort nen Verhaltensmuster ist natürlich im- Tage, da habe ich keine Ideen. Die meis-
lassen sich schnell Gleichgesinnte fin- mer schwer. Vieles muss man auch ein- te Zeit des Lebens ist ohnehin trivial.
den. Diese Netzwerke sind außerdem fach mal ausprobieren. Manchmal ver- Zum Glück, denn das entlastet uns. Das
niedrigschwellig. Sofort bin ich Teil ei- ändert man im eigenen Verhalten nur meiste, das wir tun, ist das tägliche Ei-
ner Gruppe. Winzigkeiten, aber die haben schon irr- nerlei. Saubermachen und Ordnung ins
Für viele kreative, künstlerisch am- sinnig große Effekte. Ich hänge mir Arbeitsmaterial bringen.
bitionierte Menschen ist die Akquise manchmal einen Satz als Motto über P H Und was tun Sie selbst, wenn Ihnen
sehr unangenehm, weil es für sie schwie- den Schreibtisch, damit ich daran erin- von Adorno bis Zen nichts mehr Trost
rig ist, im Marketingmodus zu agieren. nert werde. Und dafür wähle ich Aus- spendet?
Sie müssen das aber meistens wegen des sagen, die mich in einem Bereich her- B E R ZBAC H Zen hilft eigentlich immer,
ökonomischen Drucks tun. Da hat man ausfordern, in dem ich ganz besonders weil mich das auf einen gesunden All-
ja keine Wahl. Also: Wie komme ich an schlecht bin. tagsbezug fokussiert. Ansonsten höre
Kunden? Wie intensiv man das betreibt, P H Und damit haben wir schon wieder ich Musik oder gehe spazieren oder fah-
hat aber nicht zuletzt wieder mit dem einen Punkt, an dem wir uns abarbeiten re Fahrrad. Beten, Meditieren, Lesen –
eigenen Lebensstil zu tun. Künstler bei- müssen? das sind alles Versuche der Selbsttrost-
spielsweise halten oft an ihrer Ästhetik B E R Z B AC H Es geht dabei um das, was spendung. Man braucht in Krisen au-
fest und verzichten dafür auf Geld. Wer uns an uns selbst stört oder uns kreativ ßerdem andere Menschen, die einem
sowieso bereit ist, mit einem geringen blockiert und wo wir deshalb etwas ver- zuhören, und plötzlich merkt man, dass
Lebensstandard zu leben, um sich auf ändern möchten. Jeder von uns kann uns die Welt doch auf eine eigenartige,
dem Weg Freiheiten zu erhalten, kann erst mal zufrieden sein mit sich selbst, unaufgeregte Weise trägt. PH
in Geldfragen gelassener sein. denn wir können ja ganz viel. Auch wenn ■ Mit Frank Berzbach
P H Während Bertolt Brecht mal sagte, wir das unter Stress nicht mehr sehen. sprach Uwe Britten

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
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52

Gesundheit & Psyche


R E DA K T I O N : T H O M A S S A U M - A L D E H O F F

Dieser Stoff führt zu nichts Gutem:


In der Kultserie Breaking Bad steigt
der biedere Chemielehrer Walter White
in die Crystal-Meth-Produktion ein –
und mutiert sachte zum Finsterling

Gefährliche Kristalle
Eine synthetische Droge ist auf dem Vormarsch: „Crystal Meth“ führt im Zeitraffer zur
Abhängigkeit. Es drohen Schäden an Körper und Psyche bis hin zur Verwahrlosung

Die Menschen auf den Fotos sehen er- amphetamin in kristalliner Form hoch- heitsfolgen: Zahnschäden, Konzentra-
schreckend aus: eingefallene Wangen, gefährlich“, sagt Sascha Milin vom Zen- tions- und Gedächtnisproblemen und
schwarze Zähne, aufgekratzte Wunden trum für Interdisziplinäre Suchtfor- vor allem psychischen Beeinträchtigun-
im Gesicht. Es sind Konsumenten von schung (ZIS) der Universität Hamburg. gen. Bisherige Daten zeigen, dass in
Crystal Meth. Doch wie gefährlich ist Auch in Deutschland ist „Meth“ ein Deutschland immer mehr Menschen
Methamphetamin, auch als „Ice“, „Meth“ Problem – vor allem in Grenznähe zu wegen Stimulanzien eine Suchttherapie
oder „C“ bekannt, wirklich? „Dieser Tschechien, wo es billig hergestellt wird: beginnen: Seit 2007 hat sich ihr Anteil
massive Verfall spiegelt vor allem die Si- in Sachsen, Thüringen und Nordbayern. verdoppelt. Und in Sachsen spielt bereits
tuation in den USA wider und beschränkt Hier gibt es langjährige Konsumenten bei 40 Prozent der Suchtpatienten Crys-
sich auf Einzelfälle. Dennoch ist Meth- mit durchaus gravierenden Gesund- tal Meth eine Rolle.
Gesundheit & Psyche 53

Eine Studie des ZIS hat sich nun erst- die Gefahr einer Suchtentwicklung be- schaftlich starken Ländern vermutlich
mals näher mit der Situation in Deutsch- sonders hoch“, so der Forscher. nicht durchsetzen.“
land beschäftigt. Dabei befragte das Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit, Auch Milin nimmt an, dass Crystal
Team um Sascha Milin und Studienlei- dass Crystal Meth zur neuen „Droge in anderen Bundesländern nicht die glei-
ter Ingo Schäfer Patienten in Suchthil- Nummer eins“ wird, wohl eher gering. che Beliebtheit erlangen wird: „Dort
feeinrichtungen und führte eine Online- sind andere Substanzen in der Party-
befragung durch. Repräsentative Daten szene stärker verbreitet.“ Zunehmen
liefert die Untersuchung zwar nicht – könnte der Konsum jedoch in sozialen
aber sie lässt zumindest Tendenzen er- Randgruppen – etwa bei Obdachlosen –
kennen. und in Szenen, die mit der „Teufelsdro-
Von den 187 Meth-Konsumenten hat- ge“ gezielt das Risiko suchen.
ten die meisten auch Erfahrungen mit Prävention und Therapieangebote
anderen Drogen wie Amphetamin, Can- für Crystal Meth seien auf jeden Fall
nabis oder Kokain. Etwa ein Drittel gab wichtig, betont Milin – vor allem in den
an, Meth nahezu täglich zu nehmen, WAS IST CRYSTAL METH? betroffenen Regionen. „Die Maßnah-
über die Hälfte war arbeitslos, berentet Methamphetamin ist eine syntheti- men sollten gezielt an die deutschen Ver-
oder langfristig arbeitsunfähig. Weiter- sche Droge aus der Gruppe der Amphe- hältnisse angepasst sein“, sagt der For-
hin zeichneten sich verschiedene Kon- tamine. Es kann aus ephedrinhaltigen scher. „Sie sollten die negativen Folgen
sumentengruppen ab: Die Mehrheit Medikamenten hergestellt werden und aufzeigen, aber auch die anfänglich po-
nahm Crystal Meth auf Partys – aber sieht in reiner Form aus wie Eiskristalle. sitiven Wirkungen nicht verheimli-
Crystal wird geschnupft, geschluckt, ge-
etwa die Hälfte gab an, es auch zu Hau- chen – sonst wirkt das Ganze schnell
raucht oder gespritzt.
se oder während der Arbeit einzuneh- unglaubwürdig.“
„Die Gefahr einer Abhängigkeit ist hier
men. Konsummotive waren neben der Weiterhin wollen die Hamburger
sehr hoch“, sagt Sascha Milin. „Crystal hat
„angenehmen Wirkung“ häufig „beruf- eine extrem wachmachende und eupho-
Forscher Onlineangebote unterstützen,
liche Gründe“, „Suchtdruck“ und „das risierende Wirkung, die sehr rasch eintritt. die die Betroffenen oft als sehr hilfreich
Leben ertragen“. Lässt die Wirkung nach, kommt es zu Stim- erleben – und Menschen in sozialen Be-
Neben reinem Freizeitkonsum zeich- mungseinbrüchen, Unruhe und oft zu rufen hinsichtlich Crystal Meth schulen.
nen sich Gruppen mit „besonders pro- quälender Schlaflosigkeit. All das erhöht „Das betrifft Mitarbeiter in der Sucht-
blematischen Konsumgewohnheiten“ das Risiko einer Suchtentwicklung.“ hilfe, aber auch in psychotherapeuti-
ab: User, die die Substanz sehr häufig Eine weitere Besonderheit: Die Wir- schen Berufen, die die Rolle von Crystal
nehmen und tagelange Wachphasen er- kung hält bei hohen Dosen sehr lang an: als ‚Selbstmedikation‘ kennen sollten.“
leben – aber auch solche, die sie zur Leis- bis zu 36 Stunden. Die User haben dann Natürlich muss die Wirksamkeit all die-
kein Bedürfnis, zu essen oder zu schlafen,
tungssteigerung verwenden, Konsu- ser Maßnahmen in weiteren Studien
was stark zum körperlichen Verfall bei-
menten mit Kindern und solche mit überprüft werden.
trägt.
psychischen Problemen. ■ Christine Amrhein
„Im Job wird Crystal genommen, um  Infos
körperlich anstrengende oder monoto- „Aus meiner Sicht ist Meth in Deutsch- Sascha Milin u. a.: Amphetamin und Methamphe-
tamin – Personengruppen mit missbräuchlichem
ne Tätigkeiten zu bewältigen“, sagt Mi- land – wie in der Schweiz – nur eine Konsum und Ansatzpunkte für präventive Maßnah-
lin. „Auch User mit Kindern setzen es Randerscheinung“, sagt Boris Quednow, men. Sachbericht. Zentrum für Interdisziplinäre
ein, um mit Belastungen fertigzuwer- Suchtforscher an der Psychiatrischen Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg,
2014, www.zis-hamburg.de
den.“ Und wer psychische Probleme oder Universitätsklinik in Zürich. „Im Ge-
Infos zu Amphetaminen: www.suchtschweiz.ch/
Traumatisierungen hat, nimmt die Sub- gensatz zu anderen Drogen ist sein Kon- infos-und-fakten/amphetamine
stanz oft deshalb, weil sie Selbstbewusst- sum nur schwer mit einer regulären Ar-
Selbsthilfegruppe (die von vielen in der Studie als
sein verleiht und vor negativen Gefüh- beit und einem ‚normalen‘ Leben ver- hilfreich bezeichnet wurde): www.narcotics-ano
len abschirmt. „In diesen Gruppen ist einbar – deshalb wird es sich in wirt- nymous.de

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
54 Gesundheit & Psyche

Kurzvisite

Tut ihr etwas weh, oder ärgert sie sich? Schon im Alter
von acht Monaten können Babys zwischen einem ärgerlichen
und einem schmerzverzogenen Gesicht unterscheiden – ob-
wohl sich die Mimik, etwa in der Augenregion, stark ähnelt.
Allerdings verarbeitet das Babyhirn den Gesichtsausdruck Wer von uns pflegt die Eltern?
anders als das Erwachsenenhirn, wie Manuela Missana und Geschwister pflegen ihre hilfsbedürftigen alten Eltern nicht in glei-
ihre Mitforscher am Max-Planck-Institut für Kognitions- und chem Umfang. In drei Viertel der Fälle übernimmt ein einzelnes Kind
Neurowissenschaften in Leipzig herausfanden. die Pflege. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die räumliche Ent-
fernung. Geschwister, die in der Nähe der Eltern wohnen, haben ein
doppelt so hohes „Risiko“, die Aufgabe übernehmen zu müssen, wie
ihre weiter entfernt lebenden Geschwister. Kinder, die mit ihren El-
tern in einem gemeinsamen Haushalt wohnen, übernehmen sogar
viermal so oft die Pflege. Auch erweisen sich Kinder, die im Gegen-
satz zu ihren Geschwistern im Testament berücksichtigt sind, meist
Magersucht lässt sich in einer Tagesklinik als dankbar: Sie übernehmen die Pflege fünfmal so häufig. Erstge-
nicht weniger effektiv, jedoch seelisch borene pflegen die Eltern fast doppelt so oft wie ihre jüngeren Ge-
schonender behandeln als bei einem stationären schwister. Söhne sind seltener bereit, die Pflegearbeit zu leisten – noch
immer bleibt dies an den Töchtern hängen. In Familien ohne weibli-
Klinikaufenthalt. Ein Forschungsteam aus Aachen
chen Nachwuchs hingegen teilen sich häufig mehrere Brüder die
und Marburg verglich die Erfolge ein Jahr nach Pflege untereinander auf. Diese Erkenntnisse gewannen Forscher des
Therapiebeginn. Die ambulant behandelten Pati- Wissenschaftszentrums Berlin und der Universitäten Bamberg und
entinnen hatten ebenso viel zugenommen, klag- Amsterdam bei der Analyse von Daten aus einer amerikanischen
Großstudie. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jomf.12099/abstract
ten aber über weniger psychische Probleme als
ihre stationär therapierten Leidensgenossinnen.

DOI : 10.1016 / S0140 - 6736 (13) 62411-3

PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014


Gesundheit & Psyche 55
Hieronymus Bosch: Die sieben Todsünden (Detail), um 1480 trustBilder

Die trustBilder eröffnen


Wege, um in spielerischer
Weise in Kontakt mit
Übergewichtige sprinten beim Essen vielleicht noch unbe-
Erstaunlicherweise werden übergewichtige Menschen schneller satt als normalgewichti- wussten Ressourcen,
ge. Trotzdem nehmen sie mehr Kalorien zu sich. Das liegt an ihrem enormen Esstempo,
Themen oder Potentialen
wie ein Team vom Universitätsspital Basel in einer Studie demonstrierte. Christoph Beglin-
zu kommen. Geliefert
ger und seine Kollegen baten je zwanzig normal- und übergewichtige Frauen und Männer,
werden sie in einer hoch-
morgens auf nüchternen Magen ein Ernährungsgetränk zu sich zu nehmen. Sie durften
so viel und so schnell trinken, wie sie wollten, und kreuzten alle drei Minuten an, wie satt wertigen Metallbox und
sie sich fühlten. Im Schnitt gaben Übergewichtige schon nach zehn Minuten an, satt zu mit einem ausführlichen
sein – fast vier Minuten früher als Normalgewichtige. Doch in diesen zehn Minuten kon- Manual. Im Kleinformat
sumierten sie durchschnittlich 85 statt wie die Normalgewichtigen nur gut 50 Kilokalori- (trustBildermini) eignen
en pro Minute und nahmen somit trotz der kürzeren Zeitspanne 140 Kilokalorien mehr sie sich zur Anwendung
zu sich als diese. „Langsam essen ist nicht nur gesund, es dürfte auch beim Abnehmen in kleiner Runde oder für
helfen“, folgert Beglinger. DOI: 10.1016/j.physbeh.2014.02.043 unterwegs.
wegs.

51 Prozent der Frauen und 39 Prozent der


Männer würden laut einer Allensbach-Um- #$IEGELMANN
EGELMANN
frage gerne abnehmen. Selbst bei den normalge- -)SERMANN(RSG 

wichtigen Frauen möchte gut jede Dritte Pfunde trustBilder


verlieren, bei den Männern nur jeder Zehnte. Gut -ETALLBOXMIT"ILDKARTEN
UND SEITIGEM-ANUAL
jede zweite Frau, aber bloß jeder vierte Mann hat Größe ca. 14 x 22 x 4,2 cm,
schon mindestens eine Diät hinter sich. ISBN 978-3-942761-09-3,
Bestellnr. 246,
68,- EUR

trustBildermini
-ETALLBOXMIT"ILDKARTEN
Größe ca. 6 x 9,5 x 2 cm,
Kinder werden nicht noch dicker ISBN 978-3-942761-12-3,
Bestellnr. 263,
Gibt es eine Trendwende im Kampf gegen Adipositas? Nachdem die Zahl überge- 19,60 EUR
wichtiger Kinder in den Industrieländern seit den 1980er Jahren massiv zugenom-
men hat, zeigt sich im letzten Jahrzehnt eine Verlangsamung oder sogar ein Rück-
14130
141309

gang. Diese überraschende Entwicklung belegten jetzt Wissenschaftler um Martin


09

Wabitsch von der Ulmer Universitätsklinik in einer Übersichtsarbeit. Sie werteten


dazu Studien aus Deutschland, der Schweiz, Frankreich, den USA, Australien und
anderen Industrieländern aus. Die jüngste positive Entwicklung sei bei Mädchen
ausgeprägter als bei Jungen und im Vorschulalter deutlicher als bei Schulkindern.
Wabitsch sieht Anhaltspunkte, „dass Aufklärung, bessere Ernährungs- und Bewe-
gungsangebote tatsächlich wirken. Das ist für alle, die sich für gesünderes Essen NEU ab Sommer 2014:
in Kitas und Schulen, für mehr Sportunterricht, Grünflächen und Radwege einset- trustBilder
zen, eine gute Nachricht – denn ihr Einsatz lohnt sich.“ Entwarnung können die Edition Venedig – New York
Forscher aber nicht geben, denn Kinder sind heute noch immer dreimal so häufig
übergewichtig wie vor drei Jahrzehnten. DOI: 10.1186/1741-7015-12-17 T R U S TA N D G O . D E
56 Gesundheit & Psyche

Im Alter
wird es stiller
Die Gebrechen summieren
sich in der letzten Lebens-
phase. Das macht alte Men-
schen zwar nicht depressiv,
doch etwas introvertierter –
vor allem wenn das Gehör
nachlässt

Am Anfang sind die Turbulenzen des


Erwachsenwerdens, Berufseintritt, Fa-
miliengründung. Das spiegelt sich in der
Entwicklung der Persönlichkeit: In jun- Am Schluss des Lebens verändert sich die Persönlichkeit manchmal
stärker als in all den Jahrzehnten zuvor
gen Jahren ist der Charakter wenig ge-
festigt, es gibt Umbrüche und Verschie-
bungen. Im Alter etwa ab 30 aber strömt also stiller und zurückgezogener. Beides derte die nachlassende Konstitution al-
das Leben für die meisten Menschen wurde mit der nachlassenden körperli- so doch ihren psychischen Tribut? Auf
deutlich ruhiger dahin, und an der chen und kognitiven Gesundheit im Al- den ersten Blick scheint es so: Introver-
Struktur der Persönlichkeit verändert ter in Verbindung gebracht: Die zuneh- tierte Alte schätzten ihre Gesundheit
sich oft über Jahrzehnte hinweg wenig. menden Gebrechen, so die These, ver- und geistige Fitness tatsächlich schlech-
Sicher, ein radikaler Wandel der Lebens- ändern auch die Persönlichkeit. ter ein als extravertierte. Doch über die
verhältnisse wie etwa eine Scheidung Ob das wirklich zutrifft, haben nun sechs Jahre hinweg zeigte sich keine sol-
oder ein Umzug in ein anderes Land Anne Ingeborg Berg und Boo Johansson che Verbindung: Ob jemand bei der ers-
können einen Menschen deutlich prägen von der Universität Göteborg anhand ten Befragung über Gesundheitsproble-
und wandeln. Die meisten aber haben der Daten einer großen schwedischen me klagte, sagte nichts darüber aus, wie
sich in ihrer Lebensnische eingerichtet Langzeitstudie mit Zwillingen analy- introvertiert sie oder er sechs Jahre spä-
und verändern sich in ihren Wesenszü- siert. Anfangs 408 Frauen und Männer ter sein würde.
gen nur gemächlich. Im Allgemeinen im Alter zwischen 80 und 98 Jahren wur- Die einzige objektive körperliche Ein-
werden sie mit den Jahren allmählich den über sechs Jahre hinweg viermal in schränkung, die die alten Leute ein we-
etwas umgänglicher und verträglicher, ihrer Wohnung besucht und zu ihrer nig introvertierter machte, war Hörver-
aber auch weniger offen für Neues. Gesundheit und Alltagsbewältigung be- lust. Eine psychologische Theorie be-
Doch gilt diese Kontinuität auch für fragt. Dabei füllten sie auch einen Per- sagt, dass alte Menschen das Zusam-
das Alter? In vereinzelten neueren Stu- sönlichkeitsfragebogen aus. menschrumpfen ihres Aktionsradius
dien haben Forscher Indizien dafür ge- Was den „Neurotizismus“ betrifft, und Freundeskreises kompensieren, in-
funden, dass sich die Persönlichkeit be- geben die beiden Psychologen Entwar- dem sie den verbleibenden Bindungen
sonders im hohen Alter doch noch ein- nung: Die alten Menschen wurden im mehr Gewicht geben. Doch stark nach-
mal deutlich verändert. Davon scheinen Verlaufe der sechs Beobachtungsjahre lassendes Hörvermögen, so die schwe-
vor allem zwei der fünf großen Grund- trotz schlechter werdender Gesundheit dischen Psychologen, „schränkt sogar
züge der Persönlichkeit (Big Five) betrof- nicht „nervöser“ oder psychisch labiler. die Kontakte mit nahen Freunden und
fen zu sein: Am Lebensabend steige der Die meisten Hochaltrigen hatten offen- der Familie ein“. ■ TSA

„Neurotizismus“, die Menschen würden sichtlich Freude an ihrem Leben. Anne Ingeborg Berg, Boo Johansson: Personality
change in the oldest-old: Is it a matter of compromised
also psychisch dünnhäutiger und labiler. Allerdings bestätigte sich, dass sie mit health and functioning? Journal of Personality, 82/1,
Außerdem würden sie introvertierter, den Jahren introvertierter wurden. For- 2014, 25–31

PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014


Gesundheit & Psyche 57

Höhere Steuern gegen Fast Food


In Ländern, die ihren Nahrungsmittelmarkt stärker staatlich regulieren, ernähren sich die
Menschen nicht so ungesund und sind seltener übergewichtig, so eine Vergleichsstudie

