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Frank Borowicz | Michael Schuster

Mergers & Acquisitions


für Entscheider
Managementkunst und Umsetzungstechnik
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Frank Borowicz / Michael Schuster

Mergers & Acquisitions


für Entscheider
Managementkunst und Umsetzungstechnik

2017
Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart
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in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem,


säurefreiem und alterungsbeständigem Papier

Print: ISBN 978-3-7910-3479-9 Bestell-Nr. 20264-0001


ePub: ISBN 978-3-7910-3880-3 Bestell-Nr. 20264-0100
ePDF: ISBN 978-3-7992-7019-9 Bestell-Nr. 20264-0150

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fältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die
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© 2017 Schäffer-Poeschel
Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH
www.schaeffer-poeschel.de
service@schaeffer-poeschel.de

Lektorat: Dr. Ute Gräber-Seißinger, Bad Vilbel


Umschlagentwurf: Goldener Westen, Berlin
(Bildnachweis: Shutterstock.com)
Umschlaggestaltung: Kienle gestaltet, Stuttgart
Satz: Claudia Wild, Konstanz
Druck und Bindung: C.H. Beck, Nördlingen
Printed in Germany

Oktober 2017

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart


Ein Tochterunternehmen der Haufe Gruppe
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Vorwort

Mergers & Acquisitions sind der wirtschaftlich interessierten Öffentlichkeit als oftmals
wertvolles, manchmal sogar entscheidendes Werkzeug für Unternehmen und Unterneh-
mer bekannt. Die zahlreichen Publikationen unterstreichen das große Interesse an der The-
matik. Es finden sich vor allem umsetzungsorientierte Zusammenstellungen der zahlrei-
chen technischen Möglichkeiten mit Schwerpunkt auf den juristischen, betriebs- oder
finanzwirtschaftlichen Details, etwa der Due Diligence, der Unternehmensbewertung oder
der Post-Merger-Integration.
Das vorliegende Buch beleuchtet das Thema M&A aus einem ganz anderen Blickwin-
kel – dem eines Entscheiders:
yy M&A wird als komplexes Projekt verstanden, das eines professionellen Managements
bedarf. Davon ausgehend werden die Planung, die Steuerung und die Kontrolle von
M&A-Projekten als Kernphasen des M&A-Projektmanagements ausführlich thematisiert
(Managementkunst).
yy Neben der Darstellung des Projektmanagements, je aus Verkäufer- und Käufersicht,
werden die wesentlichen Werkzeuge und Arbeitsschritte, zusammengefasst in einzel-
nen Modulen, behandelt (Umsetzungstechnik).
yy Für beides – Managementkunst und Umsetzungstechnik – sind Interessen und Infor-
mationen von zentraler Bedeutung. Um der Perspektive eines Entscheiders gerecht zu
werden, führt das Buch jeweils auch durch die Verhandlungskunst und -technik.

Zahlreiche Abbildungen vermitteln dem Leser einen schnellen Einstieg in die einzelnen
Themen, Projektabschnitte und Module und bringen das Wesentliche auf den Punkt.
Zielgruppe sind insbesondere Unternehmer, Manager und andere Entscheidungsträ-
ger – auch aus der Beratungswelt – sowie mit dem Themenkomplex Mergers & Acquisitions
befasste Studenten in Master-Programmen. Das Buch vermittelt fundiertes und akade-
misch reflektiertes Praxiswissen.
Unser Dank geht an den Verlag Schäffer-Poeschel, dort insbesondere Herrn Martin
Bergmann und die Lektorin, für die gute und effiziente Zusammenarbeit bei der Heraus-
gabe dieses Buches. Die Autoren bedanken sich zudem für die Unterstützung und kritische
Diskussion bei ihren Kollegen Christoph Corinth, Silvan Drasch, Martin Geissler und
Dr.  Franz X. Keilhofer. Hervorzuheben ist Frau Maria Magdalena Maier für die Projekt­
leitung und Koordination.
Ein weiterer Dank gilt den Gastautoren für deren Beiträge zur Perspektivenerweiterung
des Buches: Prof. Dr. Christian Aders, Vorstandsvorsitzender, und Dominik Degen, Mana-
ger (beide ValueTrust Financial Advisors SE), Thomas Dorschner, Head of Group M&A
(Celesio AG), Dr. Dominik Heiß, Project Manager M&A (MAN Diesel & Turbo SE),
Dr.  Andreas ­Kloyer, Partner (Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH), Tilo Szantho von
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VI Vorwort

Radnoth, Leiter Controlling Services (CA Immo Deutschland GmbH) sowie Andreas Schus-
ter, internationaler Investor und Chairman SBCF & Cie., New York.
Gerne nehmen wir Anregungen und Kritik entgegen, die der Leser uns gerne direkt unter
borowicz@dhbw-karlsruhe.de und michael.schuster@sbcf.de zukommen lassen kann.
Wir wünschen allen unseren Leserinnen und Lesern viel Inspiration und Freude mit
unserem Buch.

Karlsruhe/München, April 2017 Prof. Dr. Frank Borowicz, Dr. Michael Schuster
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VII

Inhaltsübersicht

Teil A
Einführung in das M&A-Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
2 M&A als Herausforderung des Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Teil B
Umsetzungstechnik: Module zur Durchführung
von M&A-Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

3 Strategische Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
4 Transaktionsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
5 Integrationsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

Teil C
Managementkunst: Projektmanagement bei M&A . . . . . . . . . . . . . . . . 329

6 Projektmanagement für Käufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333


7 Projektmanagement für Verkäufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455

Teil D
Besondere M&A-Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501

8 Public M&A – Erwerb börsennotierter Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503


9 Internationale M&A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509
10 Distressed M&A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517
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IX

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V
Verzeichnis der Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV

Teil A   Einführung in das M&A-Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1


Überblick und Executive Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.1 M&A für Entscheider. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.1.1 Zehn Thesen zum Management von M&A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.1.2 Was sind Mergers & Acquisitions? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.1.3 Überblick über das Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.2 Bedeutung und Erfolg von M&A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.2.1 Häufigkeit und Größenordnungen von M&A . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.2.2 Sind M&A-Transaktionen erfolgreich?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
1.3 Hauptakteure bei M&A-Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
1.3.1 Typische Transaktionsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
1.3.2 M&A-Dienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
1.3.3 Sonstige Stakeholder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

2 M&A als Herausforderung des Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47


2.1 M&A als Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.1.1 Eigenschaften von M&A-Projekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.1.2 Die Notwendigkeit der Projektperspektive bei M&A . . . . . . . . . . 48
2.1.3 Projektmanagement versus Projektdurchführung . . . . . . . . . . . . 49
2.1.4 Ziele von M&A-Projekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.1.5 Objekte des Projektmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.2 Aufgaben des M&A-Projektmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
2.2.1 Start des Projekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
2.2.2 Projektplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
2.2.3 Projektsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
2.2.4 Projektkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
2.2.5 Abschluss des Projekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
2.3 Projektmanagement – eine integrative Sichtweise. . . . . . . . . . . . 67
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X Inhalt

Teil B Umsetzungstechnik: Module zur Durchführung


von M&A-Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
Überblick und Executive Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

3 Strategische Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
3.1 Ziele und Strategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
3.1.1 M&A und andere strategische Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
3.1.2 Käufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
3.1.3 Verkäufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
3.2 Datenaufbereitung und Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
3.2.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
3.2.2 Käufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
3.2.3 Verkäufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
3.3 Marktscreening . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
3.3.1 Der Prozess im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
3.3.2 Käufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
3.3.3 Verkäufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

4 Transaktionsphase. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
4.1 Ansprache und Sondierung als Verhandlungsauftakt . . . . . . . . . 136
4.1.1 Die Ansprache – ein heikles Unterfangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
4.1.2 Verhandlungsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
4.2 Zusammenarbeit der Transaktionsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
4.2.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
4.2.2 Vertraulichkeitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
4.2.3 Procedure Letter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
4.2.4 Term Sheet, Letter of Intent und Memorandum
of Understanding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
4.3 Managementpräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
4.3.1 Beteiligte und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
4.3.2 Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
4.4 Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
4.4.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
4.4.2 Käuferperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
4.4.3 Verkäuferperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
4.4.4 Analysebereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
4.4.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
4.5 Finanzierung von M&A-Transaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
4.5.1 Grundgedanken zur Finanzierung und zur optimalen
Kapitalstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
4.5.2 Besonderheiten der Finanzierung von M&A-Transaktionen . . . 210
4.5.3 Finanzierung durch den Käufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
4.5.4 Finanzierung aus dem Zielobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
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Inhalt XI

4.6 Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226


4.6.1 Theorie und Praxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
4.6.2 Einzelbewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
4.6.3 Gesamtbewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
4.6.4 Weiterentwicklungen: stochastische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 258
4.6.5 Zusammenfassung: Die Wahl des passenden
Bewertungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
4.7 Strukturierung der Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
4.7.1 Share Deal versus Asset Deal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
4.7.2 Finanzierungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
4.7.3 Beteiligungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
4.8 Verhandlung des Transaktionsvertrags und Signing . . . . . . . . . . 270
4.8.1 Transaktionsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
4.8.2 Verhandlung des Transaktionsvertrags. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
4.9 Maßnahmen zum Closing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

5 Integrationsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
5.1 Post-Merger-Strategien und Integrationsfelder . . . . . . . . . . . . . . . 299
5.1.1 Käufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
5.1.2 Verkäufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
5.2 Störereignisse nach dem Closing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

Teil C  Managementkunst: Projektmanagement bei M&A . . . . . . . 329


Überblick und Executive Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

6 Projektmanagement für Käufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333


6.1 Projektstart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333
6.1.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333
6.1.2 Ausgangslage des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
6.1.3 Ausgangslage des Verkäufers und des Transaktionsobjekts . . . 336
6.1.4 Entscheidung über den Projektstart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
6.2 Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
6.2.1 Leistung, Ablauf und Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
6.2.2 Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
6.2.3 Team und weitere Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
6.2.4 Kosten und Beratervergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
6.2.5 M&A-Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
6.2.6 Information und Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406
6.3 Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
6.3.1 Team, Organisation, Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
6.3.2 Leistung, Ablauf und Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414
6.3.3 Steuerung der Risiken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415
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XII Inhalt

6.4 Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428


6.4.1 Begriff, Arten und Organisation der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . 428
6.4.2 Strategische Prozesskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430
6.4.3 Operative Prozesskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436
6.4.4 Erfolgskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
6.4.5 Organisation der Kontrolle bei M&A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
6.4.6 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
6.5 Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
6.6 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450

7 Projektmanagement für Verkäufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455


7.1 Projektstart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455
7.2 Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461
7.2.1 Leistung, Ablauf und Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461
7.2.2 Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464
7.2.3 Team und Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469
7.2.4 Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475
7.2.5 Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479
7.2.6 Information und Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
7.3 Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
7.3.1 Etablierung des Projekts: Organisation, Team, Information. . . 483
7.3.2 Leistung, Abläufe und Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486
7.3.3 Risikosteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487
7.4 Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
7.4.1 Strategische Prozesskontrollle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
7.4.2 Operative Prozesskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494
7.4.3 Ergebniskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495
7.4.4 Organisation der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498
7.5 Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499

Teil D  Besondere M&A-Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501

8 Public M&A – Erwerb börsennotierter Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503


8.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503
8.2 Öffentliches Übernahmeangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505
8.2.1 Freiwilliges Übernahmeangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505
8.2.2 Pflichtangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505
8.2.3 Sonstige Erwerbsangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506
8.3 Feindliche Übernahme als Sonderfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506
8.3.1 Der Klassiker: Feindliche Übernahme von Publikums-AGs . . . 506
8.3.2 Neues Verständnis: Feindliche Übernahme eines nicht
börsennotierten Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507
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Inhalt XIII

9 Internationale M&A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509


9.1 Besonderheiten internationaler M&A-Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . 509
9.2 Ausgewählte M&A-Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511
9.2.1 Japan. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511
9.2.2 Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512

10 Distressed M&A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531
Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536
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XV

Verzeichnis der Abkürzungen

AG Aktiengesellschaft
AktG Aktiengesetz
AKV Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten
AO Abgabenordnung
APV Adjusted Present Value
B2B Business-to-Business
BATNA Best Alternative to a Negotiated Agreement
BBodSchG Bundes-Bodenschutzgesetz
BFuP Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BMC Business Model Canvas
CAPM Capital Asset Pricing Model
CAR Cumulative Abnormal Return
CDAX Composite DAX
CEO Chief Executive Officer
CFO Chief Financial Officer
COO Chief Operating Officer
CRM Customer-Relationship-Management
DAX Deutscher Aktienindex
DCF Discounted Cash Flow
DD Due Diligence
EBIT Earnings before Interest and Taxes
EBITDA Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization
EK Eigenkapital
ERP Enterprise Resource Planning
FK Fremdkapital
FRW Finanz- und Rechnungswesen
GDP Gross Domestic Product
GewSt Gewerbesteuer
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
GoF Geschäfts- oder Firmenwert
GuV-Rechnung Gewinn-und-Verlust-Rechnung
GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
HGB Handelsgesetzbuch
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XVI Verzeichnis der Abkürzungen

IDW Institut der Wirtschaftsprüfer


IFRS International Financial Reporting Standards
InsO Insolvenzordnung
ISO International Organization for Standardization
IuK IT- und Kommunikationssysteme
KSt Körperschaftsteuer
LBO Leveraged Buy-out
LoI Letter of Intent
M&A Mergers and Acquisitions
MAC Material Adverse Change
MBI Management Buy-in
MBO Management Buy-out
MoU Memorandum of Understanding
MRP Marktrisikoprämie
NDA non-disclosure agreement
NewCo New Company
NWC Net Working Capital
PMI Post-Merger-Integration
PPS Produktionsplanungs- und Steuerungssystem
Q&A Questions & Answers
ROCE Return on Capital Employed
ROI Return on Investment
S&P Standard and Poors
SE Societas Europaea
SGF strategisches Geschäftsfeld
SPA Sale and Purchase Agreement/Share Purchase Agreement
US-GAAP United States Generally Accepted Accounting Principles
VDD Vendor Due Diligence
W&I Warranty & Indemnity Insurance
WACC Weighted Average Cost of Capital
WpHG Wertpapierhandelsgesetz
WpÜG Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
ZOPA Zone of Potential Agreement
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Teil A
Einführung in das M&A-Geschäft
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 3

ÜBERBLICK UND EXECUTIVE SUMMARY

Kapitel 1
Dem ersten Kapitel von Teil A liegen hinführende Kernfragen von Mergers & Acquisitions
(M&A) zugrunde. Im Folgenden sind diese Kernfragen sowie die entsprechenden allge-
meinen Antworten in stark verdichteter Form aufgeführt.

»Was zählt alles zu M&A?«


Zu M&A werden in diesem Buch solche Beteiligungen gezählt, durch die ein Mindestmaß
an Einfluss auf das Transaktionsobjekt transferiert wird und bei denen typische M&A-Auf-
gaben wie Unternehmensbewertung oder Verhandlung anfallen. Hierbei kann es sich um
Anteilskäufe (Share Deals) oder den Erwerb von Vermögensgegenständen (Asset Deals)
handeln. Kooperationen zählen nicht zu M&A.

»Wie viele M&A-Transaktionen gibt es und wie große sind diese?«


In Deutschland finden in durchschnittlichen Jahren – je nach Quelle – zwischen 700 und
900 Transaktionen statt. Da die Statistiken niemals alle Transaktionen erfassen, dürfte
die tatsächliche Zahl oberhalb dieser Werte liegen. Dabei spiegeln Unternehmenskäufe
letztlich die Struktur der deutschen Wirtschaft wider, sodass die größte Zahl der Transak-
tionen mittelständischen Charakter hat. Zumindest das Transaktionsobjekt ist ganz
überwiegend ein mittelständisches Unternehmen.

»Wie misst man den M&A-Erfolg – und sind M&A tatsächlich meist nicht erfolgreich?«
Für Verkäufer lohnt sich ein Unternehmensverkauf (fast) immer. Bei Unternehmenskäu-
fen zeigen viele Untersuchungen durchwachsene Erfolge oder gar mehr Misserfolge als
Erfolge, wobei hier deutlich mehr Studien für große (börsennotierte) Unternehmen vor-
liegen, die ja, wie oben angedeutet, gerade nicht das Gros der Transaktionen ausmachen.
Im Kern können drei wichtige Methoden zur Messung des M&A-Erfolgs unterschieden
werden: Erstens sind dies kapitalmarktorientierte Studien, in denen der Erfolg aus der
Reaktion des Kapitalmarktes (Börse) auf eine Transaktion abgeleitet wird. Diese Untersu-
chungen lassen jedoch nur Aussagen für börsennotierte Unternehmen zu. Die zweite
Gruppe misst den Erfolg anhand von Kennzahlen des Jahresabschlusses, sodass hier
auch Aussagen zu Transaktionen möglich sind, an denen nicht börsennotierte Unterneh-
men beteiligt sind. Beiden Untersuchungsmethoden liegt ein finanzielles Erfolgsver-
ständnis zugrunde – wobei finanzielle Ziele keinesfalls immer prioritär sein dürften. Kern
der dritten Methode sind Befragungen von Managern, Experten oder anderen Gruppen
zum Erfolg von Transaktionen. Hierbei besteht die Möglichkeit, den Erfolg nicht nur an
finanziellen Größen zu messen, sondern auch anhand von strategischen oder anderen,
teils subjektiven Kriterien.

»Welche Stakeholder sind bei M&A zu beachten?«


Hier werden drei Gruppen unterschieden: erstens die Transaktionsparteien (Käufer,
Verkäufer) mitsamt ihrem Transaktionsobjekt, zweitens die meist auf beiden Seiten
unterstützenden M&A-Dienstleister mitsamt der Finanzierungspartner und drittens die
sonstigen Stakeholder wie Mitarbeiter oder Kunden. Letztere sind oftmals von einer
Transaktion betroffen, ohne dass sie diese substanziell beeinflussen könnten.
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4 

Kapitel 2
Kapitel 2 erläutert die Perspektive, die den weiteren Verlauf der Darstellung in diesem
Buch prägt. Erstens wird dargelegt, warum es für den Erfolg eines M&A-Vorhabens essen-
ziell ist, zwischen der Umsetzung bzw. Implementation mit all ihren technischen Fragen
(zum Beispiel Due Diligence, Unternehmensbewertung) und dem Projektmanagement,
das heißt insbesondere der Planung, Steuerung und Kontrolle von M&A-Vorhaben zu
unterscheiden. Zweitens wird aufgezeigt, wo die Trennlinie zwischen Umsetzungstech-
nik und Managementkunst verläuft.
Diese Sichtweise bildet den roten Faden und prägt die Unterteilung des Buches in seine
Hauptbestandteile – Umsetzungstechniken in Form von M&A-Modulen (Teil B) und Pro-
jektmanagement von M&A-Vorhaben (Teil C).
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1 Grundlagen

1.1 M&A für Entscheider

1.1.1 Zehn Thesen zum Management von M&A

1. Zu unterscheiden ist zweierlei: die Umsetzung eines Projekts und seine entsprechenden
M&A-Instrumente (Umsetzungstechnik) einerseits und das Management von M&A-Pro-
jekten (Managementkunst) andererseits.
2. M&A-Projekte und -Prozesse sind geprägt von zwei Elementen: Informationen und Inte-
ressen. Es gibt kein M&A-Projekt, in dem nicht beides relevant wäre.
3. Informationsunterschiede zwischen dem Verkäufer und dem Käufer bestehen klassi-
scherweise darin, dass der Verkäufer mehr über das Transaktionsobjekt weiß als der
Käufer. Allerdings kann im Verlauf des M&A-Prozesses auch der umgekehrte Fall ein-
treten.
4. Es ist Aufgabe der Akteure in einem M&A-Projekt, Informationsunterschiede zu verrin-
gern, um effiziente Transaktionen zu ermöglichen. Getreu dem Motto »Wissen ist
Macht«1 werden Informationsunterschiede zum Teil jedoch auch verdeckt beibehalten
oder sogar bewusst geschaffen. Der Umgang mit Informationsunterschieden ist bei
M&A-Projekten vielschichtig.
5. Interessenunterschiede gerade zwischen dem Käufer und dem Verkäufer sind allgegen-
wärtig. Zwar haben beide in der Regel auch gleiche Interessen – zum Beispiel den
Wunsch nach Transaktionsabschluss und Geheimhaltung –, jedoch bieten die Konditi-
onen der Transaktion oder der Zeitpunkt und der Grad der Offenlegung von Informati-
onen typischerweise Stoff für Konflikte.
6. Weitere Informations- und Interessenunterschiede treten in anderen Konstellationen auf,
so etwa zwischen dem M&A-Berater und dem M&A-Auftraggeber, zwischen dem Ver-
käufer und dem Manager bzw. Geschäftsführer des Verkaufsobjekts oder auch zwi-
schen dem Käufer als Darlehensnehmer und den das Vorhaben finanzierenden Banken.
7. Eine omnipräsente Gefahr für ein wertschöpfendes M&A-Projekt geht von Akteuren
aus, die Eigeninteressen verfolgen und zudem Informationsvorteile besitzen. Solche
Akteure sind geneigt, ihre aus ihrem Wissen resultierende Macht zu nutzen, um Parti-

1 Dieses Sprichwort (»For knowledge itself is power«) geht auf den englischen Philosophen Francis Bacon
zurück, der damit die Wichtigkeit der Erkenntnis betonte.
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6 1 Grundlagen

kularinteressen durchzusetzen. Der Abschluss einer Transaktion kann so leicht zum


Selbstzweck werden. Ein sorgfältiges Projektmanagement sollte hiervor bewahren.
8. Die planerischen, steuernden und kontrollierenden Aufgaben im Rahmen eines M&A-­
Projekts sind mindestens genauso wichtig für den M&A-Erfolg wie die eigentliche
Durchführung bzw. Umsetzung. Im Ausbau eines professionellen M&A-Projektma-
nagements jenseits der Umsetzungstechnik liegt ein erhebliches Potenzial. Dieses
besteht jenseits der Optimierung einzelner Projektaufgaben in der Optimierung des
Gesamtprojekts.
9. Dominanz in der (technischen) Projektumsetzung unterdrückt vorausschauendes Pro-
jektmanagement.
10. Natürlich lässt sich M&A-Projektmanagement nicht auf »zehn goldene M&A-Regeln«
reduzieren. M&A sind komplexe Vorhaben, für die es keine simplen Handlungsregeln
gibt.

1.1.2 Was sind Mergers & Acquisitions?

Der Begriff der Mergers & Acquisitions (M&A) hat sich – trotz oder gerade wegen seiner
Unschärfe – in der Praxis durchgesetzt. Daneben werden viele weitere Begriffe wie Unter-
nehmenskauf, -erwerb und -akquisition, Übernahme, Beteiligung, Unternehmenskonzen-
tration, -fusion und -verschmelzung sowie Unternehmensverkauf oder Desinvestition
benutzt.2
In diesem Buch wird der Praxis gefolgt, jedoch das Begriffsverständnis geschärft. Unter
Mergers & Acquisitions werden Phänomene verstanden, die aus der Sicht mindestens eines
der beteiligten Stakeholder die folgenden Eigenschaften aufweisen (vgl. Abb. 1, S. 8):3
yy Option des externenWachstums bzw. der externen Schrumpfung. M&A repräsentie-
ren aus der Sicht des Erwerbers eine Option externen Wachstums und aus der Sicht des
Verkäufers eine Möglichkeit zu externer Schrumpfung.
yy Transfer von Eigentumsrechten. M&A haben den Übergang von Eigentum in Form
von Gesellschaftsanteilen oder wesentlichen Vermögensgegenständen vom Verkäufer
auf den Käufer zur Folge.
yy Übergang von Kontroll-/Leitungsrechten. Der Erwerber erhält vom Verkäufer Infor-
mationsrechte und darüber hinaus Kontroll- und gegebenenfalls auch Leitungsrechte
bezüglich des Transaktionsobjekts. Diese Rechte sind in der Regel an das Eigentum
gekoppelt.
yy Veränderung der Selbstständigkeit. Mit der Transaktion ist meist eine Veränderung
der wirtschaftlichen oder rechtlichen Selbstständigkeit des Transaktionsobjekts ver-
bunden.

2 Vgl. etwa Picot 2012, S. 25 f.; Hawranek 2004, S. 14; Jansen 2016, S. 127–130.
3 Auf die Nennung weiterer Eigenschaften wird verzichtet. Strategische Absichten (vgl. Lucks/Meckl 2015,
S. 6) liegen bei Finanzinvestoren zum Teil nicht vor, sodass dieses Kriterium hier unbeachtet bleibt.
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1.1  M&A für Entscheider 7

Inwieweit diese Kriterien erfüllt werden, hängt letztlich vom Beteiligungsumfang ab, bei
dessen Bemessung wiederum Schwellenwerte zu beachten sind.
Bei einem klassischen Unternehmenskauf können – ausgehend vom Leitbild einer deut-
schen Kapitalgesellschaft – die folgenden vier Stufen unterschieden werden (vgl. Abb. 1,
S. 8):
yy Der Übergang des gesamten Unternehmens sieht einen Transfer von 100 Prozent der
Gesellschaftsanteile (Share Deal) bzw. aller Vermögensgegenstände und Verbindlich-
keiten des Unternehmens (Asset Deal) vor.
yy Eine qualifizierte Mehrheit umfasst den Übergang von mindestens 75 Prozent der
Anteile. In vielen Satzungen bzw. Gesellschaftsverträgen ist festgelegt, dass mit dieser
qualifizierten Mehrheit nahezu alle wichtigen Entscheidungen getroffen werden können.
yy Eine einfache Mehrheit impliziert den Erwerb von mindestens 50 Prozent der Anteile
zuzüglich eines Anteilsscheins. Hiermit ist der Erwerber Mehrheitseigentümer und
kann wichtige Entscheidungen beeinflussen. Zudem kann in der Regel eine Aufnahme
in den Konzernabschluss erfolgen.4
yy Strittig ist, ob der Erwerb unterhalb von 50 oder gar unterhalb von 25 Prozent (Sperr-
minorität) noch eine M&A-Transaktion darstellt. Hierfür sprechen jedoch sowohl
­rechtliche aus auch betriebswirtschaftliche Gründe: So kann auch bei Beteiligungen
unterhalb dieser Grenzen Einfluss genommen werden. Dies gilt gerade bei Aktienge-
sellschaften (AG), da auf Hauptversammlungen selten alle Stimmrechte vertreten sind.
Auch das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) sieht vor, dass die Kon­
trolle einer AG bereits bei Erreichen der Schwelle von 30 Prozent erreicht wird.5 Noch
weiter geht die Fusionskontrolle, bei der ab einer Schwelle von 25 Prozent der Anteile
ein Zusammenschluss vermutet wird.6 Neben den genannten rechtlichen Gründen
sprechen auch betriebswirtschaftliche Erwägungen dafür, Anteilskäufe unterhalb von
25 Prozent dem M&A-Begriff zuzuordnen. Solange wichtige M&A-Aufgaben wahrge-
nommen werden, etwa die Verhandlung über die Konditionen des Kaufs bzw. Verkaufs,
zählt auch die Übernahme einer Minderheit zu M&A. So kann eine Beteiligung von bei-
spielsweise 10 Prozent an einer sehr großen Gesellschaft leicht einen Transaktionswert
von mehr als einer Milliarde Euro ausmachen, sodass zentrale M&A-Aufgaben wie etwa
die Unternehmensbewertung, die Akquisitionsfinanzierung oder die Akquisitionsver-
handlung professionell wahrgenommen werden müssen. Warum also sollte diese Betei-
ligung nicht zu M&A zählen? Zudem kann eine Beteiligung oberhalb von 5 Prozent der
Anteile bereits dazu genutzt werden, einen Squeeze-out zu behindern. Außerdem sind
selbst mit dieser geringen Beteiligungshöhe bereits relevante Informationsrechte ver-
bunden.

4 Ob dies möglich ist, hängt von der gesellschaftsrechtlichen Struktur ab.


5 Vgl. § 29 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG).
6 Vgl. hierzu § 47 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).
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8 1 Grundlagen

Erwerb
relevanter Minderheit
Erwerb einer
Option externen Wachstums Sperrminorität*
bzw. auf Schrumpfung Erwerb der Mehrheit

Umfang der Beteiligung


Ausmaß hängt ab von:
große Teile
Transfer von Eigentumsrechten des Unternehmens

vollständiges
Unternehmen
Übergang von Kontroll-/ (100 %)
Leitungsrechten
(> 75 % der Anteile)

Verlust der Selbstständigkeit (> 50 % der Anteile)

(> 25 % der Anteile)

* »Zusammenschluss« gemäß GWB (25 % der Anteile) (> 5 %)


»Unternehmenskontrolle« gemäß WpÜG (30 % der Anteile)

Abb. 1: Abgrenzung von Mergers & Acquisitions

Unstrittig der Regelfall im Kreis der M&A-Phänomene ist eine Transaktion, bei der das
Unternehmen zur Gänze übergeht, gegebenenfalls auch in mehreren Schritten. Der Trans-
fer von Eigentums-, Kontroll- und/oder Leitungsrechten sowie die Wachstums- bzw.
Schrumpfungsmöglichkeiten sind hierbei maximal. Auch verändert sich die wirtschaftli-
che Selbstständigkeit des Transaktionsobjekts.
Entfernt man sich von diesem Nukleus und nähert sich den äußeren Kreisen, so nimmt
das Gewicht der oben genannten M&A-Eigenschaften ab. Bei 50 Prozent zuzüglich eines
Anteils sind die Leitungsrechte bereits eingeschränkt. Bei 25 Prozent zuzüglich eines
Anteils gehen – wenn überhaupt – nur geringe Leitungsrechte über. Jedoch werden Eigen-
tums- und auch Kontrollrechte transferiert und anorganische Wachstumsoptionen durch-
aus genutzt.
Kooperationsformen, die rein auf vertraglichen Vereinbarungen7 beruhen, werden expli-
zit nicht zu M&A gezählt (vgl. Abb. 2, S. 9). Kooperationen weisen aufgrund ihres Zustande­
kommens, ihrer gemeinschaftlichen Führung und auch im Hinblick auf ihre Beendigung
vielfältige kulturelle und rechtliche Besonderheiten auf, die sie von M&A deutlich unter-
scheiden. Umgekehrt werden viele M&A-Instrumente – man denke an die Unternehmens-
bewertung oder die Due Diligence – bei Kooperationen entweder gar nicht oder nur in
wesentlich geringerer Intensität als bei M&A eingesetzt. Somit repräsentieren Kooperatio-
nen eine selbstständige Form des Unternehmenszusammenschlusses, die nicht zu M&A
zählt.

7 Zum Beispiel Lizenzvereinbarungen, strategische Allianzen oder Konsortien.


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1.1  M&A für Entscheider 9

Unternehmenszusammenschlüsse

Mergers & Acquisitions (Konzentrationen)

Unternehmenskauf Fusion (Verschmelzung)


Kooperationen

Fusion durch
Share Deal
Aufnahme

Fusion durch
Asset Deal
Neugründung

 geringere Bindungsintensität  höhere Bindungsintensität: vielfältiger Übergang


 Kooperationsanbahnung, -management von Eigentums-, Leitungs- und Kontrollrechten
und -beendigung weicht von M&A ab  M&A-Prozess und M&A-Instrumente weisen viele
Spezifika auf.

Abb. 2: Abgrenzung M&A von Kooperationen (Quelle: in Anlehnung an Bieg/Kußmaul 2006, S. 346 f.)

Mergers & Acquisitions setzen sich aus zwei Grundformen zusammen: Unternehmens-
käufe bzw. -verkäufe auf der einen und Fusionen bzw. Verschmelzungen auf der anderen
Seite.
Ein Unternehmenskauf bzw. -verkauf ist der Erwerb bzw. die Veräußerung eines Unter-
nehmens oder eines wesentlichen Unternehmensteils, wobei die oben genannten M&A-Ei-
genschaften erfüllt sein müssen. Es können die beiden folgenden Grundformen unterschie-
den werden:8
yy Share Deal. Die meisten Transaktionen mit relevanter Größenordnung erfolgen im Rah-
men eines sogenannten Share Deals. Hierbei werden Anteile einer Personen- oder Kapi-
talgesellschaft übertragen. Transaktionsgegenstand sind die Gesellschaftsanteile bzw.
die mit ihnen verbundenen Rechte, sodass von einem »Rechtskauf« gesprochen wird.
Der Käufer tritt mittelbar in die Position des bisherigen Rechteinhabers ein. Die Identi-
tät des Unternehmens bleibt davon unberührt, da lediglich ein Eigentumswechsel statt-
gefunden hat, der Rechteträger hiervon aber unberührt bleibt.
yy Asset Deal. Eine Transaktion kann auch in Form eines Asset Deals erfolgen. Hierbei
werden die einzelnen Vermögensgegenstände und gegebenenfalls auch die Verbind-
lichkeiten des Unternehmens übernommen. Es handelt sich somit um einen kombinier-
ten »Sach- und Rechtskauf«, da beides, Sachen und Rechte (zum Beispiel Markenrechte
oder Patentrechte), übernommen wird. Im Zuge der Transaktion wird oftmals nur ein
Teil der Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten übernommen. Dieser Eingriff in

8 Vgl. hierzu etwa Semler 2015, S. 788–790.


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10 1 Grundlagen

das Unternehmen hat zum Ziel, bestimmte risikobehaftete oder für den Erwerber un­­
interessante Unternehmensteile von der Transaktion unberührt im Unternehmen und
damit beim Veräußerer zu belassen. Letztlich werden nur diejenigen Vermögens­
gegenstände und Verbindlichkeiten übernommen, die explizit im Transaktionsvertrag
Erwähnung finden.

Eine Fusion ist die Verschmelzung von mindestens zwei rechtlich selbstständigen Unter-
nehmen zu einer neuen wirtschaftlichen und rechtlichen Einheit. Dabei geht das eine der
beiden Unternehmen auf das andere über und verliert somit seine rechtliche Eigenständig-
keit. Handelt es sich um eine Verschmelzung mit Konzernexternen, so wird der Kaufpreis
für das Transaktionsobjekt in Anteilen des übernehmenden Unternehmens entrichtet und
dazu ein Umtauschverhältnis bestimmt. Die beiden folgenden Möglichkeiten stehen zur
Verfügung:
yy Fusion durch Aufnahme. Hierbei werden die Vermögensgegenstände und Verbindlich-
keiten des Erwerbsobjekts auf den Erwerber übertragen.
yy Fusion durch Neugründung. Hierbei wird eine neue rechtliche Einheit geschaffen, in
die die Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten sowohl des Erwerbers als auch
des Erwerbsobjekts eingehen.

Oftmals folgt auf einen vorausgehenden Unternehmenskauf die Fusion der an dem Kauf
beteiligten Unternehmen. Im ersten Schritt wird das Unternehmen gekauft, um es später
im Rahmen der sogenannten Post-Merger-Integration mit dem Erwerberunternehmen zu
verschmelzen.

1.1.3 Überblick über das Buch

»M&A is a careful blend of art and science.«9

Das Zitat stammt aus dem Buch von Marks et al., das von der US-amerikanischen Alliance
of Merger & Acquisition Advisors für Fortbildungen genutzt wird. Es spiegelt die Grundidee
des vorliegenden Buches wider, die sich wie folgt umreißen lässt:
yy M&A beruhen zum einen auf der Anwendung analytischen Wissens, das etwa im
Bereich der Unternehmensbewertung oder der Akquisitionsfinanzierung klar zutage
tritt. Wir reden hier im Buch von Umsetzungstechnik bzw. Projektdurchführung.
yy Zum anderen basieren M&A auf der Kunst, vielschichtige und komplexe Projekte zu
führen. Hierbei sind nicht nur fachliches und methodisches Know-how maßgeblich.
Vielmehr müssen auch die Interessen und die Macht der involvierten Akteure berück-
sichtigt werden. Deren Verhalten ist nicht allein rational, sondern auch emotional und
instinktiv geleitet. Nicht zuletzt gilt es, die vielfältigen (externen) Einflüsse, die eben-
falls auf M&A-Projekte einwirken, in die Projektführung einzubeziehen. Wir sprechen

9 Vgl. Marks et al. 2012, S. XVIII.


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1.1  M&A für Entscheider 11

hier von Managementkunst bzw. Projektmanagement. Zwar wird das Projektmanage-


ment von analytischen Methoden unterstützt, doch darüber hinaus spielen Erfahrung,
Fingerspitzengefühl und Intuition eine maßgebliche Rolle.

Bereits der Untertitel dieses Buches – Managementkunst und Umsetzungstechnik – ver-


deutlicht diese Perspektive. Sie ist geleitet von der Überzeugung, dass ein M&A-Projekt nur
dann systematisch gelingen kann, wenn beides zusammentrifft. Fehlt hingegen das Know-
how auf der einen wie auf der anderen Seite, so bleibt der Projekterfolg aus – es sein denn,
er speist sich aus glücklichen Fügungen. Insofern wird hier keine der beiden Seiten der
»M&A-Medaille« priorisiert. Sie sind gleichwertig und gleich wichtig.
Dieses Buch hat zum Ziel, M&A-Wissen für Entscheider zu vermitteln. Dies kann nur
gelingen, wenn das, was aus der Sicht des Entscheiders unwesentlich ist, vom Wesentli-
chen getrennt und ausgesondert wird. Einige Hinweise mögen die Vorgehensweise ver-
deutlichen. Im Bereich der M&A-Umsetzungstechnik gibt es unzählige Artikel und Bücher,
die detailliert Einblick in die »technischen« Details einer Due Diligence, einer Unterneh-
mensbewertung oder in die Ausgestaltung eines Kaufvertrags geben. Während der Ent-
scheider zweifellos einen guten Überblick über diese Themen benötigt, wird er doch nie
Experte für die finanziellen oder juristischen Details eines M&A-Projekts sein können oder
wollen. Daher wird in diesem Buch Wert auf eine komprimierte Darstellung der Aufgaben
im Bereich der Projektdurchführung (»Umsetzungstechnik«) gelegt, um den Entscheider
nicht mit zu vielen Details zu belasten. In Teil B dieses Buches wird auf diese Aufgaben-
bereiche bzw. Module der Vorbereitungs-, Transaktions- und Integrationsphase eines
M&A-Projekts eingegangen.
Für Entscheider von besonderer Bedeutung sind die Managementkunst und damit das
Management von M&A-Projekten. Hier findet sich in der M&A-Praxis und im Schrifttum
oftmals ein nur unterentwickeltes Verständnis dafür, dass M&A-Projekte zu planen, zu
steuern und zu kontrollieren sind und wie dies geschehen sollte. In Teil C dieses Buches
wird daher das Projektmanagement aus der Sicht sowohl des Käufers als auch des Verkäu-
fers ausführlich behandelt.
In Teil D werden zur Abrundung des Buches Besonderheiten spezieller M&A-Projekte
in gebotener Kürze vorgestellt. Hierbei geht es um den Erwerb eines börsennotierten Unter-
nehmens (»Public M&A«), die Besonderheiten internationaler bzw. von »Cross-Border«-
M&A und die Übernahme von Unternehmen in der Krise oder Insolvenz (»Distressed
M&A«). Des Weiteren werden feindliche Übernahmen angesprochen, die im Schrifttum
vernachlässigt werden, in der Praxis jedoch – nicht nur bei börsennotierten Transaktions-
objekten – relevant sein können.
Abb. 3 (S. 12) verdeutlicht die Grundstruktur des Buches.
Bevor die Durchführung und das Management eines M&A-Projekts in Teil B thematisiert
werden, wird im Folgenden skizziert, welche quantitative Bedeutung M&A haben, wie der
Erfolg von M&A bewertet wird und welche Akteure bei M&A zu berücksichtigen sind.
Zudem wird in Kapitel 2 die Projektperspektive für M&A-Transaktionen näher erläutert.
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12 1 Grundlagen

M&A für Entscheider

»Managementkunst« »Umsetzungstechnik«

Management M&A-Projekt Durchführung M&A-Projekt

Management in Teil C Umsetzungsmodule in Teil B


(Kapitel 6 bis 7) (Kapitel 3 bis 5)

Besondere M&A-Projekte in Teil D (Kapitel 8 bis 10)

Abb. 3: Überblick über das Buch

WICHTIG
M&A – geprägt von Informations- und Interessenunterschieden
Wenngleich in dieses Buch verschiedene theoretische Perspektiven eingeflossen sind, ist
es doch vornehmlich von informationsökonomischen und agency-theoretischen Grund­
überlegungen geprägt. Essenziell sind demzufolge die Bedeutung ungleich verteilter und
keinesfalls kostenloser Informationen sowie die Annahme, dass bei M&A-Projekten Inter-
essenunterschiede zwischen den Akteuren herrschen. Beides, Informationsunterschiede
und Interessenunterschiede, sind bei M&A-Projekten zu berücksichtigen, will man als
Entscheider erfolgreich sein.

Da Entscheider unter einem chronischen Zeitmangel leiden, sollen die zahlreichen Abbil-
dungen in diesem Buch helfen, einen schnellen, visuell gestützten Überblick über und Ein-
stieg in die jeweiligen Themen zu erhalten, um ein gezieltes Lesen zu ermöglichen.
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1.2  Bedeutung und Erfolg von M&A 13

1.2 Bedeutung und Erfolg von M&A

1.2.1 Häufigkeit und Größenordnungen von M&A

Die Frage nach der Zahl oder dem Gesamtwert der M&A-Transaktionen in Deutschland,
Europa oder der Welt ist leicht gestellt, jedoch nur schwer zu beantworten. Im Folgenden
werden zunächst Erhebungen branchenüblicher M&A-Datenbanken vorgestellt (hier:
Thomson Financial, Mergermarket, M&A-Database)10. Anschließend werden die Angaben
eingeordnet, verglichen und relativiert.
Im Kreis der Investmentbanken weit verbreitet sind die M&A-Angaben von Thomson
Financial (vgl. Abb. 4). Sie zeigen auf, dass die M&A-Intensität in den Jahren 2014 und 2015
weltweit hoch war. Mit Einschränkungen gilt dies auch für Europa. Die Zahl der Transak-
tionen belief sich 2015 weltweit auf 3.997, europaweit waren es 827. Das finanzielle Trans-
aktionsvolumen (ausgedrückt in kumulierten Transaktionswerten) lag 2015 weltweit bei
4.257 Mrd. USD, in Europa bei 840 Mrd. USD. Damit ergibt sich rechnerisch welt- wie euro-
paweit für 2015 ein durchschnittlicher Transaktionswert von einer guten Milliarde USD
(USA: +36 Prozent gegenüber 2014, Europa: +27 Prozent gegenüber 2014).
Die Zahlen zeigen, dass Europa im Jahr 2015 unterrepräsentiert, weil für nur rund 20
Prozent der weltweiten Transaktionen verantwortlich war, was seiner wirtschaftlichen
Bedeutung nicht entspricht. Hier macht sich unter anderem eine gewisse Zurückhaltung
gegenüber M&A-Transaktionen bemerkbar. Die höheren relativen Anteile in den Jahren
2006 (37 Prozent) und 2007 (41 Prozent; vgl. zu den Ausgangsdaten Abb. 5, S. 14) deuten
zudem darauf hin, dass die wirtschaftlichen Instabilitäten in vielen Ländern Europas für
eine Zurückhaltung verantwortlich sein könnten.

Weltweit Europaweit

2015 2014 2015 2014

Finanzielles 4.257 3.131 840 773


Transaktionsvolumen Mrd. USD Mrd. USD Mrd. USD Mrd. USD

Transaktionszahl 3.997 3.976 827 969

Durchschnittlicher 1,065 0,79 1,016 0,8


Wert / Transaktion Mrd. USD Mrd. USD Mrd. USD Mrd. USD

Abb. 4: M&A-Daten für 2014 und 2015 (Quelle: Thomson Financial. Vgl. hierzu die Angaben in
Maurer/Pachta 2016a, Maurer/Pachta 2016b und Maurer/Pachta 2015, die auf Thomson Financial
beruhen.)

10 Ergänzend auch die Datenbank Majunke (Transaktionsdatenbank) mit nützlichen Auswertungen für den
deutschsprachigen Raum, die deutlich mehr Transaktionen erfasst und auch kleinere Transaktionen ein­
bezieht.
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14 1 Grundlagen

Abb. 5 vermittelt einen Einblick in die Volatilität von M&A-Märkten. Sie zeigt, dass das
Transaktionsvolumen in M&A-starken Jahren wie 2007 und 2015 ungefähr doppelt so groß
war wie in M&A-schwachen Jahren wie etwa 2009. Der M&A-Markt reagiert stark, wenn-
gleich auch mit zeitlicher Verzögerung, auf Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen
Lage, auf die Höhe des Zinses bzw. die Finanzierungsoptionen und regional oder national
auf politische Risiken, zum Beispiel auf die unsichere politische Lage in Ländern wie der
Türkei, Russland oder Großbritannien11.

4.257
3.971
3.382

3.131
2.529

2.480

2.274

2.291

2.217

2.164
1.760
1.640

1.460
1.238
930

933

840
773

317
753
614

598
497

502
2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016 1. Hj.

global/Jahr in Mrd. USD Europa/Jahr in Mrd. USD

Abb. 5: M&A-Transaktionsvolumen 2005 bis 2016 (Quelle: Thomson Financial. Vgl. Maurer/Pachta
2016a und Maurer/Pachta 2015, die sich auf Thomson Financial beziehen.)

11 Hier wäre etwa der Brexit zu nennen.


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1.2  Bedeutung und Erfolg von M&A 15

Die Angaben von Thomson Financial beziehen sich ausschließlich auf angekündigte Trans-
aktionen und beruhen, dies zeigen die überaus hohen durchschnittlichen Transaktions-
werte, vor allem auf großen Deals. Daher sollen diesen Angaben Werte der M&A-Database
der Universität St. Gallen gegenübergestellt werden, die nur Deutschland, Österreich und
die Schweiz abdecken und nur abgeschlossene Transaktionen registrieren.12 Überdies wer-
den dort auch viele kleinere Transaktionen erfasst.
Für Deutschland13 weist die Datenbank für das Jahr 2015 genau 950 Transaktionen aus
(2014: 897 Transaktionen; vgl. Abb. 6, S. 16). Da die Grundgesamtheit der M&A-Database
von derjenigen von Thomson Financial abweicht, ist ein direkter Vergleich nur einge-
schränkt zulässig. Gleichwohl ist es bemerkenswert, dass die M&A-Database allein für
Deutschland mehr Transaktionen ausweist als Thomson Financial für ganz Europa (950
versus 827).
Das finanzielle Transaktionsvolumen betrug laut M&A-Database im Jahr 2015 rund
70 Mrd. EUR, wobei diesem Betrag die Werte lediglich eines Teils der Transaktionen
zugrunde liegen. Es liegen nämlich nur für rund ein Drittel der Transaktionen finanzielle
Angaben vor.14 Meist fehlen die Angaben für kleinere Transaktionen. Bezieht man sich nur
auf die Transaktionen, für die Werte vorliegen, so ergibt sich ein durchschnittlicher Trans-
aktionswert von rund 215 Mio. EUR. Der (europäische) Durchschnittswert von Thomson
Financial liegt bei einem Vielfachen (1.016 Mrd. USD). Rechnet man für das Deutschland
des Jahres 2015 aus dem Gesamtvolumen von 70 Mrd. EUR die zehn größten Transaktio-
nen mit einem Gesamtwert von rund 34 Mrd. EUR heraus, so ergibt sich noch ein durch-
schnittlicher Transaktionswert von rund 116 Mio. EUR. Berücksichtigt man zudem, dass
die Transaktionswerte gerade der kleineren Transaktionen fehlen, so wird der Durch-
schnittswert über alle 950 Transaktionen der M&A Database wohl eher im mittleren
zweistelligen Millionenbereich liegen.
Die M&A-Datenbank Mergermarket, die angekündigte Transaktionen registriert, ver-
zeichnet für 2015 für Deutschland exakt 785 Transaktionen (2014: 878) und liegt damit in
der Größenordnung der M&A-Database von St. Gallen (vgl. Abb. 7, S. 17). Der Transaktions­
wert beträgt jedoch 95,1 Mrd. EUR und liegt damit höher als im Fall der M&A-Database
(70 Mrd. EUR). Der durchschnittliche Transaktionswert beträgt 121 Mio. EUR, verglichen
mit 215 Mio. EUR bei der M&A-Database, die ja nur ein Drittel der Transaktionen einbezieht.
Offenbar liegen Mergermarket zumindest für viele oder alle Transaktionen die entsprechen-
den Unternehmenswerte vor. Von den dort erfassten 785 Transaktionen werden 37 als Groß-
transaktionen und somit 748 als »mittelständische«15 Transaktionen bezeichnet. Letztere
kumulieren sich zu einem Wert von rund 17 Mrd. EUR. Es ergibt sich somit dann, wenn
man die Top-37-Transaktionen außer Acht lässt, ein durchschnittlicher Transaktionswert
von 23 Mio. EUR. Es zeigt sich also, dass die meisten Transaktionen in Deutschland (schät-

12 Vgl. nachfolgend Düsterhoff/Wolffson 2016.


13 Es werden Transaktionen erfasst, bei denen der Käufer und/oder der Verkäufer aus Deutschland stammen.
14 Somit fehlen die Werte von rund zwei Drittel der Transaktionen im Transaktionsvolumen.
15 Anders als eher rigide Abgrenzungen (HGB oder ifm Bonn) werden hier unter »mittelständisch« auch
solche Erwerbsobjekte gefasst, deren Umsatz oder Transaktionsvolumen (Entity) unter 500 Mio. EUR liegt.
Eine derartige Abgrenzung ist im M&A-Bereich für Small-/Midcap-Transaktionen üblich; vgl. etwa Bäch-
städt/Ramme/Röver 2016, S. 54.
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16 1 Grundlagen

1.191

1.014
972 975
950
917
897
835
2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015
Abb. 6: Entwicklung der Transaktionen in Deutschland, 2008 bis 2015 (Quelle: M&A Database
St. Gallen. Vgl. hierzu Düsterhoff /Wolffson 2016, S. 24 und Düsterhoff 2015, S. 76.)

zungsweise 90 bis 95 Prozent) tatsächlich mittelständische Deals sind bzw. mittelständi-


sche Erwerbsobjekte betreffen.
Bei der Interpretation dieser Angaben sollten die folgenden Besonderheiten beachtet
werden:
1. Eingeschränkte Grundgesamtheit. Welchen Kriterien müssen Transaktionen genü-
gen, um in die Datenbank aufgenommen zu werden? Bei einigen Datenbanken, so etwa
bei Mergermarket, wird die Aufnahme an Schwellenwerten festgemacht. Bei Merger-
market sind Transaktionswerte von mindestens 5 Mio. EUR und Umsatzvolumina beim
Erwerbsobjekt von mindestens 10 Mio. EUR oder eine Mitarbeiterzahl von 100 oder
mehr erforderlich.16 Transaktionen unterhalb dieser Werte werden nicht berücksichtigt.
Andere Anbieter, so etwa die Zephyr M&A-Datenbank vom Bureau van Dijk, verwen-
den keine Schwellenwerte, sodass prinzipiell alle Transaktionen erfasst sein müssten.
Allerdings werden nicht alle Transaktionen publik, worauf diese Anbieter angewiesen
sind. Sie »durchforsten« die Wirtschafts- und Tagespresse oder nutzen die Meldungen
von Nachrichtenagenturen wie Reuters. Andere Datenbankanbieter beziehen zusätz-
lich Informationen aus ihren Netzwerken, so etwa die M&A Database der Universität
St. Gallen. Egal wie die Abgrenzung erfolgt, dürften sehr kleine Transaktionen in vielen
Fällen nicht erfasst sein. Dies führt tendenziell zu einer erheblichen Unterschätzung der

16 Vgl. Bächstädt/Ramme/Röver 2016, S. 54.


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1.2  Bedeutung und Erfolg von M&A 17

95,1

76,2
72,7 878
67,3 784 785
733 850
686
760 748
587 702
669
41,1 570 39,7

21,4
17,7 17,5 16,6
14,2
9,7

Transaktionsvolumen insgesamt in Mrd. EUR


Transaktionsvolumen Mittelstand in Mrd. EUR

Transaktionszahl insgesamt
Transaktionszahl Mittelstand

Abb. 7: Entwicklung der Transaktionen in Deutschland, 2010 bis 2015 (Quelle: Mergermarket.
Vgl. hierzu Bächstädt/Ramme/Röver 2016, S. 55, die sich auf Zahlen von Mergermarket beziehen.)

Gesamtzahl der Transaktionen und einer geringfügigeren Unterschätzung des Transak-


tionswertes bzw. -volumens.
2. Unklares und unterschiedliches Verständnis einer M&A-Transaktion. Nicht immer
ist erkennbar, was unter einer M&A-Transaktion im Einzelnen verstanden wird. So wer-
den teilweise Börsengänge (Initial Public Offerings), Minderheitsübernahmen (etwa
schon mehr als 10 Prozent der Anteile) oder Joint Ventures unter einer M&A-Transak-
tion subsumiert, was nicht immer deckungsgleich ist mit dem eigenen M&A-Verständ-
nis ist. Diese zumeist recht breite Auslegung des M&A-Begriffs führt zu einer Überschät-
zung der Kenngrößen Transaktionsanzahl und Transaktionswert.
3. Verständnis des Transaktionswerts. Der Transaktionswert kann entweder am Equi-
ty-Wert eines Erwerbsobjekts, also am Marktwert des Eigenkapitals, oder am Gesamt-
unternehmenswert bzw. Entity-Wert, der zusätzlich den Marktwert des Fremdkapitals
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18 1 Grundlagen

beinhaltet, gemessen werden. In der Regel wird in M&A-Datenbanken der Entity-Wert


angegeben.
4. Status quo der Transaktion. Die meisten Datenbanken basieren auf sogenannten
angekündigten Transaktionen (»announced deals«), das heißt dem bekannt geworde-
nen Vorhaben einer Transaktion. Jedoch werden nicht alle angekündigten Transakti-
onsvorhaben verwirklicht. So können etwa käufer- oder verkäuferinterne Gründe dazu
führen, dass die Transaktion scheitert;17 eine dramatische Veränderung von Märkten
oder Volkswirtschaften kann zu einem Abbruch zwingen;18 oder Kartellämter oder
sonstige relevante Behörden können ihre Zustimmung verweigern. Vereinzelt zählen
Datenbanken daher anstelle der angekündigten die tatsächlich abgeschlossenen Trans-
aktionen, so die M&A-Database der Universität St. Gallen. Datenbanken, die auf ange-
kündigten Transaktionen basieren, werden insofern eher zu überhöhten Transaktions-
angaben führen. Zudem sind zeitliche Effekte zu berücksichtigen: Zu Beginn eines
wirtschaftlichen Abschwungs werden bereits angekündigte Transaktionen noch abge-
schlossen, hingegen werden weniger neue Transaktionen angekündigt. In solchen Peri-
oden kann es daher zu höheren Werten von abgeschlossenen als von angekündigten
Transaktionen kommen.

Aus dem oben Gesagten wird deutlich, dass jede einzelne Statistik stark interpretationsbe-
dürftig und ein Vergleich von Statistiken aus unterschiedlichen Quellen nahezu unmöglich
ist. Auf die simple Frage nach der Häufigkeit von M&A-Transaktionen gibt es keine richtige
Antwort. Dies liegt auch daran, dass alle M&A-Datenbanken eine systematische Verzerrung
zugunsten großer Transaktionen aufweisen.

1.2.2 Sind M&A-Transaktionen erfolgreich?

1.2.2.1 Überblick über die Methoden der Erfolgsmessung

Traut man den Aussagen der Wirtschaftspresse, so ist die Sache eindeutig: M&A-Transak-
tionen lohnen sich in der Regel nicht. Man liest etwa Folgendes: »60 bis 80 Prozent der
Transaktionen scheitern«19 und »Nur drei von zehn Megadeals haben Mehrwert geschaffen
…«20. Derartige Aussagen haben durch Mantra-gleiche Wiederholungen Eingang in das
Bewusstsein von Managern erhalten. Jedoch sind die Ergebnisse wissenschaftlicher Stu-
dien keinesfalls eindeutig. Um sie interpretieren zu können, ist ein Einblick in die Metho-
den zur Messung des M&A-Erfolgs nötig. Ein Verständnis und eine Einordnung der jeweili-
gen Studie können mittels der folgenden Kriterien erreicht werden (vgl. Abb. 8, S. 19):
yy Erstens wird vielfach implizit von der Transaktionsperspektive des Käufers ausgegan-
gen. Da M&A-Transaktionen jedoch beide Seiten betreffen, also den Käufer ebenso wie

17 So können Gremien der Transaktion ihre Zustimmung verweigern.


18 Man denke etwa an MAC-Klauseln (Material-Adverse-Change-Klauseln).
19 Vgl. Regele 2016, S. 66.
20 Vgl. Parplies 2011, S. 26 f.
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1.2  Bedeutung und Erfolg von M&A 19

Ziel?
Transaktions- Zeitpunkt der
(Erfol gs- Erfolgsmessung?
perspektive? Erfolgsmessung?
vers tä ndnis)

Unternehmens- quantitative
Käufer nach Erfolgs-
ziele und objektive realisierung
Größen (»ei ngetretene
Erfol ge«)
Unternehmens-
Verkäufer
ziele

vor Erfolgs-
subjektive realisierung
persönliche Einschätzung
gesamt- (»erwa rtete
Ziele Erfol ge«)
wirtschaftlich
(Pa rti kularziele)

Abb. 8: Aufbau von Erfolgsmessungen

den Verkäufer, sollte stets klargestellt werden, über welche Seite eine Aussage getroffen
wird. Verlässt man zudem die einzelwirtschaftliche Perspektive, so kann der Erfolg
gesamtwirtschaftlich beurteilt werden. Letzteres wird hier nicht weiter verfolgt.
yy Zweitens ist das Erfolgsverständnis zu hinterfragen. Vielfach wird als Ziel die finanzi-
elle Vorteilhaftigkeit der Transaktion für den Käufer oder Verkäufer unterstellt. Daneben
können jedoch strategische Ziele, etwa ein rascher Markteintritt, oder persönliche Ziele
unterschiedlicher Stakeholder-Gruppen ausschlaggebend für die Transaktion sein –
oder zumindest zur Beurteilung des Erfolgs der Transaktion herangezogen werden. So
werden etwa die Gesellschafter eines Unternehmens, die Mitarbeiter, Manager oder
Kunden jeweils unterschiedliche Ziele als wichtig ansehen und Transaktionen vor die-
sem Hintergrund unterschiedlich beurteilen.
yy Drittens kann die Erfolgsmessung sowohl auf quantitativ-objektiven Daten aufbauen
als auch auf subjektiven Einschätzungen beruhen, die mittels Befragungen erhoben
werden. Bei quantitativ-objektiven Studien werden Daten des Rechnungswesens, des
Kapitalmarktes oder Größen wie Marktanteile herangezogen, die als objektiv gelten,
wenn sie von einem unabhängigen Marktforschungsinstitut stammen. Zu den subjek-
tiven Einschätzungen zählen Befragungen unternehmensinterner Stakeholder wie das
Management oder die von der Transaktion betroffenen Mitarbeiter oder aber externer
Gruppen wie Kunden und schließlich auch Befragungen von Experten.
yy Viertens kann die Erfolgsbeurteilung entweder auf tatsächlich eingetretenen, also rea-
lisierten Erfolgen der Transaktion oder auf erwarteten, also zukünftigen Erfolgen basie-
ren. Wichtig ist also der Zeitpunkt der Erfolgsmessung. Im zuerst genannten Fall wer-
den Daten von Jahresabschlüssen vor und nach der Transaktion betrachtet und
Aussagen über die festgestellten Veränderungen der Umsätze und Renditen getroffen.
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20 1 Grundlagen

Wird hingegen die Reaktion des Kapitalmarktes direkt nach der Ankündigung des
Transaktionsvorhabens gemessen, so sind die strategischen ebenso wie die finanziellen
Ergebnisse des Zusammenschlusses noch ungewiss. Es werden lediglich Erwartungen
der Kapitalmarktakteure hinsichtlich der künftigen strategischen und finanziellen Vor-
teilhaftigkeit der Transaktion gemessen.21 Auch Aussagen aufgrund von Befragungen
können sowohl auf Erfahrungen nach einer Transaktion als auch auf Erwartungen in
deren Vorfeld beruhen.

Studien, die den Erfolg von M&A-Transaktionen messen, können mittels der genannten
Kriterien unterschieden werden. Im Folgenden werden die drei gängigsten Arten von Stu-
dien vorgestellt (vgl. Abb. 9):22
yy kapitalmarktorientierte Ereignisstudien (Event Studies),
yy jahresabschlussbasierte Studien,
yy Befragungen.

Typische Typische Typische


Ereignisstudie jahresabschluss- befragungs-
(Event Study) basierte Studie basierte Studie

Transaktions- Käufer Käufer oder


Käufer
perspektive? (oder Verkäufer) Verkäufer

Ziel? finanzielle strategische,


finanzielle
(Erfol gs- Unternehmens- finanzielle oder
Unternehmensziele
vers tä ndnis) ziele persönliche Ziele

Erfolgs- quantitative und quantitative und subjektive


messung? objektive Größen objektive Größen Einschätzungen

Zeitpunkt der vor Erfolgs- nach Erfolgs- nach Erfolgs-


realisierung realisierung realisierung
Erfolgs-
(»erwartete (»eingetretene (»eingetretene
messung? Erfolge«) Erfolge«) Erfolge«)

nur auf börsennotierte auf alle publizitäts- auf alle


Unternehmen pflichtigen Unternehmen Unternehmen
anwendbar anwendbar anwendbar

Abb. 9: Charakterisierung der Methoden zur M&A-Erfolgsmessung

21 Zwar schlagen sich die Erwartungen in realisierten Aktienkursveränderungen nieder, jedoch hat sich die
Transaktion noch nicht in den fundamentalen Daten des Unternehmens niedergeschlagen.
22 Darüber hinaus werden vereinzelt andere Messverfahren verwandt. Dazu zählen Fallstudien, in denen
einzelne Fälle umfassend betrachtet werden, und Studien, in denen Wiederverkäufe erworbener Unterneh-
men als (strategischer) Fehlschlag gewertet werden. Gerade letztere sind jedoch durchaus als fragwürdig
anzusehen (vgl. zu Kritik Bamberger 1994, S. 118 f.).
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1.2  Bedeutung und Erfolg von M&A 21

1.2.2.2 Ereignisstudien

Ereignisstudien zur Beurteilung des M&A-Erfolgs sind in den letzten 20 Jahren zunehmend
populär geworden.23 In der Regel wird der Erfolg von Käufern beurteilt, gelegentlich jedoch
auch derjenige von Verkäufern.24 Zur Beurteilung der Transaktion wird eine finanzielle
Zielsetzung unterstellt; der Erfolgsmessung liegen quantitativ-objektive Größen zugrunde.
Der Erfolg einer Akquisition wird anhand der Aktienkursentwicklung des Käufers beur-
teilt. Grundannahme ist, dass Aktienkurse stets den aktuellen Unternehmenswert wider-
spiegeln, das heißt, dass auch neue Ereignisse wie Akquisitionsmitteilungen vom Kapital-
markt umgehend und richtig eingeschätzt werden.
Die Ankündigung eines Unternehmenskaufs gilt als ein kursrelevantes Ereignis
(»Event«), dessen Ergebnis sich unmittelbar im Aktienkurs und damit im Unternehmens-
wert niederschlägt. Steigt der Kurs in einem abnormalen Ausmaß an, so ist der Unterneh-
menskauf erfolgreich, bei einer negativen abnormalen Änderung gilt er als Misserfolg.

E X KU RS

M&A-bedingt abnormale Aktienrendite


Da sich der Aktienkurs eines Unternehmens auch unabhängig von einem Unternehmens-
kauf verändert, ist die beobachtbare Kursveränderung in zwei Komponenten zu untertei-
len: die normale bzw. erwartete Kursänderung, die ohne das M&A-Ereignis eingetreten
wäre, und eine abnormale Kursänderung, die sich aus dem Kaufereignis selber ergibt.
Diese abnormale Kursveränderung ergibt sich aus der Differenz zwischen der tatsächli-
chen und einer errechneten erwarteten Kursveränderung. Kursveränderungen werden in
Ereignisstudien stets als relative Größen in Aktienrenditen ausgedrückt, indem die Akti-
enkursveränderung eines Tages in Beziehung gesetzt wird zum Schlusskurs des Vorta-
ges.25 Somit ergibt sich für die Aktie des Unternehmens i zum Zeitpunkt t die abnormale
Rendite ARit als Unterschied zwischen der tatsächlichen Rendite Rit und der erwarteten
Rendite E(Rit):
(1) ARit = Rit – E(Rit)
Während sich die tatsächliche Rendite beobachten lässt, basiert die erwartete Rendite
auf einem fiktiven Kursverlauf, der ohne das Kaufereignis eingetreten wäre. Dieser
Kursverlauf ergibt sich,26 indem eine lineare Beziehung zwischen der Aktienrendite des
Unternehmens i und einer Marktrendite RM unterstellt wird. In einem Zeitraum, der deut-
lich vor dem Transaktionsereignis liegt, wird der Zusammenhang zwischen beiden mit-
tels einer Regressionsanalyse ermittelt. Dieser Zeitraum wird als Schätzperiode bezeich-
net und umfasst meist 200 bis 250 Handelstage an der Börse. Die Regressionsgleichung
lautet
(2) Rit = αi + βi × RMT + ɛit

23 Darüber hinaus werden sämtliche anderen kursrelevanten Ereignisse untersucht, so etwa personelle Verän-
derungen im Vorstand, Dividendenankündigungen oder strategische Veränderungen wie Diversifikations-
entscheidungen.
24 Im Nachfolgenden wird vereinfachend von der Käuferperspektive ausgegangen.
25 Dividendenzahlungen sind einzubeziehen und wirken renditeerhöhend.
26 Hier wird das einfache Marktmodell zugrunde gelegt. Darüber hinaus sind andere Modelle verwendbar.
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22 1 Grundlagen

Die zu schätzende Rendite Rit ergibt sich somit näherungsweise aus einer vom Markt
bestimmten, systematischen Rendite (βi × RMT) und der unternehmensspezifischen Ren-
dite αi. Der Faktor βi gibt an, wie stark die Aktienrendite des Unternehmens i auf Änderun-
gen der Marktrendite reagiert. Es kann auch von einem Sensitivitätsmaß gesprochen wer-
den, das die Stärke angibt, mit der die Aktienrendite auf Änderungen der Marktrendite
reagiert. Zur Berechnung der Marktrendite werden Branchenindizes und/oder breit
gefasste Indizes wie der S&P 500, der DAX 100 oder der EuroStoxx 50 verwendet. Der Feh-
lerterm ɛit repräsentiert die Aktienkursveränderung, die weder durch allgemeine Kapital-
marktveränderungen (systematische Rendite) noch durch unternehmensspezifische
Besonderheiten (unsystematische Rendite) erklärt werden kann. Da für den Fehlerterm
ein Mittelwert von null erwartet wird, kann er ignoriert werden.
In der sogenannten Ereignisperiode findet die M&A-Transaktion selber statt. Der tatsächli-
che Kursverlauf bzw. die tatsächliche Rendite Rit ist dann für jeden Tag beobachtbar. Die
erwartete Rendite E(Rit) lässt sich hierauf aufbauend berechnen, da der wichtige β-Faktor
und der α-Faktor und mithin der lineare Zusammenhang zwischen dem Aktienkurs des
Unternehmens und der Marktrendite der Schätzperiode auf die Ereignisperiode übertra-
gen werden (vgl. Abb. 10). Diese Periode umfasst in der Regel nur wenige Handelstage
(meist 3 bis 20), da andernfalls die Gefahr besteht, dass weitere Events jenseits der
M&A-Transaktion (»Störereignisse«) den Aktienkurs beeinflussen. Meist wird ein Zeitfens-

tatsächliche
Schätzung des Aktienrendite abnormale
Zusammenhangs Übertragung Aktienrendite
zwischen Aktienkurs (M&A-
und Marktindex erwartete bedingt)
Aktienrendite

Tag X Tag Y Tag -Z Tag +Z


Ereignis

Zeit (in Tagen)


Schätzperiode Ereignisperiode

 Wie verhält sich der Kurs ohne Ereignis


 Wie verändert sich der Kurs während
im Vergleich mit dem Marktindex
des M&A-Ereignisses?
(z. B. HDAX)?
 Ausschluss weiterer kursrelevanter Ereignisse
 Ermittlung des linearen Zusammen-
 Abnormale Rendite = tatsächliche Rendite –
hangs zwischen Aktienkurs und
erwartete Rendite
Marktindex
 Länge: wenige Handelstage (meist 3 bis 20 Tage)
 Länge der Schätzperiode:
viele Handelstage
(meist 200 bis 250 Tage)

Abb. 10: Ereignisstudien – Schätzperiode und Ereignisperiode


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1.2  Bedeutung und Erfolg von M&A 23

ter von wenigen Tagen symmetrisch um den Ereignistag gelegt, um Gerüchte, die vor
dem Kauf schon zu Kursbewegungen führen, zu integrieren und dem Kapitalmarkt mehr
als nur einen Tag Zeit zur Verarbeitung des Ereignisses einzuräumen.
Die abnormale Rendite als Differenz aus der beobachtbaren und der erwarteten Rendite
wird für jeden Handelstag berechnet. Anschließend werden die so gewonnenen Werte in
der Regel kumuliert, um die abnormale Rendite für die gesamte Ereignisperiode zu erhal-
ten. Diese sogenannte kumulierte abnormale Rendite (CAR27) gibt Aufschluss darüber, ob
sich ein Unternehmenskauf aus der Sicht der Anteilseigner gelohnt hat – dann ist sie sig-
nifikant positiv – oder ob Wert vernichtet wurde (vgl. Abb. 11).28
Aktienkurs in EUR

tatsächlicher
Kursverlauf

abnormale
Erfolgsmaßstab für M&A:
Kursreaktion
Berechnung der kumu-
lierten abnormalen
Rendite CAR, die durch
erwarteter die M&A-Transaktion
Kursverlauf hervorgerufen wurde

Transaktions-
ankündigung

Tag –Z Tag 0 Tag +Z Zeit in Tagen

Ereignisperiode/
Messperiode

Abb. 11: Ereignisstudien: Die kumulierte abnormale Rendite als Erfolgsmaßstab

Ereignisstudien setzen voraus, dass das betrachtete Unternehmen börsennotiert ist. Da mit-
telständische Käufer und Verkäufer meist nicht an einer Börse notiert sind, weisen Ereignis-
studien eine erhebliche Verzerrung zugunsten großer (und international agierender) Unter-
nehmen auf. Die Übertragung der Ergebnisse auf den Mittelstand ist daher fragwürdig.
Ein weiterer Schwachpunkt ist, dass die Kernannahme, wonach der Kapitalmarkt die
wirtschaftlichen Folgen einer M&A-Transaktion schnell und vollständig bewerten kann,
empirisch nicht belegt ist. Mittels der Ereignismethode werden die Erwartungen des Kapi-
talmarkts gemessen. Ob diese Erwartungen sich letztlich auch in fundamentalen Unterneh-
menserträgen niederschlagen, wird sich erst in der Zukunft zeigen. Insofern liegt der Mess-
zeitpunkt vor der eigentlichen Realisierung des Erfolgs. Gibt man jedoch dem Kapitalmarkt

27 Cumulative Abnormal Return (CAR).


28 In der Regel werden die Signifikanz (t-Test) und die Robustheit (unter anderem bezüglich von Verände-
rungen der Zeitfenster für die Ereignis- und Schätzperiode, Veränderungen des Marktindex) der Ergebnisse
überprüft.
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24 1 Grundlagen

mehr Zeit zur Verarbeitung des Events, indem man das Ereigniszeitfenster verlängert, so
nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass andere Ereignisse jenseits der M&A-Entscheidung
den Aktienkurs beeinflussen. Damit wäre die abnormale Rendite das Resultat verschiede-
ner Ereignisse und ließe sich nicht mehr allein auf die M&A-Entscheidung zurückführen.

