Quelle:
SANDERS, Willy. Sachsensprache, Hansensprache, Plattdeutsch. Sprachgeschichtliche
Grundzüge des Niederdeutschen. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1982.
Einführung
a) Die Sprachentwicklung des Niederdeutschen lässt sich theoretisch in drei Abschnitte
unterteilen:
I – in die Sprachvorgeschichte, die noch nicht über geschriebene Texte verfügt und daher nur
rekonstruierbar ist;
II – in die Sprachgeschichte, die das verfügbare schriftliche Textmaterial in seiner zeitlichen
Abfolge auswertet;
III – in die Gegenwartssprache, die auf Schrifttexte verezichten kann (aber nicht muss), weil sie
in ihrer gesprochnenen Form direkter Untersuchung zugänglich ist.
Sprachfunktionale Gesichtspunkte
a) Sanders (1982) beinhaltet wichtigste Eingenschaften einer Sprache, wobei das Englische,
Französische, Dänische usw. als vollgültige, zweifelsfrei anerkannte Sprachen gelten.
- offizielle und generelle Gültigkeit
- Einheitlichkeit im Sinne einer Normierung
- kommunikative Komplettheit
- dazu noch eine Reihe weiterer Aspekte sprachfunktionaler Art
b) Nach Sanders (1982) erfüllt das Niederdeutsche in seiner heutigen Gebrauchsweise keine
der drei Bedinungen.
- Das Niederdeutsche ist weder die offizielle Sprache in Behörden- und Geschäftsverkehr,
Schule, Kirche noch in Presse, Rudfunk und Fernsehen. ► Es gilt generell keineswegs in
Norddeutschland, sondern wird von einem regional sehr unterschiedlich grossen
Prozentsatz der Bevölkerung gesprochen und verstanden.
- wenig erfolgreiche Versuche zur Einführung einer geregelten Rechtsschreibung.
- Die Fähigkeit, von der Thematik her mit den eigenen sprachlichen Mitteln alles
auszudrücken, wiest im Niederdeutschen ein beträchtliches Defizit auf.
c) Der Autor weist darauf hin, dass das Alt- und Mittelniederdeutsche legitimer Gegenstand
der Sprachgeschichtsforschung sind. ► Die ursprüngliche Unabhängigkeit geht inde mit
dem Untergang (declínio) der mittelniederdeutschen Schreibsprache und der Übernahme
des Hochdeutschen verloren. ► Aus diesen Gründen kommt es in Norddeutschland zu
dem grossem Bruch (Sprache – Mundarten).