Je mehr Fast Food gegessen wird, desto


dicker werden die Menschen. Die Logik
scheint einzuleuchten. Tatsächlich zei-
gen viele Studien, dass es einen Zusam-
menhang zwischen dem Verzehr von
Hamburgern, Fertiggerichten und Soft-
drinks und dem Anstieg des Body-Mass-
Indexes (BMI) gibt. Ärzte und Ernäh-
rungsexperten warnen daher vor dem
ungezügelten Genuss von Pommes und
Fertigpizzen. Vielleicht tragen neben
den Verbrauchern selbst aber auch die
Staaten, in denen sie leben, eine Mitver-
antwortung für die grassierende Epide-
mie der Fettleibigkeit. In einer kürzlich
erschienenen amerikanischen Studie
vertreten Präventionsforscher die The-
se, dass das Ausmaß der staatlichen In Staaten mit liberalisierten Märkten wird mehr Fast Food konsumiert
Marktregulation den Konsum von Fast
Food beeinflusst: Je stärker Staaten ih- den Jahren 1999 bis 2008. In diesem Überrascht wurde das Forscherteam
ren Wirtschaftsmarkt regulieren, desto Zeitraum wuchs der jährliche Pro-Kopf- von einem weiteren Ergebnis seiner Stu-
weniger industriell gefertigte Lebens- Verbrauch an Fast Food um fast vier die. So stieg in dem überprüften Zeit-
mittel werden gegessen und desto nied- Prozentpunkte. Gleichzeitig stieg der raum die Gesamtkalorienzahl nur ge-
riger fällt auch der Anstieg des BMI aus. durchschnittliche BMI von 25,8 auf 26,4. ring an, und der Verzehr tierischer Fet-
„In Ländern wie Kanada, Australien, In die Untersuchung einbezogen wur- te ging sogar leicht zurück – obwohl
Irland und Neuseeland haben wir die den verkaufte Mahlzeiten und Soft- doch gerade in den überprüften Jahren
höchsten Zuwächse beobachtet, was den drinks von Fast-Food-Ketten wie die Anzahl adipöser Menschen zuge-
jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von Fast McDonald’s, aber auch von Speiseloka- nommen hat. Eine Erklärung für das
Food anbelangt“, sagt Roberto de Vog- len und Imbissen. Rätsel haben die Wissenschaftler aller-
li vom Department of Public Health Sci- Nach Ansicht der Wissenschaftler be- dings nicht finden können. Sie verwei-
ences der Universität von Kalifornien. steht eine starke Korrelation zwischen sen stattdessen auf eventuelle Messfeh-
In den genannten Ländern herrschen steigendem Fast-Food-Verzehr und hö- ler sowie auf andere Faktoren als Ursa-
besonders marktfreundliche Bedingun- herem BMI sowie dem Einfluss markt- chen für Übergewicht. Wobei sie unver-
gen. Den geringsten Anstieg verzeich- liberaler Bestimmungen. Um die „Über- ständlicherweise weder pf lanzliche
neten dagegen Länder wie Italien, Grie- gewichtsepidemie“ einzudämmen, for- Fette, die einen Großteil der Fettaufnah-
chenland, die Niederlande und Belgien. dern De Vogli und seine Kollegen daher me ausmachen, noch mangelnde Bewe-
Hier gelten oder galten für Unterneh- von der Politik konkrete Maßnahmen: gung erwähnen.
men in stärkerem Maße Vorschriften zum Beispiel ökonomische Anreize, um ■ Angelika Sylvia Friedl
wie Preiskontrollen und Kennzeichnung gesunde und frische Nahrungsmittel
von Inhaltsstoffen in Lebensmitteln. herzustellen, Steuern für Produzenten Roberto De Vogli, Anne Kouvonen, David Gimeno: The
Die Forscher werteten für ihre Studie von Fast Food und Softdrinks und eine influence of market deregulation on fast food con-
sumption and body mass index: A cross-national time
riesige Datenmengen aus und sammel- Kontrolle der Werbung, besonders wenn series analysis. Bulletin of the World Health Organiza-
ten Zahlen aus 25 OECD-Ländern aus sie an Kinder gerichtet ist. tion, 92/2, 2014, 99–107A
58 Gesundheit & Psyche

Kurzvisite
Körperlos versagt
das Gedächtnis
Bisweilen überfällt Menschen das gespenstische Gefühl, nicht
mehr in ihrem Körper zu sein. Sie betrachten dann von außen,
was ihnen da gerade widerfährt. Solche „dissoziativen Zustän-
de“ können bei einer Psychose oder während eines traumati-
schen Erlebnisses wie einem schweren Verkehrsunfall auftreten.
Oft erinnern sich die Betreffenden später nur bruchstückhaft
an das Geschehen. Forscher am Karolinska-Institut in Stock-
holm haben jetzt in einem Experiment demonstriert, dass auch
kerngesunde Probanden solche Gedächtnisausfälle zeigen, so-
bald man ihnen eine außerkörperliche Illusion beschert. Die Teilnehmer wurden per Datenbrille und Kopfhörer in
eine virtuelle Welt versetzt, während ein sehr exzentrischer Versuchsleiter (in Wahrheit ein Schauspieler) sie mit
Wissensfragen traktierte – eine skurrile Situation, die eigentlich im Gedächtnis bleiben sollte. Doch jene Proban-
den, denen während des Experiments ein außerkörperlicher Zustand vorgegaukelt worden war, hatten eine Wo-
che später Mühe, sich an Details und Reihenfolge der Ereignisse zu erinnern. Ein Hirnscan bestätigte: Der Hippo-
campus, der Sinneseindrücke zu Erinnerungen zusammenbaut, blieb stumm. Ergo: Nur wenn wir subjektiv in
unserem Körper verankert sind, können wir uns Erlebnisse richtig einprägen. DOI: 10.1073/pnas.1318801111

„Sie sind fett, wissen Sie das?“


Haben Sie das Gefühl, Ihr Arzt verurteilt Sie wegen Ihres Gewichts? Dann werden
Sie wohl schwerer von Ihren Kilos runterkommen. Das lässt eine amerikanische
Studie mit mehr als 600 stark übergewichtigen Teilnehmern vermuten. Die Forscher
von der Johns Hopkins University fragten die Patienten, ob sie sich von ihrem Arzt
wegen des Gewichts getadelt fühlten, ob sie nach solch einem Arztbesuch Gewicht
„Schließlich die Frage von meinem
verlieren wollten und inwiefern sie diesen Vorsatz bisher umsetzen konnten. Die
Mitbewohner: ‚Giulia, du studierst
Studienteilnehmer waren im Schnitt 47 Jahre alt und hatten einen Body-Mass-
doch Medizin – wie geht Kacken?‘
Index von 31,5. Zwei von drei waren im vergangenen Jahr von ihrem Hausarzt auf
Als ich herausfand, dass sogar
das Übergewicht angesprochen worden. Jeder fünfte Patient hatte dabei jedoch
das so ausgeklügelt ist, war ich
das Gefühl, der Mediziner wolle ihm nicht wirklich helfen, sondern über sein Äu-
völlig begeistert vom Darm.
ßeres richten. Befragte, denen es so erging, wollten daraufhin zwar deutlich häu-
Dann gab es kein Zurück mehr.“
figer abnehmen als die anderen Patienten. Doch es blieb beim Vorsatz. Sie verloren
GIULIA ENDERS, AUTORIN DES BESTSELLERS nur selten eine klinisch bedeutsame Menge ihres Körpergewichts. ■ JANA HAUSCHILD
DARM MIT CHARME, IM FR ANKFURTER UNIREPORT
DOI: 10.1016/j.ypmed.2014.02.001

Ach, darum gähnen die Wiener!


Warum gähnen wir? Damit wir mehr Sauerstoff aufnehmen, lautet die beliebteste
Annahme. Doch die Belege dafür sind dürftig. Der amerikanische Psychologe Andrew
Gallup hat eine andere Theorie: Gähnen dient der Wärmeregulation – es kühlt das
Gehirn. Um das zu testen, untersuchten Forscher der Universität Wien mit Kollegen
aus den USA die Gähnfrequenz von Wiener Fußgängern im Sommer und im Winter
und verglichen die Ergebnisse mit denen einer identischen Studie im Wüstenklima von
Arizona. Fazit: Die Wiener gähnten im Sommer mehr als im Winter, während die Be-
fragten in Arizona mehr im Winter als im Sommer gähnten. Im Licht der Gallup-Theo-
rie ergibt das Sinn: Im kalten Wiener Winter braucht das Gehirn keine Gähnkühlung –
zu viel kalte Luft schadet dann eher. Und in den heißen Sommern von Arizona ist
Gähnen schlicht sinnlos, denn es verschafft keinerlei Kühlung: Die Außentemperatur
ist dort dann ähnlich hoch wie die Körperwärme. DOI: 10.1016/j.physbeh.2014.03.032
Gesundheit & Psyche 59

Digitale Dividende statt


»digitaler Demenz«!
„Zeig mir mal deine Hüfte!“
Klingt wie ein Klischee, entspricht aber wohl den Tatsachen: Frau-
en mit breiten Hüften sind sexuell freizügiger als schmalhüftige.
Victoria Simpson und ihre englischen Mitforscher legten bei 148
jungen Frauen im Alter zwischen 19 und 26 Jahren Maß an. Ferner
beantworteten die Probandinnen Fragen zu ihren sexuellen Gepflo-
genheiten. Aus den Daten ergibt sich ein eindeutiger Zusammen-
hang zwischen der Hüftbreite – gemessen am Abstand der beiden
oberen Enden des Beckenkamms – und der Anzahl der Sexualpart-
Hans Baldung Grien: Adam und Eva, 1531

ner. Teilnehmerinnen mit mehr als 36 Zentimeter breiten Hüften


hatten in ihrer bisherigen Laufbahn mehr Liebhaber als solche, de-
ren Becken weniger als 31 Zentimeter maß. Oder andersherum
gerechnet: Frauen, bei denen mindestens drei von vier ihrer sexu-
ellen Begegnungen One-Night-Stands waren, hatten mindestens
zwei Zentimeter breitere Hüften als Geschlechtsgenossinnen, die
es mit festen Partnerschaften hielten. Ob die Teilnehmerinnen eher Der Autor zeigt, wie neue Medien
verkrustete Strukturen im Unterricht
eine Wespen- oder eine Hummeltaille hatten, war hinsichtlich ihrer
aufbrechen und Entdeckergeist
amourösen Experimentierfreudigkeit hingegen ohne Belang – einzig die Hüfte zählte. Die
und die Lernmotivation geweckt
spekulative Erklärung der Forscher: In der menschlichen Evolutionsgeschichte seien Gebur- werden.
ten für schmalhüftige Frauen gefährlicher gewesen, und ihre Nachfahrinnen kalkulierten
280 Seiten, broschiert | € 26,95 D
daher genauer, ob sich das Risiko jeweils lohnt. DOI: 10.1007/s10508-014-0289-z *4#/r"VDIBMT E-BookFSIÅMUMJDI

www.beltz.de
Fahrstuhlmusik beruhigt nur mäßig, besser wirken
Filme. Ärzte der Universität von Rochester statteten
25 Männern und Frauen während einer ambulanten Biop-
Marion Elling-Chong Luna
sie oder eines Kathetereingriffs mit Videobrillen aus, Stressbefreiung + Entspannung
Am Mühlweiher 1
durch die sie einen Tier- oder Zeichentrickfilm anschau- 78052 Villingen-Schwenningen

ten. Das lenkte und schirmte sie von dem Geschehen um www.Praxis-SonnenSeite.de

sie herum ab. Diese Patienten waren nach dem Eingriff


um 18 Prozent weniger ängstlich als vorher, während die
Angst bei Probanden ohne Filmbrille nur um 7,5 Prozent
Ich bin
nachließ. Mitglied
DOI : 10.1016 /J.JVIR.2013.12.154
im VFP weil:
Der Geruch der Angst ... mich die ersten Telefonate sofort
Menschen sind sehr gut darin, Signale zu deuten, die auf eine mögliche Gefahr von der Engagiertheit und Kompetenz
hinweisen. Ein solches Signal ist die Angst anderer Personen: Wenn sich die Au- überzeugt haben
gen unseres Gegenübers plötzlich panisch weiten, sehen wir uns selbst ängstlich ... ich Antworten bekomme rund um die
um, weil wir einen Angriff befürchten. Auch unsere Nase ist dabei ein wichtiger Führung einer Praxis
Risikosensor. Das zeigt eine aktuelle Studie niederländischer Forscher. Zunächst
... er wirklich gute Verbandsarbeit leistet
führten sie Versuchspersonen furchteinflößende Filmausschnitte vor und sam-
melten derweil den Achselschweiß ihrer Teilnehmer. In einem zweiten Experiment ... er innovative Projekte entwickelt,
konfrontierten sie andere Probanden mit Videoclips, die entweder neutrale oder z. B. den Therapeuten-Notdienst
Gefahrensituationen zeigten. Zuvor hatten sie diese Gruppe an Angstschweiß
Informationen über den VFP erhalten Sie hier:
oder normalen Schweißproben riechen lassen. Ergebnis: Mit dem Angstschweiß
Verband Freier Psychotherapeuten,
in der Nase reagierten die Probanden auf beide Arten von Clips (also selbst auf
Heilpraktiker für Psychotherapie
die unbedrohlichen) mit größerer Furcht. Der Geruch der Angst kann uns also und Psychologischer Berater e.V.
auch dann in Panik versetzen, wenn sich die Situation für unsere Augen und Oh- Lister Str. 7, 30163 Hannover
ren völlig ungefährlich darstellt – entgegen der traditionellen Annahme, dass wir Telefon 05 11 / 3 88 64 24
audiovisuellen Signalen generell mehr Gewicht einräumen. ■ FR ANK LUERWEG www.vfp.de | info@vfp.de

DOI: 10.1037/a0033731 VFP

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
60 Trauma und Psychotherapie

„Was Menschen verfolgt,


ist das letzte Bild
vor der Katastrophe“
Sie standen in der U-Bahn, als sich dort ein Selbstmordattentäter
in die Luft sprengte, oder mussten zusehen, wie der Tsunami
einen Freund mit sich riss: Wer bei Anke Ehlers Hilfe sucht, hat eine
Katastrophe durchlebt, die ihn nicht mehr loslässt. Die Psycho-
therapeutin entwickelt Verfahren, die traumatisierten Patienten
eine Rückkehr ins Leben ermöglichen

Frau Profes-
P S YC H O L O G I E H E U T E gefühl und das politische Handeln in PH … das Sie mit zwei anderen klini-
sor Ehlers, können Sie sich an den 7. Ju- der ganzen Welt beeinflussen. Was mich schen Psychologen leiteten, Paul Sal-
li 2005 erinnern? in meinem Beruf als Psychotherapeutin kovskis und Ihrem Ehemann, David M.
A N K E E H L E R S Selbstverständlich! und Psychotherapieforscherin aber vor Clark. Konnten Sie helfen?
Das war ein schwarzer Tag, ein trauma- allem interessiert, sind die Auswirkun- EH L E R S Nun, posttraumatische Belas-
tischer Schlag für ganz Großbritannien. gen solcher Ereignisse – oder allgemein: tungsstörungen, kurz PTBS, sind seit
P H In London, mitten im morgendli- die Auswirkungen traumatischer Ereig- gut 30 Jahren als schwere psychische
chen Berufsverkehr, zündeten damals nisse – auf den Einzelnen in seinem so- Verletzungen wissenschaftlich klassifi-
islamistische Terroristen, vermutlich zialen Umfeld. ziert. Die Psychologie arbeitet bis heute
Selbstmordattentäter, vier Bomben. In P H Niemand weiß, wie viele Menschen intensiv daran, die Mechanismen immer
Bahnhöfen, in der U-Bahn, in einem von dem Attentat in London mittelbar besser zu verstehen und die Methoden
Bus. 56 Menschen wurden getötet, 775 betroffen waren – als Augenzeugen des der Behandlung immer genauer auszu-
verletzt, viele von ihnen schrecklich ver- schrecklichen Geschehens etwa oder als arbeiten. Wir wissen heute viel über
stümmelt. Glauben Sie, dass das Land Angehörige von Menschen, die Leben Wirkzusammenhänge und kognitive
heute, fast zehn Jahre nach dem An- oder Gesundheit verloren haben. Viele wie emotionale Komponenten dieses
schlag, über das Trauma hinweggekom- kamen zur Behandlung ihrer Traumata Problems. Wir können uns auf sehr gu-
men ist? zu Ihnen ins Maudsley Hospital im Stadt- te Daten aus randomisierten Therapie-
E H L E R S Ich glaube, die Erinnerung an teil Camberwell. studien stützen, das ist in der Therapie-
eine solche Tat wird sich nie ganz tilgen E H L E R S Fast 800 Verletzte wurden da- forschung der Gold Standard. Viele Stu-
lassen. Sie bestimmt das Klima im Land, mals in einem Screening-Programm auf dien haben wir auch in unserer eigenen
das allgemeine Gefühl von Sicherheit, psychische Folgen untersucht, rund 200 Ambulanz gemacht – ich denke also, wir
Planbarkeit und Kontrolle; sie beein- von ihnen sind in therapeutische Be- waren wirklich ordentlich vorbereitet.
flusst Entscheidungen der Politik. Den- handlung gekommen – und tatsächlich Tatsächlich fanden wir, dass die Thera-
ken Sie auch an die Terroranschläge vom kamen viele zu uns in unser Centre for pieerfolge bei den Überlebenden der
11. September 2001 in New York, deren Anxiety Disorders and Trauma, also das Bombenattentate genauso gut waren wie
Erschütterungen bis heute das Lebens- Zentrum für Angststörungen … in unseren kontrollierten Studien: Mehr

PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014


Trauma und Psychotherapie 61

manche berichten, dass sie sich innerlich


wie tot fühlen, unfähig, irgendwelche
Emotionen zu haben.
P H Weil alle Emotion auf das trauma-
tische Ereignis gerichtet ist?
EHL E R S Die Flashbacks sind so lebhaft,
dass es den Betroffenen vorkommt, als
passiere das alles hier und jetzt. Manch-
mal können sie überhaupt nicht mehr
zwischen ihrer gegenwärtigen Realität
und dem längst vergangenen Trauma
unterscheiden. Wir hatten eine Patien-
tin, die im Schlachthof arbeitete und
dort von einem Bullen angegriffen wor-
den war. Sie hatte zwar mit einem
Sprung durchs Fenster ihr Leben retten
können, aber auch lange Zeit danach
verspürte sie immer wieder den Impuls,
in panischer Flucht davonzulaufen. Ein-
mal ist sie auf einem Spaziergang in ei-
nen Fluss gesprungen und weit hinaus-
geschwommen – später stellte sich her-
aus, dass sie auf einer eingezäunten Wei-
de, weit entfernt, ein paar Kühe gesehen
hatte. Es war Winter, das Wasser eiskalt;
die Frau hat sich also wirklich in Gefahr
gebracht.
P H Was wäre in einem solchen Fall zu
tun?
E H L E R S Wir halfen ihr, die Auslöser
des Flashbacks zu erkennen und zu ler-
nen, ihre Aufmerksamkeit auf das zu
richten, was in einer gegenwärtigen Si-
Es geschah mitten im Berufsverkehr: Vor der Londoner U-Bahn-Station Edgware Road tuation anders ist als damals im
steht eine Augenzeugin des Terroranschlags unter Schock Schlachthof – sie konnte sich zum Bei-
spiel vergegenwärtigen: Das sind ja nur
Kühe, die friedlich auf der Weide stehen;
die nehmen mich nicht einmal zur
als 70 Prozent der Behandelten ging es wenden sie große Energie auf, um Situ- Kenntnis; ich bin draußen, ich kann
nach der Therapie deutlich besser. ationen und Menschen aus dem Weg zu mich frei bewegen; es riecht anders.
P H Was sind denn allgemein die Sym- gehen, die sie an das Trauma erinnern. P H Das klingt nach einer sehr sachli-
ptome einer PTBS? Häufig kommen Symptome einer über- chen Form der Auseinandersetzung.
E H L E R S Das Kernsymptom ist, dass mäßigen Erregung hinzu, Schlafstörun- E H L E R S Die therapeutische Wirklich-
die Erinnerung an so ein Trauma immer gen, Konzentrationsprobleme, Reizbar- keit ist komplexer. Die Auslöser sind in-
wiederkehrt. Betroffene erleben soge- keit und Schreckhaftigkeit. Viele verlie- dividuell sehr verschieden und nicht
nannte Flashbacks, also ungewollte Bil- ren das Interesse an Dingen, die für sie leicht zu erkennen, wenn sie etwa nur
der und Eindrücke, die sie heimsuchen früher wichtig waren, und fühlen sich auf einer Sinnesebene Gemeinsamkei-
wie aus heiterem Himmel. Zugleich entfremdet von anderen Menschen. Und ten mit dem Trauma haben. Dann ge-
62 Trauma und Psychotherapie

nügt schon eine Farbe, ein Geruch oder


eine bestimmte Tonfrequenz, um solche
Erinnerung hervorzurufen. Wir müssen
also mit jedem Patienten sehr detailliert
daran arbeiten, die individuellen Aus-
löser zu entdecken, um zwischen dem
Damals und dem Jetzt unterscheiden zu
können.
P H Wo liegt der Unterschied zu den
unmittelbaren Reaktionen auf das Er-
eignis?
E H L E R S Der erscheint zunächst gar
nicht mal so groß. Die meisten Opfer
werden unmittelbar nach einem Trauma
schlecht schlafen, Albträume haben oder
Bilder vom Geschehen vor sich sehen.
Oder sie glauben, Geräusche zu hören,
etwa den Knall vom Unfall, das Klirren
von Glas, das Schlittern der Reifen auf
der Straße. Solche Erinnerungen werden
ganz spontan in den Kopf kommen.
Der zerfetzte Bus am Tavistock Square
P H Ganz normal?
E H L E R S Vollkommen normal! Le-
bensbedrohliche Ereignisse müssen ver-
arbeitet werden. Dazu ist es notwendig,
die Erinnerungen immer wieder zu be- cal Debriefing kurz nach dem Erlebnis … sogar schlechter geht, als wenn man sie
fragen. Bei den meisten Menschen ebbt PH … eine schnelle, quasi eine Instant- einfach ihre natürlichen Bewältigungs-
das irgendwann wieder ab, nach ein paar Form der nachträglichen Bearbeitung mechanismen nutzen lässt.
Wochen oder vielleicht auch Monaten. und Strukturierung, um langfristige P H Aber auch Ihre Arbeit besteht doch
Dann können sie wieder in den Alltag Belastungsstörungen zu verhindern. darin, das Geschehen und die Reaktio-
zurückkehren. Aber bei denen, die eine E H L E R S Das war eine gut gemeinte nen darauf noch einmal aufzuarbeiten.
posttraumatische Belastungsstörung als Idee. Die traumatisierten Opfer von Un- E H L E R S Wir konzentrieren uns auf
chronisches Problem entwickeln, lässt glücksfällen oder Verbrechen sollten Menschen, die sich nicht von allein er-
das auch nach Monaten nicht nach. möglichst rasch nach dem Geschehen – holen. Und es ist mühsam und aufwen-
P H Das spräche eigentlich gegen eine etwa von Notfall-Einsatzkräften – dazu dig, ihre Probleme aufzuarbeiten. Das
Versorgung durch psychologisch ge- angeleitet werden, sehr detailliert über erfordert in den meisten Fällen etwa
schulte Helfer, die mit Blaulicht an den das Trauma zu sprechen, auch die eige- zwölf Doppelsitzungen – es ist also nicht
Ort des Geschehens rasen. nen Reaktionen bis ins Detail zu reflek- damit getan, sich einmal alles von der
E H L E R S Ich will die Arbeit von Seel- tieren. Die Annahme war, dass man sich Seele zu reden.
sorgern oder Krisenhelfern am Ort eines die Last ein für allemal, wie man so sagt: P H Wie gehen Sie dabei vor?
Unglücks oder einer Katastrophe nicht von der Seele redet. Leider hat sich die E H L E R S Die Therapie hat drei Ansatz-
in Zweifel ziehen, und natürlich benö- Methode nicht bewährt. Es gab viele punkte: Wir betrachten gemeinsam mit
tigen Traumaopfer möglichst schnell Studien dazu; die meisten finden keinen dem Patienten, welche Momente am
emotionale und praktische Unterstüt- Unterschied, ob es dieses Debriefing nun schlimmsten waren, warum diese Mo-
zung. Aber die psychische Verarbeitung gegeben hat oder nicht. Schön, da könn- mente weiter so bedrohlich sind und
eines solch einschneidenden Erlebnisses te man noch sagen: Das ist vielleicht nur welche neue Perspektive sich aus heuti-
braucht Zeit. Ebenso eine gewisse Dis- eine Verschwendung von Energie auf- ger Sicht bietet. Wir erarbeiten, zweitens,
tanz, um über das Erlebte und dessen seiten der Helfer oder auch der Opfer. die individuellen Auslöser der Flash-
Bedeutung nachdenken zu können und Damit kann man leben. Aber zumindest backs und helfen den Patienten, anders
es als Teil der Vergangenheit zu erleben. zwei Studien – eine davon haben wir an als bislang auf sie zu reagieren. Und drit-
Das erklärt vielleicht die enttäuschenden unserem Institut gemacht – kamen zu tens geht es darum, Verhaltensweisen
Ergebnisse mit einmaligem Psychologi- dem Resultat, dass es diesen Patienten aufzugeben, die einer Besserung im Weg
Trauma und Psychotherapie 63