1.2.2.3 Jahresabschlussbasierte Erfolgsmessung

Jahresabschlussbasierte Studien beurteilen den Erfolg einer M&A-Transaktion aus der Käu-
ferperspektive. Dabei wird eine finanzielle Zielgröße unterstellt und die Zielerreichung
unter Rückgriff auf das Zahlenwerk der veröffentlichten Jahresabschlüsse quantitativ und
objektiv29 gemessen. In der Regel werden Ergebnisgrößen wie Gesamtkapital- oder Eigen-
kapitalrendite, Umsatzveränderungen oder absolute oder relative Cashflow-Kennzahlen
für mehrere Jahre verwendet. Die zwei folgenden Varianten, die auch kombiniert ange-
wandt werden können (vgl. Abb. 12, S. 25), lassen sich unterscheiden:30
yy Zeitvergleich. Das Ergebnis nach der Transaktion wird verglichen mit dem Ergebnis
vor der Transaktion. Dazu sind die Ergebnisgrößen sowohl des Käufers als auch des
Kaufobjekts jeweils größengewichtet heranzuziehen – was bei strukturellen Änderun-
gen eine Herausforderung darstellt. Der Zeitvergleich beantwortet die Frage, ob die neu
geschaffene Einheit aus Käufer und Kaufobjekt bessere Ergebnisse aufweist als die ent-
sprechende Einheit vor der Transaktion.
yy Vergleich mit einer Kontrollgruppe. Alternativ zum Zeitvergleich können auch Ver-
gleichs- bzw. Kontrollgruppen herangezogen werden, die etwa aus Unternehmen ähn-
licher Größe und gleicher Branchenzugehörigkeit bestehen, welche nichts akquiriert
haben. Deren Ergebnisse werden mit denen der Käufer verglichen. Zugrunde gelegt
werden die gleichen Zeiträume, und beantwortet wird die Frage, ob die akquirierenden
Unternehmen erfolgreicher sind als die Unternehmen, die nichts akquiriert haben.

Eine wichtige Frage lautet, wie die Untersuchungszeiträume gewählt werden. Dies richtet
sich danach, wie lange es dauert, bis sich die Folgen einer Transaktion in den finanziellen
Ergebnissen widerspiegeln. Meist werden ein bis drei Jahre vor und nach der Transaktion
betrachtet, da Synergiepotenziale nach spätestens drei Jahren realisiert sein sollten.
Ein weiteres Problem stellt die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse dar. Probleme
können auftreten, wenn im Jahresabschluss verschiedene Rechnungslegungsstandards
zugrunde gelegt und Wahlrechte unterschiedlich genutzt werden – oder wenn schlichtweg
Sondereffekte auftreten, die eine Normalisierung der Ergebnisse erfordern. Andererseits ist
hervorzuheben, dass der Ansatz nicht auf erwarteten, sondern auf realisierten Ergebnissen
fußt, da der Zeitpunkt der Erfolgsmessung der Transaktion nachgelagert ist. Zudem kann
er auf die große Masse derjenigen Unternehmen, die ihre Jahresabschlüsse veröffentli-
chen, angewendet werden und lässt somit auch Aussagen über den Erfolg mittelständi-
scher (nicht börsennotierter) Transaktionen zu.

29 Gemeint ist damit eine intersubjektive Nachprüfbarkeit.


30 Es kann auch von Zeitreihenanalyse und komparativer Objektanalyse gesprochen werden. Vgl. Grünert
2006, S. 104.
Mittelwert des Erfolgs Mittelwert des Erfolgs
vor der Transaktion nach der Transaktion
Vergleichsmaßstab
Erfolgs- … Erfolgs- Erfolgs- … Erfolgs-
messung 1 messung n messung 1 messung n Zeitvergleich: Vergleich der jahres-
abschlussbasierten Erfolge vor
M&A- und nach der Transaktion
Käufer Käufer
Transaktion Käufer mit Käufer mit
Kaufobjekt Kaufobjekt
Kaufobjekt Kaufobjekt
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Zeit Zeit
Jahr ‒x Jahr ‒1 Jahr 0 Jahr 0 Jahr Y
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Mittelwert des Erfolgs Mittelwert des Erfolgs


der Käufergruppe der Kontollgruppe

Vergleichsmaßstab
Erfolgs- … Erfolgs- Erfolgs- … Erfolgs-
Kontrollgruppe: Vergleich der
messung 1 messung n messung 1 messung n Erfolge der Käufer mit den Erfolgen
einer Kontrollgruppe in einem
M&A- Unter- Unter- identischen Zeitraum (nach der
Transaktion Käufer mit Käufer mit nehmen der nehmen der Transaktion)
Kaufobjekt Kaufobjekt Kontroll- Kontroll-
gruppe gruppe
1.2  Bedeutung und Erfolg von M&A

Zeit Zeit
Jahr 0 Jahr Y Jahr 0 Jahr Y

Abb. 12: Methoden der jahresabschlussbasierten Erfolgsmessung


25
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26 1 Grundlagen

1.2.2.4 Befragungen

Eine dritte Gruppe von Studien ermittelt den Erfolg von M&A-Transaktionen anhand von
Befragungen. Hierbei wird zumeist die Käuferperspektive eingenommen, zum Teil werden
jedoch auch Angaben von Verkäufern erhoben. Befragt werden meist Manager des kaufen-
den bzw. verkaufenden Unternehmens oder Experten wie externe M&A-Dienstleister, gele-
gentlich jedoch auch andere Stakeholder wie Mitarbeiter oder Kunden. Die Befragten
geben subjektive Einschätzungen zum Erfolg einer bestimmten Transaktion bzw. allge-
mein zu M&A-Transaktionen ab. Gelegentlich werden neben dem Transaktionserfolg
zusätzlich auch die Ziele der Transaktion erhoben. Hierbei treten oftmals die finanziellen
Ziele in den Hintergrund und es dominieren strategische oder gar persönliche Ziele.31
Die Befragungen, die mündlich und/oder schriftlich erfolgen, werden in der Regel eine
gewisse Zeit nach der Transaktion durchgeführt (Erfolgsmessung nach der Ergebnisreali-
sierung). Positiv ist, dass die befragungsbasierte Erfolgsmessung im Prinzip auf jede Trans-
aktion anwendbar ist – unabhängig von einer Börsennotierung oder Publizitätspflichten.
Außerdem können tiefergehende Daten, etwa die Umstände der Transaktion,32 erhoben
werden, was bei den zuvor genannten Methoden aufgrund des Sekundärdatencharakters
kaum möglich ist. Jedoch basieren Befragungen auf Meinungsäußerungen und Einschät-
zungen, die stets subjektiv sind. Es stellt sich zudem stets die Frage, ob Manager als
befragte Akteure neutral Auskunft über die von ihnen durchgeführten Transaktionen
geben. Etwas abgemildert wird dieses Problem, wenn externe Experten befragt werden.
Diese haben als Außenstehende jedoch nicht dieselben »Transaktionsinterna« zur Verfü-
gung, sodass sie eher allgemein über »ihre Erfahrung aus einer größeren Zahl von Trans-
aktionen« berichten können. Dies alles erschwert sinnvolle Vergleiche zwischen verschie-
denen Befragungen.

1.2.2.5 Ergebnisse: Sind M&A erfolgreich?

Die Zahl der weltweit durchgeführten Studien ist immens; sie dürfte vierstellig sein. Die Stu-
dien unterscheiden sich in vielfältiger Weise. Sie verfolgen verschiedene Untersuchungs-
ziele, decken unterschiedliche Zeiträume und Unternehmen ab,33 beschäftigen sich mit
unterschiedlichen M&A-Transaktionen34 und/oder unterstellen unterschiedliche Ziele35.
Darüber hinaus setzen sie die oben beschriebenen Methoden – Ereignisstudie, jahresab-
schlussbasierte Studie und Befragung – in einer jeweils spezifischen Ausprägung ein.

31 Siehe auch die Studie von Borowicz/Heiß/Schuster 2009: Expertenbefragung, die auch alle Gruppen
umfasst.
32 Die Umstände werden beispielsweise dadurch bestimmt, wie groß die beiden Transaktionspartner sind, ob
die Transaktion national oder international ist, ob eine Börsennotierung vorliegt, ob die verantwortlichen
Manager eine hohe oder geringe M&A-Erfahrung aufweisen, ob es sich um eine horizontale, vertikale oder
konglomerate Transaktion handelt und ob ein Barangebot oder ein Aktientauschangebot unterbreitet wird.
33 Etwa: Region/Standort des Unternehmens, Börsennotierung vorhanden, Größe der Transaktion.
34 Zum Beispiel nationale versus internationale Transaktion; horizontale, vertikale oder konglomerate Trans-
aktion.
35 Finanzielles, strategisches oder persönliches Ziel.
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1.3  Hauptakteure bei M&A-Vorhaben 27

Zudem gibt es deutliche Unterschiede im Grad der Datenoffenlegung, die notwendig ist, um
die Seriosität der Studie beurteilen zu können.
Nicht zuletzt wegen der großen Unterschiede zwischen den Studien ist es kaum ver-
wunderlich, dass die Ergebnisse kein eindeutiges Bild vermitteln. Dennoch kann grob Fol-
gendes festgehalten werden, wenn man eine finanzielle Zielsetzung unterstellt: Die Stu-
dien zeigen, dass Verkäufer von Unternehmen in aller Regel signifikant von dem Verkauf
profitieren.36 Für Käufer kann bestenfalls ein gemischtes Bild gezeichnet werden. So legen
einige Studien nahe, dass Unternehmenskäufe im Durchschnitt Wert vernichten. Einige
Studien weisen kein signifikantes Ergebnis aus und einige wenige lassen den Schluss zu,
dass sich Akquisitionen lohnen.37
Bei den Käuferstudien sollte jedoch bezweifelt werden, ob der finanzielle Maßstab der
allein richtige zur Beurteilung des M&A-Erfolgs ist. Nimmt man die Forderung ernst, dass
der Erfolg anhand der tatsächlich verfolgten Ziele einer M&A-Transaktion gemessen werden
sollte, und folgt man der Hypothese, dass Manager mit M&A oftmals persönliche Ziele
erreichen wollen, so wird mit dem falschen Maßstab gemessen. Es werden also Ziele unter-
stellt und Zielwerte gemessen, die nie angestrebt wurden. In Fällen wie diesen müsste die
persönliche Zielerreichung – etwa die Macht- oder Gehaltssteigerung – gemessen werden.
Es gibt Hinweise darauf, dass derartige Motive gerade in M&A-Boomphasen eine erhebli-
che Rolle spielen.38
So oder so kann resümiert werden, dass die oben zitierten Passagen aus der Presse, die
nahelegen, dass sich M&A in aller Regel nicht lohnen, nicht ausreichend fundiert sind. Für
Verkäufer börsennotierter Unternehmen lohnt sich eine M&A-Transaktion fast immer. Für
Käufer ist das Bild weniger eindeutig. Da sich die meisten einschlägigen Presseveröffentli-
chungen auf Erfahrungen und Studien von M&A- und PMI-Beratungshäusern stützen, lässt
sich mutmaßen, dass vereinzelt auch getreu dem Motto »Bad news are good news« verfah-
ren wird. Denn gerade, wenn es noch deutliches Verbesserungspotenzial gibt, haben Unter-
nehmen einen Anreiz, Berater zu engagieren.

1.3 Hauptakteure bei M&A-Vorhaben

Mergers & Acquisitions gelten als eine Königsdisziplin des Managements. Dies mag erstens
daran liegen, dass derartige Transaktionen die Grundfesten des Unternehmens betreffen.
Schließlich wechselt durch die Transaktion der Prinzipal des Unternehmens und damit die
oberste Entscheidungsebene – zusammen mit allen von der Transaktion tangierten Vermö-
genswerten und Stakeholdern. Für die Stakeholder kann sich damit grundsätzlich »alles«
ändern. Deshalb wird solchen Projekten eine besonders große Aufmerksamkeit geschenkt.

36 Insbesondere im Falle des Verkaufs von Unternehmen im Zug der Bestimmung der Unternehmensnach-
folge fließen hier typischerweise allein subjektive Wahrnehmungen des Veräußerers ein.
37 Vgl. für einen Überblick Bruner 2004 und Glaum/Hutzschenreuter 2010, S. 92–109. Für neuere Studien
etwa Zaremba/Plotnicki 2016 und Alexandridis/Mavrovitis/Travlos 2012.
38 Vgl. Duchin/Schmidt 2013.
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28 1 Grundlagen

Zweitens sind M&A-Projekte typischerweise hochgradig komplex. Die Komplexität


rührt zum einen von der Vielzahl der Sachverhalte her, die im Ablauf eines M&A-Prozesses
zu berücksichtigen sind. Zum anderen resultiert sie ganz wesentlich aus der großen Zahl
der in einen solchen Prozess involvierten Personen und Institutionen (Akteure). Bereits
allein auf einer Marktseite werden oftmals unterschiedliche, mitunter gegensätzliche Inte-
ressen verfolgt. Umso zahlreicher dürften die Unterschiede und Gegensätze sein, wenn die
Interessen der Akteure auf beiden Marktseiten betrachtet werden.
Die Kernaufgabe des Managements besteht darin, die Beiträge der involvierten Akteure
zum M&A-Projekt so zu koordinieren, dass die Projektziele möglichst effizient erreicht
werden. Die Hauptakteure, die in M&A-Projekte und -Prozesse eingebunden sind, lassen
sich je nach ihren Aufgaben in die folgenden drei Gruppen untergliedern:
yy Transaktionsparteien,
yy M&A-Dienstleister und
yy sonstige Stakeholder.

Transaktionspartner und M&A-Dienstleister sind unmittelbar und aktiv in den M&A-Pro-


zess involviert. Transaktionspartner sind die Parteien, die sich »am Markt« als Unterneh-
menskäufer (buy side) und Unternehmensverkäufer (sell side) gegenübertreten und bei
einem erfolgreichen Verlauf der M&A-Verhandlung einen Transaktionsvertrag miteinander
schließen.
Für die laufenden Gespräche und Verhandlungen, die zum Transaktionsabschluss füh-
ren, bedienen sich die Transaktionspartner in aller Regel geeigneter M&A-Dienstleister.
Diese werden entweder mit dem Projektmanagement beauftragt – zu dem ganz wesentlich
die laufende Prozess-, Gesprächs- und Verhandlungsführung zählen – oder als externe
Experten mit der Behandlung spezieller Sachverhalte befasst. Zu Letzteren zählen Rechts-
anwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder auch Kommunikationsberater. Mit dem Pro-
jektmanagement werden je nach der Größenordnung der Transaktion typischerweise M&A-
bzw. Corporate-Finance-Berater oder Investmentbanken beauftragt. Diese kanalisieren
unter anderem auch die Gesprächs- und Verhandlungsführung (vgl. Abb. 13, S. 29), um
eine sogenannte One-Voice-Policy sicherzustellen. Die Einschaltung bloßer Vermittler
(Makler) ist eine gesonderte Spielart, weil diese keine Beratungsleistung im engeren Sinne
erbringen, sondern lediglich den Auftraggeber (als Veräußerer oder Erwerber) unmittelbar
mit der Marktgegenseite in Verbindung bringen.
Als sonstige Stakeholder treten Personen auf, die nicht unmittelbar und aktiv in den
Prozess einbezogen sind, deren Interessen aber im Hinblick auf das Ziel, einen erfolgrei-
chen Abschluss der Transaktion zu erreichen, angemessene Berücksichtigung verlangen.
Hierzu zählen etwa (unbeteiligte) Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten oder die öffentliche
Hand, vertreten beispielsweise durch Behörden oder Ämter.
Banken Banken

ERWERBER VERKÄUFER

Gesellschafter Management Management Gesellschafter


Kommunikation
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M&A- M&A-
Berater Berater

Projektteam Projektteam
Corporate-Finance-Spezialisten, Corporate-Finance-Spezialisten,
Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer
etc. etc.
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NDA-Vertrauenskreis

Behörden
sonstige Stakeholder sonstige Stakeholder
(z. B. Kartellamt)

Abb. 13: Koordination, Kommunikation und Vertraulichkeit zwischen den Stakeholdern beider Parteien
1.3  Hauptakteure bei M&A-Vorhaben
29
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30 1 Grundlagen

1.3.1 Typische Transaktionsparteien

Als Käufer und Verkäufer – mithin als Projekt- und Prozesseigner – kommen sehr unter-
schiedliche Unternehmen und Personen in Betracht. Sie können grob in die folgenden
Gruppen unterteilt werden:
yy strategische Investoren (»Strategen«),
yy klassische Finanzinvestoren (Private-Equity-Geber und institutionelle Investoren),
yy »Industrie-Holdings« (Konvergenz von Strategen und Finanzinvestoren) bzw. einzelne
»Portfolio-Unternehmen« und
yy Family Offices.

Die Bezeichnungen dieser Gruppen haben sich umgangssprachlich im M&A-Geschäft her-


ausgebildet, um Akteure jeweils spezifischer Herkunft und Interessenlage voneinander
zu unterscheiden. Die Abgrenzungen zwischen den Gruppen sind allerdings im Lauf der
vergangenen Jahre immer schwieriger geworden, das heißt, die Grenzen verschwimmen
zusehends.
Die Einordnung des jeweils betrachteten Akteurs gelingt bei aller Unschärfe der Termini
am ehesten danach, welchen Stellenwert Renditeziele und der Anlagehorizont bei ihm ein-
nehmen. Demnach unterscheiden sich die Akteure nach Maßgabe dessen, ob sie mit dem
M&A-Projekt eher ein zeitlich befristetes und primär renditebezogenes Anlageinteresse
oder ein prinzipiell unbefristetes und strategisches Interesse verfolgen.

1.3.1.1 Strategen

Ein strategischer Investor, der als Unternehmenskäufer auftritt, verfolgt mit einem M&A-­
Vorhaben vorrangig Ziele, die auf das Geschäftsmodell und die Kontrolle und Führung des
Erwerbsobjekts abstellen. Renditeziele, die mit dem Erwerbsobjekt verknüpft werden,
spielen stets eine Rolle, stehen jedoch meist weniger im Vordergrund als bei Finanzinves-
toren. Die unternehmerische Beteiligung wird in diesem Kontext zunächst zeitlich unbe-
grenzt, also ohne absehbares Exit-Interesse eingegangen. Ein Weiterverkauf wird erst dann
erwogen, wenn sich die angestrebten unternehmerischen Ziele nicht realisieren lassen.
Strategen stammen typischerweise aus derselben Branche wie das Erwerbsobjekt oder
zumindest aus strategisch verwandten Branchen, wenngleich auch breitere Diversifikatio-
nen zu beobachten sind.
Die strategischen Ziele, die ein Stratege mit einem M&A-Unternehmenskaufprozess ver-
bindet, sollten aus einer zuvor abgestimmten Unternehmensstrategie abgeleitet werden
und zur Wettbewerbsstrategie passen bzw. deren Veränderung unterstützen. Der Unter-
nehmenserwerb wird insofern als Mittel zur Verfolgung einer Unternehmensstrategie ein-
gesetzt, insbesondere werden damit etwa Ziele wie die folgenden angestrebt:39
yy Wachstum durch Zugang zu neuen Märkten (regional oder sektoral; Beschaffungs-
oder Absatzmärkte);
yy Erschließung von Synergien (Kosten- oder Umsatzsynergien);

39 Vgl. hierzu im Detail Kapitel 3, Abschnitt 3.1.2.


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1.3  Hauptakteure bei M&A-Vorhaben 31

yy Zugriff auf Know-how, Prozesse, Forschung und Entwicklung oder andere Ressourcen;
yy Stärkung der Marktmacht durch Marktbereinigung (Konsolidierung) und Verringerung
des Wettbewerbs;
yy Risikostreuung (nach Kunden, Produkten oder Regionen);
yy Transformation des Geschäftsmodells.

Hervorzuheben aus der Sicht von Strategen ist die Bedeutung möglicher Synergien. Strate-
gen erhoffen sich zumeist Kosten- oder Umsatzvorteile im operativen Bereich oder auch
durch optimierte Möglichkeiten im Management. Einem Kauf von Kunden (B2B) oder Lie-
feranten im Sinne einer vertikalen Transaktion gehen zumeist (längere) Kooperationen vor-
aus, die zu einer gewissen Exklusivität in der Geschäfts- und Vertrauensbeziehung zuein-
ander geführt haben. Hier wird die Verhandlung über einen Unternehmenserwerb, wenn
sie vom Käufer initiiert wird, zumeist bilateral geführt, das heißt ohne Wettbewerber. Viel-
fach geht es darum, die Geschäftsbeziehung durch den Kauf langfristig abzusichern. Zum
Teil reichen hierzu auch Minderheitsbeteiligungen aus.
Hat sich der Stratege im Zusammenhang mit einem geplanten Unternehmenskauf noch
nicht zur Gänze auf ein Ziel- bzw. Erwerbsobjekt festgelegt, so wird er in der Regel einen
M&A-Berater beauftragen. Dessen erste wichtige Aufgabe ist es, durch Marktanalyse und
Screening, gestützt auf ein Suchprofil, passende »Targets« bzw. Zielobjekte aufzuspüren
und diese durch Geschick in Ansprache und Herangehensweise an den Verhandlungstisch
zu bringen. Internationale Unternehmen betreiben in aller Regel eigene M&A-Abteilungen,
die optional externe M&A-Dienstleister einbinden, um den Erwerb oder die Veräußerung
von Beteiligungen zu steuern. Diese Arbeitsteilung ergibt sich aus eigenen Kapazitätsgren-
zen, ist daneben aber auch von der Überlegung geleitet, dass es für den Strategen meist
vorteilhaft ist, nicht schon beim Erstkontakt mit potenziellen Interessenten oder Targets
selbst in Erscheinung zu treten.
Entsprechend ihrem vergleichsweise längerfristigen Beteiligungsinteresse sind Strate-
gen eher bereit, in wettbewerblichen M&A-Unternehmensverkaufsprozessen strategische
Prämien zu zahlen, das heißt Kaufpreisaufschläge, die sich allein mit den Ertrags- und Cash­
flow-Perspektiven des Targets (als »Stand alone«-Einheit) nicht begründen lassen. Dahin-
ter verbirgt sich die Überlegung, dass mit der Integration eines Erwerbsobjekts in einen
Unternehmensverbund Synergien realisiert werden können, die das Target in der Stand-
alone-­Konstellation nicht erzielen kann. Strategische Prämien mögen zudem damit gerecht-
fertigt werden, dass ein Kauf des Targets durch einen Konkurrenten die Gefahr bergen
würde, dass sich die eigene Wettbewerbsposition verschlechtert und dementsprechend die
Erträge sinken.

1.3.1.2 Klassische Finanzinvestoren

Private-Equity-Fonds bilden die am meisten verbreitete institutionelle Form von Finanzin-


vestoren. Dabei handelt es sich um Unternehmenskäufer bzw. Beteiligungsgeber, die sich
in ihrem Handeln von Renditezielen und in der Regel auch – mit dem initialen Blick auf spä-
tere Exit-Chancen – von einer begrenzten Ziel-Investmentperiode leiten lassen. Vereinfacht
dargestellt, sammeln Private-Equity-Geber im Gegensatz zu Public-Equity-Gebern, welche
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32 1 Grundlagen

sich über die Börse finanzieren und an Börsenplätzen gehandelt werden, »privates Eigenka-
pital« ein, das typischerweise – aber nicht zwingend – wiederum in nicht börsennotierte
Unternehmen investiert wird. Private Equity wird von Beteiligungsgesellschaften bei insti-
tutionellen oder privaten Investoren eingesammelt (Fundraising), in Fonds gebündelt und
zur Finanzierung von Unternehmensbeteiligungen eingesetzt. Institutionelle Investoren
sind beispielsweise Versicherungen, nichtstaatliche und staatliche Pensionskassen oder
auch Kapitalanlagegesellschaften (beispielsweise Dachfonds), die für ihre Kunden indirekt
risikostreuend anlegen. Zum Teil besitzen diese Investoren aber auch eigene Private-Equi-
ty-Bereiche, die direkt als Investoren gegenüber Unternehmen auftreten.
Das klassische Private-Equity-Geschäftsmodell wird vorrangig von Renditezielen in
Kombination mit einem in der Regel mittelfristigen Anlagehorizont von vier bis sieben Jah-
ren bestimmt. Der Unternehmenskauf wird nur teilweise mit dem so eingeworbenen Eigen-
kapital, zum größeren Teil aber mit zinsgünstigerem Fremdkapital finanziert. Typisch ist
ein Fremdkapitalanteil von 50 bis 80 Prozent. Das zinsgünstigere Fremdkapital sorgt
dafür, dass die Eigenkapitalrendite für den Eigenkapitalgeber (das heißt den Private-Equi-
ty-Fonds) entsprechend dem sogenannten Leverage- Effekt steigt.40 Solchermaßen finan-
zierte Unternehmenskäufe bezeichnet man daher auch als Leveraged Buy-outs (LBO).
Die Zinsen, die aus der hohen Fremdfinanzierung bei LBO resultieren, werden faktisch
von dem gekauften Unternehmen selbst erwirtschaftet. Der Private-Equity-Fonds stellt in
der Regel über eigens gegründete Käufergesellschaften (NewCo) sicher, dass er für die
Schulden nicht haftet – und zwar auch dann nicht, wenn der Kapitaldienst mangels wirt-
schaftlicher Leistungsfähigkeit des Zielunternehmens nicht geleistet werden kann. Die
Beteiligungsgesellschaften versuchen jedoch durch Eingriffe in das Management, gegebe-
nenfalls durch Unterstützung oder gar Austausch des Managements, die operativen und
finanzwirtschaftlichen41 Stellhebel zur Wertsteigerung zu nutzen. In jedem Fall soll die
Kapitaldienstfähigkeit des gekauften Unternehmens trotz der durch die Transaktionsstruk-
tur erhöhten Schuldenlast erhalten bleiben. Am Ende des angestrebten Refinanzierungs-
zeitraums soll das Unternehmen idealerweise schuldenfrei und mit deutlich verbesserter
Ertragslage und Cashflow-Perspektive gewinnbringend weiterplatziert werden.
Um die Renditebedürfnisse ihrer Investoren zu befriedigen, vereinbaren Private-Equi-
ty-Gesellschaften mitunter umfangreiche Aufwandsentschädigungen für Dienste, die sie
der Zielgesellschaft leisten, oder »Sonderausschüttungen« bereits vor dem Weiterverkauf.
Derartige Maßnahmen bremsen die Entschuldung des Unternehmens und können seine
Investitionstätigkeit hemmen. Dem stehen in der Regel ein deutlich erhöhtes finanzwirt-
schaftliches Know-how und eine professionelle Unternehmenssteuerung gegenüber.
Private-Equity-Gesellschaften investieren in etablierte und stabile Unternehmen, die
sich in fortgeschrittenen Abschnitten des Lebenszyklus befinden und weitere Wachstum-
sperspektiven aufweisen. Gesondert davon gibt es im Markt Spezialisten für besondere
Unternehmenssituationen, zum Beispiel sogenannte Turnaround-Fonds, die in krisenbe-
haftete Unternehmen mit »gesundem Kern« investieren und eine erfolgreiche Restrukturie-

40 Dies setzt natürlich voraus, dass der Gesamtkapitalzins oberhalb des Fremdkapitalzinses liegt.
41 Typischerweise Restrukturierung der Passivseite und Verbesserung der Kapitalbindung auf der Aktivseite
der Bilanz.
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1.3  Hauptakteure bei M&A-Vorhaben 33

rung anstreben. In Restrukturierungsfällen werden von Private-Equity-Gesellschaften typi-


scherweise gerne Task Forces zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
gestellt und eingesetzt. »Venture Capital«- und »Seed Capital«-Investoren stellen Unterneh-
men zu Beginn des Lebenszyklus Kapital zur Verfügung, um Wachstumsprozesse zu
ermöglichen, die mit einer klassischen Bankfinanzierung nicht darstellbar wären. Dem
erhöhten Risiko dieser Sonderformen privater Eigenkapitalinvestitionen stehen entspre-
chend höhere Renditechancen gegenüber.
Eine weitere Gestaltungsvariante für ein Engagement von Private Equity sind Manage-
ment-Buy-outs (MBO) oder Management-Buy-ins (MBI). Diese Lösungen kommen in
Unternehmen zum Tragen, die auf der Gesellschafter- oder Managementebene ein Nach-
folgeproblem lösen müssen. Die typische Konstellation einer Unternehmensnachfolge
findet sich in Unternehmen, die von einem Gesellschafter geführt werden, der sich aus
dem Unternehmen oder zumindest aus dessen Tagesgeschäft zurückziehen möchte (vgl.
Abb. 14, S. 34). Ist das Unternehmen nicht sehr groß und erfordert es nur einen moderaten
Einsatz an Eigenkapital, um die Nachfolge des geschäftsführenden Gesellschafters anzu-
treten, so kommt für die Unternehmensnachfolge typischerweise ein einzelner externer
oder interner Manager infrage. In Konstellationen, die eine bestimmte Größenordnung
überschreiten und in denen die Unternehmensnachfolge entsprechend hohe Eigenkapital-
beiträge erfordert, übernimmt in der Regel ein Managementteam eine Minderheit der
Gesellschaftsanteile und wird dabei von einem Private-Equity-Geber begleitet, der die
Mehrheit und damit auch den wesentlichen Teil der Finanzierungslast übernimmt. In Fäl-
len wie diesen wäre ein Managementteam nur selten in der Lage, den Kaufpreis ohne einen
Private-Equity-Partner aufzubringen. So aber kann das Management als bisherige erste
oder zweite Führungsebene den Altgesellschafter »herauskaufen« (Buy-out) oder sich, von
außen kommend, in das Unternehmen »einkaufen« (Buy-in). Die Private-Equity-Gesell-
schaft hingegen erhält die Gelegenheit, das Unternehmen gemeinsam mit einem motivier-
ten und kundigen Management zu übernehmen.
Private-Equity-Gesellschaften suchen die Verbindung zu M&A-Beratern und pflegen
diese Kontakte mit besonderem Bedacht, um bei M&A-Verkaufsprozessen möglichst vor-
rangig berücksichtigt zu werden. Gleichwohl betreiben sie parallel dazu intensiv die direkte
Ansprache geeigneter Targets. Im Zuge dessen bemühen sie sich um rechtzeitige Exklusi-
vitätsvereinbarungen, um einen kaufpreistreibenden Wettbewerb zu vermeiden, der sich
andernfalls im M&A-Verfahren einstellen könnte. Oftmals werben sie beim Verkäufer für
das vorgestellte Kaufangebot mit dem Argument, dass ein vergleichbares Angebot in einem
Auktionsverfahren kaum erzielbar wäre; über dieskönne sich der Verkäufer die deutlich
höheren Transaktionskosten sparen, die in einem Auktionsverfahren anfallen.
Durch eine Auktion entsteht meist tatsächlich ein höherer Aufwand. Entscheidender
Unterscheid jedoch ist, dass im Falle eines aktiven Verkaufsprozesses bis hin zur (kontrol-
lierten) Auktion der Verkäufer den Prozess und damit die Regeln für die Verhandlungen
vorgibt, während im Fall einer Einzelverhandlung mit einem Interessenten die Prozess-
steuerung typischerweise eher bei diesem liegt. Der Käufer besitzt ein maximal fungibles
Gut: Geld. Der Verkäufer hingegen spürt, insbesondere in der Verhandlung mit einem ein-
zigen Interessenten, dass er ein Gut an den Tisch bringt, dessen Fungibilität höchst gering
ist. Eine solche Asymmetrie dürften nicht wenige Investoren zu nutzen wissen. Zudem
34

 Fremdmanagement (durch neu  Verkauf an Mitarbeiter,  Verkauf an Dritten (strategischer


angeworbenen Unternehmensführer) Unternehmensleitung durch Dritten Käufer, Finanzinvestor), der das
Management auswechselt
 Gründung einer Kapitalgesellschaft
 Management Buy-in (Anwerben

extern
 Verpachtung des Unternehmens
Unternehmensführung und Verkauf
an diese)
1 Grundlagen

 Fremdmanagement (durch  Management Buy-out  Verkauf an Dritten (strategischer


bestehenden Mitarbeiter) Käufer, Finanzinvestor), der das
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Management beibehält
 Gründung einer Kapitelgesellschaft

intern

Führung
 Verpachtung des Unternehmens

unternehmens-
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 Familiennachfolge  Verkauf an Mitarbeiter,  Verkauf an Dritten,


Unternehmensleitung durch Unternehmensleitung durch
Voreigentümer oder Familienmitglied Voreigentümer oder Familienmitglied

familienintern
familienintern unternehmensintern extern

Gesellschafter-Nachfolge

Abb. 14: Nachfolge – bedeutsamer Auslöser von Unternehmensverkäufen


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1.3  Hauptakteure bei M&A-Vorhaben 35

kann der Verkäufer in einem von ihm gesteuerten M&A-Verfahren nicht nur den Kaufpreis
optimieren, sondern auch die sonstigen Vertragskonditionen, beispielsweise die Garantien.
Im bilateralen Verfahren dürfte dies – entsprechend der Kräfteverhältnisse in der Verhand-
lung – nur eher selten gelingen.
Während Private-Equity-Gesellschaften Unternehmenszukäufe weitgehend mit eige-
nen Ressourcen realisieren, kommen M&A-Berater vorwiegend bei der Weiterplatzierung
der Beteiligungsunternehmen zum Einsatz. Der Vorteil, den ein Auktionsverfahren dem
Verkäufer bietet, nämlich die Optimierung des Kaufpreises und der sonstigen Vertragskon-
ditionen im Wettbewerb, wird – so sehr er auch beim Zukauf gemieden wird – beim eige-
nen Unternehmensverkauf durchaus genutzt.

1.3.1.3 Neuere Private-Equity-Ansätze: »Industrie-Holdings «

Der Markt für Private Equity hat sich in den letzten Jahrzehnten dynamisch entwickelt.
Vor allem seit der Weltfinanzkrise von 2008/09 sind im deutschen Sprachraum viele neue
Spieler in diesen Markt eingetreten, die zum Teil eine eher experimentelle Herangehens-
weise erkennen lassen. Davon abzugrenzen sind international etablierte Private-Equity-­
Gesellschaften, die ein ausgewogenes und stabiles Portfolio an Beteiligungsunternehmen
aufweisen. Diese Private-Equity-Gesellschaften ähneln zunehmend eher einem finanziell
geführten und breit aufgestellten Mischkonzern als einer klassischen Anlagegesellschaft.
Entsprechend kommen in der Steuerung der (zumeist größeren) Beteiligungsportfolios
Führungsprinzipien zum Einsatz, die dem jeweiligen Management einen hohen Grad an
Selbstständigkeit einräumen (Holding-Strukturen).
Die in der Regel international agierenden Portfolio-Unternehmen verfügen am Markt
über das erforderliche Gewicht und die gebotene Kapitalkraft, um ihrerseits als temporäre
»strategische Investoren« aufzutreten. Der Markt spricht von »Add-on«-Lösungen, wenn
diese Portfolio-Unternehmen selbständig Unternehmenskäufe durchführen, um die jewei-
lige Unternehmensstrategie zu bedienen. Im Rahmen einer »Buy and build«-Strategie
erwerben Private-Equity-Gesellschaften zunächst ein größeres Unternehmen, das mit sei-
nem Management und seiner Infrastruktur als Basis bzw. Plattform für weitere Zukäufe
und auch organisches Wachstum dient. Die Funktion der Private-Equity-Gesellschaft be­
schränkt sich in diesen Konstellationen oftmals auf klassische Controlling-Aufgaben nach
dem Muster herkömmlicher Holdingstrukturen.

1.3.1.4 Family Offices

Ein wenig im Schatten der mitunter schillernden Private-Equity-Szene haben sich im Markt
für privates Eigenkapital Family Offices entwickelt, die ebenfalls als Beteiligungskapitalge-
ber für Unternehmen zur Verfügung stehen und insofern mit Private-Equity-Gesellschaften
konkurrieren.
Ursprünglich umfasste der angelsächsische Begriff des Family Office Organisationen,
die große private Familienvermögen verwalten. Nach diesem Vorbild haben in Europa ver-
mögende Unternehmerfamilien Family Offices eingerichtet, die angestellte »Investment
Manager« beschäftigen und das Ziel verfolgen, das Familienvermögen zu betreuen und
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36 1 Grundlagen

durch geschickte Anlagestrategien zu vermehren. In vielen Fällen stammt das zu verwal-


tende Familienvermögen aus dem Verkauf des Familienunternehmens.
Single Family Offices und Multi Family Offices werden danach unterschieden, ob das
Office Vermögen einer oder mehrerer Familien betreut. Mittlerweile haben auch Kreditins-
titute und Consulting-Firmen den Begriff des Family Office für sich entdeckt, um vermögen-
den Familien unter diesem Eleganz und höchste Diskretion versprechenden Label gebüh-
renpflichtige Beratungsdienstleistungen im Bereich der Vermögensverwaltung anzubieten.
Unter dem Gesichtspunkt der Vermögensmehrung haben einzelne Family Offices, die
erfahrene Unternehmerfamilien hinter sich wissen, das Feld der Unternehmensbeteiligun-
gen beschritten und präsentieren sich im Wettbewerb um attraktive Targets bewusst im
Gegensatz zu Private-Equity-Gesellschaften. Sie weisen sich als erfahrene Beteiligungska-
pitalgeber aus, die bankenunabhängig ausschließlich eigenes Geld investieren und daher
die erworbenen Beteiligungsunternehmen nicht mit hohen Schulden belasten. Dabei wird
explizit auf die unternehmerische Familientradition abgestellt und betont, dass jedes Invest­
ment langfristig angelegt sei und keinem Exit-Druck unterliege (»Evergreen«-Konzept).
In der Tat lässt sich in der Praxis eine größere kulturelle Nähe der im Markt für Unter-
nehmenskapital engagierten Family Offices insbesondere zu mittelständischen Unterneh-
merfamilien feststellen, die den Verkauf des Familienunternehmens anstreben. Das Ver-
trauen in die unternehmerische Kompetenz sowie darauf, dass das »Lebenswerk« in
bewährte Unternehmerhände übergehen wird, sind zugkräftige Argumente, die dem offen-
sichtlichen Rendite- und Exit-Druck von Private-Equity-Gesellschaften – die ihrerseits ihrer
Verpflichtung gegenüber den Anlegern folgen – oftmals wirksam gegenüberstehen.

1.3.2 M&A-Dienstleister

Die Initiierung eines M&A-Projekts und die damit verbundenen Gespräche und Verhand-
lungen zwischen den Transaktionspartnern betreffen eine Vielzahl komplexer Sachver-
halte und verlangen spezielles Know-how, das bei den Transaktionspartnern selbst meist
nicht oder nicht im benötigten Umfang vorliegt. Zudem sind die Entscheidungsträger im
Unternehmen bzw. die Eigentümer oftmals daran interessiert, eine externe Meinung zu
bestimmten Sachverhalten im M&A-Projekt zu erhalten. Daher werden meist externe
M&A-Berater oder Spezialisten für ausgewählte Aufgaben beauftragt.
M&A-Dienstleister können danach unterschieden werden, ob sie (exklusiv) mit Aufga-
ben der Projektführung beauftragt sind oder von der Projektleitung als externe Experten
zur Behandlung spezieller Sachverhalte rechtlicher, steuerlicher oder anderer Natur einge-
bunden werden. Projekt- und Prozessführende sind im schulmäßigen Verlauf über die
gesamte Wegstrecke des Prozesses mit der Transaktion betraut, Fachgebietsspezialisten
hingegen nur abschnittsweise und auf Veranlassung des prozessführenden Beraters.
Die Projekt- und Prozessführung mitsamt der Koordination übernehmen typischerweise
folgende Dienstleister:
yy M&A-Berater,
yy Investmentbanken.
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1.3  Hauptakteure bei M&A-Vorhaben 37

Die wichtigsten Spezialisten, die punktuell für ausgewählte Fragestellungen hinzugezogen


werden, sind
yy Rechtsanwälte und
yy Steuerberater/Wirtschaftsprüfer.

1.3.2.1 Projektführung und Prozesskoordination

1.3.2.1.1 M&A-Dienstleistung als ungeschütztes Berufsfeld


Die Zahl der Anbieter, die das Kürzel »M&A« im Außenauftritt führen, ist groß. Die Spann-
weite der Anbieter reicht von unabhängigen M&A- bzw. Corporate-Finance-Beratungsun-
ternehmen über international agierende Investmentbanken bis hin zu einer mittlerweile
unüberschaubar großen Zahl von Kleinstanbietern (»Einzelkämpfer«), die aus dem bishe-
rigen, regulären Berufsleben ausgeschieden sind und sich zusammenfinden mit dem Vor-
haben, gestützt auf ihre bisherigen Netzwerke Vermittlungsdienste anzubieten, die weit-
läufig mit dem »Zusammenführen« von Kauf- und Verkaufsinteressenten zu tun haben.
Selbst durchaus honorige Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzleien kleineren
Zuschnitts bieten im Außenverhältnis »M&A-Dienstleistungen« an, decken aber in der
Regel nur Teilbereiche, insbesondere spezifische steuerliche oder juristische Fragen ab, die
sich einem Mandanten im Zuge eines M&A-Vorhabens stellen.

1.3.2.1.2 Verhandlungsmacht und Projektleitung


Die Projekt- und Prozessführerschaft stützt sich auf ein – in der Regel exklusives – Ver-
handlungsmandat des Auftraggebers, das dem M&A-Dienstleister eine Reihe von Aufgaben
zuweist. Der Dienstleister soll den M&A-Prozess initiieren, in Bezug auf Arbeitsschritte
und Zeitschiene strukturieren, die Einbindung externer Spezialisten koordinieren, die
Gespräche und Verhandlungen mit der Gegenseite führen und steuern sowie die Ergeb-
nisse aus den einzelnen Arbeitsschritten bündeln und für den Mandanten aufbereiten. In
einem exklusiven Beratungs- bzw. Verhandlungsmandat läuft die gesamte Kommunikation
mit der Gegenseite ausschließlich über den M&A-Dienstleister.
Durch die Exklusivität wird sichergestellt, dass zeitgleich mit mehreren Parteien auf der
Gegenseite gesprochen werden kann und die Kommunikation des gesamten Prozesses,
nicht zuletzt zu Nachweiszwecken, in einer Hand dokumentiert wird.

1.3.2.1.3 M&A-Berater
M&A-Berater agieren im Unterschied zu Investmentbanken meist aus unabhängigen, das
heißt gesellschaftergeführten Beratungsunternehmen heraus. Ihre erste Führungsebene
besteht meist aus einem mehrköpfigen Partnerkreis, was nicht bedeutet, dass alle Gesell-
schafter in der operativen Beratungstätigkeit mitwirken. Dem partnergeführten Manage-
ment steht oftmals ein Expertenbeirat zur Seite, dem auch Gesellschafter angehören
können. In diesem Kontext werden M&A-Boutiquen und Corporate-Finance-Häuser
unterschieden.
M&A-Beratungsunternehmen können als sogenannte Boutiquen auftreten. Darunter
versteht der Markt »Ein-Produkt«-Beratungsunternehmen mit einer typischerweise niedri-
gen einstelligen Beschäftigtenzahl, die meist an einem Standort konzentriert sind und aus-
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38 1 Grundlagen

schließlich M&A-Dienstleistungen im engeren Sinne anbieten. Dieses Geschäftsmodell


erscheint gegenwärtig stark herausgefordert: Das Projektgeschäft mit seinem typischen
Wechsel von Auftragsgewinnung (Akquisition) und Projektbearbeitung (Exekution) bringt
zum Teil große Volatilitäten in der Auslastung dieser Unternehmen und Schwierigkeiten in
der Ressourcenplanung mit sich, insbesondere wenn sich die Gewichte in der Vergütung
zunehmend hin zu erfolgsabhängigen Komponenten verschieben. Daher erlebt der Markt
in diesem Segment eine immer größere Bewegung der Anbieter und auch eine gewisse
Bereinigung. Diese Bewegungen motivieren teilweise einzelne Beratungshäuser, durch
Fusionen mit Wettbewerbern eine kritische Größe zu sichern und ihre Marktstellung zu
behaupten.
In einer anderen Anbieterklasse finden sich Corporate-Finance-Häuser, also Anbieter
von Finanzdienstleistungen, die Produkte aus dem klassischen Investmentbanking mitum-
fassen. Diesen Corporate-Finance-Produkten ist gemeinsam, dass sie über strukturierte
Beratungsprodukte und Dienstleistungen einschließlich Finanzierungen entstehen. Neben
M&A-Beratung werden weitere Dienstleistungen wie Financial Advisory42 angeboten, gege-
benenfalls ergänzt durch spezielle Dienstleistungen im Bereich der Restrukturierungsbera-
tung und Kapitalmarktberatung43. Die Kapitalmarktberatung ähnelt konzeptionell der
M&A-Beratung insofern, als anstelle eines Käufers, der einen Kaufpreis zahlt, Kapitalgeber
gesucht werden – typischerweise unter Nutzung der organisierten Kapitalmärkte –, die
bereit sind, in ein Unternehmen zu investieren. In beiden Produktrichtungen geht es
darum, in einem mehrstufigen strukturierten Beratungsprozess durch professionelle Doku-
mentation und Präsentation eines Geschäftsmodells Investoren unter wettbewerblichen
Bedingungen zu gewinnen und möglichst vorteilhafte Bewertungs- und Vertragskonditio-
nen auszuhandeln. Ein weiteres Produktfeld, das ausgewählte Corporate-Finance-Bera-
tungsunternehmen bedienen, ist die Beratung bei in der Regel mittelgroßen und großen
Immobilientransaktionen (Real Estate Investment Banking).
Da Corporate-Finance-Beratungshäuser mehrere Produktfelder besetzen, wird in aller
Regel eine zweistellige Zahl von Projektmitarbeitern vorgehalten, die anders als im Bou-
tique-Modell auch branchenbezogene Spezialisierungen aufweisen können. Corporate-Fi-
nance-Beratungsunternehmen verteilen sich mitunter überregional über mehrere Stand-
orte, die größeren auch international oder global. Die internationale Präsenz wird meist
nicht mit eigenen Niederlassungen, sondern mit Kooperationen abgedeckt – die in der Pra-
xis sicherlich danach zu hinterfragen sind, ob sie jenseits der Zwecke des Marktauftritts
auch gelebt werden.

1.3.2.1.4 Investmentbanken
Investmentbanken haben sich historisch gesehen ausgehend vom angloamerikanischen
Trennbankensystem entwickelt. Dieses unterscheidet zwischen Investmentbanken und
klassischen Geschäftsbanken (Commercial Banking), die herkömmliche Kreditbeziehungen
zu Unternehmen unterhalten und hierfür die Ersparnisse der privaten Haushalte bündeln.

42 Angebot bankenübergreifend erarbeiteter strukturierter Finanzierungen.


43 Hierunter werden börsliche und außerbörsliche Platzierungen gefasst.
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1.3  Hauptakteure bei M&A-Vorhaben 39

Die Geschäftstätigkeit von Investmentbanken geht über das Corporate-Finance-Ge-


schäft hinaus und umfasst unter anderen auch den Handel mit Wertpapieren (Primär- und
Sekundärmarkt), die Finanzierung internationaler Infrastrukturinvestitionen (Projektfi-
nanzierung) sowie Aufgaben im Bereich der Vermögensverwaltung für vermögende Kun-
den und institutionelle Investoren (Asset-Management).
In Europa existierte bis in die 1990er Jahre eine größere Zahl zumeist britischer Invest­
mentbanken, die vom Finanzplatz London aus internationale Corporate-Finance-Transak-
tionen mit großen Volumina begleiteten. Auf dem Kontinent war das Trennbankensystem
nicht verwirklicht, es dominierten hier Universalbanken. Investmentbanking angloameri-
kanischer Prägung gab es vor allem in Deutschland lange Zeit nicht.
Infolge der Finanzkrise 2008/09 wurde in den USA das Trennbankensystem zuneh-
mend aufgegeben. Das jahrzehntelang gültige Argument, die Ersparnisse der Bürger seien
von den risikoreicheren Geschäften der Investmentbanken zu schützen, indem sie getrennt
davon verwaltet werden, zählte nicht mehr. Zu eng waren die Kreditverflechtungen zwi-
schen den Banken. Namhafte Investmentbanken wurden in klassische Geschäftsbanken
eingegliedert, was von diesen Instituten oftmals als herber Prestigeverlust verstanden wur-
de.44 In Europa wurden im Zuge der Krise die akquirierten, vormals selbstständigen Invest­
mentbanken zur Verschlankung der Strukturen zumeist auf die Muttergesellschaften
(Geschäftsbanken) verschmolzen.
Das herkömmliche reine Investmentbanking angloamerikanischer Prägung ist in den
letzten Jahren auf dem Rückzug. Die oftmals klangvollen Namen bestehen jedoch im Ver-
bund breiter aufgestellter Geschäftsbanken fort. M&A und Corporate Finance im globalen
Maßstab wird in den Geschäftsbank-Organisationen angeboten. Im Unterschied zu unab-
hängigen Corporate-Finance-Beratungsunternehmen unterliegen die Investmentbanking-­
Abteilungen der Führung der Großbanken-Organisation, sodass sich Commercial-Banking-­
Interessen auf die Beratungsaktivität der Investmentbanker auswirken und latente
Interessenkonflikte begründen. Es lässt sich nicht immer vermeiden, dass Ziel und Inhalt
der Corporate-Finance-Beratung von Großbanken auch danach ausgerichtet werden, ob
und welche Commercial-Banking-Interessen berührt werden.

1.3.2.2 Spezialisten

Spezialisten werden von der Projektleitung bzw. Prozessführung an bestimmten Stellen


des Ablaufs einer Transaktion hinzugezogen. Ist ein M&A-Dienstleister mit der Prozessfüh-
rung beauftragt, so stellt er seinem Mandanten in der Regel eine Auswahl geeigneter Spe-
zialisten zur Einbeziehung und Beauftragung vor. Eine direkte Beauftragung von Spezia-
listen durch den M&A-Dienstleister ist aber eher selten. Die Beauftragung durch den
Mandanten hat sowohl Vorteile für diesen als auch Vorteile für den Berater in Bezug auf
dessen Haftung.

44 Das Traditionshaus Merrill Lynch wurde 2008 von der Bank of America übernommen, Lehman Brothers
musste Insolvenz anmelden, Bear Stearns wurde an JP Morgan Chase veräußert.
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40 1 Grundlagen

Es kommt eine Vielzahl von Spezialisten infrage, so etwa auch Strategie-, Kommunika-
tions- oder Versicherungsberater, die im Verlaufe des Buches vorgestellt werden.45 Hier soll
aufgrund ihrer besonderen Relevanz zunächst auf Rechtsanwälte sowie Steuerberater und
Wirtschaftsprüfer eingegangen werden.

1.3.2.2.1 Rechtsanwälte
Im Kreis der Spezialisten kommt dem Rechtsanwalt eine wichtige Funktion zu, weil im
Lauf einer Transaktion in der Regel mehrere Arbeitsschritte den Einsatz einer juristischen
Begleitung erfordern. Dessen Bedeutung wird noch größer, wenn die beauftragte Kanzlei
neben der rechtlichen auch die steuerliche Begleitung der Transaktion abdeckt.
Das Aufgabenfeld der anwaltlichen Begleitung kann – je nach dem betrachteten
M&A-Projekt – enger oder weiter gesteckt sein. Es umfasst Vereinbarungen vor dem Ver-
tragsschluss, zu denen etwa Vertraulichkeitsvereinbarungen und Absichtserklärungen zäh-
len, die rechtlichen Inhalte der Due Diligence, die Mitarbeit an einer vorteilhaften Transak-
tionsstruktur, die Erstellung des Transaktionsvertrags, kartellrechtliche Prüfungen sowie
rechtliche Fragen im Rahmen der Investor Relations und der Post-Merger-Integration46.
Da M&A-Beratern aus standesrechtlichen Gründen typischerweise die rechtliche und
steuerliche Beratung ihrer Mandanten untersagt ist, kommt dem Zusammenspiel zwischen
dem M&A-Berater und den Spezialisten, insbesondere dem Rechtsanwalt, eine ganz her-
ausragende Bedeutung zu. Bis zum Eintritt in die Verhandlungsphase werden die Spezia-
listen auf Veranlassung des M&A-Beraters mit bestimmten Aufgaben im Hintergrund
befasst. Je näher aber die Verhandlungsphase rückt, umso stärker tritt der Rechtsanwalt in
den Vordergrund und der Gegenseite als direkter Gesprächspartner gegenüber. Dieses
Zusammenspiel erfordert Fingerspitzengefühl und ein stimmiges Verhältnis zwischen dem
M&A-Berater und den Rechtsanwälten. Diese Bedingung bietet eine gewisse Gewähr dafür,
dass der Rechtsanwalt die Leitung durch den Projektverantwortlichen auch in dieser ent-
scheidenden Phase respektiert und prozesstaktische Erwägungen und Maßnahmen des
M&A-Beraters in den Verhandlungen mit dem Rechtsanwalt der Gegenseite berücksichtigt.
Umgekehrt sollte die Projekt- und Prozessführung die Kompetenzen der einbezogenen
Rechtsanwälte respektieren.
Hieraus ergibt sich, dass bei der Auswahl der anwaltlichen Begleitung für den M&A-Pro-
zess ganz besondere Anforderungen zu stellen sind – nicht nur in fachlicher, sondern auch
in persönlicher Hinsicht und unter Berücksichtigung einschlägiger Erfahrungen in Gestal-
tung und Verhandlung von M&A-Transaktionen. Verhandlungen über das Schicksal eines
Unternehmens verlangen die Fähigkeit zur Einfühlung in die materiellen und auch emoti-
onalen Befindlichkeiten und Interessen der Beteiligten und Betroffenen. Auch gehen die
fachlichen Anforderungen über die unmittelbare gesellschaftsrechtliche Expertise weit
hinaus. Nicht nur erweiterte Erfahrungen in benachbarten Gebieten – darunter Kapital-
marktrecht, Arbeitsrecht, Kartellrecht, Patent- und Markenrecht sowie Immobilien- und
Umweltrecht – können wichtig sein. Auch vertiefte betriebswirtschaftliche und steuerliche
Kenntnisse helfen, am Verhandlungstisch die ökonomischen Auswirkungen in Rede ste-

45 Vgl. hierzu die Ausführungen zur Teamzusammenstellung in Kapitel 6, Abschnitt 6.2.3.


46 Hierzu zählen etwa arbeitsrechtliche und gesellschaftsrechtliche Fragen.
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1.3  Hauptakteure bei M&A-Vorhaben 41

hender Regelungen abzuschätzen und gegebenenfalls die Notwendigkeit der Einbeziehung


vertiefter Rechtsexpertise in den Einzeldisziplinen zu erkennen.
Erfahrene M&A-Rechtsanwälte finden sich daher vorrangig in größeren bzw. interna-
tionalen Anwaltssozietäten. Abzuraten ist von der oft anzutreffenden Neigung insbeson-
dere im familiengeführten Mittelstand, die rechtliche Begleitung einer M&A-Transaktion
dem Hausjustiziar oder der bewährten Steuerberatungskanzlei vor Ort zu überlassen.
Langjährige, an ein Unternehmen gebundene Steuer- oder Rechtsberater scheuen im Vor-
feld einer Transaktion nur allzu oft die Offenlegung kritischer Themen, an deren Gestal-
tung (z. B. »Steueroptimierung«) sie selbst mitgewirkt haben, die sich aber im Kontext der
Transaktion als negativ oder störend darstellen.

1.3.2.2.2 Steuerberater und Wirtschaftsprüfer


Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern kommen bei M&A-Projekten maßgebliche Aufga-
ben im Rahmen der Aufbereitung und kritischen Analyse der steuerlichen und finanziellen
Unterlagen der Due Diligence zu. Daher ist es ratsam, entsprechende Spezialisten beim
Aufbau des Datenraums (Verkäuferseite) bzw. zu Beginn der Due Diligence (Käuferseite)
frühzeitig zu integrieren. Des Weiteren wirken sie an der Entwicklung einer Transaktions-
struktur mit, die steuerliche Nachteile beim Vollzug des Transaktionsvertrags so weit wie
möglich vermeiden soll. Angesichts häufig verborgener Interessenlagen und der notwen-
digen einschlägigen Expertise ist eine sorgfältige Prüfung zusätzlicher Expertise neben
dem »hauseigenen« Steuerberater zu empfehlen.
Für den M&A-Berater auf der Verkäuferseite ist der bestellte Steuerberater bzw. Wirt-
schaftsprüfer oft die erste Anlaufstelle, wenn es darum geht, im Rahmen der Unterneh-
mensanalyse, die der Erstellung des Datenraums wie auch der Vermarktungsunterlagen
vorausgeht, die Rechnungslegung zu analysieren. Die betriebswirtschaftliche Analyse legt
die Grundlage für die Erstellung einer Finanzplanung durch den M&A-Berater, die der Käu-
ferseite zur Bewertung des Targetunternehmens übergeben wird.
Größere Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzleien halten hauseigene M&A-­
Beratungsabteilungen (transaction services) nicht nur für bestehende Mandanten vor, son-
dern auch als externe Task Force zur separat beauftragten Einbindung in Unterneh-
menstransaktionen. Der Marktauftritt erfolgt mit dem Argument »Alles aus einer Hand«,
auch mit der Intention, von der Beratungstätigkeit ausgehend wiederum Wirtschaftsprü-
fungs- und Steuerberatungsmandate zu akquirieren.

1.3.3 Sonstige Stakeholder

Im Folgenden wird auf die sonstigen Stakeholder eingegangen. Im Kern sind dies Mana-
ger47 und Mitarbeiter des Käufers, des Transaktionsobjekts oder des Verkäufers, die Kapit-
algeber mitsamt ihrem Umfeld, die Kunden, Lieferanten, Kooperationspartner und Konkur-

47 Bei Managern steht weniger deren aktive Rolle im Rahmen von Transaktionen im Mittelpunkt. Von Inter-
esse sind demgegenüber vor allem deren persönliche Interessenlage und (passive) Betroffenheit.
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42 1 Grundlagen

renten des Transaktionsobjekts und des Käufers und schließlich der Staat und die allgemeine
Öffentlichkeit.

1.3.3.1 Management

Manager auf der Käuferseite hoffen oftmals auf Beförderungen und Gehaltssteigerungen, die
mit erfolgreichen M&A-Vorhaben einhergehen. Durch Akquisitionen wächst das Unterneh-
men oftmals erheblich und Untersuchungen zeigen, dass die Managervergütung stärker von
der Unternehmensgröße als von der Ertragsstärke des Unternehmens beeinflusst wird.48
Neben Beförderung und Vergütung kann auch ein Machtzuwachs eine Rolle spielen.
Für das Gefühl des »Empire-Buildings« bzw. die Möglichkeit, ein größeres Unternehmen zu
führen und entsprechende Reputation zu erfahren, dürften Manager mit ihrem Gestal-
tungswillen durchaus empfänglich sein.
Zudem können sie M&A-Vorhaben auch nutzen, um ihr eigenes Arbeitsplatzrisiko zu
senken. Hierfür eignen sich diversifizierende Akquisitionen, da sie die Umsätze und
Gewinne des Unternehmens stabilisieren und das Risiko von Verlusten oder gar einer
Insolvenz senken. Insofern können derartige persönliche Motive Manager durchaus zu
einer M&A-Transaktion bewegen. Dies ist unschädlich, solange die Transaktion auch zu
den Unternehmenszielen beiträgt. Dominieren jedoch derartige persönliche Ziele die
Unternehmensziele, so kann es zu Fehlkäufen kommen.
So viel zur Rolle persönlicher Interessen. Abgesehen davon neigen insbesondere erfolg-
reiche Manager auf der Käuferseite schon einmal dazu, ihre eigenen Fähigkeiten und Ein-
flussmöglichkeiten zu überschätzen (»Hybris«). Topmanager haben ja oftmals gerade des-
halb umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten, weil sie in der Vergangenheit erfolgreich
waren. Da Erfolge zu einer Stärkung des Selbstbewusstseins führen, kann hieraus eine
gesteigerte Form – die Selbstüberschätzung – folgen. Bei M&A-Vorhaben werden dann die
erzielbaren Synergien, Gewinne und Cashflows überschätzt bzw. die Dyssynergien unter-
schätzt, und Warnhinweise, die sich aus der Prüfung des Erwerbsobjekts und der Märkte
ergeben, werden gerne beiseite gewischt. Bei der Auswahl der relevanten Informationen
spielt der Wunsch nach Bestätigung der eigenen Erwartungen eine große Rolle.49 Wenn-
gleich die empirische Bedeutung derartiger verhaltenswissenschaftlicher Phänomene noch
unklar ist,50 sprechen Erfahrungen in der Praxis jedoch durchaus für deren Relevanz.
Für Manager aufseiten des Erwerbsobjekts sind die Perspektiven oftmals deutlich
schlechter. Sie sind verunsichert und haben – für sie völlig ungewohnt – kaum Entschei-
dungsgewalt bzw. Einfluss. Sie müssen Entlassungen, neue Arbeitsorte oder Karrierestag-
nation sowie deutliche Veränderungen der Arbeitsbedingungen befürchten.51 Wenngleich
Manager vereinzelt auch von Sonderzahlungen oder »versüßten Freistellungen« und ähn-
lichen Anreizen profitieren können, dürfte ihre Mehrzahl auf der Verkäuferseite den Ver-
kauf kritisch sehen, da sie negative Folgen für die eigene Person befürchtet.

48 Vgl. zusammenfassend Rapp/Wolff 2010.


49 Es werden nur diejenigen Informationen aufgenommen, die die bisherige Meinung bzw. die dahinter ste-
henden Erwartungen bestätigen (»confirmation bias«).
50 Vgl. Dreesen/Holtfort 2015.
51 Vgl. etwa Hungenberg/Wulf 2006.
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1.3  Hauptakteure bei M&A-Vorhaben 43

1.3.3.2 Mitarbeiter

Insbesondere Mitarbeiter des Erwerbsobjekts erleben M&A-Transaktionen als Phasen gro-


ßer Unsicherheit. Ihre aufkommenden Ängste beziehen sich beispielsweise auf Entlassun-
gen, Standortschließungen und Veränderungen der Rahmenbedingungen ihrer Arbeit auf-
grund von Restrukturierungs- und Integrationsplänen des Erwerbers.
Insgesamt weisen Beschäftigte in M&A-Transaktionen allgemeine Stresssymptome auf.
In diesem Zusammenhang macht das Schlagwort vom Merger-Syndrom die Runde.52 In jün-
gerer Zeit wird zudem verstärkt auf die negativen Folgen von M&A für die Identifikation
der Mitarbeiter mit »ihrem« Unternehmen hingewiesen.53
Eher selten wird berücksichtigt, dass Mitarbeiter in spezifisches Humankapital inves-
tieren, das heißt in besondere Fähigkeiten, persönliche Beziehungen, Netzwerke und Wis-
sen, die ihren besonderen Wert nur im jeweiligen Unternehmenskontext haben. Diese
langfristig ausgerichteten spezifischen Investitionen werden von Mitarbeitern in der Erwar-
tung vorgenommen, dass sie sich während der Laufzeit ihrer Beschäftigung in Form von
Gehaltszuwächsen, Beförderungen, sonstigen materiellen Kompensationen oder in Form
von mehr Selbstbestimmtheit bei Arbeitszeit oder -inhalt amortisieren werden.54 Oftmals
liegen diesen Erwartungen mehr oder minder verbindliche Versprechungen der Führungs-
kräfte zugrunde, die beispielsweise im Rahmen von Personalentwicklungsgesprächen
geäußert wurden. Nach einer M&A-Transaktion können diese Versprechungen oftmals
nicht eingehalten werden. Die Rahmenbedingungen der Arbeit verändern sich nach der
Transaktion und der darauffolgenden Integration für die Belegschaften beider Seiten. All-
gemein gesagt, werden die besagten unternehmensspezifischen Investitionen nach einer
Transaktion häufig entwertet.55

1.3.3.3 Financial Community mit Kapitalgebern

Für Kapitalgeber haben M&A-Transaktionen meist erhebliche finanzielle und risikopoliti-


sche Folgen. Zudem kann auch ihre Reputation beeinträchtigt werden. Eigenkapitalgebern
kommt dann eine herausragende Bedeutung zu, wenn die Transaktion zustimmungspflich-
tig ist oder wenn es sich bei ihr um eine feindliche Übernahme handelt. Darüber hinaus ist
es sinnvoll, zwischen Eigen- und Fremdkapitalgebern zu trennen, da diese sich bezüglich
ihrer Risiko-Rendite-Erwartungen, der jeweiligen Investitionsdauer und des jeweiligen
Interventionsgrads unterscheiden.
Für die Eigenkapitalgeber sind Wertsteigerungs- und Ausschüttungspotenziale rele-
vant. Demgegenüber sind für Fremdkapitalgeber wie Banken vor allem Zinszahlungs- und
Tilgungsfähigkeiten in einem begrenzten Anlagezeitraum bedeutsam.56 Während Eigenka-
pitalgeber von einem durch das M&A-Vorhaben erhöhtem Risiko profitieren können, da
auch die Renditeaussichten wachsen sollten, betrachten bestehende Fremdkapitalgeber

52 Vgl. Marks/Mirvis 1985.


53 Vgl. etwa van Dick/Ullrich/Tissington 2006.
54 Vgl. Shleifer/Summers 1987, S. 7; Stout 2002, S. 1196.
55 Vgl. hierzu detailliert Borowicz 2006a, Stout 2002, Shleifer/Summers 1987.
56 Vgl. Alphéus 2004 und Borowicz 2014a.
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44 1 Grundlagen

M&A deutlich zurückhaltender. Für den Erwerber folgen nämlich aus der Transaktion eine
höhere Kapitalbindung, eine geringere Liquidität und eine höhere Verschuldung, unter der
bestehende Fremdkapitalgeber leiden. »Neugeschäft« im Sinne einer Akquisitionsfinanzie-
rung kann die Interessenlage der Fremdkapitalgeber aber durchaus verändern.
Für die gesamte Financial Community, zu der auch Analysten zählen, sind mit Blick
auf die geschilderten Interessen bei Kaufvorhaben die folgenden Kernfragen zu beantwor-
ten: Wer sind die Transaktionspartner, welche Transaktionsmotive sind ausschlaggebend
und wie sind die Transaktionsstruktur und die Finanzierung ausgestaltet? Wie ist die Trans-
aktion in die Branchenentwicklung eingebettet, und welche gemeinsame Strategie wird in
Zukunft verfolgt? Wie sieht der Integrationsplan im Zeitablauf aus, welche Synergien fallen
in welchem Umfang an? Gerade im Bereich der Synergien ist Überzeugungsarbeit zu leis-
ten, indem diese konkretisiert und für Außenstehende nachvollziehbar dargestellt werden.

