Schon einmal an einem Fest teilgenommen? Zum Beispiel an einem Straßenfest? Moscheen
veranstalten jährlich ein Grillfest und nehmen durch das spendierte Essen und Geld etwas ein.
"Muslime Helfen" organisiert jährlich in Hamburg ein Sommerfest. Viele andere Anlässe
mehr kennen wir, wie z.B. ein Schulfest, an denen auch Muslime teilnehmen. "Der Islam
kennt nur zwei Feste: das Opfer- und das Ramadanfest", so das Hauptargument von Gegnern
anderer Feierlichkeiten. Was aber ist mit dem Hochzeitsfest und weiteren Festen, wie z.B. das
Beschneidungsfest für Jungen? Dieses einfache Gegenargument verkennt also, dass im Islam
mehr als nur zwei Feste existieren. Aber, was ist dann mit den Feierlichkeiten, die die Geburt,
das Leben und den Tod des Propheten (Friede sei mit ihm) behandeln?
Letztes Jahr las ich auf einer Facebookgruppen-Seite, Mawlid sei bid´a.
Als Beweis sollte, wie sooft, ein Zitat von ibn Taimiyya (1263-1328) dienen: "Was die Sache
betrifft, was einige Leute erfunden haben, um mit den Christen im Geburtstag von Jesus,
Allahs Friede sei auf ihn, zu wetteifern, oder aus Liebe und Verherrlichung zum Propheten,
Allahs Segen und Heil auf ihn. [...], indem sie den Geburtstag des Propheten, Allahs Segen
und Heil auf ihn, zum Fest nehmen, obwohl sich die Menschen in der Datierung seines
Geburtstages uneinig sind, so hat das niemand von den Salaf getan. [...] Und wenn dies rein
gut oder legitim wäre, so wären die Salaf, Allahs Wohlgefallen auf ihnen, die ersten gewesen.
Denn sie liebten den Gesandten Allahs, Allahs Segen und Heil auf ihn, am meisten, und sie
verherrlichten ihn am meisten, und sie waren eifriger im Guten." [Iqtidhâ As-Sirât Al-
Mustaqîm; (2/123)]
Ibn Taimiyya macht die Handlung an eine Absicht fest ("um mit den Christen ... zu
wetteifern") und sein Hauptargument lautet: "... so hat das niemand von den Salaf getan." Er
selbst war keiner der Salaf, jedoch Imâm asch-Schâfi´î (767-820), von dem überliefert wird,
dass es zwei Arten von bid´a gibt: eine lobenswerte und eine tadelnswerte.
Den Begriff der guten bid´a hat ebenfalls einer der Salaf geprägt, nämlich der Kalif Umar (r.a.
(diese Abkürzung ist auch eine bid´a)), als er das Tarâwîh-Gebet im Ramadan in
Gemeinschaft beten ließ und einem Kritiker sagte: "Was für eine gute bid´a (das doch ist)."
Dank der guten bid´a, wurde der Qur´ân von einigen der Salaf zu einem Mushaf
zusammengefasst. Sonst hätte keiner von uns ihn vollständig lesen und lernen können.
Grundsätzlich gilt, dass das, was weder durch Qur´ân noch durch Sunna eindeutig verboten
ist, ist erlaubt. Aber die Methode einiger Facebook-Muftis lautet: Alles, was nicht vom
Propheten und den Sahâba praktiziert wurde, sei bid´a. Wenn wir von bid´a reden, meinen wir
natürlich ausdrücklich jene Dinge, die eindeutig in den Bereich des Religiösen gehören und
nicht in andere Kategorien wie Kultur (Beispiel: Essen mit Besteck statt mit der Hand). Ich
fragte sie daher, ob denn aus ihrer Sicht alles(!), was der Prophet und die Sahâba nicht taten,
bid´a sei und sie antworteten mit "ja!".
Ich fragte sie weiter, ob sie selbst auf Teppichen und in Moscheen mit Kuppel und Minarett
beten, ob sie den Qur´ân aus einer App lesen und auf YouTube Qur´ânrezitationen hören...?
Denn wenn sie diese Dinge tun, die der Prophet und seine Sahâba definitiv auch nicht taten,
dann gibt es keinen einzigen rechtgeleiteten Muslim mehr.
Ich werte das als eine Suche nach Identität. Dabei denkt man oft in schwarz-weiß Kategorien.