Die Verarbeitung eines solchen Erlebnisses braucht Zeit. Unmittelbar nach


dem Unglück alles durchzusprechen ist eher schädlich als nützlich

stehen – ständiges Grübeln etwa oder in den tobenden Wassermassen ver- was ihm möglich war. Er ließ sogar die
überzogene Anstrengungen, sich Sicher- schwanden. Erinnerung daran zu, dass er anderen
heit zu verschaffen. Denken Sie an die P H Merkwürdig. Es waren also nicht Menschen geholfen, einer jungen Frau
Frau, die in den Fluss gesprungen ist, etwa das Schreien des bereits fortgeris- sogar das Leben gerettet hatte. Das half
um sich vor den Kühen in Sicherheit zu senen Freundes, die krachenden Zerstö- ihm, die traumatische Situation zu über-
bringen. rungen der Umgebung oder vielleicht winden. Er hörte auf zu grübeln und
P H Also ist in jedem Fall eine sehr spe- die Bestätigung, dass der Freund die konnte wieder arbeiten.
zifische Geschichte aufzuarbeiten. Katastrophe nicht überlebt hat … P H Es scheint in diesen endlos wieder-
E H L E R S So ist es. Damit steht und fällt E H L E R S Genau das ist interessant: Wir kehrenden Erinnerungen und den Ge-
der Erfolg einer Therapie. Ich erinnere haben oft erlebt, dass nicht etwa der Mo- dankenschleifen beim Grübeln also vor
mich etwa an einen Mann aus London, ment der Katastrophe selbst in Bildern allem um die Verhandlung von Ursäch-
nennen wir ihn Michael, der im Dezem- oder Geräuschen im Gedächtnis wie- lichkeit zu gehen. Spielt die Frage nach
ber 2004 Urlaub in Thailand machte, dererlebt wird. Es ist das Kreischen der Kontrolle und Kontrollierbarkeit eine
als dort der Tsunami die Küsten über- Bremsen vor einem Verkehrsunfall, es Rolle?
rollte, ganze Landstriche verwüstete und ist der huschende Schatten eines Räu- E H L E R S Eine große! Es geht ja auch
bers, oder es sind die ra- darum, sich in der Verarbeitung eines
schen Schritte des Verge- Geschehens vor künftigen Katastrophen
„Das Bild, das ihn nicht mehr waltigers, die ein Verbre- in Sicherheit zu bringen: Es wäre alles
losließ, waren die Hände chen ankündigten, es ist anders gekommen, wenn ich dieses oder
der Blick eines Attentäters, jenes Detail rechtzeitig erkannt hätte …
des Freundes. Hände, nach kurz bevor er zuschlägt P H Macht es also einen Unterschied für
oder eine Bombe zündet – die Arbeit an solchen Störungen, ob ei-
denen er griff, bis sie ihm es sind oft Eindrücke, die ner ein jugendlicher Hallodri ist, der mit
doch entglitten“ der Katastrophe unmittel-
bar vorausgingen.
Vollgas durch die Stadt brettert, bis er
irgendwann gegen die Wand knallt, oder
P H Als machte der Betrof- ob es sich um einen reiferen, erfahrenen
Zigtausende von Einheimischen und fene sich nachträglich Vorwürfe, nicht Menschen handelt, der immer vorsich-
Touristen tötete. Michael überlebte. Er rechtzeitig oder nicht richtig reagiert zu tig fährt?
kam zu uns in die Therapie, weil die haben … E H L E R S Der Unterschied liegt in der
Erinnerung ihn nicht losließ, weil er E H L E R S So war es bei Michael. Für ihn Wahrscheinlichkeit, mit der sich aus
nicht mehr schlafen, sich nicht mehr blieb der Moment, der ihm immer wie- dem Schock eine chronische Störung
konzentrieren und seiner Arbeit nicht der ins Gedächtnis kam, ein Moment entwickelt. Bei Verkehrsunfällen haben
mehr nachgehen konnte. Er hatte ver- eigenen Versagens. Er gab sich die Schuld wir das empirisch untersucht: Leiden
sucht, einen Freund zu retten, der aber am Tod des Freundes – und schloss da- Menschen, die den Unfall selbst verur-
von der Welle fortgerissen wurde und raus, dass er ein schlechter, wertloser sacht haben, danach häufiger oder we-
ertrank. Das Bild, das ihn lange danach Mensch sei. Er verfiel in ein Grübeln niger häufig unter einer posttraumati-
noch heimsuchte und nicht mehr losließ, darüber, was er hätte anders machen schen Belastungsstörung? Und Sie wer-
waren die Hände des Freundes. Hände, sollen. In der Therapie gelang es ihm, den staunen: Im Schnitt erwiesen sich
nach denen er griff, die er festzuhalten die Umstände realistisch zu betrachten. die schuldhaften Verursacher als weni-
suchte, bis sie ihm doch entglitten und Er akzeptierte, dass er alles getan hatte, ger gefährdet! Der Mechanismus lässt

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
64 Trauma und Psychotherapie

Niemand ist gegen Traumatisierung immun.


Selbst routinierte Katastrophenhelfer, Feuerwehrleute oder Rettungssanitäter kann es treffen

sich erklären. Wahrscheinlich denken wahrscheinlich ist es, dass jemand so völlig davor geschützt. Auch der an sich
sie sich: Ich war unvorsichtig, bin zu ein chronisches Problem entwickelt? Da unerschrockene Draufgänger könnte ei-
schnell gefahren, habe mich ablenken spielen zunächst Daten zur Persönlich- ne solche dauerhafte Störung entwi-
lassen. Aber das alles habe ich unter Kon- keit des Betroffenen und seiner Vorge- ckeln, wenn er zum Beispiel Todesangst
trolle. Ich kann nächstes Mal vorsichti- schichte eine Rolle, zum Beispiel wie empfunden hat und auf den Gedanken
ger sein. ängstlich oder depressiv jemand vorher verfällt: „Beim nächsten Mal überlebe
P H Ob einer für sein ganzes Leben ei- schon war oder ob er schon andere Trau- ich so etwas nicht.“ Bedroht sind auch
ne Last mit sich herumträgt, ob er – aus mata erlebt hat. Dann die Art des Trau- Menschen, die in ihren Berufen eigent-
eigener Schuld oder als unschuldiges mas: Wenn man das Opfer eines Ver- lich ganz routiniert solchen Erfahrun-
Opfer – davon drangsaliert wird bis zu brechens geworden ist, von Vergewalti- gen begegnen.
dem Punkt, an dem er darunter zusam- gung, Überfall oder gar Folter, wenn P H Was sind das für Berufe?
menbricht: Ist das tatsächlich eine Fra- man also ein Trauma erlitten hat, das E H L E R S Soldaten etwa. Unter denen
ge der persönlichen Verarbeitung? einem von anderen in böser Absicht zu- stellen solche Störungen ein gravieren-
E H L E R S Doch, das ist es. Wir haben gefügt wurde – dann ruft das mit viel des und durchaus verbreitetes Problem
immer wieder erlebt, dass die kognitive höherer Wahrscheinlichkeit eine post- dar. Denken Sie nur an die vielen Vete-
Kodierung eines Traumas – im Moment traumatische Belastungsstörung hervor ranen aus Afghanistan oder dem Irak-
des Erlebens und danach – ein Risiko- als zum Beispiel ein Unfall. krieg. Es dringt nicht so stark in unseren
faktor von entscheidender Bedeutung P H Gibt es Menschen, die psychisch Alltag durch, weil die Kriege heute meist
ist. Deshalb stellen wir in unserer For- immun sind? in fernen Ländern geführt werden. Aber
schung immer wieder die Frage: Wie E H L E R S Das wohl nicht. Niemand ist manche der heimkehrenden Soldaten
sind durch ihre Erlebnisse völlig aus der
Bahn geworfen worden. Es ist dann sehr
unterstützt durch ein Stipendium des britischen schwer, sie wieder in den Alltag zu in-
Wellcome Trust, nach Oxford, wechselte 2000 tegrieren und ihnen eine Chance zu er-
ans King’s College nach London, wo sie gemein-
sam mit ihrem Ehemann David M. Clark das
öffnen, ein unbeschwertes Leben auf-
Centre for Anxiety Disorders and Trauma am zunehmen.
Maudsley Hospital leitete. Angststörungen, P H An den Veteranen des Vietnam-
posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)
blieben ihr Spezialgebiet auch nach ihrer Rück-
kriegs sind ganze Generationen von Hel-
kehr 2012 an die Oxford University. fern in den USA gescheitert.
Anke Ehlers ist Mitglied der Deutschen Akade- EHL E R S Aber auch Katastrophenhelfer
mie der Naturforscher Leopoldina, der British können betroffen sein, Feuerwehrleute,
Academy und der Academia Europaea. Ihre Polizisten, Rettungssanitäter. Oder Zug-
Behandlungsrichtlinien für posttraumatische
Belastungsstörungen wurden 2006 mit dem
fahrer, die erleben mussten, wie plötzlich
Anke Ehlers, 1957 in Kiel geboren, hat in Tü- Buchpreis der British Medical Association aus- ein Mensch auf die Schienen sprang. Wir
bingen Psychologie studiert. Nach der Promoti- gezeichnet, sie wurde 2013 mit dem Deutschen arbeiten mit dem London Ambulance
on 1985, betreut von dem dort lehrenden Niels Psychologenpreis und dem Oswald-Külpe-Preis
Service zusammen. Das sind die Helfer,
Birbaumer und dem Amerikaner Walton T. Roth geehrt und erhielt 2014 für ihre Forschungsar-
von der Stanford University, und der Habilitation beit den American Psychological Association die etwa zu Selbstmorden oder schlim-
in Marburg war Ehlers zunächst Professorin an Award for Distinguished Scientific Contributions men Unfällen gerufen werden und dann
der FU Berlin und in Göttingen und ging 1993, to Clinical Psychology. als Erste zur Stelle sind. Natürlich haben
sie sich ihren Beruf ausgesucht und
Trauma und Psychotherapie 65

schaffen es, auch in solchen Situationen sehen gesehen und sofort zum Telefon die in den sechziger und siebziger Jahren
überlegt und professionell zu handeln. gegriffen, um mit ihrem Vater, ihrer in der Verhaltenstherapie diskutiert und
Aber manchmal sind die Konstellatio- Schwester, ihrer Verlobten oder ihrem auch exerziert wurden, geradezu ab-
nen so, dass ihre Erlebnisse im Beruf Sohn im World Trade Center zu spre- schreckend – zum Beispiel Aversions-
ihrem persönlichen Leben doch zu na- chen. Und dann war plötzlich die Lei- therapie oder die Versuche, Homosexu-
he kommen. Stellen Sie sich vor, dass tung unterbrochen, und sie wussten: In alität gegenzukonditionieren. Da habe
etwa Kinder betroffen sind. Dann kön- diesem Moment stirbt mein Angehöri- ich lieber parallel zum Studium in Tü-
nen auch erfahrene Helfer bisweilen die ger … bingen meine Gesprächstherapie-Aus-
professionelle Barriere nicht aufrecht- P H Dazu die Milliarden von Menschen bildung gemacht und aus eigener Tasche
erhalten und erleben ebenfalls, wie sich in der ganzen Welt, die den Schrecken bezahlt. In der Arbeit mit Patienten aber
ein Trauma selbständig macht und ihren immer wieder am Bildschirm nacher- wurde mir klar, dass ein rein nondirek-
Alltag bis zur Lähmung beherrscht. leben mussten: Erlitten nicht auch sie tives Vorgehen oft nicht ausreicht. Und
P H Nach den Terrorattacken vom 11. ein Trauma? die Wirksamkeit verhaltenstherapeuti-
September 2001 in New York erhielten E H L E R S Da bin ich skeptisch! Ich habe scher Methoden, insbesondere bei den
rund 690 000 Menschen irgendeine ernsthafte Zweifel, dass Bilder im Fern- Angststörungen, ist beindruckend. Das
Form von psychologischer Krisenhilfe. sehen eine posttraumatische Belas- hat mich überzeugt. Ebenso die Verhal-
Viele Fachleute beklagen dennoch, dass tungsstörung auslösen können. Was wir tensmedizin, also die Frage, wie wir mit
da ein gewaltiger Bedarf an Beratung in unserer Praxis behandeln, sind ge- Psychologie körperliche Probleme und
und Therapie nicht befriedigt werden wichtigere Fälle – etwa Traumata, bei Beschwerden behandeln können.
konnte. Wie wäre es, die Zahl einmal denen die Patienten selbst
von der anderen Seite zu betrachten? oder nahestehende Perso-
690 000 Menschen bei einem Ereignis, nen direkt betroffen waren. „Dann war plötzlich die
das eine ganze Kultur, eine ganze He- Oder es kommen Men-
misphäre erschüttert: Das sind doch ei- schen zur Therapie, die di- Telefonleitung unterbrochen,
gentlich erstaunlich wenige. rekt dabei waren, als je-
E H L E R S Sie haben recht: Die Wider- mand schwer verletzt oder
und sie wussten:
standsfähigkeit, die Resilienz, die viele getötet wurde. In diesem Moment stirbt
in traumatischen Situationen zeigen, ist P H Was auffällt, ist eine
immer wieder erstaunlich. Es ist ver- Nähe zur Psychoanalyse. mein Angehöriger“
blüffend, was Menschen verarbeiten Dort geht es ja auch um
können, über wie viele schreckliche Er- Traumata, die ihre Wir-
fahrungen sie aus eigenen Mitteln hin- kung perpetuieren. Wahrscheinlich sind P H Und plötzlich bekam die so nüch-
wegkommen. Tatsächlich ist die chro- es oft Traumata anderer Art. Aber etwa terne Verhaltenstherapie ein menschli-
nische PTBS eine relativ seltene Reak- sexueller Missbrauch … ches Antlitz …
tion. Viele werden durch ihr Umfeld E H L E R S Ich denke, psychisches Trau- E H L E R S Nun ja, von der Idee der Black
aufgefangen, durch ihre Familie, viele ma ist eine Grundfrage der klinischen Box jedenfalls haben wir uns schnell
erholen sich auch von ganz schlimmen Psychologie seit den Tagen von Sigmund verabschiedet. Die Reduktion auf Input,
Traumata. In der Behandlung konzen- Freud. Man will verstehen, wie ein trau- Output und Konditionierung, wie sie
trieren wir uns auf die, die nicht von matisches Erlebnis zu den jeweiligen der frühe Behaviorismus nahelegte,
allein herausfinden. Symptomen führen kann. Und wie die passte einfach nicht zu den Problemen,
P H Aber bei Nine Eleven hatte die Ka- Betroffenen zu behandeln sind. Das ge- die uns im therapeutischen Alltag be-
tastrophe eine Dimension, die auch auf meinsame Interesse überschneidet sich gegneten. Wir haben gelernt, gemein-
dieser Ebene nicht mehr zu bewältigen da vollkommen. sam mit unseren Patienten Erklärungs-
war. P H Sie sind dennoch zur Verhaltens- modelle für ihre Störung zu erarbeiten,
E H L E R S Tatsächlich haben viele nicht therapie zurückgekehrt. und das tun wir noch heute. Und unser
bekommen, was sie brauchten und was E H L E R S Sagen wir: bei ihr geblieben. Lehrer Niels Birbaumer hat schon sehr
ihnen geholfen hätte. Die akute Krisen- Und zwar mit einem deutlichen Schwer- früh betont: Bei Phänomenen wie Angst
intervention war nach den Terroratta- punkt auf kognitiven Interventionen. müssen wir neben dem Verhalten auch
cken oft nicht ausreichend. Denken Sie Ich hatte zwar zunächst gedacht, Ansatz kognitive Prozesse bearbeiten. PH
etwa daran, wie viele Menschen nahe- und Menschenbild der Gesprächsthe- ■ Mit Anke Ehlers
stehende Personen verloren haben. Vie- rapie lägen mir viel näher. Zudem fand sprach Martin Tschechne
le haben die ersten Bilder live im Fern- ich einige Techniken und Therapieziele,

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
66 Neue Medien

Warum das Internet


uns schlauer macht
An besorgten Stimmen fehlt es nicht: Das ständige Surfen im Internet mache
uns dumm. Unser Gedächtnis werde immer schwächer, weil wir uns nichts
mehr merken müssten. Eine Reihe von Experten sieht das allerdings anders. Sie
sind davon überzeugt, dass Internet und Co. uns ganz neue Arten des Lernens
und Denkens eröffnen
■ Ingrid Glomp
Neue Medien 67

M
acht Google uns dumm?“,
fragte der Journalist Nicho-
las Carr im Sommer 2008 in
einem viel zitierten Artikel in der ame-
rikanischen Zeitschrift The Atlantic. Der
Untertitel ließ Schlimmes ahnen: „Was
das Internet unseren Gehirnen antut“.
Manfred Spitzer, Psychiater und Klinik-
direktor in Ulm, wird noch deutlicher.
„Wie wir uns und unsere Kinder um
den Verstand bringen“ lautet der Unter-
titel seines im Jahr 2012 erschienenen
Buches Digitale Demenz. Vier von zehn
Eltern in London glauben, dass das In-
ternet die Macht besitzt, Gehirne neu
zu verdrahten.
Was manche Laien mit Sorge erfüllt,
findet der Hirnforscher Michael Made-
ja von der Universität Frankfurt jedoch
nicht bedenklich. Der Tageszeitung Die
Welt gegenüber meinte er: „Jegliche Tä-
tigkeit verändert den inneren Aufbau
unseres Gehirns, denn die Verarbeitung normalerweise in Gruppen (Gilden) mit Begeisterung aufhalten, und sie mo-
von Informationen führt zu neuen oder spielt, finden sich immer wieder Perso- tivieren durch das Gefühl, nicht nur für
veränderten Kontakten zwischen den nen, die zum Beispiel mehr oder weni- die Schule und die Lehrer zu lernen?
Nervenzellen.“ Jede Art von Erfahrung ger ausführliche Anleitungen zur Bewäl- Dorothy Burt in Neuseeland und ih-
schlägt sich im Gehirn nieder, „verdrah- tigung bestimmter Probleme schreiben. re Kollegen ließen ihre Schüler Aufsät-
tet“ es also tatsächlich neu. Es wäre auch Steinkuehler und ihre Mitarbeiter ze in Internetblogs veröffentlichen. Und
traurig, wenn nicht. Denn dann könn- entwarfen auf der Basis von WoW ein sie ermutigten Eltern und Freunde, die-
ten wir nichts Neues lernen. Insofern außerschulisches Programm für Jungen. se Texte zu lesen und zu kommentieren.
verändert natürlich auch unser Umgang Sie schufen in der virtuellen Welt ein Sogar Fremde aus anderen Ländern oder
mit Computern und anderen digitalen privates Forum für die Gilde der Teil- auch der Autor eines Buchs, das bespro-
Geräten unser Gehirn. nehmer, wo das passieren konnte, was chen wurde, meldeten sich zu Wort. Die
die Wissenschaftlerin informelles, in- Schüler hatten plötzlich das Gefühl, für
Der technische Fortschritt teressegetriebenes Lernen nennt. Wenn interessierte Leser zu schreiben und
ermöglicht neues Lernen sie erfolgreich spielen wollen, müssen nicht nur für Lehrer, die gezwungen wa-
Einen positiven Blick auf die Einflüsse die jungen Leute lesen. Wenn sie ande- ren, ihre Texte zu lesen. Der Erfolg, so
von Internet & Co wirft der Autor Clive ren helfen wollen, müssen sie schreiben. Thompson, ließ sich messen, denn die
Thompson in seinem Buch Smarter than Ebenso müssen sie schreiben, wenn sie Notendurchschnitte an den betreffen-
you think: How technology is changing in den Foren diskutieren. den Schulen verbesserten sich deutlich.
our minds for the better. Er sieht in den Mit einer weiteren Studie belegte Die Wissenschaftlerin Brenna Clarke
neuen Medien zum Beispiel große Chan- Steinkuehler, dass Jungen im Alter von Gray stellte ihren Studenten die Aufga-
cen, was den Schulunterricht angeht, und 12 bis 18 Jahren durchaus fähig waren, be, Wikipedia-Beiträge über kanadische
belegt seine These mit aktuellen Beispie- schwierige Texte zu lesen, wenn das The- Autoren zu schreiben. „Ich merkte, dass
I L L U S T R AT I O N E N : F R A N K M A I E R

len aus der Forschung. ma sie interessierte. „Videospiele schei- Studenten sich oft mit einer schlechten
Männliche Teenager lassen sich durch nen zunehmend die Lösung – und nicht Zensur von mir zufriedengaben, jedoch
Onlinespiele wie beispielsweise World die Ursache – des Problems von heran- nicht wollten, dass die Wikipedia-Ge-
of Warcraft (WoW) zum Lesen und wachsenden Jungen und dem Lesen zu meinschaft ihnen sagte, dass sie bei ih-
Schreiben motivieren. Das zeigte die sein“, schreibt Steinkuehler. Und kommt rer Forschung faul oder nachlässig wa-
Psychologin Constance Steinkuehler zu dem Schluss: „Interesse ist wichtig.“ ren“, erklärt sie in einem Interview mit
von der University of Wisconsin. Da die- Warum sollte man junge Menschen der Zeitschrift Edtech. Ein Nebeneffekt:
se Spiele sehr komplex sind und man sie nicht da abholen, wo sie sich häufig und Die Studenten verstanden besser, wie