1.3.3.4 Absatzmarkt: Kunden und Wettbewerber

Im Zuge von Integrationen, die auf eine M&A-Transaktion folgen, werden bestehende Mar-
ken, Produkte und Ansprechpartner, mit denen Kunden häufig auch emotional verbunden
sind, durch neue ersetzt. Insbesondere aufseiten des Erwerbsobjekts kann es zu Unsicher-
heiten über das gesamte Leistungsspektrum und die Konditionen kommen. Vor diesem
Hintergrund sind Kunden verunsichert, reagieren oftmals abwartend und zeigen sich offen
für alternative Angebote. Diese Tendenz wird dadurch verstärkt, dass die neue Unterneh-
menseinheit oftmals zunächst mit der Integration »nach innen« beschäftigt ist, wenn etwa
tiefergreifende organisatorische und personelle Veränderungen im Vertrieb und im Key-­
Account-Management anstehen.
Auch für Wettbewerber verändert sich die Situation durch einen neuen, nunmehr grö-
ßeren Konkurrenten unter Umständen deutlich. Sie versuchen daher gelegentlich, die
M&A-Transaktion zu behindern, indem sie Gesellschafter verunsichern oder juristisch
gegen die Transaktion vorgehen. Zudem können sie ihrerseits mit einer Akquisition reagie-
ren, wie Konsolidierungswellen in verschiedenen Branchen regelmäßig belegen. Zudem
versuchen Wettbewerber, verunsicherte Kunden wie auch Mitarbeiter zu einem Wechsel
zu bewegen.

1.3.3.5 Lieferanten und Partnerunternehmen

Lieferanten hegen häufig Befürchtungen, dass die beiden fusionierten Unternehmen ver-
suchen werden, Preise zu senken oder gar andere Lieferanten wählen. Gerade bei horizon-
talen Akquisitionen, bei denen Beschaffungssynergien relevant sind, sind solche Befürch-
tungen durchaus berechtigt. In der Regel werden im Zuge einer Integration die Lieferanten
beider Unternehmen überprüft, deren Zahl reduziert und die größere Verhandlungsmacht
genutzt, um die Konditionen zu verbessern. Für die verbleibenden Lieferanten hat dies
über die Renditeeinbußen hinaus eine Veränderung der Kundenstruktur zur Folge, die bis
zu einem »Klumpenrisiko« reichen kann.
Partnerunternehmen aus horizontalen Allianzen oder vertikalen Partnerschaften mit
Zulieferern leisten häufig beziehungsspezifische Investitionen, da sie die Kooperation als
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1.3  Hauptakteure bei M&A-Vorhaben 45

dauerhaft ansehen und ihre Strategie hierauf ausrichten. Diese Investitionen sind durch die
Transaktion ebenfalls gefährdet. Die neu entstandene Unternehmensgruppe wird auf
Dauer ihre Kooperationsportfolio überprüfen und sich oftmals aus einigen Kooperationen
zurückziehen.

1.3.3.6 Staat und Öffentlichkeit

Der Staat mit den Gebietskörperschaften Bund, Ländern und Kommunen kann durch
Standortverlagerungen, Veränderungen des Arbeitsplatzangebots und damit einherge-
hende Veränderungen der Steuerzahlungen betroffen sein. Gebietskörperschaften können
von M&A-Transaktionen positiv oder negativ betroffen sein – letzteres beispielsweise dann,
wenn Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Einflussmöglichkeiten verloren gehen. Gerade
wenn eine Kommune die Ansiedlung eines Unternehmens mit direkten Finanzbeihilfen
gefördert hat, dann in der Erwartung, dass das Unternehmen dem Standort längerfristig
treu bleiben und Steuern zahlen wird. Transaktionen mit nachfolgenden Standortverlage-
rungen führen insofern in der Regel zu Enttäuschungen auf politischer Ebene.
Weitere Stakeholder sind Medien, Arbeitsnehmer- und Arbeitgeberorganisationen,
Nichtregierungsorganisationen und Lobbygruppen (zum Beispiel Umweltinitiativen oder
ernährungsbewusste Gruppen von Bürgern) sowie die sonstige Öffentlichkeit. Wie deren
Interessen im Einzelfall beschaffen sind, hängt von der jeweiligen Transaktion ab. Am Bei-
spiel des Übernahmeversuchs des US-amerikanischen Saatgut- und Pflanzenschutzmittel-
herstellers Monsanto etwa wird ersichtlich, wie stark im Einzelfall die Öffentlichkeit Anteil
nehmen kann.

Transaktionsparteien M&A-Dienstleister

finanzierende
M&A-Berater Banken
Käufer Verkäufer

Strategie-/
Rechtsanwälte Integrations-
Transaktions- berater
objekt Steuerberater und Kommunikations-
Wirtschaftsprüfer berater

Sonstige wichtige Stakeholder

Kunden und
Manager
Wettbewerber

Lieferanten
Mitarbeiter
und Partner

Kapitalgeber
Staat und
(Financial
Öffentlichkeit
Community)

Abb. 15: Die drei Stakeholdergruppen bei M&A-Transaktionen


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46 1 Grundlagen

In Abb. 15 (S. 45) sind zusammenfassend die drei Stakeholdergruppen in ihrem Zusam-


menspiel dargestellt. Die Transaktionsparteien Käufer und Verkäufer mitsamt dem Trans-
aktionsobjekt repräsentieren die Akteure und agieren als Institutionen mit eigenen Zielen.
Zu deren Erreichung bedienen sie sich opportunistisch verschiedener M&A-Dienstleister.
Hierzu zählen vor allem M&A-Berater, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer oder finanzie-
rende Banken. Die sonstigen Stakeholder sind Personengruppen oder Institutionen, die
einen mehr oder weniger großen Einfluss auf eine Transaktion ausüben oder eben nur pas-
sive Betroffene sind. Hierzu zählen vor allem Manager, Mitarbeiter, Eigenkapitalgeber und
Kunden. Eine Unterscheidung zwischen den Transaktionsparteien und den Mitarbeitern
und Managern, die ja Teil jeder Transaktionspartei sind, ist von großer Bedeutung, da letz-
tere gerade bei M&A eigene, persönliche Ziele verfolgen, die von den Unternehmenszielen
abweichen.
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2 M&A als Herausforderung des Managements

2.1 M&A als Projekte

2.1.1 Eigenschaften von M&A-Projekten

Mergers & Acquisitions können als Projekte verstanden werden. Die Vergegenwärtigung
der klassischen P
­ rojektmerkmale hilft, ein M&A-Projekt adäquat zu führen.57 Die folgenden
Merkmale l­assen sich unterscheiden:
yy Ein M&A-Projekt ist ein einmaliges bzw. neuartiges Vorhaben. Zwar gibt es Unterneh-
men, die jedes Jahr eine Vielzahl von M&A-Projekten initiieren und gegebenenfalls
auch realisieren, jedoch weist jedes Projekt Besonderheiten auf. Bei jedem M&A-Pro-
jekt wird die ins Auge gefasste Transaktion gesondert geprüft. Sofern das Projekt zum
Unternehmensziel beiträgt, soll es schnell und zu geringen Kosten realisiert werden.
Jedoch sind die Bedingungen von Projekt zu Projekt so unterschiedlich, dass gerade bei
M&A zu Recht von der »Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit«58 gespro-
chen werden kann.
yy Das Ende eines M&A-Projekts lässt sich im Vorhinein nicht immer genau bestimmen.
Gleichwohl sind M&A-Projekte stets zeitlich begrenzt. Sie besitzen einen Anfang und
ein geplantes Ende.
yy Die Komplexität von M&A-Projekten ist erheblich. Um das Projektziel zu erreichen, ist
eine Vielzahl von Einzelaufgaben zu bearbeiten, die miteinander vernetzt sind. Sie
hängen miteinander zusammen und greifen ineinander und müssen dementsprechend
betrachtet und ausgeführt werden. Gerade in der Integrationsphase ist eine Vielzahl
von Aufgaben zu bewältigen, die voneinander abhängen. Diese Komplexität wird ver-
stärkt durch die Veränderlichkeit der Aufgaben, da sich das M&A-Target – man denke
an dessen Umsätze, Kunden, Belegschaft oder die relative Wettbewerbsposition – per-
manent verändert.
yy Aufgrund der Komplexität von M&A-Projekten kann das Vorhaben nur durch die Ein-
bindung mehrerer verschiedener Qualifikationen bewältigt werden. M&A-Projekte sind
somit auf interdisziplinär zusammengestellte Projektteams angewiesen.
yy M&A-Projekte haben – allein aufgrund der hohen Investitionssumme – eine hohe Bedeu-
tung für Käufer, Transaktionsobjekt und Verkäufer sowie die übrigen Stakeholder. Sie

57 Vgl. zum allgemeinen Projektverständnis Jenny 2014, S. 114–115 und Patzak/Rattay 2014, S. 20.
58 Vgl. Patzak/Rattay 2014, S. 19.
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48 2  M&A als Herausforderung des Managements

sind nicht mit klassischen Investitionen vergleichbar, da das finanzielle Volumen, die
Risiken und die emotionale Betroffenheit bei M&A meist höher liegen.59

M&A sind einmalige und komplexe, für die beteiligten Unternehmen hochgradig bedeut-
same Vorhaben, die innerhalb eines definierten Zeitrahmens interdisziplinär zu bearbeiten
sind. Aufgrund ihrer erheblichen finanziellen, strategischen und personellen Folgen sind
sie zweifellos ganz besondere Projekte.
Einen gedanklichen Grenzfall zwischen Projekt und Routineaufgabe repräsentieren die
sogenannten M&A-Factories, bei denen Unternehmen routinemäßig eine Vielzahl standar-
disierter M&A-Aufgaben abwickeln. Die Targets sind in ihrer Größe und Vielfalt limitiert
und durchlaufen einen standardisierten »industriellen Prozess« der Prüfung, des Kaufs und
der Integration. Die Übertragung des »Factory«-Prozesses im Sinne eines hochstandardi-
sierten und weitgehend IT-gestützten Prozesses auf M&A ist bislang jedoch noch nicht voll-
ständig erfolgt. Dem Gedanken der »M&A-Factory« am nächsten kommen Finanzinvesto-
ren, die auf mittelständische Targets abzielen.

2.1.2 Die Notwendigkeit der Projektperspektive bei M&A

Fragt man erfahrene M&A-Manager, ob M&A Projekte sind, so werden sie dies bestätigen.
Den daraus folgenden nächsten Schritt vollzieht jedoch nur ein Teil der M&A-Manager:
Wenn M&A Projekte sind, sollten die Instrumente des Projektmanagements für M&A
genutzt werden. Diese Forderung findet in der Praxis bislang nur unregelmäßig ihre Ent-
sprechung. Das Management von M&A-Projekten folgt häufig aus dem Bauch heraus –
weshalb diese Projekte nur allzu häufig scheitern.
Die Vernachlässigung des Projektmanagement-Know-hows ist bereits darin begründet,
dass es im M&A-Schrifttum kaum aufgegriffen wird. Im Zentrum der Veröffentlichungen
stehen Beiträge, die sich mit der instrumentellen Weiterentwicklung von M&A beschäfti-
gen: Es werden Fragen der Unternehmensbewertung, der Due Diligence, der Entwicklung
von Transaktionsverträgen oder der »richtigen« Integration herausgegriffen und ausführ-
lich behandelt.60 Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass diese Instrumente frühestens ab dem
Ende der 1980er Jahre aus den USA importiert wurden und für M&A-Praktiker in Deutsch-
land neu waren. Bis dahin war M&A weitgehend mit der Aushandlung der wesentlichen
Vertragsinhalte durch Manager der »Deutschland AG« gleichzusetzen, die sich bei »Rot-
wein und Zigarre« diskret am Kaminfeuer unterhielten. Die Umsetzung oblag sodann Wirt-
schaftsprüfern und Steuerberatern zusammen mit Rechtsanwälten; die finanzierenden
Banken wurden allenfalls »mit einbezogen«. Mittlerweile ist jedoch der M&A-Werkzeug-
koffer sehr viel bekannter geworden – und deshalb ist die M&A-Welt unweigerlich komple-
xer und auch komplizierter geworden.

59 Vgl. Borowicz/Förster 2008.


60 Vgl. exemplarisch die Herausgeberbände von Hölters 2015a; Ballwieser/Beyer/Zelger 2014; Berens et al.
2013.
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2.1  M&A als Projekte 49

Des Weiteren gibt es Veröffentlichungen, die sich nebenbei oder auch ganz gezielt mit
dem M&A-Management beschäftigen.61 Doch auch hier wird das Projektmanagement nicht
umfassend behandelt. Vielmehr wird die Projektdurchführung prozessual angesprochen,
das heißt, es wird dargestellt, wie die einzelnen Schritte einer Transaktion oder eines Inte-
grationsprozesses beschaffen sind.62 So erhält der Leser einen linearen Gesamtüberblick
über die einzelnen Stufen im Prozess. Das Zusammenspiel von Projektplanung, -steuerung
und -kontrolle wird nicht oder allenfalls kurz behandelt. Damit stehen M&A-Projektverant-
wortliche vor einem schlechten Puzzle: viele Teile des M&A-Managements, die oftmals
nicht zusammenpassen.
Wenn M&A als Projekte verstanden werden, sind sie im Rahmen des Projektmanage-
ments zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. Dabei unterscheiden sich M&A-Projekte
von anderen Projekten – man denke beispielsweise an Bauprojekte – in mehrerlei Hinsicht.
yy So steht bei M&A-Projekten neben materiellen Werten auch das immaterielle Ergebnis
im Mittelpunkt, das heißt, der Kauf oder die gelungene Integration des Targets per se.
yy Zudem verändert sich ein Target laufend. Es weist Eigendynamiken auf, die ihrerseits
im Projekt eine hohe Flexibilität verlangen.
yy Das Kauf- oder Verkaufsobjekt umfasst Menschen mit ihren Interessen und Emotionen.
Somit lässt es sich keineswegs so rigide führen wie etwa ein Bauprojekt.

Insofern ist es wenig verwunderlich, dass die in den letzten Jahren gerade von »Techni-
kern« propagierte Übertragung einer schlichten Prozessdenkweise auf M&A-Projekte an
Grenzen stößt. Flexibilität und Anpassungen an das individuelle M&A-Projekt sind Anfor-
derungen an das M&A-Projektmanagement. »One size fits all« – bei M&A ist dieser Ansatz
gefährlich.

2.1.3 Projektmanagement versus Projektdurchführung

Bei technischen Großprojekten ist es üblich, zwischen der Projektdurchführung – etwa


dem Tunnelbau – und dem Projektmanagement zu unterscheiden. Für M&A-Projekte gilt
dies vielleicht deshalb nur eher selten, weil man es in der Durchführung wie im Manage-
ment von M&A-Projekten mit »Menschen, Computern und Papier« zu tun hat, während bei
der Durchführung von Bauprojekten »Bagger, Beton und Stahl« im Mittelpunkt stehen.
In der Praxis wird die Unterschiedlichkeit von Projektmanagement und Projektdurch-
führung zu wenig beachtet. Im Schrifttum wird von Projektmanagement gesprochen, größ-
tenteils werden unter dieser Überschrift aber nur die nach den Phasen des M&A-Prozesses
geordneten M&A-Instrumente behandelt,63 die allerdings de facto zur Projektdurchführung
zählen.

61 Vgl. etwa Moeller/Brady 2014; Wirtz 2014; Lucks/Meckl 2015.


62 Vgl. etwa Jansen 2016; Wirtz 2014; weitergehend Lucks/Meckl 2015.
63 Vgl. etwa Hettler/Stratz/Hörtnagl 2013, S. 1–50. Eine Ausnahme bildet Hölters, der in einer Mischung von
Projektmanagement und Projektdurchführung dem Projektmanagement einige wenige Seiten widmet (Höl-
ters 2015b, S. 39–45).
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50 2  M&A als Herausforderung des Managements

Die Vermischung von Führung und Durchführung hat oftmals zur Folge, dass die Auf-
gaben der Durchführung dominieren und dem Projektmanagement zu wenig Aufmerksam-
keit geschenkt wird. Dies äußert sich in schlecht geführten M&A-Projekten, die dann Termin-
verschiebungen, merklich erhöhte Projektkosten und oftmals unbefriedigende Ergebnisse
aufweisen. Man kann beides beobachten: eine »Übertechnisierung« einzelner Elemente
der Projektdurchführung64 bei gleichzeitiger Vernachlässigung grundlegender Elemente
des Projektmanagements.
In diesem Buch wird konsequent nach Projektmanagement und Projektdurchführung
unterschieden. Die jeweils spezifischen Aufgaben und Instrumente werden systematisch
der jeweiligen Ebene zugeordnet. Die Projektdurchführung mit all ihren Instrumenten wird
hier als »Umsetzungstechnik« (Teil B des Buches) bezeichnet. Das Projektmanagement, bei
dem noch deutlich mehr Stellhebel zu beachten sind, wird als »Managementkunst« (Teil C
des Buches) geführt.

WICHTIG
Zwei Projektebenen
Ein M&A-Projekt sollte in zwei Projektebenen unterteilt werden: das Projektmanagement
(»Managementkunst«) und die Projektdurchführung (»Umsetzungstechnik«). Nur wenn
beide Aufgabenbereiche sorgfältig bearbeitet werden, ist die Wahrscheinlichkeit des
Projekterfolgs hoch.

Das Projektmanagement umfasst alle leitenden Aufgaben, die in einem Projekt wahrge-
nommen werden müssen, um die Effizienz und Effektivität der Projektdurchführung zu
erhöhen (vgl. Abb. 16). Es trägt mittelbar zum Projekterfolg bei. Die Aufgaben des Projekt-
managements werden von der Projektleitung wahrgenommen.
Das Projektmanagement umfasst als Kernaufgaben die Planung, Steuerung und Kont-
rolle eines Projekts und wird durch den Projektstart und den Abschluss des M&A-Projek-
tes begrenzt.65 Der erfahrene M&A-Projektmanager wird dabei ein auf das M&A-Projekt
und die jeweilige Phase angepasstes und richtig »dosiertes« Projektmanagement etablie-
ren. Die Kernaufgaben Planung, Steuerung und Kontrolle begleiten die gesamte M&A-­
Durchführung. Auftauchende Probleme bzw. substanzielle neue Entwicklungen in der
Projektdurchführung können dabei zu Anpassungen führen, beispielsweise in der Pro-
jektsteuerung oder -planung, und in der Folge wieder die Durchführung des M&A-Pro-
jekts beeinflussen (vgl. die Pfeile in Abb. 16, S. 51). Die Planung, die Steuerung und die
Kontrolle als Projektmanagementaufgaben erfolgen daher in der Realität nicht seriell
sondern überlappend. Zudem ist die Vernetzung von Projektmanagement und -durchfüh-
rung offensichtlich.

64 Zum Beispiel gilt dies für die Unternehmensbewertung, die mit sehr großem Aufwand und unter Einsatz
einer Vielfalt von Methoden durchgeführt wird, während allerdings das eingehende Zahlenmaterial oftmals
völlig unzureichend ist. Dann jedoch gilt der Leitspruch »garbage in, garbage out«.
65 Vgl. Jenny 2014, S. 283.
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2.1  M&A als Projekte 51

M&A-Projektmanagement

2a 3a 4a
Projektplanung Projektsteuerung Projektkontrolle

5. M&A-
1. M&A- Projekt-
Projektstart abschluss

2b 3b 4b Integration (K)
strategische Transaktion 4b Post-Closing
Vorbereitung (VK/K)

M&A-Durchführung

K = Käufer VK = Verkäufer

Abb. 16: Projektmanagement und Projektdurchführung bei M&A

Die Projektdurchführung umfasst demgegenüber die eigentlichen Projektaufgaben, die


unmittelbar zur Realisierung der Transaktion wahrgenommen werden müssen. Hierzu
gehören beispielsweise die Erarbeitung einer M&A-Strategie, die Due Diligence, die Ver-
handlung der Transaktionsverträge und die Integration. Diese Aufgaben werden von den
Projektmitarbeitern wahrgenommen, während das Projektmanagement in den Händen der
Projektleitung liegt.66 In der Praxis wird die Projektleitung in einzelnen Projektphasen
gleichzeitig die Rolle eines Projektmitarbeiters einnehmen, was unter anderem die sehr
hohen Anforderungen an sie bedingt.

2.1.4 Ziele von M&A-Projekten

Projektziele beschreiben den Zustand, der nach der Realisierung des Projekts vorliegen
soll,67 also das gewünschte Projektergebnis. Neben dem Ergebnisziel können Prozessziele
definiert werden, die das Ergebnisziel ergänzen oder unterstützen können. Die Frage, ob
ein Prozessziel ergänzen oder bei der Umsetzung unterstützen soll, ist nur im Einzelfall zu
beantworten. Sie ist jedoch von großer Wichtigkeit, da sich sowohl die M&A-Projektleitung

66 In der Praxis wird der Projektleiter immer wieder in einzelnen Projektphasen Mitglied des Teams und
somit zugleich auch Projektmitarbeiter. Er sollte sich dieses Rollenwechsels stets bewusst sein (vgl. auch
Jenny 2014, S. 437).
67 Vgl. Patzak/Rattay 2014, S. 119.
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52 2  M&A als Herausforderung des Managements

als auch die Projektmitarbeiter an den Zielen ausrichten. Daher ist bei der Bestimmung
und Kommunikation der Projektziele größte Sorgfalt geboten.
Bei M&A-Projekten besteht die Gefahr, dass sie alleine deshalb »durchgezogen« wer-
den, weil ein Projekt grundsätzlich zu Ende geführt werden soll und weil überdies zu
einem gegebenen Zeitpunkt viel Zeit und Nerven investiert wurden, sodass sich ein Pro-
jektabbruch wie eine Niederlage anfühlen würde. Eine M&A-Transaktion ist jedoch genauso
wenig ein Selbstzweck wie der Bau eines Bahnhofs oder Flughafens. Letztere müssen
gesellschaftlichen bzw. gesamtwirtschaftlichen Zielen dienen, M&A-Projekte den allgemei-
nen Unternehmenszielen.68
Somit ist es essenziell, die allgemeinen Unternehmensziele und die Unternehmensstra-
tegie vor dem Start des M&A-Projekts klar und möglichst transparent zu dokumentieren.
Wird dies versäumt – was in der Praxis häufiger vorkommt als gemeinhin vermutet –, so
sind die M&A-Ziele nicht eindeutig begründbar. Dies wiederum birgt die große und in der
Praxis vielfach erlebte Gefahr, dass sich eine Transaktion nicht rechtfertigen lässt.

WICHTIG
Ziele bestimmen!
Unternehmenstransaktionen scheitern häufig vor allem deshalb, weil die M&A-Projekte
ohne klar dokumentierte Unternehmensziele, ohne eine klare Unternehmensstrategie
und ohne daraus abgeleitete M&A-Ziele geführt werden. Deshalb ist es sinnvoll, Ergebnis-
ziele und gegebenenfalls auch Prozessziele zu benennen und deren Beziehungen zuein-
ander zu bestimmen.

M&A-Projektziele lassen sich gut anhand der klassischen Projektziele beschreiben, die in
dem sogenannten magischen Zieldreieck69 beschrieben werden. Ein M&A-Projekt soll in
der Regel in einer gewünschten Leistung, oft als »das Projektergebnis« angesehen, inner-
halb eines definierten Zeitrahmens zu geplanten Kosten münden (vgl. Abb. 17, S. 53).
Im Folgenden werden die M&A-Projektziele anhand des Beispiels eines Unternehmens-
erwerbs in Kanada veranschaulicht (vgl. Abb. 18, S. 54):
yy Leistung. Unter der Leistung eines M&A-Projekts werden der Kauf oder Verkauf eines
Unternehmens sowie dessen erfolgreiche Integration verstanden. »Erfolgreich« meint
dabei, dass das Projekt die grundlegenden finanziellen und strategischen Ziele des
Unternehmens unterstützt. In unserem Beispiel (vgl. Abb. 18, S. 54) muss die Trans­
aktion Wert schöpfen (Unternehmensziel); außerdem soll sie dem strategischen Ziel
dienen, die Geschäftstätigkeit regional zu diversifizieren (Erwerb in Kanada).
yy Kosten. Neben der Leistung sind die Kostenziele von M&A-Projekten zu spezifizieren.
Die Kosten spiegeln den mit dem M&A-Projekt verbundenen Ressourcenverbrauch
wider. Dieser umfasst auf der Käuferseite den Transaktionspreis sowie die Transakti-
onsnebenkosten wie Beraterkosten, interne Aufwendungen und gegebenenfalls Steu-

68 Vgl. auch Meckl 2004, S. 456 und Sodeik 2009, S. 67.


69 Vgl. hierzu Arbeitskreis Externe und interne Überwachung der Unternehmung der Schmalenbach-Gesell-
schaft für Betriebswirtschaft 2002, S. 284 f.
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2.1  M&A als Projekte 53

Leistungsziele
erreichen

M&A-Projekt

Kostenpläne Termine
einhalten einhalten

Abb. 17: Das magische Zieldreieck bei M&A-Projekten

ern, die in den Prozessphasen entstehen. Im Beispiel wird von einem Gesamtvolumen
von 200 Mio. EUR ausgegangen, das nicht überstiegen werden soll.
yy Zeit. Letztlich ist ein zeitliches Ziel zu nennen. In der Regel werden der Projektstart,
hier in Jahr 1, sowie die Gesamtprojektdauer durch den Auftraggeber – meist die
Geschäftsleitung – festgelegt. In unserem Beispiel soll der Zukauf des kanadischen
Unternehmens bis Dezember des Jahres 2 realisiert werden.

Das M&A-Projektzielbündel muss somit stets ein Ergebnisziel sein, das aus den drei Dimen-
sionen Leistung, Kosten und Zeit besteht. In unserem Beispiel wäre das Ergebnisziel der
Kauf und die gelungene Integration eines markenstarken Konsumgüterherstellers in
Kanada bis Dezember Jahr 2 für 200 Mio. EUR. Meist dominiert bei M&A in der inhaltli-
chen Zielbeschreibung die (schwammige) Beschreibung nur eines Leistungsziels, während
die beiden übrigen Zieldimensionen vernachlässigt werden.
Auch bei M&A stehen die drei Dimensionen Leistung, Zeit und Kosten zueinander in
einem Spannungsverhältnis. Je besser die Leistung sein soll, desto höher werden die Kosten
und/oder der Zeitaufwand sein. Eine bessere Leistung kann bei einem Zukauf etwa durch
ein intensiveres Marktscreening, eine sorgfältigere Due Diligence oder eine umfassendere
Integration erreicht werden. Der Leistungsunterschied drückt sich in einem geringeren
Risiko des Zukaufs und/oder einer höheren Wertschöpfung aus. Die verbesserte Leistung
lässt sich jedoch nur zu höheren Kosten und einem größeren Zeitaufwand erzielen.
Neben den Ergebniszielen können für M&A Prozessziele ausgegeben werden, die das
Ergebnisziel nur zum Teil unterstützen und daher neben das Ergebnisziel treten. In unse-
rem Beispiel ist die Erarbeitung eines umfangreichen Wissens über den kanadischen
Absatzmarkt zu nennen, wobei über das für die M&A-Transaktion notwendige Maß hin-
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54 2  M&A als Herausforderung des Managements

Unternehmensziel
(z. B. langfristige Steigerung des Unternehmenswerts)

Unternehmensstrategie
(z. B. diversifizierendes Wachstum in Kanada)

M&A-Ziele

Ergebnisziel (Beispiel) Prozessziel (Beispiel)


Gut integrierter Kauf eines markenstarken Zusätzliches Marktwissen aufbauen
Unternehmens in Kanada bis Dezember Jahr 2
für maximal 200 Mio. EUR

Subziele des M&A-Projekts

Abb. 18: Fallbeispiel – Ziele eines M&A-Projekts

ausgegangen werden soll. In diesem Fall handelt es sich somit um ein ergänzendes Prozess­
ziel (vgl. Abb. 18). Die Definition eines Prozessziels ist, anders als die eines Ergebnisziels,
keine Notwendigkeit.
Die Ziele werden innerhalb eines M&A-Projekts näher konkretisiert, das heißt, es wer-
den Subziele und Meilensteine für die M&A-Phasen und Arbeitspakete entwickelt. Diese
Konkretisierung ist Gegenstand der Planung des Projekts.

2.1.5 Objekte des Projektmanagements

Die drei Projektmanagementaufgaben Planung, Steuerung und Kontrolle beziehen sich auf
verschiedene Objekte.70 Hier werden die folgenden Objekte als wichtig erachtet, wobei die
Palette je nach Projekt zu ergänzen oder im Zuschnitt zu verändern ist (vgl. Abb. 19, S. 55):
yy Leistung, Ablauf und Termine des M&A-Projekts,
yy Organisation des M&A-Projekts,
yy Team und sonstige Ressourcen für das M&A-Projekt,
yy Kosten des M&A-Projekts,
yy Risiko des M&A-Projekts,
yy Informationen und Dokumentation71 im Rahmen des M&A-Projekts.

70 Vgl. ähnlich Gareis/Gareis 2015, S. 78.


71 Die Dokumentation umfasst auch das Vertragsmanagement.
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2.1  M&A als Projekte 55

Aufgaben des Projektmanagements

Projekt- Projekt- Projekt-


planung steuerung kontrolle

Objekte des Projektmanagements

Leistung, Ablauf und Termin

Organisation

Team und sonstige Ressourcen

Kosten

Risiken

Information und Dokumentation

Abb. 19: Objekte des Projektmanagements

Jedes einzelne dieser Managementobjekte ist im Projekt zu planen, zu steuern und zu


kontrollieren. So gilt es etwa, die Teamzusammensetzung zu planen, während des Pro-
jekts zu steuern und die Arbeit des Teams zu kontrollieren. Zum tieferen Verständnis des
Aufgabenspektrums wird in den folgenden Abschnitten näher auf die einzelnen Objekte
eingegangen.
Nach dem hier vertretenen Verständnis schließt Projektmanagement die Objektberei-
che Abläufe und Termine und damit das Prozessdenken72 mit ein.

72 Vgl. hierzu Lucks/Meckl 2015.


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56 2  M&A als Herausforderung des Managements

2.2 Aufgaben des M&A-Projektmanagements

2.2.1 Start des Projekts

Meist ist unklar, wann die Idee eines M&A-Projekts – sei es ein Unternehmenskauf oder ein
Verkauf – geboren wurde. Womöglich war sie das Ergebnis der Gedanken eines einzelnen
Managers, die nach und nach in seinem Kopf reifen. Man spricht hierbei von einer »Gär-
oder Knetphase«, bis der Gedanke klar artikuliert wird.73
Im Mittelstand ist häufig die Geschäftsführung Urheber der Idee. Dort wird unbürokra-
tisch über die Erteilung des Projektauftrags entschieden. In Großunternehmen hingegen
sind es oftmals die Divisionsleitungen oder die Stabsabteilungen, die systematisch strate-
gische Alternativen prüfen und um Unterstützung im Topmanagement werben. Dort wer-
den M&A-Projekte in einem formalen Prozess beantragt. Es erfolgt eine nähere Beschrei-
bung und Charakterisierung des M&A-Vorhabens. In den Entscheidungsgremien und
gegebenenfalls in den Kontrollgremien wird über die Genehmigung der Projektanträge ent-
schieden. Im positiven Fall wird ein Projektauftrag erteilt und so der »Startschuss« für das
Projekt gegeben.

2.2.2 Projektplanung

Die Projektplanung begleitet den gesamten M&A-Prozess. Sie beginnt direkt mit dem Pro-
jektstart, da eine grobe Planung bereits für die Genehmigung des Projekts nötig ist. Der Pro-
jektplan ist zunächst eher gröberer Natur und wird laufend oder aber periodisch genauer
ausgearbeitet, verändert oder aktualisiert. Wichtig ist jedoch, dass die verabschiedete Grob-
planung hinsichtlich der wesentlichen Planungsobjekte realistisch ist. »Geschönte« Pläne
können zwar unter Umständen die Genehmigung eines Projektantrags erleichtern, jedoch
führen sie zu negativen Überraschungen im späteren Verlauf des Projekts.
Pläne werden erstellt, um eine mögliche und meist erstrebenswerte Zukunft gedank-
lich vorwegzunehmen. Ein anfänglich erstellter M&A-Projektplan wird nur selten exakt
umgesetzt werden. Gerade bei M&A gibt es zu viele Einflussgrößen, die nicht kontrollier-
bar sind. Man denke hierbei an den Transaktionspartner, an andere Interessenten für das
Target oder an die Volatilität von Absatz- und Kapitalmärkten, die ein Projekt stark beein-
flussen. Die Planung dient dennoch der Orientierung für alle Beteiligten und trägt zur Aus-
richtung des Handelns bei. Sie stellt Transparenz über Zeit- und Ressourcenverbrauch
sowie Chancen und Risiken her. Zudem sind Meilensteine für die Projektkontrolle not-
wendig,74 denn sie erlauben es, Abweichungen zu messen und einzuschätzen. Im Folgen-
den werden die jeweiligen Planinhalte genauer vorgestellt.

73 Vgl. Jenny 2014, S. 303 f.


74 Ohne Planung ist eine Kontrolle weitgehend sinnlos.
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2.2  Aufgaben des M&A-Projektmanagements 57

2.2.2.1 Planung von Leistung, Ablauf und Terminen

Im Rahmen der Leistungsplanung wird all das geplant, was zu tun ist, um die M&A-Ziele
zu erreichen und so den Projektauftrag zu erfüllen. Die Basis der Leistungsplanung sind
somit die M&A-Ziele mit Blick auf das Ergebnis und den Prozess, die sorgfältig zu erheben
sind.75 Als Projektergebnis kann etwa vorgegeben sein, dass bis zum Juli des Jahres 2 ein
Markenhersteller in Kanada gekauft und integriert werden soll, wobei das Gesamtbudget
200 Mio. EUR beträgt. Zusätzlich können Prozessziele definiert sein.76
Wie oben beschrieben, sind M&A-Projekte komplexe und dynamisch-veränderliche
Aufgabenbündel. Die Komplexität wird reduziert, indem die vom Auftraggeber vorgegebe-
nen M&A-Projektziele in der Leistungsplanung in Subziele bzw. Meilensteine zerlegt wer-
den. Größere Aufgaben werden in plan- und kontrollierbare Teilaufgaben (Arbeitspakete)
untergliedert, was im Projektmanagement klassischerweise mittels eines Projektstruktur-
plans erfolgt.77 Die Arbeitspaketbeschreibungen umfassen unter anderem Angaben zum
Ergebnis der in den Arbeitspaketen enthaltenen Maßnahmen, zu den notwendigen Arbeits-
schritten, zum geschätzten personellen und finanziellen Aufwand und zur voraussicht-
lichen Dauer. Damit werden den Projektmitarbeitern Ziele für die Arbeitspakete vorgege-
ben, also Subziele bestimmt. Sollten größere Unklarheiten bezüglich der Anforderungen
des Auftraggebers bestehen, so sollte mit dem Auftraggeber Rücksprache gehalten werden.
Dies kann etwa den Umfang und den Detaillierungsgrad eines einzelnen Arbeitspakets
(etwa der Due Diligence) und somit ein wesentliches Leistungsmerkmal betreffen.
In der Praxis trifft man zunehmend auf modulare Arbeitspakete, die eine flexible Pro-
jektdurchführung ermöglichen.78 Mögliche Ansatzpunkte der Aufgabenzerlegung in Form
von M&A-Modulen finden sich in Teil B.
Angaben zur Dauer der Ausführung der in den Arbeitspaketen enthaltenen Aufgaben
fließen in die Ablaufplanung ein. Projektablaufpläne stellen Arbeitsschritte in einer logi-
schen Reihenfolge ihrer Ausführung dar und schärfen so den Blick für deren zeitliche Ver-
bindungen. Sie machen für jeden Projektbeteiligten ersichtlich, welches Arbeitspaket
jeweils fertiggestellt sein muss, bevor mit einem anderen beginnen werden kann.79 Zugleich
werden in einem Paket für das gesamte M&A-Projekt die Folgen von Verzögerungen trans-
parent. Üblich sind eine Meilensteinplanung mit Phasenübergängen und Go-/No-go-Ent-
scheidungen (»Gates«) sowie Balkendiagramme.
Die Terminplanung hängt eng mit der Ablaufplanung zusammen. Bei ihr werden zur
Ablaufplanung Zeiten hinzugefügt. Sie liefert Aussagen über die voraussichtliche Gesamt-
laufzeit des Projekts, das Erreichen von Meilensteinen, zeitliche Spielräume und zeitkriti-
sche Arbeitsschritte.

75 Vgl. zu den verschiedenen Interessen von Käufer und Verkäufer Borowicz/Schuster/Heiß 2009.
76 Vgl. hierzu Abschnitt 2.1.4.
77 Vgl. Patzak/Rattay 2014, S. 223.
78 Vgl. hierzu auch Jenny 2014, S. 326.
79 Vgl. hierzu Jenny 2014, S. 335.
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58 2  M&A als Herausforderung des Managements

2.2.2.1.1 Planung der Organisation

WICHTIG
Rahmen- und Binnenorganisation
Zu Beginn eines M&A-Projekts sind sowohl die Einbettung des Projekts in das Unterneh-
men (Rahmenorganisation) als auch die Binnenorganisation (die Organisation der Lei-
tung und Durchführung des Projekts selbst) zu planen. Hierbei geht es im Kern um die
Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten.

Die Festlegung der Projekt-Aufbauorganisation betrifft zweierlei: die äußere Projektstruk-


tur und die Binnenstruktur des Projekts. Bei der äußeren Projektstruktur bzw. der Rahmen­
organisation ist über die Einbettung des Projekts in die Organisation des Unternehmens zu
entscheiden.80 Damit werden die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zwischen der
Unternehmensorganisation und der Projektorganisation verteilt.
Diese Verteilung betrifft insbesondere die Befugnisse und Durchgriffsmöglichkeiten
gegenüber den Mitgliedern der Projektteams: Liegen diese überwiegend in den Händen der
Projektleitung oder bei den Linienvorgesetzten der Mitarbeiter? Erfahrungsgemäß entzün-
den sich hieran viele Konflikte, da der länger anhaltende Entzug von Mitarbeitern »aus der
Linie« für deren Vorgesetzte eine Reihe von Problemen mit sich bringt. Besonders relevant
sind die Kompetenzen des Lenkungsausschusses und der Projektleitung. Dies betrifft unter
anderem die Frage, wer die zentrale Aufgabe des M&A-Controllings übernimmt. Sind es
zentrale Unternehmenscontroller, die einer Person unterstellt sind, die außerhalb des Pro-
jekts steht? Oder wird das Controlling an die Projektorganisation delegiert?
Die Planung der Binnenstruktur des M&A-Projekts betrifft sowohl die Durchführung als
auch das Management des Projekts. Hierbei werden für die Dauer des M&A-Projekts Ins-
tanzen und Stellen geschaffen und damit Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung ver-
teilt. Instanzen wie der Projektauftraggeber, die Projektleitung und die Teilprojektleitung
werden inhaltlich beschrieben. Ebenso sind Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung
des Projektbüros (»Project Office«) und des Projektteams zu bestimmen. Zusätzlich wer-
den bei komplexeren und umfassenden M&A-Projekten meist Gremien etabliert, die Infor-
mations-, Entscheidungs- oder Kontrollbefugnisse haben. Hierzu zählen Lenkungs- bzw.
Steuerungsausschüsse.
Auch die Binnenstruktur des Projekts wird sich im Verlauf seiner Ausführung stark ver-
ändern.81 Für die Außen- wie die Projekt-Binnenstruktur ist eine phasen- und teamüber-
greifende Verknüpfung essenziell, da es andernfalls zu Brüchen im Projektablauf kommt
(etwa zwischen der Transaktion und der Integration).82

80 Vgl. Patzak/Rattay 2014, S. 169.


81 So unterscheiden sich beispielsweise die Binnenstrukturen in den Phasen Transaktion und Integration
deutlich.
82 Vgl. auch Sodeik 2009, S. 291, 298.
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2.2  Aufgaben des M&A-Projektmanagements 59

2.2.2.1.2 Planung des Teams und der sonstigen Ressourcen


Bei der Planung der M&A-Ressourcen stehen die Mitarbeiter im Mittelpunkt,83 mit denen die
Stellen und Instanzen der Projektorganisation besetzt werden. Der Erfolg von M&A hängt
maßgeblich vom Projektteam bzw. von den Kompetenzen und der Motivation seiner Mit-
glieder ab. Die Herausforderungen für die Mitarbeiter sind immens, denn die fachlichen
Anforderungen bei M&A sind komplex. Der Zeitdruck und die Bedeutung der Aufgabe84 füh-
ren zu hohen physischen und nervlichen Belastungen. Letztlich stellen die »Verlockungen
von M&A« – die Beschleunigung von Karrieren und Gehaltssteigerungen – auch die Loyali-
tät des Teams infrage. Dies zeigt, dass das Team ein zentraler Erfolgsfaktor bei M&A ist.
Für jedes Arbeitspaket ist festzulegen, welche Ressourcen – im Kern Mitarbeiter – in
quantitativer und qualitativer Hinsicht benötigt werden. Der Personalbedarf ist nicht nur
für die Projektdurchführung sondern auch für das Projektmanagement zu bestimmen, da
überlastete Projektmanager ihre Aufgaben kaum erfüllen werden. Im Kern sind die Aus-
wahlkriterien und darauf aufbauend Anforderungsprofile für die Stellen zu definieren,
wobei der Projektleitung eine besondere Bedeutung zufällt.
Auf die Bedarfsermittlung folgt die Personalbeschaffung. Hierbei steht meist die quali-
tative Eignung im Vordergrund: Bringt der Mitarbeiter die fachlichen und personellen Vor-
aussetzungen mit, die Stelle zu besetzen? Zudem ist zu prüfen, ob Mitarbeiter von ihren
regulären Aufgaben zumindest teilweise abgezogen werden können. Etwaige »Lücken«
werden mit externen Ressourcen gefüllt, in der Regel mit Unternehmensberatern.
Im letzten Schritt erfolgt die Einsatzplanung, bei der den Arbeitspaketen einzelne Mit-
arbeiter des Projektteams zugewiesen werden. Hierbei muss der Terminplan eingehalten
werden, oder er ist unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit der Mitarbeiter anzupassen.
Neben den Personalressourcen sind auch bei M&A-Projekten weitere Ressourcen zu
planen.

2.2.2.1.3 Kostenplanung
Auf der Basis der Ressourcen- und Terminplanung kann eine Kostenplanung für die Pro-
jektdurchführung und das Projektmanagement erstellt werden.85 Hierbei lassen sich glo-
bale Kostenschätzverfahren und analytische Kalkulationsverfahren unterscheiden.
Globale Kostenschätzverfahren sind bei M&A-Transaktionen durchaus verbreitet. Als
Bezugsgröße wird zum Beispiel der Transaktionswert herangezogen: Je höher der Transak-
tionswert, desto höher liegen auch die Kosten der Projektdurchführung und des Projektman­
agements. Diese Transaktionsnebenkosten betragen in der Regel zwischen 5 und 20 Prozent
des Transaktionswertes, wobei der konkrete Prozentsatz mit der Größe der Transaktion
abnimmt. Oftmals werden hierbei nur die externen Beraterkosten erfasst, die bei kleinen
Transaktionen ohne die Integrationsphase bereits mehr als 5 Prozent des Transaktionswertes

83 Finanzmittel werden – so wie im Projektmanagement üblich – als separates Gestaltungsobjekt aufgefasst


(vgl. auch Patzak/Rattay 2014, S. 281).
84 Bei M&A-Transaktionen wird über hohe (Des-)Investitionssummen sowie über Organisationskulturen,
Karrieren und Menschen entschieden, was durchaus belastend wirken kann.
85 Die Schätzung der Kosten des Unternehmenskaufs selbst erfolgt separat und ist Gegenstand der Projekt-
durchführung.
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60 2  M&A als Herausforderung des Managements

betragen können. Die Schätzung ist daher um die internen Personalkosten und sonstigen
Aufwendungen sowie um die Kosten der Integration zu ergänzen.
Derartige globale Schätzverfahren sind sehr ungenau. Der Zusammenhang zwischen
dem Transaktionswert und den Nebenkosten des Projekts basiert auf Erfahrungswerten,
die auf neue, stets einmalige Projekte übertragen werden. Bei globalen Schätzverfahren
werden viele weitere Kostentreiber und projektspezifische Bedingungen vernachlässigt.
Die Einmaligkeit der Bedingungen jedes M&A-Projekts ist ja gerade die Ursache dafür, dass
die Übertragung der Kosten vergangener Transaktionen auf das neue Projekt bestenfalls ein
grober Indikator sein kann. Zudem sind globale Kostenschätzungen keine geeignete Grund-
lage für die Kostenkontrolle.86
Bei analytischen Kalkulationsverfahren werden die personellen und sonstigen Ressour-
cen im Einzelnen bestimmt und anschließend in finanzielle Größen übersetzt. Hierbei
kann mit Kalkulationssätzen – etwa mit Tagessätzen für externe Berater oder interne Mit-
arbeiter – gerechnet werden.
Bei M&A-Projekten sind zumindest drei Kostenarten zu unterscheiden: interne Perso-
nalkosten, Beraterkosten und sonstige Kosten.87 Die Personal- und Beraterkosten werdend
dabei deutlich überwiegen. Auf der Basis der Ressourcenplanung je Arbeitspaket können
die Kostenarten für die Arbeitspakete selber oder für Gruppen von Arbeitspaketen geplant
werden. Bei einer gut durchgeführten Kalkulation liegen Pläne für das gesamte M&A-Pro-
jekt, für die einzelnen Phasen von der Vorfeldanalyse über die Transaktions- bis zur Inte-
grationsphase, für die Arbeitspakete und für die Kostenarten vor. Koppelt man diese Pläne
mit der Terminplanung, so sind außerdem Aussagen zur zeitlichen Verteilung der Kosten
möglich, was die Kostenkontrolle für das gesamte Projekt erleichtert.

WICHTIG
Kosten vollständig erfassen!
Die größte Gefahr bei der Kostenplanung von M&A-Projekten besteht darin, dass die
Projektkosten ebenso wie nicht planbare Zusatzkosten vernachlässigt oder unterschätzt
werden könnten. Im Vordergrund stehen meist die Transaktionspreise. Unerfahrene
Manager neigen angesichts der im Raume stehenden Summen dazu, die Projektkosten
zu unterschätzen. So werden die Projektkosten gern auf die externen Beraterkosten redu-
ziert. Die internen Personalkosten werden meist gänzlich vernachlässigt – oft mit dem
Argument, dass diese ja ohnehin entstünden und somit keine zusätzlichen Auszahlungen
zur Folge hätten. Dieses Vorgehen fördert eine Kostenunehrlichkeit und verschleiert die
realen Kosten von Projekten. Derartige Kostenpläne sind untauglich, wenn es gilt, Leis-
tungsansprüche und Kosten gegeneinander abzuwägen.

86 Vgl. auch Patzak/Rattay 2014, S. 292.


87 Hierbei wird man sich an der Kostenartenrechnung des jeweiligen Unternehmens orientieren.
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2.2  Aufgaben des M&A-Projektmanagements 61

2.2.2.1.4 Risikoplanung
M&A-Projekte sind stark risikobehaftet. Der Umgang mit den Risiken ist in der M&A-Praxis
sehr unterschiedlich. So werden Risiken immer wieder verschwiegen oder »kleingeredet«,
um zu verhindern, dass das Projekt in frühen oder – was noch gefährlicher ist – in späte-
ren Phasen abgebrochen wird.
An dieser Stelle plädieren wir für einen offenen Umgang mit Risiken. Im Rahmen des
Projektmanagements sollten wesentliche Risiken des Projekts im Hinblick auf dessen Ziele
analysiert werden, um sie später steuern und kontrollieren zu können. Risiken werden hier
als unerwünschte Abweichungen vom Plan verstanden.
Einige typische Risiken im M&A-Bereich sind
yy vom Projektziel abweichende Interessen im Team,88 sodass persönliche Karriere- und
Vergütungsziele im Vordergrund des Handelns stehen, was zu tendenziösen Entschei-
dungen führt;
yy die Überschätzung von Synergien als Ergebnis mangelnden Know-hows und einer
schlechten Informationslage;
yy das Aufkommen von Gerüchten über die Transaktion vor dem Signing,89 was den Trans-
aktionserfolg substanziell gefährdet;
yy die Verkennung wesentlicher Schwächen des Transaktionsobjekts – man denke an
Compliance-Risiken – in der Due Diligence;
yy konkurrierende Marktakteure, das heißt andere Bieter oder andere Verkäufer;
yy personelle Risiken in der Integration, die sich in geringer Identifikation und geringem
Engagement der Mitarbeiter des Transaktionsobjekts sowie in hohen Fluktuationsraten
äußern. 90

Solche Risiken gefährden die Erreichung der Ziele der M&A-Transaktion. Daher sind sie
anhand von Checklisten zu identifizieren und anhand von Eintrittswahrscheinlichkeiten
und Schadenshöhen zu bewerten. Auf dieser Basis können die wichtigsten Risiken als
Steuerungs- und Kontrollobjekte definiert werden.

2.2.2.1.5 Planung des Informations- und Dokumentationssystems


Die strukturierte Gewinnung, gesicherte Ablage und aktive Verteilung von Informationen
sowie die jederzeitige Möglichkeit des Zugriffs auf diese ist bei M&A besonders relevant.
Aufgrund der Bedeutung der Kauf- oder Verkaufsentscheidung für Unternehmen gibt es
umfangreiche Dokumentationspflichten, die sich aus den kaufmännischen Sorgfaltspflich-
ten von Gesellschaftsorganen ableiten.91 Wichtige Dokumentationen einer M&A-Transak-
tion, so etwa die Due Diligence, die Unternehmensbewertung, die M&A-Finanzierung oder
Gremienbeschlüsse, sind sorgfältig abzulegen.
Gute Informations- und Dokumentationssysteme sind nicht nur aufgrund der rechtli-
chen Anforderungen notwendig, sondern auch im Sinne einer effizienten Projektdurchfüh-

88 Vgl. hierzu etwa Weihe 2003 und Borowicz 2006b.


89 Vgl. hierzu Marks/Mirvis 1985.
90 Vgl. auch Gerds/Schewe 2014, S. 67–80.
91 Vgl. hierzu § 437 HGB, § 43 GmbH-Gesetz und § 93 und 116 AktG.
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62 2  M&A als Herausforderung des Managements

rung. Bei M&A-Projekten arbeiten interdisziplinäre Teams zeitlich und räumlich entkoppelt
zusammen. Die Interdependenzen zwischen den einzelnen Aufgaben erfordern einen gut
organisierten Informations- und Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitern des M&A-
Teams. Dies gilt nicht nur für die Aufgaben innerhalb eines Moduls wie der Due Diligence,
die etwa von Juristen, Steuerberatern, Experten aus dem Rechnungswesen und Mitarbei-
tern der direkten Wertschöpfungsbereiche bearbeitet werden. Vielmehr stellt gerade der
Wechsel von einer M&A-Phase zur nächsten eine besondere Herausforderung dar. Man
denke etwa an den Wechsel von der Transaktions- zur Integrationsphase. Dieser Wechsel
geht meist mit starken personellen Veränderungen einher. Das Team der Transaktions-
phase, wie zum Beispiel externe Berater oder Mitarbeiter aus den Zentralbereichen, verlas-
sen das Projekt. Es ist sicherzustellen, dass das erworbene Wissen nicht »versickert«. Dies
gilt nicht nur für das explizite Wissen, welches sich in Berichten nachlesen lässt, sondern
gerade auch für das weiche und teilweise implizite Wissen, welches bei der Einschätzung
von Unternehmenssituationen so wertvoll sein kann.
Ein gutes Informations- und Dokumentationssystems wird heutzutage technisch stark
unterstützt. Cloud-Lösungen können sich anbieten, müssen jedoch einen hohen Sicher-
heitsstandard gewährleisten. Die Projektorganisation regelt die formalen Kommunikati-
onsflüsse.92

2.2.2.1.6 Abstimmung und Integration der Pläne


Wenn die Teilpläne erstellt sind, sollten sie aufeinander abgestimmt, optimiert und integ-
riert werden.93 Hierbei geht es zum einen um ihre Konsistenz. Zum anderen ist das geplante
Projekt mit seinen wesentlichen Eckpunkten Leistung, Zeit und Kosten bestmöglich auf die
definierten Projektziele abzustimmen. Hierbei kann sich beispielsweise herausstellen,
dass das Projekt zu lange dauern würde, weshalb ein intensiverer Ressourceneinsatz von-
nöten wird. Zusätzliche Ressourcen sind zwar regelmäßig gleichbedeutend mit höheren
Kosten, doch sie machen es möglich, die Projektziele schneller zu erreichen. Der M&A-­
Manager sollte sich also dessen bewusst sein, dass Änderungen in einem Teilplan in der
Regel Veränderungen in den übrigen Plänen nach sich ziehen.
Die abgestimmte Projektplanung ist die Basis für die Steuerung und Kontrolle des
M&A-Projekts (vgl. Abb. 20, S. 63).
Die Planungstiefe fällt je nach Projekt unterschiedlich aus. Sie hängt etwa von der
Erfahrung der Projektleitung, der Stabilität der Rahmenbedingungen und der Manage-
mentkultur des jeweiligen Unternehmens ab.

92 Vgl. auch Patzak/Rattay 2014, S. 346.


93 Vgl. Patzak/Rattay 2014, S. 310 f.
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2.2  Aufgaben des M&A-Projektmanagements 63

Abgestimmte Teilpläne als Ergebnis der Projektplanung

Leistung Projekt
Projekt- Projekt-
Ablauf Team
team risiken
Termine
Information
Projekt- Projekt-
Doku-
organisation kosten
mentation


Projektplanung zur Steuerung und Kontrolle des M&A-Projekts

Abb. 20: Übersicht über die Planungsobjekte

2.2.3 Projektsteuerung

Die Projektsteuerung ist das direkte Bindeglied zwischen der Planung und der Durchfüh-
rung des Projekts.94 Sie ist eine kontinuierliche Aufgabe, durch deren Erfüllung die Projekt-
leitung den Projektplan realisieren will. Projektmitarbeiter bekommen Aufgaben und Ver-
antwortung zugewiesen. Um sicherzustellen, dass die Aufgaben erfüllt werden, werden die
Mitarbeiter angeleitet und motiviert.
Wertvolle Informationen erhält die Projektleitung von der Kontrolle, die sie über Ab­­
weichungen vom Plan und deren Ursachen informiert. Die Projektleitung entscheidet aus-
gehend von diesen Informationen, ob die Planabweichung von Dauer ist und somit der
Plan aktualisiert werden soll oder ob sie sich durch eine geschickte Steuerung kompensie-
ren lässt. Dabei sollte sie das magische Zieldreieck vor Augen haben und sich dessen
bewusst sein, dass Veränderungen hinsichtlich eines Zieles meist auch Folgen für die übri-
gen Ziele hat.

94 Vgl. auch Jenny 2014, S. 377.


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64 2  M&A als Herausforderung des Managements

B E I S PI E L

Steuerung und Folgen für das magische Zieldreieck in M&A-Projekten


Projektleiter A stellt fest, dass die Due Diligence eines Targets in Kanada sehr viel aufwen-
diger ist als gedacht. Es scheint ungeahnte Risiken bei den gewerblichen Schutzrechten
und der Zuverlässigkeit des Rechnungswesens zu geben. A beschließt nach Rücksprache
mit dem Auftraggeber, diese Bereiche näher zu untersuchen. Damit ist das qualitative Ziel
einer wertsteigernden Transaktion erreichbar, jedoch sind nun zusätzliche Untersuchungen
nötig, die einen zeitlichen Mehraufwand und erhöhte Kosten etwa für Rechtsanwälte und
Wirtschaftsprüfer mit sich bringen. Deshalb entscheiden sich der Auftraggeber und die
Projektleitung, das Leistungsziel beizubehalten und das Kostenziel ebenso wie das zeit­
bezogene Ziel anzupassen.

Die Steuerung von Projekten soll die Erreichung der M&A-Ziele (Leistung, Zeit, Kosten)
sicherstellen. Auf die wichtigsten Steuerungsobjekte wird nachfolgend kurz eingegangen.
Die Steuerungsobjekte »Team und sonstige Ressourcen« sowie Organisation hängen eng
miteinander zusammen. So sind hier unter Rückgriff auf die Anforderungskriterien, die im
Rahmen der Bedarfsplanung entwickelt wurden, die Stellen der Projektorganisation zu
besetzen. Sind die Stellen besetzt, so werden dem Projektteam Informationen zu den Zie-
len, Phasen und Arbeitspaketen und Abläufen des M&A-Projekts zur Verfügung gestellt.
Die Projektorganisation wird etabliert, indem dem Lenkungsausschuss, der Projektleitung
und dem Team Aufgaben und Verantwortung zugewiesen werden. Auch werden die Häu-
figkeit und der Rhythmus von Projektsitzungen und anderen Gremiensitzungen festgelegt.
Formale Kommunikationswege werden etabliert, wobei auch der Umgang mit typischen
Schnittstellenproblemen geregelt wird.95 Bei der Vorstellung von Organisation und Team
werden auch die Werte im Sinne von »Spielregeln des Zusammenlebens« festgelegt.
Wichtig ist zudem die Vorstellung und Etablierung des Informations- und Dokumenta-
tionssystems, zu dem neben generischer Projektmanagementsoftware auch spezielle M&A-
Tools96 gehören. Die Projektleitung wird in der Regel Systeme zur strukturierten Erfassung,
Bearbeitung, Speicherung, Auswertung und Weiterleitung von Informationen etablieren
und für deren disziplinierte Nutzung sorgen.
Die Leistung in den einzelnen Arbeitspaketen soll entsprechend der geplanten Abläufe
erbracht werden. Zeit- und Kostenpläne sind einzuhalten oder nötigenfalls anzupassen.
Auch sollen Risiken frühzeitig erkannt werden und bei »Störungen« gegengesteuert werden.
Im Rahmen ihrer direkten Führung wird die Projektleitung Anordnungen treffen und
die entsprechenden Mitarbeiter motivieren sowie die Ressourcen des Projekts – insbeson-
dere die Mitarbeiter – vor unberechtigten Zugriffen und »Ablenkungen« schützen. So ist
bei M&A-Projekten darauf zu achten, dass die Projektmitarbeiter nicht zusätzliche weitere
Aufträge ihrer regulären Abteilungen erhalten und Berater tatsächlich die notwendige

95 Schnittstellenprobleme können sowohl an den Schnittstellen zwischen dem Projekt und dem Systemum-
feld als auch an den Schnittstellen innerhalb des Projekts auftreten. Ein Beispiel für eine Schnittstelle zwi-
schen dem Projekt und dem Systemumfeld ist die Schnittstelle zwischen dem Projekt und der beauftragten
Anwaltskanzlei – wobei einzelne Rechtsanwälte gleichzeitig Teil des (erweiterten) Projektteams sind.
96 Zum Beispiel werden bei Verkaufsprojekten oftmals elektronische Due-Diligence-Systeme eingesetzt.
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2.2  Aufgaben des M&A-Projektmanagements 65

Kapazität einbringen und nicht weitere Aufträge zulasten des bestehenden Mandats anneh-
men. Zweifelsohne werden im Verlauf der Durchführung eines M&A-Projekts auch Kon-
flikte entstehen, die von der Projektleitung zu lösen sind.
Indirekt wirkende Führungsinstrumente wie der Führungs- und Kommunikationsstil
sowie die Kontrolle wirken auf das Verhalten der Mitarbeiter ein. Neben der projektinter-
nen Führung gilt es, die Koordination mit dem »Umfeldsystem« wahrzunehmen.

2.2.4 Projektkontrolle

Das Controlling des M&A-Projekts soll hier auf seine Kernfunktion – die Kontrolle – be­
schränkt werden.97 In diesem Sinne werden die Projektaktivitäten hinsichtlich der Errei-
chung der Projektziele überwacht. Bei Abweichungen erfolgt zusätzlich eine Ursachenana-
lyse. Zudem wird das Projektumfeld beobachtet. Die Basis des Controllings bilden die
Plan- und die Istwerte, die von der Projektleitung erhoben werden. Wiederum stehen das
Leistungs-, das Termin- und das Kostenziel im Mittelunkt der Betrachtung. Bei Abweichun-
gen werden Anpassungen in der Steuerung oder nötigenfalls der Planung vorgenommen.
Die Kontrolle setzt zunächst am Kontrollobjekt »Leistungsziel« an. Das strategische
Controlling wird frühzeitig, das heißt spätestens am Ende der sogenannten Vorbereitungs-
phase, mit der kritischen Begleitung des M&A-Projekts beginnen. Hierbei gilt es insbeson-
dere zu fragen, ob das M&A-Projekt tatsächlich zu den grundlegenden Unternehmenszie-
len beiträgt. Daneben ist ein operatives Controlling zu leisten, in dem die Fortschritte und
Ergebnisse in den einzelnen Phasen und Arbeitspaketen zu prüfen sind, um etwaige Pro-
bleme und Abweichungen aufzudecken.
Der erfahrene M&A-Projektleiter ist in der Lage, Mängel im Ergebnis und Probleme bei
einzelnen Vorgängen frühzeitig zu erkennen und deren mögliche Ursachen zu prüfen. Die
frühzeitige Identifikation hilft, da Mängel, die spät entdeckt werden, nicht oder nur noch
mit erheblichem Aufwand korrigiert werden können. Was im Einzelnen kontrolliert wird,
hängt vom betrachteten Arbeitspaket und den Vorgängen innerhalb des M&A-Projekts ab.
Meist geht es um die Aspekte der Vollständigkeit, Aktualität und Richtigkeit der (Zwi-
schen-)Ergebnisse, was sich etwa auf die Ergebnisse der Due Diligence oder die Realisie-
rung von Synergien beziehen kann.
Bei der Kontrolle von Team und Ressourcen stellt sich primär die Frage, ob der »Ver-
brauch« von Personalmitteln und sonstigen Ressourcen im Plan liegt und im Verhältnis
zum Leistungsfortschritt steht. Wurden etwa mehr Beratertage verbraucht als ursprünglich
angesetzt? Wurden interne Mitarbeiter stärker beansprucht als geplant? Notwendig ist hier-
für eine Erfassung der geleisteten Stunden samt deren Zuordnung zu den jeweiligen Vor-
gängen durch die Projektmitarbeiter selbst – was besser grob als gar nicht erfolgen sollte.
Bei Projekten mit längeren Laufzeiten können auch Befragungen des Kernteams erfolgen,
um etwaige Motivationsprobleme zu entdecken.

97 Hier wird ein Controllingverständnis zugrunde gelegt, welches Planungs- und Steuerungsaufgaben aus-
klammert und nur die Kontrolle umfasst. Ein so verstandenes Controlling liefert eine Informationsbasis für
die Planung und Steuerung des Projekts.
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66 2  M&A als Herausforderung des Managements

WICHTIG
Im Rahmen des Controllings des Teams sind die persönlichen Interessenlagen der Teil-
projektleiter und Arbeitspaketverantwortlichen zu berücksichtigen.98 Negative Berichte
können zu kritischen Nachfragen, einer verstärkten Kontrolle, einem Entzug von
­Ressourcen oder gar zur Beendigung des M&A-Projekts führen. Dementsprechend wer-
den die Genannten nicht selten Informationen taktisch herausgeben, indem sie etwa
Planverfehlungen verschweigen oder aber abgemildert oder verzögert melden. Solche
Verhaltensweisen sind vom Projektcontrolling bestmöglich herauszufiltern und aufzu-
fangen.

Das Informations- und Dokumentationssystem, zu dem ein funktionierendes Berichtswe-


sen zählt, muss von der Projektleitung als entscheidendes Führungsinstrument eingestuft
werden. Nur wenn es funktioniert, weist das Projektmanagement eine geeignete Entschei-
dungsgrundlage auf. Projektmitarbeitern ist daher zu verdeutlichen, dass sie Informatio-
nen rechtzeitig und in der gebotenen Qualität liefern müssen.
Die Termin- und Kostenkontrolle erfolgt vor dem Hintergrund der erreichten Leistung.
Im Mittelpunkt steht die Frage, ob der Termin- und Kostenplan eingehalten wird oder ob
Verzögerungen bzw. Kostenüberschreitungen drohen. Die Projektleitung muss einen Über-
blick über den aktuellen Terminstand haben, indem sie abgeschlossene Vorgänge gemeldet
bekommt und bei laufenden Vorgängen über die verbleibende Dauer bis zu deren Abschluss
informiert wird. Zur Kosterhebung werden in der Regel die Stundenzahlen von Beratern
mit Ist-Kosten und die der Mitarbeiter mit Verrechnungssätzen erfasst.
Das Risikocontrolling überwacht schließlich die Entwicklung der Risiken, die in der
Planung als bedeutsam identifiziert wurden, und verfolgt Maßnahmen,99 die im Rahmen
der Risikosteuerung eingeleitet wurden. Wichtig ist die Sensibilisierung des gesamten
Projektteams für Risiken, sodass diese dann, wenn sie sich zeigen, der Projektleitung
umgehend gemeldet werden. Dies betrifft eine Vielzahl von Risiken, so natürlich Due-Di-
ligence-Befunde, Veränderungen am Kapitalmarkt oder strategische Veränderungen bei
Wettbewerbern. Auch könnten Mitarbeiter während der Commercial Due Diligence eine
»atmosphärische Verschlechterung« zwischen Käufer und Verkäufer feststellen, die das
Projekt gefährdet.
Die Risiken sind einzeln und in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Jedoch haben Auftrag-
geber im Hinblick auf die Strategie des Unternehmens nicht nur die Risiken der Durchfüh-
rung des M&A-Projekts zu berücksichtigen, sondern auch die Risiken seiner Nichtdurch-
führung.100

98 Vgl. auch Patzak/Rattay 2014, S. 423.


99 Beispielsweise können Risiken in Unternehmenskäufen auf Dritte, etwa Versicherungen, abgewälzt werden.
100 Vgl. auch Jenny 2014, S. 600.
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2.3  Projektmanagement – eine integrative Sichtweise 67

2.2.5 Abschluss des Projekts

Der Abschluss eines M&A-Projekts kann gleichbedeutend sein mit einem der folgenden
Ereignisse:
yy Kauf (Transaktion) und Integration eines Unternehmens,
yy Verkauf (Transaktion) des Unternehmens oder
yy Abbruch des M&A-Projekts in einer bestimmten Phase (keine Transaktion).

Im Folgenden wird vom idealtypischen Fall der durchgeführten Transaktion ausgegangen.


Jedoch werden M&A-Projekte nicht selten abgebrochen, ohne dass die mit ihnen verfolgten
Ziele erreicht wurden, das heißt, es kommt nicht selten zu keiner Transaktion. Auch in
einem solchen Fall sollte das Projekt ordnungsgemäß beendet werden.
Der Übergabeprozess des Projektes (»die Leistung«) in die reguläre Organisation des
Unternehmens erfolgt bei M&A de facto fließend. Manager »aus der Linie«, die das gekaufte
Unternehmen führen sollen, sind in das M&A-Projekt ohnehin frühzeitig zu involvieren: In
der Vorfeld- und Transaktionsphase ist die Verantwortung zwar noch auf eine größere Zahl
von Köpfen verteilt. In der Integration werden die Manager »aus der Linie« jedoch maßgeb-
lich in der Verantwortung stehen.
Die Projektorganisation und das Projektteam sind am Ende des Projektes offiziell auf-
zulösen, worüber die Projektmitarbeiter in Kenntnis gesetzt werden. Das Projektteam wird
zu einer letzten inhaltlichen Abschluss-Sitzung eingeladen. Dort werden die Projektmitar-
beiter wieder in ihre regulären Aufgaben entlassen. Der Abbau des Projektteams findet
häufig sukzessive statt.
Das Wissen über das Projekt sollte dokumentiert werden, was auch die Überführung
des Informations- und Dokumentationssystems in das »reguläre« Wissensmanagement­
system des Unternehmens nach sich zieht. Dies betrifft sowohl alle wesentlichen M&A-­
Dokumente als auch die gewonnene Erfahrung, die bestmöglich zu sichern ist. Diese »Spei-
cherung« ist essenziell und soll bei künftigen M&A-Projekten helfen.