Man will nichts falsch machen und braucht daher etwas zum Nachahmen. Das Zitat eines
Gelehrten ist da eben sehr hilfreich. Kopieren statt kapieren ist die Methode! Wozu selber
Nachdenken? Hat schon jemand anderes, der es besser zu wissen scheint, für mich erledigt.
Forschen, Nachdenken, Vergleichen ist sehr mühsam. Erfordert Zeit, Geduld und Verstand.
Das allerdings ins nicht Sache von vielen Jugendlichen. Sie brauchen oft ein eindeutiges
"haram" oder "halal". Dass das oft kontextuell ist, erfordert Methodenkenntnisse und ist daher
schwer nachvollziehbar.
Ja, ibn Taimiyya hat sie kritisiert, zumal berichtet wird, dass zu seiner Zeit diese Feiern sehr
exessiv (unter anderem mit Alkohol) begangen wurden. Was er damals darunter verstand und
was wir heute darunter verstehen, muss sich nicht decken.
In Mawlîd-Gedichten werden oft Themen bezüglich der Geburt des Propheten, seine
Himmelsreise (Mîrâj) und sein Tod behandelt. Vielleicht haben die Sahaba solche
Veranstaltungen auch deshalb nicht nötig gehabt, weil sie zu seiner Zeit lebten und ihn
kannten.
Die ersten Feierlichkeiten anlässlich seiner Geburt fanden im 10.-11. Jahrhundert, zur Zeit der
Fatimiden (910-1171) statt. Teilnehmen konnten damals ausschließlich der Herrscher und die
höhere Gesellschaft des Hofes. Der erste Mawlîd, an dem jeder teilnehmen konnte, fand
erstmalig 1207 in Erbil statt, zur Zeit des Seldschuken Atabek Abû Saîd Muzaffaruddîn
Gökbörü (1233).
Wer nun ibn Taimiyya benutzt, um knapp 1,5 Mrd. Muslime weltweit als Irregeganene zu
brandmarken, da - mit Ausnahme von Saudi Arabien - in allen Ländern mit muslimischer
Bevölkerungsmehr Mawlid-Feiern stattfinden, der sollte auch die Meinung anderer Gelehrter
berücksichtigen.
Imâm An-Nawawî (1233-1277), ebenfalls einer der anerkannten Gelehrten des Islam, sagte in
„Tahzîb al-Asmâ’ wa‘s-Sifât“: „Neuerung bedeutet im Sinne der islamischen Rechtsordnung
etwas einzuführen, was zu Zeiten des Propheten nicht existierte, und es ist zu unterscheiden
zwischen guten und schlechten (Neuerungen).“ Diese Auffassung der rechtschaffenen
früheren Gelehrten wird gestützt durch den bekannten Ausspruch des Gesandten Allahs,
Segen und Friede seien auf ihm: „Derjenige, der einen guten Brauch (sunnatun hasana) im
Islam etabliert, erhält die Belohnung dafür, und die Belohnung all derjenigen nach ihm, die
ihm folgen, ohne dass ihr Lohn um das Geringste gemindert würde; wer jedoch einen
schlechten Brauch einführt, auf dem lastet die Strafe all derer, die danach handeln, ohne dass
ihre Strafe um das Geringste vermindert würde.“
Imâm as-Suyûtî (1445-1505), der Universalgelehrte aus Ägypten, machte in seinem „Al-Hawi
li’l-Fatâwî“ in einem besonderen Abschnitt mit dem Titel „Die gute Absicht in der Erinnerung
des Maulid“ folgende Aussage: „Es gibt eine Frage zur Erinnerung des Maulid des Propheten
im Monat Rabi’al-Awwal. Was ist die legale Regelung im Dîn, ist es gut oder schlecht? Wird
derjenige, der ihn begeht, belohnt oder nicht? Die Antwort, die mir dazu kommt, ist folgende:
"Sich an den Maulid zu erinnern bedeutet, die Leute zu versammeln, Teile des Qur’ân zu
rezitieren, Geschichten über den Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben,
zu erzählen sowie die Zeichen, die ihn begleitet haben. Dann wird Essen serviert. Danach
trennen sich die Leute wieder. Dies ist eine der guten Neuerungen und derjenige, der sie
praktiziert, wird belohnt, denn er verehrt den Rang des Propheten, möge Allah ihn segnen und
ihm Frieden geben, und er drückt Freude aus über dessen ehrenhafte Geburt.“ (Letzteres
nachzulesen unter: http://www.islamische-zeitung.de/iz3.cgi?id=3029)
Genau dies ist die Praxis, der ich bisher in solchen Veranstaltungen beigewohnt habe.