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68 Neue Medien

Einträge in Wikipedia zustande kom- Unterricht, die (Video-)Vorlesungen, von einer Reihe von Universitäten im
men, und konnten das Onlinelexikon findet zu Hause statt, und die Schüler Internet angeboten, vor allem in den
besser als Forschungswerkzeug einset- bestimmen, wann sie lernen wollen. Die USA, aber inzwischen auch in Deutsch-
zen. „Hausaufgaben“, das Anwenden des Ge- land (siehe Heft 5/2014: Psychologie stu-
lernten, erfolgen in der Schule mit den dieren im Internet). Tony Kim verwen-
Studieren, wann und wo man will Mitschülern und dem Lehrer. dete den Kurs Circuits and Electronics
Mithilfe der neuen Medien lässt sich der Tony Kim, ein mongolischer Dokto- (Schaltkreise und Elektronik) des pres-
Lernalltag außerdem neu strukturieren. rand an der Stanford University, hat vor- tigeträchtigen Massachusetts Institute of
Das Stichwort lautet „umgekehrter Un- gemacht, wie das aussehen kann. Er un- Technology (MIT) in Cambridge, Mas-
terricht“. Mit dieser Lernmethode wird terrichtete in Ulan-Bator, der Haupt- sachusetts. Dieses Fach belegen dort ge-
auch an deutschen Universitäten expe- stadt der Mongolei, Highschoolschüler wöhnlich Collegestudenten im zweiten
rimentiert. Die Vorreiter sitzen jedoch mithilfe eines Massive Open Online Jahr. Die 15-jährigen Schülerinnen und
in den USA. „Umgekehrt“ bedeutet: Der Course (MOOC). Diese Kurse werden Schüler von Tony Kim schauten die Vor-
lesungen zu Hause an und absolvierten
dort auch die zugehörigen interaktiven
Übungen. Dann arbeiteten sie täglich
das Gelernte in Zweier- und Dreiergrup-
pen mit Kim durch und machten Expe-
rimente. Schüler, die die englische Spra-
che besser beherrschten, halfen denen,
die mit dem Verstehen Probleme hatten.
Am Ende des Semesters hatten zehn
Gymnasiasten den Unikurs bestanden,
zwei mit der Höchstnote A.
Die Vorteile des umgekehrten Unter-
richts fasste Anant Agarwal, der als Pro-
fessor für Elektrotechnik und Informa-
tik am MIT für die Gestaltung des von
Kim verwendeten Kurses mit verant-
wortlich war, in seinem Vortrag zusam-
men:
1. Aktives Lernen. Dafür werden die
Videovorlesungen immer wieder von
interaktiven Übungen zum gerade Ge-
hörten unterbrochen.
2. Individuelles Lerntempo. Schüler
können, wenn sie etwas nicht verstanden
haben, die Pausetaste drücken und die
betreffende Passage erneut anschauen.
3. Unmittelbares Feedback während
der interaktiven Übungen. Wenn sie ei-
ne falsche Antwort gegeben haben, er-
fahren Schüler dies sofort und können
es erneut versuchen. Wenn sie richtig
lagen, werden sie mit einem grünen Häk-
chen belohnt – was stärker motiviert,
als man vielleicht meinen sollte.
4. Die gamification, also das Nutzen
spielerischer Elemente. So können die
Lernenden zum Beispiel in Computer-
simulationen damit experimentieren,
wie man einen Schaltkreis baut.
Neue Medien 69

Umgekehrter Unterricht: Die Schüler bestimmen, wann und wo sie lernen, doch die
„Hausaufgaben“ machen sie gemeinsam in der Schule

5. Peer learning. Die Schüler lernen mit- Zugang zu grenzenlosem Wissen Besteht aber nicht die Gefahr, dass
und voneinander, etwa in Diskussions- unser Gedächtnis mangels Übung ver-
foren und in Interaktionen, wie sie sie Das Internet wiederum macht uns kümmert und wir uns ohne die Krücke
zum Beispiel von Facebook kennen. schlauer und mündiger, weil wir Zugriff Internet nichts mehr merken können?
auf unzählige Quellen haben und uns Das sieht Thompson nicht so: „For-
Wie Agarwal berichtet, laufen bereits leichter Gehör verschaffen können. Wir schungsergebnisse legen nahe, dass wir,
Pilotstudien zu dieser neuen Unter- müssen uns nicht wie früher darauf ver- wenn es um Wissen geht, das uns inte-
richtsform. Eine fand an der San José lassen, was die zwei oder drei Zeitungen ressiert, unser Gedächtnis nicht abschal-
State University in Kalifornien mit dem und Zeitschriften verkünden, die wir ten.“ Was uns begeistert, womit wir uns
bereits erwähnten Elektrotechnikkurs regelmäßig lesen. Wer will, kann Infor- häufig und intensiv beschäftigen, daran
statt, der Jahr für Jahr eine Durchfall- mationen aus der ganzen Welt zu einem erinnern wir uns auch. Oder wie Thomp-
quote von etwa 40 Prozent hatte. Dieses Thema finden. Aber was geschieht mit son entsprechende Studien zusammen-
Mal hingegen bestanden beachtliche 91 unserem Gedächtnis, wenn wir alle In- fasst: „Je mehr man von einem Gebiet
Prozent der Studenten. formationen mit ein, zwei Klicks im In- versteht, desto leichter absorbiert man
Nicht nur in Schule und Universität ternet finden können? „Im Gehirn spei- Fakten darüber.“ Wer kennt nicht Fuß-
profitiert der menschliche Geist vom chern oder auslagern in die Wolke?“, ballfans, die sich noch nach Jahren an
technischen Fortschritt. Videospielen fragt Manfred Spitzer in einer Über- wichtige Spielstände erinnern können
vergrößert Hirnbereiche, die für räum- schrift seines Buchs. Und impliziert, und sich auch neue gut merken, wenn
liche Orientierung, Gedächtnisbildung, dass „im Gehirn speichern“ die bessere sie für sie Bedeutung haben?
strategisches Denken sowie Feinmotorik Alternative ist. Allerdings verschweigt Doch Computer und Internet erwei-
bedeutsam sind. Das entdeckten For- er, dass die Menschen seit der Erfindung tern nicht nur unser Gedächtnis, sie be-
scher des Max-Planck-Instituts für Bil- der Schrift Wege gefunden haben, um einflussen auch unser Denken. Nicholas
dungsforschung und der Psychiatri- ihr Gedächtnis zu entlasten. Vom Buch- Carr schreibt: „Es ist zu erwarten, dass
schen Universitätsklinik der Charité im druck ganz zu schweigen. die Schaltkreise, die durch unsere Ver-
St.-Hedwig-Krankenhaus. Die erwach- Wissenschaftler wie Spitzer wären wendung des Netzes gewebt werden, sich
senen Probanden spielten dafür zwei aufgeschmissen, wenn sie auf das in ih- von denen unterscheiden, die entstehen,
Monate lang täglich 30 Minuten Super ren Gehirnen gespeicherte Wissen an- wenn wir Bücher und andere Druck-
Mario 64. In Bezug auf das räumliche gewiesen wären. Clive Thompson weist werke lesen.“ Thompson findet diese
Denken zeigten die Wissenschaftler, in seinem Buch darauf hin, dass das Idee keineswegs beunruhigend. „Unse-
dass manche Arten von Spielen besser Wissen um Fakten schon immer eine re Intelligenz hat sich nie vollständig nur
wirken als andere: Das größte Wachs- hochkollaborative Angelegenheit war. in unseren Köpfen befunden“, sagt er in
tum der entsprechenden Hirnmasse ver- Wir verlassen uns auf jede Menge Spe- einem Interview. Oder zumindest nicht,
ursachten Logik- und Puzzlespiele wie zialisten, wenn es um medizinische, seit Menschen zum ersten Mal Keil-
Tetris oder Minesweeper sowie Super technische oder juristische Informati- schrift oder Hieroglyphen auf Ton- und
Mario 64. onen geht oder auch nur darum, wie Steintafeln als Gedächtnisstütze benutz-
„Das Spielen von Videogames gibt man einen Sauerbraten macht. Die Zei- ten. Auch die Philosophen Andy Clark
Otto Normalverbraucher die geschärf- ten, in denen ein Mensch alles Wissen, und David J. Chalmers sind der Mei-
te Aufmerksamkeit eines Kampfpilo- das er im Leben brauchte, im Gedächt- nung, dass unser Geist nicht ausschließ-
ten“, meint die Kognitionswissenschaft- nis gespeichert hatte, waren lange vor lich auf unser Gehirn beschränkt ist,
lerin Lera Boroditsky von der Universi- der Erfindung des ersten Computers sondern sich unter Umständen auch auf
ty of California. vorbei. Teile der Umwelt ausdehnt. Sie prägten

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70 Neue Medien

Videospielen schärft den Geist. Es vergrößert Hirnbereiche, die für räumliche


Orientierung, Gedächtnis, strategisches Denken oder Feinmotorik zuständig sind

für dieses Phänomen 1998 den Begriff


extended mind (erweiterter Geist, siehe
auch Heft 9/2010: Wo endet der Geist?).
„Der erweiterte Geist bewegt sich flink
zwischen äußeren und inneren Quellen
hin und her und schenkt dabei der Tat-
sache, woher seine Informationen kom-
men, wenig Beachtung“, schreibt der
Wissenschaftsjournalist Carl Zimmer.

Von anderen lernen


Schön und gut, wenn man die digitalen
Medien auf solch sinnvolle Art und Wei-
se nutzt. Aber hat das nicht auch seinen
Preis? „Soziale Netzwerke – Facebook
statt face to face“ überschreibt Spitzer
ein Kapitel seines Buchs. Und beklagt
darin unter anderem „die Anonymität
des Internets“. Dies hat mit der Realität
der meisten Nutzer allerdings nichts zu Über soziale Medien stehen wir au- Die bekanntesten Beispiele für dieses,
tun, wie Umfragen in den USA und ßerdem direkt und indirekt mit mehr wie Thompson es nennt, public thinking
Deutschland zeigen. Der durchschnitt- Menschen als früher in Kontakt und sind vermutlich die Online-Enzyklopä-
liche Nutzer hat mehr enge Beziehungen damit mit ihrem Wissen, das nicht un- die Wikipedia und das Betriebssystem
und ein nur halb so großes Risiko, so- bedingt in Büchern oder anderen Me- Linux. Auch Wissenschaftler machen
zial isoliert zu sein, wie ein Durch- dien leicht zugänglich ist. Während sich die Weisheit und den Arbeitseinsatz
schnittsamerikaner. Facebook belebt Google schnelle Antworten auf Fakten- der vielen Mitgestalter zunutze. Beim
„eingeschlafene“ Beziehungen neu, und fragen bietet, sind Menschen besser da- Projekt Fold.it geht es zum Beispiel da-
seine Teilnehmer sind politisch stärker rin, Lösungen für Probleme zu finden. rum, herauszufinden, wie die dreidi-
engagiert als die meisten Menschen, be- Zum Beispiel in Foren, die sich speziel- mensionale Struktur bestimmter Pro-
richtet das amerikanische Pew Research len Themen widmen, von der Fleckent- teine aussieht. In Form von Computer-
Internet Project. Zudem haben selbst auf fernung über technische Details be- spielen können Laien die Proteinketten
den ersten Blick so trivial erscheinende stimmter Smartphones bis hin zu ein- immer anders auffalten. Sie können im
Informationen wie „die Katze ist krank, zelnen wissenschaftlichen Disziplinen. Team arbeiten oder auch allein. In einem
es regnet schon seit drei Wochen, ich Clive Thompson spricht von einer „Flut Fall ermittelten zwei Gruppen von Spie-
lese gerade das Buch X“ einen positiven von Amateurkooperationen“, wobei er lern in drei Wochen die Struktur eines
Effekt. Sie schaffen etwas, das Thomp- mit Amateur nicht jemanden meint, der bestimmten Proteins, etwas, das Biolo-
son in seinem Buch als ambient aware- stümperhaft arbeitet, sondern jeman- gen in zehn Jahren nicht gelungen war.
ness bezeichnet, also in etwa als Wahr- den, der etwas aus Begeisterung tut und Wie erzielen Amateure solche Erfolge?
nehmung der Lebensbedingungen. nicht für Geld. Das ist wichtig, denn so- „Indem sie sehr offen sind und ihre bes-
Wenn man sich dann leibhaftig trifft, bald es um finanzielle Gewinne geht, te Arbeit teilen und ihre Lieblingsme-
ist man bereits auf dem Laufenden und bei Firmen etwa, ist die Offenheit, die thoden posten, sodass andere sie ver-
kann ohne lange Erklärungen ins Ge- eine solche Zusammenarbeit erfordert, bessern können“, lautet Thompsons
spräch einsteigen. gewöhnlich nicht gegeben. Antwort. Ihre Motivation? Menschen
Neue Medien 71
Antwor t ite pe r Fa x an 030
- 209 16 6 413
Se nd en Sie die se Se res se!
ten ste he nd e Ad
od er pe r Po st an un

genössen das Gefühl, etwas zum allge- es wollen oder müssen.“ Seiten wie die Wirtschaftspsychologie
aktuell
meinen Wissen beizutragen, meint der Kommentarsektion zu Carrs Artikel
kanadische Autor. Dazu passt der Slogan zeigten, dass Menschen sehr wohl fähig
der Fold.it-Seite: Solve puzzles for sci- seien, sich stundenlang mit Texten und
ence – Löse Rätsel für die Wissenschaft. Argumenten auseinanderzusetzen. Potenziale erkennen
Andere Internetnutzer verlegen sich David Dalrymple vom Massachusetts
darauf, Fragen in Portalen zu beantwor- Institute of Technology hat dazu eine in-
ten. Thompson zitiert eine Umfrage un- teressante Theorie. Wissen sei früher
ter Personen, die ihr Wissen im südko- eine innere Eigenschaft eines Menschen
reanischen Portal Naver zur Verfügung gewesen, und die Konzentration auf die
stellen. Was viele von ihnen antrieb, war jeweilige Aufgabe ließ sich von außen Ihr Vor
te
il: G esch
Sie sp
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S c hwe e n k :
die Freude daran, anderen zu helfen. erzwingen. Dank des Internets könne me hr n
rp
„Raus unk t
als au
45% ! Stress s de r
Andere erklärten, dass das Formulieren Wissen von außen zugeführt werden, falle“

der Antworten ihnen half, ihre Gedan- zur Konzentration müsse man sich je-
ken zu ordnen und einen Überblick über doch innerlich zwingen. Auch der Wis-
ihr eigenes Wissen zu bekommen. Der senschaftsjournalist Carl Zimmer Gerade ist das neue Themenheft „Potenziale
Vorteil der neuen Medien: Man ist beim glaubt, dass man Wege finden muss, mit erkennen“ erschienen. Darin werden neue
Erklären nicht mehr nur auf die Schrift- den allgegenwärtigen Ablenkungen um- Ansätze zur Potenzialentwicklung vorgestellt.
form oder allenfalls einzelne Abbildun- zugehen. Doch er ist optimistisch:
Diese Ausgabe und die nachfolgende „Lernen
gen angewiesen. Wer bei der Videoplatt- „Wenn wir etwas gelernt haben, seit
form YouTube nach „Tutorials“ (Anlei- Clark und Chalmers The extended mind 4.0“ erhalten Sie jetzt im Schnupper-Abo.
tungen) sucht, findet mehr als 80 Mil- veröffentlichten, dann ist es, nicht die
lionen Ergebnisse. Die Filmchen zeigen Fähigkeit des Verstandes zu unterschät- Wenn Sie bis zum 31. August 2014 bestellen,
Schritt für Schritt, wie man bestimmte zen, sich an eine sich ändernde Welt an- schenken wir Ihnen zusätzlich die Ausgabe
Software installiert und anwendet, die zupassen.“ PH „Raus aus der Stressfalle“.
verschiedensten Reparaturen durch-
führt, Gerichte kocht, Instrumente spielt Inhalte von „Potenziale Inhalte von „Lernen 4.0“
und vieles mehr. erkennen“ • Wie man Coaching lernt
Aber was ist mit den Risiken, die von • Strategische Selbsterkenntnis • Lernen im Alter
Clive Thompson: Smarter than you think. How techno-
den neuen Medien ausgehen? Natürlich logy is changing our minds for the better. E-book, 2013
• Kreatives Potenzial entdecken • Wissenserwerb durch
haben die digitalen Medien wie alles im • Diagnostik im Coaching Reflexion
Manfred Spitzer: Digitale Demenz. Wie wir uns und
Leben neben Vorteilen auch Nachteile. unsere Kinder um den Verstand bringen. Droemer, • Förderung neuer • Action Learning im
München 2012 Führungsstile Arbeitsalltag
Wenn wir bis spät in die Nacht im welt-
Nicholas Carr: Is Google making us stupid? www.the
weiten Netz unterwegs sind oder uns in atlantic.com/magazine/archive/2008/07/is-google- Ja, ich bestelle noch heute
Spielwelten verlieren, droht Schlafman- making-us-stupid/306868/
mein Schnupper-Abo:
gel mit all seinen Folgen für die physi- Clive Thompson: Nine ways to become smarter than
Senden Sie mir die beiden Ausgaben „Potenziale erkennen“ und
sche und psychische Gesundheit. Die you think. www.psychologytoday.com/blog/finding-
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zu je € 14,50 inkl. MwSt. zu. Ich spare gegenüber dem regulären
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leitet uns zum Multitasking, also dazu, Carl Zimmer: How Google is making us smarter. http:// Deutsche Psychologen Verlag für mich. Wenn Sie bis 7 Tage nach
zwischen verschiedenen Tätigkeiten hin discovermagazine.com /2009/feb /15-how-google- Erhalt der letzten Ausgabe nichts von mir hören, möchte ich
is-making-us-smarter die Zeitschrift im Jahresabo beziehen (4 Ausgaben zu je € 18,-).
und her zu springen. Die Folge: Häufig
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las Carr beklagt in seinem Artikel: „Das Organisation/Firma/Name
Andy Clark, David J. Chalmers: The extended mind.
Netz scheint an meiner Fähigkeit zur MIT Press, Cambridge 2012
Konzentration und Kontemplation zu Straße
nagen.“ Ein junger Mann mit Namen VIDEO
Jamal hält dem in einem längeren Kom- Jesse Brown und die kanadischen Show Search Engine PLZ, Ort
„Macht das Internet uns dümmer?“
mentar entgegen: „Wenn Sie mit jünge- www.youtube.com/watch?v=6TW9HGuWMJo
E-Mail/Telefon
ren Menschen wie mir sprechen, werden
VIDEO
142101

Sie entdecken, dass wir keine Probleme Universität St. Gallen „Das gute digitale Leben“ Datum, Unterschrift
haben, uns zu konzentrieren, wenn wir http://www.youtube.com/watch?v=ciZOwdJlNzo
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72 E
72 Essay
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Sich selbst begrenzen:


eine große und seltene
Kunst
Selbstbegrenzung? Mäßigung? Was hat das Thema
mit uns zu tun? Maßlos erscheint vielen die Zeit, in
der wir leben, maßlos sind die anderen, vor allem
die, die mit Geld zu tun haben, aber wir doch nicht!
Hält das einem genaueren Blick stand?
■ Wilhelm Schmid

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20
2 014
Essay 73

G
ehen wir einkaufen, eine Stan- Selbstbestimmung, ihrer Autonomie. aber um eine Ausbildung des Könnens
dardsituation des modernen Nie lässt sich vorhersagen, wie sie sich bemüht, wie das geht, eine Wahl vorzu-
Menschen. Wären wir mit So- verhalten. Die entscheidende Frage ist: bereiten und zu treffen. Mit der Idee der
krates unterwegs, könnten wir wie er Wo sind meine 5 Prozent? Und was ma- Wahlfreiheit ist schlicht auch die Auf-
einst 400 v. Chr. beim Gang über den che ich daraus? geklärtheit und Mündigkeit vorausge-
Markt in Athen sagen: „Wie viele Was ich daraus mache, kommt bei- setzt worden, die nötig ist, um eine ei-
Dinge gibt es doch, die ich nicht spielsweise beim Einkaufen zum Vor- gene Wahl zu treffen. Welcher Joghurt
brauche!“ Aber hier ist kein Sokra- schein. Jetzt liegt es allein in meiner ist denn nun der richtige für mich? Man-
tes, also sagen wir eher: „Das könn- Macht, wofür ich Geld ausgebe. Natür- gels Vorbereitung auf die Situation der
te ich alles brauchen, vieles könnte lich wissen das auch die Mächtigen auf Wahl werde ich geradezu gelähmt von
ich mir sogar leisten, nur ist leider der anderen Seite, die mein Geld haben der Zahl der Möglichkeiten, vom völli-
meine Wohnung viel zu klein!“ Das hält wollen und mir dafür Produkte vor die gen Mangel an verlässlichen Kriterien,
uns nicht davon ab, mehr mitzunehmen, Augen stellen, immer nach dem Eingang sodass ich mich nicht in der Lage sehe,
als für unsere Wohnung gut ist. rechts beginnend, entgegen dem Uhr- überhaupt zu wählen, oder ich falle von
„Was soll ich tun?“ Diese uralte ethi- zeigersinn, denn Forschungen haben einer Wahl in die andere: Diesen, nein,
sche Frage heißt heute: „Was soll ich gezeigt, dass die Menschen lieber so he- diesen, nein, doch diesen Joghurt – mit
einkaufen?“ Und die Antwort lautet: rum gehen. Das große Spiel beginnt: Ich der Konsequenz, dass die Wahlakte sich
„Alles, was nur irgendwie möglich ist!“ stehe vor dem Kühlregal und will Jo- wechselseitig aufheben. Und es geht ja
Wir halten uns damit an die in unserer ghurt einkaufen. Aber welchen? Es gibt keineswegs nur um den Joghurt: Immer
Kultur vorgegebenen Formen, in die wir mindestens zehn. und überall soll ich wählen, Präferenzen
hineingewachsen sind oder die wir als Als Epoche der Freiheit ist die Mo- bilden, Prioritäten setzen, Grenzen fest-
Konvention übernommen haben, ohne derne zwangsläufig eine Epoche der legen, den rechten Moment bestimmen.
weiter darüber nachzudenken: So ma- Wahl; als solche ist sie für die Individu- Das alles ist zu viel für mich.
chen es alle. en tagtäglich erfahrbar. Das erste Dilem- Zu allem Überfluss werden nach der
Eine Gesellschaft verändert sich in ma der modernen Wahlfreiheit besteht Wahl, wenn sie mir demnächst gelingen
dem Maße, in dem eine wachsende Zahl darin, wählen zu müssen, die Wahlfrei- sollte, die Probleme noch größer, denn
von einzelnen Menschen sich selbst ver- heit wird zu einem Wahlzwang. Das wi- jede Realisierung einer Möglichkeit be-
ändert. Eine freie Gesellschaft bietet ei- derspricht im Grunde der Idee der Frei- deutet, auf die Realisierung anderer
ne Fülle von Möglichkeiten dazu, auch heit, die mit den Möglichkeiten der Wahl Möglichkeiten verzichten zu müssen.
beim Einkaufen. verbunden ist. Mit den Möglichkeiten Dieses dritte Dilemma der modernen
Natürlich kann man kritisch fragen: wachsen aber die Zwänge der Wahl, und Wahlfreiheit ist eine besonders schmerz-
Ist die dafür nötige Selbstbestimmung damit sind noch nicht die Zwänge ge- liche Erfahrung in einer Epoche, die ei-
möglich? Verfügt der Einzelne über die meint, die zu einer bestimmten Wahl ne solche Vielzahl an verlockenden
Freiheit dazu? Wird nicht alles von an- hin drängen: Eigentlich gibt es 1000 Jo- Möglichkeiten bietet, dass die Versu-
onymen Mächten bestimmt, vor allem ghurts, aber irgendjemand möchte, dass chung naheliegt, sie alle realisieren zu
von der global operierenden Wirtschaft? ich nur zwanzig vorfinde, alle von einer wollen. Da dies nicht möglich ist, be-
Zweifellos gibt es Fremdbestimmung, Firma. Ich könnte fragen, wo die ande- deutet jede Wahl Verzicht, und das ist
Heteronomie, und dies in nicht geringem ren 980 sind, kann mich dann aber de- schmerzlich: So sehr der moderne
Maße: In vielfacher Weise wird Einfluss finitiv nicht mehr entscheiden. Mit der Mensch fürchtet, in der Vielzahl der
auf den Einzelnen genommen, auf größeren Wahlfreiheit wird der Ver- Möglichkeiten zu ertrinken, so sehr liegt
Schritt und Tritt wird er bestimmt von druss größer, ständig wählen und dafür es ihm fern, auch nur auf eine einzige
I L L U S T R AT I O N E N : P E T R A KO F E N

anderen, von anonymen Strukturen und die Verantwortung übernehmen zu zu verzichten oder durch eine selbst ge-
Institutionen. Es ist sicher nicht über- müssen. wählte Reduktion die Zahl der Möglich-
trieben zu sagen, 95 Prozent des Lebens Mit der Erfahrung, wählen zu müs- keiten einzugrenzen. Das Leben erfor-
eines Menschen seien fremdbestimmt; sen, korrespondiert diejenige, es nicht dert nicht, sämtliche Möglichkeiten zu
übrig bleiben 5 Prozent Selbstbestim- zu können – zweites Dilemma der mo- realisieren, denn dafür reicht keine End-
mung. Ist das nicht entmutigend? Den- dernen Wahlfreiheit: Die moderne Kul- lichkeit aus. Eher kommt es darauf an,
noch erweisen sich die Menschen immer tur hat sich zwar aufopfernd um eine ausgewählte Möglichkeiten so weit wie
noch als eigensinnig, das ist Teil ihrer Ausweitung der Möglichkeiten, nicht möglich zu verwirklichen. Und hinzu-

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74 Essay

Die Vielzahl der Verlockungen fordert Auswahl.