2.3 Projektmanagement – eine integrative Sichtweise

Das Projektmanagement repräsentiert – dies sollte deutlich geworden sein – eine integrative
Sichtweise auf M&A. So wird es mögliche, verschiedene Managementperspektiven zu inte-
grieren: Prozessmanagement, Change Management, Risikomanagement, Qualitätsmanage-
ment und Stakeholder- bzw. Interessenmanagement sind natürlich Gegenstand eines inte-
grativ verstandenen M&A-Projektmanagements (vgl. Abb. 21, S. 68). Das Projektmanagement
ist die vergleichsweise neutrale »Klammer« um diese Managementperspektiven, denen pro-
jekt- und phasenabhängig stärkere oder schwächere Aufmerksamkeit zu Teil wird.
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68 2  M&A als Herausforderung des Managements

Managementperspektiven Aufgaben des Projektmanagements

Prozessmanagement Projekt- Projekt- Projekt-


planung steuerung kontrolle

Change-Management

Risikomanagement Objekte des Projektmanagements

Leistung, Ablauf und Termin


Qualitätsmanagement
Organisation

Informationsmanagement Team und sonstige Ressourcen

Kosten
Stakeholder-/Interessenmanagement
Risiken
… Information und Dokumentation

Abb. 21: Das M&A-Projektmanagement integriert verschiedene Managementperspektiven

Corporate-M&A – Komplexität von M&A in Konzernen

Von Thomas Dorschner, Head of Group M&A, Celesio AG, Stuttgart

Die besondere Komplexität von M&A-Prozessen kann in den folgenden drei Teilbereichen
analysiert werden:
yy Strategie und Rahmenbedingen,
yy Stolpersteine bei M&A und unvorhergesehene Ereignisse sowie
yy Einbindung von Fachabteilungen und Entscheidungsprozesse in Konzernen.

Der erste Aspekt ist im Konzernumfeld sehr deutlich ausgeprägt, in seiner Komplexität aber
nicht zwangsläufig als rein konzernspezifisches Phänomen zu werten. Der zweite Teilbereich
gilt für alle M&A-Projekte, beispielsweise auch im kleineren, mittelständischen Unternehmens-
umfeld. Der dritte Teilbereich kann als konzernspezifisches Merkmal eingeordnet werden.

Strategie und Rahmenbedingen


Die Planung und Durchführung eines M&A-Projekts im Konzern ist ein komplexer, vielschichti-
ger Prozess. Das beginnt schon mit der grundlegenden Frage danach, warum es zu M&A-Aktivi-
täten kommt. Hier steht die mit dem Vorhaben verbundene Strategie im Vordergrund. Strate-
gische Gründe für einen Unternehmenserwerb können beispielsweise die Expansion in neue
(geografische) Märkte, Produkte oder Dienstleistungen oder das Wachsen entlang der eigenen
Wertschöpfungskette sein. Das Motiv für den Kauf von Wettbewerbsunternehmen liegt meis-
tens in der Hebung von Synergien und zum Teil damit verbunden in der Konsolidierung der
eigenen Märkte. Diese Strategie ist häufig in sehr kompetitiven Marktumfeldern mit engen
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2.3  Projektmanagement – eine integrative Sichtweise 69

Margen zu beobachten. Auf der Verkäuferseite können die Ziele aus dem Bedürfnis abgeleitet
sein, sich auf Kernmärkte, -produkte bzw. -dienstleistungen zu konzentrieren, was oftmals den
Verkauf von sogenannten Randaktivitäten (Carve out) zur Folge hat.
Die Komplexität des Warums setzt meist schon mit der Ausarbeitung der für den eigenen
Konzern passenden Strategie und der Ableitung des strategischen M&A-Fahrplans ein, also der
Ableitung der strategischen M&A-Prioritäten. Beides sollte aus für die eigenen Märkte relevan-
ten Zukunftstrends und der jeweiligen Dringlichkeit, wann und wie auf diese zu reagieren ist,
abgeleitet werden. So können bei einem Pharmagroßhandelskonzern beispielsweise aktuelle
Trends wie ein verstärktes Aufkommen alternativer Pharmavertriebsmodelle oder eine stei-
gende Nachfrage nach ambulanten Versorgungsleistungen (Homecare) einen bedeutenden
Stellenwert in der M&A-Strategie einnehmen. Die Komplexität erhöht sich mit der Zahl der
Geschäftsbereiche und Märkte, in denen das eigene Unternehmen tätig ist.
Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der Kauf oder Verkauf von Unternehmen oder
Unternehmensteilen nicht immer aus rein strategischen Motiven abgeleitet werden muss bzw.
kann. Beispiele hierfür sind günstige Kaufgelegenheiten, die ökonomisch und strategisch
einen Sinn ergeben, aber nicht zwangsläufig Bestandteil des zuvor entwickelten (M&A-)Fahr-
plans sind. Ein weiteres Beispiel ist der notwendige Verkauf eines defizitären Unternehmens­
teils bzw. nicht betriebsnotwendiger Teile des Betriebsvermögens zur Liquiditätssicherung der
verbleibenden Unternehmenseinheiten.
Strategische M&A-Überlegungen kommen erfahrungsgemäß in allen Unternehmensphasen
vor – sei es bei der oben angesprochenen, durch Zukäufe eingeleiteten Unternehmensexpan-
sion in einer Wachstumsphase, bei der bereits erwähnten Unternehmensumstrukturierung
(Restrukturierungsphase) oder bei einer (externen) Unternehmensnachfolge am Ende eines
familiären Unternehmertums. Allein im zuletzt genannten Fall kann die Suche nach und die
Entscheidung über den passenden Käufer komplexer und langwieriger sein, als alle zuvor
getroffenen Unternehmensentscheidungen des Alteigentümers. Dies hängt oftmals auch mit
persönlichen bzw. emotionalen Beweggründen der Verkäufer zusammen (Verkauf des Lebens-
werks bzw. letzte unternehmerische Entscheidung).
Die Komplexität bei der Entwicklung von M&A-Strategien wird durch bestimmte Rahmenbe-
dingungen weiter erhöht. So können Faktoren wie die notwendige Finanzierung des Akquisiti-
onsvorhabens oder das makroökonomische Umfeld des betreffenden Landes genauso bedeu-
tend sein wie etwa ein oder mehrere Wettbewerber um das Zielunternehmen. In diesem
Zusammenhang ist auch die Preisentwicklung für Unternehmen in dem relevanten Marktseg-
ment von Bedeutung. Weitere relevante Rahmenbedingungen können die Verfügbarkeit an
geeigneten Unternehmen, eigene oder fremde Managementkapazitäten oder die Börsennotie-
rung des Transaktionsobjekts sein.

Stolpersteine und unvorhergesehene Ereignisse


Im Rahmen eines M&A Projekts gilt es auch, Stolpersteine zu vermeiden und unvorhergese-
hene Ereignisse zu antizipieren bzw. mit dem Unerwarteten zu rechnen. Die unten stehende
Abbildung zeigt einen typisierten M&A-Prozess aus Konzernsicht am Beispiel eines Unterneh-
mensverkaufs. Auf die einzelnen Phasen des M&A-Prozesses analog zu Abb. 22 (S. 70) wird an
anderer Stelle dieses Buches eingegangen. Im Folgenden wird nicht detailliert auf jede der Pro­
jektphasen Bezug genommen, sondern vielmehr für jede Phase ein möglicher Stolperstein bei­
spielhaft aufgezeigt. Stolpersteine gilt es nach Möglichkeit zu vermeiden, um die Komplexität
des M&A-Projekts nicht weiter zu steigern.
70

Strategische
Kontakt- Letter of
Überlegungen & Due Diligence Verträge Signing/Closing
aufnahme Intent (LoI)
Planung

 Festlegung  Ansprache der  Einhaltung von  Fertigstellung und  Bewertung,  Vertragsunter-


Transaktions- Investoren Non-binding Offers Kontrolle Gegenüber- zeichnung (Signing)
strategie (d. h. indikativer Datenraum stellung
 Versendung Angebote)  interne/externe
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 Erstellung und Kurzprofil & NDA  Management-  Verhandlungs- Kommunikation


Freigabe  Analyse der präsentation(en) ergebnisse
Informations-  Versand Angebote  Anmeldung
memorandum Informations-  Unternehmens-  Entscheidung für Kartellamt
memorandum und  Entscheidung über besichtigung Erwerber
 Erstellung der ggf. zusätzlicher Zulassung zur Due  andere
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Long-/Shortlist Informationen Diligence  Due Diligence aufschiebende


Bedingungen
 Priorisierung  Eingrenzung  Erhalt bindender
Erwerber Bieterkreis Angebote
2  M&A als Herausforderung des Managements

 Vorbereitung  Process Letter


Datenraum und
Management-
präsentation

Vorbereitung der Post-Merger-Integration (PMI) PMI

Abb. 22: M&A-Prozess im Überblick für den Fall eines Verkaufs (Quelle: eigene Darstellung, Thomas Dorschner)
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2.3  Projektmanagement – eine integrative Sichtweise 71

Ein M&A-Prozess im Konzernumfeld kann drei Monate bis zwei Jahre oder länger dauern. Als
M&A-Projektverantwortlicher ist es wichtig, bereits in der Planungsphase einen klaren und
realistischen Zeitplan aufzustellen und bei den Projektbeteiligten keine falschen Erwartungen
zu wecken. Letzteres könnte den Prozess erschweren und im ungünstigen Fall gar zum
Abbruch der Bemühungen führen.101
Ein typischer Stolperstein vor bzw. während der Kontaktaufnahme kann eine unzureichende
Investorenrecherche sein. Dadurch werden gegebenenfalls wesentliche bzw. entscheidende
Investoren nicht angesprochen. Ein erfolgreicher Transaktionsabschluss bleibt unter Umstän-
den aus. Als Faustformel bei der Investorensuche empfiehlt sich der Blick auf die Wertschöp-
fungskette des eigenen Unternehmens. Das bedeutet Folgendes:
yy Zulieferer. Gibt es aufseiten der Zulieferer Vorwärtsintegrationstendenzen?
yy Kunden. Gibt es Übernahmen vorgelagerter Wertschöpfungsstufen?
yy Wettbewerber. Gibt es Konsolidierungsstrategien?
yy Das eigene Unternehmen. Ist eine Management Buy-out-Lösung, das heißt ein Erwerb
des Unternehmens durch das bestehende Managementteam vorstellbar?
Neben möglichen strategischen Käufern sollten im Suchprozess auch geeignete Finanzinves-
toren (Private-Equity-Investoren) berücksichtigt werden. Außerdem sollte bei der Investoren-
suche darauf geachtet werden, dass wesentliche Informationen über die möglichen Investo-
ren recherchiert werden. So sollte unter anderem bei der Erstellung der Rangliste der
möglichen Erwerber die Kaufkraft bzw. Bonität der identifizierten Investoren berücksichtigt
werden.
Die Analyse der vorliegenden indikativen Angebote kann ein Stolperstein in der Letter-of-Intent-
Phase sein. Ist diese Analyse unzureichend, so kann daraus eine Fehlentscheidung bei der
Eingrenzung des Bieterkreises folgen. Wenn mehrere Angebote vorliegen, dann ist es ratsam,
eine detaillierte Gegenüberstellung vorzunehmen und neben dem quantitativen Aspekt – der
Höhe des Kaufpreises – auch qualitative Aspekte zu analysieren. Aus den Angebotsschreiben
und der Intensität der bereits erfolgten Interaktion mit den Bietern ist für den erfahrenen
M&A-Manager gut zu erkennen, wie intensiv sich der jeweilige Interessent mit dem Unterneh-
men auseinandergesetzt hat und wie nachhaltig sein Interesse tatsächlich ist. Das vermeint-
lich höhere Angebot ist insofern nicht immer das bessere bzw. stabilere. Auch ist bisweilen zu
beobachten, dass das vermeintlich geringere Angebot eines strategischen Bieters im Vergleich
mit einer höheren Offerte eines Finanzinvestors am Ende das attraktivere und beständigere
Angebot sein kann. Der Stratege hat im Vergleich mit Private-Equity-Investoren meist einen
deutlichen Wissensvorsprung in Bezug auf das Zielunternehmen, den relevanten Markt und
seine treibenden Kräfte. Finanzinvestor gleichen diesen Vorsprung gegebenenfalls erst im
Rahmen der Due Diligence aus. So kann die Wertvorstellung eines Finanzinvestors nach erfolg-
ter Unternehmens- und Marktprüfung im Rahmen der Due-Diligence-Phase signifikant von sei-
ner früheren Preisindikation abweichen.
Im Rahmen der Due-Diligence-Phase ist es ratsam, die Managementpräsentation vor dem
ersten Treffen mit dem oder den Investoren mit dem Managementteam intensiv zu proben.
Das Management sollte auf mögliche Verhaltensweisen und Fragen der Interessenten vorbe-
reitet werden. Eine Generalprobe sollte idealerweise an dem Ort stattfinden, der für das Tref-
fen mit den Investoren vorgesehen ist.

101 Beispiel: Abspringen wichtiger Prozessbeteiligter bei »zu langen, erfolglosen« Verkaufsbemühungen.
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72 2  M&A als Herausforderung des Managements

Ein Beispiel soll verdeutlichen, dass durchaus auch auf Details zu achten ist: Im Rahmen eines
Unternehmensverkaufs aus einer Insolvenz sollte eine Managementpräsentation mit einer
potenziellen Investorengruppe stattfinden. Am Morgen des Treffens parkte das Management
seine Dienstwagen (Mercedes S Klasse / BMW 7er) wie gewohnt auf den gekennzeichneten
Geschäftsleitungsparkplätzen vor dem Gebäude bzw. dem Raum, in dem kurz darauf das
Meeting mit der Investorengruppe stattfinden sollte. Bei der Vorbereitung des Meetings wurde
nicht an den Fuhrpark vor dem Gebäude gedacht und ein entsprechender Hinweis an das
Management, die Fahrzeuge woanders zu parken, versäumt. Diese Begebenheit hatte am Ende
zwar keine Auswirkung auf den Transaktionserfolg, die Zurschaustellung des überdimensio-
niert wirkenden Geschäftsleitungsfuhrparks war aber angesichts der prekären Situation, in
der sich das Unternehmen befand, gänzlich unangemessen. Das Beispiel zeigt, dass der Teufel
oft im Detail liegen und deshalb eine gründliche Vorbereitung der einzelnen Prozessschritte
entscheidend sein kann.
Hat man sich für einen (oder wenige verbleibende) Käuferkandidaten entschieden, so geht es
in der Vertragsverhandlungsphase insbesondere um die Risikoverteilung zwischen Käufer
und Verkäufer im Rahmen des vertraglichen Gewährleistungskatalogs und um abschließende
Kaufpreisdiskussionen. Bei der Entscheidung, inwieweit man als Verkäufer bei den eigenen
Interessen (Preismaximierung und Risikoreduktion) Zugeständnisse machen sollte, steht die
Frage im Mittelpunkt, worum es in dieser Transaktion am Ende geht. Handelt es sich um einen
einmaligen Verkauf im Rahmen eines Auktionsprozesses, so ist es nachvollziehbar, wenn der
Verkäufer darauf bedacht ist, die eigenen Interessen bestmöglich durchzusetzen. Steht bei der
Transaktion eine langfristige Zusammenarbeit im Rahmen eines Joint Ventures im Vorder-
grund oder handelt es sich um oligopolistische Marktstrukturen, bei denen sich die Käufer-
und Verkäufer-Unternehmen im Rahmen anderer Transaktionen wiedersehen, so ist es oft-
mals ratsam, Zugeständnisse zu machen.
Ein typischer Stolperstein in der Signing-Phase ist eine unzureichende Vorbereitung der inter-
nen und externen Kommunikation. Je nach Größe und Komplexität des eigenen bzw. zu kau-
fenden Unternehmens empfiehlt es sich, die Inhalte und den Fahrplan der Kommunikation
sowie einen Katalog zu erwartender Fragen mit entsprechenden Antworten frühzeitig vorzu-
bereiten und zwischen den Parteien abzustimmen. So sollten bzw. müssen beispielsweise
wichtige Kunden, Mitarbeiter oder die eigenen Aktionäre mindestens informiert werden (gege-
benenfalls sind auch Zustimmungspflichten zu beachten), bevor die Information an die brei-
tere Öffentlichkeit gegeben wird.
Die an diesen Stolpersteinen beispielhaft dargestellte Komplexität eines ohnehin schon viel-
schichtigen M&A-Prozesses wird noch erhöht, wenn es im Prozess zu unvorhergesehenen
Ereignissen kommt. Deshalb ist es stets ratsam, mit dem Unerwarteten zu rechnen. Tritt ein
unerwarteter Fall ein, so muss oftmals der ursprüngliche Plan kurzfristig geändert bzw. die
nächstbeste Alternative gesucht werden.
Ein Praxisbeispiel verdeutlicht dies: Bei einem Unternehmensverkauf aus einem Konzernver-
bund kündigte gegen Ende der Due-DiligencePhase der Geschäftsführer des zu verkaufenden
Unternehmens überraschenderweise kurzfristig. Typischerweise versucht man bereits in der
Projektplanung, solche Überraschungen tunlichst zu vermeiden. Dazu werden meist die
Schlüsselmitarbeiter frühzeitig und kontinuierlich über den gesamten Prozess hinweg
gecoacht und überdies mit (monetären) Anreizen bedacht. Die Anreize werden insbesondere
an den Verbleib der Mitarbeiter sowie an deren aktive Unterstützung des Verkaufsprozesses
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2.3  Projektmanagement – eine integrative Sichtweise 73

bis zum Vollzug der Transaktion gekoppelt. Auf den Zeitraum nach dem Abschluss der Trans-
aktion kann der Verkäufer keinen Einfluss mehr nehmen. Vielmehr liegt es allein in der Hand
des Käufers, die bestehenden Mitarbeiter im neuen Unternehmensumfeld zu halten. Der Ver-
lust des Geschäftsführers in einer solchen Projektphase, der trotz entsprechender Coachings
und Anreize eintrat, war aus mehreren Gründen als kritisch einzustufen: Erstens waren Folge-
kündigungen in dieser ohnehin aus Mitarbeitersicht schon ungewissen Unternehmenssitua-
tion zu vermeiden. Zweitens konnte der Verlust von weiteren Schlüsselmitarbeitern Umsatz-
verluste mit sich bringen, die sich direkt auf den Unternehmenswert bzw. im ungünstigsten
Fall auf die Überlebensfähigkeit des Unternehmens auswirken konnten. Drittens waren die
Käufer des Unternehmens auf die bestehenden Managementkapazitäten angewiesen – zumin-
dest für einen gewissen Zeitraum bis nach der Übernahme des Unternehmens. In Situationen
wie der geschilderten ist also zu befürchten, dass wichtige Investoren abspringen. In dem
beschriebenen Praxisfall wurde das Problem dadurch gelöst, dass ein branchenerfahrener
Interimsmanager verpflichtet und die Transaktion mit einem der möglichen Investoren
schnellstmöglich zum Abschluss gebracht wurde. Die vorrangigen Ziele bestanden darin, die
Kontinuität des Unternehmens zu sichern, Verluste von Mitarbeitern, Kunden und und Umsät-
zen zu vermeiden und das Unternehmen erfolgreich an einen langfristig orientierten Investor
zu veräußern.

Einbindung von Fachabteilungen und Entscheidungsprozesse in Konzernen


Abschließend wird die Einbindung von Fachabteilungen in die häufig komplexen Entschei-
dungsprozesse bei M&A-Prozessen im Konzernumfeld beleuchtet. Zum einen werden im Ver-
gleich mit Transaktionen bei Finanzinvestoren oder im mittelständischen Umfeld verhältnis-
mäßig viele Personen, Fachabteilungen oder Funktionen in einen M&A-Prozess eingebunden,
was den Koordinationsaufwand für die Projektleitung erhöht. Das ist insbesondere in der
Due-Diligence-Phase der Fall. In einem Großkonzern kommt es beispielsweise bei größeren
Transaktionen erfahrungsgemäß nicht selten vor, dass eine Due Diligence von 70 bis 80 inter-
nen und externen Beteiligten begleitet wird. Abb. 23 (S. 74) veranschaulicht die Einbindung
verschiedener Abteilungen am Beispiel des bereits weiter oben dargestellten M&A-Prozesses.
Die Abbildung veranschaulicht, dass das Kerntransaktionsteam typischerweise aus Vertretern
der M&A- und Rechtsabteilung besteht, die den M&A-Prozess von Anfang bis Ende begleiten.
Das Management des in diesem Beispiel zu veräußernden Unternehmens muss insbesondere
in die Planungsphase (zum Beispiel in die Finanzplanung, die Unterstützung des Verkaufspro-
jekts und das Managementcoaching) sowie in die Due-Diligence-Phase miteinbezogen wer-
den. Externe Berater (Transaction Services) werden typischerweise in die Due-Diligence- und
die Vertragsverhandlungsphase mit einbezogen. Ihnen obliegen unter anderem die finanz-
wirtschaftliche, steuerliche und rechtliche Überprüfung des Unternehmens sowie die Unter-
stützung bei den Vertragsverhandlungen und der Vertragserstellung; hinzu kommen die
Beantwortung kartellrechtlicher Fragen und die Unterstützung während eines möglichen
Kartellprüfungsverfahrens. Daneben werden zahlreiche Fachexperten aus den verschiedens-
ten Abteilungen in die Due Diligence mit einbezogen, die das Zielunternehmen in ihren The-
menbereichen prüfen und Integrationserfordernisse frühzeitig analysieren. Bei der Vielzahl
der Projektbeteiligten ist es wichtig, deren Handlungen effizient zu steuern. Dies kann zum
Beispiel durch die Bildung von Teilprojektteams (Workstreams) geschehen. Für jedes Teilpro-
jekt (zum Beispiel IT) wird ein Fachverantwortlicher nominiert, der den Teilbereich mit den
jeweiligen internen und externen Beteiligten (IT-Abteilung, IT-Berater) steuert. Er sollte es auch
74

Strategische
Kontakt- Letter of Due
Überlegungen & Verträge Signing Closing
aufnahme Intent (LoI) Diligence
Planung

M&A

Legal (intern und extern)


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Management

Transaction Services
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Accounting

Controlling
2  M&A als Herausforderung des Managements

Weitere Fachabteilungen

Timeline

Genehmigung Kommunikation

 Vertraulichkeit
Prinzipien  Kopplung von Entscheidungen und Verantwortung
 Informationsmanagement entscheidend

Abb. 23: M&A-Deal-Team und Einbindung im Konzern – Aufgaben und Zuständigkeiten (Quelle: eigene Darstellung, Thomas Dorschner)
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2.3  Projektmanagement – eine integrative Sichtweise 75

sein, der letztlich die Verantwortung für den Teilbereich übernimmt und sein Einverständnis
zum Vertragsschluss gibt bzw. aufzeigt, welche Maßnahmen zuvor getroffen werden müssen,
damit die Transaktion auch für seinen Themenbereich grünes Licht erhält. Trotz der oftmals
hohen Zahl von Projektinvolvierten sollten keine Personen, Abteilungen oder Funktionen
einbezogen werden, die nicht unbedingt erforderlich sind. Einbindungen sollten stets auf
einer »Need to know«-Basis erfolgen. Wichtig ist auch, dass jeder einzelne Projektinvolvierte
auf strengste Vertraulichkeit bezüglich des geplanten Vorhabens verpflichtet wird. Davon kann
der Projekterfolg maßgeblich abhängen.
Neben der breiten Einbindung von Fachabteilungen in den Due-Diligence-Prozess können
oftmals komplexe Entscheidungsmechanismen in Konzernen die Komplexität von M&A-Projek-
ten weiter erhöhen. Hier ist erfahrungsgemäß das richtige Informationsmanagement für die
Entscheidungsgremien entscheidend. Frühzeitige Zwischenstand-Meldungen, die Information
über wesentliche Erkenntnisse aus dem Prüfungsprozess und über erwartete Laufzeiten sind
wichtig. So lässt sich sicherstellen, dass unerwünschte Überraschungen in der Genehmigungs-
phase ausbleiben. Ferner muss beachtet werden, welcher Entscheider was wann und in wel-
cher Ausführlichkeit wissen muss. So sollte neben dem jeweiligen Ländermanagement, das
oftmals in international agierenden Konzernen anzutreffen ist, auch die Konzernspitze (zum
Beispiel der Vorstand oder die Geschäftsführung), welche die Akquisition am Ende gegenüber
den weiteren Stakeholdern des Unternehmens zu vertreten hat, detailliert und häufig über
den Prozessstand informiert werden. Der Aufsichtsrat muss das Vorhaben in der Regel am
Ende ebenfalls genehmigen, allerdings meist auf einer weniger detaillierten Entscheidungsba-
sis. Der M&A-Verantwortliche sollte sich eng mit dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung
darüber abzustimmen, welches Update dem Kontrollgremium wann im Prozess gegeben wird.
Meist erfolgt das Update dann durch die Geschäftsführung bzw. den Vorstand selbst. Je nach-
dem, wie das eigene Unternehmen oder das Zielunternehmen aufgestellt sind, kommen noch
weitere Zustimmungserfordernisse hinzu – beispielsweise aufseiten der Anteilseigner,102 der
Politik oder der Arbeitnehmervertretung.

Fazit
Die Durchführung eines M&A-Vorhaben ist eine komplexe Angelegenheit. Das ist insbesondere
im Konzernumfeld der Fall. Sie beginnt in der Planungsphase und erstreckt sich über den
gesamten Transaktionsprozess bis zur Vertragsunterzeichnung und darüber hinaus. Einige
wenige Praxisfälle zeigen die Vielschichtigkeit von M&A-Projekten im Konzernumfeld – und
unter bestimmten Aspekten auch außerhalb dessen. Es wurde verdeutlicht, wie wichtig es ist,
durch eine gründliche Vor- und Nachbereitung der einzelnen Prozessschritte Stolpersteine
nach Möglichkeit zu vermeiden, um die Prozesskomplexität nicht weiter zu erhöhen. Auch
sollte man stets mit dem Unerwarteten rechnen. Die besondere Komplexität von M&A, bedingt
durch eine Vielzahl an Projektbeteiligten und durch komplexe Entscheidungsprozesse im
Konzernumfeld, wurde im letzten Abschnitt beleuchtet. Durch effizientes Informationsma-
nagement über den gesamten Prozessverlauf können M&A-Verantwortliche dazu beitragen,
solche Prozesse zu erleichtern. Der Vollständigkeit halber sei anzumerken, dass in Großkon-
zernen nicht selten mehrere M&A-Projekte gleichzeitig durchgeführt werden. Meist befinden
sich diese Projekte in unterschiedlichen Phasen der Durchführung und sind zu einem gegebe-

102 Im Fall von Aktiengesellschaften beispielsweise ein für bestimmte Vorhaben notwendiger qualifizierter
Mehrheitsbeschluss der Aktionäre.
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76 2  M&A als Herausforderung des Managements

nen Zeitpunkt nicht allesamt gleich dringlich; auch dies kann die allgemeine Komplexität von
M&A in Konzernen erhöhen. Auch vor diesem Hintergrund ist ein effizientes Transaktions- und
Informationsmanagement entscheidend. Die in diesem Beitrag aufgezeigten, wesentlichen
Punkte für einen erfolgreichen M&A-Prozess lauten wie folgt:
yy Festlegung klarer strategischer (M&A)-Ziele und -Prioritäten;
yy Analyse der für das entsprechende Vorhaben relevanten Rahmenbedingungen;
yy bestmögliche Vermeidung von Stolpersteine durch gründliche Vor- und Nachbereitung der
einzelnen Projektschritte;
yy Klärung, dessen, worum es geht und wie die Ziele lauten (Preis- bzw. Wertmaximierung
oder langfristige Zusammenarbeit?);
yy Verringerung der Komplexität (Was ist wirklich wichtig?);
yy Einbezug des Unerwarteten (Was ist die nächstbeste Alternative?);
yy Bestimmung einer sinnvollen Zahl involvierter Personen, Abteilungen und Funktionen
(»Need to know«-Basis);
yy effiziente Steuerung der Projektteams;
yy Beachtung des Gebots der Vertraulichkeit durch jeden einzelnen Beteiligten, gerade bei
großen Projektteams;
yy frühzeitiges und effizientes Informationsmanagement der Entscheidungsträger.
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Teil B
Umsetzungstechnik: Module zur
Durchführung von M&A-Vorhaben
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 79

ÜBERBLICK UND EXECUTIVE SUMMARY

Oftmals wird in Veröffentlichungen eine feste Reihenfolge von Prozessschritten vorgege-


ben, obwohl diese in der Praxis durchaus variiert. Daher werden hier Bausteine eines –
selbstständig zu gestaltenden – M&A-Prozesses vorgestellt. Diese Bausteine werden als
M&A-Module bezeichnet. Insgesamt werden im Folgenden 14 M&A-Module vorgestellt:
Natürlich soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, dass die Module in einer völligen
Beliebigkeit aufeinander folgen können. Um dies zu berücksichtigen, werden die Module
hier den folgenden drei Phasen zugeordnet, wobei die Reihenfolge der Module innerhalb
der Phasen veränderlich ist (vgl. Abb. 24, S. 80):
yy Strategische Vorbereitung. Ein Kauf- oder Verkaufsprozess beginnt stets mit der stra-
tegischen Vorbereitung. In dieser Phase wird zunächst die Idee einer Transaktion ana-
lysiert und eine Strategie entwickelt (Modul 1). Zudem werden die für den Kauf oder
Verkauf notwendigen Daten und Dokumentationen erhoben bzw. erstellt (Modul 2).
Auch erfolgt die Untersuchung des Marktes auf Zielunternehmen bzw. mögliche Kauf­
interessenten »vom Schreibtisch«, also noch ohne Kontaktaufnahme (Modul  3). Ist
diese Arbeit erfolgt und hat man sich intern auf eine Shortlist von Zielunternehmen
bzw. Kaufinteressenten festgelegt, so folgt die Transaktionsphase.
yy Transaktionsphase. In der Transaktionsphase erfolgen die erstmalige Ansprache des
jeweiligen Transaktionspartners, also von möglichen Verkäufern bzw. möglichen Kauf­
interessenten, und die Auswahl geeigneter Partner für den weiteren Transaktionspro-
zess (Modul 4). Zudem regeln die Parteien die weitere Zusammenarbeit im Transakti-
onsprozess (Modul 5). Gerade die Managementpräsentation (Modul 6), die Due Diligence
(Modul 7), die Finanzierung der Transaktion (Modul 8) und die Unternehmensbewertung
(Modul 9) können in unterschiedlicher Reihenfolge vonstattengehen. Zudem sind
geeignete Transaktionsstrukturen zu entwickeln (Modul 10), Transaktionsverträge zu
verhandeln und zu unterzeichnen (Modul 11) und die Maßnahmen zum Closing einzu-
leiten (Modul 12).
yy Integrationsphase. Nach dem Closing beginnt klassischerweise die Integrationsphase.
Hier erfolgt die Post-Merger-Integration (Modul 13). Zudem sind nötigenfalls Maßnahmen
zur Behebung möglicher Post-Closing-Störereignisse (Modul 14) zu ergreifen.

Das Denken in flexibel einsetzbaren Modulen kommt den Anforderungen der Praxis eher
entgegen als starre Prozessabfolgen. Der jeweils ideale Prozess für den Einzelfall ist von
der verantwortlichen M&A-Projektleitung zu entwickeln. Hierbei spielen etwa die speziel-
len Anforderungen einer Transaktion mit den Besonderheiten des Transaktionsobjekts
und den zu berücksichtigenden Vorstellungen der Gegenseite eine große Rolle. Die Fest-
legung der Prozessreihenfolge wird in Teil C dieses Buches näher behandelt.
80

Kaufprojekt M&A-Module Verkaufsprojekt




strategische Ausgangssituation, Datenaufbereitung und Marktscreening strategische


Vorbereitung Ziele und Strategie Dokumentation (Desk Research) Vorbereitung
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Verhandlungsführung

Ansprache und Zusammenarbeit der Management- Due Finan-


Auswahl Transaktionsparteien präsentation Diligence zierung
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Ansprache und Ansprache und


Transaktion Transaktion
Verhandlung und
Strukturierung der Maßnahmen
Bewertung Signing des
Transaktion zum Closing
Transaktionsvertrags

Integration Maßnahmen bei Post-Closing-


Post-Merger-Integration Post Closing
Störereignissen

Abb. 24: Übersicht über M&A-Module


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3 Strategische Vorbereitung

3.1 Ziele und Strategien

3.1.1 M&A und andere strategische Optionen


3.1.1.1 Inhalte von M&A-Strategien
Der Strategiebegriff 103 wird in der Praxis häufig und dabei oftmals inhaltsleer benutzt. So
wird etwa von Unternehmens- und Wettbewerbsstrategien, von Beschaffungs- und Ver-
triebsstrategien sowie von Personal- und Kommunikationsstrategien gesprochen, ohne
dass im Einzelnen klar ist, was unter dem Begriff Strategie verstanden wird. Angesichts
dessen ist es wichtig, den Strategiebegriff mit Inhalt anzureichern.
Was als strategisch angesehen wird, hängt von der – häufig hierarchisch bedingten –
Perspektive des Betrachters ab: Mit der jeweiligen Managementebene sind spezifische Auf-
gaben und Entscheidungsfelder verbunden. Für das Topmanagement, das sich grundle-
gend mit der Auswahl von Geschäftsfeldern und deren Koordination auseinandersetzt,
haben etwa Beschaffungsstrategien einen operativen Charakter. Aus der Perspektive eines
Beschaffungsleiters sind unternehmensstrategische Entscheidungen nicht beeinflussbar
und daher als Rahmenbedingung vorgegeben. Daher ist für ihn die Beschaffungsstrategie
die umfassendste Größe, die er selbst beeinflusst. Insofern spricht der Beschaffungsleiter –
aus seiner Perspektive zu Recht – von einer Beschaffungsstrategie. Der Zusatz »Beschaf-
fung« macht dabei deutlich, dass es sich um eine strategische Entscheidung für ein begrenz-
tes Entscheidungsfeld handelt.
Aufbauend auf dem perspektivenabhängigen Strategieverständnis zeichnen sich Strate-
gien – stets aus der Sicht des jeweiligen Betrachters – durch die folgenden Merkmale aus:104
yy Strategien streben eine umfassende Ausrichtung des gesamten Unternehmens oder rele-
vanter Teile des Unternehmens an.105
yy Strategien haben tendenziell umfassende Folgen für die Vermögens-, Finanz- und
Ertragslage eines Unternehmens(-bereichs).
yy Strategien bestehen aus inhaltlich und zeitlich abgestimmten Ziel- und Maßnahmen-
bündeln, wobei die fundamentalen Unternehmensziele den Strategien übergeordnet

103 Zur allgemeinen Literatur zum Thema Strategie siehe beispielsweise Boston Consulting Group 2016.
104 Vgl. hierzu ähnlich Schreyögg/Koch 2015, S. 74.
105 Das Ziel der umfassenden Ausrichtung ist mit Strategien verbunden. Dennoch können Strategien in den
Mühlen einer Organisation »versanden« und somit weitgehend folgenlos bleiben. Vgl. auch Hungenberg
2014, S. 4.
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82 3  Strategische Vorbereitung

sind. Insofern werden Strategien hier als grobe Richtschnüre zur Erreichung der grund-
legenden Ziele eines Unternehmens angesehen.
yy Strategien nehmen Bezug auf Umweltentwicklungen; in der Regel führen deutliche
Umweltveränderungen auch zu Anpassungen der Strategie.106 Seltener gelingt es Unter-
nehmen umgekehrt, mit ihren Strategien ihre Umwelt merklich zu beeinflussen.
yy Strategien sind konkurrenzbezogen, das heißt, die verfolgte Strategie hängt ab von den
Strategien und antizipierten Reaktionen der Wettbewerber.107
yy Strategien orientieren sich an den verfügbaren Ressourcen und sonstigen organisatori-
schen Gegebenheiten.
yy Strategien sind meist das Ergebnis eines kreativen Planungsprozesses,108 in dem neben
analytischen Fähigkeiten Kreativität und Intuition eine zentrale Rolle einnehmen.

Betrachtet man die genannten Merkmale von Strategien, so sind Entscheidungen über das
Ob und das grundlegende Wie eines Kaufs bzw. Verkaufs klar strategischer Natur: Im Zuge
von M&A-Strategien sollten Entscheidungen im Topmanagement gefällt werden, da hiermit
eine grundlegende Ausrichtung des Unternehmens und seiner Koordination verbunden
ist.109 Dies gilt auch für den Fall, dass durch eine Akquisition lediglich ein bereits bestehen-
des Geschäftsfeld erweitert wird. Auch hiermit sind grundlegende Verschiebungen bei
Umsätzen, Ergebnissen oder der Kapitalbindung zu erwarten. Ebenso verändern sich Orga-
nisationstrukturen und Geschäftsprozesse, die Beschäftigtenzahlen und das Machtgefüge
zwischen Managern und den Geschäftseinheiten. All dies kann nicht allein vom Manage-
ment eines Geschäftsfelds verantwortet werden, sondern ist Aufgabe des Topmanagements.
M&A-Strategien sind Bündel miteinander zusammenhängender Ziele und Maßnahmen,
die eingesetzt werden, um einen Kauf samt Integration, einen Verkauf oder eine Fusion zu
verwirklichen. Die M&A-Strategie leitet sich aus dem Unternehmensziel und der zugehöri-
gen Unternehmensstrategie ab. Ihre Fixierung ist für eine erfolgreiche Transaktion – dies
zeigen Erfahrungen aus der Praxis – unerlässlich. Anderenfalls werden Handlungsoptio-
nen in M&A-Prozessen vor dem Hintergrund unterschiedlicher Zielvorstellungen der Betei-
ligten diskutiert, was den M&A-Prozess gefährdet.
Bei M&A-Entscheidungen werden Umwelt-, Branchen- und Marktentwicklungen über
klassische strategische Analysen einbezogen. Desinvestiert wird etwa häufig in Branchen,
die geringe Wachstumsraten versprechen oder aufgrund von geänderten gesetzlichen
Regelungen110 für Unternehmen unattraktiv werden. Akquisitionen finden hingegen in

106 Gerade Strategien auf der Ebene des Topmanagements, also die Unternehmensstrategien, beziehen selbst
langfristige Umwelt-, Branchen- und Marktentwicklungen mit ein.
107 Analog zum Schach und anderen Strategiespielen werden die Konkurrenten bezüglich ihrer Situation und
ihrer Handlungsweisen analysiert. Ihre Handlungen werden antizipiert, um die erfolgsträchtigste Strategie
festzulegen. Dabei ist die Konkurrenz entscheidend, da deren Verhalten den Erfolg der gewählten Strategie
beeinflusst.
108 Neben den geplanten bzw. intendierten Strategien gibt es auch (emergente) Strategien, die Individuen oder
Organisationen verfolgen, ohne dass sie sich dessen bewusst sind.
109 Vgl. auch Reed/Lajoux/Nasvold 2007, S. 14.
110 Beispielsweise zogen sich Unternehmen wie Siemens (AKW-Ausrüster) oder EnBW (Energieproduktion)
aus dem Geschäft mit Atomenergie zurück, nachdem Deutschland den raschen Ausstieg aus dieser Ener-
gieform beschlossen hatte.
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3.1  Ziele und Strategien 83

wachstumsstarken Branchen statt. Der Umweltbezug wird auch darin deutlich, dass bei
der Entwicklung von M&A-Strategien die Strategien der Konkurrenten berücksichtigt wer-
den, um deren Reaktionen auf einen Kauf oder Verkauf zu antizipieren. In der Praxis ist
dies zu beobachten, wenn in bestimmten Branchen die Zahl der Transaktionen besonders
stark steigt. Wenn ein wichtiger Akteur eine Branche akquiriert, reagieren seine Wettbe-
werber oftmals auf diesen strategischen Zug und versuchen ihrerseits, ihre nunmehr
bedrohte Wettbewerbsposition zu stabilisieren oder zu verbessern. Sie wachsen dann über
Akquisitionen oder Kooperationen, kaufen sich hierdurch Kompetenzen hinzu oder inter-
nationalisieren über M&A. Von außen betrachtet wird dies als Konsolidierungswelle oder –
etwas drastischer – als Akquisitionsfieber und »Merger Endgames« beschrieben.111
M&A-Strategien beziehen die organisatorischen Rahmenbedingungen und die Ressour-
cenausstattung ein. In die Entwicklung der Strategie sind vorhandene Organisationsstruk-
turen und Prozesse, kulturelle Werte und Führungsstile sowie der Bestand an Ressourcen
und auf diesen basierenden Fähigkeiten einzubeziehen. Andernfalls ist die Gefahr »system-
fremder«, also nicht abgestimmter M&A-Strategien, die Synergien lediglich »auf dem
Papier« erzeugen, sehr groß.
Allzu oft wird vergessen, dass die die Entwicklung von M&A-Strategien kein rein for-
maler Planungsakt ist. Vielmehr spielen schon bei der Erhebung und Auswertung strategi-
scher Daten Kreativität und Intuition eine wichtige Rolle (vgl. Abb. 25, S. 84). Dies gilt
ohnehin bei der Kreierung von Handlungsoptionen. Die Aussagen, die die klassischen
Beraterportfolios von Boston Consulting oder McKinsey zulassen, sind entweder zu eng,
weil sie zu wenige Kriterien einbeziehen,112 oder kaum handlungsleitend, weil die Daten-
grundlagen und strategischen Aussagen viel zu allgemein sind.
Branchenunabhängig gültige »generische Strategien« sind daher für die Praxis besten-
falls das, was für den Maler die weiße Leinwand darstellt: Sie begrenzen den Handlungs-
spielraum und geben damit Orientierung, der kreative Akt ist jedoch vom Manager und
seinen Mitarbeitern zu leisten. Im schlechtesten Fall führen generische Strategien und die
mit ihnen verbundene Vorstrukturierung dazu, dass eigentlich erfolgreiche Strategien nicht
in das »Schema« passen und daher aussortiert werden.
In der Praxis ist auch beobachtbar, dass Unternehmen ihre Strategien im Verlauf eines
M&A-Prozesses anpassen. Im Extremfall könnte man davon sprechen, dass Strategien
nicht die Basis von M&A-Prozessen sind, sondern deren Ergebnis. Unternehmen gehen
dann bewusst oder unbewusst mit unklaren oder mehrdeutigen strategischen Vorstellun-
gen in den Transaktionsprozess. Sie nutzen die dort gesammelten Informationen, um ihre
Unternehmens- und M&A-Strategie zu konkretisieren und anzupassen. Eine Strategie
»schält« sich so erst am Ende des Transaktionsprozesses heraus.113

111 Vgl. hierzu Deans/Kröger/Zeisel 2002.


112 Beispielsweise werden in der BCG-Matrix über den relativen Marktanteil im Wesentlichen Kostenvorteile
einbezogen, während sich Differenzierungsvorteile kaum berücksichtigen lassen. Damit wird eine wesent-
liche Handlungsoption vernachlässigt.
113 Löst man sich von M&A, so wird in diesem Fall von ungeplanten Handlungs- und Entscheidungsmustern
gesprochen, die von Mintzberg als emergente Strategien bezeichnet wurden. Vgl. Mintzberg 1978.
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84 3  Strategische Vorbereitung

Topmanagement-
Entscheidung
Planung als umfassende
Mischung Folgen für
aus Analyse, Vermögens-,
Kreativität und Finanz- und
Intuition Ertragslage

M&A-
Organisation Strategie
abgestimmte
und Ressourcen- Ziel- und
situation als Maßnahmen-
Ausgangspunkt bündel

Einbezug der Umwelt-,


Strategien von Branchen-,
Konkurrenten Marktentwicklung
als Basis

Abb. 25: Merkmale von M&A-Strategien

Klassische Strategieportfolios werden angesichts ihrer kritischen Beurteilung im Folgenden


nicht weiter beachtet. Um dennoch Orientierung zu geben, werden stattdessen wichtige
Bausteine einer M&A-Strategie vorgestellt, die sich aus der Sicht von Wissenschaft und Pra-
xis bewährt haben und sinnvoll miteinander kombinieren lassen. Die kreative Auswahl
und Kombination dieser Strategie-Bausteine ist sodann Teil des analytischen und kreativen
Strategieentwicklungsprozesses.

3.1.1.2 Strategische Alternativen zu M&A

Vor dem Entschluss, ein M&A-Projekt zu realisieren, sollten die strategischen Alternativen
ernsthaft und vorbehaltlos geprüft werden (vgl. Abb. 26, S. 85):
yy Hierzu zählt zum einen das organische Wachstum bzw. die organische Schrumpfung.
Vergleicht man diese Option, bei der die Veränderung aus eigener Kraft erfolgt, mit
M&A-Transaktionen, so wirken organische Veränderungen deutlich risikoärmer. Die
benötigten Finanzmittel sind geringer; bei einer Schrumpfung werden sie langsamer
freigesetzt. Die Autonomie bleibt zudem vollständig erhalten. Jedoch wird es länger
dauern, bis ein mit dem Effekt einer M&A-Transaktion vergleichbares Wachstum bzw.
eine vergleichbare Schrumpfung erreicht wird. Ein derartiges Wachstum wird unter
Umständen sogar dauerhaft verfehlt, da es an Voraussetzungen wie wechselwilligen
Kunden fehlt.
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3.1  Ziele und Strategien 85

Organische Mergers &


Kooperation
Veränderung Acquisitions

Aufbau bzw. Erweiterung Gemeinsame Entwicklung Kauf/Verkauf oder Fusion


aus eigener Kraft mit Partner(n)

 langsame Portfolio-  mittelschnelle Portfolio-  schnelle Portfolio-


veränderung veränderung veränderung
 kein Verlust an Autonomie  Verlust an Autonomie  Überwindung von
 geringeres Risiko  sinnvoll bei Vorliegen Eintrittsbarrieren
 erschwert bei Vorliegen von Eintrittsbarrieren  risikoreich, hoher
von Eintrittsbarrieren  geringer finanzieller finanzieller Aufwand
 »bindet Unternehmer- Aufwand
persönlichkeiten«  Gefahr von learning races

Abb. 26: Strategische Alternativen zu M&A im Vergleich

yy Bei Kooperationen, zu denen etwa strategische Allianzen, Netzwerke, Konsortien, Kar-


telle und auch Joint Ventures zählen, wird die Portfolioveränderung zusammen mit
Partnern vorgenommen. Die Portfolioveränderung ist in der Regel deutlich schneller als
bei organischen Veränderungen realisierbar, jedoch langsamer als bei M&A. Anders als
bei den beiden anderen Optionen wiegt oftmals der Verlust an Autonomie schwer, was
gerade Mittelständler abschreckt. Kooperationen können helfen, Markteintrittsbarrie-
ren zu überwinden, die bei organischem Wachstum sehr hinderlich sein können. Wird
eine Kooperation nach einigen Jahren beendet, so ist die Gefahr groß, dass jeder Part-
ner noch einmal versucht, möglichst viel aus der Partnerschaft zu ziehen. Häufig ent-
wickeln sich dann »Learning Races«, in denen es darum geht, sich möglichst viel Wis-
sen des Anderen anzueignen.
yy M&A-Transaktionen repräsentieren schnelle Veränderungen. Das Risiko ist hoch, Glei-
ches gilt für den Ressourceneinsatz. Mit einem Zukauf können Markteintrittsbarrieren
rasch überwunden werden, was ein wichtiges Motiv für die Wahl dieser Wachstumsop-
tion ist. Beim Erwerb eines Unternehmens bleibt die Autonomie praktisch gewahrt. De
facto kann jedoch mit einer deutlichen Erhöhung der Fremdfinanzierung bzw. speziel-
len Mezzanine-Finanzierungen ein gewisser Autonomieverlust einhergehen.

Unternehmen sollten sich die beschriebenen drei Grundformen der strategischen Verände-
rung vor Augen halten und abwägen, welche dieser Optionen alleine bzw. in Kombination
mit einer anderen infrage kommt. So kann etwa vorgesehen sein, Akquisitionen und
Kooperationen zu kombinieren.
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86 3  Strategische Vorbereitung

3.1.2 Käufer

3.1.2.1 Die drei Dimensionen von Akquisitionsstrategien

Die oben geführte Diskussion über die Merkmale von M&A-Strategien erweist sich an dieser
Stelle als hilfreich. Hierdurch wird klar, dass das strategische Verständnis oftmals zu kurz
greift: M&A-Strategien sind keinesfalls (nur) Entscheidungen über einen Asset Deal oder
Share Deal, über den Transaktionsweg oder über das künftige Produktportfolio. Sie beruhen
vielmehr auf grundlegenderen Entscheidungen. Aus der Sicht des Käufers soll die Akquisi-
tionsstrategie Antworten auf die folgenden drei Kernfragen geben (vgl. Abb. 27, S. 87):
yy Warum wird eine Akquisition angestrebt? Welche Ziele werden mit der Akquisition ver-
folgt? Damit hängen auch die Bestimmung des Geschäftsfelds, in dem akquiriert wer-
den soll, und die Bestimmung des Suchraums zusammen. Zudem ist zu klären, wie die
Akquisition und die grundlegende Unternehmensstrategie (und Geschäftsfeldstrategie)
zusammenwirken.
yy Wie sollen die Akquisitionsziele erreicht werden? Soll das angestrebte Wachstum über
einen Zukauf oder mehrere Zukäufe – ein Akquisitionsprogramm – realisiert werden?
Wird dabei auch der Kauf eines börsennotierten Unternehmens erwogen? Ist auch eine
feindliche Übernahme vorstellbar? Besteht hinsichtlich der Art der Übernahme Offen-
heit oder wird eine Option, der Asset Deal oder der Share Deal, kategorisch ausge-
schlossen? Und letztlich kann über den Umfang der Beteiligung nachgedacht werden,
das heißt, ob es um eine Minderheitsbeteiligung, mit oder ohne Sperrminorität (mehr
als 25 Prozent), eine einfache Mehrheit (weniger als 75 Prozent), eine qualifizierte
Mehrheit (mehr als 75 Prozent) oder zwingend um den Erwerb von 100 Prozent der
Anteile geht.
yy Wann, also in welchem Zeitraum soll die Transaktion stattfinden? Hierbei geht es um
das Timing für den Kauf bzw. den Verkauf. Das richtige Timing kann entscheidend für
die Erzielung vorteilhafter Konditionen sein.

3.1.2.2 Ziele: Warum akquirieren?

Die Frage, warum ein Unternehmen akquirieren will, ist keinesfalls trivial. Allzu oft wird
sie unvollständig oder zu spät, etwa erst im Laufe der Integration, in der nötigen Tiefe
beantwortet.114 Diesbezüglich gibt es nicht selten noch während des laufenden Transakti-
onsprozesses unterschiedliche Vorstellungen in den Leitungsgremien. Verzögerungen im
Prozess, nervenaufreibende Konflikte und der Abbruch der Transaktion bzw. verlustträch-
tige Fehlkäufe sind die Folge. Daher ist die Frage nach dem Motiv im Kreis der Entschei-
dungs- und Know-how-Träger ernsthaft zu stellen, gründlich zu beantworten und, sehr
empfehlenswert, auch schriftlich zu dokumentieren. Schließlich sind die Ziele einer Akqui-
sition wichtige Grundlage des weiteren Handelns, sei es bei der Auswahl geeigneter Tar-
gets, bei der Ausrichtung der Due Diligence oder bei der Bestimmung der Ziele der Integ-

114 Vgl. auch Moeller/Brady 2014, S. 136 f.


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3.1  Ziele und Strategien 87

 Welche Ziele verfolgen wir mit der M&A-Transaktion?


Warum?  Welches Geschäftsfeld ist betroffen ‒ und welches
geografische Suchgebiet?

 Wollen wir eine M&A-Transaktion vornehmen oder planen


wir eine M&A-Serie?
 Sind börsennotierte und feindliche Transaktionen
Wie? realisierbar?
 Kommen sowohl Share Deals als auch Asset Deals infrage?
 Wird ein vollständiger (Ver-)Kauf angestrebt?
 Kann die Transaktion mit den vorhandenen Ressourcen
realisiert werden?

Wann? Wann ist eine Transaktion sinnvoll (Timing)?

Abb. 27: Kernfragen einer Akquisitionsstrategie

ration. Sie sollten daher regelmäßig in Erinnerung gerufen werden. Da hilft es sehr, wenn
sie dokumentiert sind. Das Akquisitionsziel konkretisiert das Leistungsziel des magischen
Dreiecks115.

WICHTIG
Ziele dokumentieren!
Die Ziele einer Akquisition sollten ausführlich dokumentiert und vom Topmanagement
des Unternehmens verabschiedet werden. Hierdurch besteht im Fortgang einer
M&A-Transaktion Klarheit sowohl über die Inhalte der Ziele als auch über das Commit-
ment der Unternehmensleitung.

Das Ziel der Akquisition ist ein wesentlicher Baustein der Akquisitionsstrategie. Meist fin-
det man im Schrifttum entweder lange Auflistungen von Zielen oder theoriebasierte Ziel-
kategorien, die entweder selektiv und vom Einzelfall geprägt oder aber derartig abstrakt
und allgemein sind, dass sie kaum Orientierung bieten. So kann der Individualität und
Komplexität von Unternehmen nicht Rechnung getragen werden.
Akzeptiert man, dass Strategien kreative Ziel- und Maßnahmenbündel sind, so ist auch
bei den Zielen selbst das richtige Maß zwischen einerseits Orientierung und Vorstrukturie-
rung und andererseits Freiheit und Flexibilität für die Manager zu finden. Daher werden

115 Vgl. zum magischen Dreieck bei M&A-Projekten Kapitel 2, Abschnitt 2.1.4.
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88 3  Strategische Vorbereitung

die Akquisitionsziele hier aus zwei Dimensionen gebildet, die beides vereinen – die also
Orientierung bieten und den Strategieentwicklern in den Unternehmen Freiheiten lassen.
Die beiden Zieldimensionen lauten:
yy Festlegung der generellen Stoßrichtung der Akquisition,
yy Konkretisierung der Stoßrichtung durch Bestimmung der Zielobjekte.

Zusätzlich sollte bei der Bestimmung des Akquisitionsziels immer auch die Frage »Cui
bono?« – wem nutzt es – gestellt werden. Somit fragt sich, welches letztendliche bzw. fun-
damentale Ziel mit der Akquisition verfolgt wird (vgl. Abb. 28). Dies kann das oberste
Unternehmensziel sein – ganz klassisch eine Wertsteigerung –, es können jedoch auch
andere Ziele verfolgt werden.

3.1.2.2.1 Stoßrichtung der Akquisition


Kaufinteressenten sollten sich zunächst Klarheit darüber verschaffen, welche Stoßrich-
tung ihre Akquisition verfolgt. Die folgenden Stoßrichtungen lassen sich unterscheiden:
yy Wachstum,
yy Konsolidierung,
yy Risikoverringerung,
yy Synergie-Erschließung,

Dimensionen des Akquisitionsziels

Stoßrichtung Zielobjekte Fundamentales Ziel

Kunden
Wachstum
Absatzmarkt

Regionen Wertsteigerung des


Unternehmens
Wettbewerber
Konsolidierung
Wertangebote
Persönliche Ziele
Risikoverringerung direkte
Wertschöpfung

Wertschöpfung Macht/Prestige
erhöhen
Synergie-Erschließung Führung/Verwaltung
Arbeitsplatzsicherheit
Geschäfts- erhöhen
Kompetenzen
transformation
immaterielle
Ressourcen

Marken und Patente


sonstige finanzielle Managervergütung
Ziele erhöhen
Mitarbeiter

Warum-Frage: Ziele basieren meist auf einem Bündel von Wünschen.

Abb. 28: Dimensionen von Akquisitionszielen


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3.1  Ziele und Strategien 89

yy Transformation des Geschäftsmodells und


yy sonstige finanzielle Ziele.

Jede Akquisition ist mit Wachstum verbunden. Jedoch wird bei einigen Transaktionen
Wachstum explizit als wichtiges Ziel aufgeführt, während es bei anderen eher »zufällig« –
sozusagen als Nebenprodukt – aus der Verfolgung anderer Ziele resultiert. Insofern sollte
Wachstum nur dann genannt werden, wenn es ein wichtiges oder gar das primäre Ziel der
Transaktion ist.
Neben Wachstum ist die Konsolidierung116 von Märkten eine Stoßrichtung. Meist bezie-
hen sich Konsolidierungsbestrebungen auf reife Märkte mit stagnierendem oder sinken-
dem Marktvolumen, auf denen Skaleneffekte noch nicht ausgeschöpft sind. Daneben wer-
den derartige Ziele jedoch auch auf jungen, stark wachsenden Märkten verfolgt, auf dem
die Anbieterseite noch stark fragmentiert ist und sich Marktführerschaften noch nicht her-
ausgebildet haben.
Einige Unternehmen streben mit ihren diversifizierenden Akquisitionen explizit eine
Verringerung von Risiken an. Die Akzeptanz dieser Zielsetzung hat in den letzten Jahr-
zehnten deutlich geschwankt: In den 1970er und -80er Jahren galten insbesondere laterale
Diversifikationen zum Aufbau risikoreduzierender Konglomerate als probates Mittel. Die
Kernidee war, dass sich über die möglichst unabhängigen Geschäftsfelder des Unterneh-
mens Risiken ausgleichen lassen und so Gewinne und Cashflows stabilisiert werden. Über
eine Vielzahl von Jahren betrachtet soll das diversifizierte Unternehmen so im Vergleich
zu fokussierten Unternehmen identische Gewinnerwartungen bei niedrigeren Risiken auf-
weisen. Niedrigere Risiken hätten dann geringere Finanzierungskosten und eine höhere
Attraktivität für Kapitalgeber zur Folge.
Die positive Einschätzung der Diversifikation wich in den 1990er Jahren einer negati-
ven. Diversifizierte Unternehmen stellen demnach hohe Anforderungen an die Unterneh-
mensführung, die aus der großen Zahl von Märkten mit unterschiedlichen Kunden, Pro-
dukten, Technologien und Wettbewerbern resultieren. Diese Herausforderungen werden
oftmals bewältigt, indem die Zahl der Führungskräfte und Führungsebenen und allgemein
die Komplexität der Unternehmensführung angehoben wird. Nachteilig wirken sich infolge
dessen die Abstimmungskosten, die längere Dauer von Entscheidungen und strukturelle
Starrheit aus. Zudem besteht die Gefahr, dass mittlere Führungsebenen die Komplexität
des Unternehmens für egoistische Zwecke nutzen, um ihren Arbeitsplatz zu sichern, ihr
Gehalt zu erhöhen oder allgemein an Einfluss und Prestige zu gewinnen. Da wichtige Ent-
scheidungen letztendlich doch vom obersten Führungsgremium getroffen werden müssen,
kann es zudem zu einer Überforderung kommen, die in Fehlentscheidungen mündet.
Infolge dieser Argumente begann in den 1990er Jahren der Siegeszug des Kernkompetenz-
denkens, der in weiten Teilen der USA und Europas zu einer Auflösung breit diversifizierter
Unternehmen führte.
Die Finanz- und Staatsschuldenkrise, die sich im Jahr 2008 manifestierte, hatte zur
Folge, dass Diversifikation auch an Kapitalmärkten nicht mehr ganz so negativ wie in den
Jahren zuvor gesehen wurde. Jüngere Untersuchgen der Frage eines Bewertungsabschlags

116 Consolidare = fest machen bzw. stark machen.


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90 3  Strategische Vorbereitung

diversifizierter Unternehmen auf Kapitalmärkten (»conglomerate discount«) brachten


keine eindeutigen Ergebnisse.117
Synergien sind der »Klassiker« im Kreis der Ziele von M&A-Vorhaben.118 Sie repräsentie-
ren den Wertzuwachs, der durch einen Zusammenschluss von zwei oder mehr Unterneh-
men entsteht und über die Summe der Einzelwerte hinausgeht. Ohne den Zusammen-
schluss würde der Wertzuwachs nicht entstehen. Synergien können in direkten Wertschöp-
fungsbereichen (zum Beispiel Einkauf, Produktion) oder in indirekten Bereichen (zum
Beispiel Rechtsabteilung, Controlling) entstehen. Die Kreierung und Identifikation von Syn-
ergien ist nicht nur eine analytische Aufgabe, sondern stets auch ein schöpferischer Akt. Im
Zuge der Post-Merger-Integration sind die geplanten Synergien zu realisieren. Dabei entste-
hen Integrationskosten. Die Synergiepotenziale werden oftmals überschätzt, was in der Pra-
xis nur selten für die Integrationskosten gilt, die laut einer Untersuchung von der Unterneh-
mensberatung EY durchschnittlich bei 14 Prozent des Transaktionsvolumens liegen.119
Belastend wirken sich auch Dyssynergien aus. Sie resultieren aus den für das einzelne Ge­
schäftsfeld nachteiligen Kompromissen, der Zunahme der Inflexibilität aufgrund vergrößer-
ter Einheiten und den erhöhten Kontrollkosten des Managements.
Ein sehr ambitioniertes Ziel ist die Transformation des Geschäftsmodells eines Unter-
nehmens. Geschäftsmodelle beschreiben die grundlegende Idee und Funktionsweise eines
Unternehmens – dessen Zielkunden, Nutzenversprechen, Wertschöpfungskette und finan-
zielle »Ertragsmechanik«.120 Transformierende Akquisitionen verändern das Geschäftsmo-
dell deutlich bzw. führen zu einem neuen Geschäftsmodell. Dem stehen arrondierende
Transaktionen bzw. »Ergänzungskäufe« gegenüber, die sich unter die anderen Ziele subsu-
mieren lassen.
Sonstige finanzielle Motive sind nicht primär strategischer Natur. Die folgenden Motive
sind erwähnenswert:121
yy Ausnutzung von Fehlbewertungen. Zuweilen ist eine Akquisition das Ergebnis der
Einschätzung des Käufers, dass das Target unterbewertet ist. Solche Targets können zu
einem niedrigen Kaufpreis erworben und in der Folge gewinnbringend weiterverkauft
werden. Ein derartiger »lucky buy« ist auf vollkommenen Kapitalmärkten ausgeschlos-
sen. In der Praxis kann er vorkommen, wenn die Gesellschafter des Targets nicht über
den wahren Wert ihres Unternehmens informiert sind, dieser jedoch dem Kaufinteres-
senten bekannt ist. Voraussetzung hierfür ist auch, dass andere Erwerbsinteressenten
den Transaktionspreis nicht in die Höhe treiben. Angesichts des »Marktes für Unterneh-
menskontrolle«, der sich auch in Deutschland deutlich professionalisiert, ist dieser Fall
sicherlich nicht an der Tagesordnung.
yy Ausschöpfung von Restrukturierungspotenzialen. Ein weiteres Motiv kann die
Erkenntnis des Kaufinteressenten sein, dass ein Target angesichts vorhandener Schwä-

117 Vgl. etwa die Studien von Rustige/Grote 2009, Rajan/Servaes/Zingales 2000 und Comment/Jarrell 1995.
118 Vgl. auch Wirtz 2014, S. 62.
119 Mergermarket führte Interviews mit 200 Executive-Managern, die mit der PMI betraut waren. Die Befragten
gaben außerdem an, dass das durchschnittliche Transaktionsvolumen bei 256 Mio. EUR liege (vgl. EY 2014).
120 Vgl. Gassmann/Frankenberger/Csik 2013, S. 6.
121 Steuerliche Motive im Sinne einer steuerlichen Nutzung von Verlusten des Targets und Verrechnung mit den
Gewinnen des Käufers zählen zu den finanziellen Synergien und werden daher nicht separat betrachtet.
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3.1  Ziele und Strategien 91

chen zwar fair bewertet ist, jedoch innerhalb relativ kurzer Zeit durch eine Restruktu-
rierung an Wert gewinnen kann. Hierzu zählt auch häufig die Absetzung eines schlech-
ten Managements. Gegebenenfalls ist der Käufer auch bereits Minderheitseigner, kann
sich bislang jedoch mit seinen Vorstellungen nicht durchsetzen. Dann erwirbt er die
Kontrollmehrheit, um ein besseres Management einzusetzen. Daneben können bei-
spielsweise auch deutliche Mängel im Working-Capital-Management, in der Finanzie-
rung des Unternehmens oder im operativen Geschäft Restrukturierungspotenzial bie-
ten, das gerade von Finanzinvestoren genutzt wird.

Neben den oben genannten ökonomischen Zielen, die primär dem kaufenden Unterneh-
men zugutekommen sollen, spielen in der M&A-Praxis persönliche Ziele von Gesellschaf-
tern und Managern eine wichtige Rolle.122 Hierbei kann es etwa um Machtzuwachs und
Prestigegewinn, um eine Erhöhung von Managergehältern oder um die Steigerung der
Arbeitsplatzsicherheit von Managern gehen. Diese Motive werden hier zu den fundamen-
talen Zielen gezählt, da sie eine Alternative zum grundlegenden Ziel der Unternehmens-
wertsteigerung bilden.

3.1.2.2.2 Konkretisierung der Stoßrichtung durch Bestimmung von Zielobjekten


Die zuvor erläuterten Stoßrichtungen sind mit Zielobjekten zu kombinieren, um so das
Akquisitionsziel zu konkretisieren. Die Zielobjekte lassen sich in die drei folgenden Grup-
pen unterteilen:
yy absatzmarktorientierte Zielobjekte,
yy Zielobjekte zur Verbesserung der Wertschöpfung sowie
yy Zielobjekte, die der Verbesserung der immateriellen Ressourcen dienen.

Nachfolgend wird auf diese drei Gruppen eingegangen. Auf dem zunächst betrachteten
Absatzmarkt bieten sich die folgenden Optionen an:
yy Erweiterung oder Veränderung der Kundenbasis;
yy regionale Erweiterung, die lokal, national, international oder global erfolgen kann;
yy Verringerung der Zahl der Wettbewerber;
yy Arrondierungen und Ergänzungen des bestehenden Wertangebots oder Schaffung gänz-
lich neuer Wertangebote.123

Auf der Ebene der Wertschöpfung bestehen die folgenden Alternativen:


yy Akquisitionen können zu Verbesserungen in den verschiedenen Funktionen der direk-
ten Wertschöpfung führen. So können im Beschaffungsbereich Rohstoffe oder andere
materielle Produktionsfaktoren hinsichtlich der benötigten Menge und/oder Qualität
gesichert werden. Zudem kann die Verhandlungsmacht über höhere Beschaffungsvo-
lumina gesteigert werden. In der Fertigung spielen Skalen- und Verbundeffekte eine
wichtige Rolle. Verbundeffekte sind etwa in der chemischen Industrie, aber auch in
anderen Branchen wie der Lebensmittelindustrie von Bedeutung. Im Rahmen von Ver-

122 Meist werden nur die Managerziele diskutiert. Vgl. hierzu etwa Glaum/Hutzschenreuter 2010, S. 83–88.
123 Wertangebote werden hier als Produkte, Dienstleistungen oder ein Bündel aus beidem verstanden.
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92 3  Strategische Vorbereitung

bundeffekten entstehen bei der Herstellung bestimmter Erzeugnisse Nebenprodukte,


die beispielsweise als Halbfabrikate für andere Produkte dienen.124
yy Zukäufe können der Stärkung des Vertriebs durch eine höhere Kompetenz, die Erschlie-
ßung neuer Vertriebswege, eine höhere Zahl von Vertriebskräften oder eine bessere
regionale Streuung dienen.
yy Unternehmenskäufe können der Stärkung der Führung bzw. Verwaltung eines Unter-
nehmens und damit der Stärkung der indirekten Wertschöpfung dienen. So kann es
beispielsweise um den Kauf von Managementteams gehen, die in Know-how-kriti-
schen Branchen – man denke an Beratungsdienstleistungen – relevant sind. Manche
Geschäftsfelder sind zudem erst aber einer gewissen kritischen Größe überlebensfähig,
da sie sehr verwaltungsintensiv sind. Dies bezieht sich etwa auf Branchen mit hohen
rechtlichen Anforderungen. Insofern kann ein Zukauf zur effizienten Erfüllung von
Auflagen nötig sein. Hier ist die Finanzdienstleistungsbranche ein gutes Beispiel.