Doch jede Wahl bedeutet Verzicht, und das ist schmerzlich

nehmen, dass vieles offenbleibt. Was Wenn wirklich, wie es heißt, die Lie- mit leben zu lernen, dass nicht alle Wün-
heißt das für den Joghurt? Einer muss be durch den Magen geht, dann gilt dies sche jederzeit wahr werden können,
es sein! Der Rest ist Verzicht. doch auch für die Liebe zu mir selbst: schon weil etwa der andere andere Wün-
Sollte ich mich aber für Überlegung Der Joghurt kann mir nicht egal sein. sche hat und weil er, wie ich selbst, nicht
und Abwägung entscheiden, muss ich Die Ernährung ist ein Ausdruck der zur bloßen Wunscherfüllungsmaschine
mich eingehender mit Joghurt befassen, Selbstbeziehung, ein intimer Akt, den degradiert werden will.
um möglichst klug, differenziert und ein Mensch tagtäglich mit sich vollzieht Unverzichtbar ist der Verzicht nicht
wählerisch vorzugehen. Eine kluge Vor- – intimer noch als die zeitweilige inni- aus moralischen Gründen, sondern aus
gehensweise berücksichtigt die verschie- ge Berührung eines anderen Menschen. Gründen der Lebbarkeit: Die Konzen-
densten Aspekte der Ernährung, um sie Joghurt ist ein banales Beispiel. Es tration auf die Realisierung weniger
abzuwägen, einzuschätzen, Sensibilität lässt sich auch auf eine weniger banale, Möglichkeiten intensiviert das Leben
zu gewinnen, ein Gespür zu entwickeln, fraglos existenzielle Entscheidung fürs und verhindert seine Zerstreuung in Be-
auch das verfügbare Wissen heranzu- ganze Leben beziehen, nämlich: Mit liebigkeit. Abhängig ist das lediglich von
ziehen, ohne dabei Wissenschaft mit wem soll ich durchs Leben gehen? Si- einer Einübung in die Zurückhaltung,
letzter Gewissheit zu verwechseln, denn cherlich, es gibt Unterschiede: Die Men- mit der für mich selbst ein Spielraum
morgen wird es vielleicht schon wieder schen stehen nicht zur Wahl wie Jo- der Freiheit entsteht, der im Gegenzug
neue Erkenntnisse geben: Jede Aufklä- ghurtbecher. Sollte man jedenfalls mei- auch dem anderen mehr Freiraum ver-
rung von Zusammenhängen ist nur so nen. Im Internet aber vielleicht doch. schafft. Ohne Erwartungsdruck kann
gut, so weit das momentane Wissen Vielleicht kann die Joghurt-Erfahrung der andere nun darauf warten, dass sein
reicht. doch helfen, in der Liebe weiterzukom- eigenes Begehren sich wieder bemerkbar
Wie ist das also bei dem Joghurt, den men: Muss ich alle Angebote wahrneh- macht.
ich hier mitnehme? Braucht ihn mein men, die auf dem Markt sind? Sind alle
Körper oder nicht? Welche Inhaltsstof- Angebote auf dem Markt? Weiß ich, was
fe birgt er, und wie werden sie produ- ich wirklich brauche?
ziert, konserviert, bearbeitet, verpackt Muss ich mit dem anderen alles er-
und transportiert? Denn der Joghurt hat leben, wovon ich träume, oder kann es
erwünschte oder unerwünschte Konse- auch nur ein Teil davon sein? Erfah-
quenzen – nicht nur in meinem Körper, rungsgemäß wachsen die Chancen der
sondern auch am Ort seiner Produktion Liebe mit der Mäßigung der Ansprüche
und auf dem Weg zu mir. Mit seiner an den anderen. Dazu animieren könn-
Aufnahme in mich gehe ich eine engere te die Einsicht, dass ich selbst dessen
Beziehung zu seiner Herkunft, zu den Ansprüchen ja auch nicht restlos genü-
Bedingungen von Produktion und gen kann.
Transport ein. Die sozialen Bedingun- Ähnlich wie der Joghurt braucht die
gen der Arbeitsverhältnisse oder die Liebe zugleich eine Fähigkeit zur Aske-
ökologischen Bedingungen einer Frei- se, eine Einübung der Fähigkeit zum
setzung von Schadstoffen bei Herstel- Verzicht auf Möglichkeiten, jedenfalls
lung und Transport wirken auf direkte gelegentlich, um beispielsweise nicht
oder indirekte Weise auf meine eigenen ständig allen sexuellen Trieben folgen
Lebensbedingungen zurück. zu müssen. Der Verzicht ermöglicht, da-

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u g s t 2014
Essay 75

Mäßigung heißt, auf ein Maß zu ach- Das könnte ein Grund dafür sein, Ex-
ten. Das ist nicht einfach. Wie schwierig treme nicht zu scheuen, sondern sie so
es ist, das richtige Maß zu treffen, erweist weit zu treiben, dass sie die Verhältnis-
sich daran, dass es stets aufs Neue ver- se von selbst zum Umschlag bringen:
fehlt wird, meist nach wechselnden Sei- Vom „Übermaß als Heilmittel“
ten hin. In den Versuchen, alles richtig sprach schon Nietzsche (Menschli-
zu machen, erinnert ein Mensch an den ches, Allzumenschliches; Vermischte Mei-
Betrunkenen, der mal links und mal nungen und Sprüche, 365), und er sah
rechts in den Straßengraben fällt, sich darin einen möglichen Kunstgriff der
auf diese Weise aber, statistisch gesehen, Lebenskunst: „Man kann sich seine ei-
genau in der Mitte der Straße hält. Oder gene Begabung dadurch wieder häufiger umge-
wie Aristoteles, der Denker des Maßes, schmackhaft machen, dass man länge- trieben werden.
nüchtern meinte: Es sei unvermeidlich, re Zeit die entgegengesetzte übermäßig Was hat Mäßi-
„gelegentlich nach der Seite des Zuviel, verehrt und genießt. Das Uebermaß als gung mit Sinn
dann nach der des Zuwenig auszubiegen, Heilmittel zu gebrauchen ist einer der zu tun? Die Suche
denn so werden wir am leichtesten die feineren Griffe in der Lebenskunst.“ nach einem Maß für das
Mitte und das Richtige treffen“ (Niko- Keine Angst also vor Extremen: Sie eigene Selbst ist zugleich eine
machische Ethik, Buch 2). Im Wanken sorgen dafür, über Möglichkeiten der Frage nach dem Sinn: Was erscheint mir
zwischen Übermaß (hyperbole) und Un- Resonanz auch für ausufernde Schwin- sinnvoll, was nicht? Und eine mögliche
termaß (elleipsis), zwischen Übertrei- gungen zu verfügen und die Schwan- Antwort darauf ist: „Eins ist Not. – Sei-
bung und Untertreibung ist das Maß kungsbreite dessen, was als „normales nem Charakter ‚Stil geben‘ – eine große
erst zu finden, das als das angemessene Maß“ aufgefasst wird, zu vergrößern. und seltene Kunst“ (Nietzsche: Die fröh-
erscheint: mal zu viel Nähe in der Liebe, Den Erfahrungen der Askese und Eks- liche Wissenschaft). Stil heißt, eines aus-
mal zu wenig. tase verdanken wir, „gleichermaßen zuwählen und festzulegen, anderes
Ein Problem des Lebens in moderner zum Verzicht wie zum Genuss der Din- nachrangig zu behandeln; etwas Be-
Zeit besteht darin, dass das kulturell ge fähig“ zu sein, wie dies der Philosoph stimmtes vorzuziehen und hervorzuhe-
vorgegebene Maß in Bezug auf Lüste des Marc Aurel (Selbstbetrachtungen, 1, 16) ben, statt die Kräfte zu zerstreuen; sich
Essens, Trinkens, Liebens, Einkaufens bei Sokrates zu sehen glaubte, obwohl auf etwas zu konzentrieren, statt vieles
nicht den Verzicht, sondern den Exzess nicht bekannt ist, dass der außer seinem oder alles zu wollen; sich in seinen An-
vorsieht. Da sich der auf Dauer nicht gut Satz zu den vielen Dingen, die er nicht sprüchen zu begrenzen und sich nicht
leben lässt, wird es für den einzelnen brauche, auch mal gesagt hätte: „Wie irgendwie zu verhalten, sondern der ei-
Menschen zur Arbeit, sein eigenes Maß viele Dinge gibt es doch, die ich mal aus- genen Haltung und dem Verhalten For-
zwischen Zuviel und Zuwenig zu finden. probieren könnte!“ men zu geben und Grenzen zu setzen.
Das Maß, um das es in der eigenen Le- Möglich wären interessante Über- Alles ist möglich? Das ist der verführe-
bens- und Liebeskunst geht, steht nicht kreuzungen wie etwa der asketische Ex- rische Slogan der Moderne, aber sich auf
von vornherein fest; es kann, je nach zess: durch die Übung des Verzichts und alles einzulassen hieße, nichts mehr zu-
Situation und persönlicher Konstituti- die Einübung einer Verfeinerung den stande zu bringen. PH
on, auch ein Übermaß oder Untermaß nachfolgenden Genuss zu vervielfachen.
damit gemeint sein. Oder die exzessive Asketik: mit dem Ver-
Alles aber, was im Über- oder Unter- zicht auf vieles und mit der Reduktion
maß betrieben wird, erreicht früher oder auf eines sich ganz und gar nur diesem
später von selbst einen Grad der Sätti- einen zu widmen und es in höchster In-
gung oder des Mangels, an dem es in tensität zu erfahren. Wilhelm Schmid, geb. 1953, lebt in Berlin und
lehrt Philosophie als außerplanmäßiger Professor
sein Gegenteil umschlägt, und je extre- Es könnte bei alldem einen unter- an der Universität Erfurt. 2013 erhielt er für sein
mer das Über- oder Untermaß, desto gründigen Bezug zum eigenen Ich und bisheriges Werk zur Lebenskunst einen Preis der
heftiger der Umschlag. Hier geht es also zu den eigenen Vorstellungen vom Le- Egnér-Stiftung, Zürich. Homepage: www.lebens
kunstphilosophie.de. Twitter: @lebenskunstphil.
nicht darum, Gegensätze aufzuheben, ben geben, möglicherweise auch zur
Taschenbuch: Die Liebe atmen lassen. Von der Le-
eher darum, sie zu bekräftigen, denn sie Frage nach dem Sinn, von der Menschen benskunst im Umgang mit Anderen, Suhrkamp,
tragen viel zur Spannung des Lebens bei. mit fortschreitender Moderne immer 2013.

P SYC
S YC H O L O GI
GIE HEUTE Au g u st 2 0 1 4
76 Gesundheitsmythen

Hier irrt der Psychosomatiker!


Welcher Lebensstil verhilft uns zu Gesundheit und Langlebigkeit? Vermeintlich
sichere Einsichten der Forschung haben sich bei näherer Betrachtung als falsch
erwiesen. Immer positiv denken und zufrieden sein? Hilft nur scheinbar!
Neurotische Ängste vermeiden? Auch nicht immer sinnvoll! – Gibt es überhaupt
wasserdichte Erkenntnisse zum gesunden Leben?

■ Jochen Paulus

D
ie Entdeckung war nicht nur stärksten psychologischen Risikofakto- tausend Teilnehmern zusammenrech-
verblüffend. Sie schien auch ren sind Depressionen. neten, erhielten sie für den Nutzen einen
gleich klarzumachen, wie Ärz- Scheinbar folgerichtig begannen Me- Wert von 0,00. Die Ärzte mochten bei
te und Psychologen vielen Menschen zu diziner, Herzinfarktpatienten auf De- vielen die Depressionen besiegt haben,
einem besseren und längeren Leben pressionen zu untersuchen und diese doch die Patienten lebten deswegen nicht
verhelfen könnten. Forscher der Univer- gegebenenfalls zu behandeln. Einen Er- länger.
sity of California hatten 83 Studien aus- folg konnten sie verzeichnen: Die De- Wie kann das sein? Offensichtlich ist
gewertet, um herauszufinden, welche pressionen der Patienten besserten sich. es nicht so, dass Depressionen Herzin-
Persönlichkeitszüge sich am häufigsten Doch ihr Risiko, in den nächsten Jahren farkte verursachen. Denn dann müssten
bei Patienten fanden, die einen Herzin- an einem zweiten Herzinfarkt oder et- Herzinfarkte deutlicher seltener werden,
farkt oder ähnliche Erkrankungen er- was anderem zu sterben, verringerte sich wenn man die Depressionen kuriert.
litten hatten. 1987 veröffentlichten sie nicht. Als Forscher die Daten von 18 Un- Herzinfarkte und Depressionen müssen
den unerwarteten Befund: Einer der tersuchungen mit insgesamt fast zehn- irgendwie anders zusammenhängen.
Gesundheitsmythen 77

stehen. „Das sagt nichts darüber“, meint


Friedman sarkastisch, ob der Arzt eine
„Verengung ihrer Herzkranzgefäße fest-
gestellt hat“.
Aber selbst wenn die Heiteren auch
objektiv die Gesünderen sein sollten,
heißt das immer noch nicht, dass sie we-
gen ihrer Gemütsverfassung vor Ge-
sundheit strotzen. Vielleicht sorgt um-
gekehrt eine robuste Gesundheit für
gute Stimmung, das wäre ja auch plau-
sibel. Oder es gibt auch hier ganz ande-
re Gründe dafür, dass beides miteinan-
der einhergeht.
Um den wahren Zusammenhängen
auf die Spur zu kommen, schauen For-
scher nach, was zuerst kommt: die gute
Gesundheit oder die gute Laune. Dazu
machen sie Langzeitstudien. So fragten
Kamel Gana von der Universität Bor-
deaux und seine Mitarbeiter fast 900
Senioren nach ihrer Lebenszufrieden-
Vielleicht haben sie eine gemeinsame seller Der Arzt in uns selbst populär. Cou- heit und ihren Krankheiten. Acht Jahre
Ursache: Möglicherweise sind irgend- sins litt an einer chronischen Entzün- später erkundigten sie sich noch einmal.
welche Regulationsmechanismen des dung der Wirbelsäule mit geringen Hei- Wie sich nicht weiter überraschend he-
Körpers gestört, und das führt auf ganz lungschancen. Weil er gelesen hatte, dass rausstellte, genossen anfangs Kranke ihr
verschiedenen Wegen zu Depressionen negative Gefühle krank machen, ver- Leben später weniger. Aber das Umge-
und Herzproblemen. Wenn es so ist, las- suchte er es mit dem Gegenteil: Er ließ kehrte gilt nicht: Wer zu Beginn glück-
sen sich Infarkte nicht vermeiden, indem sich lustige Bücher vorlesen und sah sich lich und zufrieden war, hatte das gleiche
man Depressionen bekämpft – alle der- witzige Filme an, um sich so zum Lachen Risiko, krank zu werden, wie alle ande-
artigen Versuche „werden vergeblich zu bringen. Und tatsächlich: Er erholte ren. Glück hält wohl doch nicht gesund.
sein“, argumentiert Howard Friedman. sich, es ging ihm besser! Fortan propa- Die vielleicht berühmteste Langzeit-
Der vielfach ausgezeichnete Psycholo- gierte Cousins Lachen als medizinische studie begann der Psychologe Lewis Ter-
gieprofessor der University of California Maßnahme. Doch ein glückliches Ein- man von der Stanford University im Jahr
in Riverside hatte den Zusammenhang zelschicksal beweist leider wenig. 1921. Er rekrutierte für sie gut 1200 be-
von Depressionen und Herzproblemen Es stimmt schon: Frohe Stimmung gabte Zwölfjährige. Sie wurden ihr gan-
seinerzeit mitentdeckt. und Bekundungen guter Gesundheit zes Leben lang regelmäßig befragt. Das
Der Fehlschlag ist in seinen Augen gehen oft Hand in Hand. Das bestätig- ging natürlich nur, weil andere Forscher
typisch für den Stand der Psychosoma- te beispielsweise im vergangenen Jahr Termans Arbeit später fortführten. Ei-
tik. Er beklagt „irreführende Schluss- eine riesige Umfrage, an der 150 000 ner dieser Nachfolger ist Howard Fried-
folgerungen“, die am Ende zu „überflüs- Menschen in 142 Ländern teilnahmen. man. Weil die Studie bis zum Tod der
sigen und sogar gefährlichen Behand- Die Gefühlslage erwies sich als gewich- Teilnehmer weiterging, konnte sie ob-
lungen“ führten. tiger für die Einschätzung der eigenen jektiv erfassen, welche Teilnehmer wirk-
I L L U S T R AT I O N E N : F R E I M U T W O E S S N E R

Gesundheit als Hunger, Obdachlosigkeit lich gesund waren – nämlich die, die
M Y THOS N R . 1:
und Sicherheit vor Kriminalität. Doch lange lebten. Und sie zeigte, welche Um-
Das heilsame Lachen
in dieser wie in vielen anderen Unter- stände und Eigenschaften einem hohen
Friedman zielt mit seiner Kritik beispiels- suchungen wurde die gefühlte Gesund- Alter vorausgingen.
weise auf den verbreiteten Glauben, dass heit erfasst. Froh gestimmte Menschen Als Friedmans Team die Daten zu den
gute Laune und ein glückliches Leben aber fühlen sich natürlich eher gesund Folgen guter Laune analysierte, erlebte
Krankheiten und Tod fernhalten. Diesen als Miesepeter – kein Wunder, dass in er „eine der größten Überraschungen
Mythos machte der US-Autor Norman solchen Untersuchungen die Glückli- unseres ganzen Projekts“. Die fröhlichen
Cousins vor 35 Jahren in seinem Best- chen hinterher als besonders gesund da- und optimistischen Kinder lebten kür-

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
78 Gesundheitsmythen

zer als ihre ernsteren Kameraden. Eine


chronisch gute Stimmung erwies sich
als etwa ebenso großes Risiko wie ein
zu hoher Blutdruck oder Cholesterin-
spiegel.
Die Frohnaturen waren die „Art von
Menschen, die sich nie Gedanken über
mögliche Missgeschicke machen“, wie
es Terman ausdrückte. Das wurde of-
fenbar vielen von ihnen zum Verhäng-
nis. Als Erwachsene rauchten sie eher,
tranken mehr Alkohol und pflegten mit
Vorliebe riskante Hobbys. Folgerichtig
starben vergleichsweise viele von ihnen
bei Unfällen.
M Y THOS N R . 2 :
Die kranken Neurotiker

Umgekehrt kann es durchaus Vorteile


haben, zu jenen Menschen zu gehören,
die immer etwas befürchten oder be-
klagen. Im Fachjargon heißt diese Per-
sönlichkeitseigenschaft „Neurotizis-
mus“. Viele Forscher glauben, dass sie In die gleiche Richtung geht eine die Kirche zu gehen – zumindest für
der Gesundheit schadet. Dieser Ein- deutsche Studie mit fast 8000 Teilneh- Frauen. Treue Kirchgängerinnen verrin-
druck entsteht aber vor allem, wenn man mern, die elf Jahre lang regelmäßig für gern ihr Risiko, binnen zwölf Jahren zu
sich auf die Bekundungen der Betroffe- eine fortlaufende Bevölkerungsum- sterben, auf ein Drittel. Diese frohe Bot-
nen verlässt. Nach ihren eigenen Aus- frage, das „Sozio-oekonomische Panel“ schaft für Gläubige ermittelte ein Team
künften sind sie kränker als der Rest der interviewt wurden. Die Forscher um der University of Iowa um Susan Lut-
Bevölkerung. Sie gehen auch öfter zum Frieder Lang von der Universität Erlan- gendorf.
Arzt. Aber beides könnte ja einfach da- gen-Nürnberg lenkten ihr Augenmerk Doch in den meisten Untersuchungen
ran liegen, dass sie Beschwerden auf- auf eine Gruppe von Pessimisten unter bleibt von solchen Verheißungen wenig
grund ihres Naturells ernster nehmen den Befragten. Das waren Menschen, übrig, sobald die Forscher die Dinge nä-
als andere. die für die Zukunft eine geringere Le- her betrachten. Die braven Gottesdienst-
Untersuchungen kommen zu wider- benszufriedenheit erwarteten, als sie sie besucherinnen führen nämlich oft ein
sprüchlichen Befunden bei der Frage, dann tatsächlich erlebten. Und wie sich musterhaftes Leben. Sie trinken wenig,
ob sie auch tatsächlich kränker sind. Be- herausstellte, waren sie nicht nur zufrie- leben gesundheitsbewusst und verant-
sonders interessant sind die Ergebnisse dener als gedacht, sondern auch gesün- wortungsvoll. All dies fördert sogar oh-
der Terman-Studie: Wer sich schon früh der – sogar im Vergleich zu den anderen ne göttlichen Segen ein langes Leben und
als neurotisch erweist, ist später un- Teilnehmern. Die Älteren unter diesen ist auch für Ungläubige machbar.
glücklicher und kränker – aber er stirbt Schwarzsehern hatten ein zehn Prozent Vor allem aber sorgt das Gemeinde-
nicht so früh. Friedman wollte dies nach geringeres Risiko als die eher optimis- leben für soziale Kontakte, und das ist
der Auswertung zunächst gar nicht glau- tisch eingestellten Teilnehmer, in der wohl der wichtigste Grund, warum Kir-
ben, doch andere Studien kommen zum nächsten Dekade von einer Behinderung chentreue länger leben – nicht die Reli-
gleichen Schluss. „Neurotische Be- oder dem Tod heimgesucht zu werden. gion an sich. Das legt jedenfalls das
denkenträger“, vermutet Friedman, sind Schicksal der Frauen nahe, die im Ver-
M Y THOS N R . 3 :
offenbar besonders motiviert, auf ihre lauf der Terman-Studie vom Glauben
Religion verlängert das Leben
Gesundheit zu achten, zumal sie sich ja abfielen. Ihnen drohte nur dann ein ver-
ständig mit ihren Symptomen beschäf- Positives Denken verlängert das Leben frühter Tod, wenn sie mit dem Abschied
tigen: „Statt sich zu Tode zu grämen, also eher nicht. Aber wie steht es mit von der Kirche auch ihre sozialen Kon-
sind sie besorgt genug, um sich selbst Gottvertrauen? Viele Studien suggerie- takte verloren und nicht mehr am Ge-
am Leben zu erhalten.“ ren, dass es sich auszahlt, regelmäßig in meinschaftsleben teilnahmen.
Gesundheitsmythen 79

Neurotische Menschen sind unglücklicher und kränker.


Aber sie sterben nicht so früh

So erklärt sich wohl auch, warum Dagegen gewinnen Frauen durch das wachsen ist oder zu viel von ihm verlangt
Männern treuer Gottesdienstbesuch Ehedasein kaum an Lebenserwartung. wird. Stress an sich schadet nicht.
nicht durch ein längeres Leben gelohnt In der Terman-Studie lebten geschiede- Das demonstrierte beispielsweise
wird. Zumindest in der Generation der ne Frauen, die nicht wieder heirateten, Norris Bradbury, ein prominenter Teil-
Terman-Studienteilnehmer waren meist fast so lange wie jene, die erst der Tod nehmer der Terman-Studie. Er wurde
die Ehefrauen für die Kontaktpflege des vom Angetrauten trennte. Atomphysiker und leitete als Nachfolger
Paars zuständig. Ob die Männer zur Kir- Das sind natürlich Durchschnittsbe- von Robert Oppenheimer das riesige
che gingen oder nicht, spielte daher kei- funde, hinter denen sich sehr unter- Atomlabor von Los Alamos. Obwohl er
ne große Rolle. schiedliche Entwicklungen verbergen dort jede Menge Herausforderungen zu
Im Hinblick auf Gesundheit und Le- – je nach Art der Ehe. So empfiehlt es bewältigen hatte, wurde er 88 Jahre alt.
benserwartung scheint bei sozialen Kon- sich für Frauen über 50 nicht, einen jün- Bradbury ist kein Einzelfall. Die erfolg-
takten nicht entscheidend, als wie innig geren Mann zu heiraten. Ist der Gatte reichsten Teilnehmer der Terman-Stu-
sie empfunden werden. Zwar zeigen vie- beispielsweise acht Jahre jünger, erhöht die lebten am längsten. Ähnliches gilt
le Studien, dass Menschen sich besser sich ihr Risiko, in den nächsten Jahren für die, die jenseits der Pensionsgrenze
fühlen, wenn sie sich geliebt und um- zu sterben, um ein Fünftel. Für Männer aktiv blieben.
sorgt sehen. Aber sie leben deswegen gilt das Umgekehrte: „Mit Blick auf die Die beruflich erfolgreichen Arbeits-
nicht länger, wie Friedman im Rahmen Lebenserwartung ist es für Männer ein- tiere leben nicht zuletzt deshalb lange,
der Terman-Studie verwundert feststell- fach, eine Frau auszusuchen“, folgerte weil sie besonders gewissenhaft sind.
te. Eher kommt es darauf an, auch im der Bevölkerungswissenschaftler Sven Diese zentrale Persönlichkeitseigen-
Alter hinreichend viele Freund- und Be- Drefahl, nachdem er am Max-Planck- schaft ist die wichtigste psychologische
kanntschaften zu pflegen – auch wenn Institut für demografische Forschung Stärke von Überlebenskünstlern. Ge-
manche von ihnen eher oberflächlich in Rostock die Daten von zwei Millionen wissenhafte Menschen sind verlässlich,
sind. Wer über ein großes soziales Netz- Däninnen und Dänen ausgewertet hat- ehrgeizig, zielstrebig, arbeiten hart, sind
werk verfügt, lebt, statistisch gesehen, te: „Je jünger, desto besser.“ Warum ein gut organisiert und erliegen nicht leicht
tatsächlich länger. Außerdem hilft es, jüngeres Ehegespons gut für Männer ist, Versuchungen. Es liegt auf der Hand,
anderen zu helfen. aber schlecht für Frauen, verschweigt die dass solche Charaktere auch ihre Ge-
Statistik leider. sundheit ernst nehmen.
M Y THOS N R . 4 :
Besonders gewissenhafte Menschen
Die Ehe hält jung M Y THOS N R . 5 :
leben im Schnitt etwa drei Jahre länger
Bloß keinen Stress!
Mit der für die meisten intensivsten und als Zeitgenossen, die gerne einmal fünfe
wichtigsten Beziehung ist es dagegen so Die Ehe verlängert das Leben also nicht gerade sein lassen. Das zeigte sich bei-
eine Sache. Den Weisheiten zahlloser so, wie gerne versprochen wird. Ein paar spielsweise, als Antonio Terracciano und
Ratgeber zum Trotz ist es nur bedingt zusätzliche Jahre lassen sich eher mit seine Kollegen vom National Institute
richtig, dass die Ehe das Leben verlän- einer Lebensweise herausschlagen, die on Aging in Baltimore das Schicksal von
gert. Zwar leben Männer im Schnitt ein- keinen guten Ruf genießt: hart arbeiten über 2000 Einwohnern dieser US-Groß-
deutig länger, wenn sie verheiratet sind. in einem anspruchsvollen Beruf. Un- stadt über fast fünf Jahrzehnte verfolg-
Vielleicht kommen ihnen die sozialen zählige Zeitungsartikel raten lieber zu ten. Geringe Gewissenhaftigkeit, also
Kontakte zugute, die sie dank ihrer Frau einer entspannten Arbeitshaltung ohne eine allzu leichtfertige und undiszipli-
genießen. Vielleicht liegt es auch an de- Überstunden, weil sonst der Burnout nierte Lebenshaltung ist demnach eben-
ren Ermahnungen, weniger zu trinken drohe. Doch dazu kommt es vor allem, so gefährlich wie viele medizinische Ri-
und mal zum Arzt zu gehen. wenn jemand seiner Arbeit nicht ge- sikofaktoren.

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
80 Gesundheitsmythen

Frohnaturen leben gefährlich. Eine chronisch gute Stimmung gefährdet


die Gesundheit ähnlich wie ein zu hoher Blutdruck oder Cholesterinspiegel

Wer selbst nicht sonderlich gewissen- ten, die das Medikament oft vergaßen, Ein Teil davon ist sicher, dass es ihnen
haft ist, kann dennoch Glück haben. Ein starben häufiger. Das war noch keine gelingt, sich bessere Lebensbedingungen
Stück weit hilft es schon, wenn die Gat- große Überraschung, aber ein erster Be- zu erarbeiten. Wer schon in der Kindheit
tin oder der Gatte diese Eigenschaft in leg dafür, dass Gewissenhaftigkeit das selbstdiszipliniert zu Werke geht, be-
die Ehe einbringt. Das ergab eine Studie Leben verlängert. Doch es kam noch kommt eher gute Noten, schafft eher
des Psychologen Brent Roberts von der besser. Auch die Placebopatienten, die eine anspruchsvolle Ausbildung und
University of Illinois, an der 2200 Seni- eifrig ihre wirkungslosen Tabletten landet eher im Büro als am Band. Er
orenpaare teilnahmen. Vermutlich setzt schluckten, lebten länger. Das lag nun wohnt in einem besseren Viertel und
die gewissenhafte Gemahlin für beide offensichtlich nicht am Medikament, nicht gleich neben der Autobahn. So lebt
einen gesunden Lebensstil durch. das ja keinen Wirkstoff enthielt. Offen- es sich einfach gesünder.
sichtlich lebten diese Patienten auch sonst Doch auch das ist noch nicht alles,
K EI N M Y THOS :
gewissenhaft und konnten damit einem glaubt Howard Friedman. „Umsichtige,
Disziplin zahlt sich aus
erneuten Infarkt besser vorbeugen. ausdauernde und zielstrebige Menschen
Dass Disziplin sich auszahlt, stellten For- Gewissenhafte Menschen rauchen fällen jeden Tag eine Unzahl von Ent-
scher auch auf unerwartete Weise fest. weniger, trinken weniger und halten scheidungen, die ihr Risiko verkleinern.“
Sie beobachteten eine Gruppe von Herz- beim Essen Maß. Alles vorbildlich. Doch Sie packen die Reiseapotheke ein, ver-
infarktpatienten, von denen manche im selbst wenn dieser löbliche Lebenswan- schließen die Haustür und gehen nicht
Rahmen einer Wirksamkeitsstudie ein del in Studien berücksichtigt wird, leben bei drohendem Gewitter spazieren.
Medikament, andere hingegen ein Pla- Gewissenhafte immer noch länger, als Meistens erweisen sich solche Vorsichts-
cebo erhielten. Undisziplinierte Patien- zu erwarten. Was ist ihr Geheimnis? maßnahmen hinterher als überflüssig.
Aber manchmal eben nicht.
Offenbar gibt es keinen einfachen,
geraden Weg zu einem langen gesunden
Leben. Womöglich kommt es auf die
vielen kleinen Dinge an. PH

Literatur
Howard Friedman, Margaret Kern: Personality,
well-being, and health. The Annual Review of Psy-
chology, 65, 2014, 719–742
Howard Friedman, Leslie Martin: Die Long-Life-
Formel. Die wahren Gründe für ein langes und
glückliches Leben. Beltz, Weinheim 2012
Frieder Lang: Forecasting life satisfaction across
adulthood: Benefits of seeing a dark future? Psy-
chology and Aging, 28/1, 2013, 249–261
Sven Drefahl: How does the age gap between part-
ners affect their survival? Demography, 47/2, 2010,
313–326

PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014


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82

Buch & Kritik


R E DA K T I O N : K AT R I N B R E N N E R - B E CK E R

Karrierekampf? Nein danke!


Zwei Bücher sehen das Gute in der vielkritisierten Generation Y –
und bestätigen dennoch Vorurteile

Die Gesellschaft in Generationen ein- ne seit Kinder- oder Jugendtagen kennen ge ihrer Altersgenossen und versucht zu
zuteilen und diesen Bevölkerungsgrup- und für die Vietnam, Ghana oder Chi- erklären, warum die heutige Jugend und
pen einen klangvollen Namen zu geben le dank Globalisierung keine unerreich- die jungen Erwachsenen die komplette
sowie ihnen bestimmte Eigenschaften baren Flecken auf der Landkarte sind, Arbeitswelt auf den Kopf stellen werden.
zuzuschreiben ist in den vergangenen sondern perfekte Orte für Urlaub oder Sie beschreibt die Generation, die auch
Jahren zum Trend avanciert. So philo- ein dreimonatiges Engagement in einem mal zum Arbeiten ins Café gehen möch-
sophieren gleich zwei Journalistinnen sozialen Projekt. Auch ich gehöre, zu- te, die Jobs ablehnt, wenn sie zu viel von
in ihren Büchern über die derzeit jüngs- mindest altersmäßig, dieser Generation der Freizeit rauben oder keinen Raum
te Fraktion: die Generation Y. Dazu an – und habe versucht, mich in der Lek- für Familienplanung und Teilzeit bieten,
zählen alle, die – je nach Autorin – nach türe wiederzufinden. die nicht nach Führungspositionen
1980 beziehungsweise 1985 geboren Die Autorin Kerstin Bund ist selbst lechzt, sondern Verantwortung in Ma-
wurden. Also jene jungen Menschen, die eine Ypsilonerin, wie es inzwischen ßen annimmt, die nur so lange motiviert
in einer technisierten Welt groß gewor- heißt. Sie hält in ihrem Buch Glück mitarbeitet, solange es Spaß macht –
den sind, das Internet und Mobiltelefo- schlägt Geld ein Plädoyer für die Vorzü- und die nicht Kinder oder Karriere will,
Buch & Kritik 83

Kerstin Bund: Glück schlägt


Geld. Generation Y:
Was wir wirklich wollen.
Murmann, Hamburg 2014,
200 S., V 19,99
L ESE P RO B E
sondern beides. Der demografische
Wandel spielt ihr in die Hände. Schon Ursula Kosser: Ohne uns.
Die Generation Y und ihre
jetzt fehlen in manchen Branchen Fach- Absage an das Leistungs-
kräfte. Dort kann die neue Generation denken. DuMont, Köln
2014, 190 S., V 19,99
bereits ihren Lebensentwurf durchset-
zen. Denn die Firmen müssen etwas bie-
ten, damit die Generation Y bei ihnen
arbeitet.
Die Wir-Form, in der Bund seiten-
weise den Habitus und die Forderungen
der Ypsiloner vorstellt, reißt mit, wirkt Hochschulbildung teilweise abgehängt, Beginn des Industriezeitalters. „Das
aber auch zeitweise hochemotional bis sie hätten die gleichen Chancen auf eine WWW gibt die Regeln vor“, formuliert
pathetisch und nicht selten, als müsste Stelle wie ein Mann. Doch Frauen woll- sie eher nebenbei, spricht damit aber
sie sich selbst und ihre Lebensweise ver- ten gar nicht mehr alle Stellen, die sie meines Erachtens den Kern der gesam-
teidigen. Doch ihre Argumente sind vielleicht ergattern könnten. Sie unter- ten Entwicklungen an.
dank zahlreicher eindrücklicher Statis- würfen sich nicht mehr dem Diktat der Beide Autorinnen sehen das Gute in
tiken und Fallbeispiele zumeist stich- männlichen Wirtschaftswelt und ran- der vielkritisierten Generation Y. Doch
haltig. Sie versucht, Vorurteile der älte- gelten nicht mit Männern um Führungs- so sehr sie auch versuchen, die Vorzüge
ren Jahrgänge zu widerlegen. Aus faul positionen. Sie setzten sich lieber in Ru- der neuen Altersgruppe hervorzuheben,
wird gelassen, aus arrogant und un- he in die zweite Reihe, um von dort zu- schaffen sie trotzdem das Bild von Men-
dankbar selbstbewusst. Die jungen zusehen, wie die Männer sich vorne die schen, die vor allem an ihre eigenen Be-
Menschen von heute seien ein Produkt Nasen blutig schlagen. Selbst widmeten dürfnisse denken. „Die egoistische Suche
der gesellschaftlichen Bedingungen, ar- sie sich Familie und Hobbys. Auch sei nach dem Glück“ nennt das Kosser. Und
gumentiert Bund. Die Globalisierung der Umgang mit Sexismus ein anderer. auch bei Kerstin Bund bekommt man
ermöglicht und fordert von ihnen Mo- Die Frauen wehrten sich heute öffentlich das Gefühl, die jungen Leute von heute
bilität. Der technische Fortschritt ebnet und damit wirksam dagegen, statt das strebten nur nach dem persönlichen Op-
flexiblen Arbeitszeiten und dem Home- Thema ängstlich zu verdrängen. timum, nach Spaß und Befriedigung –
office den Weg in den Arbeitsalltag. Kossers Perspektive ist ebenso span- und zwar alles schnell, schnell. Auf mich
Doch auch Krisen sind ihre Lebensrea- nend wie Bunds Arbeitsweltprognose, wirken die prototypischen Akteure in
lität. Nichts ist verlässlich. Also glaubten doch ihr fehlen oftmals harte Fakten. den Fallbeispielen trotz all der Argumen-
die Jungen vor allem an sich selbst. Sie baut größtenteils auf Einzelfallbe- tationsbemühungen immer noch ver-
Auch Ursula Kosser streift diese stil- richte. Auch fragt man sich zwischen- wöhnt, undankbar und unangenehm
le Revolution in der Arbeitswelt, die durch immer mal, ob man nicht doch arrogant. Sie gehen, wenn es ihnen nicht
durch die Generation Y angezettelt wird. gerade ein Buch über die Geschichte und passt. Sie kämpfen nicht, weil sie dazu
Sie ist Mutter einer Ypsilonerin und er- moderne Entwicklungen in der Frauen- keine Lust haben. Sie wollen Spaß, was
klärt in ihrem Buch Ohne uns den „Al- bewegung liest. Die Brücke zum Gene- die anderen sich wünschen, ist egal. Ei-
ten und Ahnen“ die Welt der Jungen. rationenthema wirkt an mancher Stelle ne Grundhaltung, die womöglich nicht
Sie sieht jedoch eine ganz andere, un- eher drangeklatscht, als wirklich damit nur auf die Arbeitswelt begrenzt ist, son-
aufgeregte Revolution unter den Gene- verwoben. Dennoch: In beiden Büchern dern auch im Privatleben ausgelebt wird.
rationsmitgliedern ablaufen: Die Eman- wird klar, dass die Generation Y etwas Dieser Gedanke drängt sich mir zumin-
zipation der Frau ist „kein Thema mehr“. Revolutionäres mit sich bringt. Auch, dest immer wieder beim Lesen auf – und
Denn die Generation Y scheint die und das betonen beide, weil noch nie lässt mich frösteln. Ich erkenne mich und
gleichberechtigte Koexistenz von Mann eine Generation mit all diesen techni- viele meiner Freunde nur ab und zu wie-
und Frau bereits zu leben, stellt sie fest. schen Möglichkeiten groß geworden ist. der in den erschaffenen Profilen.
Frauen hätten Männer in Schul- und Kosser vergleicht das zu Recht mit dem ■ Jana Hauschild

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
84 Buch & Kritik

Die Brokkoli-Lüge:
die wahren Gründe
für ein langes und
glückliches Leben Schuld oder Scham?
Ulrich Greiner stützt sich bei seiner Analyse der Scham auf
die Literatur. Seinem selbstgesetzten Ziel wird er aber nicht
gerecht
erhältlich.
Der ehemalige Feuilletonchef und Res- Erschwerend kommt hinzu, dass der
sortleiter Literatur bei der Wochenzeit- Autor mit der neueren Fachliteratur zum
schrift Die Zeit ist ein kluger und bele- Thema Scham nur mangelhaft vertraut
sener Mann. Ulrich Greiners Buch über ist – wegweisende Arbeiten wie die von
)3".    sAuch als
320 Seiten, gebunden, a 19,95 D

den Schamverlust ist leider bemerkens- Micha Hilgers (Scham. Gesichter eines
wert unpräzise. Bei einem Band mit dem Affekts, 1996) oder von Günter Seidler
Untertitel „Vom Wandel der Gefühls- (Der Blick des Anderen. Eine Analyse der
kultur“ wüsste man doch eigentlich ger- Scham, 1995) sind ihm offenbar unbe-
ne, was das denn ist – die „Gefühlskul- kannt. Léon Wurmsers Klassiker Die
tur“. Aber dazu gibt es allenfalls vage Maske der Scham (1993) zitiert er zwar,
Hinweise und Andeutungen. Eine kon- aber es wird im Verlauf des Textes über-
zise Definition: Fehlanzeige. Und der deutlich, dass Greiner sich mit diesem
Wandel dieser ominösen Gefühlskultur gewichtigen Buch nicht wirklich ausei-
– worin besteht er denn? Auch das bleibt nandergesetzt hat. So verschwimmt ihm
letzten Endes im Dunkeln. auch der in der heutigen Theorie sehr
Vergesst Brokkoli, Wellness und weitgehend anerkannte Unterschied von
Joggen! Die wahren Gründe für Schuld und Scham unter der flinken
Feder: Der Schuld geht ein Ambivalenz-
ein lebenslanges Glück liegen Ulrich Greiner: Scham-
verlust. Vom Wandel konflikt voraus, denn das Gebot, die
woanders, das haben die Autoren der Gefühlskultur. Norm kann respektiert oder übertreten
Rowohlt, Reinbek
in einer weltweit einzigartigen 2014, 349 S., V 22,95 werden; die Folge des zweiten Falls ist
Studie herausgefunden. Charakter, dann eben die Schuld. Bei der Scham
das soziale Umfeld und Heraus- fehlt diese Ambivalenz, weshalb es auch
keine Sühne und keine Wiedergutma-
forderungen in der Arbeit führen chung gibt – sie erfasst als Missachtung
zu lang anhaltender Gesundheit. und Ablehnung tendenziell die gesam-
Das Buch enttarnt auf lockere und te Person, nicht bloß deren Taten, und
verständliche Weise weitverbreite- Dass Greiner sich hauptsächlich auf ist deshalb existenziell bedrohlich.
Literatur stützt – überwiegend auf All diese wichtigen Einzelheiten
te Mythen und zeigt anhand von
deutschsprachige –, ist verständlich. Ist streift Greiner allenfalls am Rande sei-
Selbsttests und Beispielen neue es auch sachgerecht? Diskutiert wird da- ner literaturfixierten Materialzusam-
und erfolgreiche Strategien auf, rüber nicht. Greiner sieht in der Litera- menstellung, und deshalb entgehen ihm
um gesund zu bleiben und glück- turgeschichte ein „Archiv der Gefühls- auch die zentralen Probleme des mög-
kultur“, das muss den Lesern genügen. lichen Unterschieds zwischen Scham-
lich alt zu werden.
Andere Quellen werden nicht benutzt. und Schuldkultur. Die für einen wirk-
So geht das Buch ausführlich auf Tho- lichen oder vermeintlichen „Wandel der
mas Mann ein, die Buddenbroks und den Gefühlskultur“ ja nicht ganz unwesent-
Zauberberg, auf Hermann Broch, Arthur liche Frage, ob einerseits die Sexu-
Schnitzler, Theodor Fontane und viele alscham an Virulenz verloren hat, an-
andere. Das liest sich oft unterhaltsam dererseits aber eine stärkere Statusscham
und meist auch geistreich, gelegentlich an ihre Stelle getreten ist, wird wie an-
auch etwas langatmig. Eine zentrale dere Probleme von ähnlicher Bedeutung
These fehlt dem Buch jedoch. nirgendwo systematisch behandelt.