Mit Blick auf die immateriellen Ressourcen bieten sich verschiedene Handlungsalternati-
ven, von denen hier drei besonders wichtige aufgeführt werden:
yy Die Wissens- und Kompetenzbasis soll um angrenzende oder vollständig neue Kompe-
tenzen erweitert werden. Dies ist in Know-how-intensiven Branchen wie der Pharmain-
dustrie oder bestimmten Beratungssektoren relevant.
yy Der Kauf etablierter Marken kann etwa bei Konsumgüterherstellern im Mittelpunkt
stehen, während Patente in wissensintensiven und forschungsnahen Branchen bedeut-
sam sind.
yy Insbesondere bei Unternehmen der IT-Branche und des Biotech-Sektors kann der Zu­­
wachs an Mitarbeitern ausschlaggebend sein.

3.1.2.2.3 Das fundamentale Unternehmensziel – was soll letztlich erreicht werden?


Die konkretisierte Stoßrichtung repräsentiert das Akquisitionsziel des Kaufinteressenten.
Jedoch dient die Akquisition letztlich einem fundamentalen Ziel. Hierbei lassen sich zwei
Gruppen unterscheiden:
yy wertorientierte Ziele und
yy persönliche Ziele.

Wertorientierte Ziele
Akquisitionen sollen, folgt man den meisten Veröffentlichungen, den finanziellen Wert des
Unternehmens steigern. Die langfristige Steigerung des Unternehmenswertes gilt heutzu-
tage als modernes Gewinnziel, das mit einem Mix aus Umsatzwachstum, Senkung der
Stückkosten und der Finanzierungskosten erreicht werden soll. Die Wertsteigerung kann
dabei auch unter Nebenbedingungen erfolgen, also beispielsweise unter der Bedingung,
dass ein bestimmter Standort oder eine Marke nicht aufgegeben werden soll.

124 In Molkereien kann etwa als Nebenprodukt Laktose als Trägerstoff für Medikamente gewonnen werden.
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3.1  Ziele und Strategien 93

Persönliche Ziele
Daneben werden gerade bei M&A persönliche Ziele von Managern diskutiert. Wenngleich
die Bedeutung dieser Ziele empirisch schwer nachweisbar ist, so deutet doch manches auf
eine hohe Praxisrelevanz hin. Die drei folgenden Ziele werden unterschieden:
yy Erstens können Akquisitionen genutzt werden, um Prestige, Einfluss und Macht zu
gewinnen (»empire building«). Dieses Motiv wird meist nur angestellten Managern
zugeschrieben. Es kann aber durchaus im Einklang mit den Interessen von Gesell-
schaftern (mittelständischer Unternehmen) stehen oder gar von diesen vorangetrie-
ben werden.
yy Zweitens können Manager Akquisitionen »zweckentfremden«, um ihre Arbeitsplatzsi-
cherheit zu erhöhen. Hierfür gibt es im Wesentlichen drei Argumente: Erstens können
Akquisitionen zu einer gewissen Stabilisierung der Gewinne beitragen, da sie oft eine
mehr oder minder ausgeprägte Diversifikation mit sich bringen. Insofern sinkt die
Insolvenzwahrscheinlichkeit, Gleiches gilt für die Wahrscheinlichkeit extremer Ertrags-
schwankungen. Beides führt zu einer größeren Arbeitsplatzsicherheit. Zweitens lässt
sich gerade bei Konzernen beobachten, dass Manager im Bereich ihres Erfahrungs-
schatzes hinzukaufen, auch wenn das Target nicht zum bestehenden Konzernportfolio
passt. Diese Manager können so aufgrund ihrer spezifischen Erfahrungen und Fähig-
keiten für den Konzern unersetzlich werden (»Verschanzung«). Drittens wird gemut-
maßt, dass feindliche Übernahmen erschwert werden, wenn das Target relativ groß ist.
Auch dies spräche aus der Sicht des Vorstands börsennotierter Unternehmen für Akqui-
sitionen. Seit einigen Jahren werden jedoch auch in Deutschland institutionelle Inves-
toren und Hedgefonds aktiver, so etwa Icahn Enterprises (»corporate raider«) von Carl
Icahn oder die Elliott Management Corporation von Paul Singer (aktivistische Investo-
ren). Bei nicht wertsteigernden Akquisitionen besteht insofern das Risiko, dass Hedge-
fonds aktiv werden und der Shareholder-Aktivismus zum Vorstandswechsel führt oder
derartige Unternehmenskonglomerate »zerschlagen« werden. Insofern können hierzu
keine eindeutigen Aussagen getroffen werden.
yy Drittens kann es Managern primär um Gehaltssteigerungen gehen. Mit steigender
Unternehmensgröße nehmen in der Regel die Gehälter von Managern zu. Dieser Zu­
sammenhang wird durch eine Vielzahl von Studien belegt und scheint insgesamt stär-
ker ausgeprägt zu sein als der näherliegende Zusammenhang zwischen Unternehmens-
erfolg und Managergehalt (vgl. Abb. 29, S. 94). Wenngleich sich diese Studien meist,
schon aufgrund der besseren Datenverfügbarkeit, auf börsennotierte Unternehmen
beziehen, dürfte es auch bei GmbH-Geschäftsführern ähnliche Zusammenhänge geben.
Insofern lässt sich festhalten, dass Manager ihre Vergütung durch Akquisitionen
­substanziell steigern können. Ob dies tatsächlich ein Anreiz für Akquisitionen ist, wäre
im Einzelfall zu entscheiden.

3.1.2.2.4 Akquisitionsziele – Kreativität ist gefragt


Wie Abb. 30 zeigt, können die Stoßrichtungen und Zielobjekte – theoretisch beliebig –
kombiniert werden. Betrachtet man nur allein die Einzelkombinationen, so sind bereits 72
(6 x 12) Zielvarianten denkbar, und unter Einbezug der fundamentalen Ziele steigt deren
Zahl auf 96 (6 x 16). Bei Akquisitionen werden jedoch meist mehrere Ziele verfolgt, sodass
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94 3  Strategische Vorbereitung

Performancegröße

Studien Unternehmens- Buchhalterische Aktien-


größe Messgrößen performance

Schwalbach 1991 + (0) / + +


Schmid 1997 + +
Schwalbach/Graßhoff 1997 + + +
Schwalbach 1999 + (0) / +
Conyon/Schwalbach 2000 + +
Elston/Goldberg 2003 +/‒ + / (0)
Schmidt/Schwalbach 2007 (0) (0)
Hitz/Sabiwalsky 2008 + + (0)
Kuhner et al. 2010 + (0) / +
Rapp/Wolf 2010 + ‒/+ +
Sommer et al. 2010 + ‒
Erläuterungen
»+« positiver signifikanter Zusammenhang
»–« negativer signifikanter Zusammenhang
»(0)« keine signifikanten Befunde
»/« widersprüchliche Ergebnisse
Kein Symbol Einflussfaktor in Studie nicht untersucht

Abb. 29: Zusammenhang zwischen Vorstandsvergütung, Unternehmensgröße und Performance


(Quelle: vgl. Schnier 2011, S. 393)

nahezu unendlich viele Zielkombinationen denkbar sind. Zum Beispiel können die Stoß-
richtungen Wachstum und Risikoverringerung gleichzeitig verfolgt werden und sich auf
Kunden und Regionen beziehen.
Die Matrix in Abb. 30 (S. 95) eignet sich gut zur Diskussion alternativer M&A-Ziele. Die
Ziele können visualisiert und dementsprechend in Leitungsgremien veranschaulicht wer-
den. Auch können konkrete Targets im Hinblick auf die Frage überprüft werden, inwieweit
sie dem M&A-Ziel dienen, indem etwa Prozentsätze oder andere – etwa farbliche – Skalie-
rungen genutzt werden. Zudem werden stets die fundamentalen Ziele – insbesondere die
oft vernachlässigten persönlichen Ziele – beachtet und die Frage gestellt, inwieweit Akqui-
sitionen (auch) zu persönlichen Zielen beitragen.
Beispielhaft seien an dieser Stelle typische Akquisitionsziele aufgeführt, die in der Zielent-
wicklungsmatrix gekennzeichnet sind (vgl. Abb. 31 (S. 97)):
yy Wachstum durch Internationalisierung (1a),
yy arrondierende Zukäufe bzw. Wachstum durch Ergänzungen (1b),
yy Konsolidierung im Absatzmarkt (2),
yy breite bzw. laterale Diversifikation (3),
yy forschungs- und entwicklungszentrierte bzw. wissensorientierte Zukäufe (4a),
yy Akquisitionen mit Schwerpunkt auf der operativen Wertschöpfung (4b),
yy grundlegende Transformation des Geschäftsmodells (5),
yy Restrukturierungsansatz (6).
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3.1  Ziele und Strategien 95

Managervergütung

fundamentales
Arbeitsplatzsicherheit

Ziel
Prestige, Macht

Wertsteigerung

Mitarbeiter

immaterielle
Ressourcen
Marken und Patente

Kompetenzen

Führung/Verwaltung

Vertrieb

Produktion Wertschöpfung

Beschaffung Zielobjekte

Forschung u. Entwicklung

Wertangebote

Wettbewerber
Abb. 30: Matrix zur Entwicklung von M&A-Zielbündeln
Markt

Regionen

Kunden
Wachstum

Konsolidierung

Risikoverringerung

Synergie-Erschließung

Transformation

sonstige finanzielle Ziele

Stoßrichtung
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96 3  Strategische Vorbereitung

Eine Akquisition kann der schnellen Internationalisierung des Unternehmens dienen (vgl.
Abb. 31, S. 97, dort Fall 1a). Das Unternehmen wächst, indem ein Wettbewerber im Aus-
land akquiriert wird. Hierdurch ergeben sich deutliche Kunden- und Mitarbeiterzuwächse
in einer Region, in der die eigene Präsenz zuvor gering war. In den letzten Jahren waren
zwischen 40 und 60 Prozent der von deutschen Unternehmen vollzogenen Transaktionen
Cross-Border-Transaktionen. Der anteilige Transaktionswert liegt deutlich höher, da natio-
nale Transaktionen in der Regel kleiner sind.
Bei einem arrondierenden Zukauf wächst das Unternehmen durch eine Ergänzung sei-
nes Wertangebots, seiner Kompetenzen und Marken sowie Patente (vgl. Abb. 31, dort Fall
1b). Diese ergänzen das bestehende Wertangebot sowie das Kompetenz- und Markenport-
folio, liegen also dicht am bisherigen Geschäft. Hierdurch kann dem bestehenden Kunden-
kreis ein umfangreicheres Angebot unterbreitet werden, wodurch sich dessen Lieferanten-
zahl und -komplexität reduziert. Ein Beispiel hierfür liefert eine Akquisition der Dr.
Oetker-Gruppe, die im Jahr 2015 die Tiefkühlkonditorei Coppenrath & Wiese mit einem
Umsatz von rund 400 Mio. EUR erwarb und damit ihr Angebot im Bereich Tiefkühllebens-
mittel abrundete.125 Sowohl das Wachstum durch Internationalisierung als auch jenes
durch Arrondierung kann dem fundamentalen Ziel der Wertsteigerung des Unternehmens
oder den persönlichen Zielen der Prestige- oder Vergütungserhöhung dienen.
Bei einer Akquisition, die zum Zweck der Konsolidierung verfolgt wird, wird ein rele-
vanter Wettbewerber erworben (vgl. Abb. 31, dort Fall 2). Dadurch soll die Zahl der Kon-
kurrenten und unabhängigen Wertangebote verringert werden. Konsolidierungsziele wer-
den sowohl in Branchen verfolgt, die von der Entstehungs- in die Wachstumsphase
übergehen, als auch in Branchen, die mit stagnierenden Märkten zu kämpfen haben. Letzt-
lich können sie verschiedenen fundamentalen Zielen dienen, das heißt sowohl Unterneh-
mens- als auch persönlichen Zielen.
Eine breit angelegte Diversifikation verändert in erheblichem Ausmaß die Kundenbasis,
die Wertangebote und die regionale Präsenz des Käufers (vgl. Abb. 31, dort Fall 3). Dabei
steht das Ziel der Risikoverringerung im Mittelpunkt. Diese kann auf der Ebene der funda-
mentalen Ziele sowohl der Wertsteigerung dienen als auch die persönlichen Ziele der Erhö-
hung des Prestiges und der Sicherung des Arbeitsplatzes unterstützen.
Die bislang vorgestellten Ziele zeichneten sich durch eine starke Marktorientierung
aus. Hingegen sind die nachfolgend erörterten Ziele auf die Wertschöpfung und den Erwerb
immaterieller Ressourcen ausgerichtet. Dies gilt etwa für wissensorientierte Akquisitionen,
bei denen es um die Erweiterung von Kompetenzen und Personal vor allem im Bereich For-
schung und Entwicklung geht (vgl. Abb. 31, dort Fall 4a). Dabei steht in der Regel nicht der
alleinige Erwerb im Vordergrund. Angestrebt werden vielmehr in erster Linie die Verknüp-
fung und Integration der Kompetenzbasis im Anschluss an die Transaktion, das heißt wis-
sensorientierte Synergien mit dem Ziel der Wertsteigerung.
Eine Akquisition mit operativen Skaleneffekten bezieht sich auf das Herzstück des
Unternehmens, soll also Größenvorteile in der Beschaffung, der Produktion und/oder im
Vertrieb sowie gegebenenfalls in der Führung und Verwaltung bewirken (vgl. Abb. 31, dort

125 Vgl. o. V. 2015, S. 8.


Wachstum 1a 1a 1b 1b 1b 1a 1 1 1

Konsolidierung 2 2 2 2 2

Risikoverringerung 3 3 3 3 3 3

Synergie-Erschließung 4a 4b 4b 4b 4b 4a 4a 4

Stoßrichtung
Transformation 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
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sonstige finanzielle Ziele 6 6 6 6 6 6

Kunden
Vertrieb

Regionen
Produktion
Mitarbeiter
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Beschaffung
Kompetenzen

Wertangebote

Wettbewerber
Prestige, Macht

Wertsteigerung
Managervergütung

Marken und Patente

Führung/Verwaltung
Arbeitsplatzsicherheit

Forschung u. Entwicklung
immaterielle
Markt Wertschöpfung
Ressourcen fundamentales
Ziel
Zielobjekte

Wachstum durch wissensorientierte transformierende


3.1  Ziele und Strategien

1a 2 Absatzmarktkonsolidierung 4a 5
Internationalisierung Akquisition Akquisition

Wachstum durch Akquisition mit Konzentration Restrukturierungs-


1b 3 breite Diversifikation 4b 6
Arrondierung auf operative Skaleneffekte ansatz
97

Abb. 31: Akquisitionsziele und fundamentale Ziele einer Akquisition


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98 3  Strategische Vorbereitung

Fall 4b). Somit stehen hier Kostensynergien oder gegebenenfalls auch Umsatzsynergien im
Mittelpunkt.
Eine transformierende Akquisition verändert ein Unternehmen fundamental, das heißt,
sie zieht deutliche Veränderungen sowohl in der allgemeinen Wertschöpfung als auch im
Bereich der immateriellen Ressourcen und des Marktes nach sich (vgl. Abb. 31, dort Fall 5).
Kein anderes Akquisitionsziel ist derart tiefgreifend und riskant wie die Transformation des
Geschäftsmodells.
Der Restrukturierungsansatz ist hingegen vor allem auf die interne Wertschöpfung
gerichtet (vgl. Abb. 31, S. 97, dort Fall 6). Hierbei wird versucht, ein unrentables Target, das
deutliche Probleme in den Wertschöpfungsprozessen aufweist, durch ein Restruktu­
rierungsprogramm positiv zu verändern.
Neben diesen typischen Zielmustern können je nach Unternehmen und Branche viele wei-
tere Akquisitionsziele relevant sein. Die Strategie- und damit die Zielentwicklung sollte
stets ein kreativer Akt sein, sodass die oben aufgeführten Ziele eher als Beispiele denn als
Normgrößen zu verstehen sind. Die Zielentwicklungsmatrix kann helfen, da sie Orientie-
rung bietet und zugleich eine nahezu unendliche Zahl von Kombinationsmöglichkeiten
und damit Freiraum für Manager bietet. Ein reflektierter Umgang mit der Matrix wird dabei
vorausgesetzt. So wäre es beispielsweise nicht sinnvoll, bei jeder Akquisition die Stoßrich-
tung »Wachstum« zu markieren. Es ist eine Binsenweisheit, dass jede Akquisition mit
Wachstum verbunden ist. Jedoch wird bei einigen Transaktionen Wachstum explizit als
wichtiges Ziel aufgeführt, während es bei anderen eher »zufällig« – sozusagen als Neben-
produkt – aus der Verfolgung anderer Ziele resultiert. Insofern sollte Wachstum nur dann
genannt werden, wenn es als wichtiges oder gar vorrangiges Ziel der Transaktion gilt.
Bei der Klärung der Akquisitionsziele wird natürlich auch bestimmt, in welchen Ge­
schäftsfeldern akquiriert werden soll und welche Regionen infrage kommen. Beides kann
miteinander zusammenhängen, wenn etwa eine Konzernzentrale vorgibt, dass verschie-
dene Geschäftsfelder gemeinsam in einer Region wachsen sollen, um eine gewünschte
geografische Umsatzverteilung zu erreichen. So haben Unternehmen wie Siemens oder
Otto geschäftsfeldübergreifend versucht, in bestimmten Ländern wie China oder Brasilien
konzernweit zu wachsen und so übergreifend Länder-Know-how aufzubauen oder zu nut-
zen. Das geografische Suchgebiet kann eher lokal oder national begrenzt oder großflächig
beschaffen sein und eine Vielzahl von Ländern umfassen. Grundlegende Unterschiede,
auch in Bezug auf den nachfolgenden M&A-Prozess, weisen M&A-Projekte auf, die in den
sich entwickelnden Regionen angesiedelt sind.
Schlussendlich sind die M&A-Ziele mit der Unternehmensstrategie abzustimmen. In
jedem Fall sollte vor der weiteren Beschreitung des Prozesses ein Konsistenztest erfolgen.
Hierbei ist auch zu klären, welches Wachstum direkt aus dem Erwerb resultiert und wel-
ches organisch – gegebenenfalls in dem neuen Unternehmensverbund – erarbeitet werden
soll. Es gibt Hinweise darauf, dass erst ein sogenanntes merganic growth, also eine
Mischung aus anorganischem und organischem Wachstum des neuen Verbunds, echten
Unternehmenswert schafft.
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3.1  Ziele und Strategien 99

3.1.2.3 Rahmenplan: Wie akquirieren?

Akquisitionsziele, sei es die Internationalisierung in einer bestimmten Region oder die


Transformation des Geschäftsmodells, können entweder in einem großen Schritt oder mit-
tels mehrerer kleiner Schritte verfolgt werden. Dementsprechend ist zu entscheiden, ob ein
Einzelkauf (»Big Bang«) erfolgen oder ein Akquisitionsprogramm aufgelegt werden soll.126
Ein Akquisitionsprogramm bzw. etwas breiter gefasst ein M&A-Programm ist eine Serie
von inhaltlich-strategisch und zeitlich miteinander verbundenen M&A-Transaktionen, die
auf ein bestimmtes Ziel gerichtet sind. Das Ziel soll also durch verschiedene, zueinander
passende Transaktionen – vergleichbar einem Puzzle – erreicht werden. Ein M&A-Pro-
gramm kann neben Unternehmenskäufen auch -verkäufe umfassen, wenn nur so die ange-
strebte Veränderung erreichbar erscheint. Die einzelnen Käufe und/oder Verkäufe können
gleichzeitig oder seriell realisiert werden. Ausdrücklich kein M&A-Programm im hier
beschriebenen Sinne sind mehrere Einzeltransaktionen, die inhaltlich-strategisch ohne
Bezug zueinander sind.
Die oben gestellte Frage – Einzelkauf oder Akquisitionsprogramm – ist natürlich nicht
für jede Branche und jedes Akquisitionsziel relevant. Manche Branchen sind mittelstän-
disch strukturiert, sodass hier ein Akquisitionsprogramm möglich ist. Andere Branchen
sind weltweit hochkonzentriert, sodass ein Akquisitionsprogramm tendenziell kleinerer
Unternehmen keine Option darstellt. Dennoch: Die Frage, ob ein Akquisitionsprogramm
eine geeignete strategische Alternative ist, sollte früh gestellt und beantwortet werden.
Nur zu Beginn eines M&A-Prozesses ist der Kaufinteressent noch nicht durch eine Ent-
scheidung »gebunden«.127 Da die einzelnen Projekte eines M&A-Programms einer strate-
gischen Logik folgen, ist eine gemeinsame Koordination der Projekte notwendig. Dies hat
Auswirkungen auf das Projekt- bzw. Programmmanagement und erfordert entsprechende
Kompetenzen.

B E I S PI E L E

M&A-»Serientäter«
Promintente Beispiele von »Serientätern« sind die TUI AG, die sich über eine Vielzahl von
Akquisitionen und Desinvestitionen von einem Stahlproduzenten (Preussag AG) in ein
Touristikunternehmen verwandelte,128 Bilfinger SE, das sich von einem Bauunternehmen
in einen Industriedienstleister transformierte, oder das IT-Unternehmen Oracle, das sein
Produktportfolio um ausgereifte Produkte erweiterte oder Unternehmen mit innovativen
Technologien erworben hat. Der Konsumgüterhersteller Henkel kauft deutlich selektiver
hinzu, um in bestimmten Produktfeldern und Regionen zu wachsen bzw. in diesen Regio-
nen Produktmarkten zu erwerben (vgl. Abb. 32, S. 100). Ob hier noch von einem M&A-Pro-
gramm gesprochen werden kann, wäre zu untersuchen. Weitere Unternehmen, die

126 Vgl. hierzu etwa Voss/Müller-Stewens 2006; Borowicz 2006c; Farhadi 2011; Hettich/Boppel 2014 und Bau-
müller/Wirth 2016.
127 Hier kann man von strategischer Pfadabhängigkeit sprechen.
128 Eine sehr aufschlussreiche Untersuchung des Erfolgs dieser Akquisitionsserie findet sich bei Dittmann/
Maug/Schneider 2008.
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100 3  Strategische Vorbereitung

M&A-Programme verfolgt haben, sind Bertelsmann (Arvato) im Dienstleistungsbereich, im


Bankenbereich die italienische Unicredit und der irische Baustoffhändler CRH, der in
30 Jahren über 620 Akquisitionen durchführte.

Unter- Zeit- Anzahl Mittelwert


M&A-Typ Strateg. Logik
nehmen raum insgesamt M&A p. a.*

Bilfinger Transformation
2001 – Käufe und
(Bilfinger 112 8,1 des Geschäfts-
Berger) 2014 Verkäufe modells
Wachstum
2011 – Käufe und 26 Käufe /
Henkel 6,1 Regionen,
8/2016 Verkäufe 9 Verkäufe Produkte, Marken
Ergänzung
2005 –
Oracle nur Käufe 108 9,2 Produktprogramm/
7/2016 Innovation
Transformation
TUI 1994 – Käufe und 47 Käufe /
8,5 des Geschäfts-
(Preussag) 2004 Verkäufe 46 Verkäufe
modells

* Nicht abgeschlossene Jahre gehen anteilig ein.

Abb. 32: Beispiele von Serienkäufern

M&A-Programme können eine Reihe von Vorteilen und Chancen bieten, die im Folgenden
vorgestellt werden:
yy Intransparenz.129 Die strategische Logik von M&A-Programmen ist für Außenstehende
schwer erkennbar. Während Brancheninsider die Motive bei einem großen Einzelkauf
recht schnell einschätzen können, können Wettbewerber im Fall eines M&A-Programms
zunächst nur eine (oftmals eher kleinere) Akquisition beobachten. Das gesamte Pro-
gramm dürfte für sie zumindest anfänglich kaum durchschaubar sein. Diese ausge-
prägte Informationsasymmetrie führt dazu, dass weniger Wettbewerber die Vorteile
erkennen und entweder nicht als Bieter auftreten oder beim gebotenen Akquisitions-
preis zurückhaltend sind, da sie die gesamten Synergien des M&A-Programms nicht
überblicken. Im Endeffekt führt dies dazu, dass der Verkäufer weniger Bieterkonkur-
renz entfachen kann und somit an Synergien des Käufers weniger partizipieren dürfte.
yy Komplexere strategische Logik. Häufig haben Käufer schon einen Teil des Pfades
zurückgelegt und besitzen durch bereits vollzogene Akquisitionen einzigartige Ressour-
cen, deren Verknüpfung mit weiteren Targets eine besondere Logik und echte Syner-
gien130 bietet. Insofern haben es konkurrierende Bieter bei weiteren Transaktionen
schwer, genauso viele Vorteile aus der Akquisition zu ziehen, und werden daher nicht
so hoch bieten können, selbst wenn sie mittlerweile die strategische Logik des M&A-Pro-
gramms durchschaut haben. Hier kann von einer Pfadabhängigkeit gesprochen werden.

129 Im Sinne des Ressourcenansatzes kann auch von kausaler Ambiguität gesprochen werden.
130 Vgl. zu echten und unechten Synergien Kapitel 7, Abschnitt 7.4.3.
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3.1  Ziele und Strategien 101

yy Vermeidung eines Klumpenrisikos. Die Übernahme mehrerer einzelner Unternehmen


anstelle eines einzigen großen dürfte die Entstehung großer Risiken verhindern. Eine
Rolle spielt hier auch, dass M&A-Programme meist über mehrere Jahre verwirklicht wer-
den und ein Ausgleich von marktbedingt höheren und niedrigeren Kaufpreisen erfolgt.
yy Limitierte Ressourcenbelastung. Werden die Transaktionen schrittweise nacheinan-
der realisiert, so ist die Belastung des Managements mit den Transaktions- und Integ-
rationsaufgaben gleichmäßiger. Es dürfte nicht zu Spitzenbelastungen kommen, wie
sie etwa bei großen Zukäufen während der heißen Transaktionsphase zu erwarten sind
und die das Management tendenziell überfordern. Auch dürfte die Integration leichter
fallen, da Widerstände angesichts der Größenverhältnisse – ein großer Käufer erwirbt
ein kleineres Unternehmen – geringer sind.
yy Lerneffekte. Wie jede Kompetenz basieren auch die Fähigkeiten zur Durchführung von
M&A-Transaktionen auf den Erfahrungen von Personen und Organisationen. Im Zuge
einer größeren Zahl von Transaktionen sollte das M&A-Know-how wachsen. Die Suche
nach geeigneten Targets, deren Prüfung und realistische Bewertung sowie die Verhand-
lung sollte nach und nach leichter fallen. Auch die Zusammenarbeit mit externen
M&A-Dienstleistern sollte durch entsprechende Erfahrungen leichter fallen.

Den skizzierten Vorteilen und Chancen stehen auch Nachteile und Risiken gegenüber:
yy Fehlende strategische Logik. Es besteht die Gefahr, dass ein Käufer die strategische
Logik seines M&A-Programms zunehmend flexibler auslegt, sodass zwischen den
neuen Akquisitionen und den bereits getätigten kaum noch ein Zusammenhang
besteht.
yy Selbstüberschätzung und Analogien. Gerade erfolgreiche Manager neigen dazu, sich
selbst und ihre Kompetenzen zu überschätzen. Sie schreiben Erfolge sich selbst zu und
sind angesichts der bereits durchgeführten Transaktionen sicher, auch bevorstehende
erfolgreich steuern zu können. Zudem besteht die Gefahr, dass Manager von den Hand-
lungsmustern, die sich in vergangenen Transaktionen bewährt haben, auf erfolgreiches
Verhalten bei neuen Zukäufen schließen, ohne die besonderen, stets einmaligen Charak-
teristika von Transaktionen zu berücksichtigen. Derartige Analogiebildungen verkürzen
die Entscheidungsfindung, bergen jedoch die Gefahr verlustreicher Fehlschlüsse.
yy »M&A-Sackgasse«. Wird ein M&A-Programm sehr eng ausgelegt in dem Sinne, dass es
etwa nur ein bzw. einige wenige passende Akquisitionskandidaten gibt, so besteht das
Risiko, dass diese Targets nicht (mehr) zur Verfügung stehen. Dann würde das bereits
begonnene M&A-Programm in einer Sackgasse landen und das strategische Kalkül
nicht mehr aufgehen.
yy Vielfaltskosten. Eine größere Zahl von Akquisitionen bedeutet auch, dass stets unter-
schiedliche Kulturen und unterschiedliche IT-Systeme zu integrieren sind. Die Kosten
der Integrationen können deshalb höher sein als bei einer Einzelakquisition und beim
kaufenden Unternehmen und seinen Mitarbeitern können Ermüdungseffekte auftreten.
yy Ausbleibende Lerneffekte. Lernen ist kein passiver Vorgang, sondern verlangt von
Personen und Unternehmen Aktivität und Anstrengung. Bleibt die kritische Reflexion
von Projekten, Prozessen und Erfahrungen aus, so ist die Gefahr groß, dass erhoffte
positive Lerneffekte und Effizienzsteigerungen im Verlauf des M&A-Programms aus-
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102 3  Strategische Vorbereitung

bleiben. M&A-Lernen sollte insofern strukturiert und unterstützt werden, auch um zu


vermeiden, dass Schlüsselpersonen, die das Unternehmen verlassen, das gesamte
angesammelte M&A-Wissen mitnehmen und zugleich damit dem Zugriff des Unterneh-
mens entziehen.

Neben der Frage, ob ein Einzelkauf oder ein M&A-Programm verfolgt werden soll, sind wei-
tere Fragen zu beantworten. So ist für die Ausgestaltung des M&A-Prozesses und für das
Projektmanagement bedeutsam, ob der Kauf eines börsennotierten Unternehmens erwogen
wird und ob in diesem Zuge auch eine feindliche Übernahme vorstellbar ist. In vielen Fäl-
len dürfte beides abgelehnt werden. Des Weiteren ist zu entscheiden, ob hinsichtlich der
Art der Übernahme Offenheit besteht oder ob eine der beiden Optionen – Asset Deal oder
Share Deal – ausgeschlossen wird. Und schließlich sollte über den Umfang der Beteiligung
nachgedacht werden, das heißt, ob eine Sperrminorität, eine Mehrheit, eine qualifizierte
Mehrheit oder der Erwerb von 100 Prozent der Anteile angestrebt wird. Besteht bei den
genannten Fragen keine Flexibilität, so sind sowohl die Art als auch der Umfang der Akqui-
sition bereits im Marktscreening zu berücksichtigen. Letztlich ist es sinnvoll, in einer Mach-
barkeitsprüfung zu klären, ob die Ressourcen für eine Transaktion ausreichen. Hierbei ste-
hen insbesondere die finanziellen, personellen und zeitlichen Ressourcen im Blickpunkt.

3.1.2.4 Timing: Wann akquirieren?

Das Timing einer Akquisition kann deren Erfolg erheblich beeinflussen. Dies wird deut-
lich, wenn man sich Verläufe von Aktienindizes ansieht, die letztlich Entwicklungen von
Unternehmenswerten widerspiegeln und somit Branchenbesonderheiten weitestgehend
ausschließen. Anfang Februar 2009 stand der DAX 30 bei rund 3600 Punkten, im März 2015
hingegen bei rund 12.000 Punkten. Somit waren die im DAX 30 gebündelten Unternehmen
(deren Kreis sich zwischenzeitlich kaum verändert hatte) im März 2015 mehr als das Drei-
fache ihrer Notiz vom Februar 2009 wert, das heißt, auch der Kaufpreis für diese Unterneh-
men war entsprechend höher. Das Timing einer Akquisition, also der Zeitraum von der
Kontaktaufnahme mit dem Verkäufer bis zur abschließenden Verhandlung, entscheidet
somit stark über den Einstands- bzw. Kaufpreis.

BEISPIEL

Schlechtes Timing? Der Kauf von Dresser Rand durch Siemens


Welche Facetten beim Timing der Akquisition mit eine Rolle spielen, wird am Beispiel des
Erwerbs des US-amerikanischen Turbinen- und Kompressorenherstellers Dresser Rand
deutlich.
Siemens erwarb das Unternehmen, das im Wesentlichen die Öl- und Gasindustrie belie-
fert, in einem öffentlich gewordenen Bieterwettbewerb mit der Sulzer AG und bezahlte
7,6 Mrd. USD. Im September 2014 erfolgte das Signing. Zu dieser Zeit befand sich der Öl­­
preis auf einem sehr hohen Niveau, was in den Jahren und Monaten vor dem Signing zu
starken Investitionen der amerikanischen Öl- und Gasindustrie (»Fracking«) geführt hatte
und für Dresser Rand ausgezeichnete Perspektiven versprach. Doch schon kurz nach dem
Signing ergaben sich dramatische Veränderungen, die die Werthaltigkeit der Transaktion
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3.1  Ziele und Strategien 103

infrage stellten. In den Folgemonaten brach der Ölpreis ein. Im Sommer 2014 hatte er noch
bei über 100 USD (WTI) gelegen, bis Februar 2015 sank er auf unter 40 USD und bis Juni 2017
erreichte er das alte Niveau nicht annähernd wieder. Diese dramatische Ölpreisentwick-
lung führte zu einer erheblichen Verringerung der Investitionen der Öl- und Gasförderer –
mit entsprechenden Folgen für Dresser Rand. Vertreter der Siemens-Anteilseigner Union
Fonds und Hermes resümierten: Die Akquisition war zwar strategisch richtig, aber das
Timing war rückblickend schlecht und der Kaufpreis zu hoch.131

Eisenbarth und Meckl haben den Zusammenhang zwischen der Wirtschaftsentwicklung,


der Zahl der M&A-Transaktionen und deren Erfolg untersucht.132 Die Wirtschaftsentwick-
lung wurde an der Entwicklung des DAX gemessen, das heißt, ein Aufschwung lag vor,
wenn der DAX stieg, während ein fallender DAX als Abschwung interpretiert wurde. Es
zeigte sich, dass Transaktionen eher im Wirtschaftsaufschwung durchgeführt wurden,
dann jedoch geringere Erfolge erzielten als Transaktionen, die im Wirtschaftsabschwung
realisiert wurden. Offenbar fällt es Managern schwer, sich in Zeiten sinkender Cashflows
und instabiler Rahmenbedingungen zu Akquisitionen zu entschließen. Sie verhalten sich
lieber prozyklisch.
Um günstige Zeitfenster für sich nutzen zu können, sollten Unternehmen die hierfür
notwendigen Vorarbeiten erledigen. Unternehmens- und Akquisitionsstrategien sollten gut
vorbereitet sein und die Entwicklung möglicher Targets sollte über einen längeren Zeit-
raum verfolgt werden. Der Ressourcenaufwand muss hierfür nicht groß sein, zumal dann,
wenn es sich bei den Targets um Wettbewerber handelt, die ohnehin im Rahmen der stra-
tegischen Planung beobachtet werden. Größere Teile der Vorbereitungsphase können so
frühzeitig durchlaufen werden, während mit dem Beginn der Transaktionsphase gewartet
wird, bis sich ein Abschwung ankündigt bzw. bis sich niedrigere Marktpreise ergeben. Eine
hohe M&A-Reaktionsfähigkeit eröffnet die Gelegenheit, Opportunitäten auszunutzen, ohne
Kompromisse bei der strategischen Logik eingehen zu müssen.

3.1.3 Verkäufer
3.1.3.1 Die drei Dimensionen von Verkaufsstrategien
Ähnlich wie die Kauf- besteht auch die Verkaufsstrategie aus drei Dimensionen. Im Kern
gilt es, die folgenden Fragen zu beantworten und so dem Verkauf Orientierung bieten (vgl.
Abb. 33, S. 104):
yy Warum wird ein Verkauf angestrebt? Welche persönlichen oder unternehmensbezoge-
nen Motive führen dazu, sich mit einem Verkauf auseinanderzusetzen? Wurde eine
Entscheidung für den Verkauf getroffen, so werden im nächsten Schritt die Ziele, die
mit ihm erreicht werden sollen, im Kreis der Gesellschafter oder Manager abgestimmt.

131 Vgl. Eisenbarth/Meckl 2013.


132 Vgl. Eisenbarth/Meckl 2013.
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104 3  Strategische Vorbereitung

 Welche persönlichen oder unternehmensbezogenen Motive


Warum?
führen zur Erwägung des Verkaufs?
 Welche Ziele sollen mit dem Verkauf verfolgt werden?

 Was gehört zum Verkaufsobjekt (sachliche Abgrenzung)?


Was und  Soll ein Share Deal oder ein Asset Deal angestrebt werden?
wann?
 Wie frühzeitig ist der Verkauf vorzubereiten,
um die Konditionen zu optimieren?

 Welcher Verkaufsweg (z. B. Exklusivverfahren oder Auktion)


Worüber? soll eingeschlagen werden?
 Sollen mehrere Verkaufswege simultan verfolgt werden
(Dual Track)?

Abb. 33: Kernfragen einer Verkaufsstrategie

yy Im Zuge der Rahmenplanung werden zwei Eckpfeiler des Verkaufs festgelegt. So wird
zum einen das Verkaufsobjekt abgegrenzt bzw. geklärt, was überhaupt verkauft wer-
den soll. Hierzu gehören maßgeblich die Abgrenzung der Assets und die Frage, ob diese
im Zuge eines Share Deals oder eines Asset Deals veräußert werden sollen. Nachlässig-
keiten bei der Auseinandersetzung mit diesen Fragen belasten den gesamten Prozess.
Den zweiten Eckpfeiler der Rahmenplanung bildet die Bestimmung des richtigen Zeit-
punkts des Verkaufs (wann?).
yy Auf welchem Weg soll der Verkauf erfolgen? Hier werden verschiedene Verkaufswege
wie Exklusivverfahren, Auktion oder Börsengang thematisiert (worüber?). Zudem wer-
den die Vor- und Nachteile eines mehrgleisigen Vorgehens bzw. einer Parallelisierung
von Verkaufswegen besprochen.

3.1.3.2 Motive und Ziele: Warum verkaufen?

Als Erstes sollten bei der Erwägung eines Unternehmensverkaufs die Motive geklärt wer-
den. Die Motive sind die Beweggründe bzw. die »Auslöser«, die bewirken, dass sich der
Entscheider mit der Option eines Verkaufs näher beschäftigt. Auch für die Kaufinteressen-
ten sind plausibel vorgebrachte Verkaufsgründe wichtig.
Erst nach der Klärung der Motive kann entschieden werden, ob ein Verkauf tatsächlich
die beste strategische Option darstellt. In diesem Buch werden die beiden folgenden Klas-
sen von Motiven unterschieden:
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3.1  Ziele und Strategien 105

yy unternehmensbezogene Motive und


yy persönliche Motive.

Im Kreis der unternehmensbezogenen Motive sind die folgenden relevant:


yy Das Verkaufsobjekt wird strategisch als Randgeschäft angesehen, das heißt als eine
Geschäftseinheit, die weder zu den Kernkompetenzen beiträgt noch von diesen profi-
tiert (non-core business).
yy Das Verkaufsobjekt weist strategische Defizite auf. So können das Umsatz- und Markt-
potenzial zu gering oder das Unternehmen als solches zu klein sein, sodass die Kosten-
position und die Markstellung leiden. Das Produktsortiment kann veraltet sein oder es
wird eine Schrumpfung des Marktes mit einem entsprechend harten Wettbewerb vor-
hergesagt. Auch disruptive technologische Veränderungen können zu einem strate-
gisch motivierten Verkauf führen.
yy Fehlende Finanzmittel können auch unabhängig von der strategischen Situation des
Unternehmens ein Verkaufsmotiv sein. Immer wieder gibt es in Märkten Phasen, in
denen Unternehmen erhebliche Mittel investieren müssen, um mit dem Marktwachs-
tum Schritt zu halten, bestehende Produktionskapazitäten zu erneuern oder eine
Marke zu revitalisieren. Fehlen die hierfür nötigen Finanzmittel, so kann ein Verkauf
sinnvoll sein.
yy Erfüllen bestimmte Geschäftseinheiten Rentabilitätsvorgaben nicht, so werden diese
nach gewisser Zeit zum Verkauf freigegeben. Die mangelnde Rentabilität sollte jedoch
noch nicht als alleiniges Motiv eines Verkaufs dienen, sondern auch strategisch geprüft
werden.
yy Inkompetente Manager bzw. die Kündigung von Schlüsselmitarbeitern kann ein Grund
sein, über einen Verkauf nachzudenken. Gerade wenn der Eigentümer eines Unterneh-
mens über Jahre hinweg schlechte Erfahrungen mit angestellten Managern gemacht
hat, kann in ihm der Entschluss zum Verkauf reifen.
yy Eine attraktive Offerte für das Unternehmen kann Anlass sein, über einen bislang nicht
erwogenen Verkauf nachzudenken. Oftmals reicht die Offerte alleine nicht aus, sondern
sie muss auf fruchtbaren Boden fallen, das heißt, es müssen weitere Beweggründe für
einen Verkauf sprechen.
yy Eine (anhaltende) Krisensituation, in der eine Insolvenz droht oder bereits unaus-
weichlich geworden ist, kann Verkaufsdruck ausüben. Durch einen Verkauf können
dem Unternehmen dringend benötigte Finanzmittel oder sonstige Ressourcen zuge-
führt werden. Zudem kann der Alteigentümer seine Verhandlungsposition gegenüber
anderen Interessengruppen wie Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten oder Fremdkapitalge-
ber verbessern.
yy Weitere mögliche Gründe sind etwa politische, rechtliche, makroökonomische oder
gesellschaftliche Veränderungen. Hiermit sind etwa Vorgaben des Gesetzgebers – man
denke an Auflagen im Bereich der Finanzdienstleistungen oder der Lebensmittelindus-
trie – oder gesellschaftliche Werte – zum Beispiel im Bereich der Gentechnik – gemeint.
Auch kartellrechtliche Auflagen könnten ein Unternehmen nach einer Akquisition
dazu bewegen bzw. zwingen, einzelne Teile des neuen oder alten Unternehmensteils
abzugeben.
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106 3  Strategische Vorbereitung

Neben unternehmerischen Beweggründen können persönliche Motive wie die folgenden


für einen Verkauf ursächlich sein:
yy Ein altersbedingter Verkauf bildet die klassische Nachfolgesituation im Mittelstand.
Wenn kein geeigneter interner Nachfolger zur Verfügung steht, muss eine externe
Nachfolgeregelung gesucht werden.
yy Weitere Verkaufsgründe können in der persönlichen Lebenssituation des Unterneh-
mers angelegt sein. Die gesundheitliche Beeinträchtigung des Unternehmers oder der
Tod nahestehender Angehöriger, substanzielle Konflikte im Kreis der Gesellschafter
oder deutliche Verschiebungen der Prioritäten bieten immer wieder Anlässe für einen
Verkauf.
yy Gerade für den Inhaber eines Familienunternehmens gilt in vielen Fällen, dass dessen
Vermögen nur gering diversifiziert ist, da meist ein großer Anteil davon auf das Unter-
nehmen entfällt. Meist im Verein mit anderen Motiven entsteht dann der Wunsch nach
einer Vermögensumschichtung. Mit dem Verkauf ist nicht zwingend das sofortige Aus-
scheiden aus der Geschäftsleitung verbunden. So kann der Wunsch nach einer Vermö-
gensumschichtung auch zusammenhängen mit dem Wunsch, die Tätigkeit in der
Geschäftsleitung vom unternehmerischen Risiko des Eigenkapitalgebers zu entkoppeln.
yy Letztlich kann bei einem Gesellschafter – etwa aufgrund einer finanziellen Notlage –
ein akutes Liquiditätsbedürfnis entstehen, das schließlich den Verkauf auslöst. Dieses
Motiv sollte möglichen Käufern natürlich verheimlicht werden.

Häufig liegt eine Mischung verschiedener Motive vor. So können etwa strategische Defizite,
gepaart mit dem Wunsch nach einer Vermögensumschichtung, zum Verkauf führen. Auch
ist klar, dass den Motiven je nach Verkäufer eine eigene Bedeutung zukommt. Natürlich
sind persönliche Motive nur für private Eigentümer (»Unternehmer«) relevant. Die unter-
nehmensbezogenen Motive hingegen sind vor allem für Konzerne, durchaus in Teilen aber
auch für private Eigentümer bedeutsam. Finanzinvestoren streben demgegenüber oftmals
weitgehend unabhängig von der unternehmerischen Lage einen Exit nach einer bereits vor
dem Erwerb definierten Haltedauer von meist drei bis sieben Jahren an.
Ausgehend von den relevanten Motiven sollte gründlich geprüft werden, ob ein Verkauf
tatsächlich die beste strategische Option ist oder ob auch andere Optionen wie die Weiter-
führung der Geschäfte, die organische Schrumpfung oder die Kooperation mit anderen
Unternehmen infrage kommen. Sollte aufgrund dessen ein Verkauf nachhaltig erwogen
werden, so sind im nächsten Schritt die damit verbundenen Ziele und Interessen heraus-
zuarbeiten. Nur wenn dies rechtzeitig zum Projektstart erfolgt, kann der Verkaufsprozess
auf die Ziele ausgerichtet und konsequent gestaltet werden. Andernfalls wird er orientie-
rungslos vonstattengehen und später höchstwahrscheinlich mit einer Enttäuschung enden.
Bei der Identifikation der Ziele und Interessen ist es sinnvoll, zwischen ergebnis- und
prozessbezogenen Zielen bzw. Interessen zu unterscheiden:
yy Ergebnisbezogene Interessen betreffen die im Transaktionsvertrag festgeschriebenen
wesentlichen Vertragsinhalte bzw. Transaktionsergebnisse. Sie lassen sich in monetäre
und nichtmonetäre Ergebnisse unterteilen.
yy Prozessbezogene Interessen beziehen sich auf die Ausgestaltung des Transaktionspro-
zesses.
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3.1  Ziele und Strategien 107

Abb. 34 (S. 108) gibt die Ergebnisse einer Expertenbefragung wieder, wobei hinter jedem
Interesse dessen Relevanz vermerkt ist, indem sein Rang angegeben wird.133 Im Kern ergab
sich die folgende Rangfolge: Auf der Verkäuferseite wird ein möglichst hoher Kaufpreis als
wichtigstes Interesse angesehen (Rang 1). Neben der Kaufpreismaximierung sind geringe
Haftungsrisiken bzw. wenige Garantien (Rang 2), die Wahrung der Reputation des Ver-
kaufsobjekts und des Verkäufers (Rang 3) sowie der Fortbestand des Unternehmens von
hoher Bedeutung (Rang 4). Von den Experten ebenfalls als überdurchschnittlich wichtig
erachtet werden die Geheimhaltung der Verkaufsabsicht (Rang 5) und der Erhalt des Stand-
orts bzw. die Sicherung der Arbeitsplätze (Rang 6). Es folgen verschiedene prozessbezo-
gene Ziele: Kaufinteressenten sollten möglichst keinen Kontakt zu Mitarbeitern haben
(Rang 7), die Transaktion sollte möglichst zügig abgewickelt werden (Rang 8) und die
Menge der herauszugebenden Informationen sollte eher gering sein (Rang 9). Als eher
unwichtig empfanden die Experten den frühen Erhalt bindender Angebote (Rang 10).
Die genannten Ergebnisse gelten zunächst nur für mittelständische Verkäufer. Die Ziele
und Interessen sollten jedoch auch auf große, nicht inhabergeführte Unternehmen übertra-
gen werden können, wobei hier die Rangfolge etwas anders aussehen dürfte. So dürften der
Fortbestand des Unternehmens oder die Wahrung der Reputation von geringerer, hingegen
der Bieterwettbewerb oder die Prozessgeschwindigkeit von größerer Bedeutung sein.134
Abb. 34 gibt nicht nur die Ziele und Interessen des Verkäufers, sondern auch diejenigen
des Käufers wieder. Es zeigt sich, dass die Interessen zwar zum Teil voneinander abwei-
chen, dass jedoch aufgrund der unterschiedlichen Rangfolgen durchaus Kompromisse
möglich sind, die die jeweiligen Prioritäten der Transaktionspartner berücksichtigen. So ist
für den Verkäufer der Transaktionspreis (Rang 1) von deutlich höherer Bedeutung als für
den Käufer (Rang 7), während für den Käufer der unbeschränkte Datenzugang (Rang 1)
deutlich wichtiger ist als für den Verkäufer (Rang 9).
Es ist Aufgabe des Verkäufers, die eigenen Ziele und Interessen zu analysieren und im
Hinblick auf die spätere Auswahl von Kaufinteressenten und Verhandlungen zu gewichten.
Bei der Abschätzung der Frage, welche Ziele und Interessen durchsetzbar sind, ist es hilf-
reich, die käuferbezogenen Prioritäten einzubeziehen. So kann das weitere Vorgehen im
Verkaufsprozess interessengerecht ausgestaltet werden.

3.1.3.3 Rahmenplan: Was und wann verkaufen?

3.1.3.3.1 Abgrenzung des Verkaufsobjekts


Unternehmer sollten sehr frühzeitig mit der Vorbereitung des Verkaufs beginnen. Zur Vor-
bereitung gehört unter anderem auch die konkrete Abgrenzung des Verkaufsobjekts oder,
mit leicht abweichendem Inhalt, die Abgrenzung einer verkaufsfähigen Einheit.

133 Vgl. im Folgenden Borowicz/Heiß/Schuster 2009. An der Befragung nahmen 49 Experten teil, darunter 18
Finanzierungs- und Beteiligungsgesellschaften, 19 M&A-Berater und zwölf transaktionserfahrene Unterneh-
men. Im Vordergrund standen mittelständische Transaktionen.
134 Vgl. auch Raffel 2010, S. 404.
108

Art des Interesses Verkäufer Käufer

 hoher Kaufpreis (1)  niedriger Kaufpreis (7)


 schneller und sicherer Zahlungseingang (7)  Kaufpreisanpassung nach Vertragsschluss (8)

monetär
Ergebnisbezogene  geringe Haftungsrisiken und Garantien (2)
Interessen  unbeschränkte Verfügung über Kaufobjekt (2)
 Fortbestand des Unternehmens (3)
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 Halten qualifizierter Mitarbeiter (3)


 Wahrung der Reputation (4)
 Wettbewerbsverbot für Alteigentümer (4)
 Erhalt des Standorts, Sicherung

nichtmonetär
 positive Außenwirkung (9)
3  Strategische Vorbereitung

von Arbeitsplätzen (6)


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 Geheimhaltung der Verkaufsabsicht (5)


 guter Zugang zu Daten (1)
 Bieter ohne Kontakt zu Mitarbeitern (7)
 Alleinbieterstatus/Exklusivität (5)
Prozessbezogene  zügige Abwicklung der Transaktion (8)
 Abbruchoption bis zum Schluss (6)
Interessen  geringe Informationsherausgabe (9)
 zügige Abwicklung der Transaktion (8)
 schneller Erhalt bindender Angebote (10)
 Geheimhaltung der Kaufabsicht (10)
 Bieterwettbewerb (11)

In Klammern ist die Einschätzung der Experten zur Wichtigkeit (Rangfolge) des jeweiligen Interesses ersichtlich, hervorgehoben sind die Top 5.

Abb. 34: Interessen von Verkäufern und Käufern bei M&A-Transaktionen (Quelle: vgl. hierzu Borowicz/Heiß/Schuster 2009)
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3.1  Ziele und Strategien 109

Im Mittelstand findet sich in einer Gesellschaft oftmals beides: Vermögenswerte, die


nicht betriebsnotwendig sind, und zugleich Werte, die eher aus dem privaten Bereich des
Unternehmers stammen und insofern vom Käufer nicht übernommen werden sollen.
Daher ist sehr genau zu klären, was verkauft werden soll.

BEISPIELE

Was soll verkauft werden?


Zählen zum Verkaufsgegenstand die betrieblich genutzten Immobilien, die derzeit von
einer Besitzgesellschaft an die operativ tätige Betriebsgesellschaft vermietet werden?135
Sollen gegebenenfalls beide Gesellschaften verkauft werden? Wäre der Gesellschafterkreis
der Besitzgesellschaft, der zum Teil von dem der Betriebsgesellschaft abweicht, gegebe-
nenfalls hierzu bereit?
Wie sieht es mit der Photovoltaikanlage aus, die sich auf dem Dach der betrieblich
genutzten Immobilie befindet und deren Strom ins öffentliche Netz eingespeist wird?
Gehört diese – ebenso wie das als »Reservefläche« angemietete Bauland – zum Verkaufs-
gegenstand?
Welche Mitarbeiter, Marken- oder Lizenzrechte zählen zum Transaktionsobjekt und gehen
somit im Zuge eines Verkaufs über? Letztlich sollte der Verkäufer sicherstellen, dass der
Verkaufsgegenstand eindeutig bestimmt ist und dass er alle für die Wertschöpfung erfor-
derlichen Vermögenswerte umfasst, jedoch keine darüber hinausgehenden.

Fragen wie die oben genannten stellen sich vermehrt bei klassischen sogenannten Carve-­
outs, bei denen bislang nicht selbstständige Unternehmensteile bzw. Assets aus Mutterun-
ternehmen, bei denen es sich häufig um Großkonzerne handelt, herausgeschält und
anschließend verkauft werden.
Der Carve-out-Prozess kann sehr komplex und zeitraubend sein, sodass er lange vor
dem eigentlichen Verkaufsprozess angestoßen werden muss. Letztlich gilt es, ein Verkaufs-
objekt zu schaffen, das selbstständig lebensfähig ist. Hierzu sind wiederum Vermögens-
werte, Mitarbeiter, Prozesse, Funktionen und Leistungsbeziehungen zu identifizieren, die
dem Verkaufsobjekt zugeordnet werden sollten.136 Neben dem operational carve-out, also
dem eigentlichen Herauslösen des Transaktionsobjekts, gilt es, Carve-out-Abschlüsse zu
erstellen, also »Jahresabschlüsse« für das Verkaufsobjekt (financial carve-out). Im legal
carve-out sind die rechtlichen Fragen zu klären.137
Eine wesentliche Frage ist zudem, ob der Verkäufer einen Asset Deal oder einen Share
Deal anstrebt. Die wesentlichen steuerlichen, arbeitsrechtlichen und haftungsrechtlichen
Erwägungen hierzu werden in Kapitel 4, Abschnitt 4.7.1 behandelt. Wenngleich eine pau-
schale Betrachtungsweise dem Einzelfall nicht gerecht werden kann, so bevorzugen Ver-
käufer von Kapitalgesellschaften doch eher einen Share Deal. Dieser bedeutet für sie gerin-

135 Dieses Beispiel bildet den klassischen Fall einer Betriebsaufspaltung.


136 Vgl. Nibler 2013.
137 So etwa die Rechtsform, die übergehenden Mitarbeiter nach § 613a BGB, die Verträge mit Lieferanten und
Kunden oder Transitional Service Agreements mit der ehemaligen Muttergesellschaft.
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110 3  Strategische Vorbereitung

gere Haftungsrisiken. Er erlaubt einen einfacheren und besser gesicherten Übergang der
Arbeitsverhältnisse und sorgt dafür, dass Steuerpflichten auf den Käufer übergehen. Über-
dies ist im Fall des Share Deal die Steuerbelastung des Veräußerungsgewinns tendenziell
niedriger. Wird eine Kapitalgesellschaft durch eine Kapitalgesellschaft verkauft, so bleiben
95 Prozent des Veräußerungsgewinns steuerfrei. Geht man von einem durchschnittlichem
Steuersatz (Körperschaft- und Gewerbesteuer) von 30 Prozent aus und werden 5 Prozent
des Veräußerungsgewinns besteuert, so beträgt die Gesamtbelastung nur rund 1,5 Prozent.
Natürlich ist auch die Präferenz des Käufers in die Überlegungen einzubeziehen, sodass
fraglich ist, wie sehr ein Verkäufer sich ex ante auf eine der beiden Optionen festlegen sollte.

3.1.3.3.2 Timing des Verkaufs


Was das Timing betrifft, also die Frage nach dem richtigen Verkaufszeitpunkt, so kann
zunächst vieles spiegelbildlich von dem übernommen werden, was zur Käuferseite ange-
merkt wurde.138
Es ist sinnvoll, sich frühzeitig auf den Verkauf vorzubereiten, um günstige Marktgele-
genheiten nutzen zu können. Wachstums- und Boomphasen der Wirtschaft führen ebenso
wie die seit längerem niedrigen Zinsen und geringen Investitionsalternativen zu hohen
Marktpreisen für Unternehmen. Der Verkauf kann durchaus in einer gesamtwirtschaftli-
chen Krise vorbereitet werden, um dann im nächsten Aufschwung rasch mit der Vermark-
tung des Objekts beginnen zu können. Andernfalls besteht das Risiko, dass die strategi-
schen, personellen, gesellschaftsrechtlichen, steuerlichen und sonstigen Vorbereitungen
hektisch und wertmindernd erfolgen oder dass die Boomphasen schlichtweg ungenutzt
verstreichen.
In der Praxis ist bei Familienunternehmen immer wieder festzustellen, dass der Verkauf
trotz fehlender interner Nachfolgelösung immer wieder hinausgeschoben wird. Oftmals
wird das Unternehmen dann erst im hohen Alter des geschäftsführenden Inhabers ver-
kauft. Angesichts des dann herrschenden Zeitdrucks – unter Umständen muss angesichts
von Krankheiten sogar ein »Notverkauf« erfolgen – kann eine konditionenoptimale Lösung
oftmals nicht mehr realisiert werden.

3.1.3.4 Verkaufsweg: Worüber verkaufen?

Dem Verkäufer stehen verschiedene Wege zur Verfügung, um sein Unternehmen zu ver-
kaufen. Die Wahl des Verkaufswegs ist eine wichtige Weichenstellung und sollte daher sehr
bewusst getroffen werden. Hierbei sind die Ziele und Interessen des Verkäufers und die
jeweilige Verkaufssituation ausschlaggebend. Stehen etwa die Geheimhaltung der Ver-
kaufsabsicht und eine zurückhaltende Herausgabe von Informationen im Vordergrund, so
wird ein anderer Verkaufsweg gewählt als im Fall des Ziels der Verkaufspreismaximierung.
Am gängigsten sind in der Praxis die beiden folgenden Verkaufswege:
yy Bilaterale Verhandlungen zwischen dem Verkäufer und genau einem aussichtsreichen
Kaufinteressenten, das heißt, es wird von Beginn an Exklusivität vereinbart (Exklusiv-
verfahren).

138 Vgl. hierzu Kapitel 3, Abschnitt 3.1.2.4.


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3.1  Ziele und Strategien 111

yy Kontrolliertes Auktionsverfahren, das heißt ein strukturierter Verkaufsprozess, bei dem


mehrere bis sehr viele Interessenten angesprochen werden. Im Lauf des Prozesses ver-
ringert sich die Zahl der verbleibenden Bieter sukzessive, bis am Ende mit einem oder
einigen wenigen Bietern Verhandlungen geführt werden. Der Prozess folgt zuvor fest-
gelegten Regeln, die im Procedure bzw. Process Letter festgelegt und den Interessenten
zur Kenntnis gegeben werden.139

Beide Wege sind mit Vor- und Nachteilen verbunden (vgl. Abb. 35, S. 112). Die Vorteile des
Exklusivverfahrens sind recht breit gefächert. So ermöglicht dieses Verfahren eine hohe
Geschwindigkeit, was Kaufinteressenten allerdings nicht immer bevorzugen. Da nur ein
Interessent Informationsanforderungen stellt, sind die Kosten des Prozesses meist geringer.
Der Verkäufer kann dabei sehr flexibel auf die Anforderungen des Interessenten reagieren.
Oftmals wünschen Kaufinteressenten spezifische Informationen, die in einem Auktions-
verfahren erst spät, im Exklusivverfahren hingegen früher herausgegeben werden können.
Zudem kann der Verkäufer auf prozessuale oder zeitliche Vorstellungen des Käufers einge-
hen. So können etwa Prozessschritte vorgezogen werden, wenn der Interessent wünscht,
vor einer Due Diligence ein Managementinterview zu führen oder die Due Diligence in
mehrere Teile zu untergliedern. Spezielle Käufergruppen, die das Unternehmen bereits
sehr gut kennen (was beispielsweise bei einem Management-Buy-out regelmäßig der Fall
ist), verzichten gegebenenfalls sogar auf Teilbereiche einer Due Diligence, was die Prozess-
kosten senkt. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Vertraulichkeit eher gewahrt bleibt. Dringt
die Verkaufsabsicht nach außen, so würde dies Kunden, Mitarbeiter oder Lieferanten
erheblich verunsichern. Zudem ist bei Exklusivverfahren das Risiko geringer, dass wesent-
liche Unternehmensdaten trotz einer Vertraulichkeitsvereinbarung missbräuchlich ver-
wendet werden. Diese Angst ist gerade bei Mittelständlern recht ausgeprägt. Sollte der Ver-
kauf scheitern bzw. ist die in der Regel zeitlich begrenzte Exklusivität erloschen, so kann
zu einem kontrollierten Auktionsverfahren gewechselt werden.
Die Nachteile des Exklusivverfahrens ergeben sich daraus, dass nur ein Interessent
angesprochen wird. Hierdurch fehlt der Bieterwettbewerb, der in der Regel für den Verkäu-
fer zu einem besseren Verkaufspreis und zu besseren sonstigen Konditionen führt. Zudem
herrscht oftmals aufgrund der fehlenden Vergleichsmöglichkeiten Unsicherheit darüber, ob
der gebotene Kaufpreis tatsächlich »fair« ist. In diesem Kontext sind auch die Ergebnisse
der Unternehmensbewertung nur begrenzt hilfreich. Scheitern die Verhandlungen, so feh-
len Alternativen für den Verkäufer, und dies kann der Kaufinteressent opportunistisch aus-
nutzen. Er weiß schließlich, dass nach dem Scheitern ein neuer Verkaufsprozess aufgesetzt
werden müsste, was eine erneute zeitliche, finanzielle und gegebenenfalls auch emotio-
nale Belastung des Verkäufers nach sich zöge.
Die Bewertung des kontrollierten bzw. limitierten Auktionsverfahrens fällt weitgehend
spiegelbildlich aus. Am wichtigsten ist, dass ein solches Verfahren meist einen höheren Ver-
kaufspreis und bessere Konditionen ergibt. Dabei nutzt der Verkäufer die asymmetrische
Informationslage aus: Jeder Bieter weiß, dass er Konkurrenten hat, sodass er sich zu höhe-
ren Geboten in der Nähe seines Grenzpreises hinreißen lässt. So liegt das Gebot des Meist-

139 Vgl. hierzu Kapitel 4, Abschnitt 4.2.3.


112

Exklusivverfahren Kontrollierte bzw. limitierte Auktion

Vorteile Nachteile Vorteile Nachteile

 individuelle Geschwindigkeit möglich  kein Bieterwettbewerb,  Preis- und Konditionen-  längere Verfahrensdauer und Belastung
 geringere Kosten geringerer Verkaufspreis optimierung durch Wett- von Managementressourcen
 hohe Flexibilität, da maßgeschnei-  keine Alternativen bei bewerb  größere Gefahr von Indiskretionen
dertes Verfahren für Kaufinteressenten einem Scheitern der  geringere Abhängigkeit  höheres Risiko zweckwidriger Verwen-
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 höhere Vertraulichkeit
Verhandlungen von einzelnen Kaufinte- dung von Betriebsgeheimnissen und
 geringes Risiko der Verwendung
 deutliche Prozessver- ressenten von Abwerbungen von Mitarbeitern
von Betriebsgeheimnissen und von
Abwerbungen von Mitarbeitern des längerung und Kosten-  Übergang zum Exklusiv-  geringere Anreize potenzieller Bieter
3  Strategische Vorbereitung

Targets erhöhung bei Scheitern verfahren möglich zu einem Engagement im Transaktions-


 späterer Übergang zum kontrollierten der Exklusivverhand- prozess wegen zu geringer Aussichten
Bieterverfahren möglich lungen  Versuche unterlegener Bieter, Kosten
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auf den Verkäufer abzuwälzen

Typische Situationen Typische Situationen

 Kaufinteressent mit überragendem strategischem Interesse an  kein »natürlicher Käufer« vorhanden


Target (»natural buyer«)  normale Unternehmenssituation ohne Zeitdruck
 Verkäufer verfolgt weitere Interessen jenseits der Verkaufspreis-  hohe Zahl von Kaufinteressenten aus unterschiedlichen Gruppen
(z. B. Finanzinvestoren, Family Offices, Strategen, Interessenten
maximierung (z. B. Standorterhalt)
»out of the box«) zu erwarten
 große Verwundbarkeit des Targets bei Missbrauch von Betriebs-
geheimnissen oder Abwerbungen von Mitarbeitern
 Zeitdruck (»quick sale«), z. B. Krisen-/Sanierungssituation
beim Verkäufer, erheblicher Verlust an Marktanteilen aufgrund
eines Führungsvakuums

Abb. 35: Exklusivverfahren und kontrollierte Auktion im Vergleich (Quelle: in Anlehnung an Seibt 2011, S. 17)
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3.1  Ziele und Strategien 113

bietenden oftmals um 20 bis 40 Prozent höher als dasjenige des zweitplatzierten Bieters.140
Die Abhängigkeit des Verkäufers von einem einzelnen Interessenten ist gering, weshalb
seine Verhandlungsposition insgesamt besser ist. Nicht selten wird im Lauf eines Auktions-
verfahrens die Möglichkeit der Exklusivität eingeräumt, um dem Bieter Ernsthaftigkeit zu
signalisieren. Der Verkäufer sollte sich jedoch hierauf nach Möglichkeit erst spät im Prozess
einlassen, typischerweise erst kurz vor Beginn von Verhandlungen (Verhandlungsexklusivi-
tät). Zudem sollte er darauf drängen, dass die Exklusivität beiderseitig gilt, also dass der
Kaufinteressent nicht etwa gleichzeitig mit einem anderen Unternehmen Verhandlungen
führt. Des Weiteren sollte er versuchen, den Käufer im Gegenzug für die Einräumung der
Exklusivität dazu zu bewegen, Beraterkosten zu übernehmen (Break-up-Fee-Vereinbarung)
bzw. eine Exklusivitätsprämie zu zahlen, die ihm bei einem späteren Abschluss angerechnet
wird.141 Unverzichtbar ist schließlich eine zeitliche Begrenzung der Exklusivitätsvereinba-
rung. Meist liegt der Zeitraum zwischen sechs Wochen und recht großzügigen vier Monaten.
Hier sollte für den Verkäufer der Grundsatz gelten, eher einen kurzen Zeitraum zu wählen,
sich aber vorzubehalten, diesen bei entsprechendem Fortschritt nach Bedarf zu verlängern.
Den Vorteilen von Auktionsverfahren steht eine Reihe von Nachteilen gegenüber. Eine
Auktion nimmt viel Zeit in Anspruch und die Prozesskosten sind höher, da mit einer gewis-
sen Zahl von Interessenten zuverlässig kommuniziert und verhandelt werden muss. Dies
impliziert auch eine höhere Belastung des Managements. Die Gefahren von Indiskretion
und einer Zweckentfremdung von Unternehmensinformationen wachsen mit der Zahl der
Interessenten und deren Einbindung in die verschiedenen Phasen des Verkaufsprozesses.
Dabei ist es ein Unterschied, ob nur wenige oder eine größere Zahl von Interessenten zur
Due Diligence zugelassen werden. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass sich einzelne
Interessenten durch eine Auktion abschrecken lassen könnten. Für den Käufer entstehen
während eines Transaktionsprozesses hohe Kosten, insbesondere ab dem Beginn der Due
Diligence. Schätzt der Interessent die Wahrscheinlichkeit der Transaktion als gering ein,
weil er beispielsweise befürchtet, dass er nicht das höchste Gebot wird abgeben können,
so könnte er geneigt sein, diese Kosten von Anfang an zu vermeiden, oder er könnte ver-
suchen, sie auf den Verkäufer abzuwälzen.
Es gibt typische Fallkonstellationen, in denen die genannten Verfahren eingesetzt wer-
den. Gibt es einen »natürlichen Käufer« mit einem starken strategischen Interesse und
besteht zusätzlich ein enges Vertrauensverhältnis, so bietet sich ein Exklusivverfahren an.
Zudem ist der Verkäufer oftmals nicht allein an einem maximalen Preis interessiert, son-
dern verfolgt stattdessen weitere, gleichberechtigte Ziele (beispielsweise die Übergabe des
Unternehmens in gute bzw. vertraute Hände).
Auch im Fall eines geplanten Management Buy-outs142 (MBO), in dem ein leitender
Manager des Verkaufsobjekts die Übernahme anstrebt, wird in der Regel ein Exklusivver-
fahren vereinbart. Des Weiteren bietet sich dieses an, wenn das Target anfällig gegen einen

140 Gelegentlich ist daher vom Fluch des Gewinners (winner’s curse) die Rede, da der Gewinner oftmals auch
mit einem geringeren Angebot zum Zuge gekommen wäre und insofern häufig deutlich zu viel zahlt.
Vgl. zu den Prozentsätzen Weihe 2003, S. 42 und Achleitner 2002, S. 208, die zum Teil von noch größeren
Unterschieden berichten.
141 Vgl. auch Hettler/Stratz/Hörtnagl 2013, S. 42.
142 Vgl. hierzu näher Sörgel 2016.
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114 3  Strategische Vorbereitung

Missbrauch von Betriebsgeheimnissen oder gegen Versuche zur Abwerbung von Mitarbei-
tern ist. Auch ein erheblicher Zeitdruck beim Verkauf kann für ein Exklusivverfahren spre-
chen. Zeitdruck kann durch eine bevorstehende Insolvenz, die Notwendigkeit einer weit-
reichenden Sanierung oder eine absehbare deutliche Verschlechterung der Marktposition
entstehen.
Die kontrollierte Auktion bietet sich hingegen dann an, wenn es weder Zeitdruck noch
einen natürlichen Käufer gibt und stattdessen viele, unterschiedliche Interessengruppen
als Käufer infrage kommen.
Neben den beiden vorgestellten Verfahren stehen weitere Verkaufskanäle zur Verfü-
gung. Hierzu zählt etwa der Verkauf an der Börse in Form eines Equity-Carve-outs. Dabei
werden die bislang im Konzern gehaltenen Anteile einer Tochtergesellschaft im Zuge einer
Emission über die Börse veräußert. Die Tochtergesellschaft kann schon längere Zeit exis-
tiert haben oder aber es werden gesondert Assets (zum Beispiel des internen IT-Dienstleis-
ters) in einer neu gegründeten Gesellschaft zusammengefasst. In der Regel wird dabei
zunächst nur eine Minderheit der Anteile an der Börse verkauft. Beispiele hierfür finden
sich bei Siemens, das die Halbleitersparte Infineon und den Leuchtmittelhersteller Osram
an die Börse gebracht hat, und bei Bayer mit dem Verkauf des Spezialchemieunternehmens
Lanxess. Die Transaktionsnebenkosten bei Equity-Carve-outs in Form von Beraterhonora-
ren, Anwaltskosten und Bankgebühren sind nicht unerheblich und machen rund 5 Prozent
des Transaktionswerts aus, was bei der in solchen Fällen typischen Größenordnung des
Verkaufsobjekts durchaus erheblich ist.
Es können auch zwei bzw. drei verschiedene Wege des Verkaufs parallel eingeschlagen
werden. In diesem Fall wird von Dual-Track- oder Triple-Track-Verfahren gesprochen. Hier-
bei werden typischerweise der außerbörsliche Verkauf über eine limitierte Auktion und der
Börsengang parallel und möglichst lange verfolgt. Diese Strategie bietet eine hohe Trans-
aktionssicherheit, da die Abhängigkeit des Verkaufs von (Kapital-)Marktentwicklungen
sinkt, was wiederum flexiblere Reaktionen ermöglicht. Zudem kann das Interesse der ver-
schiedenen Investorengruppen (je Track) im tatsächlichen Prozess beurteilt werden. Auch
führt die Flexibilität, zwischen den Tracks zu wechseln, zu einem erhöhten Druck auf
Investoren. So gelingt eine Disziplinierung der Investorengruppen. Nachteilig sind zunächst
einmal die hohen Kosten, was auch eine gewisse Größe des Verkaufsobjekts erforderlich
macht, und mögliche negative Interdependenzen zwischen den Verkaufswegen.

3.2 Datenaufbereitung und Dokumentation

3.2.1 Grundlagen

Der Dokumentationsphase geht eine grundlegende Unternehmensanalyse voraus. Vorberei-


tet werden insbesondere Informationsdokumente, die in der Transaktionsphase im Rahmen
der Ansprache bei aktiven und passiven Investitionsvorhaben (Käufer- und Verkäuferpers-
pektive) zum Einsatz kommen. Die Dokumente dienen als Grundlage der Kommunikation
im Rahmen der weiteren Gespräche.
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3.2  Datenaufbereitung und Dokumentation 115

Die Kernaufgaben der Dokumentation bestehen darin, das Motiv und die Gründe der
Ansprache darzulegen, das Interesse des Adressaten zur Aufnahme eines Dialogs zu wecken
und unternehmensspezifische Informationen offenzulegen. Aus Gründen der Vertraulich-
keit wie auch einer bestmöglichen Verhandlungsführung werden die Dokumente im Laufe
des M&A-Prozesses nur stufenweise herausgegeben.
Allgemein haben sich in der Praxis zur sukzessiven Informationsweitergabe bzw. -frei-
gabe unterschiedliche Dokumentationsformen bewährt. Diese unterscheiden sich insbe-
sondere im Hinblick auf ihre inhaltliche Ausgestaltung und ihre Zweckorientierung. Daher
werden sie im Folgenden jeweils gesondert dargestellt und hinsichtlich der folgenden Fra-
gestellungen analysiert:
yy Welche Inhalte umfassen die Dokumente?
yy Welchen Zweck erfüllt das jeweilige Dokument im M&A-Prozess?

Bei Verkaufsprojekten findet im Rahmen der Dokumentation zusätzlich zur Informations-


dokumentation bereits die Vorbereitung der Due-Diligence-Prüfungen statt. Daher werden
im Anschluss an die Darstellung der Dokumentationstypen die vorbereitenden Maßnah-
men zur Erstellung eines Datenraums im Rahmen eines M&A-Verkaufs beschrieben.

3.2.2 Käufer

In einem M&A-Kaufprozess findet aufseiten des Erwerbers in der Dokumentationsphase


zunächst eine Selbstdarstellung im Hinblick auf das geplante Projekt statt. Das potenziell
zu erwerbende Unternehmen respektive die zu veräußernde Beteiligung oder Unterneh-
menssparte (Target bzw. Akquisitionsziel) wird auf der Grundlage der verfügbaren Infor-
mationen analysiert. Anschließend werden Kurzprofile des Erwerbers und der Zielgesell-
schaft erstellt, gegebenenfalls auch eine plausible sogenannte Equity Story in Form eines
Akquisitionsmemorandums zur Ansprache potenzieller Targets und als Darlegung der Kern­
argumente im Rahmen der Ansprache. Das Ziel einer Equity Story besteht darin, bei den
Adressaten von Beginn an Interesse an weitergehenden Gesprächen und an Verhandlungen
über das Zielunternehmen zu wecken.

3.2.2.1 Anonymisiertes Kurzprofil

Die erste Kontaktaufnahme mit potenziellen Targets erfolgt entweder direkt durch den inte-
ressierten Erwerber oder – im Fall des Einsatzes von Unterhändlern wie Beratern – anhand
eines kurzen, anonymisierten Anschreibens (Kurzprofil). Einen Standard hierfür gibt es
nicht. Typischerweise stellt sich die an einem Kauf interessierte Partei zunächst in dem
Anschreiben vor und legt unaufdringlich ihr Gesprächsinteresse dar. Um nicht direkt »mit
der Tür ins Haus zu fallen«, bietet es sich beispielsweise an, zunächst das Interesse an einer
Zusammenarbeit oder Kooperationsmöglichkeiten darzulegen.143

143 Vgl. hierzu Kapitel 4, Abschnitt 4.1.1.


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116 3  Strategische Vorbereitung

3.2.2.2 Akquisitionsmemorandum

Wenn die erste Ansprache das Interesse des Zielunternehmens geweckt hat, Gespräche
über ein mögliches M&A-Projekt zu führen, wird typischerweise eine Unterlage an die
Adressaten aufseiten des Zielunternehmens ausgereicht, die beispielsweise als Grundlage
für erste Gremienbesprechungen dienen kann.
Es bietet sich an, ein aussagekräftiges, bereits vor der Ansprache erstelltes Akquisiti-
onsmemorandum vorzulegen, das Aufschluss über die Motive gibt und eine plausible
Equity Story enthält. Will der Erwerber in dieser Phase noch anonym bleiben, so erfolgt
die Vorlage des Akquisitionsmemorandums mit Nennung der handelnden Personen und
Gesellschaften erst nach dem Abschluss einer beide Seiten bindenden Vertraulichkeitsver-
einbarung. In jedem Fall sollte der Interessent als Ausweis seiner Seriosität und Ernsthaf-
tigkeit von sich aus die Unterzeichnung einer Vertraulichkeitserklärung anbieten. Ideal ist
jedoch grundsätzlich – selbst wenn sich der Interessent bereits mit »Ross und Reiter«
benannt hat – eine Vertraulichkeitsvereinbarung, die wechselseitig gilt. Dies sichert eine
beiderseitige Diskretionsgrundlage, die später im M&A-Verfahren oder auch nach einem
etwaigen Abbruch für beide Parteien von Bedeutung sein kann.
Spätestens im Akquisitionsmemorandum wird regelmäßig die Anonymität des Kaufin-
teressenten aufgehoben. Die zuvor herausgearbeiteten Akquisitionsziele und -strategien144
dienen als Basis zur Formulierung eines überzeugenden Argumentationskonzepts und
einer detaillierten Interessenbegründung. Neben der Herausarbeitung strategischer Ziel-
vorstellungen gilt es, etwaige Planannahmen und an das Target gerichtete Erwartungen
aufzuzeigen. Das Argumentationskonzept soll den im Rahmen eines aktiven M&A-Kauf-
projekts durchaus gleichzeitig kontaktierten verschiedenen Zielunternehmen eine Ent-
scheidungsgrundlage über das Ob und Wie einer Weiterverfolgung des Kaufangebots bie-
ten. Ferner gilt das Memorandum als Basisdokument für die Kommunikation aller Parteien,
das heißt auch der im späteren Verlauf hinzutretenden (zum Beispiel Rechtsanwälte oder
steuerliche Berater, finanzierende Banken).
Abb. 36, (S. 117) stellt die Zweckbestimmung der Dokumentationsformen bei einem
Unternehmenskauf zusammenfassend dar.

3.2.3 Verkäufer

Im Rahmen eines M&A-Verkaufsprozesses wird in der Dokumentationsphase zunächst


das zu veräußernde Unternehmen bzw. die zu veräußernde Beteiligung oder Unterneh-
menssparte in strategischer Hinsicht (einschließlich der relevanten Märkte) sowie in
finanzwirtschaftlicher, steuerlicher und rechtlicher Hinsicht analysiert. Die Analyse dient
als Grundlage für die Erstellung der Vermarktungsunterlagen (Teaser oder Kurzprofil und
Informationsmemorandum), die den Kaufinteressenten im Rahmen der Ansprache zur
Verfügung gestellt werden.

144 Vgl. hierzu Kapitel 3, Abschnitt 3.1.


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3.2  Datenaufbereitung und Dokumentation 117

Dokumentationsformen Kauf

 Anschreiben
Formen  Kurzprofil (anonymisiert)
 Akquisitionsmemorandum
Dokumentation
 Herausarbeitung strategischer Zielvorstellungen, der unternehmerischen
Planannahmen und Erwartungen des Käufers und persönlichen Ziel-
setzungen als Grundlage
 ausführliches Argumentationskonzept und Darlegung
des Kaufinteresses für die Kommunikation
Ziele zwischen den Parteien
 Entscheidungsgrundlage kontaktierter Akquisitionsziele
bezüglich der Weiterverfolgung des Kaufangebots
 Kommunikationsgrundlage aller involvierten Parteien

Abb. 36: Dokumentation – zentral bei der Ansprache von Akquisitionszielen

Da die Vermarktungsunterlagen typischerweise sehr sensible Unternehmensinformatio-


nen beinhalten, ist die stufenweise Dokumentation und sukzessive Freigabe von Informa-
tionen im Verkaufsprozess besonders wichtig. Die Kunst der Dokumentation liegt darin,
zwei Aufgaben zugleich zu erfüllen. Zum einen soll sie unter dosierter Abgabe von Infor-
mationen das Interesse potenzieller Käufer so weit wecken, dass diese sich entschließen,
dem Vorhaben näherzutreten. Zum anderen soll sie das zu verkaufende Unternehmen
bestmöglich davor schützen, dass Informationen (etwa bezüglich der Integrität des Unter-
nehmens oder der Mitarbeiterloyalität) unternehmensintern oder gar bis in den Markt
vordringen.145

3.2.3.1 Teaser/Kurzprofil

Die Aufnahme der ersten Kontakte mit potenziellen Käufern findet anhand eines kurzen,
anonymisierten Informationspapiers statt, des sogenannten Teasers bzw. Kurzprofils. Ein
Teaser ist ein Blindprofil von etwa zwei bis drei Seiten, in dem die groben Eckdaten des
Unternehmens vorgestellt werden. In der Regel wird er zusammen mit einer Vertraulich-
keitserklärung (non-disclosure agreement bzw. NDA) und in aller Regel in digitaler Form
versandt.
Bei der Erstellung ist große Sorgfalt geboten. Zum einen gilt es, die Attraktivität des Ziel­
unternehmens in stark komprimierter Form darzustellen. Zweitens sollen die potenziellen
Käufer nur solche Informationen erhalten, die ihnen keinen Rückschluss auf das Verkaufs-
objekt erlauben, was faktisch bedeuten würde, dass dessen Anonymität aufgehoben
würde. Gewisse Verfälschungen sind »erlaubt«, insoweit sie nicht den Charakter des Unter-
nehmens und die Rezeptoren für das potenzielle Interesse der Adressaten verzerren.
Zudem ist zu beachten, dass die beschriebenen Eigenschaften keinen rein werbenden Cha-

145 Vgl. Picot 2013, S. 18 f.


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118 3  Strategische Vorbereitung

rakter haben dürfen; vielmehr müssen sie sich in einer späteren Prüfung durch den Kauf­
interessenten bestätigen lassen. Übertrieben tendenziöse Angaben über das Zielunterneh-
men wirken sich auf den Verlauf der späteren Verhandlungen regelmäßig negativ aus.146
Die Inhalte des Teasers sind nicht standardisiert. Sie sollen ein erstes Verständnis des
Zielunternehmens und der angestrebten Transaktion ermöglichen – idealerweise unter
Angabe des Verkaufsmotivs (zum Beispiel kein Kerngeschäft, Nachfolge, Krisensituation).
Je nachdem, ob Strategen oder Finanzinvestoren angesprochen werden, können verschie-
dene Varianten des Teasers sinnvoll sein. Da die beiden genannten Gruppen unterschied-
liche Akquisitionsinteressen hegen, können und sollten die Akzente in dem Profil ver-
schieden gesetzt werden. Schließlich geht es darum, die Rezeptoren eines möglichen
Erwerbsinteresses beim Adressaten zu berühren.
Mindestens die folgenden Informationen bzw. Elemente sollten in dem Profil enthalten
sein:
yy angestrebte Transaktionsstruktur,
yy kurzer historischer Abriss des Unternehmens/-teils,
yy Produkte und Märkte,
yy Mitarbeiter nach Zahl, Struktur und Qualität, Betriebstreue,
yy zentrale Kennzahlen der drei letzten Wirtschaftsjahre,
yy Kapitalstruktur,
yy sonstige den Unternehmenswert beeinflussende Faktoren,
yy Entwicklungspotenziale,
yy Geschäftsmodell und Kundensegmente,
yy strategische Anreize/Investment-Highlights.

In Abb. 37 (S. 119) ist ein Beispiel für einen Teaser dargestellt.


Die Erstansprache möglicher Käufer mit einem Teaser verfolgt den Zweck, aus der
Menge der Angesprochenen die ernsthaften Kaufinteressenten herauszufiltern und deren
Kaufinteresse jeweils durch Unterzeichnung einer Vertraulichkeitserklärung zu unterle-
gen. Erfolgt die Ansprache durch einen Unterhändler oder Mittelsmann, so kann in dieser
Phase eine günstige Verhandlungsposition geschaffen werden, indem der Unterhändler
den Adressaten bei erklärtem Interesse am Zielunternehmen nach seinen Motiven befragt.
Obgleich sich zunächst der Veräußerer mit seinem Bedürfnis nach einem Erwerber an den
Adressaten wendet, gerät damit der zunächst angefragte Interessent bereits frühzeitig in
die Position eines »Bewerbers« um die Gunst des Veräußerers. Dies kann für die Kräftever-
hältnisse und den weiteren Verlauf der Gespräche und Verhandlungen von entscheidender
Bedeutung sein.

3.2.3.2 Informationsmemorandum

Nach der Unterzeichnung der Vertraulichkeitserklärung wird das Informationsmemo-


randum ausgehändigt – in aller Regel in digitaler Form, zum Beispiel im PDF-Format. Die-
ses »Verkaufsprospekt« ermöglicht den Kaufinteressenten ein vertieftes Verständnis des

146 Vgl. Ettinger/Jaques 2012, S. 27.


Beteiligungsmöglichkeit/Übernahme Hintergründe der • altersbedingter Ausstieg aus dem Unternehmen/
– Transport- und Logistikunternehmen – Transaktion Nachfolge
• Partnersuche: mit langfristiger strategischer Perspektive
• Nutzung neuer unternehmerischer Impulse
Geschäftstätigkeit Durchführung von Dienstleistungen
in den Bereichen Beteiligungshöhe • Mehrheitsbeteiligung bis zu 100 %
• Spedition
• Transport (Langgut und Gefahrgut, Transaktionsstruktur • hochflexible Gestaltungsmöglichkeiten
kein Stückgut) • Wahlweise mit oder ohne Betriebsimmobilien
• Lagerlogistik (Gleisanschluss, Just-in-time-
Lieferungen) Investitionsanreize • sehr hoher, überregionaler Bekanntheitsgrad
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• innovatives Traditionsunternehmen
Region • Sitz: Süddeutschland • breiter und langjähriger Kundenstamm (überwiegend
• Aktionsgebiet: Deutschland, Europa Industriekunden)
• hohe Kompetenz in Transport und Logistik
Management • erfahrenes Management mit Bereitschaft • erfahrenes Management
zur weiteren operativen Tätigkeit • moderner Fuhrpark
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Kunden • langjährige Kundenbeziehungen Mitarbeiter • qualifizierte und langjährige Mitarbeiter/


• Branchenmix bei Bestandskunden Berufskraftfahrer
• keine Abhängigkeiten • flexible Organisationsstruktur

Mitarbeiter • qualifizierte und langjährige Mitarbeiter/ Kontakt Gerne senden wir Ihnen nach Unterzeichnung unserer
Berufskraftfahrer Vertraulichkeitserklärung ein detailliertes Informations-
• flexible Organisationsstruktur memorandum zu. Ihre Kontaktaufnahme und Ihre Angaben
behandeln wir selbstverständlich vertraulich.
Fuhrpark • über 70 moderne Lkw im eigenen Besitz Wir handeln exklusiv für unseren Mandanten und werden
ausschließlich von diesem honoriert.
Immobilien • Immobilien im Besitz der Gesellschafter
• langfristiger Zugriff »M&A-Beratungsgesellschaft ABC«
3.2  Datenaufbereitung und Dokumentation

Financials • Umsatz > 25 Mio. EUR

Abb. 37: Beispiel-Teaser


119
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120 3  Strategische Vorbereitung

zum Verkauf stehenden Unternehmens (»Target«) sowie der unternehmerischen Chancen


(Equity Story), aber auch der Risiken, die im Fall einer Transaktion entscheidungsrelevant
werden können.
Die Erstellung eines Informationsmemorandums erfordert Sorgfalt und ist daher mit
einem hohen Zeitaufwand verbunden, da das Management und leitende Mitarbeiter sowie
Berater – Investmentbanken, M&A-Berater, teilweise auch Steuerberater und Wirtschafts-
prüfer – in die Bereitstellung relevanter Informationen und Dokumente, auch in Form von
Interviews, intensiv eingebunden sind.147
Auch die Inhalte des Informationsmemorandums sind nicht standardisiert, umfassen
jedoch aufgrund des durch seinen Zweck begründeten Anspruchs bestimmte notwendige
Bestandteile. Aufbauend auf dem Kurzprofil werden detaillierte Unternehmensinformatio-
nen aufgeführt. Ein qualifiziertes Informationsmemorandum versetzt den Adressaten in
die Lage, allein aufgrund seiner Lektüre ein qualifiziertes indikatives Angebot zum Erwerb
des Zielunternehmens abzugeben. Es enthält eine Übersicht über das Zielunternehmen
und dessen historische Entwicklung. Um ein umfassendes Bild des Targets zu vermitteln,
sind die Grundzüge von Markt und Wettbewerb, Geschäftsbetrieb und Geschäftsmodell
sowie Vertrieb und Marketing darzustellen. Im Abschnitt Finanzwirtschaft werden die
Bilanz sowie die Gewinn-und-Verlust-Rechnung der vergangenen drei bis fünf Jahre, das
laufende Jahr sowie die betrachteten Planjahre analysiert. Schließlich muss im Informati-
onsmemorandum auch der konkret zum Erwerb stehende Unternehmensteil bzw. das
Ensemble, die Unternehmensteile oder Gesellschaftsanteile bezeichnet werden (»Was
genau steht zum Verkauf?«).
Dem Informationsmemorandum werden regelmäßig bereits Angaben über die wesent-
lichen Prozessschritte des Verkaufs beigefügt, die in einem Procedure Letter148 zusammen-
gefasst sind.149
Im Folgenden werden ausgewählte Inhalte eines idealtypischen Informationsmemo-
randums dargestellt (vgl. Abb. 38, S. 121).
Im Rahmen der Transaktionsbeschreibung wird der Transaktionsgegenstand definiert
und im Zuge dessen von den nicht zu veräußernden Teilen abgegrenzt. Die Darstellung der
Unternehmens- und Gesellschafterstruktur erleichtert die Einordnung des Transaktionsge-
genstands.
Folgende Fragen und Gedankenstützen können als Basis hilfreich sein:
yy Gehören neben dem operativen Geschäft auch die Betriebsimmobilien zum Transakti-
onsgegenstand?
yy Welche Transaktionsformen kommen grundsätzlich infrage? Dabei sind auch Mehr-
und Minderheitsbeteiligungen, die Entscheidung zwischen Share Deal und Asset Deal
sowie gegebenenfalls Managementbeteiligungen zu berücksichtigen.
yy Wird ein Verbleib des geschäftsführenden Gesellschafters angestrebt – beispielsweise
als Geschäftsführer für einen begrenzten Zeitraum oder als Berater?

147 Vgl. Raddatz/Nawroth 2012, S. 26.


148 Vgl. hierzu Kapitel 4, Abschnitt 4.2.3.
149 Vgl. Ettinger/Jaques 2012, S. 28 f.
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3.2  Datenaufbereitung und Dokumentation 121

Transaktionsgegenstand und -beschreibung

Darstellung des Unternehmens (v.a. Schlüsseldaten und rechtliche Ver-


hältnisse, Unternehmenshistorie, Unternehmensstrategie, Standort, Lage
und Infrastruktur)
Organisation und Geschäftsbetrieb (z. B. Unternehmensorganisation,
Management, Mitarbeiterinformationen, EDV/IT)
Inhalte
Informations- Marketing/Vertrieb
memorandum
Leistungsspektrum und Kundenstruktur

Markt und Wettbewerb (v. a. Marktabgrenzung und Marktbeschreibung,


marktbeeinflussende Faktoren, Wettbewerber)

Finanzdaten (v. a. Umsatz- und Ertragslage, Vermögens- und Finanzlage,


Planung)

Abb. 38: Umfassende Unternehmensdarstellung im Informationsmemorandum

Ferner sind in der Transaktionsbeschreibung die Motive der Veräußerer herauszuarbeiten,


beispielsweise Unternehmensnachfolge, Insolvenz, Nutzung neuer unternehmerischer
Impulse oder Klassifikation als Nicht-Kerngeschäft. Anhand der Angaben sollten sich auch
die Kaufargumente für einen Interessenten ableiten lassen.
Nach der kurzen Unternehmensübersicht folgt eine detailliertere Unternehmensdarstel-
lung auf der Basis von Schlüsseldaten, der rechtlichen Verhältnisse und der Unterneh-
menshistorie. Je nachdem, ob sich die genutzten Immobilien in Privat- oder Firmenbesitz
befinden, folgen Angaben in Bezug auf Kaufoptionen oder das Interesse des Verkäufers,
die Immobilien an das Zielunternehmen zu vermieten. In diesem Zusammenhang ist auch
auf die Vorteile der Makro- und Mikrolage einschließlich Infrastruktur einzugehen.
Eine Analyse der Organisationsstruktur ermöglicht dem Käufer Aufschluss darüber,
welche Hierarchiestufen existieren (Organigramm), inwiefern neue Führungsstrukturen
notwendig, aber auch umsetzbar sind und wie die Wissensträger im Unternehmen verteilt
sind. Zudem müssen Interessenten über mögliche Verpflichtungen aufgrund der beste-
henden Arbeitsverträge, beispielsweise über Pensionszusagen, informiert werden. Zur
Ableitung von Synergie- und Einsparpotenzialen sollte eine Gruppierung der Mitarbeiter
und Führungskräfte nach den folgenden Kriterien aufschlussreich sein: Tätigkeit, Alter,
Geschlecht, Qualifikation und Dauer der Betriebszugehörigkeit. Ferner sind Angaben zu
gewerkschaftlichen Bindungen, der Personalfluktuation und den Personalkosten hilfreich.
Wesentliche Aspekte bilden auch eine Liste der verwendeten IT-Systeme sowie Beschrei-
bungen der Netzwerke, Betriebssysteme, Buchungs- und Buchhaltungssysteme, der vor-
handenen Hardware und des Automatisierungsgrads. Für den Käufer sollte zusätzlich
ersichtlich sein, wie das IT-Know-how im Unternehmen gebündelt ist.
Je nach dem Geschäftsmodell des Zielunternehmens können die Bereiche Marketing
und Vertrieb eine über- oder untergeordnete Rolle spielen. Im Rahmen eines Informations-
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122 3  Strategische Vorbereitung

memorandums können bei der Dokumentation des Marketings Erläuterungen bezüglich


bestehender Marketing- und Werbemaßnahmen (zum Beispiel Messen, Zeitschriften) aber
auch Aussagen über die generelle Wettbewerbssituation und das Marktwachstum von Inte-
resse sein. Bei der Beschreibung des Vertriebs können Angaben zur Vertriebsstruktur und
zur Zahl der Vertriebsmitarbeiter und deren Aufteilung nach freien angestellten Vertretern
sowie Zuständigkeiten (Aufteilung nach Branche/Reisegebiet) erfolgen.
Die strategische Positionierung des Unternehmens ist regelmäßig geprägt durch das
Geschäftsmodell und das Produktportfolio. Spezielle Fragestellungen und Schwerpunkte
ergeben sich für Dienstleistungsunternehmen (Abhängigkeit von Mitarbeitern), Handelsun­
ternehmen (Lage, Lager, Lieferanten) und Produktionsunternehmen (Einzel- versus Seri-
enherstellung). Eine Analyse der Kundenstruktur, beispielsweise in Form einer ABC-Ana-
lyse, sollte Auskunft über die Verteilung der Kunden und die Kundenbindung geben.
Insbesondere für Interessenten, die nicht aus dem direkten Wettbewerbsumfeld stam-
men, ist eine Beschreibung des Marktes, der marktbeeinflussenden Faktoren und der wich-
tigsten Wettbewerber hilfreich, um das Marktpotenzial einschätzen zu können. Dabei kann
eine Darstellung der Unternehmensentwicklung im Vergleich mit der Marktentwicklung
sowohl im positiven als auch negativen Sinne aussagekräftig sein.
Der abschließende Teil des Informationsmemorandums umfasst meist Informationen
über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowohl historisch als auch in Form von Plan-
größen. Für eine aussagekräftige Aufstellung werden die Gewinn-und-Verlust-Rechnung
und Bilanzkennzahlen der letzten drei bis fünf abgeschlossenen Wirtschaftsjahre sowie für
drei Planjahre in das Memorandum aufgenommen.
Die folgende Checkliste fasst alle wesentlichen Inhalte zusammen:
yy GuV-Rechnung der letzten drei bis fünf Jahre (konsolidiert und bereinigt),
yy Bilanz der letzten drei bis fünf Jahre (konsolidiert und bereinigt),
yy Cashflows der letzten drei bis fünf Jahre (konsolidiert und bereinigt),
yy Darstellung der außerordentlichen Effekte (Bereinigung bewertungsrelevanter Kenn-
zahlen),
yy Planung der GuV-Rechnung der nächsten drei Jahre inklusive Planannahmen,
yy Planung der Bilanz der nächsten drei Jahre inklusive Planannahmen,
yy Planung der Cashflows der nächsten drei Jahre (konsolidiert und bereinigt).

Die sogenannten Bereinigungen spielen bei der Analyse der Finanzdaten eine sehr wichtige
Rolle. Dabei werden die GuV-Rechnung und die Bilanz um einmalige oder nicht zum
Betriebsalltag zugehörige Vorfälle korrigiert. Ferner nutzen in der Praxis insbesondere
nicht börsennotierte Unternehmen bei der Erstellung von GuV-Rechnung und Bilanz mit
Rücksicht auf steuerliche Konsequenzen ihre erweiterten Wahlrechte aus. Auf der Basis
dieser Darstellung würde das Unternehmen »unvorteilhaft« dastehen, nicht das wahre Bild
seiner Ertrags- und Finanzsituation vermitteln und letztlich einen niedrigen Kaufpreis
erzielen. Aufgrund ihres kaufpreisbeeinflussenden Effekts müssen Bereinigungen unbe-
dingt dokumentiert und vor allem glaubhaft begründet werden. Gleiches gilt für die Annah-
men bei den Planzahlen.
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3.2  Datenaufbereitung und Dokumentation 123

Typische Bereinigungen der GuV-Rechnung betreffen unter anderem die folgenden


Kosten:
yy einmalige, das heißt absehbar nicht regelmäßig anfallende Kosten (beispielsweise
unfallbedingter Ausfall von Mitarbeitern, Umweltschäden, Rechtsstreitkosten, organi-
satorische Veränderungen, Abfindungen);
yy nicht betriebsnotwendige Kosten und Erträge (zum Beispiel Einnahmen aus der Vermie-
tung nicht betriebsrelevanter Immobilien oder aus einer Photovoltaikanlage);
yy Kosten, die dem Eigentürmer zuzuordnen sind (zum Beispiel Kosten aufgrund eines
nicht marktgerechten Gehalts eines geschäftsführenden Gesellschafters, Kfz-Kosten).

Im Hinblick auf die Bilanz sind vor allem die folgenden typischen Bereinigungen von Inte-
resse:
yy Entfernung nicht betriebsnotwendiger Aktiva und Passiva,
yy Bilanzierung zu Marktwerten (Aufdeckung stiller Reserven).

Die genannten Bereiche müssen im Informationsmemorandum nicht übermäßig detailliert


ausgearbeitet sein. Das Memorandum soll unternehmensspezifische Schwerpunkte auf-
weisen und diejenigen Potenziale hervorheben, die einem Interessenten künftige Wertstei-
gerungen versprechen. Umfang und Tiefe des Memorandums hängen von der Komplexität
des Transaktionsobjekts und von der Bereitschaft des Verkäufers ab, unternehmensinterne
Informationen offenzulegen. Hierbei ist abzuwägen zwischen dem gebotenen Schutz des
Unternehmens und der Chance, im Kreis der Interessenten eine bestmögliche Wirkung zu
erzielen.
Zur Vermeidung von Deal Breakern oder nachträglichen Verminderungen des Kaufprei-
ses sollte die Verkaufsdokumentation die betriebliche Situation des Zielunternehmens tat-
sachengetreu abbilden. Aus diesem Grund ist eine eingehende Prüfung auf Richtigkeit
durch den Verkäufer wichtig. Eine weitere Motivation zur exakten Überprüfung ergibt sich
durch mögliche Haftungsrisiken des Verkäufers bei Angabe falscher Informationen.150
Das Informationsmemorandum soll einen umfassenden Überblick über das Verkaufs-
objekt vermitteln, Interesse bei potenziellen Käufern wecken und als Entscheidungsgrund-
lage für die Frage dienen, inwieweit der Transaktionsprozess weiterverfolgt werden sollte
(vgl. Abb. 39, S. 124). Besteht bei einem potenziellen Käufer Interesse, den Transaktions-
prozess fortzuführen, so soll das Memorandum eine ausreichende Grundlage für eine erste
Unternehmensbewertung zur Abgabe eines indikativen Angebots bieten. Da der Verkäufer
Interesse an nachhaltigen Werteinschätzungen hat, ist eine sorgfältige Dokumentation für
die Durchführung des weiteren Transaktionsprozesses essenziell. Durch Prägnanz in der
Darstellung trägt das Informationsmemorandum dazu bei, das Ausmaß an zeitintensiven
Rückfragen zu reduzieren und den M&A-Prozess zu beschleunigen.

150 Vgl. Ettinger/Jaques 2012, S. 168–170.


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124 3  Strategische Vorbereitung

Dokumentationsformen Verkauf

 Teaser/Kurzprofil (anonymisiert)
Formen 
ausführliches Informationsmemorandum

 Herausarbeitung der Attraktivität des Unternehmens


umfassende Dokumentation
 Investitionsgelegenheit
des Unternehmens in real-
 Vermittlung neutraler/objektiver Informationen über
und finanzwirtschaftlicher
das Unternehmen vor dem Management-Meeting
Hinsicht
Ziele  Entscheidungsgrundlage für potenziellen Käufer
bezüglich einer Weiterverfolgung
 Grundlage einer ersten (indikativen) Unternehmens-
bewertung durch Interessenten
 Reduzierung von Nachfragen durch umfassende
Information

Abb. 39: Dokumentation – zentral bei der Vermarktung des Unternehmens

3.2.3.3 Digitalisierung und Trends

Heute ist es marktüblich, die Vermarktungsunterlagen und die für weitere Gespräche not-
wendigen Dokumente in digitaler Form zu versenden. Der digitale Kommunikationsweg ist
insbesondere hinsichtlich der beschleunigten Möglichkeit der Kontaktaufnahme vorteil-
haft. Allerdings kann der Grad der Vertraulichkeit aus technischen Gründen via E-Mail
nicht vollständig sichergestellt werden. Daher müssen nach erfolgreichem Aufbau der
Kommunikation mit der Gegenseite Kommunikationswege und »sichere Leitungen« be­­
stimmt werden.151 Beispielsweise kann eine Konzentration auf als sicher qualifizierte
E-Mail-Adressen oder auch Telefonnummern sinnvoll sein.

3.2.3.4 Dokumentation der Due Diligence

Zur Vorbereitung auf die in der Transaktionsphase stattfindende Due Diligence wird bereits
in der Dokumentationsphase damit begonnen, den Datenraum aufzubauen. Viele Informa-
tionen werden ohnehin bereits zur Erstellung der Informationsdokumente benötigt. Die
frühzeitigen Bemühungen gründen sich auf den erheblichen Arbeitsaufwand, insbeson-
dere für die Mitarbeiter im zu verkaufenden Unternehmen, die mit der Datenzulieferung
beschäftigt sind.
In der Praxis wird bei der Erstellung des Datenraums in aller Regel mit Checklisten oder
Formatvorlagen gearbeitet, die an die Besonderheiten des jeweiligen Projekts angepasst
werden. Die Erfassung eines umfassenden Unternehmensbildes setzt zwingend Angaben
zu Finanzen, Standorten, Geschäftsführung, Mitarbeitern, Vertrieb, Marketing, Wettbe-
werb, dem operativen Geschäft und der rechtlichen Struktur voraus. Die Checkliste in
Abb. 40 (S. 125) kann, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, als Orientierungshilfe dienen.

151 Vgl. Arlinghaus/Balz 2007, S. 82.


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3.3 Marktscreening 125

A. Finanzen E. Vertrieb, Marketing, Markt und Wettbewerb


 Bilanzierungsmethoden und andere relevante  Vertriebsorganisation/Standorte
Regelungen  Marketing
 Berichtswesen, Erfolgsrechnung  Werbung und Veröffentlichungen
 Planung
 Jahresabschlüsse F. Operatives Geschäft
 Aktiva: Anlagevermögen  Beschreibung Geschäftsmodell, Produkt-
 Passiva: Eigenkapital, stille Beteiligungen, und Leistungsprogramm
Rückstellungen  Beschreibung der Wertschöpfungsstufen
 Passiva: Fremdkapital, Übersicht über Fremd-  Beschreibung der Prozesse
verbindlichkeiten mit Laufzeiten, Zinsen,  Mark und Wettbewerb
Planung (Bankenspiegel)  Innovationsgrad des Produkt- und Leistungs-
 Eventualverbindlichkeiten: Summenaufstellung programms
der Bürgschaften, Patronatserklärungen,  operative Risiken
Sicherheiten  externe Dienstleister
 Auftragsanalyse
 Einkauf G. Recht
 Investitionen  Gesellschaftsunterlagen und Gesellschafter
(u. a. Handelsregisterauszüge)
B. Standorte, Immobilien, Produktionsanlagen  Verträge und Vereinbarungen (z. B. mit Kunden,
Zulieferern, Immobilienfirmen, Energie-
C. Geschäftsführung, Mitarbeiter versorgern, Versicherungen, Fremdkapital-
 Organigramm gebern, Leasinggebern)
 Mitarbeiterstruktur  Steuerbescheide und Betriebsprüfungen
 Betriebsprüfungen
 Managementprofile H. Sonstiges
 Stellenbeschreibung  Mitgliedschaft in Verbänden
 Unternehmensgeschichte
D. Überblick und Beschreibung Informations-  externe Ratings und Analysen, Gutachten
technologie  Unternehmensleitbild

Abb. 40: Beispielsübersicht: Datenraum Due Diligence

Die Erfassung und Dokumentation der Unternehmensdaten in der Vorbereitungsphase


stellt die Basis für den Datenraum einer Due-Diligence-Prüfung dar. In aller Regel übermit-
teln Kaufinteressenten kurz vor deren Durchführung auch eine eigene Liste mit Anforde-
rungen. Der Datenraum wird nach Prüfung gegebenenfalls entsprechend um weitere Infor-
mationen ergänzt.

3.3 Marktscreening

Grundsätzlich gilt es im Marktscreening oder market sounding, Unternehmen zu suchen


und zu identifizieren, die entweder im M&A-Kaufprozess als geeignete Akquisitionsziele
oder analog im M&A-Verkaufsprozess als Unternehmenskäufer infrage kommen. Das
Screening erweist sich oftmals als ein sehr schwieriger und aufwendiger Suchprozess, da
es insbesondere im Mittelstand an einem hinreichend transparenten Markt für M&A-Trans-
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126 3  Strategische Vorbereitung

aktionen fehlt.152 In der Praxis haben sich daher Suchinstrumente und ein systematisches
Screening entwickelt, um den aktiven Such- und Identifikationsprozess zu erleichtern.
Da die Vorgehensweise bei M&A-Kauf und -Verkaufsprozessen einer einheitlichen
Struktur folgt, wird zunächst die allgemeine Vorgehensweise beschrieben. Anschließend
wird auf die inhaltlichen Besonderheiten in den Abschnitten 3.3.2 (Kauf) und 3.3.3 (Ver-
kauf) eingegangen.

3.3.1 Der Prozess im Überblick

Generell wird im Markt durch ein Screening systematisch, das heißt auf der Basis bestimm-
ter Suchkriterien (Suchprofil) nach geeigneten Unternehmen (Kandidaten) gesucht, die
entweder (im M&A-Verkaufsprozess) als mögliche Unternehmenskäufer (Interessenten)
angesprochen oder (im M&A-Kaufprozess) als geeignete Akquisitionsziele (Targets) iden-
tifiziert werden.153 Die Ergebnisse des Screenings (Recherche) werden in der sogenannten
Longlist erfasst und nach im Vorhinein bestimmten Auswahlkriterien (Filtern) einer wei-
teren Selektion und Priorisierung unterzogen, um die Zahl der ermittelten Kandidaten auf
ein für den M&A-Prozess handhabbares Maß (Shortlist) zu reduzieren (vgl. Abb. 41).
Während im Laufe des Filterprozesses die Zahl der Targets und Interessenten abnimmt,
gilt es, Wissen über die verbleibenden Targets und Interessenten aufzubauen. Hierzu ist
im Rahmen einer detaillierten Outside-in-Analyse eine Mark- und Wettbewerbsrecherche

F H
G B
E
D
C
A

abnehmende Zahl
von Kandidaten bei
zunehmender
Informationsverdichtung
Ausschlusskriterien
Longlist
weitere potenzielle Kandidaten
Selektionskriterien (entsprechen Mindestanforderungen)

Shortlist
Kandidaten zur Ansprache

Abb. 41: Marktscreening – Schema des mehrstufigen Auswahlprozesses

152 Vgl. Keller/Hohmann 2007, S. 601.


153 Vgl. hierzu Borowicz/Schuster 2012.
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3.3 Marktscreening 127

durchzuführen. Ziel ist es, eine Entscheidungsgrundlage zur Abschätzung der Passgenau-
igkeit (Fit) zu schaffen.154
Nach der kurzen Einführung in das Marktscreening gilt es, den Filterungsprozess in
Einzelschritte zu zerlegen, wobei man zwischen vorbereitenden Maßnahmen und dem Fil-
terungsprozess im engeren Sinne unterscheiden kann.

3.3.1.1 Vorbereitende Maßnahmen

3.3.1.1.1 Definition des Anforderungsprofils


Als erste vorbereitende Maßnahme muss klar definiert werden, welche Erwartungen an
Interessenten und Targets gestellt werden (Anforderungsprofil) und anhand welcher Krite-
rien (Kriterienkatalog) der Markt abgesucht werden soll.
Es ist essenziell, dass die Unternehmensstrategie und die Unternehmensziele vor dem
Screening stringent ausformuliert sind und die Ziele des M&A-Prozesses daraus schlüssig
abgeleitet wurden (vgl. Abb. 42, S. 128). In der Praxis scheitern M&A-Prozesse ausgespro-
chen häufig deshalb, weil es an einer klaren M&A-Strategie mangelt.
Ausgehend von den M&A-Zielen werden das Anforderungsprofil sowie ein grober Kri-
terienkatalog bestimmt, wobei letzterer bestimmte Muss-Kriterien (»Knock-out«-Kriterien)
enthält. Die Grobkriterien können sowohl quantitativer als auch qualitativer Art sein und
müssen fallspezifisch abgeleitet werden.155

3.3.1.1.2 Definition von Clustern


Um in der systematischen Selektion größtmögliche Zielgenauigkeit zu erreichen, wird
durch Zielgruppen (Cluster) ein Suchfeld abgesteckt (vgl. Abb. 43, S. 129). Kriterien für die
Zuordnung zu einem Cluster können beispielsweise die Gleichartigkeit von Investitions-
anreizen, Wertschöpfungsstufen oder Branchen sein. Erfahrungsgemäß werden bestimmte
Zielgruppen aufgrund von Vorbehalten des Verkäufers nicht berücksichtigt. Hier ist Mut
zum »Out of the Box«-Denken gefragt, um auch Zielgruppen erfassen zu können, die auf
den ersten Blick als nicht relevant oder ausgefallen erscheinen.

3.3.1.2 Der Filterungsprozess im engeren Sinne

3.3.1.2.1 Erstellung der Longlist


Mithilfe von zunächst groben Suchanforderungen (Suchprofil) kann ein Pool an potenziel-
len Interessenten und Targets identifiziert werden, der in der sogenannten Longlist darge-
stellt wird. Kandidaten, die den Anforderungen (beispielsweise bestimmten Mindestum-
satzgrößen) nicht entsprechen, sind von weiteren Analysen zurückzustellen.
Es steht eine Vielzahl von Informationsquellen zur Verfügung: kommerzielle Wirt-
schaftsdatenbanken, Marktstudien von Unternehmensberatungen, Branchenverzeich-
nisse, Publikationen von Fachmessen, Research-Berichte von Bankinstituten, Geschäftsbe-
richte, Presseberichte und Publikationen von Fachverbänden. Ferner sind Markt- und

154 Vgl. Wöhler/Cumpelik 2006, S. 457.


155 Vgl. hierzu die Abschnitte 3.3.2 und 3.3.3.
128

Akquisitionsziele Akquisitionsprofil/Kriterienkatalog

Ableitung Akquisitionsprofil

Wachstum

Konsolidierung  Region
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Risikoverringerung  Kernkompetenzen
Synergie-Erschließung  rechtliche Struktur
3  Strategische Vorbereitung

Stoßrichtung
Transformation  …
sonstige finanzielle Ziele
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Kriterienkatalog

Kunden
Vertrieb

Regionen
Mitarbeiter

Produktion
Beschaffung
Kompetenzen

Wertangebote

Wettbewerber
Wertsteigerung
Prestige, Macht
 Umsatz ≤ 50 Mio.
Managervergütung

Marken und Patente

Führung/Verwaltung

Forschung u. Entwickl.
Arbeitsplatzsicherheit
 Anzahl Mitarbeiter ≤ 600

immaterielle  Region: DE, AU, CH


Markt Wertschöpfung
Ressourcen fundamentales
 rechtliche Struktur: keine AGs
Zielobjekte Ziel
 Produkte und Sortiment
 …

Abb. 42: Ableitung des Akquisitionsprofils und des Kriterienkatalogs


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3.3 Marktscreening 129

direkte Wettbewerber Kunden/Lieferanten

Cluster

»out of the box« …

Abb. 43: Identifikation nach Beispiel-Clustern

Branchenkenntnisse sowie Longlist-Datenbanken von Investmentbanken oder M&A-Bera-


tern hilfreich. In jedem Fall ist eine sorgfältige und sehr zeitaufwendige Recherche notwen-
dig, um potenzielle Interessenten bzw. Zielunternehmen möglichst vollumfänglich zu
erfassen.
Die identifizierten Unternehmen bzw. Investoren werden idealtypisch mit folgenden
Informationen in der Longlist dargestellt (vgl. Abb. 44, S. 130):
yy Stammdaten – Name, Kontaktdaten, Standorte, Ansprechpartner,
yy Beschreibung des Leistungsspektrums (Unternehmen),
yy Investitionskriterien und Track Record (Investoren),
yy wirtschaftliche Größen, unter anderem Umsatz, Beschäftigtenzahl,
yy Rechtsform, Gesellschafterstruktur, Geschäftsführung.

3.3.1.2.2 Von der Longlist zur Shortlist


Die Longlist umfasst als Resultat des ersten Screenings eine breite Auswahl an Zielunter-
nehmen, welche die Grobkriterien erfüllen. Im nächsten Analyseschritt müssen weitere
Selektionsschritte festgelegt werden. Dies erfolgt einerseits durch die Spezifizierung des
bislang groben Kriterienkatalogs sowie andererseits durch die Bewertung der in der Long-
list aufgeführten Zielunternehmen anhand der Anforderungen des Suchprofils. Bei der wei-
teren Selektion können verschiedene Bewertungsinstrumente herangezogen werden, bei-
spielsweise ein Netzdiagramm oder ein Scoring- bzw. Punktesystem.156 Beide Instrumente
sind Hilfsmittel, um den sogenannten strategischen Fit zwischen Zielunternehmen und
Käufer zu testen.

156 Beispiele hierzu finden sind in den Abschnitten 3.3.2 und 3.3.3.
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130 3  Strategische Vorbereitung

Auszug Longlist

Abb. 44: Beispielhafter Auszug aus der Longlist

Das Resultat des Screenings ist eine Rangordnung potenzieller Kandidaten in der soge-
nannten Shortlist, die den Anforderungen hinreichend entsprechen und für eine erste Kon-
taktaufnahme geeignet sind. Ferner müssen Kandidaten dokumentiert werden, die aus per-
sönlichen Gründen der Käufer bzw. Verkäufer nicht anzusprechend sind, wobei die Gründe
hier durchaus willkürlich sein können.
Nach der Bestimmung der Shortlist beginnt der Anspracheprozess. Hier wird der Selek-
tionsmechanmismus des M&A-Prozesses im Rahmen der Kontaktaufnahme fortgeführt. Im
Dialog mit der Gegenseite können die Kandidaten schrittweise weiter analysiert werden,
zum Beispiel aufgrund von konkreten Hinweisen und Informationen über finanzwirt-
schaftliche Größen, Investitionsanreize und Synergiepotenziale. Der Selektionsprozess
wird so lange fortgeführt, bis eine überschaubare Zahl von Kandidaten für Verhandlungen
gegeben ist.
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3.3 Marktscreening 131

3.3.2 Käufer

3.3.2.1 Kriterien für Suchraster

Die Erstellung eines Anforderungsprofils erfolgt nach Maßgabe der wesentlichen Kriterien
der Akquisitionsstrategie. Dabei sind strategische, kulturelle, organisatorische und finanzi-
elle Anforderungen zu berücksichtigen. Das in Abb. 45 wiedergegebene Praxisbeispiel
steht für eine mögliche Umsetzung.

Kriterien Akquisitionsprofil

 Geschäftsmodell
 Standort

 Umsatz

 Mitarbeiterzahl
 Marktanteil

 Unternehmenskultur-Fit
 technologischer Standard und Fähigkeiten

 Finanzierbarkeit

Abb. 45: Praxisbeispiel – Kriterien zur Erstellung des Akquisitionsprofils

3.3.2.2 Bewertung der Zielkandidaten

Unter Zuhilfenahme von Bewertungsinstrumenten können anhand bestimmter Auswahl-


kriterien mögliche Abweichungen zwischen dem Suchprofil und dem Profil des Targets
quantifiziert werden. Aus den Ergebnissen lässt sich eine Rangfolge der identifizierten Tar-
gets ableiten. Anhand der Rangfolge und eines festzulegenden maximalen Abweichungs-
grads vom Suchprofil kann bestimmt werden, wie viele Targets in die Shortlist zu übertra-
gen sind.
Ein mögliches Bewertungsinstrument stellt das Netzdiagramm dar, das den Rahmen für
eine grafische Darstellung des Deckungsgrads von Akquisitionskandidat und Zielvorgaben
des Anforderungsprofils bietet (vgl. Abb. 46, S. 132).
Die Bestimmung der Erfüllungsgrade der einzelnen Kriterien mithilfe einer definierten
Skala stellt eine weitere Möglichkeit dar, den Fit des Targets mit den Akquisitionsanforde-
rungen zu bestimmen (vgl. Abb. 47, S. 132).
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132 3  Strategische Vorbereitung

Akquisitionskandidat vs. Zielvorhaben Anforderungsprofil

Geschäftsmodell

Umsatz
Standort

Marktanteil Finanzierbarkeit

Mitarbeiterzahl technologischer
Standard und
Unternehmenskultur-Fit Fähigkeiten

Abb. 46: Bewertung der Targets in einem Netzdiagramm

Abgleich Target und Akquisitionsprofil

Kriterien – – – 0 + ++

 Geschäftsmodell
 Standort
 Umsatz
 Mitarbeiterzahl
 Marktanteil
 Unternehmenskultur-Fit
 technologischer Standard und Fähigkeiten
 Finanzierbarkeit

Abb. 47: Bewertung eines Targets anhand des Erfüllungsgrads der Kriterien
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3.3 Marktscreening 133

3.3.3 Verkäufer
3.3.3.1 Kriterien für Suchraster
Das Besondere bei der Erstellung des Anforderungsprofils in einem M&A-Verkaufsprozess
besteht darin, dass neben den eigenen Anforderungen an den Kaufinteressenten auch des-
sen Interessen zu berücksichtigen sind. Im Rahmen des Marktscreenings muss also die
Marktattraktivität des zu verkaufenden Unternehmens analysiert werden, um Synergiepo-
tenziale und Investitionsanreize für Dritte abschätzen zu können (vgl. Abb. 48). Solche
Einschätzungen erleichtern die Suche nach passenden Interessenten, das heißt solchen
Käufern und Käufergruppen, die ein gut begründbares Interesse an einem Kauf hegen.
Bei der Formulierung eines Kriterienkatalogs wird anhand des Akquisitionsziels eine
Auswahl an wesentlichen Kriterien bestimmt. Diese Kriterien können quantitativer oder
qualitativer Art sein und werden fallspezifisch festgelegt. Die folgenden Listen von Filter-
kriterien können bei der Auswahl der Kriterien hilfreich sein:
yy Strategische Investoren. Umsatz, Unternehmensgröße, Produkte und Dienstleistun-
gen, Synergiepotenziale, Kundenbasis, Reputation, Branchenfokus, geografische Ein-
grenzung (international, national, regional), Erfahrungen im Bereich M&A, finanzielle
Lage, Mitarbeiterzahl, Technologie/Know-how-Bereiche, Ertragsstärke;

Investorenanreize

 Realisierung von Größen- und Umfangsvorteilen


horizontal
strategische Investoren

 Erhöhung des relativen Marktanteils

 Sicherung von Versorgung und Absatz


vertikal
 Realisierung von Eingliederungsvorteilen

 operative und strategische Verbundvorteile


lateral  Markteintritt
 Minimierung der Kapitalkosten

 bestehende Unterbewertung
 Nutzung von Verlustvorträgen
Finanzinvestoren  Gewinnrealisierungen durch finanzwirtschaftliche und/
oder operative Restrukturierungen

 Wertsteigerung durch Weiterverkauf

Family Offices  langfristige Vermögenssicherung

Abb. 48: Investitionsanreize als wesentliches Kriterium der Käuferidentifikation


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134 3  Strategische Vorbereitung

yy Finanzinvestoren und Family Offices. Bestehendes Investitionsportfolio, Akquisiti-


onsprofil (Art der Beteiligung, geografischer Fokus, Investitionshöhe, Branchenfokus),
Reputation, Erfahrungen.

3.3.3.2 Bewertung der Zielkandidaten

Zur Bewertung und Einordnung möglicher Interessenten (Käufer bzw. Investoren) kann
das sogenannte Scoring-Modell eingesetzt werden (vgl. Abb. 49).
In dem vorgestellten Beispiel werden strategische Investoren mithilfe der Kriterien Seg-
ment, Umsatz und sonstige bewertet. Ausgehend von der M&A-Strategie werden Gewichte
vergeben, beispielsweise 50 Prozent, 25 Prozent und 25 Prozent. Nach der Gewichtung
ergibt sich eine Rangfolge der strategischen Investoren, die nach ihrer Relevanz zu einer
Shortlist verdichtet werden.
Bei der Bewertung von Finanzinvestoren ist ein Scoring-Modell im engeren Sinne weni-
ger geeignet. Vielmehr ist abzuwägen, inwieweit das zu verkaufende Unternehmen dem
Investitionsschwerpunkt des Finanzinvestors entspricht und welche Reputation der Finan-
zinvestor auf dem Markt besitzt.

Generelle  ausreichende Anzahl potenzieller Investoren


Ziele  Besetzung und Ansprache unterschiedlicher Cluster

 Fit von Produkten und Dienstleistungen


Segmente (50 %)  Ausmaß der Synergiepotenziale
 Fit der Kundenbasis (Größe, Branchenschwerpunkt)
Scoring-Modell

Umsatz (25 %)  gute finanzielle Lage/Solvenz

 Reputation des Investors


 Erfahrung im Bereich M&A/M&A-Strategie
Sonstiges (25 %)
 Passende Unternehmensgröße
 geografischer Fit

Bildung von 3 Gruppen in Anlehnung an Scoring

 Gruppe A – Ansprache in der ersten Runde


Gruppierung  Gruppe B – ggf. Ansprache in der zweiten Runde
 Gruppe C – zunächst zurückgestellt

Abb. 49: Von der Longlist zur Shortlist – Gruppierung mittels Scoring-Modell
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4 Transaktionsphase

EXECUTIVE SUMMARY

In der Transaktionsphase wird erstmals Kontakt mit potenziellen Transaktionspartnern,


also den Verkaufs- oder Kaufinteressenten, aufgenommen. Meist werden mehrere Kandi-
daten angesprochen, wobei deren Zahl bei Verkaufsprojekten meist größer ist als bei
Kaufprojekten. Die »Kontaktaufnahme nach außen« markiert den Eintritt des M&A-Pro-
jekts in eine entscheidende Phase. Erstmals dringen Informationen über das Vorhaben
nach außen, oftmals noch innerhalb der Grenzen der eigenen Branche. Die Reaktionen
der potenziellen Transaktionspartner sind noch unsicher: Wie werden sie auf das Inter-
esse reagieren? Werden sie es zurückweisen oder sich ernsthaft auf ein mögliches Projekt
einlassen? Werden sie die Vertraulichkeit sicherstellen können und weisen sie die nötige
Professionalität auf?
Angesichts der Einbeziehung einer meist größeren Zahl potenzieller Transaktionspartner
ist jetzt deren zeitliche Koordination bzw. Synchronisation von herausragender Bedeu-
tung. Nur dann, wenn die potenziellen Transaktionspartner in den einzelnen Phasen des
Kauf- oder Verkaufsprozesses zeitgleich auftreten, gelingt es, eine gute Verhandlungssi-
tuation mit mehreren Handlungsoptionen – also Targets bzw. Kaufinteressenten – aufzu-
bauen. Da diese sich dessen bewusst sind, werden sie versuchen, sich diesem Zeitplan zu
entziehen, um hierdurch implizit oder explizit einen Exklusivitätsstatus zu erreichen.
Die Transaktionsphase setzt sich aus neun Modulen zusammen, die den Kern des
M&A-Prozesses ausmachen. Sie reichen von der erstmaligen Kontaktaufnahme und
Sondierung über das Signing bis zum Closing. Dabei hält sich hartnäckig der Irrglaube,
dass Verhandlungen (erst) mit der Besprechung der Transaktionsverträge beginnen.
Dieses Verständnis greift jedoch zu kurz. Viele der Module der Transaktionsphase sind
geprägt von Verhandlungssituationen: Schon bei der Ansprache und Sondierung des
Interesses (siehe Abschnitt 4.1) beginnen die Verhandlungen, da dort beispielsweise über
die weiteren Prozessabfolgen gesprochen wird (»Wer hat den Hut auf?«) und jeder seine
eigenen Interessen durchzusetzen versucht. Noch deutlicher wird dies bei der Regelung
der weiteren Zusammenarbeit (siehe Abschnitt 4.2), die sich etwa in Absichtserklärungen
oder einem Procedure Letter niederschlägt. Auch in der Managementpräsentation (siehe
Abschnitt 4.3), also während sich die leitenden Manager des Transaktionsobjekts und des
Käufers miteinander bekannt machen, geht es darum, wer welche Informationen heraus-
gibt, welche »Konzessionen« mündlich zugesagt werden usw.
Diese Perspektive, wonach der Transaktionsprozess faktisch eine Abfolge von Verhandlun-
gen darstellt (Verhandlungsserie), setzt sich fort bis zur Verhandlung der Transaktionsver-
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136 4 Transaktionsphase

träge und, sofern es Probleme oder noch Auslegungsbedarf gibt, bis zum Abschluss der
Transaktion. Daher wird in dem Modul »Ansprache und Sondierung«, bei dem erstmals
eine (externe) Verhandlungssituation auftritt, genauer auf Techniken der Verhandlung
eingegangen (siehe Abschnitt 4.1.2). Diese sind auf die anderen Module zu übertragen.

4.1 Ansprache und Sondierung als Verhandlungsauftakt

Nach erfolgreicher Durchführung des Marktscreenings ist die Phase der strategischen Vor-
bereitung abgeschlossen. In der anschließenden Transaktionsphase gilt es zunächst, mit
den identifizierten Targets und Interessenten in Kontakt zu treten. Es ist die Phase des
gegenseitigen Kennenlernens, des Informationsaustauschs und Vertrauensaufbaus sowie
der Schaffung einer gemeinsamen Ausgangsbasis für eine mögliche Zusammenarbeit im
Transaktionsprozess.
Im Rahmen dieses Abschnitts wird unter Berücksichtigung der beteiligten Akteure der
Prozess der Ansprache und der darauf folgenden Sondierungsgespräche dargelegt. Dabei
wird zwischen der Käufer- und der Verkäuferperspektive unterschieden. Ziel ist es, das
Bewusstsein für eine strukturierte Vorgehensweise zu schärfen, um die angesprochenen
Kandidaten möglichst effizient auf einen ausgewählten Kreis potenzieller Verhandlungs-
partner zu reduzieren. Da die Transaktionspartner bei der Sondierung erstmals über den
Prozess und die Inhalte der Transaktion sprechen, kommt es auch erstmals zu einer Ver-
handlung. Daher wird in Abschnitt 4.1.2 ausführlich die Verhandlungsführung themati-
siert, die für alle weiteren Module des Transaktionsprozesses von Belang ist.

4.1.1 Die Ansprache – ein heikles Unterfangen

Die Ansprache potenzieller Targets oder Interessenten mag zunächst wie ein trivialer Vor-
gang anmuten. Tatsächlich erfordert es jedoch einen hohen Arbeitseinsatz, viel Erfahrung
und Verhandlungsgeschick, potenzielle Kandidaten so anzusprechen, dass sie sich tatsäch-
lich dazu entschließen, in Verhandlungen einzutreten. Zudem fließen die Inhalte und
Ergebnisse von Ansprache und Sondierungsgesprächen als vorbereitende Elemente in die
etwaigen späteren Vertragsverhandlungen ein. Vor diesem Hintergrund ist eine intensive
Vorbereitung unbedingt empfehlenswert. Der nachfolgende Fragenkatalog bietet Orientie-
rung für eine wirksame und effiziente Ansprache (vgl. Abb. 50, S. 137):
yy Wer spricht an?
– Berater oder
– Vorstand/Geschäftsführer/Gesellschafter?
yy Wer soll angesprochen werden?
– Berater,
– Vorstand/Geschäftsführer oder
– die Gesellschafter direkt (ggf. welche oder alle?)?
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4.1  Ansprache und Sondierung als Verhandlungsauftakt 137

Käufer Verkäufer

Wer? Wen? Wie? Worüber?

Abb. 50: Kontaktaufnahme erfolgskritisch – Kriterien bei Ansprache und Sondierungsgesprächen

yy Wie soll kontaktiert werden?


– persönlich oder
– schriftlich (Briefpost/E-Mail)?
yy Worüber soll gesprochen werden?
– Welche Inhalte/Prozesse?
– Vertraulichkeitserklärung!

4.1.1.1 Ansprache und Sondierung potenzieller Käufer

4.1.1.1.1 Beteiligte Akteure
Als initiierende Parteien sind der Gesellschafterkreis und das Management an der Anspra-
che beteiligt. Je nach den auf Käuferseite verfügbaren Ressourcen und je nach dem
gewünschten Verhandlungsstil lässt sich mittels Einbindung von Beratern und der Durch-
führung einer breiten, systematischen und anonymen Ansprache die Chance, geeignete
Targets zu finden, erheblich steigern. Aus Gründen der Vertraulichkeit sind in den Zielge-
sellschaften bereits in der Ansprache ausschließlich entscheidungsbefugte Personen zu
kontaktieren. Hierzu gilt es, den jeweiligen Ansprechpartner in eingehender Recherchear-
beit zu identifizieren: Bei börsennotierten Unternehmen ist der Vorstand zu kontaktieren.
Andernfalls sind die Eigentümer (Gesellschafterkreis) oder der geschäftsführende Gesell-
schafter (sofern vorhanden) Ansprechpartner. Sollte das Target eine Tochtergesellschaft
sein, so ist analog Kontakt mit entscheidungsbefugten Personen in der Muttergesellschaft
herzustellen (in der Regel auf Geschäftsführungsebene).

4.1.1.1.2 Ablauf und Inhalte


Nach Identifikation und Freigabe der Zielunternehmen erfolgt die Ansprache. Der Anspra-
che- und Sondierungsprozess wird in fünf Meilensteine unterteilt (vgl. Abb. 51, S. 138):
1. Kontaktaufnahme. Die erste Kontaktaufnahme kann persönlich oder schriftlich (per
E-Mail oder Brief) erfolgen. Bei schriftlichen Anfragen tritt oftmals das Problem auf,
138

Ansprache und Sondierung Ergebnisse

1 2 3 4

Kontaktauf- Geheimhaltungs- Austausch Überzeugungs-


nahme vereinbarung Informations- arbeit beim Target  belastbare Aussage über im
ggf. mehrmals memorandum »(make it available)« Markt verfügbare Zielunternehmen
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4 Transaktionsphase

 Klärung  Aufdeckung von Synergie-


der Gesprächsbereit- potenzialen mit einzelnen Targets
schaft

 Herstellung einer
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Vertrauensbasis

 Vermeidung von
Wettbewerb Rollenwechsel
(Target wird zum Bewerber)

Abb. 51: Fortführung des Kaufprozesses nach Auswertung von Ansprache und Sondierung
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4.1  Ansprache und Sondierung als Verhandlungsauftakt 139

dass der Anfrage keine ausreichende Beachtung geschenkt wird. Insofern ist (mehrfa-
ches) telefonisches Nachfassen empfehlenswert. Ist aus prozesstaktischen Erwägun-
gen ein erstes Telefongespräch ideal (etwa wenn bereits ein »Draht« zum Adressaten
besteht), so nimmt man über einen »gemeinsamen »Mittelsmann« Kontakt auf oder
stellt einem Dialog die Übermittlung einer schriftlichen Unterlage voran. Einzelfragen
hängen auch ab von der Größe und Struktur des Zielunternehmens sowie von der Zahl
und den Eigenarten seiner Eigentümer bzw. Gesellschafter. Schließlich ist auch, insbe-
sondere in internationalen M&A-Verfahren, die Kultur der Adressaten zu berücksichti-
gen. So ist es im asiatischen Raum teilweise undenkbar, den Adressaten schriftlich oder
gar telefonisch direkt anzusprechen, ohne zuvor eine »atmosphärische Einführung«
durchlaufen zu haben.157 Die an einem Kauf interessierte Partei stellt sich typischer-
weise zunächst kurz vor und legt möglichst unaufdringlich ihr grundsätzliches Inter-
esse an einem Gespräch über das Zielunternehmen dar. Ein idealer Einstieg in solche
Kaufgespräche mag in einer »weichen« Wortwahl liegen; so bietet es sich an, zunächst
über das Interesse an Kooperationsmöglichkeiten zu sprechen, die bis zu einer gesell-
schaftsrechtlichen Beteiligung reichen können. Dabei ist im Sinne einer Vermeidung
unerwünschten Wettbewerbs dem Target das Gefühl zu vermitteln, exklusiv am Unter-
nehmen interessiert zu sein. Die indirekte Ansprache über Unterhändler oder Mittels-
männer kann einerseits das Interesse beim Zielunternehmen zur Kontaktaufnahme
wecken und andererseits etwaige Hemmungen der Kontaktaufnahme durch die Wah-
rung der Anonymität senken.
2. Geheimhaltungsvereinbarung. Die Herstellung einer Vertrauensbasis und ernsthaftes
Interesse des Zielunternehmens münden im Austausch einer Vertraulichkeitserklä-
rung.158
3. Austausch von Informationen. Nach der Besiegelung der Geheimhaltungsvereinba-
rung erhält der Adressat des Targets ein Akquisitionsmemorandum, in dem der Kauf­
interessent seine strategischen Zielvorstellungen und Erwartungen darlegt. Der Kauf­
interessent seinerseits nutzt den Kontakt dazu, das Geschäftsmodell des Targets
kennenzulernen. Gleichzeitig kann eine erste Verständigung über mögliche Transakti-
onsstrukturen erfolgen. Ferner ist die Erarbeitung einer Schwerpunktliste empfehlens-
wert. In Anlehnung an die Akquisitionsziele ist der Schwerpunkt auf die folgenden
relevanten Fragestellungen zu legen:
– Was sind die kritischen Erfolgsfaktoren einer Umsetzung?
– Welche wesentlichen Werttreiber und Synergien lassen sich identifizieren?
– Bestehen Deal-Breaker- und andere Risiken?159
4. Überzeugungsarbeit beim Target. Das Interesse der Targets an einem M&A-Prozess
beruht auf einem Entscheidungsprozess und den situativen Rahmenbedingungen. In
intensiver Überzeugungsarbeit ist die Verkaufsbereitschaft des Targets herbeizuführen
(»make it available«). Dieser Rollenwechsel (der Interessent wird zum Bewerber) lässt
sich durch das Wechselspiel von Exklusivität (exklusives Interesse am Target) und der

157 Vgl. hierzu auch Kapitel 9, Abschnitt 9.2.1.


158 Vgl. hierzu Kapitel 4, Abschnitt 4.2.2.
159 Vgl. Wöhler/Cumpelik 206, S. 457–459.
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140 4 Transaktionsphase

Erzeugung einer Wettbewerbsitution auslösen. Während zu Beginn der Kontaktauf-


nahme mit dem Target zunächst das unbedingte (exklusive) Interesse signalisiert
wurde, gilt es nach positiver Rückmeldung des Targets selbst, das Target in eine Kon-
kurrenzsituation zu versetzten (Beispielargument: Es gibt noch weitere interessante
Targets). Dadurch kann das Verkaufsinteresse des Targets derart geweckt werden, dass
es sich aktiv um eine Transaktion bemüht.

Letztlich liefert eine zielführende erste Ansprache eine belastbare Aussage über im Markt
verfügbare Zielunternehmen (Kauf) und deckt die Synergien auf, die sich durch einzelne
Targets erzielen ließen. Im nächsten Schritt ist der direkte Kontakt zwischen dem Target
und dem Kaufinteressenten herzustellen.