www.beltz.de
Buch & Kritik 85

DAS GUTE IM SCHLECHTEN


Hochmut, Habgier, Trägheit, Völlerei, Wollust, Neid und Zorn, die sieben
Todsünden – moralisches Erbe des Mittelalters – haben ihre negative Be-
deutung bis in die heutige Zeit beibehalten. Von der Gesellschaft geächtet,
gehören sie zu den Lastern, von denen sich so manch einer gerne befreit
sähe. Sorgt unser Gewissen in der Regel doch ständig dafür, dass wir uns
schlecht fühlen, sobald wir ihnen nachgeben. Simon Laham, Sozialpsycho-
loge und Dozent an der Universität von Melbourne, hat die in unseren Köp-
fen verankerten Moralvorstellungen kritisch unter die Lupe genommen.
Seine Erkenntnisse stützen sich auf Studien internationaler Forscher, die
zeigen, dass der Antrieb, der hinter jedem Laster steckt, auch sein Gutes hat:
Stolze Menschen sind leistungsorientierter und beharrlicher. Die Gierigen
unter uns besitzen eine unbändig motivierende Kraft. Die trägen Geister
kommen oft zu besseren Entscheidungen. Schlemmer sind großzügiger. Der
Lüsterne kann Güte und Kreativität hervorbringen. Die Neider motivieren
sich, intelligenter und kreativer zu werden, Und der zornige Mensch (Ge-
waltfreiheit vorausgesetzt) gibt in Konfliktfällen nicht so schnell auf. Folgen
wir Lahams Schlussplädoyer, dass alle Facetten des menschlichen Verhaltens
vom Hochmut bis hin zur Selbstsucht einfach zu komplex sind, um ihnen
den schlichten Stempel der Sünde aufzudrücken, so können wir uns von
nun an auf die guten Seiten unserer Laster konzent-
rieren und sie uns zunutze machen. Der Sprecher Tho-
mas Krause hat die Audioversion fesselnd und unter-
haltsam umgesetzt und unterstützt den Hörer auf der
Suche nach Entlastung. ■ Brigitte Hort

Simon M. Laham: Der Sinn der Sünde. Die 7 Todsünden und


warum sie gut für uns sind. 2 Audio-CDs. Auditorium maximum,
Darmstadt 2013, Gesamtlaufzeit: ca. 143 Min., V 19,90

Alltagsbeobachtungen scheinen je- Buch mit dem Anspruch, „den“ Wandel


denfalls darauf hinzudeuten, dass bei „der“ Gefühlskultur zu behandeln. Fa-
Kindern und Jugendlichen unter gewis- zit: Der Band bietet etliche interessante
sen Umständen die Statusscham stärker Überlegungen zur Literaturgeschichte –
in den Vordergrund tritt als die Sexu- den selbstgesetzten Zielen wird er aber
alscham: So schämen sich Jugendliche, nicht gerecht. ■ Till Bastian

wenn sie auf ihrem Handy pornografi-


sche Darstellungen betrachten, nicht
unbedingt wegen dieser Bilder, sondern
weil ihr Mobiltelefon älteren Datums PSYCHOLOGIE HEUTE online
ist.
Stattdessen bietet Greiner einige eher Unser Newsletter informiert Sie über
aktuelle Themen, kostenlose Lese-
beiläufige und in ihrem Gehalt recht proben, neue Bücher, Termine und
fragwürdige Anmerkungen über den noch viel mehr: jetzt anmelden!
Unterschied von Scham und Peinlich-
www.psychologie-heute.de/service/newsletter/
keit. Das reicht aber nicht aus für ein

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
86 Buch & Kritik

NEU ERSCHIENEN
Rat und Lebenshilfe Denken, Fühlen, Handeln Schule und Bildung
Rolf Sellin: Bis hierher und nicht weiter. Elisha Goldstein: Der Jetzt-Effekt. Sich mit Karin Weichold, Rainer K. Silbereisen: Sucht-
Wie Sie sich zentrieren, Grenzen setzen und gut dem gegenwärtigen Moment verbinden und das prävention in der Schule. Hogrefe, 146 S.,
für sich sorgen. Kösel, 208 S., V 16,99 Leben verwandeln. Arbor, 299 S., V 19,90 V 36,95
Charlotte Mitsch: Psychisch fit wie nie zu- Erich Fenninger (Hg.): Ich bin, wer ich war. Yvonne Blöcker, Nina Hölscher (Hg.): Kinder
vor. Wie Menschen es schaffen, sich selbst und Mit Demenz leben. Residenz, 287 S., V 21,90 und Demokratie. Zwischen Theorie und
ihr Leben zu verändern. Goldegg, 304 S., V 19,95 Praxis. Wochenschau, 240 S., V 24,80
Joachim Bernd Vollmer: Der Darm-IQ. Wie das
Axel Burkart: Mit einem Satz das Leben Bauchhirn unser körperliches und seelisches
ändern. Die Kraft der richtigen Glaubenssätze. Wohlbefinden steuert. Integral, 239 S., V 17,99
Arbeit und Beruf
Irisiana, 252 S., V 16,99
Norman Schmid: Nicht immer denken. Die
Holger Lindemann: Die große Metaphern-
Ruediger Dahlke: Angstfrei leben. Ein Selbst- Kraft von Achtsamkeit, Stille und Konzentration.
Schatzkiste. Systemisch arbeiten mit Sprachbil-
heilungsprogramm. Arkana, 128 S., mit CD, Maudrich, 216 S., V 19,40
dern. Vandenhoeck & Ruprecht, 265 S., V 29,99
V 16,99
Gabriele Cerwinka, Gabriele Schranz: Die
Reinhard Plassmann (Hg.): Die Kunst, seeli-
Stefanie Demann: Selbstcoaching. Die 86 Macht der versteckten Signale. Linde,
sches Wachstum zu fördern. Transformati-
besten Tools. Gabal, 216 S., V 19,90 192 S., V 14,90
onsprozesse in der Psychotherapie. Psychosozial,
Barbara Berckhan: Das dicke Fell. Wie Sie sich Mirian Goldenberg: Untreu. Beobachtungen 300 S., V 32,90
vor Frustfallen und Nervensägen schützen. Kösel, einer Anthropologin. UVK, 272 S., V 24,99
Monika Müller: Trauergruppen leiten. Be-
108 S., V 12,99
Julia Kristeva: Dieses unglaubliche Bedürfnis troffenen Halt und Struktur geben. Vandenhoeck
Susanne Hofmeister: Wo stehe ich und wo zu glauben. Psychosozial, ca. 170 S., V 22,90 & Ruprecht, 124 S., V 14,99
geht’s jetzt hin? Wie Sie den roten Faden im
Leben finden. Gräfe und Unzer, 176 S., V 14,99
Frauen und Männer Kultur und Gesellschaft
Dorothee Döring: Endlich in Rente – und
nun? Mit heiterer Gelassenheit ins dritte Arne Hoffmann: Not am Mann. Sexismus Andrea Köhler-Ludescher: Paul Watzlawick –
Lebensalter. Paulus, 175 S., V 22,– gegen Männer. Gütersloher Verlagshaus, 256 S., Die Biografie. Huber, 240 S., V 29,95
V 19,99
Regina Ohler, Eva Maria Siefert, Karl-Heinz Well- Gerbert van Loenen: Das ist doch kein Leben
mann (Hg.): Gesund leben – gesund blei- Manuela Rösel: Wenn lieben immer wieder mehr! Warum aktive Sterbehilfe zu Fremdbe-
ben. Von Selbstheilungskräften und den Chan- weh tut. Partner in der Borderline-Beziehung. stimmung führt. Mabuse, 250 S., V 19,90
cen und Risiken einer modernen Medizin. Beltz, Starks-Sture, 196 S., V 16,90
Brigitte Witzer: Die Diktatur der Dummen.
335 S., V 16,95 Wie unsere Gesellschaft verblödet, weil die Klü-
Thomas Hohensee: Das Gelassenheitstrai- geren immer nachgeben. Heyne, 270 S., V 16,99
Kinder und Familie
ning. Wie wir Ärger, Frust und Sorgen die Macht Matthias Franz (Hg.): Die Beschneidung von
nehmen. Kailash, 224 S., V 16,99 Karl Heinz Brisch: Säuglings- und Kleinkind-
Jungen. Ein trauriges Vermächtnis. Vanden-
alter. Bindungspsychotherapie – Bindungsba-
Uwe Albrecht: Besser schlafen – besser hoeck & Ruprecht, 448 S., V 29,99
sierte Beratung und Psychotherapie. Klett-Cotta,
leben. Ullstein, 192 S., V 8,99 227 S., V 23,95 Stefan Selke: Lifelogging. Wie die digitale
Selbstvermessung unsere Gesellschaft verändert.
AMYNA e.V. – GrenzwertICH (Hg.): „War doch
Econ, 368 S., V 19,99
Psychische Gesundheit nur Spaß …“? Sexuelle Übergriffe durch
Jugendliche verhindern. AMYNA, 135 S., V 15,– Colin Goldner: Lebenslänglich hinter Git-
Otto F. Kernberg: Liebe und Aggression. Eine tern. Die Wahrheit über Gorilla, Orang-Utan &
unzertrennliche Beziehung. Schattauer, 375 S., Stephanie Witt-Loers: Trauernde Jugendliche
Co. in deutschen Zoos. Alibri, 491 S., V 24,–
V 49,99 in der Familie. Vandenhoeck & Ruprecht,
156 S., V 14,99 Insa Fooken, Jana Mikota: Puppen. Menschen-
Tilmann Niemeyer: Kleiner Psychotherapie- begleiter in Kinderwelten und imaginären Räu-
führer. Grundlagen und Methoden. Praktischer Daniel N. Stern, Nadia Bruschweiler-Stern:
men. Vandenhoeck & Ruprecht, 343 S., V 34,99
Wegweiser zur geeigneten Therapie. Junfermann, Geburt einer Mutter. Die Erfahrung,
176 S., V 16,90 die das Leben einer Frau für immer verändert. Eckhard Frick, Andreas Hamburger (Hg.):
Brandes & Apsel, 244 S., V 19,90 Freuds Religionskritik und der „Spiritual
Katharina Hanf-Dressler, Nikolai Hanf-Dressler: Turn“. Ein Dialog zwischen Philosophie und
Angstfrei durch Selbsthypnose. Die ener- Stephen Cowan: Feuerkind – Wasserkind.
Psychoanalyse. Kohlhammer, 199 S., V 29,90
getische Hypnotherapie erfolgreich selbst anwen- Die fünf ADHS-Typen kennen – das Selbstwert-
den. Allegria, 320 S., V 16,99 gefühl und die Aufmerksamkeit Ihres Kindes. Thomas D. Seeley: Bienendemokratie. Wie
Junfermann, 208 S., V 19,90 Bienen kollektiv entscheiden und was wir davon
Thomas Kretschmar, Martin Tzschaschel: Die lernen können. S. Fischer, 320 S., V 22,99
Kraft der inneren Bilder nutzen. Seelische Dorothee Döring: Späte Versöhnung. Aus-
und körperliche Gesundheit durch Imagination. einandersetzung und Aussöhnung mit den alten Wolfgang George, Eckhard Dommer, Viktor R.
Südwest, 224 S., V 16,99 Eltern. Paulus, 151 S., V 18,– Szymczak (Hg.): Sterben im Krankenhaus.
Situationsbeschreibung, Zusammenhänge, Emp-
Otto Teischel: Krankheit und Sehnsucht – Cory Silverberg: Wie entsteht ein Baby? Ein
fehlungen. Psychosozial, 230 S., V 29,90
Zur Psychosomatik der Sucht. Hintergründe Buch für jede Art von Familie und jede Art von
– Symptome – Heilungswege. Springer VS, Kind. Mabuse, 39 S., V 16,90 Jürgen Schaeffer: Lob des Irrtums. Warum es
354 S., V 39,99 ohne Fehler keinen Fortschritt gibt. C. Bertels-
mann, 254 S., V 19,99

PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014


Buch & Kritik 87

AUSSERDEM …
„Warten ist ein unspektakulärer Zustand, aber die Art, wie Filme wie Rosen für den Staatsanwalt ,
man ihn erlebt, ist ein interessanter Indikator für gesell- Des Teufels General, Schwarzwald-
schaftliche und individuelle Verfassungen“, schreibt Frie- mädel oder Grün ist die Heide wa-
derike Gräff zu Beginn ihres Buches über das Warten (Ch. ren Kassenschlager in Nachkriegs-
Links, % 14,90). Sie erkundet verschiedenste Spielarten des deutschland. In allen diesen Strei-
„ungeliebten Zustandes“: eine Schriftstellerin, die auf ei- fen, ob sie nun als „Heimatfilm“ die
ne Romanidee hofft, das Trauerjahr der Witwen, die War- Sehnsucht nach heiler Welt bedien-
teschlangen des Ostblocks, das Warten auf den Messias ten oder sich um „Aufarbeitung“
und auf lebensrettende Organe. Daneben erzählen Men- des Dritten Reiches bemühten, wird
schen, wie sie warten: auf ein Kind, auf die Freiheit, auf die seltsame Grundstimmung der
den Tod. Warum aus geduldig wartenden Kindern erfolg- Adenauer-Republik spürbar: eine Melange aus Verharmlo-
reiche Erwachsene werden, erklärt Gräff unter anderem sungen, Verdrängung, Scham und trotzigen Rechtfertigun-
anhand der Marshmallow-Experi- gen. Gerhard Bliersbach, Psychotherapeut und psychoana-
mente, die bereits in den 1970er lytisch geschulter Filmexperte, unterzieht die Fülle der
Jahren für Aufsehen sorgten. Heut- Filme einer sorgfältigen Analyse und schreibt mit Nach-
zutage erfahren Eltern in Blogs wie kriegskino (Psychosozial, % 29,90 ) ein packendes Psycho-
„Raising CEO Kids“ („künftige Chefs gramm dieser Zeit. Zwischen 1946 und 1963 thematisiert
aufziehen“), wie sie ihren Kindern die junge Bundesrepublik auch filmisch das Dilemma der
beibringen, welchen finanziellen Davongekommenen: Wie kann man das Unfassbare der
Segen die Fähigkeit, abwarten zu Nazizeit bereden oder gar „bewältigen“? Wie richten sich
können, mit sich bringt. Täter, Mitläufer und Traumatisierte in der aufgezwunge-
nen Demokratie ein?

In Beziehungen gleich welcher Art nehmen wir uns immer selbst Was war das Lieblingsessen Ihrer
mit. Auf diese Tatsache macht der Erziehungswissenschaft- Kindheit? An welche Gerüche erin-
ler Rolf Arnold im Vorwort seines Ratgebers aufmerksam. nern Sie sich? Wie verbrachten Sie
Wie man liebt, ohne (sich) zu verlieren (Carl-Auer, % 19,95), die Zeit, wenn Sie krank waren
erklärt Arnold mit seinen „29 Regeln für eine kluge Bezie- und nicht in die Schule mussten?
hungsgestaltung“. Wer auf schnell zu konsumierende Pa- Erinnerungen sind Die Schätze des
tentrezepte fürs Liebesglück hofft, wird enttäuscht. Für Lebens (mvg, % 14,99) und ein we-
den Autor ist Beziehungsfähigkeit eine „Kompetenz, die sentlicher Bestandteil unserer Identität. Doris Tropper gibt
man durch Selbstreflexion, Einsicht und Übung erwerben, in ihrem „Handbuch der bewussten Erinnerung“ konkre-
fördern und entwickeln kann“. Das klingt nach Arbeit, und te Anleitung zur persönlichen Biografiearbeit und emp-
das ist es auch. Ein kluger Bezie- fiehlt etwa, einen „Erinnerungskoffer“ zu packen, bei-
hungsratgeber, der dem Liebesu- spielsweise mit dem ersten Milchzahn, Liebesbriefen, die
chenden einiges abverlangt und vor Jahrzehnten ein ehemaliger Verehrer geschrieben hat,
unverhohlen klarmacht: Die mit- und dem Kalender vom Vorjahr. Doch Tropper widmet
unter anstrengende Auseinander- auch dem Vergessen ein eigenes Kapitel mit einem Verweis
setzung mit sich selbst ist Voraus- auf Nietzsche, demzufolge es zwar „fast möglich“ ist, oh-
setzung für eine dauerhafte, tiefe ne Erinnerung zu leben, aber „ganz und gar unmöglich,
Liebesbeziehung. ohne Vergessen überhaupt zu leben“.
88 Buch & Kritik

Sag mir, wer ich bin


Eva Jaeggi fragt, wie Identität entsteht und wie sie
sich verändert
Identitätssuche ist „in“ – wie auch nicht Jaeggi hat einzelne, nicht näher identi-
in einer Welt sich beständig wandelnder fizierte Patienten und Freunde über ei-
Rollen-, Berufs- und Geschlechterbilder. nen langen Zeitraum hin unter dem Ge-
Insofern wird die renommierte öster- sichtspunkt der Identitätsentwicklung
reichische Psychologin Eva Jaeggi mit beobachtet. Damit hat sie aber weder
ihren Gedanken darüber, „wie Identität einen klaren Gegenstand noch ein de-
entsteht und wie sie sich verändert“, ver- finiertes Erkenntnisziel. Und es fehlt
mutlich auf breites Interesse stoßen. Zu- trotz zahlreicher spannender Themen
Das Manual Fit für kulturelle Vielfalt ist ein mal sie mit dem launigen Titel Wer bin auch an eigenständigen, inspirierenden
Training zur Vermittlung interkultureller ich? Frag doch die anderen! einen inter- Verknüpfungen und Entdeckungen, die
Kompetenz für Jugendliche. Es enthält 16 Modu- essanten Akzent setzt: Winkt hier end- den Mangel an argumentativer Strenge
le wie Empathie, Vorurteile, Selbstreflexion u. a.
lich Befreiung von einsam-grüblerischer und Stringenz wettmachen könnten.
Das erste Kapitel führt in die Kultur und inter-
Selbstergründung? Stattdessen regiert über weite Strecken
kulturelle Bildung ein. Leser werden außerdem
über Grundlagen, Methoden, Basisverhalten und Tatsächlich hat Eva Jaeggi zu vielen der Eindruck von Beliebigkeit – sowohl
Organisation informiert. Die Evaluation schließt gängigen Fragen interessante Beobach- bei der Bezugnahme auf vorhandene Li-
das Buch ab. tungen und Überlegungen zusammen- teratur und Theorien als auch bei
Mit Online-Materialien getragen. Zum Beispiel zu dem Prozess, Schlussfolgerungen der Autorin. Meist
2014, 238 Seiten, broschiert, € 34,95 in dem sich die Vorstellung eines „We- bewegen sich ihre Stellungnahmen im
ISBN 978-3-7799-2149-3 senskerns“ und die Erfahrung des stän- Modus von „auch so könnte man es viel-
leicht formulieren“. Zusätzlich frustrie-
rend für den Laien ist, dass sich gut ein
Drittel des Buches an Psychotherapeu-
Eva Jaeggi: Wer bin ich?
Frag doch die anderen! ten wendet und deren spezifische Aus-
Wie Identität entsteht einandersetzung mit der eigenen beruf-
und wie sie sich verän-
dert. Hans Huber, Bern lichen Identität thematisiert.
2014, 209 S., V 19,95 Ein echtes Highlight hingegen ist die
Liste einer Frau, die die teils sehr unter-
schiedlichen Rollenbilder aufführt, die
sie über die Jahre hinweg in ihren Part-
nerschaften und Affären eingenommen
digen Wandels von Identität immer wie- hat – zusammen mit den korrespondie-
der neu ausbalancieren, und dazu, wie renden männlichen Identitäten. Das ist
sich Einzel- und Gruppenidentitäten amüsant und aufschlussreich und lädt
wechselseitig bedingen. Sie beleuchtet ein, die verschiedenen Rollen, die man
die komplexe Dynamik, in der sich Zu- selbst in Partnerschaften, Freundschaf-
Gewaltverhalten ist ein sehr stabiles Verhaltens- schreibungen von außen und inneres ten oder der Familie spielt und gespielt
bzw. Konfliktlösemuster. Um das aggressive Selbstgefühl zu „Patchworkidentitäten“ hat, Revue passieren zu lassen: Welche
Verhalten pädagogisch verändern zu können, verweben. Deutlich wird auch, wie in- sind stabil, welche stimmig, welche be-
braucht es eine genaue Verhaltensdiagnostik, dividuelle Konzepte und gesellschaftli- fremdlich oder beschämend?
um dann die verschiedenen Behandlungs- che Modelle in manchen Fällen als Vi- Wirklichen Erkenntnisgewinn bietet
ansätze zur Veränderung des Gewaltverhaltens sion befreien, in anderen wie ein Pro- Jaeggis Studie kaum. Aber sie regt an,
individuell abgestimmt anwenden zu können. krustesbett elementare Entfaltungs- sich die Quellen und die Geschichte der
2014, 268 Seiten, broschiert, € 24,95 möglichkeiten abschneiden. eigenen Identitäten bewusstzumachen.
ISBN 978-3-7799-2148-6 Woran es dem Buch aber entschieden ■ Gabriele Michel
mangelt, ist gedankliche Kohärenz.

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www.juventa.de JJUVENTA
UVENTA PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014
Buch & Kritik 89

Die Buchtipps des Monats


Allmachtsfantasien Genial einfach
entspannen
Hans-Peter Hepe ist überzeugt, die wahren Ursachen von Die hochwirksame
Methode des Alpha-
Krankheiten zu kennen Relaxing ist besonders
hilfreich bei Stress-
symptomen und
Jede Zeit hat ihre Belastungen und ihre animiert, Kindheitstraumen auszugra- Schmerzen. Attraktive
CD mit Begleitbuch.
Krankheiten. Dem Stressreport der ben, sich mit den Schrecken ihrer Ver-
Bundesanstalt für Arbeit zufolge wur- gangenheit zu konfrontieren, um dann Patmos. 5. Aufl. 2014.
64 Seiten. € 19,90
den 2011 fünfzig Millionen Krankheits- ihre persönlichen Empfindungen um- 978-3-8436-0040-8
tage infolge psychischer Belastungen am zudeuten.
Arbeitsplatz gezählt. Wirkungsvolle Der ideologische Kitt dieser Psycho-
Heilmethoden sind daher sehr gefragt. kur ist der Glaubenssatz: „Jeder ist sei- Kraftquelle
Innehalten
Der Autor, Präventologe und syste- nes Glückes Schmied“, hier auf Konflikt
Innehalten ist für uns
mische Berater Hans-Peter Hepe be- und Krankheit angewandt: „Wer nicht so nötig wie die Luft
hauptet, eine Methode entwickelt zu ha- die Verantwortung für sich selbst er- zum Atmen. Zugang
zu dieser wertvollen
ben, „die Ursachen von Krisen, Konflik- kennt, wer sich damit begnügt, als blo- Kraftquelle finden Sie
ten und Krankheiten effektiv beseitigt“. ßes ‚Rädchen‘ im System zu funktionie- mit diesem praktischen
Übungsweg.
Um sein Allheilmittel „Regus mentalis“ ren, und sich auch so rechtfertigt, der
ins rechte Licht zu rücken, wird zunächst trägt zur Entstehung von Krankheit bei.“ J. Kamphausen 2013.
280 Seiten. € 19,95
die Schulmedizin gescholten. „Wenn ein Dieses Menschenbild lässt keinen 978-3-89901-757-1
komplexer Prozess im menschlichen Raum für die Tatsache, dass viele Krank-
Körper zu einer langwierigen Krankheit heiten auch sozial bedingt sind. Dabei Klug dank
führt, ist die Medizin heute annähernd geht es nicht darum, den Gedanken der Internet
so hilflos wie vor 100 Jahren.“ Resilienz abzuwerten oder die Selbsthei- Wir sind der Digitalisie-
lungskräfte des Menschen zu leugnen. rung nicht hilflos aus-
geliefert, wir können
Dass es jedoch ausreichen soll, mithilfe die Vernetzung sinnvoll
einer Lektüre Traumen zu bearbeiten nutzen und so in Politik
Hans-Peter Hepe:
oder sozialen Projekten
Heilung aus eigener und Verdrängungen bewusstzumachen, viel bewirken.
Kraft. Der effektive Weg
aus Krankheit, Krise klingt nach Allmachtsfantasie. Ebenso
Hanser 2013.
und Konflikt. Rowohlt, überheblich ist der Anspruch, „die wah- 280 Seiten. € 18,90
Reinbek 2014, 282 S., 978-3-446-43673-2
V 9,99
ren Ursachen von Krankheiten“ zu ken-
nen. Knapp die Hälfte des Buches besteht
aus Kurzbeschreibungen diverser Krank- PSYCHOLOGIE-HEUTE-SHOP-SERVICE:
heitsbilder und ihren vom Autor zuge- s5MFANGREICHE"UCHAUSWAHLZUDEN
4HEMENVON0SYCHOLOGIE(EUTE Alle Bücher
schriebenen Ursachen. Skoliose etwa, sÃBER"UCHEMPFEHLUNGEN versand-
kostenfrei
Der Präventologe verspricht, mit sei- eine Wirbelsäulenverkrümmung, zeige, s!USGESUCHTE'ESCHENKTIPPS
ner Methode zur „mentalen Selbstregu- „dass wir uns in unserer Familie macht- s!LLELIEFERBAREN!USGABENVON0SYCHOLOGIE
(EUTEUND0SYCHOLOGIE(EUTE#OMPACT
lation“ auch schwere seelische Krank- los und verzweifelt fühlen“. Die Ursache "ESTELLHOTLINE &AX 
heiten zu heilen. Er will traumatische für Übergewicht sei eine „falsche Pro- % -AILSHOP PSYCHOLOGIE HEUTEDE
Erlebnisse auflösen: „Wir haben es in grammierung“, eingeschrieben von ei-
der Hand, diese verdrängten Gefühle ner übermächtigen Mutter. Bei Überge- Schweigende
ins Bewusstsein zu holen und ihnen da- wicht verweist der Autor noch auf einen Kinder
mit die Macht zu nehmen; die Kind- weiteren Geschäftszweig im Internet. Praktische Ratschläge
heitstraumata zu heilen …“ Dort bietet er eine Kombination aus Ho- für Eltern: Wie sie die
Kommunikationsfähig-
Die Methode „Regus mentalis“ ist ei- möopathie und Ernährungsberatung an, keit ihres Kindes fördern
ne Mixtur verschiedener Therapiean- die teuer erworben werden kann. können und mit Lehrern
und Erziehern gut
sätze. So werden Elemente von Psycho- Jede Zeit hat ihre Heiler – und ihre zusammenarbeiten.
analyse und Verhaltenstherapie ge- Quacksalber, die heilsame Geschäfte im
Vandenhoeck & Ruprecht
mischt mit Ansätzen neurolinguisti- Auge haben. Finger weg! 2012. 214 Seiten. € 19,99
scher Programmierung. Leser werden ■ Christine Weber-Herfort 978-3-525-40215-3

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90 Buch & Kritik

Das bewegt mich! Warum Opas krisenfest sind


Ob Pubertät oder Trennungsschmerz, Midlife-Crisis oder
Pensionierungsblues – Dirk Knipphals analysiert unsere
krisengebeutelte Gesellschaft

Mobil
Selten mutete ein Buchtitel in den ver- der Ehefrau –, doch das Konzept mani-
gangenen Jahren so irreführend an wie fest psychischen Zerbrochenseins war
jener, der auf dem Umschlag des Buches ihm verblüffend fremd. Stattdessen ver-
von Dirk Knipphals prangt. Denn kei- harrte er in stoischer Ruhe. Hing dies
sein gehört zu den Anfor- neswegs geht es dem Berliner Journa- damit zusammen, dass der Großvater
derungen unserer Zeit. Auf listen und Literaturredakteur der taz um aus ärmlichsten Verhältnissen stamm-
einen wichtigen Begleiter die schöne Kunst der Bruchlandung, um te und sich mühsam ins Bürgertum hat-
Scheitern und Versagen in anmutiger te hocharbeiten wollen? Wäre skrupu-
müssen Sie ab sofort nicht Gestalt. Es steht zu vermuten, dass dem löse Innenschau da hinderlich gewesen,
mehr verzichten: Jetzt kön- Verlag der nüchterne, aber korrekte Un- ein Hemmschuh beim Überleben? Dies
nen Sie über die Themen tertitel „Warum Lebenskrisen unver- ist für Knipphals, den Enkel, der Aus-
gangspunkt, in zehn Kapiteln das The-
Ihres Lebens auch unterwegs
ma der Krise zu umkreisen.

lesen. Dirk Knipphals: Die


Kunst der Bruchlandung.
Warum Lebenskrisen
unverzichtbar sind.
Wer würde ihm widersprechen wol-
len, wenn er schreibt, dass eine Existenz
ohne Krisen „ein seltsames, ein fades,
irgendwo kein menschliches Leben“ wä-
re. Essenziell dabei, vor allem im Ver-
Rowohlt Berlin, Berlin
2014, 256 S., gleich verschiedener Jahrzehnte der zwei-
V 19,95 ten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ist die
L ESE P RO B E
Kategorie der Ambivalenz, der sprung-
haft bis ungreifbar angewachsenen neu-
en Unübersichtlichkeit. Diesen Begriff
hat Mitte der 1980er Jahre der Philosoph
Jürgen Habermas eingeführt, in Zeiten
zichtbar sind“ zu langweilig erschien vor dem Internet, vor digitaler Beschleu-
und daher etwas ersonnen wurde, was nigung und globaler Echtzeitkommu-
jedoch mit dem Inhalt des lesbaren wie nikation. Habermas ist wie auch Theo-
abwechslungsreich komponierten Bu- dor W. Adorno und der Berliner Essay-
ches keine Verbindung aufweist. ist Michael Rutschky einer jener Auto-
Denn Knipphals setzt sich mit der ren, auf die sich Knipphals beim Aus-
besonderen Rolle und Bedeutung aus- leuchten der Dekaden, der westdeut-
einander, die Krisen mittlerweile in Le- schen Mentalitäten und Krisensituati-
bensläufen einnehmen. Dabei greift er onen stützt.
auch auf Autobiografisches zurück. Er Diese zeitverhafteten Überlegungen
setzt ein mit einer Kontrastfigur: mit fungieren als Quasizeitzeugen, um un-
AL S
N EU seinem Ende des 19. Jahrhunderts ge- terschiedliche Jahrzehnte des 20. Jahr-

A P P! borenen Großvater, der am Ende seines


Lebens eine eigene Wohnung im Haus
hunderts nach Krisen und Sicherheiten,
nach Umgehungskonzepten und Bewäl-
von Knipphals’ Eltern bewohnte. Dieser tigungsvorstellungen abzuklopfen. Das
hatte große Krisen durchgemacht – zwei macht Knipphals verständlich und dra-
Weltkriege, Not, Armut, Hunger, Tod maturgisch geschickt.
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PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014
Buch & Kritik 91

Kinder wirklich
verstehen
AUFBRUCH IN NEUE LEBENSWELTEN
Leben ist Veränderung. Veränderung ist spannend. Und auf beides muss
man sich einlassen, um damit wachsen zu können. So ähnlich ließe sich
wohl komprimiert die Botschaft von Beate Winklers Buch Es ist etwas in
mir, das nach Veränderung ruft zusammenfassen. Dieses Buch ist keinem
Genre klar zuzuordnen: nicht Sachbuch, nicht Selbsterfahrungsbericht oder
psychologischer Ratgeber, nicht Lyrikband, Belletristik oder Essay. Es hat
von allem etwas, spannt vom sehr Subjektiven einen Bogen zum Allgemei-
nen und kommt dabei doch immer wieder zurück auf den Veränderungs-
prozess der Autorin, den sie mit Ende fünfzig an sich erlebt und fasziniert
mitverfolgt hat. Die Veränderung eröffnete ihr, wie sie schreibt, „neue Le-
benswelten“. Sie begann nach einem Berufsleben als Beraterin für europä-
ische Politik zu malen und Geschichten zu schreiben. Beispiele davon hat
sie im Buch eingestreut: abstrakte Aquarelle und gleichnishafte Märchen.
Beate Winkler hat ganz klar ihr neues Thema gefunden, und dabei kitzelt
sie auch aus bekannten Zeitgenossen wie André Heller, Gerald Hüther oder
Rita Süssmuth ausführliche, lebenskluge Aussagen heraus zu drei Fragen,
die sie umtreiben: Sie möchte wissen, was die Befragten daraus gelernt ha-
ben, sich in ihrem Leben „immer wieder neu entdeckt und entfaltet“ zu
haben, was sie bei diesem Prozess unterstützt hat und welche Botschaft sie 204 Seiten, broschiert, € 14,95 D
Menschen in Veränderungsprozessen mitgeben können. ISBN 978-3-407-22128-5
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die in einem Umbruchprozess auf der Suche nach neuen
Sichtweisen, Perspektiven und Inspirationen sind. ✷ Was verstehen Kinder in
■ Maja Langsdorff welchem Alter? ✷ Wie bekommen Sie
Beate Winkler: Es ist etwas in mir, das nach Veränderung ruft. Kösel, München Antworten, die das wirkliche Erleben
2014, 192 S., V 19,99
und die Bedürfnisse der Kinder deutlich
machen? ✷ Was ist der richtige
Gesprächsrahmen? ✷ Welchen
Antworten können Sie Vertrauen
schenken?
Die Verschränkung von innerer Kri- gerung“ der Punks bis hin zu dem 2001
Die Psychologin und Kindertherapeutin
senaufgeschlossenheit und den seit 40 entstandenen frühpädagogischen Kon-
M. Delfos beschreibt Möglichkeiten, wie
Jahren akuten volkswirtschaftlichen zept „Infans“: Hier sollen schon Klein-
wir mit Kindern offene Fragegespräche
Krisen – von der Ölkrise Anfang der kinder bei der Eingewöhnung in den
führen können. Im Vordergrund steht,
1970er Jahre bis zum globalen Banken- Kindergarten umfassend krisenpräven-
und Schuldenkollaps seit 2008 – führt tiv begleitet werden. dass wir die Meinung der Kinder
dazu, dass zwischen sozialem Aufstieg Eher weniger in den Blick hingegen wirklich erfahren und Zugang zu ihrem
und sozialer Verweigerung vieles in gerät die persönliche Desillusion durch Erleben finden. Wie kommen unsere
Knipphals’ Argumentationskette aufge- Krisen. Manche kann so tiefgreifend als Fragen bei den Kindern an, welche
reiht wird. Filme wie Woody Allens Zäsur sein, dass sie über die Kraft des Antworten dürfen wir erwarten?
Manhattan und Hannah und ihre Einzelnen zur Verarbeitung und Bewäl- Die Gesprächstechniken richten sich
Schwestern oder Casablanca mit Hum- tigung hinausgeht. Andeutungsweise nach dem jeweiligen Alter des Kindes
phrey Bogart sind auf ihre Weise auch taucht dies in einer Geschichte über ei- und der Gesprächsabsicht.
das Dokument einer (Beziehungs-)Kri- ne Frau auf, die nach einem jähen Be- Ein praxisnahes Buch für Eltern und
senbewältigung. ziehungsende manisch wird, dann aber
alle, die mit Kindern arbeiten.
Knipphals behandelt die Ideenge- doch zu Neuem aufzubrechen vermag.
schichte der Krisenbewältigung: von den ■ Alexander Kluy
Leseprobe auf
Utopien der Hippies, der „Krisenverwei-
www.beltz.de
92 Buch & Kritik

Achtsamkeit – mehr als eine Mode!


Im Buddhismus geht man schon seit der Psychotherapie die achtsamkeitsori- keitsbewegung bezeichnete Hinwen-
2500 Jahren davon aus, dass wir unseren entierten Behandlungsansätze. Doch sie dung zu Mitgefühl und Selbstakzeptanz
Geist trainieren können. So können wir verstehen sich zumeist als säkularisier- beleuchtet. Das Buch wendet sich an
uns selbst und andere besser akzeptieren te Verfahren, die zwar einem buddhis- Fachleute in helfenden Berufen und lie-
und uns für die Gegenwart öffnen. Seit- tischen Hintergrund entstammen, die- fert sehr fundierte Anregungen für die
dem die moderne Hirnforschung und sen aber eher als „Ideenpool“ nutzen Integration eines am Buddhismus ori-
zahlreiche Therapiestudien genau diese und sich vornehmlich um Stressreduk- entierten Trainings des Geistes. Es be-
Annahme bestätigt haben, boomen in tion oder Krankheitsbewältigung be- schreibt, wie sich Mitgefühl kultivieren
mühen, statt sich dem spirituellen Ziel lässt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt
des Heil-Werdens zu verschreiben. Das auf der Achtsamkeit und dem Mitgefühl
Buch von Ulrike Anderssen-Reuster, Pe- der Therapeuten und wie solche Hal-
Ulrike Anderssen-
Reuster, Petra Meibert,
tra Meibert und Sabine Meck macht die- tungen wachsen können. Dass die Au-
Sabine Meck (Hg.): sen Trend nicht mit. Anstatt buddhis- toren diese Geistesschulung selbst prak-
Psychotherapie und tische Wurzeln auszuklammern, zeigt tizieren, ist in jeder Zeile des Buches
buddhistisches Geistes-
training. Methoden dieses Fachbuch bewusst den spirituel- spürbar. ■ Andreas Knuf
einer achtsamen len Hintergrund von Achtsamkeit auf.
Bewusstseinskultur.
Schattauer, Stuttgart Dabei wird vor allem die mittlerweile
2013, 349 S., V 49,99 schon als „zweite Welle“ der Achtsam-

Freud, der Zweifler


Der Herausgeber des bemerkenswerten an seinen eigenen neuen Theorien zu belt wird, was nun das „Eigentliche“ der
Sammelbandes, Helmwart Hierdeis, verstehen wie als den großen Dogmati- Psychoanalyse sei. Gegenüber allen Ver-
schreibt: „Skepsis ist in der Wissenschaft ker, der auch recht intolerant auf dem festigungen wünscht Günter Bittner ra-
unerlässlich, weil sie Täuschungen ver- Wahrheitsgehalt und dem Glaubens- dikal alle kodifizierten Diagnosen und
meiden hilft. Daher sollte sie nichts an- zwang bestehen konnte. Für den tätigen Theoriestücke zum Teufel und prokla-
nehmen, bevor sie es nicht streng geprüft Psychoanalytiker gilt, sich offenzuhal- miert: „Die psychoanalytische Gesell-
hat.“ Neun Autoren bemühen sich, ten für Unerwartetes, ja noch nie For- schaft als Hort und Trutzburg der
Freud sowohl als den ewigen Zweifler muliertes. Der Kasseler Psychoanalyti- Gleichgesinnten lässt wenig Spielraum
ker Ralf Zwiebel sprach wiederholt vom für skeptisches Einzelgängertum.“ Er
notwendigen „Anfängergeist“. Aus allen sieht überall die „gläubige Herde“ der
Beiträgen spricht die Idealisierung der „Skepsisverhinderer“ und hält die für
Helmwart Hierdeis (Hg.):
Psychoanalytische Skep- Psychoanalyse, aber auch der Zweifel an die Kassenversorgung mit Psychothera-
sis – Skeptische Psycho- den Verfestigungen der Theorie, bei de- pie notwendige Kodifizierung der Stö-
analyse. Vandenhoeck &
Ruprecht, Göttingen nen die psychoanalytischen Institutio- rungen für absurd, spricht sogar von den
2013, 255 S., V 34,99 nen gefährlich seien.(So richtete etwa „Lügen“. ■ Tilmann Moser

Freud zu Beginn der Psychoanalyse das


„Komitee“ ein, um über die rechte Leh-
re zu wachen.) Es kennzeichnet vielleicht
zum Teil den Stand der Wissenschaft
vom Unbewussten, dass endlos gegrü-
93
C ar toon

P S YC H O L O G I E H E U T E Au g u st 2 0 1 4
94

Im nächsten Heft
Die Psychologie der Zeit
T I T E LT H E M A Kennen Sie das? Je älter Sie werden, des-
to schneller vergeht die Zeit. Und drei in-
tensive Tage an einem neuen Ort kom-
men Ihnen häufig so lang vor wie ein
zweiwöchiger Urlaub. Alles nur Einbil-
dung? Nein, sagt der Zeitforscher und
Psychologe Marc Wittmann und erklärt,
warum für uns die Zeit mal langsam,
mal schneller vergeht – und wie wir
mehr Zeit für uns gewinnen können.

„Du hast angefangen!“ –


„Nein, du!“
In allen unseren Beziehungen spielen
Schuldfragen eine große Rolle: Wer ist
schuld, dass eine Ehe scheitert oder das
Arbeitsklima vergiftet wird? Schuldzu-
weisungen enden schnell in einem Teu-
felskreis. Das systemische Prinzip, dass
es nie Ursache und Wirkung gibt, son-
dern nur Wechselwirkungen, scheint das
beste Rezept für solche Teufelskreise zu
sein. Die Kommunikationsexperten
Schulz von Thun und Pörksen klären das
Schulddilemma neu – mit überraschen-
dem Ergebnis.

Besoffen von sich selbst


Die Qual der Wahl: Wie wir Die Menschheit neigte noch nie zu Be-
bessere Entscheidungen treffen scheidenheit, ein gewisser Hang zu
Überheblichkeit und Selbstüberschät-
Ob Autokauf, Berufswahl, Urlaubsort oder Geldanlage: Wir können uns zung ist ihr offenbar angeboren. Doch so
heute in vielem frei entscheiden – und wollen das möglichst gut machen. narzisstisch wie die gegenwärtige Gene-
Manchmal vertrauen wir unserem Bauchgefühl, manchmal überlegen wir ration gebärdete sich keine jemals vorher,
lange und sorgfältig. Aber wann ist welche Strategie die beste? Welche klagen Psychologen und machen die so-
Denkfehler und Emotionen kommen uns immer wieder in die Quere? zialen Medien dafür verantwortlich. Im
Und wie können wir unsere Entscheidungen systematisch verbessern? Netz könne sich der neue Narzissmus
aufs heftigste austoben.

Außerdem:
■ Wie trainiert man seine Kreativität?

■ Brainspotting: Eine neue Therapie-

methode macht Traumaopfern


Hoffnung
D I E S E P T E M B E R AU SG A B E VON P S YCHOLOGIE HEUTE ■ Männer, das extreme Geschlecht
E R SC H E I N T A M 13 . AU G U ST

PSYC H O LO G I E H EUTE Augus t 2014


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Beltz Verlag Seite 99 Therapie/Beratung
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PSYCHOLOGIE HEUTE August 2014 95


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96 PSYCHOLOGIE HEUTE August 2014


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PSYCHOLOGIE HEUTE August 2014 97


Aus-/Weiterbildung

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98 PSYCHOLOGIE HEUTE August 2014


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PSYCHOLOGIE HEUTE August 2014 99


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PSYCHOLOGIE
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PSYCHOLOGIE HEUTE August 2014 101


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Sigrun Kurz David A. Clark, Aaron T. Beck Judith Herman
Verborgene Kräfte wecken Ängste bewältigen – ein Übungsbuch Die Narben der Gewalt

Die Diagnose Krebs ist für die Betroffe- Ihre Angst ist so stark, dass Sie meinen, Eines der wichtigsten und zugleich er-
nen und ihre Angehörigen eine enorme sie nicht mehr kontrollieren zu können? folgreichsten Bücher aus dem Bereich der
seelische Belastung. Dr. Sigrun Kurz, Dieses Buch kann Ihnen mit Methoden Psychotraumatologie: Im ersten Teil wird
Psychotherapeutin und inzwischen vom und Übungen der Kognitiven Verhaltens- das Spektrum menschlicher Reaktionen
Krebs geheilt, schildert in ihrem Buch, therapie helfen. Die Erfahrung der Autoren auf traumatische Ereignisse beschrieben,
wie man sich mit Selbsthypnose mental zeigt sich in sorgfältig ausgearbeiteten Ar- im zweiten Teil wird der Verlauf des
stärken sowie Körper und Geist positiv beitsblättern, Übungen und Fallbeispielen. Heilungsprozesses geschildert und ein
beeinflussen kann. Mit einfachen Anlei- Schritt für Schritt werden Sie lernen, wie neues Konzept für die Psychotherapie
tungen begleitet sie die Leser durch alle Sie sich in angstbesetzen Situationen sicher von traumatisierten Patienten entwickelt.
Phasen der Erkrankung. fühlen und der Angst entkommen können. Inhaltlich unveränderte Neuausgabe.
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Tilman Niemeyer Averil Leimon et al. Bill O´Connell et al.


Kleiner Psychotherapieführer Business-Coaching Lösungsorientiertes Coaching
in der Praxis
Tilman Niemeyer bietet Überblick und Was macht einen guten Coach aus? Auf
Unterstützung für alle, die eine Therapie welche Methoden greift er zurück? Wie Dieser Band bietet einen Überblick über
aufnehmen möchten. Verständlich und gestaltet er Gespräche mit Auftraggebern Techniken und Skills des lösungsori-
kurzweilig erklärt er verschiedene The- und Klienten? Was erwarten Klienten entierten Coachings. Das Buch wendet
rapiemethoden, das praktische Vorgehen von ihrem Coach? Konkrete Antworten, sich an erfahrene Coaches und an Füh-
auf der Suche nach dem geeigneten The- übersichtlich und prägnant dargestellt, rungskräfte, die eine bessere Coaching-
rapeuten sowie weitere wichtige Aspekte, gibt dieses Buch. Eine Bereicherung und Kultur in ihrem Unternehmen etablieren
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die im Vorfeld überlegt werden sollten. Orientierungshilfe für jeden als Coach wollen, aber auch an Coaches, die noch
oder Berater Tätigen. ganz am Anfang ihres Weges stehen.

102 PSYCHOLOGIE HEUTE August 2014


Junfermann
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PSYCHOLOGIE HEUTE August 2014 103


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Exzelle
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13. Bildungskongress 2014


14. bis 16. November in Bad Wörishofen
 Freude am Lernen
 Empathie und Führung
 Feedbackkultur …

14.11.
U n s e re
Abendprogramm
im Literaturcafé Ti p p s !
Gespräch mit
Mirjam Pressler 15.11.
und dem Symposion-Party
Regisseur Ein Abendessen am Samstag wird untermalt
Pepe Danquart* mit Beiträgen einzelner Künstler/innen aus
der Musik – und Theaterszene.
*angefragt
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104 PSYCHOLOGIE HEUTE August 2014
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PSYCHOLOGIE HEUTE August 2014 105


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106 PSYCHOLOGIE HEUTE August 2014


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