4.1.1.2 Ansprache und Sondierung potenzieller Verkäufer

4.1.1.2.1 Beteiligte Akteure
Analog zum M&A-Kaufprozess sind bei einem Verkauf in erster Linie die Eigentümer bzw.
geschäftsführenden Gesellschafter des zu verkaufenden Unternehmens als initiierende Partei
involviert (bei börsennotierten Unternehmen der Vorstand). Diese werden in aller Regel durch
ihre Berater vertreten, damit die Vertraulichkeit im Prozess der Ansprache gewahrt bleibt. Im
Fall eines Veräußerungsprozesses ist durch die typischerweise große Zahl der angesprochenen
potenziellen Transaktionspartner das Diskretionsbedürfnis aufseiten des Transaktionsobjekts
besonders groß. Neben etwaigen beauftragten Beratern stehen dort das Management und eine
begrenzte Auswahl an Mitarbeitern zur Informationsbereitstellung zur Verfügung. Aufseiten
der potenziellen Käufer sind die entscheidungsbefugten Personen auf Geschäftsführungs- bzw.
Vorstandsebene zu kontaktieren.

4.1.1.2.2 Ablauf und Inhalte


Im Rahmen des Marktscreenings wurde ein Pool an möglichen Käuferinteressenten iden-
tifiziert. Diese gilt es, mithilfe eines Teasers160 anzusprechen. Bei Interesse werden nach der
Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung weitere Informationen ausgetauscht.
Aus dem verbleibenden Kreis an Kaufinteressenten mit ernsthafter Kaufabsicht gilt es
dann, den »richtigen« Käufer auszuwählen (Sondierung, vgl. Abb. 52, S. 141).
1. Kontaktaufnahme. Die potenziellen Kaufinteressenten werden in der Shortlist mit
unterschiedlichen Prioritäten geführt. Die Ansprache erfolgt in der Regel gemäß den
Prioritäten in gesonderten »Wellen«. So werden in der ersten Welle sämtliche Kandida-
ten der obersten Priorität kontaktiert. Je nach den Ergebnissen der einzelnen Wellen
werden schrittweise die verbleibenden Kandidaten angesprochen.
In aller Regel erfolgt die Ansprache im Rahmen des Versands eines Teasers. Das kurze
anonymisierte Unternehmensprofil wird in der Regel via E-Mail verschickt und soll das
grundsätzliche Interesse der Investoren wecken. Hat ein Verkäufer bereits selbst Kon-
takt zu einem möglichen Käufer hergestellt oder eine besondere Beziehung zu einem

160 Vgl. hierzu Kapitel 3, Abschnitt 3.2.3.1.


Ansprache und Sondierung Ergebnisse

1 2 3 4

 Aufdeckung der Anreize einzelner


Käufer- /Verkäufergruppen
Kontaktauf- Geheimhaltungs- Austausch Sondierungs-
 Aussagen über Synergien und
nahme vereinbarung Informations- gespräche
strategische Prämie
ggf. mehrmals memorandum
 Aufzeigen von Stellhebeln vor der
 Klärung Transaktion
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der Gesprächsbereit-
schaft

 Herstellung einer Verprobung der Marktattraktivität


Vertrauensbasis des Zielunternehmens
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Rollenwechsel
(Interessent wird zum Bewerber)

Abb. 52: Frühzeitige Einschätzung der Marktattraktivität durch intelligente Ansprache und Sondierung
4.1  Ansprache und Sondierung als Verhandlungsauftakt
141
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142 4 Transaktionsphase

potenziellen Interessenten, so kann dies in einer gesonderten und persönlichen Anspra-


che berücksichtigt werden.
In der Praxis erfolgt eine zeitnahe Rückmeldung auf den Versand des Teasers noch am
ehesten dann, wenn es sich bei dem Adressaten um einen Finanzinvestor handelt. Ins-
besondere bei strategischen Investoren sind die direkten Kontaktdaten der Ansprech-
partner oftmals nur zum Teil bekannt. Deshalb tritt bei schriftlichen Anfragen oftmals
das Problem auf, dass ihnen keine ausreichende Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Durch telefonisches Nachfassen gilt es, die angeschriebenen Investoren einzeln zu kon-
taktieren, um deren Interesse zu ermitteln. Im Einzelfall kostet es viel Zeit und Mühe,
den Kontakt zur Geschäftsführung oder, bei größeren Unternehmen, den Kontakt zu
der für die etwaige Transaktion verantwortlichen Person herzustellen.
2. Unterzeichnung der Vertraulichkeitsvereinbarung. Interessiert sich aufgrund des
Teasers ein angesprochener Käufer für die Transaktion, so bekräftigt er dies, indem er
eine Vertraulichkeitserklärung abgibt.
3. Austausch eines Informationsmemorandums. Nach der Unterzeichnung einer Ver-
traulichkeitserklärung erhält der Interessent in Form eines Informationsmemoran­
dums weitere detaillierte Informationen. Auf der Basis dieses Memorandums entschei-
det er über die Weiterverfolgung des Transaktionsprozesses und gibt idealerweise ein
indikatives Angebot ab. Erfahrungsgemäß fallen zu diesem Zeitpunkt bereits viele
Interessenten aus, da sich das Transaktionsobjekt nicht mit ihrer Geschäftsstrategie
vereinbaren lässt oder der Erwerb aus anderen Gründen nicht infrage kommt. Mögli-
cherweise fehlt der strategische Fit, ist die Größe des Transaktionsobjekts unpassend,
ist der Restrukturierungs- oder Integrationsaufwand zu groß oder reichen die finanzi-
ellen Mittel nicht aus.
4. Sondierungsgespräche. Der erste Kontakt mit den potenziellen Investoren sollte dazu
genutzt werden, sich miteinander bekannt zu machen. Dies nimmt insbesondere bei
strategischen Investoren aus dem Mittelstand eine wichtige Rolle ein, da in aller Regel
nur wenige öffentlich zugängliche Informationen vorhanden sind. Ebenso wie im Fall
des Unternehmenskaufs sollten in Sondierungsgesprächen wesentliche Punkte bevor-
zugt abgefragt werden.
Die Sondierungsgespräche finden oftmals zunächst telefonisch statt. Signalisiert ein
potenzieller Investor ernsthaftes Interesse an dem zu verkaufenden Unternehmen, so
können persönliche Treffen – zunächst nur mit den Beratern, das heißt ohne Anwesen-
heit des Verkäufers – vereinbart werden. Dies bringt eine bessere Verhandlungsposition
mit sich und wahrt die in dieser Phase gewünschte Distanz. Die Klärung der folgenden
wesentlichen Fragen ist empfehlenswert:
– Interesse versus bloße Neugier beim potenziellen Kaufinteressenten?
– Besitzt der Interessent die Fähigkeit und die notwendigen finanziellen Mittel, um
den gewünschten Kaufpreis zu zahlen sowie um das Unternehmen zu erwerben
und zu führen? Hierzu gilt es, das indikative Angebot zu prüfen.
– Ist angesichts der Interessen des potenziellen Käufers auf der einen und des Verkäu-
fers auf der anderen Seite eine realistische Einigung im Laufe des M&A Prozesses
möglich?
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4.1  Ansprache und Sondierung als Verhandlungsauftakt 143

Mit ausreichender Erfahrung kann das Informationsbedürfnis von Kaufinteressenten unter


Wahrung der Vertraulichkeit und des Schutzes des Transaktionsobjekts gestillt werden.
Wichtig ist die kontinuierliche Auswertung und Dokumentation der Ansprachen (vgl.
Abb. 53). Sollten sie nicht den gewünschten Rücklauf erbringen, so ist zu erwägen, das
Konzept der Ansprache anzupassen. Ferner ist aus Gründen des Nachweises wichtig, nach
Möglichkeit die Herausgabe von Informationen und die entsprechenden Empfänger fest-
zuhalten.
Letztlich liefert eine zielführende erste Ansprache eine belastbare Aussage über die
Marktattraktivität von Unternehmen und deckt die Kaufanreize einzelner Interessenten
bzw. Interessentengruppen auf. Im nächsten Schritt, wenn der Kreis der potenziellen
Investoren auf seinen harten Kern reduziert wurde, folgen Management-Meetings und
-präsentationen, in deren Rahmen sich alle beteiligten Parteien persönlich kennenlernen
und Transaktionsdetails ausarbeiten.

500 50 35 5 2

Interesse nach
Interessens- Interesse nach Interesse nach
Ansprache Management-
bekundung Zuleitung NDA Memorandum
präsentation

Absage  …  …  …  …

offen  …  …  …  …

Abb. 53: Auswertung der Investorenresonanz ermöglicht Strategieanpassung


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144 4 Transaktionsphase

4.1.2 Verhandlungsführung

Um ein Grundverständnis des Verhandelns zu vermitteln, werden im Folgenden die wich-


tigsten Grundlagen dargestellt.161 Dazu werden der Begriff des Verhandelns erläutert, eine
weit verbreitete Verhandlungstechnik, das sogenannte Harvard-Konzept, vorgestellt und
abschließend die Phasen einer Verhandlungsrunde sowie Taktiken und Fallen in Verhand-
lungen beschrieben. Noch einmal sei darauf hingewiesen, dass die gesamte Transaktions-
phase »durchtränkt« ist mit Verhandlungssituationen, sodass dieses Wissen elementar ist
für diese wichtige Phase eines M&A-Projekts.

4.1.2.1 Zielkonflikt

Ausgangspunkt einer Verhandlung ist stets ein Zielkonflikt, der aus den folgenden, in
Abb. 54 zusammengefassten Komponenten besteht:
yy Zwei oder mehr Parteien agieren in einer Situation.
yy Jede Partei handelt entsprechend ihren eigenen Interessen.
yy Die Beziehung zwischen den Parteien ist interdependent, weil etwa ein Austausch
(»Transaktion«) angestrebt wird.
yy Die Parteien verfolgen gegensätzliche Interessen.

Zwei oder mehr Parteien


agieren in einer Situation.

Es bestehen Interessen- Jede Partei handelt


gegensätze zwischen Zielkonflikt entsprechend ihren
den Parteien. eigenen Interessen.

Die Beziehung zwischen den


Parteien ist interdependent.

Abb. 54: Ausgangspunkt der Verhandlungssituation – Zielkonflikt

161 Empfehlenswert als eingängige und einführende Literatur zum Thema Verhandlungsführung ist etwa
Nasher 2015. Zu der Frage, ob das Eintreten in Verhandlungen im Hinblick auf den Verhandlungspartner
(»Verhandeln mit dem Teufel«) sinnvoll ist, vgl. Mnookin 2011.
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4.1  Ansprache und Sondierung als Verhandlungsauftakt 145

4.1.2.2 Begriff

Eine Verhandlung lässt sich als Versuch zur Konfliktbeilegung durch Einigung auf bilatera-
ler bzw. multilateraler Ebene definieren.162 Immer dann, wenn interdependente Interessen
zweier oder mehrerer Parteien kollidieren, sind Verhandlungen ein probates Mittel, um
diese Interessen miteinander zu vereinbaren.
Ohne dieses Werkzeug wären die Alternativen nur, dass mindestens eine der Parteien
den eigenen Standpunkt aufgibt und vollständig auf die Ziele und Interessen der Gegen-
partei eingeht, dass Dritte zur Schlichtung bemüht werden oder dass eine Einigung nicht
zustande kommt. Allen alternativen Handlungsoptionen ist jedoch gemein, dass dadurch
meist keine Pareto-optimale163 Lösung erreicht wird, sondern lediglich eine zumindest kol-
lektiv betrachtet deutlich schlechtere. Durch Verhandlungen erzielte Kompromisse erhö-
hen meist den kollektiven Wert.
Ein weiterer Vorteil des Verhandelns besteht darin, dass es kreative Prozesse umfasst,
die neue und unter Umständen bessere Lösungsideen oder Lösungswege hervorbringen.
Grundsätzlich gilt bei Verhandlungen, dass die Konfliktbeilegung der Parteien freiwillig
erfolgen muss, dass also eine gewaltsame Durchsetzung der Interessen einer Partei ausge-
schlossen wird. Diese Freiwilligkeit wird auf allen Seiten nur dann gegeben sein, wenn sich
alle Parteien davon Vorteile erhoffen.164

4.1.2.3 Verhandlungsführung

Um die eigenen Ziele zu erreichen, ist eine geschickte Verhandlungsführung notwendig.


Dies wiederum setzt die Einbeziehung von Strategien und speziellen Methoden bzw. Tech-
niken voraus.
Vor der eigentlichen Verhandlung steht zunächst die penible Vorbereitung.

4.1.2.3.1 Vorbereitung der Verhandlung


Wichtig ist, dass vor einer Verhandlung von Transaktionsverträgen die Interessenlagen und
Restriktionen der eigenen Partei, des Transaktionspartners, aber auch beteiligter Dritter
(beispielsweise Parteienvertreter/Berater, Fremdgeschäftsführer, Banken) analysiert wer-
den. Neben den inhaltlichen Aspekten spielen auch der Zeitpunkt und der Zeitrahmen eine
Rolle. Zeitdruck kann ein nicht unerheblicher Nach- bzw. Vorteil sein. Auch die einzuset-

162 Vgl. Bazerman/Mannix/Thompson 1988, S. 195 ff.


163 Ein Pareto-Optimum besteht dann, wenn es keine andere Lösung gibt, bei der mindestens eine Partei bes-
ser gestellt werden kann, ohne dass eine oder mehrere andere schlechter gestellt werden.
164 Bezieht man Verhandlung im engeren Sinne auf Verträge, so handelt es sich um den Prozess der Gesprä-
che über die Konditionen bzw. Inhalte eines – meist erst noch abzuschließenden – Vertrags. Dabei wer-
den Strukturen, Sachverhalte und Konflikte durch Kommunikation geklärt. Ziel ist eine einvernehmliche
Lösung, die die Interessen aller Parteien angemessen widerspiegelt. Ohne Verhandlungen ist bei einem
komplexen Zielkonflikt wie einer Unternehmenstransaktion eine Einigung de facto nicht möglich. In der
Regel versucht jede Partei in den Verhandlungen, ihre Interessen durchzusetzen. Dies muss jedoch in
geeigneter Art und Weise geschehen, damit der Gesamterfolg nicht beeinträchtigt oder gar infrage gestellt
wird. Einfluss auf Verhandlungen haben grundsätzlich kulturelle, ethische, moralische, aber auch gender-
spezifische Faktoren.
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146 4 Transaktionsphase

zenden eigenen Ressourcen und Kosten für die Verhandlung sollten festgelegt und bei der
Zielsetzung berücksichtigt werden (Kosten-Nutzen-Relation und Risikoabwägung).
Ausgehend vom eigenen Verhandlungsziel werden Ausgangsforderungen, mögliche
Mindestergebnisse und die Verhandlungsstrategie festgelegt. Dabei sollte man die eigenen
Stärken und Schwächen ebenso wie diejenigen des Transaktionspartners berücksichti-
gen. Es hilft auch, sich die Akteure auf der Gegenseite und deren Verhandlungshistorie
anzusehen.
Eine Stärkung der eigenen Verhandlungsposition kann erzielt werden, wenn die beste
Alternativoption für die eigene Partei bekannt ist. Diese sogenannte BATNA (best alterna-
tive to a negotiated agreement) beschreibt eine echte, realistische Alternative und damit
eine Orientierungsmarke für einen Ausstieg aus der Verhandlung, falls eine Einigung uner-
reichbar erscheint. Die BATNA sollte daher vor jeder Verhandlung für die eigene Partei aus-
gearbeitet werden. Genauso sollte nach Möglichkeit die BATNA des Transaktionspartners
analysiert werden.
Neben der BATNA sollte auch die sogenannte ZOPA (zone of potential agreement) eru-
iert werden. Diese beschreibt den Überlappungsbereich, in dem die Parteien eine Möglich-
keit für einen Abschluss sehen. Dieser Einigungsbereich wird oftmals erst im Laufe eines
M&A-Prozesses offensichtlich, da es jenseits des Transaktionspreises viele weitere »Stell-
hebel« in Transaktionen gibt und die Interessen des Transaktionspartners erst nach und
nach ersichtlich werden.
Zusammenfassend sollte eine Verhandlung erst dann aufgenommen werden, wenn ins-
besondere die folgenden Fragen hinreichend reflektiert wurden:
yy Wie sind die Interessenlage und die Restriktionen der eigenen Partei und des Transak-
tionspartners und gegebenenfalls weiterer relevanter Parteien beschaffen?
yy Wie soll in der Verhandlung vorgegangen werden – insbesondere für den Fall, dass
diese anders verläuft als geplant?
yy Wie sehen die Ausgangsforderung und das eigene Verhandlungsziel aus?
yy Welche Mindestergebnisse (»Walk-out-Linie«) sollen am Ende vorliegen?
yy Was ist die beste Alternative bei Scheitern der Verhandlungen (BATNA)?
yy Ist unter Einbeziehung der potenziellen BATNA des Verhandlungspartners und der
ZOPA eine Lösung erzielbar?
yy Wie sachlich und wie emotional soll und wird die Verhandlung geführt werden?
yy Was sind die eigenen Stärken und Schwächen sowie diejenigen des Verhandlungspart-
ners?
yy Soll Zeitdruck vermieden oder gegebenenfalls situativ aufgebaut werden?

Je nach dem psychischen Verhaltensmuster des Verhandlungspartners sollte antizipiert


werden, welche inhaltlichen und prozessualen Punkte der Gegenpartei wichtiger sind und
welche weniger.
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4.1  Ansprache und Sondierung als Verhandlungsauftakt 147

4.1.2.3.2 Das Harvard-Verhandlungskonzept
Für die eigentliche Verhandlung gibt es verschiedene Techniken und Methoden. Grundsätz-
lich kann zwischen zwei Ansätzen unterschieden werden: die harte Verhandlung, bei der
der eigene Vorteil mit allen Mitteln und im Beharren auf den eigenen Positionen gegenüber
der Gegenseite durchgesetzt werden soll, und die weiche Verhandlung, bei der durch
geschicktes Nachgeben die gute Beziehung zum Verhandlungspartner aufrechterhalten
werden soll.
Das sogenannte Harvard-Konzept165 bietet auf diese scheinbare Kontroverse eine Ant-
wort: Auf der Sachebene muss hart verhandelt werden, während man auf der Beziehungs-
ebene weich verhandelt. Das Konzept soll einen für beide Seiten vorteilhaften Ausgang der
Verhandlung ermöglichen, indem die Verhandlung sachorientiert erfolgt und bestimmte
Prinzipien beachtet werden (vgl. Abb. 55). Diese vier Prinzipien werden im Folgenden
näher erläutert.
1. Trennen Sie zwischen Person und Gegenstand. Zuerst sollten die zwischenmensch-
lichen Beziehungen auf gegenseitiges Vertrauen, gegenseitige Akzeptanz und Kommu-
nikationsfähigkeit untersucht werden. Etwaige Probleme in diesen Bereichen sollten
gelöst werden, bevor die Sachprobleme angegangen werden. Eine einigermaßen stö-
rungsfreie Beziehung ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommunikation. So kann
man beispielsweise im Fall eines Problems anstelle von Schuldzuweisungen fragen, ob
es nicht Möglichkeiten gibt, das Problem gemeinsam zu lösen. Dadurch kann das
Gespräch auf sachlicher Ebene fortgesetzt werden. Im Fall einer Schuldzuweisung hin-
gegen fühlt sich der Verhandlungspartner angegriffen und könnte sich in eine Rechtfer-
tigungs- oder Angriffsrolle drängen lassen. Die Folge wäre ein Streitgespräch, bei dem
die eigentliche Sache aus dem Blick gerät.166 In Verhandlungen sollten die Diskussionen

Trennung von Konzentration auf


Mensch und Problem Interessen

1 2

Ziel: optimaler Ausgleich der


tatsächlichen Interessen der
Verhandlungsparteien

3 4

gemeinsame Suche nach objektive


Optionen und Lösungen Beurteilungskriterien

Abb. 55: Harvard-Konzept – interessenorientierte Verhandlungsführung (Quelle: eigene Darstel-


lung in Anlehnung an Fisher/Ury/Patton 2009, S. 41 ff.)

165 Vgl. Fisher/Ury/Patton 2009.


166 Vgl. Fisher/Ury/Patton 2009, S. 41–67.
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148 4 Transaktionsphase

stets sachorientiert erfolgen und nicht an Personen und ihren Eigenschaften festge-
macht werden.
2. Feilschen Sie nicht um Positionen, sondern konzentrieren Sie sich auf Ihre Interes-
sen. Man sollte so weit wie möglich die eigenen Interessen offenlegen, ohne dabei Posi-
tion zu beziehen und gleichzeitig die Positionen des Verhandlungspartners im Hinblick
auf die hinter ihnen stehenden Interessen analysieren. Die eigentlichen Interessen bei-
der Parteien lassen sich meist auch über andere Wege bedienen – meist sogar besser als
durch eine reine Kompromisslösung.167 Ein häufig zitiertes Beispiel sind die zwei
Schwestern, die sich um eine Zitrone streiten. Jede würde die Position beziehen, dass
sie die Zitrone haben will. Als Kompromiss könnte man nun die Zitrone halbieren –
dann bekäme jede Schwester eine halbe Zitrone. Fragt man nach den eigentlichen Inte-
ressen der beiden Schwestern, so findet man heraus, dass die eine nur die Schale zum
Backen verwenden möchte, während die andere den Saft für eine Limonade benötigt.
Die Win-win-Lösung ist also, dass die eine der beiden die Schale bekommt, die andere
hingegen den Saft. Ein positiver Nebeneffekt dieser Strategie ist, dass sie eine sehr effi-
ziente Verhandlungsführung ermöglicht.
3. Entwickeln Sie möglichst viele Entscheidungsoptionen, die für alle Parteien vor-
teilhaft sind. Zurückkommend auf das Beispiel mit der Zitrone, sollte man sich nicht
mit der erstbesten Lösung zufrieden geben, die gefunden wurde und gegebenenfalls
sogar als fair erscheint. (Beide Schwestern erhalten jeweils die Hälfte der Zitrone.)
Stattdessen sollte man versuchen, gemeinsam mit dem Verhandlungspartner verschie-
dene Lösungsvarianten oder -modelle zu entwickeln. Dabei sollten sich die Verhand-
lungspartner zuerst auf die Interessen des jeweils anderen und erst dann auf die eige-
nen beziehen. Ziel ist es, Lösungsmöglichkeiten zu finden, die die Interessen aller
Beteiligten berücksichtigen. Die Transaktionspartner sollten tatsächlich als »Partner«
bei der kreativen Suche nach gemeinsamem Nutzen angesehen werden, um einen
gemeinsamem Mehrwert zu schaffen. Erst dann, wenn Lösungsmöglichkeiten gefun-
den wurden, sollten diese im Hinblick auf ihre Wirkung auf die Interessen der Verhand-
lungspartner bewertet werden.168
4. Bestehen Sie auf objektiven Beurteilungskriterien. Das Ziel sollte sein, dass unter
Einhaltung allgemeingültiger Normen, Werte und Rechtsgrundsätze eine sachliche
Übereinkunft erreicht wird, die die guten Beziehungen der Parteien nicht gefährdet. Die
Übereinkunft sollte für alle Beteiligten fair erscheinen und für sie den größtmöglichen
beiderseitigen Nutzen bieten. Neben Kriterien, die den Inhalt betreffen, lassen sich
auch faire Verfahren nutzen.169 Ein weit verbreitetes Beispiel hierfür ist die Aufteilung
eines Stücks Kuchen zwischen zwei Kindern: das eine der beiden Kinder schneidet den
Kuchen in zwei Teile, das andere wählt aus den beiden Teilen eines für sich aus.

167 Vgl. Fisher/Ury/Patton 2009, S. 68–86. Eine klassische Kompromisslösung hieße, dass jeder ein wenig
verzichten muss.
168 Vgl. Fisher/Ury/Patton 2009, S. 87–117.
169 Vgl. Fisher/Ury/Patton 2009, S. 118–135.
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4.1  Ansprache und Sondierung als Verhandlungsauftakt 149

Beim Harvard-Konzept werden grundsätzlich Übereinkünfte angestrebt, die mit der BATNA
verglichen werden können, um eine schlechte Lösung zu verhindern.170
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Harvard-Konzept über klassische Kom-
promisslösungen, die eine rein distributive Lösung bieten (»Jeder erhält ein bisschen«) hin-
ausgeht und eine sachliche Verhandlungsführung erreichen möchte, um so annähernd
eine Pareto-optimale Lösung zu finden.171

4.1.2.4 Phasen einer Verhandlungssitzung

Verhandeln erfordert (viel) Zeit. Eine Verhandlung ist als Entwicklungsprozess zu verste-
hen, der Geduld erfordert, um letztlich ein gutes Ergebnis zu erzielen. Der Zeitbedarf resul-
tiert aus verschiedenen Gründen. So werden typischerweise mit einer Verhandlung be­
stimmte Vorstellungen und Ziele verbunden, die sich aber während des eigentlichen
Gesprächs ändern können. Eine Verhandlung läuft zudem selten so ab, wie sie von der
einen oder der anderen Seite geplant wurde. Während der Verhandlung neu erhaltene
Informationen, Argumente und Vorschläge müssen geprüft und in die eigenen Vorstellun-
gen und Strategien eingearbeitet werden. Auch gilt es gelegentlich, Rückschläge und Ent-
täuschungen hinzunehmen. Wichtig ist, die Beziehungsebene immer im Blick zu behal-
ten – auch wenn sie vermeintlich geklärt ist –, um die sachliche Klärung nicht zu behindern.
Nach der Vorbereitung und der Festlegung der Verhandlungsmethode ist es wichtig,
sich die verschiedenen Phasen eines Verhandlungsgesprächs zu vergegenwärtigen und sie
für sich zu nutzen. Zu beachten ist, dass Phasen sich überlagern können und dass es je
nach dem Stand des Gesprächs notwendig sein kann, zu früheren Phasen zurückzusprin-
gen (vgl. Abb. 56, S. 150). Im Folgenden werden die einzelnen Phasen näher beschrieben.
1. Eröffnungsphase. Nach der Begrüßung, gegenseitigen Vorstellung und Bewirtung folgt
meist eine Smalltalk-Runde. Es wird noch vermieden, die eigentliche Sache anzuspre-
chen. Themen sind gemeinsame Interessen, allgemeine Themen oder positive gemein-
same Erfahrungen aus der Vergangenheit. Etwaige Anspannungen wollen beseitigt,
Vertrauen will aufgebaut und eine freundliche Verhandlungsatmosphäre will gefunden
werden. Der Moderator, in der Regel der Gastgeber, wird eventuell Formalitäten klären
(unter anderem Anwesenheit, Vollmachten, Protokollführung, Zeitplan, Pausen) und
das Gespräch anmoderieren sowie Zweck und Ziele erläutern. Je nach Verhandlung
kann auch eine Agenda vorgestellt und verabschiedet werden.
2. Informationsphase. In der Informationsphase wird der anderen Partei zunächst die
eigene Interessenlage dargelegt und begründet. Dies geht meist einher mit einem Ver-
trauensproblem, da man für die eigene Strategie vom Verhandlungspartner Informati-
onen über dessen Ziele benötigt. Bei vollständigem Misstrauen wird man höchstwahr-
scheinlich keine gemeinsame Basis finden. Andererseits kann vollständiges Vertrauen,

170 Vgl. Fisher/Ury/Patton 2009, S. 139–141.


171 Borowicz/Heiß/Schuster 2009 (mit weiteren Nachweisen), S. 77–84. Die verhandelnden Parteien müssen
sich jedoch immer wieder zwischen Wertschöpfung und Wertaneignung entscheiden. So kann der Weg
zu einer Pareto-optimalen Lösung als Gefangenendilemma gesehen werden. Daneben können mangelnde
Vorbereitung, ein begrenzter, vorgegebener Verhandlungsrahmen oder zu enge Beziehungsinteressen die
Erreichung einer Win-win-Lösung behindern.
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150 4 Transaktionsphase

1. Eröffnungsphase

2. Informationsphase

3. Integrationsphase

4. Verhandlungsphase

5. Abschlussphase

6. Nachbereitung

Abb. 56: Typische Phasen einer Verhandlungsrunde

das heißt eine große Offenheit, der Gegenpartei in die Karten spielen. Richtiges Fragen
und Zuhören ist daher bereits in dieser Phase sehr wichtig, um einen Informationsvor-
sprung zu erarbeiten. Zuhören ist hier wertvoller als Reden. Dabei sollte der Verhand-
lungspartner stets beobachtet und – insbesondere im Hinblick auf nonverbale Aus-
drucksweisen – möglichst treffend interpretiert werden.
Im Gespräch bedeutet dies, dass die Informationsphase mit der Klärung des Sachver-
halts beginnt. Als Zwischenergebnis sollten jeweils die Punkte festgehalten werden, in
denen sich die Parteien einig sind und zu denen es Diskussionsbedarf gibt. In der Infor-
mationsphase sollte sachlich und ohne Positionierung gesprochen werden; es geht um
zusammenhängende Erläuterungen ohne Unterbrechungen. Die Partei, die als erste
vorträgt, hat den Vorteil, dass der Verhandlungspartner reagieren muss und der vorge-
tragene Inhalt zunächst im Raum steht.
3. Integrationsphase. In der Integrationsphase werden anhand der dargelegten Interes-
senlagen Lösungsoptionen entwickelt und bewertet. Vorschläge sollten dabei immer
positiv formuliert werden und auf objektiven Kriterien aufbauen. In dieser Phase
kommt die Taktik des Harvard-Konzepts zum Tragen, möglichst viele gemeinsame
Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten, um somit zunächst »den Kuchen zu vergrößern«.
Es werden also noch nicht die eigenen Positionen erhoben, vielmehr werden zuerst
gemeinsam Win-win-Lösungen gesucht. Sodann werden die gefundenen Optionen
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4.1  Ansprache und Sondierung als Verhandlungsauftakt 151

bewertet und jeweils mit der eigenen besten Alternative bei Scheitern der Verhandlun-
gen (BATNA) verglichen.
4. Verhandlungsphase. In der Verhandlungsphase werden die eigenen Interessen hervor-
gehoben. Verhandlungsmacht ist die Stärke, den Verhandlungspartner zu seinen eige-
nen Gunsten zu beeinflussen. Das heißt, je eher sich die eigenen Forderungen durch-
setzen lassen, desto größer ist die Verhandlungsmacht. In die Verhandlungsmacht
fließen auch Faktoren wie Zeitdruck ein. Meist beginnt die Verhandlungsphase mit
einem Eröffnungsangebot oder einer Eröffnungsforderung. Dabei kann der Druck zum
Beispiel durch befristete oder degressive Angebote erhöht werden. Das Angebot muss
nicht unbedingt monetär sein oder als Zahl ausgedrückt werden, sondern kann auch
relativ sein oder nur die eigenen Interessen beschreiben. Gerade bei Transaktionsver-
trägen gibt es eine Vielzahl zu verhandelnder (Neben-)Schauplätze.
Ziel muss nun sein, dass sich die Parteien annähern. Dies geschieht idealtypisch
dadurch, dass jede Partei so lange nachgibt, bis beide sich einigen. Eine Annäherung
kann über Konzessionen, aber auch über eine Zugabe (»die Winterräder beim Autover-
kauf«) erfolgen. Wichtig ist, dass man möglichst vermeidet, als erster ein Zugeständnis
zu machen, sondern dies der Gegenpartei abringt. Zugeständnisse sollten immer auf
der Basis sachlicher Argumente erfolgen und nicht im Sinne eines reinen Feilschens.
Sie erfolgen in kleiner werdenden Schritten, um so der Gegenseite zu vermitteln, dass
es eine Schmerzgrenze gibt, die nicht überschritten werden sollte.
Wenn beide Parteien bei ihren »Limits« angekommen sind, ohne eine Einigung herbei-
geführt zu haben, kann versucht werden, das Dilemma zu lösen, indem etwa eine ver-
bleibende Differenz halbiert wird, man sich also in der Mitte trifft. Falls die Verhand-
lungen in eine Sackgasse geraten sind, gibt es die Möglichkeit der objektiven, das heißt
nicht wertenden Hinterfragung der Position der Gegenseite. Ebenso kann eine Teileini-
gung oder Zwischenlösung gefunden oder die Verhandlung vertagt werden. In einigen
Fällen macht der Verhandlungsgegner ein (glaubhaftes) »Friss oder stirb«-Angebot, das
in Ruhe und sachlich geprüft werden sollte.
5. Abschlussphase. Ist eine Einigung in Sicht, so kann es nochmals kritisch werden und
eine Fixierung auf den Abschluss sollte tunlichst noch vermieden werden. Häufig wer-
den in dieser Phase vom Verhandlungspartner noch Nachforderungen gestellt. Hat man
das Ende der (anstrengenden) Verhandlung und den Abschluss vor Augen, so lässt man
sich leichter auf Zugeständnisse ein, nur um die vermeintliche Einigung nicht zu
gefährden. Ein probates Mittel kann gegebenenfalls sein, Gegenforderungen zu stellen.
Ist eine Einigung erzielt, so muss diese zeitnah und von allen Parteien übereinstim-
mend festgehalten werden, damit es bei der anschließenden schriftlichen Vertragsum-
setzung nicht zu Missverständnissen kommen kann. Ebenso klar muss geregelt wer-
den, welche Partei für welchen Teil der Umsetzung des Vertrags zuständig ist und wie
der weitere Verlauf gestaltet werden soll.
Ähnlich wie in der Begrüßung sollte man auch am Ende der Verhandlung einen positi-
ven Ausklang finden und dem Verhandlungspartner das Gefühl der Wertschätzung
geben – auch wenn es (noch) nicht zu einer letztgültigen Einigung gekommen ist.
6. Nachbereitung. Im Nachhinein kann man die Verhandlung, deren Ablauf im Einzelnen
und die eigene Verhaltensweise sowie diejenige der Gegenpartei analysieren und eine
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152 4 Transaktionsphase

»Manöverkritik« üben, um Erkenntnisse für künftige Verhandlungen zu gewinnen. Dies


gilt analog für Verhandlungen, die in mehreren Etappen stattfinden.

4.1.2.5 Taktiken und Fallen in Verhandlungen

Auch wenn sich die Parteien bemühen, eine Win-win-Situation herzustellen, handeln sie
letztlich doch nach dem Ziel, die eigenen Interessen bestmöglich durchzusetzen. Es kann
sein, dass Verhandlungspartner auch den »Win-win-Pfad« verlassen und überfallartig
opportunistisch handeln. Darauf sollte man permanent gefasst sein und reagieren können.
Will man selbst versuchen, die Gegenseite in eine »Falle« zu locken, so ist zu bedenken,
dass dies zu einer Verschlechterung der zwischenmenschlichen Beziehungen führen
könnte und dass es in der Folge schwerer werden könnte, zwischen der Person und der
Sache zu trennen.
Wichtige psychologische Taktiken und Fallen sind:
yy die Freundschaftstaktik,
yy die »Fuß in der Tür«-Taktik,
yy die Formulierungstaktik,
yy das eskalierende Commitment,
yy die Ausnutzung des Reziprozitätseffekts,
yy die Konsistenzfalle,
yy unreflektierte Annahmen,
yy die Verknappungstaktik und
yy Entscheidungsmüdigkeit.

Im Folgenden werden diese Taktiken und Fallen näher erläutert.

4.1.2.5.1 Die Freundschaftstaktik
Bei dieser sehr häufig eingesetzten Taktik versucht ein Verhandlungspartner, dem anderen
eine freundschaftliche Beziehung vorzutäuschen. Dazu werden zum Teil private Gemein-
samkeiten und Übereinstimmungen außerhalb der eigentlichen Sache betont und eine
besonders freundliche Atmosphäre geschaffen. Die Gegenseite soll ein positives emotiona-
les Verhältnis zur eigenen Person aufbauen.
Eine Erweiterung dieser Taktik besteht in der »Good guy, bad guy«-Taktik. Hierbei spie-
len zwei Personen derselben Partei jeweils eine bestimmte Rolle: Die eine fordert mit viel
Härte, die andere gibt sich als verständnisvolle Freundin der Gegenseite aus.172
Wichtig ist hier also, innerlich einen ausreichenden emotionalen Abstand zu wahren
(»Geschäft ist Geschäft und Schnaps ist Schnaps«).

4.1.2.5.2 Die »Fuß in der Tür«-Taktik


Diese Manipulationstechnik setzt auf die sukzessive Anhebung einzelner Forderungen, die
man in ein Ähnlichkeitsverhältnis bringt. Die Erstforderung sollte so gewählt sein, dass die
Gegenpartei diese kaum ablehnen kann. Nachfolgende Forderungen müssen dann in

172 Vgl. Jung/Krebs 2016, S. 211–213.


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4.1  Ansprache und Sondierung als Verhandlungsauftakt 153

einem ähnlichen Kontext und Stil gehalten werden. Da die Gegenpartei bereits auf die erste
Forderung eingegangen ist, erhöht sich die Chance, dass sie auch weiteren, ähnlichen
­Forderungen zustimmt.
Angesichts dieser Taktik gilt es, gute Nerven zu bewahren und jede Forderung neu zu
bewerten.173

4.1.2.5.3 Formulierungstaktik
Typischerweise treffen Menschen ihre Entscheidungen bezüglich einer an sie gestellten
Forderung in Abhängigkeit davon, wie die Forderung formuliert wurde. Gerade im Bereich
der Zahlen macht es einen Unterschied, ob absolute Werte, Differenzbeträge oder prozen-
tuale Werte betrachtet und in welchem Verhältnis zueinander sie formuliert werden. Jede
Abbildung eines Angebots oder einer Forderung sollte also nach einem in sich stimmigen,
einheitlichen System umformuliert und erst dann bewertet werden.

4.1.2.5.4 Eskalierendes Commitment
Typischerweise neigen Menschen dazu, sich bei ihren Entscheidungen von anderen Ent-
scheidungen beeinflussen zu lassen, die sie in der Vergangenheit getroffen haben. Sie füh-
len sich einer Entscheidung aus der Vergangenheit gegenüber verpflichtet und stützen
diese durch die Bereitstellung weiterer Investitionen (Zeit, Geld, weitere Ressourcen). Ein
solches Verhalten kann dazu führen, dass Entscheidungen getroffen werden, obwohl sie
mit hoher Wahrscheinlichkeit ineffektiv sind, dass der Entscheider also »schlechtem Geld
gutes hinterherwirft«.
Um dieser irrationalen Eskalation zu entgehen, sollten bei Entscheidungsfindungen
Investitionen aus der Vergangenheit möglichst ausgeblendet und die Problemstellung für
sich neu betrachtet werden.174

4.1.2.5.5 Ausnutzung des Reziprozitätseffekts


Hier wird der Umstand ausgenutzt, dass ein Verhandlungspartner sich in der Schuld seines
Gegenübers fühlt, da dieser ihm bereits Zugeständnisse gemacht hat. Das Gegenüber B
spielt also mit dem schlechten Gewissen des Verhandlungspartners A.175
Besonders erfolgreich ist dies, wenn man eine eigene hohe (überzogene) Ausgangsfor-
derung wieder zurücknimmt und der Gegenpartei deutlich entgegenkommt. Damit sugge-
riert man, dass man bereits einen schmerzlichen Beitrag zur Erzielung einer Einigung
geleistet habe. Allerdings muss die Ausgangsforderung noch in einem als realistisch ein-
schätzbaren Rahmen bleiben, da sie ansonsten nicht ernst genommen wird.

4.1.2.5.6 Die Konsistenzfalle
Menschen hängen gerne an einmal getroffenen Entscheidungen, vor allem dann, wenn sie
vorteilhaft für sie waren. Eine geschickte Verhandlungspartei A nutzt diesen Hang zur Kon-
sistenz der Gegenseite B aus, indem sie B zunächst dazu bewegt, sich für eine bestimmte

173 Vgl. Jung/Krebs 2016, S. 197 f.


174 Vgl. Staw/Ross 1987, S. 12–47.
175 Vgl. Edmüller/Wilhelm 2016, S. 155–157.
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154 4 Transaktionsphase

Kompromisslösung zu entscheiden. Daraufhin erklärt sie, dass diese Lösung objektiv unre-
alistisch und nicht möglich sei. In der Folge ringt Partei A der Gegenseite B kleinere alter-
native Zugeständnisse ab. Sobald B diese Zugeständnisse macht, erklärt A den ersten
Lösungsvorschlag von B nun doch für möglich. Nun wird A die Gegenseite B leichter dazu
bewegen können, zusätzlich zu den bereits gewährten alternativen Zugeständnissen auch
noch der ersten, bereits einmal abgestimmten Lösung zuzustimmen.
Um der Konsistenzfalle zu entgehen, sollten frühere Entscheidungen, die vermeintlich
nicht umsetzbar waren, regelmäßig neu überdacht und beurteilt werden.

4.1.2.5.7 Unreflektierte Annahmen
Die Neigung, Annahmen zu treffen, ohne zuvor die gegebenen Informationen gründlich
zu analysieren, ist besonders dann häufig zu beobachten, wenn eine Information in den
Vordergrund gestellt wird, die eine schnelle und schlüssige Annahme verspricht. Daher
sollte man sich für die eigene Meinungsbildung Zeit lassen und versuchen, alle relevanten
Informationen unvoreingenommen zu bewerten – auch diejenigen, auf die man erst
zurückschließen muss.

4.1.2.5.8 Die Verknappungstaktik
Die Verknappungstaktik wird in vielen Verhandlungen eingesetzt, so etwa bei Immobilien-
oder Pkw-Transaktionen. Sie setzt darauf, dass das Gut als limitiert dargestellt wird und
dass angeblich eine hohe Nachfrage nach ihm besteht. Dadurch wird das Verhandlungsob-
jekt für den potenziellen Käufer attraktiver mit der Folge, dass seine Zahlungsbereitschaft
zunimmt.
Man sollte daher seine Entscheidungen unabhängig vom Druck eines Auktionsprozes-
ses treffen. Eine Verhandlung führt insbesondere dann zu guten Ergebnissen, wenn man
jederzeit bereit ist, sie auch ohne Einigung zu beenden.

4.1.2.5.9 Entscheidungsmüdigkeit
Gerade bei langen Verhandlungen mit einer Vielzahl von Entscheidungen, die zu treffen
sind, kommt es nach einer gewissen Zeit zu Entscheidungsmüdigkeit. Der Entscheider
stimmt Dingen zu, denen er eigentlich nicht zustimmen wollte, und unterlässt Forderun-
gen, die zu stellen er sich vorgenommen hatte. Dies kann ein geschickter Verhandlungs-
gegner ausnutzen, indem er am Ende der Verhandlung neue Sachverhalte auf den Tisch
bringt und seinerseits kleinere Nachforderungen stellt. Oftmals wird solchen Nachforde-
rungen unreflektiert zugestimmt, um die Beendigung der Verhandlung zu beschleunigen
und den Erfolg der Verhandlung als Ganzes nicht schlussendlich zu gefährden.
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4.2  Zusammenarbeit der Transaktionsparteien 155

4.2 Zusammenarbeit der Transaktionsparteien

Die vorvertragliche Verhandlungsphase eines M&A-Prozesses, also der Zeitraum vom ers-
ten Kontakt bis zum »Deal Closing«, ist – neben dem einenden Transaktionsinteresse – von
gegenläufigen Prozessinteressen beider Seiten geprägt. Auf der Käuferseite besteht ein
Interesse an Informationen bzw. einer möglichst frühen Offenlegung der Daten, auf der
Verkäuferseite legt man Wert auf Geheimhaltung bzw. auf eine möglichst späte Offenle-
gung der Daten.
Um das Zusammenspiel beider Marktseiten trotz der teils bestehenden Interessendiver-
genzen zu ermöglichen, werden Spielregeln (sogenannte vorvertragliche Instrumente) ver-
einbart, die je nach Ausgestaltung lediglich eine moralische oder aber zusätzlich auch eine
juristische Bindungswirkung erzeugen. Die Erarbeitung dieser Spielregeln findet unter
wechselseitiger Abstimmung zwischen beiden Marktseiten statt, sodass hier eine integ-
rierte Sichtweise sinnvoll erscheint.
Nach der Darstellung der inhaltlichen Anforderungen und der praktisch relevanten
Konfliktbereiche folgt die Zweckbestimmung des jeweiligen vorvertraglichen Instruments
im M&A-Prozess.

4.2.1 Grundlagen

Das vorvertragliche Stadium ist grundsätzlich von Informationsasymmetrien und tenden-


ziellem Misstrauen geprägt, da die beiden Marktseiten einerseits gegenläufige Interessen
verfolgen und andererseits unsicher bezüglich der Frage sind, ob die Transaktion zustande
kommen wird.176 Daher sind beide Vertragsparteien in der vorvertraglichen Verhandlungs-
phase daran interessiert, die Zusammenarbeit durch den Austausch vorvertraglicher Inst-
rumente zu regeln und ihre jeweiligen Interessen abzusichern. Abb. 57 (S. 156) vermittelt
einen Überblick über die wesentlichen Regelungen, die entlang des M&A-Prozesses ideal-
typisch zum Einsatz kommen.

4.2.2 Vertraulichkeitsvereinbarung

Im M&A-Prozess ist der Austausch sensibler Unternehmensinformationen unumgänglich.


Die Vertraulichkeitsvereinbarung (non-disclosure agreement oder kurz NDA, auch confi-
dentiality agreement) wird in aller Regel von der verkaufenden Partei erstellt. Sie bestimmt,
wie alle beteiligten Parteien mit den vertraulichen Informationen umzugehen haben, die
im Lauf der vorvertraglichen Phase über das Transaktionsobjekt ausgehandelt werden.
Die Geheimhaltungspflicht soll sicherstellen, dass die preisgegebenen Informationen
nicht zum Nachteil des zu verkaufenden Unternehmens oder Verkäufers verwendet wer-
den, insbesondere für den Fall, dass die Transaktion nicht zustande kommt. Es geht um die
Vermeidung von Indiskretionen, um beispielsweise Kunden oder Kreditgeber hinsichtlich

176 Vgl. Picot 2013, S. 287 f.


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156 4 Transaktionsphase

NDA Term Sheet / MoU / LoI


Teaser (fortlaufend)

1 3

Ansprache/ vorvertragliche Management- Signing,


Sondierung Verhandlungen präsentation Closing

Procedure Letter
Informationsmemorandum/
Akquisitionsmemorandum

Abb. 57: Zusammenarbeit und Meilensteine im M&A Prozess

des wirtschaftlichen Zustands und der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens nicht
zu verunsichern.177 Ferner kann in einem Bieterverfahren die Herausgabe von Informatio-
nen an verschiedene Kaufinteressenten schnell unüberschaubar werden. So gilt es, mittels
NDA die Vertraulichkeit möglichst sämtlicher Informationen sicherzustellen.178
Ein wichtiger Regelungsgegenstand ist die Festlegung der Ansprech- und Kontaktperso-
nen auf beiden Seiten. So kann eine Prozesshygiene für alle weiteren Verhandlungen
sichergestellt werden; dies ist insbesondere für Zielgesellschaften in der Krise relevant. So
kann vermieden werden, dass Interessenten sich beispielsweise mit finanzierenden Ban-
ken oder sonstigen Gläubigern zusammentun in der Absicht, am Verkäufer vorbei über das
Zielunternehmen zu verhandeln.
Grundsätzlich kann die Vertraulichkeit durch eine einseitige oder eine zweiseitige
Erklärung protokolliert werden. Im ersten Fall spricht man von einer Vertraulichkeitserklä-
rung, im zweiten von einer Vertraulichkeitsvereinbarung. Im Fall eines verkäuferseitig
betriebenen M&A-Prozesses sind in der Praxis einseitige NDA üblich. Zweiseitige NDA sind
beispielsweise im Rahmen von Kooperationen relevant, wenn die beteiligten Unternehmen
einander hierfür ihre Geschäftspläne offenlegen müssen, oder aber wenn der Kaufinteres-
sent im Rahmen eines käuferseitig betriebenen M&A-Prozesses vermeiden will, dass sein
(breites) Kaufinteresse bekannt wird.
Die Inhalte einer NDA sind typischerweise an die jeweilige Transaktion anzupassen
und oftmals mit der Gegenseite abzustimmen. Die Ausgestaltung von Vertragsdetails hängt

177 Vgl. Hölters 2015b, S. 53.


178 Vgl. Semler 2015, S. 792–794.
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4.2  Zusammenarbeit der Transaktionsparteien 157

von der Verhandlungsstärke der Vertragsparteien ab und wird damit zum ersten »Kräfte-
messen«. Wesentliche Inhalte der NDA sind die folgenden (vgl. auch Abb. 58, S. 158):179
yy Präzise Definition von vertraulichen Informationen. Dabei ist insbesondere darauf
einzugehen, auf welche Informationen (Unterlagen, Dokumente, Daten) in welcher
Form (mündlich, schriftlich, beobachtet) die Vertraulichkeitserklärung bezogen wer-
den soll. Problematisch und daher grundsätzlich ausgenommen sind Informationen,
die beispielsweise dem Kaufinteressenten bereits vor der Kontaktaufnahme vorliegen.
yy Bestimmung des Verwendungszwecks. Der Nutzungsumfang ist auf den Zweck der
Prüfung der Transaktion zu beschränken. Hiermit wird etwa eine wettbewerbsstrategi-
sche Nutzung ausgeschlossen.
yy Weitergabe der Informationen. Die Weitergabe hat nur im Rahmen der zuvor defi-
nierten Nutzung zu erfolgen und darf an Dritte nur unter Wahrung der Vertraulichkeit
erfolgen.
yy Kontaktaufnahme. Um die Diskretion zu wahren, müssen konkrete und ausschließli-
che Kontaktpersonen auf Käufer- und Verkäuferseite bestimmt werden.
yy Abschriften, Rückgabe und Vernichtung der gewährten Informationen. Hier wird
festgelegt, ob die Informationen zurückzugeben oder lediglich zu vernichten sind. Aus-
nahmen sind zu definieren. Zudem sind Regelungen für Sonderfälle zu finden, so etwa
im Fall eines unverhältnismäßig hohen Aufwands bei elektronisch gespeicherten Infor-
mationen und für Informationen, die in internen Vorstandssitzungsprotokollen des
Interessenten enthalten sind.
yy Geltungsdauer. Durch sie wird der Zeitraum festgelegt, für den die Geheimhaltungs-
pflichten gelten, wobei zwei Jahre nach Vertragsunterzeichnung üblich sind.
yy Haftungsausschluss. Hier ist zu regeln, ob und inwieweit der Verkäufer die Richtigkeit,
Vollständigkeit und Aktualisierung der Informationen zu gewährleisten hat.
yy Vertragsstrafe. Die Vertraulichkeit wird in der Regel durch Vertragsstrafen abgesichert,
die bei Nichteinhaltung verhängt werden.
yy Sonstige Regelungen. Diese betreffen etwa ein Verbot der Abwerbung von Mitarbei-
tern des Transaktionsobjekts, Beweislastregelungen, die Rechtswahl und den Gerichts-
stand sowie die Schlussbestimmungen und die salvatorische Klausel.

Die rechtliche Durchsetzbarkeit von Vertraulichkeitserklärungen wird in Literatur und Pra-


xis kontrovers diskutiert. Zwar kann die Verletzung der Geheimhaltungspflichten Schaden-
ersatzansprüche auslösen, jedoch gelingt der Nachweis einer Vertragsverletzung und eines
daraus resultierenden Schadens nur sehr schwer. Insbesondere deswegen findet sich in
vielen Vertraulichkeitsregelungen eine sogenannte Vertragsstrafenregelung. Diese Verein-
barung unterstellt eine monetär bezifferte Schadenshöhe und nennt einen konkreten
Betrag, zum Beispiel für einen einzelnen oder mehrmaligen Bruch oder für jeden einzelnen
Bruch der vereinbarten NDA. Damit entfällt nicht etwa die Pflicht, eine vertragsverletzende
Handlung darzulegen und nachzuweisen und die Kausalität der Handlung für den behaup-
teten Schaden nachzuweisen. Sie erleichtert jedoch die oftmals unmögliche Darlegung und
Bezifferung des tatsächlich entstandenen Schadens der Höhe nach.

179 Vgl. Ettinger/Jaques 2012, S. 166.


158

1 Vertraulichkeitserklärung

Ersteller  in der Regel der Verkäufer

Funktion  Wahrung der Vertraulichkeit

 präzise Definition des Terms  Geltungsdauer


»vertrauliche Information«  Haftungsausschluss
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4 Transaktionsphase

 Bestimmung des Verwendungszwecks  Vertragsstrafe


Typische  Weitergabe von Informationen  Verbot der Abwerbung von Mitarbeitern
Inhalte  Bestimmung Abschrift, Rückgabe,  Beweislastregelungen
Vernichtung gewährter Informationen  Rechtswahl/Gerichtsstand
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 Benennung exklusiver Kontaktper-  Schlussbestimmungen Die Verhandlungssituation


sonen beginnt spätestens mit
 salvatorische Klausel
dem Austausch der
 eingeschränkt Vertraulichkeitserklärung.
Rechtliche
 Grund: Pflicht des Nachweises einer Vertragsverletzung und des daraus
Bindungs-
resultierenden Schadens
wirkung
 »moralische Verpflichtung«/konsistentes Verhalten

 Umfang der Geheimhaltungsverpflichtung


 Umfang der Käuferhaftung bei Vertragsverstößen
 Aufnahme eines Verkäufer-Haftungsausschlusses (Richtigkeit, Vollständigkeit,
Interessen- Aktualisierung geheimer Informationen)
konflikte
 Rückgabebestimmungen
 Laufzeit und Umfang des Kontaktaufnahme- und Abwerbeverbots
 Laufzeit und Umfang von Vertragsstrafen

Abb. 58: Vertraulichkeitserklärung als erstes Kräftemessen


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4.2  Zusammenarbeit der Transaktionsparteien 159

In jedem Fall begründet eine unterzeichnete NDA eine gewisse moralische Verpflich-
tung und schreckt gegen einen allzu leichtfertigen Umgang mit erkennbar vertraulichen
Informationen des Verhandlungspartners ab – und nicht zuletzt verdeutlicht sie dem Ver-
handlungspartner gegenüber die Ernsthaftigkeit des Interesses an weiteren Gesprächen.
Hierbei gilt: Je aktueller die Selbstverpflichtung zur Wahrung der Vertraulichkeit ist, desto
stärker beeinflusst sie in aller Regel das eigene Verhalten.
Letztlich gehört die Vertraulichkeitserklärung zum Standard einer jeden M&A-Transak-
tion. Nach deren Unterzeichnung können Informationen ausgetauscht, der Name des Ziel­
objekts aufgedeckt und erste persönliche Gespräche geführt werden.180

4.2.3 Procedure Letter

Der Procedure Letter wird meist zusammen mit dem Informationsmemorandum oder
Exposé an die Interessenten verschickt und meist durch die Investmentbank oder den
M&A-Berater der Verkäuferseite angefertigt. Neben zeitlichen Vorgaben zur Erreichung
wesentlicher Meilensteine im Transaktionsprozess beschreibt der Procedure Letter auch
inhaltliche Vorgaben für weiterführende Vertragsdokumente (vgl. auch Abb. 59).181 Die
Vorgaben lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

2 Procedure Letter

Ersteller  in der Regel der Verkäufer

Funktion  Projektfahrplan

Verbindliche Vorgabe von Prozess-Meilensteinen


Typische  inhaltliche und zeitliche Vorgaben: indikatives Der Verkäufer
Inhalte Angebot und weiteres Vorgehen »gibt typischerweise
 Due-Diligence-Zeiträume das Tempo vor«.

Rechtliche
 keine
Bindungswirkung

Interessen-  Anforderungen an das indikative Angebot


konflikte  zeitliche Abstimmung der Meilensteine

Abb. 59: Procedure Letter als Projektfahrplan

180 Vgl. Wegmann 2013, S. 86–88.


181 Vgl. Raddatz/Nawroth 2012, S. 28.
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160 4 Transaktionsphase

yy Inhaltliche Vorgaben. In der Regel Aufbau und notwendige Inhalte des indikativen
Angebots (auch möglich für bindendes Angebot und Kauf-/Verkaufsvertrag).
yy Zeitliche Vorgaben. Zeitliche Festlegung der wesentlichen Schritte bis hin zum Ver-
tragsabschluss (Fristen für indikative Angebote, Managementpräsentation, Absichtser-
klärung, Zeitraum der Due Diligence, Zeitplan für Verhandlung, Signing und Closing).

Abb. 60 (S. 161) gibt eine mögliche Ausgestaltung wieder. Die Vorgaben des Procedure
­Letter zur strukturierten Vorgehensweise sind insbesondere gegenüber Interessenten rele-
vant, die sich erstmals mit einem M&A-Prozess auseinandersetzen. So mag es zunächst
Unverständnis erzeugen, sich einem festgelegten Ablauf zu unterwerfen. Ferner konfron-
tiert der Procedure Letter Interessenten damit, dass sie sich in einer Wettbewerbssituation
mit anderen Interessenten befinden.182

4.2.4 Term Sheet, Letter of Intent und Memorandum of Understanding

Die vorvertraglichen Instrumente Term Sheet, Absichtserklärung / Letter of Intent (LoI)


und Memorandum of Understanding (MoU) werden im Schrifttum oftmals voneinander
abgrenzt; in der Praxis werden die Bezeichnungen teilweise nicht klar unterschieden und
gerne synonym verwendet.
Obwohl der LoI eine einseitige Fixierung der Verhandlungsposition des Käufers dar-
stellt, wird er in der Regel von beiden Parteien unterzeichnet. Grundsätzlich entwickelt
sich ausgehend von dem eher formlos gestalteten Term Sheet (»Aufzählungsstil«) im Laufe
des Prozesses der ausformulierte Letter of Intent bzw. das Memorandum of Understanding.
Diese sind dann wiederum Grundlage für den abschließenden Kaufvertrag.
Das Term Sheet dient als Diskussions- und Arbeitspapier. Es hält als erste formlose
Dokumentation die Zwischenergebnisse der bisherigen Verhandlungsrunden schriftlich
fest. Je nach Verhandlungsstand beinhaltet ein Term Sheet idealerweise neben der Trans-
aktionsbeschreibung in unterschiedlichem Detailierungsgrad auch Ausarbeitungen hin-
sichtlich der angestrebten Transaktionsstruktur und der Prozesselemente (unter anderem
Due Diligence, Zeitrahmen).183
Im Zuge der Verhandlungen und der Aufnahme weiterer Teilaspekte in das Arbeitspa-
pier, entwickelt sich das Term Sheet dadurch, dass sukzessive weitere Teilaspekte integriert
werden, zu einer sogenannten Absichtserklärung – dem LoI, einer eher einseitigen Absichts-
erklärung des Käufers, bzw. dem MoU, einer eher beidseitigen Erklärung.
Eine Absichtserklärung fixiert einvernehmlich, wie bereits das Term Sheet, das geplante
Transaktionsvorhaben und konkretisiert die bisherigen Verhandlungsergebnisse. Des Wei-
teren deklariert das Dokument die Ernsthaftigkeit der bisherigen Gespräche und die Bereit-
schaft der Parteien, über einen Vertragsabschluss zu verhandeln, und schafft damit eine
gemeinsame Vertrauensbasis.

182 Vgl. Arlinghaus/Balz 2007, S. 83.


183 Vgl. Semler 2015, S. 797 f.
XX. Juli 20XX
Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die Unterzeichnung der Vertraulichkeitserklärung Bitte nennen Sie auch die auf Ihrer Seite mit dem Projekt befassten Personen
und Ihr Interesse an Projekt […]. und Parteien (ggf. auch Berater). Falls Sie nichts anderes erklären, gehen wir
davon aus, dass eine mögliche Transaktion auf Ihrer Seite nicht unter
Unsere Auftraggeber sind die Inhaber der [zu verkaufenden Zustimmungs- oder Gremienvorbehalten oder sonstigen aufschiebenden
Unternehmensgruppe] mit Sitz [Deutschland]. Bedingungen steht.
Die weiteren Schritte bis hin zu einem möglichen Vertragsabschluss werden
Mit anliegendem Informationsmemorandum zur Unternehmens- individuell abgestimmt. Der weitere Ablauf ist wie folgt geplant:
gruppe erhalten Sie wesentliche Informationen, Finanzdaten
und einen Vorschlag zur angestrebten Transaktionsstruktur. • Einreichung eines indikativen Angebots bis zum 5. August 20XX
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• Vertiefende Gespräche, Betriebsbesichtigung und Managementgespräche


Sollte sich Ihr Interesse, nach Sichtung des Exposés, bekräftigen, bis Ende August 20XX
laden wir Sie ein, bis zum 5. August 20XX ein indikatives Angebot • ggfs. Absichtserklärung/Letter of Intent Ende August 20XX
zur Übernahme der/zum Einstieg in die Unternehmensgruppe • Due Diligence/Prüfungen ab September 20XX
abzugeben. Bitte berücksichtigen Sie beim Aufbau Ihres Angebots • Verhandlungen/Vertragsabschluss (Signing) bis Ende Oktober 20XX
folgende Punkte:
Wir sichern Ihnen streng vertrauliche Behandlung in jedem Prozessschritt zu.
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1. Bestätigung Ihres Interesses zur Übernahme der Unternehmens- Wir bitten Sie, entsprechend der Vertraulichkeitserklärung im Zusammenhang
gruppe unter Benennung des Transaktionsgegenstands mit der Transaktion ausschließlich mit der M&A-Beratung in Kontakt zu treten.
2. Erläuterungen zur angestrebten Transaktionsstruktur (z. B. Asset Für Ihr Interesse und das uns entgegengebrachte Vertrauen möchten wir uns bei
Deal oder Share Deal, Beteiligungshöhe, ggf. Managementbeteiligung) Ihnen bedanken. Bei Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
2. Benennung des voraussichtlichen Erwerbers (Rechtsperson)
4. Unverbindliche Einschätzung/Indikation des Unternehmenswertes Mit freundlichen Grüßen
bzw. des Kaufpreises für eine 100%-Übernahme (unter Vorbehalt
einer noch zu tätigenden Due-Diligence-Prüfung) und Erläuterung »M&A-Beratungsgesellschaft ABC«
Ihrer Bewertung
5. Darstellung der Finanzierung der Übernahme (ggf. Nachweis/
Letter of Comfort einer finanzierenden Bank)
6. Erläuterung Ihres Übernahmekonzepts und Ihrer Überlegungen
zeitliche Vorgaben für weiteres
zur strategischen Weiterentwicklung der Unternehmensgruppe
Vorgehen
4.2  Zusammenarbeit der Transaktionsparteien

und potenzieller Synergien

inhaltliche Vorgaben für


das Indikative Angebot
161

Abb. 60: Projektbeispiel Procedure Letter


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162 4 Transaktionsphase

Solche Dokumente sind insbesondere im Rahmen komplexer und zeitlich langwieriger


Verhandlungen sinnvoll, werden aber keineswegs bei allen Transaktionen abgefasst. In
jedem Fall ist die Dokumentation einer unverbindlichen Absichtserklärung ein probates
Instrument für eine verlässliche und konsistent fortgesetzte Verhandlungsführung.

WICHTIG
Vorsicht bei der Formulierung!
Bei der Formulierung eines LoI/MoU ist höchste Vorsicht geboten. Der Lol bzw. das MoU
soll im Hinblick auf den Abschluss eine unverbindliche Absichtserklärung sein und keinen
definitiven Anspruch auf Abschluss eines Kauf- bzw. Verkaufsvertrags begründen. Dies
wird entsprechend in der Absichtserklärung festgehalten. Ein Formulierungsvorschlag
könnte wie folgt aussehen:
Durch Unterzeichnung dieser Absichtserklärung bestätigen die Parteien ihre in diesem
Dokument niedergelegten Absichten, ohne dass hieraus eine rechtlich bindende Verpflich-
tung zum Kauf oder Verkauf von Geschäftsanteilen oder Vermögensgegenständen des
Transaktionsobjekts begründet wird. Diese Absichtserklärung ist vielmehr die Grundlage
von Verhandlungen zwischen den Parteien über den Abschluss eines verbindlichen Ver-
tragswerks zum Abschluss der angestrebten Transaktion; eine rechtlich bindende Verpflich-
tung kommt erst mit Abschluss dieses Vertragswerks zustande.

In der Literatur, aber auch in der Praxis mangelt es bei den beiden vorgestellten Arten von
Absichtserklärungen – LoI und MoU – an einer einheitlichen Unterscheidung. Während der
LoI grundsätzlich eine einseitig abgegebene Absichtserklärung darstellen soll, wird das
MoU von mehreren verhandelnden Parteien unterschrieben. Im Kontext großer Transakti-
onen wird das MoU auch gerne als komprimierte Zusammenfassung der Verhandlungser-
gebnisse zur Vorlage für den Vorstand verwendet.184
Die Inhalte eines LoI bzw. MoU sind nicht standardisiert, umfassen jedoch idealer-
weise alle wesentlichen konzeptionellen, rechtlichen, finanziellen und steuerlichen As-
pekte der beabsichtigten Transaktion. Typische Komponenten sind die folgenden (siehe
auch Abb. 61, S. 163):185
yy Präambel. Die Präambel fasst die Grundlage der gemeinsamen Gespräche zusammen.
Neben der Geschäftstätigkeit des Erwerbers, des Transaktionsobjekts und des Verkäu-
fers sollten in ihr das gemeinsame Interesse und die Ernsthaftigkeit des Erwerbsinter-
esses dargelegt sein.
yy Beschreibung der Transaktion/Definition des Kaufgegenstands. Neben der Trans-
aktionsform (Asset Deal oder Share Deal) sind hier die Rahmendbedingungen der mög-
lichen Transaktion festgelegt (unter anderem Zahl der Anteile, Immobilien, Gesell-
schafterdarlehen).
yy Kaufpreis. Diese Komponente umfasst insbesondere Angaben zum Mechanismus der
Kaufpreisbestimmung, zur Höhe des Kaufpreises und zu etwaigen Kaufpreisanpassun-

184 Vgl. Semler 2015, S. 796 f.


185 Vgl. Merkt/Göthel 2011, S. 25 f.
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4.2  Zusammenarbeit der Transaktionsparteien 163

3 LoI und MoU

 LoI: in der Regel der Käufer


Ersteller
 MoU: in der Regel beidseitig

 unverbindliche Absichtserklärung – kein Erfüllungsanspruch


Funktion  ggf. Exklusivität und Vertragsstrafen
 ggf. Regelungen zur Schadensersatzpflicht bei einem Scheitern
der Verhandlungen

 Zustimmungserfordernisse
 Beschreibung der Transaktion
 Gewährleistungen
Typische  Definition des Kaufgegenstands
 Haftungsfragen
Inhalte  Kaufpreis (Ermittlung, Höhe,
Anpassung)  Wettbewerbsbeschränkung frühzeitige
 Exklusivitätsvereinbarungen  Geheimhaltung Verankerung
der Partei-
 Bindungswirkung steht zur Disposition der Vertragsparteien interessen
Rechtliche
 typischerweise keine Verpflichtung zu einem Vertragsschluss
Bindungs-
 Verhandlungspsychologische Bindungswirkung
wirkung
 Sicherstellung der Prozesstreue

 Kaufpreisfestlegung
 Umfang des Garantiekatalogs
Interessen-
 Aufnahme von Vorbehalten: u. a. Due Diligence, Finanzierung
konflikte
 Aufnahme von Exklusivitätsklauseln inkl. Break-up-Fees
 Zeitvorgaben für das weitere Vorgehen

Abb. 61: Zwischenergebnisse der Verhandlung – Dokumentation in einem LoI und einem MoU

gen. Vor allem bei der Aufnahme des Kaufpreises sind die Interessen und die Verhand-
lungsmacht von Käufer und Verkäufer handlungsleitend. So etwa bei den Fragen, ob
ein »Fixkaufpreis« als Orientierungsmarke festgelegt wird oder ob eine späte Festlegung
des endgültigen Kaupreises gewünscht wird und/oder ob Vorbehalte aufgrund von
Erkenntnissen der Due Diligence aufgenommen werden.
yy Verpflichtungserklärung. Hier erklärt der Verkäufer, dass er sich dazu verpflichtet, die
Due Diligence innerhalb eines festgelegten Zeitraums, in einer bestimmten Art und in
einem bestimmten Umfang zu ermöglichen.
yy Vertraulichkeit. Hier wird die Vertraulichkeit nochmals bestätigt: Die NDA wird erneu-
ert und gegebenenfalls konkretisiert oder ergänzt.
yy Gewährleistungen/Haftungsfragen. Hier können bereits erste Regelungen zu Garan-
tien Freistellungen, insbesondere vonseiten des Verkäufers, enthalten sein.186
yy Exklusivitätsvereinbarung.187 Diese verpflichtet den Verkäufer, keine Verhandlungen
mit anderen Interessenten zu führen, sodass ein einzelner Kaufinteressent während
eines definierten Zeitraums exklusiver Verhandlungspartner ist. Mit Ablauf der Frist der

186 Vgl. hierzu Kapitel 4, Abschnitt 4.8.1.


187 Vgl. Wegmann 2013, S. 91; Ettinger/Jaques 2012, S. 170; Semler 2015, S. 801 f.
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164 4 Transaktionsphase

Vereinbarung können die Gespräche mit weiteren Interessenten wieder aufgenommen


werden.188
yy Kostenübernahme. Hier wird beispielsweise geregelt, inwieweit bei einseitigem
Abbruch der Verhandlungen nach der Due Diligence zur Deckung der externen Bera-
tungskosten eine Break-up Fee zum Tragen kommt.
yy Weiteres Vorgehen. Dieser Abschnitt umfasst einen Zeitplan für die weiteren Prozess-
schritte – Due Diligence, Transaktionsvertragsverhandlung, Signing und Closing –, der
von den Parteien gemeinsam bestimmt wurde. Durch die Definition von Meilensteinen
können beide Parteien diszipliniert und der Transaktionsprozess im Idealfall beschleu-
nigt werden.

Auch hier bleiben die Festlegungen bezüglich der materiellen Fragen eines späteren Trans-
aktionsvertrags (betreffend beispielsweise die Höhe des Kaufpreises oder den Abschluss
der Transaktion als solchen) rechtlich unverbindlich. Rechtlich bindende Verpflichtungen
aus einem LoI oder einem MoU ergeben sich jedoch hinsichtlich des Verfahrens im weite-
ren Prozess, so insbesondere aus Haftungsversprechen (insbesondere für den Verkäufer),
in Bezug auf Regelungen zur Geheimhaltung, zur Exklusivität und zur Kostenverteilung
sowie in Bezug auf den Informationsgrad bei einer Due Diligence. Gegebenenfalls werden
zusätzlich jeweils Vertragsstrafen im Fall eines Bruchs der Vereinbarungen fixiert.189
Die Bindungswirkung im Hinblick auf das Verfahren der weiteren Verhandlungsfüh-
rung ist wichtig, da mit dem Voranschreiten der Verhandlungen die finanziellen und
geschäftlichen Risiken auch durch die Beanspruchung personeller und zeitlicher Ressour-
cen (Vorbereitung der Due Diligence, weitere Offenlegung sensibler Informationen) auf
beiden Seiten steigen.190 Andererseits ist festzuhalten: Obwohl es sich scheinbar nur um
»vorbereitende Festlegungen« handelt, kann im verbindlichen Transaktionsvertrag aus ver-
handlungspsychologischen Gründen ohne handfeste Argumente nur schwer von einmal
festgeschriebenen Inhalten der Absichtserklärung abgewichen werden.

4.3 Managementpräsentation

Die Managementpräsentation ist ein wichtiger Meilenstein im M&A-Prozess und findet mit
einer kleinen Auswahl an Interessenten statt – in der Regel vor oder als Teil der Due Dili-
gence. Dabei treffen der Kaufinteressent, der Verkäufer und das Management der Zielge-
sellschaft erstmals persönlich aufeinander.
Die Begegnung birgt ein hohes Konfliktpotenzial. Beispielsweise kann es den Unterneh-
mensgründern schwer fallen, loszulassen. Auch sind Meinungsverschiedenheiten zwischen
den Gesellschaftern, Familienstreitigkeiten, Emotionalitäten, Misstrauen gegenüber Finanz­

188 Man kann unterscheiden zwischen der sogenannten Verhandlungsexklusivität (streng) und der Abschlus-
sexklusivität, bei der zwar parallel verhandelt werden, aber kein Vertragsabschluss stattfinden darf.
189 Vgl. Merkt/Göthel 2011, S. 26 f.
190 Vgl. Ettinger/Jaques 2012, S. 170.
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4.3 Managementpräsentation 165

investoren und unprofessionelles Auftreten frustrierter Manager keine Seltenheit. Solche


Faktoren führen während der Managementpräsentation des häufigeren zu heiklen Situati-
onen. Auch Managerinteressen, die sich nicht mit denen der Gesellschafter des Zielunter-
nehmens decken, sind grundsätzlich im Blick zu behalten. Löst sich der Gesellschafter von
seinem Unternehmen, so hat dies auf das künftige berufliche Wirken des im Unternehmen
tätigen Managements immer einschneidende Auswirkungen.

4.3.1 Beteiligte und Ziele


4.3.1.1 Rollenverständnis und Interessen der Beteiligten
4.3.1.1.1 Verkäufer
Der Verkäufer191 tritt oftmals nicht alleine und selbstständig auf, sondern mit Unterstüt-
zung einer Investmentbank oder von M&A-Beratern, die durch die Managementpräsenta-
tion führen und diese auch moderieren.
Die Verkäuferseite nutzt die Unternehmens- und Managementpräsentation einerseits,
um den Interessenten weiterhin in seiner Kaufabsicht zu bestärken. Andererseits erhält sie
die Möglichkeit, Informationen über den beabsichtigten Integrationsprozess und die Visi-
onen und Ziele des potenziellen Käufers zu erfragen. Dadurch lässt sich möglicherweise
bestehendes eigenes Misstrauen abbauen und die gedankliche Lösung vom Transaktions-
objekt erleichtern. Ferner gilt es für den Verkäufer herauszufinden, welchen subjektiven
Wert das Unternehmen für die Käuferseite hat. Sind Vergütungen in Aktien der Käuferseite
angedacht, so ist auch die Unternehmenspräsentation des Käufers von Interesse.

4.3.1.1.2 Geschäftsführer bzw. Manager des Transaktionsobjekts


Der Geschäftsführer des Transaktionsobjekts birgt bei der Managementpräsentation »Über-
raschungspotenzial«, kann er doch den Verlauf der Präsentation gemäß seiner Interessen
sowohl positiv als auch negativ192 beeinflussen. Steht ein Geschäftsführer dem Verkauf
»seines« Unternehmens positiv – oder zumindest nicht negativ – gegenüber, so wird er das
Gespräch einerseits nutzen, um den potenziellen zukünftigen Arbeitgeber von den eigenen
Fähigkeiten und Unternehmensplänen zu überzeugen. Andererseits wird er versuchen, ein
positives Bild des Zielunternehmens zu vermitteln.
Schwierig kann das in der Praxis in Krisenunternehmen sein: Manager sind frustriert,
verweisen auf Streitigkeiten mit Gesellschaftern und verstecken sich hinter einer Haltung
der Abwehr der Käuferseite gegenüber. Kann die Schieflage des Unternehmens nicht durch
externe Einflüsse erklärt werden, so wird das Management bestrebt sein, die Offenlegung
etwaiger eigener Versäumnisse oder Fehlentscheidungen zu vermeiden. Da sowohl der alte
als auch der potenzielle neue Gesellschafter anwesend sind, ist dies durchaus herausfor-
dernd und politisch heikel. Steht der Geschäftsführer einem spezifischen potenziellen
Erwerber ablehnend gegenüber, so besteht die Gefahr der Informationsverweigerung oder

191 Je nach der Rechtsform des Verkäufers sind dies beispielsweise Gesellschafter, geschäftsführende Gesell-
schafter oder ein Vorstand.
192 Vgl. hierzu Kapitel 8, Abschnitt 8.3.2.
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166 4 Transaktionsphase

der Vermittlung gezielt falscher Informationen an den Käufer, um die Transaktion entwe-
der zu verzögern oder zu vereiteln. Hier ist auch die Herausforderung beim Verkäufer zu
verorten, mehr das Unternehmen und dessen Leistungsfähigkeit anzupreisen anstatt die
eigenen persönlichen Fähigkeiten zu »verkaufen«.

4.3.1.1.3 Kaufinteressent
Handelt es sich beim Interessenten um einen strategischen Investor, so ist es durchaus
üblich, dass dieser ebenfalls in Begleitung von Beratern oder mit sonstiger fachlicher
Unterstützung auftritt. Die Käuferseite nutzt das persönliche Gespräch, um Wissensdefi-
zite zu beseitigen. Durch gezielte, kritische Fragen wird sie versuchen, wertbeeinflussende
Unternehmensinformationen von der Gegenseite »zu erfragen«. Die Managementpräsenta-
tion bietet die Gelegenheit zu einer ersten Einschätzung hinsichtlich der Leistungsbereit-
schaft, der fachlichen Qualifikation sowie der Motivation der Geschäftsführung.
Gerade für klassische Finanzinvestoren ist das Management des Erwerbsobjekts ein
ausschlaggebender Faktor, da dieses oftmals weiterbeschäftigt wird und an der Entwick-
lung des Unternehmens finanziell partizipieren soll. Nur wenn es vollständig überzeugt,
lässt sich der Investor weitgehender auf die Transaktion ein.
Von allen Investoren werden auch offene Aspekte in der Entwicklung des Unterneh-
mens und seiner künftigen strategischen Ausrichtung diskutiert.

4.3.1.1.4 Sonstige Teilnehmer
Die Teilnahme weiterer Personen aus dem Erwerbsobjekt oder dessen Beraterumfeld wird
im Vorfeld zwischen den Parteien abgestimmt. Diese können der Präsentation auch nur
zeitweise beiwohnen.
Insbesondere bei mittelständischen Unternehmen können Abhängigkeiten von einigen
wenigen Schlüsselpersonen bestehen. Die Anwesenheit solcher Verantwortungsträger ist
sinnvoll.193
In Krisenunternehmen ist es auch nicht unüblich, dass Vertreter der finanzierenden
Banken an dem Gespräch partizipieren wollen. Da die Kreditgeber in der Regel am Fortbe-
stand des Zielunternehmens interessiert sind, können auch frühzeitig Zugeständnisse mit
den Käufern in Aussicht gestellt werden.
In Abb. 62 (S. 167) sind die Interessen der Beteiligten zusammenfassend dargestellt.

4.3.1.2 Vorbereitung

Ein unkontrolliertes Aufeinandertreffen der Akteure mit ihren je eigenen Interessen birgt
ein großes Konfliktpotenzial. Aus diesem Grund ist eine intensive Vorbereitung aller Betei-
ligten auf die Managementpräsentation sinnvoll. Hierzu eigenen sich insbesondere Rollen-
spiele, die Gelegenheiten zur Simulation der außergewöhnlichen Verhandlungssituation
geben. Aus übungstechnischen Gründen ist zudem empfehlenswert, das erste »echte«
Managementgespräch mit Kandidaten zu führen, bei denen die Erfolgschancen als gerin-
ger einzuschätzen sind (»Probelauf«). Auch wenn sich der Aufbau und die Inhalte von

193 Vgl. Keller/Hohmann 2007, S. 569.


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4.3 Managementpräsentation 167

Beteiligte Ziele

 Kennenlernen und Abbau von Misstrauen


 Bestärkung des Interesses potenzieller Käufer
 Beseitigung eigener Informationsdefizite (u. a.
Verkäufer
Identifikation Käufermotive, Integrationsplan)
 Identifikation wertsteigernder Informationen
(u. a. Notwendigkeit der Transaktion für den Käufer)  erste Verhandlungs-
situation am Tisch
 »Überraschungspotenzial«: positive oder negative
Geschäfts-  intensive Vorbereitung
Beeinflussung des Kennenlernens
führung/  Selbstpräsentation vor alten und neuen (»Rollenspiele«)
Management notwendig
potenziellen Gesellschaftern
 Beseitigung von Wissensdefiziten
 Leistungsabfrage Geschäftsführung
Käufer und Management
 Identifikation wertmindernder Unternehmens-
informationen

Abb. 62: Managementpräsentation – mehr als ein »bloßes« Kennenlernen

Managementpräsentationen vermeintlich ähneln, so machen doch die jeweils besonderen


Interessenkonstellationen jedes Managementgespräch einzigartig.194

4.3.1.2.1 Vorbereitung des Managements und der Gesellschafter


auf der Verkäuferseite
Die Wirkung des Managements des Erwerbsobjekts hat einen besonderen Einfluss auf die
Werteinschätzung der Käuferseite. Daher ist insbesondere das Management mit Blick auf
die folgenden Punkte intensiv vorzubereiten:195
yy Ausarbeitung des Verkaufskonzepts. Das Management mittelständischer Unterneh-
men ist darin geübt, Dienstleistungen oder Produkte zu verkaufen, jedoch meist nicht
das eigene Unternehmen. Vorstände börsennotierter Unternehmen sind hierin hinge-
gen eher geübt, da sie ihr Unternehmen regelmäßig auf Investorenkonferenzen (Road-
shows) und Aktionärsversammlungen darstellen müssen. Diese Darstellung erfordert
andere Ansätze, Argumentationswege und Fragestellungen. Fallspezifisch kann die
Einbeziehung professioneller Kommunikationstrainer hilfreich sein.
yy Rollenverteilung zwischen Management und Beratern. Die Managementpräsentation
stellt die Geschäftsführung vor die schwierige Situation, nicht wie gewohnt selbst und
frei sprechen zu können. In intensiven Rollenspielen gilt es, die Geschäftsführung in
unangenehme Situationen zu bringen und entsprechend zu disziplinieren, sodass sie
die richtige Balance findet zwischen der eigenen Rede (»nicht zu viel verraten«) und der
Übergabe des Wortes an die Berater (»im Zweifel in heiklen Situationen schweigen«).

194 Vgl. Arlinghaus/Balz 2007, S 84.


195 Vgl. Raddatz/Nawroth 2012, S. 28.
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168 4 Transaktionsphase

yy Sensibilisierung für unangenehme Fragen/Vorbereitung Q&A-Session. Das Ma-


nagement ist im Hinblick auf typische Fragen und Tricks der Interessenten zu sensibi-
lisieren und mittels eines typischen Antworten-Kataloges auf Fragen vorzubereiten,
deren Antworten besondere Vorsicht verlangen.

Neben den Managern sind die Gesellschafter, sofern sie teilnehmen, entsprechend vorzu-
bereiten. Setzt sich die Verkäuferseite aus mehreren Gesellschaftern zusammen, so ist auf
einheitliches Auftreten zu achten. Unstimmigkeiten innerhalb des Gesellschafterkreises
sind unbedingt vor dem Zusammentreffen mit der Gegenseite auszuräumen, um die
Gegenseite nicht über den möglichen Abschluss der Transaktion zu verunsichern oder ihr
nicht gar kaufpreismindernde Argumente zu liefern.
Besonders gefährlich ist die folgende typische Falle: Der geschäftsführende Gesellschaf-
ter erklärt »sein« Unternehmen und auf Nachfrage »seine« Funktion und Mitwirkung im
selbigen. Will er sich von den Anteilen oder von bestimmten Assets seines Unternehmens
trennen, so wäre es kontraproduktiv, würde er dem potenziellen Erwerber überzeugend
darlegen, wie unersetzlich er für das Unternehmen ist. Umso weniger dürfte er sich dann
später wundern, wenn sich aus der Sicht des Erwerbers wesentliche Teile des Kaufpreises
in Form von Beratervergütungen für den veräußernden (und dann ehemaligen) geschäfts-
führenden Gesellschafter wiederfinden sollen.

4.3.1.2.2 Vorbereitung des potenziellen Käufers


Die Käuferseite sollte sich insofern vorbereiten, als sie bestrebt sein dürfte, einerseits ein
schlüssiges Kaufkonzept darzulegen und andererseits kaufpreismindernde Sachverhalte
aufzudecken (»trickreiche Fragestellungen«).
Gerade mittelständischen Verkäufern geht es bei Auktionen nicht um den »höchsten«
Kaufpreis, sondern um weitere, darüber hinausgehende Faktoren – vor allem um die
Zukunft des Unternehmens, seines Standorts und seiner Belegschaft. Insofern sollten
potenzielle Käufer in der Lage sein, eine schlüssige Strategie und ein gutes Integrations-
konzept für das Unternehmen vorzulegen.

4.3.1.3 Verhandlungstaktiken

In der Managementpräsentation wie auch in den darauffolgenden Verhandlungsrunden ist


die Ausarbeitung einer Verhandlungstaktik für beide Marktseiten sehr wichtig. Einzelne
Verhandlungssituationen und -taktiken sind stark von individuellen Faktoren und den
involvierten Personen abhängig.196 Empfehlenswert und sicherlich in vielen Fällen zielfüh-
rend ist die Beachtung der folgenden Grundsätze:197
yy möglichst sachliche und wenig emotionale Kommunikation;
yy lösungsorientierter Ansatz, das heißt, gemeinsame Identifikation von Problemlösun-
gen, die alle Verhandlungsparteien besser stellen;
yy immer einen Schritt vorausdenken, um Defensivsituationen zu vermeiden.

196 Vgl. hierzu Kapitel 4, Abschnitt 4.1.2.


197 Vgl. Arlinghaus/Balz 2007, S. 85.
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4.3 Managementpräsentation 169

4.3.2 Ablauf

Die Managementpräsentation wird in der Regel vom Verkäufer in Abstimmung mit dessen
Beratern organisiert. Die Veranstaltung kann je nach Ausgestaltung und Klärungsbedarf
mehrere Stunden, aber auch bis zu einem gesamten Tag dauern. Neben der Management-
präsentation im engeren Sinne und den Managementinterviews sind eine Betriebsbesich-
tigung (site visit) sowie weitere Interviews mit relevanten Teilnehmern üblich. Abb. 63
zeigt eine mögliche Ausgestaltung der Agenda anhand eines ausgewählten Praxisbeispiels.
Alle Parteien sollten die »Q&A«-Runde zur Klärung offener Fragen nutzen. Nach
Abschluss des persönlichen Treffens werden Fragen meist nur noch schriftlich oder indi-
rekt über die beauftragten Berater beantwortet.
Auf der Grundlage der Managementpräsentation entscheidet die Käuferseite, ob sie ihre
Kaufabsicht aufrechterhält. Die Verkäuferseite wird prüfen und entscheiden – weitere Inte-
ressenten unterstellt –, wer zur Due-Diligence-Prüfung zugelassen werden soll. Insofern
handelt es sich um einen beiderseitigen Auswahlprozess.

Agenda für die Managementpräsentation

09:00 10:30 11:30 12:30

Management- Betriebs- Management-


Bankengespräch
präsentation besichtigung interview

Agenda Besichtigung Agenda Agenda

 Begrüßung Bürogebäude spezifische Q&A-Runde  Vorstellung


 Vorstellung und Lagerhallen mit der Geschäfts-  Q&A-Runde
 Präsentation führung
 Q&A-Runde

Teilnehmer Teilnehmer Teilnehmer Teilnehmer

 Kaufinteressent  Kaufinteressent  Kaufinteressent  Kaufinteressent


 Gesellschafter  Gesellschafter  Gesellschafter  M&A-Berater
 Geschäftsführung  Geschäftsführung  M&A-Berater  Bankvertreter
 M&A-Berater  M&A-Berater

Abb. 63: Praxisbeispiel – Agenda für eine Managementpräsentation


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170 4 Transaktionsphase

4.4 Due Diligence

4.4.1 Überblick

Transaktionen bergen für die beteiligten Parteien – darunter vor allem für den Käufer und
seine Leitungsorgane – erhebliche Risiken. Diese Risiken sind von Interessenten vor dem
Kauf einzuschätzen und zu reduzieren, was die Due Diligence leisten kann. Daher ist die
Durchführung der käuferseitigen Due Diligence heutzutage als Marktstandard im Transak-
tionsprozess anerkannt. Eine Due Diligence wird bei kleineren wie bei großen Transaktio-
nen in unterschiedlichem Ausmaß durchgeführt.
Eine Due Diligence ist eine sorgfältige, am Entscheider ausgerichtete Analyse eines
Transaktionsobjekts unter Mithilfe des Verkäufers. Sie umfasst Prozesse der Beschaffung
und Auswertung von Informationen. Hierdurch sollen die Vorteilhaftigkeit der geplanten
Transaktion aus Käuferperspektive beurteilt, eine Basis für Transaktionsverhandlungen
geschaffen und die spätere Integration vorbereitet werden.
Hier wird dem in der Praxis vorherrschenden engeren Verständnis gefolgt, wonach eine
Due Diligence im Wesentlichen eine Sichtung interner Daten des Transaktionsobjekts dar-
stellt, bei der die Mithilfe und Billigung des Verkäufers notwendig ist. Überdies baut sie auf
einer strategischen und finanziellen Analyse des Transaktionsobjekts auf, die lange vor der
Öffnung des Datenraums in gröberer Form von außen vorgenommen wurde.198 Bereits in
frühen Phasen des Kaufprozesses wurden typischerweise zahlreiche Informationen einge-
holt, um die Akquisitionsstrategie erarbeiten und passende Targets auswählen zu können.
Insofern ist die Due Diligence in einen übergreifenden Informationsprozess eingebunden,
der die Beschaffung, Strukturierung und Auswertung von Informationen über den gesam-
ten Transaktions- und Integrationsprozess vorsieht. Innerhalb dessen nimmt sie jedoch
eine Sonderstellung ein, da in ihrem Rahmen während einer vergleichsweise kurzen Zeit
eine Vielzahl interner Daten des Targets zur Auswertung zur Verfügung steht. Insofern ist
die Due Diligence der Kulminationspunkt dieses Informationsprozesses.
Die Due Diligence wird üblicherweise vom Kaufinteressenten in Auftrag gegeben, wes-
halb zum Teil auch von käuferseitiger bzw. Buyer Due Diligence die Rede ist. Seltener fin-
det die vom Verkaufsinteressenten beauftragte verkäuferseitige Due Diligence (Vendor Due
Diligence) statt. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich zunächst auf die Buyer
Due Diligence. Auf die Vendor Due Diligence wird im Anschluss gesondert eingegangen.
Der Umfang der Due Diligence variiert in der Praxis stark und reicht von der Analyse
relevanter Dokumente in Datenräumen über Betriebsbesichtigungen bis hin zu Interviews
mit dem Management und externen Stakeholdern wie Wirtschaftsprüfern, Kunden oder
Lieferanten. Managementinterviews werden hier in einem separaten Modul behandelt.199

198 Einseitige Analysen des Käufers vor einer Kontaktaufnahme mit dem Käufer, die maßgeblich auf externen
Informationsquellen beruhen, weisen ohnehin nicht den einer Due Diligence eigenen Detaillierungsgrad
auf. Vgl. zum erweiterten Verständnis Berens/Schmitting/Strauch 2013, S. 80 f.
199 Vgl. Kapitel 4, Abschnitt 4.3.
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4.4  Due Diligence 171

4.4.2 Käuferperspektive
4.4.2.1 Grundlagen
Der Kaufinteressent muss einige kritische Entscheidungen treffen, bevor er mit der Due
Diligence beginnen kann. Diese betreffen die folgenden Fragen:
yy Welche Ziele werden mit der Due Diligence verfolgt?
yy Welche Prinzipien sollen bei der Due Diligence beachtet werden?
yy Welche Inhalte sollen in erster Linie analysiert werden?
yy Wie lange soll die Due Diligence dauern?
yy Wie soll das Team zusammengestellt und die Due Diligence durchgeführt werden?

4.4.2.2 Ziele

Mit der Due Diligence verfolgen Kaufinteressenten mehrere, teils miteinander zusammen-
hängende Ziele. Im Kern geht es ihnen um die Beschaffung, Strukturierung und Auswer-
tung von Informationen, um so ihre Informationsnachteile im Hinblick auf das Target zu
überwinden.
Die gewonnen Informationen helfen bei den folgenden M&A-Aufgaben:
yy Aufdeckung erheblicher, die Transaktion gefährdender Risiken (Deal Breaker);
yy strategische Bewertung des Unternehmens (strategischer Fit);
yy finanzielle Bewertung und Kaufpreisverhandlung;
yy Erarbeitung eines Garantiekatalogs für das Sale and Purchase Agreement (SPA);
yy Entwicklung der Transaktionsstruktur;
yy Vorbereitung der Post-Merger-Integration (PMI);
yy Strukturierung und Sicherung der Akquisitionsfinanzierung;
yy Beweissicherung und Exkulpation der Leitungs- und Überwachungsgremien.

Ein wichtiges Ziel der Due Diligence ist die – möglichst frühzeitige – Aufdeckung wesent-
licher Hindernisse oder Risiken, die die Transaktion erheblich gefährden könnten. Typische
Beispiele sind rechtliche Auseinandersetzungen um bedeutsame Patente, das Auslaufen
wichtiger Lizenzen, Verunreinigungen von Betriebsgrundstücken, der Wegfall wichtiger
Kunden oder substanzielle steuerliche Streitigkeiten. In der Due Diligence werden die im
Vorfeld als kritisch erkannten Bereiche des Unternehmens oftmals als erstes analysiert, um
solche Deal Breaker ausschließen zu können und gegebenenfalls die Transaktion frühzeitig
abzubrechen. So können die Beraterkosten gering gehalten und insgesamt die Prozesseffi-
zienz gewahrt werden. Werden Deal Breaker identifiziert, so wird die Due Diligence unter-
brochen, um das Thema mit dem Verkäufer zu verhandeln. Lehnt dieser Konzessionen ab,
so führen die Deal Breaker zu einem endgültigen Abbruch der Transaktion oder zu einem
Gesichtsverlust des Kaufinteressenten.
Im Rahmen der Due Diligence werden die Einschätzungen der Akquisitionsstrategie
überprüft und validiert. Es werden zahlreiche Erkenntnisse gewonnen, die eine zuverläs-
sigere strategische Bewertung erlauben. Sind etwa die Kundengruppen so attraktiv wie
gedacht? Entwickeln sich Märkte und Kompetenzen wie erwartet? Ist die Forschung und
Entwicklung gut aufgestellt und können die im Vorfeld geschätzten Synergien bestätigt
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172 4 Transaktionsphase

werden? Weicht das Transaktionsobjekt deutlich von den strategischen Vorstellungen des
Kaufinteressenten ab, so kann dies zu einem Transaktionsabbruch führen, ohne dass noch
über den Kaufpreis verhandelt wird.
Die Unternehmensbewertung basiert maßgeblich auf Informationen, die in der Due
Diligence gewonnen werden. Gemäß dem Leitsatz »garbage in, garbage out« ist dabei die
Qualität der zugrunde liegenden Informationen entscheidend für die Güte der Bewertung.
Daher sind in der Due Diligence die wesentlichen Chancen und Risiken sowie Stärken und
Schwächen des Transaktionsobjekts zu erfassen. Da die Unternehmensbewertung eine ent-
scheidende Grundlage für die Kaufpreisverhandlungen bildet, sind Due Diligence, Unter-
nehmenswert und Kaufpreis eng miteinander verbunden.
Für Außenstehende meist nicht nachvollziehbar ist die Bedeutung von Garantien, die
in den Transaktionsverhandlungen und -verträgen meist einen hohen Stellenwert einneh-
men. Auch hierfür liefert die Due Diligence die Basis. Stellt der Kaufinteressent beispiels-
weise fest, dass das Transaktionsobjekt arbeitsrechtliche Risiken aufweist, wird er diese
Risiken durch Garantien reduzieren wollen, die er vom Verkäufer ausbedingt. Die schwer-
wiegendsten in der Due Diligence aufgedeckten Risiken sollten mittels Garantien abgesi-
chert werden. Insofern sind Garantiekataloge in Transaktionsverträgen ein Spiegelbild der
Befunde aus einer Due Diligence.200
Die Transaktionsstruktur behandelt insbesondere die Fragen, was das Transaktionsob-
jekt ist und wie es vom Verkäufer zum Käufer übergehen soll. Wenngleich die Transaktions-
struktur meist frühzeitig geplant wird, kann die Due Diligence substanzielle Veränderungen
bewirken. So können neu entdeckte Risiken dafür sorgen, dass sich das Transaktionsobjekt
ändert – dass beispielsweise ein Asset Deal anstelle eines Share Deals ins Auge gefasst wird
oder dass bestimmte Vermögenswerte herausgelöst werden – oder dass der Erwerber eine
Erwerbsgesellschaft (special purpose vehicle) gründet, um Risiken zu isolieren. Die Due
Diligence dient also auch dazu, die Transaktionsstruktur zu optimieren.
Die in der Due Diligence gewonnenen Informationen dienen auch der Konkretisierung
der Planung der Post-Merger-Integration. So lassen sich durch sie Integrationsvorteile (Syn-
ergien), Integrationskosten und die Risiken der Integration besser einschätzen. Zudem
können Prioritäten der Integration und allgemein die Integrationsabläufe bestimmt wer-
den. Auch lässt sich bereits abschätzen, welche Personen zum »Schlüsselpersonal« des
Unternehmens zählen und daher unbedingt zu halten sind.
Auch für die Akquisitionsfinanzierung können Informationen der Due Diligence hilf-
reich sein. Auf deren Basis können Szenarien zur künftigen Cashflow-Entwicklung des
Transaktionsobjekts entwickelt und der Kapitalbedarf sowie vorhandene Sicherheiten
ermittelt werden. Hierdurch kann die Akquisitionsfinanzierung strukturiert und mit finan-
zierenden Banken diskutiert werden. Oftmals müssen den finanzierenden Banken auch
Teile der Due Diligence offengelegt werden, bevor sie Kredite bewilligen. Kommt es zur
Transaktion, so wünschen sich Banken, dass sie sich auf den Inhalt der Berichte so verlas-
sen dürfen, als wenn sie in ihrem Auftrag erstellt worden wären. In diesem Fall wird ein
Reliance Letter erforderlich. In ihm erklären die Urheber der Due-Diligence-Berichte, etwa

200 Vgl. auch Picot 2012, S. 331.


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4.4  Due Diligence 173

Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwälte, inwieweit sich der Empfänger – hier die Bank – auf
deren Inhalte verlassen kann.
Ein letztes wichtiges Ziel kann die Beweissicherung und Exkulpation der Leitungsor-
gane sein. Die übliche elektronische Hinterlegung der Due-Diligence-Informationen bei
einem neutralen Dritten – etwa einem Notar – kann Rechtsstreitigkeiten vorbeugen oder
für Situationen vorsorgen, in denen ein Rechtsstreit unvermeidlich wird. Damit ist klarge-
stellt, was der Verkäufer dem Käufer offengelegt hat und was dieser hätte wissen können.
Rechtsstreitigkeiten betreffen nicht nur die beteiligten Unternehmen, sondern auch deren
Geschäftsleitungsorgane wie Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte. Diese haben
Sorgfaltspflichten zu erfüllen, die etwa in § 43 GmbHG, § 93 AktG und allgemein in § 347
HGB kodifiziert sind. Die Käuferseite kann durch eine Due Diligence dokumentieren, dass
sie beim Unternehmenskauf nicht grob fahrlässig vorgegangen ist, sondern vielmehr ihren
kaufmännischen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist.
Abb. 64 fasst die käuferseitigen Ziele einer Due Diligence zusammen.

Zielobjekt Erläuterung

Deal Breaker ermitteln


Deal Breaker
nötigenfalls kostensparender Abbruch

Akquisitions- Erkenntnisse
strategie bezüglich der Validierung der Strategie

Unternehmenswert Chancen/Risiken
und Kaufpreis bezüglich der Wertermittlung und der Kaufpreisverhandlung

Gewährleistung und Erkenntnisse


Garantien für Verhandlung nutzen (Garantiekatalog)

Transaktions- Erkenntnisse
struktur bezüglich einer Verbesserung der Transaktionsstruktur

Post-Merger- Planung PMI


Integration v. a. Prioritäten, Aufwand, Ablauf, Team

DD-Berichte
Finanzierung Strukturierung der Finanzierung und Absicherung der
finanzierenden Banken

DD-Dokumentation
Beweissicherung Dokumentation des Informationsstands / der Erfüllung und
Dokumentation der Sorgfaltspflicht von Organen (Exkulpation)

Abb. 64: Käuferseitige Ziele einer Due Diligence


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174 4 Transaktionsphase

Manche Autoren legen auf einige der oben genannten Ziele eine besondere Betonung und
sehen andere als weniger wichtig an.201 Dies halten wir für gefährlich, da sich die jeweilige
Bedeutung erst in der konkreten Transaktion ergibt. So wird etwa in manchen Projekten
eine PMI nur in geringem Maße angestrebt, in anderen Fällen kommt ihr aufgrund der
hohen Synergiepotenziale eine große Bedeutung zu. Gelegentlich steht eine Transaktion zu
Beginn der Due Diligence »auf der Kippe«, sodass insbesondere nach Deal Breakern gesucht
wird. In anderen Fällen werden die Risiken als gering eingeschätzt und die Due Diligence
wird eher als exkulpierende Pflichtübung angesehen. Mithin sind die Ziele im Vorfeld einer
jeden Transaktion neu einzuordnen und die Due Diligence entsprechend auszurichten.

4.4.2.3 Prinzipien der Durchführung

Um die oben genannten Ziele bestmöglich zu erreichen, sollte der Kaufinteressent bei einer
Due Diligence die folgenden Prinzipien der Due Diligence beachten:202
yy Grundsatz der gesamthaften Analyse,
yy Grundsatz der Wesentlichkeit und Wirtschaftlichkeit,
yy Grundsatz der kritischen Distanz,
yy Grundsatz »Inhalt vor Form«,
yy Vier-Augen- bzw. Vier-Ohren-Prinzip.

Das Prinzip der gesamthaften Analyse besagt, dass ein Unternehmen als Einheit zu verste-
hen ist. Es ist üblich, eine Due Diligence in einzelne Analysebereiche wie etwa Commer-
cial, Legal und Tax Due Diligence zu unterteilen und mit den einzelnen Bereichen jeweils
separate Teams zu betrauen, die wiederum bereichsspezifische Berichte erstellen. Jedoch
können die Wechselwirkungen zwischen den Analysebereichen nur durch eine gesamt-
hafte Analyse erfasst werden. So können etwa Probleme, die in einem Due-Diligence-Be-
reich identifiziert wurden, von einem anderen ausgeglichen oder aber verstärkt werden.
Daher gilt es, Kompetenz und Zeit für die Auswertung der Teilreports und die Erstellung
eines Gesamtberichts zur Verfügung zu stellen. In jedem Fall ist der Austausch zwischen
den Teams sicherzustellen. Dies stellt hohe Anforderungen an das Projektmanagement.
Das Prinzip der Wesentlichkeit und Wirtschaftlichkeit fordert, dass Daten entschei-
dungsrelevant sein müssen und die Kosten ihrer Erhebung den Nutzen nicht übersteigen
dürfen. Dieses Prinzip kann als grobe Richtschnur verstanden werden, da eine Bewertung
der Daten auf Wesentlichkeit und Wirtschaftlichkeit im Vorfeld nicht leicht ist. Bei den
Due-Diligence-Checklisten sollte aber statt auf Vollständigkeit auf Wesentlichkeit geachtet
werden. Hier hilft die Erfahrung des Due-Diligence-Teams.
Das Prinzip der kritischen Distanz besagt, dass Informationen als »potenziell falsch«
betrachtet werden sollten. Informationen sind nicht selten sachlich falsch oder interessen-
geleitet und damit tendenziös. Insofern sind sie auf Plausibilität und Konsistenz zu über-
prüfen und etwaige Widersprüche aufzunehmen. In der Praxis spielen hier wiederum die

201 Vgl. etwa Wirtz 2014, S. 198 f.; Hansmeyer/Roling 2010, S. 78 f.


202 Vgl. ähnlich Koch 2011, S. 2–6.
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4.4  Due Diligence 175

Erfahrung des Teams und die Zuverlässigkeit der Informationsquellen eine wichtige Rolle.
Die Zuverlässigkeit kann mittels der folgenden Fragen beurteilt werden:203
yy Wie unabhängig ist die Quelle?
yy Welche Qualifikation hat die Person, die die Informationen zusammengestellt hat?
yy Wie eindeutig sind die Aussagen, das heißt, sind die Aussagen hochgradig interpretati-
onsbedürftig oder zum Beispiel zeitlich und sachlich klar bestimmt?

Im Zweifelsfall sollten relevante Daten mit hohem Unsicherheitsgrad markiert und ver-
sucht werden, weitere Quellen zu finden, die diese Informationen bestätigen.
Das Prinzip »Inhalt vor Form« besagt, dass auch mündliche Aussagen Eingang finden
können, wenn sich die Schriftform als ungeeignet erweist. Vielfach können wertvolle Ein-
schätzungen oder Relativierungen schriftlicher Dokumente nur mündlich gewonnen wer-
den. Ein Nachteil ist, dass solche Aussagen jederzeit widerrufbar sind, selbst wenn eine
Gesprächsnotiz erstellt wurde.
Eine gewisse Abhilfe kann das Vier-Augen- bzw. Vier-Ohren-Prinzip bieten, wonach bei
Gesprächen mindestens zwei Personen der Käuferseite anwesend sein sollten. Hierdurch
lassen sich auch Verluste relevanter Informationen vermeiden, denn die Käuferseite kann
Rollen verteilen: Eine Person fragt, eine andere protokolliert.

4.4.2.4 Inhalte, Schwerpunktsetzung und Datenanforderung

Es sollte klar sein, dass in einer käuferseitigen Due Diligence sehr viele Prüfungsgebiete zu
analysieren sind. In nahezu jeder Transaktion sind die Bereiche Financial, Legal und Tax
Bestandteil der Due Diligence. Verbreitet sind auch die Bereiche Commercial, Operational
und in geringerem Maße die Human Resources Due Diligence. Die Environmental Due Dili-
gence kann je nach Branche mehr oder weniger relevant sein. In der Mineralöl-, der Che-
mie- und der Metallindustrie sowie im Real-Estate-Sektor ist sie meist von hoher Bedeutung.
Sofern das Transaktionsobjekt ein nennenswertes Auslandsgeschäft betreibt und insbeson-
dere dann, wenn es in Asien, Afrika oder Süd- und Mittelamerika aktiv ist, wird in der Regel
eine Compliance Due Diligence durchgeführt. Je nach Target können darüber hinaus andere
Analysebereiche wie etwa IT oder Kultur infrage kommen, wobei es Überschneidungen
zwischen den Untersuchungsbereichen gibt, die projektabhängig zu lösen sind.
In jedem der genannten Bereiche können umfangreiche Untersuchungen vorgenom-
men werden. Sofern der Kaufinteressent das Transaktionsobjekt schon aus einer langjäh-
rigen Zusammenarbeit kennt, wird er unter Umständen bereit sein, auf bestimmte Unter-
suchungsbereiche, beispielsweise auf große Teile der Commercial Due Diligence, zu
verzichten. Unabhängig von Sonderfällen wie diesem ist es für eine Due Diligence hilf-
reich, wenn ein Schwerpunkt gesetzt wird. Dieser sollte aus den strategischen Motiven und
Überlegungen des Käufers abgeleitet werden. Handlungsleitend sind die folgenden Fragen:
Was interessiert den Käufer an dem Target? Warum will er es erwerben? Damit verbunden
sind die spezifischen Risiken des Targets.

203 Vgl. hierzu Berens/Hoffjan/Strauch 2013, S. 103 f.


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176 4 Transaktionsphase

B E I S PI E L E

Due Diligence bei IT-Dienstleistern


Ein IT-Dienstleister will einen Wettbewerber kaufen, der in einer Nachbarregion führend
ist. Hauptmotiv ist die Übernahme der regionalen Kunden des Wettbewerbers. Daher wird
dieser Faktor im Zentrum der Due Diligence stehen. Es ist zu prüfen, welche Risiken – man
denke an die Kundenmigration – und welche Chancen bestehen: Können sinnvoll abgrenz-
bare Kundengruppen gebildet werden? Wie sehen deren Vertragslaufzeiten aus? Wie
zufrieden sind Schlüsselkunden? Sind die Deckungsbeiträge der Kunden auskömmlich?

Due Diligence in der Pharmaindustrie


Ein Pharmaunternehmen will einen Wettbewerber kaufen, der im Bereich der Onkologie
führend ist. Der Kauf soll dem Ziel dienen, eine führende Position in der Krebstherapie zu
erreichen. In der Due Diligence werden die folgenden Aspekte im Mittelpunkt stehen: Wie
sind die Umsätze und Deckungsbeiträge der einzelnen Medikamente beschaffen? Wann
laufen die Patente aus bzw. wann werden Generika erwartet? Wie sieht die Produktpipe-
line aus bzw. in welchen Phasen stehen Entwicklungen neuer Medikamente?

Due Diligence im Real-Estate-Sektor


Ein Immobilienentwickler will von der Stadt ein Gelände erwerben, das mit ehemaligen
US-amerikanischen Kasernen bebaut ist. Angesichts des maroden Zustands der Gebäude
geht es ihm um die Verwertung des Grundstücks. In der Due Diligence ist schwerpunktmä-
ßig zu prüfen, ob und wie stark die Böden oder das Grundwasser belastet sind, wie hoch
die Bodenentsorgungs- und -auffüllkosten sind, ob es Auflagen für den Abriss der
Gebäude gibt und welche Regeln bei der Neubebauung zu beachten sind.

Für den Mehrwert der Due Diligence kann also eine an der Strategie orientierte Schwer-
punktsetzung entscheidend sein. Ein entsprechendes Vorgehen wirkt sich für beide Trans-
aktionspartner zeit- und kostensparend aus.
In der an den Verkäufer gerichteten Datenanforderungsliste (document request list)
sind die Daten bzw. Informationen zusammengefasst, die der Käufer zu Beginn der Due
Diligence im Datenraum vorfinden will. Die häufig in ihrer Struktur mit den Due-Diligen-
ce-Bereichen abgestimmten Unterlagen können sehr umfassend sein und bauen meist auf
bestehenden Mustern auf. Verdruss auf Verkäuferseite wird erzeugt, wenn die Liste
schlecht strukturiert ist – wenn sie also zum Beispiel Einträge doppelt enthält –, wenn die
Anforderungen zu umfangreich sind oder wenn die Fragen für die Branche bzw. das
Unternehmen erkennbar unpassend sind, weil die Vorlage nicht angepasst wurde. Inso-
fern ist eine Datenanforderungsliste, die sich auf das Wesentliche beschränkt und gut
gegliedert ist, für den Verkäufer ein positives Signal der Ernsthaftigkeit und Professionali-
tät des Kaufinteressenten.
Der Umfang der Due Diligence bestimmt mit darüber, inwieweit Banken bereit sein
werden, eine Fremdfinanzierung zu leisten, und ob Versicherungen verkäuferseitig abge-
gebene Garantien und Freistellungen zusätzlich absichern.
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4.4  Due Diligence 177

4.4.2.5 Dauer

Die Dauer der Due Diligence schwankt in der Praxis erheblich und hängt von verschiede-
nen Faktoren wie etwa den folgenden ab:
yy Erstens ist das Transaktionsobjekt selbst ausschlaggebend. Entscheidend ist insbeson-
dere seine Komplexität. Diese lässt sich beispielsweise anhand der Zahl von Tochterge-
sellschaften sowie der Zahl und Diversität der Länder und Branchen, in denen es tätig
ist, messen.
yy Zweitens ist die Aufstellung des Kaufinteressenten entscheidend. Welche Strategie ver-
folgt der Interessent mit der Transaktion? Was weiß er bereits über das Transaktionsob-
jekt und die Branchen, in denen es angesiedelt ist? Handelt es sich um einen M&A-er-
fahrenen Interessenten? Wie groß ist sein relevantes Länder-Know-how? Wie schnell
kann er ein schlagkräftiges Due-Diligence-Team zusammenstellen?
yy Letztlich beeinflussen die Ziele von Verkäufer und Käufer und ihre jeweilige Verhand-
lungsmacht die Dauer der Due Diligence. Will der Verkäufer nur eine begrenzte Analyse
zulassen? Oder strebt er aus Haftungsgründen eine vollumfassende Due Diligence an?
Kann er sich mit seinen Vorstellungen durchsetzen oder muss er – in Anbetracht der
Machtverhältnisse – flexibel auf Vorstellungen des Kaufinteressenten reagieren?

Sofern sich ein Verkäufer für ein strukturiertes Auktionsverfahren entschieden hat, wird in
einem Procedure Letter die zeitliche Lage und Dauer der Due Diligence vorgegeben. Damit
gibt es für den Kaufinteressenten nur wenig Spielraum, Verlängerungen zu bewirken.
Erscheint ihm der Zeitraum unangemessen kurz, so sollte er dies trotzdem mit dem Ver-
käufer besprechen.
Im typischen Fall erstreckt sich eine Due Diligence über zwei bis acht Wochen, sie kann
jedoch im Einzelfall auch nur eine Woche oder länger als acht Wochen dauern. Zur
Beschleunigung des Prozesses kann es sinnvoll sein, dass eine bestimmte Prüfungsreihen-
folge vorgegeben wird, oder dass – bei exklusiven Prozessen – die Parteien eine Reihen-
folge verabreden.

4.4.2.6 Team und Durchführung

Die Durchführung einer Due Diligence ist eine intensive, den Einzelnen und das Team
fachlich und emotional belastende M&A-Phase. Berücksichtigt man zudem den enormen
Zeitdruck und die enormen Folgen, die mit einer Akquisition verbunden sind, so wird deut-
lich, dass die Herausforderungen für das Projektmanagement vielfältig sind.204
Die Organisation einer Due Diligence wird sich, wie bereits angesprochen, an den
Untersuchungsfeldern orientieren. Typischerweise finden sich in einer Due Diligence also
vor allem die Teilprojekte Financial, Legal, Tax und Commercial Due Diligence. Das
Due-Diligence-Team besteht in der Regel aus unternehmensinternen und -externen Mit-
gliedern. Je nach dem Umfang der Due Diligence kann eine große Zahl von Personen ein-
bezogen werden, die in seltenen Fällen sogar dreistellig sein kann. In Abhängigkeit von

204 Vgl. detaillierter zum Projektmanagement die Kapitel 6 und 7.


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178 4 Transaktionsphase

den Untersuchungsgebieten werden Mitarbeiter aus den Zentralbereichen des Unterneh-


mens – zum Beispiel aus den Abteilungen M&A und Unternehmensentwicklung – sowie
aus den Bereichen Recht, Steuern und Controlling einbezogen. Hinzu kommen Vertreter
des zukaufenden operativen Geschäftsfelds. Darüber hinaus setzen selbst Großunterneh-
men bei der Due Diligence externe Dienstleister ein, da in der Regel ein sehr spezielles
Know-how gefragt ist. Gängig sind Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater,
M&A-Berater und auch Dienstleister aus dem Bereich Human Resources. Der Prüfungs-
auftrag wird in den Verträgen schriftlich fixiert. Gleiches gilt für das Prüfungsteam und
die Kosten.
Das Team besteht somit meist aus Personen mit unterschiedlichem fachlichen Hinter-
grund, die unter Zeitdruck arbeiten und sich teilweise eng austauschen müssen, obwohl
sie sich nicht immer (zeitgleich) am selben Ort befinden und teilweise noch nie miteinan-
der gearbeitet haben. Die Integration des Teams ist daher eine zentrale Aufgabe. Dies
gelingt nur über adäquate formale und informelle Kommunikationswege, deren geeignete
technische Unterstützung, abendliche Treffen bzw. Videokonferenzen und vor allem eine
gezielte Besetzung der Projektleiter- und Teilprojektleiterpositionen.
Der Teilprojektleiter der Due Diligence sollte ein M&A-erfahrener Generalist sein, der
ein Verständnis für die verschiedenen Untersuchungsfelder aufweist. Er muss – mit der
Unterstützung der Spezialisten – den Blick für das Wesentliche zu wahren wissen. Dabei
ist er in der Lage, wichtige Informationen zu erkennen, ohne sich in Details zu verlieren,
nimmt Bezug auf die strategischen Ziele der Akquisition und verbindet Erkenntnisse der
Due Diligence mit den weiteren M&A-Modulen wie der Unternehmensbewertung, der Ver-
tragsverhandlung sowie der Post-Merger-Integration. Er hat Erfahrung und ein gutes
Gespür für eine effektive Führung des Due-Diligence-Teams.
Die Due Diligence mündet in einer formalen Berichterstattung. Neben dem Gesamtbe-
richt werden oftmals für die Teilbereiche der Due Diligence entsprechende Einzelberichte
erstellt, so etwa für die Legal, Financial oder Tax Due Diligence. Die Vorgabe einer Berichts-
struktur ist angesichts des Zeitdrucks hilfreich. Zudem erleichtert sie die Erstellung des
Gesamtberichts, der auf den Teilreports aufbaut.
Eine typische Struktur für den Gesamtbericht könnte wie folgt aussehen:
yy Management Summary
yy Deal Breaker
yy Strategischer Fit
yy Bewertungs- und kaufpreisrelevante Aspekte
yy Erhebliche Aspekte bezüglich der vertraglichen Zusicherungen und Garantien
yy Hinweise zur Transaktionsstruktur
yy Sonstige vertragsrelevante Aspekte
yy Wesentliche Hinweise für die Post-Merger-Integration
yy Offene Prüfaspekte
yy Anlagen und Teilreports (Legal, Tax, Financial, Commercial)

Insbesondere bei längeren Due-Diligence-Prozessen werden Kurzberichte (Memoranden)


erstellt, um den Projektfortschritt zu dokumentieren und die Leitungsebenen schriftlich zu
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4.4  Due Diligence 179

informieren. Diese bilden später die Ausgangsbasis für die abschließenden Teil- und
Gesamtreports. Der Gesamtreport wird in einer Abschlussbesprechung verabschiedet.205
Sofern der Kaufinteressent in die Verhandlungsphase übergeht, wird er dem Verkäufer
Due-Diligence-Reports bzw. Auszüge hieraus zur Verfügung stellen, um sich deren Rich-
tigkeit bestätigen zu lassen sowie gegebenenfalls Berichtigungen einzuholen. Zudem wird
der Bericht an die finanzierenden Banken übergeben, sodass diese über ihr Engagement
entscheiden können. Auch hier spielt die Haftung des Erstellers – etwa einer Wirtschafts-
prüfungsgesellschaft – eine wichtige Rolle, die gegebenenfalls auch gegenüber den Banken
gilt. Jedoch bleibt die Haftungssumme davon unberührt, das heißt, durch die Haftung
gegenüber einer nunmehr größeren Zahl von Parteien ändert sie sich nicht.206 Die Weiter-
gabe der Berichte ist mit dem Verkäufer abzustimmen (Freistellung bzw. »Hold harm­
less«-Klausel), um bestehende Vertraulichkeitsvereinbarungen nicht zu verletzen.

4.4.3 Verkäuferperspektive

4.4.3.1 Grundlagen

Der Verkäufer wird im Zuge der Vorbereitung der Due Diligence ebenfalls eine Reihe von
Fragen beantworten müssen. Diese ähneln denen der Käuferseite:
yy Welche Ziele sollen mit der Due Diligence verfolgt werden?
yy Welche Inhalte sollen im Datenraum offengelegt werden und wie soll mit besonders
vertraulichen Daten verfahren werden?
yy Soll der Datenraum aufgewertet werden, indem ein Fact Book erstellt oder eine Vendor
Due Diligence durchgeführt wird?
yy Wie viel Zeit wird den Kaufinteressenten für die Due Diligence eingeräumt (Dauer)?
yy Wird ein physischer oder ein virtueller Datenraum genutzt und welche Datenraumre-
geln gelten (Art der Offenlegung)?
yy Wie soll das Team aussehen?
yy Welche Kosten entstehen?

4.4.3.2 Ziele

Zur Beantwortung der oben genannten Fragen muss sich der Verkäufer zunächst Klarheit
über seine Ziele verschaffen: Was will er mit der Due Diligence bezwecken? Zweifelsohne
ist der Informationstransfer zum Kaufinteressenten in der Regel bedeutsam, das heißt, der
Verkäufer will Informationen über das Transaktionsobjekt an den Käufer übermitteln.

205 Vgl. auch Berens/Hoffjan/Strauch 2013, S. 141.


206 Vgl. Pomp 2015, S. 24.
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180 4 Transaktionsphase

WICHTIG
Zweck der Due Diligence
Das dominierende Ziel des Verkäufers bei der Due Diligence ist der Abbau von Unsicher-
heiten des Kaufinteressenten, das Mittel hierfür der Transfer von Informationen. Letzt-
lich will der Verkäufer so den Unternehmensverkauf zu bestmöglichen Konditionen
realisieren.

Neben dem Abbau von Unsicherheiten sind meist auch die drei folgenden Ziele relevant:
yy verbesserte Einschätzung des Kaufinteressenten,
yy Lerneffekte mit Blick auf die Due Diligence,
yy Beweissicherung und Exkulpation.

Der Informationstransfer ist aber keineswegs einseitig zu sehen. Der Verkäufer lernt im
Zuge der Due Diligence die Kaufinteressenten kennen und erhält die Gelegenheit, sie bes-
ser einzuschätzen. Die Anforderungslisten sowie die in der Due Diligence übermittelten
Fragen, durchgeführte Interviews und im Allgemeinen alle Dialoge lassen Rückschlüsse
auf die Motive und die Ernsthaftigkeit des Kaufinteressenten zu und helfen, dessen Integ-
rationsziele abzuschätzen. Zudem können sie helfen, das Auftreten des Käufers und seine
Schwerpunkte in der Verhandlung des Transaktionsvertrags zu prognostizieren. Dieser in
Teilen durchaus unbewusste Informationstransfer kann also zur Einschätzung des Kaufin-
teressenten genutzt werden.
Wird ein Kaufinteressent bei der Durchführung einer Due Diligence zeitlich vorgezogen
bzw. folgen ihm andere mit gewissem Abstand, so kann aus der ersten Due-Diligence-Er-
fahrung vielfach gelernt werden. Probleme mit der Datenqualität, mit dem Transaktions-
objekt selber und mit der Organisation der Due Diligence werden – ähnlich wie in einer
Vendor Due Diligence – aufgedeckt. Dieser Lerneffekt ist zumeist das Ergebnis ungeplanter
Vorgänge, beispielsweise des Umstands, dass der fest vorgesehene Kaufinteressent wider
Erwarten abspringt. Denkbar ist jedoch auch eine bewusst- sequenzielle Vorgehensweise
mit einem »Probeinteressenten« und einer nachfolgenden Auktion.
Daneben gilt auch für den Verkäufer, dass er eine Beweissicherung und Exkulpation
anstrebt. Die elektronische Hinterlegung der Due-Diligence-Informationen bei einem neu-
tralen Dritten kann Rechtsstreitigkeiten vorbeugen oder für Situationen vorsorgen, in
denen ein Rechtsstreit unvermeidlich wird. Damit ist klargestellt, welche Unterlagen der
Verkäufer offengelegt hat und was der Käufer zum Zeitpunkt des Signing und Closing ent-
sprechend wusste bzw. hätten wissen können. Die Verkäuferseite wird also mit der Due
Diligence vermeiden wollen, dass ein Käufer ihm arglistige Täuschung oder ein Verschwei-
gen relevanter Informationen vorwerfen kann. Rechtsstreitigkeiten betreffen aber nicht nur
die beteiligten Unternehmen, sondern auch deren Geschäftsleitungsorgane wie Geschäfts-
führer, Vorstände und Aufsichtsräte. Diese haben Sorgfaltspflichten, deren Erfüllung mit-
tels der Due Diligence dokumentiert werden kann.
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4.4  Due Diligence 181

4.4.3.3 Inhalte und Umgang mit sensiblen Daten

Ist die Entscheidung zur Einleitung eines Verkaufsprozesses gefallen, so sollte der Verkäu-
fer – möglichst frühzeitig – seinen Datenraum mit den Angaben zum Transaktionsobjekt
aufbauen. Über 90 Prozent der Daten sind losgelöst von den Wünschen eines einzelnen
Kaufinteressenten zu sammeln, da es gewisse Standards gibt, die jeder Interessent prüfen
wird. Grundsätzlich sind alle wesentlichen betrieblichen Kernfunktionen des Unterneh-
mens (Einkauf, Fertigung, Vertrieb) und die in den Zentral- und Führungsbereichen (vor
allem Unternehmensentwicklung, Recht, Controlling, Rechnungswesen, Steuern, Human
Resources) angesiedelten Aufgaben abzudecken.
Essenziell ist eine klare Strukturierung und eine hohe inhaltliche Qualität, die letztlich
in der Richtigkeit und Widerspruchsfreiheit der Daten ihren Ausdruck finden. Inkonsisten-
zen etwa zwischen Plänen des Vertriebs und den Gewinn- und Verlustplanungen sind alles
andere als verkaufsförderlich, da sie den Kaufinteressenten verunsichern.
Meist erst kurz vor Beginn der Due Diligence werden die Kaufinteressenten Anforde-
rungslisten übermitteln, die genutzt werden können, um den Datenraum um die fehlen-
den Informationen anzureichern. Der Verkäufer kann fordern, dass die Anforderungslis-
ten bis zu einem bestimmten Stichtag eingehen und einer vorgegebenen Struktur entspre-
chen. Gegebenenfalls können aus Besonderheiten der Anforderungsliste Rückschlüsse auf
Schwerpunkte der Due Diligence oder auf die strategischen Motive des Käufers gezogen
werden. Mit der Datenzulieferung ist eine größere Zahl von Mitarbeitern des Verkäufers
beschäftigt. Da Verkaufsabsichten in diesem Stadium in der Regel vertraulich behandelt
werden, sollte man auf entsprechende interne Nachfragen vorbereitet sein und plausible
Gründe für die Datenanfragen angeben können bzw. intern Vertraulichkeitserklärungen
unterzeichnen lassen.
Gegebenenfalls einigen sich die Parteien auch auf Schwerpunkte der Due Diligence,
sodass eine Konzentration auf ausgewählte Bereiche möglich wird. Dies kommt vor allem
bei exklusiven Transaktionsprozessen infrage, bei denen nur ein Kaufinteressent zur Due
Diligence zugelassen wird. Die Motive für eine Begrenzung der Due Diligence können
unterschiedlicher Natur sein. Womöglich steht der Verkäufer unter Zeitdruck, da das
Unternehmen kurz vor der Insolvenz steht und der Verkauf noch vor deren Eintritt erfol-
gen soll. Hier kann eine Beschränkung auf eine »Red flag«-Due Diligence sinnvoll sein, bei
der das Hauptaugenmerk auf Deal Breaker gerichtet wird.
Eine ernstzunehmende Sorge von Entscheidern auf der Verkäuferseite ist, dass Konkur-
renten wettbewerbsrelevante Daten über sie sammeln. Dies setzt an der Motivation des
Kaufinteressenten an: Hegt er tatsächlich ein ernsthaftes Kaufinteresse oder sind Marktfor-
schung und Wettbewerbsanalyse sein Antrieb? Derartig motivierte Kaufinteressenten soll-
ten nicht oder nur eingeschränkt zur Due Diligence zugelassen werden. Dass Wettbewer-
ber als »Nebeneffekt« – selbst bei einem ernsthaften Kaufwillen – stets dennoch Daten
sammeln können, lässt sich allerding nur bedingt vermeiden. Eine Möglichkeit besteht
darin, eine abgestufte Due Diligence durchzuführen.
Der Verkäufer könnte sich – gegebenenfalls unter Einbezug der Kaufinteressenten – für
eine mehrstufige Due Diligence entscheiden (vgl. Abb. 65, S. 182). Dies wird er von der Ver-
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182 4 Transaktionsphase

Ende der Due Diligence

hoch hoch

3. Stufe

Datenoffenlegung und Due-


Transaktionspartnern

Diligence-Investition
Vertrauen zwischen

2. Stufe

1. Stufe

gering gering

Beginn der Due Diligence

Abb. 65: Mehrstufige Due Diligence

traulichkeit der Daten und den Kaufinteressenten abhängig machen: Sind direkte Wettbe-
werber unter ihnen, so kann die Due Diligence in zwei oder drei Stufen erfolgen. Auf der
ersten Stufe werden nur unkritische Daten offengelegt. Als sensible Daten gelten oftmals
Kunden- und Lieferantenverträge, Dokumente aus der Forschung und Entwicklung oder
strategische Planungen. Auch Daten zu einzelnen Mitarbeitern, etwa zu deren Werdegang,
zur Höhe der Vergütung oder zu Kündigungsfristen, werden zumindest anfänglich nicht
preisgegeben. Derartige Informationen werden – gegebenenfalls in aggregierter Form – im
späteren Verlauf auf der zweiten oder dritten Stufe offengelegt.
Für besonders sensible Informationen bieten sich in der Praxis die folgenden beiden
Wege an:
yy Der Verkäufer kann eine Confirmatory Due Diligence anbieten, die erst nach dem etwa-
igen Signing erfolgt. Sie dient dazu, die zuvor getroffenen, gröberen Angaben zu bestä-
tigen. Sollten in der nachträglichen Due Diligence substanziell negative Abweichungen
offenbar werden, so hat der Käufer ein Rücktritts- oder Minderungsrecht.
yy Alternativ können sensible Daten auch vom »normalen« Datenraum separiert und nicht
dem Kaufinteressenten selbst, sondern lediglich seinen Beratern offengelegt werden.
Die Berater dürfen in diesem Fall lediglich einen allgemeinen »Risikobericht« an ihren
Mandanten weitergeben, werden aber bezüglich der Details zur Verschwiegenheit ver-
pflichtet.
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4.4  Due Diligence 183

»Third Party«-Gespräche des Kaufinteressenten – etwa mit Kunden oder Lieferanten des
Transaktionsobjekts – bergen für den Verkäufer die Gefahr, dass sein Unternehmen »beschä-
digt« wird. Daher werden Verkäufer versuchen, derartige Gespräche so eng wie möglich zu
begrenzen, auszuschließen oder zumindest in spätere Phasen der Due Diligence zu ver-
schieben.
Mit ortsunabhängig verfügbaren virtuellen Datenräumen können laufend neue Infor-
mationen verfügbar gemacht werden, sodass die Möglichkeit besteht, die gestufte durch
eine fließende Due Diligence zu ersetzen. In der Praxis können allerdings permanente
Nachlieferungen bei Kaufinteressenten für Verdruss sorgen, sodass eine Unterteilung in
Stufen weiterhin sinnvoll bleibt.
Alles in allem wird ein Kaufinteressent umso intensiver prüfen dürfen, je wahrschein-
licher ein Transaktionsabschluss aus seiner Sicht ist. Insofern sind gelungene Due-Diligen-
ce-Prozesse dadurch gekennzeichnet, dass der Verkäufer und der Kaufinteressent an Ver-
trauen gewinnen, zunehmend offener werden und ihre Bemühungen wechselseitig
intensivieren (vgl. Abb. 65).

4.4.3.4 Fact Book und Vendor Due Diligence

In den letzten Jahren finden sich in der Praxis verstärkt Instrumente, die über die Anfor-
derungen eines »normalen« Datenraumes hinausgehen. An Verbreitung gewonnen haben
Fact Books und die Vendor Due Diligence, die meist bei Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern
und Rechtsanwälten in Auftrag gegeben werden.
Für die Nutzung dieser Instrumente lassen sich die folgenden übergreifenden Motive
anführen:
yy adressatengerechte Aufbereitung von Daten,
yy Analyse und Verbesserung der Datenqualität bei unzureichender oder inkonsistenter
Datenlage,
yy Identifikation möglicher Problembereiche des Transaktionsobjekts und Behebung der
Probleme oder Sammlung von Gegenargumenten,
yy bessere Einschätzung der Werthaltigkeit des Verkaufsobjekts,
yy schnellerer und insgesamt effizienterer Due-Diligence-Prozess.

4.4.3.4.1 Fact Book
Ein Fact Book wird von einem Berater für vom Verkäufer speziell ausgewählte Sachverhalte
erstellt, bevor die Due Diligence durch die Kaufinteressenten beginnt. Es soll den Kaufin-
teressenten zu Beginn ihrer Due Diligence helfen, rasch ein tiefergehendes Verständnis des
Transaktionsobjekts zu gewinnen.207 Dies verringert die Gefahr, dass sie größere »Lücken«
oder negative Überraschungen im Datenraum entdecken und hohe Risikoabschläge vor-
nehmen.

207 Vgl. Nawe/Nagel 2013, S. 847.


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184 4 Transaktionsphase

In der Praxis dominiert das Financial Fact Book. Dessen Inhalt richtet sich nach den
Bedürfnissen der Kaufinteressenten. Diese beziehen sich jedoch in aller Regel auf zwei-
erlei:
yy die historischen Jahresabschlüsse und
yy die Planungsrechnungen.

Oftmals weisen die historischen Jahresabschlüsse des Transaktionsobjektes außerordentli-


che oder nichtoperative Effekte bzw. »Verzerrungen« auf. Daher werden in einem Financial
Fact Book Normalisierungen der historischen Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage vorge-
nommen, um dem Käufer ein realistisches Bild von der betrieblichen Leistungsfähigkeit
und Vermögenslage zu vermitteln. Hierbei spielt auch die Loslösung des Transaktionsob-
jekts vom Eigentümer eine zentrale Rolle: Im Mittelstand kommt es häufig zu einer Vermi-
schung von Privat- und Unternehmenssphäre, bei Konzernen gilt es, die Leistungsbezie-
hungen zwischen der Konzernmutter und dem Transaktionsobjekt im Hinblick auf ihre
Marktgerechtigkeit zu prüfen. Erfolgten in den letzten Jahren Restrukturierungen, so sind
Pro-forma-Darstellungen sinnvoll, um die Vergleichbarkeit aktueller Daten mit denen ver-
gangener Jahre herzustellen. Ähnliches steht an, wenn Carve-outs erwogen werden, bei
denen Teile des Unternehmens verkauft werden, die bisher nicht als rechtlich selbststän-
dige Einheiten agiert haben und für die daher keine Finanzdaten aus der Vergangenheit
existieren. Neben den historischen Daten werden konsistente Planungsrechnungen erstellt.
Wesentliche Entwicklungen im Anlagevermögen und im Working Capital sind ebenso wie
die Struktur und Entwicklung der verzinslichen und außerbilanziellen Verbindlichkeiten
zu erläutern.
Die Informationstiefe in Fact Books variiert und hängt nicht zuletzt von der Organisa-
tion des Transaktionsobjekts ab. Eine Aufschlüsselung von Umsätzen, Kosten und
Deckungsbeiträgen nach Segmenten, Kunden und wesentlichen Produkten ist sowohl für
die historischen Daten als auch für die Planungsrechnungen hilfreich. Faktenorientierte
Erläuterungen des Verkäufers sollen Interpretationsspielräume reduzieren und können –
ohne ergebnisverfälschend zu wirken – für eine positive Grundstimmung sorgen.
Der Dienstleister, der das Fact Book erstellt hat, übernimmt üblicherweise keine Haf-
tung für die Inhalte. Mit dem Käufer wird in der Regel eine Haftungsfreistellung vereinbart,
um für Klarheit zu sorgen. Der Dienstleister stützt sich auf Daten des Verkäufers und führt
keine eigenen Erhebungen oder Überprüfungen der Datenqualität durch. Sofern diese
gewünscht sind, kann eine Haftung vereinbart werden, wobei dann die Kosten für das Fact
Book deutlich steigen und die Grenzen zur Vendor Due Diligence verschwimmen.
Neben den Finanzen können Fact Books auch andere Bereiche des Transaktionsobjekts
behandeln. Hierzu zählen typischerweise steuerliche Sachverhalte oder Immobilien. Ein
Fact Book ist frühzeitig zu erstellen, da andernfalls die Gefahr besteht, dass sein Inhalt Aus-
sagen des Teasers oder des Informationsmemorandums widerspricht. Insofern sollte die
Endfassung des Fact Books vorliegen, bevor die ersten Dokumente an Kaufinteressenten
versandt werden.
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4.4  Due Diligence 185

4.4.3.4.2 Vendor Due Diligence


Die Vendor Due Diligence (VDD) ist eine vom Verkäufer beauftragte Due Diligence und
wird vor der käuferseitigen Due Diligence durchgeführt. Sie beschränkt sich nicht auf
Finanzdaten, sondern kann alle Bereiche einer käuferseitigen Due Diligence einbezie-
hen, darunter insbesondere die Bereiche Tax, Legal, Commercial und Operational Due
Diligence.
Die VDD geht in mehrerlei Hinsicht über das Fact Book hinaus. So ist hier eine eigen-
ständige Datenerhebung und -analyse durch den VDD-Dienstleister vorgesehen. Zudem
beinhaltet der VDD-Bericht neben den reinen Fakten auch kritische Einschätzungen, Inter-
pretationen und Kommentare des Erstellers, darunter vor allem zu Planungsrechnungen
oder zu Risiken des Transaktionsobjekts. Der VDD-Dienstleister nimmt die Perspektive
eines Kaufinteressenten ein, ohne jedoch die genauen Umstände eines speziellen Interes-
senten zu kennen.
Am Ende der Vendor Due Diligence übergibt der Dienstleister einen unterzeichneten
formalen Bericht an den Auftraggeber. Der Auftraggeber kann der Verkäufer und/oder das
Transaktionsobjekt sein. Dessen Management überprüft in der Regel den Bericht, bestätigt
schriftlich die sachliche Richtigkeit und versichert, dass keine wesentlichen Fakten ausge-
lassen wurden. Beides wird in den VDD-Bericht eingebunden.
Der Ersteller des VDD-Berichts haftet gegenüber dem Auftraggeber, klassischerweise
dem Verkäufer, für Mängel in der Auftragsdurchführung. Das eigentliche Risiko tragen
jedoch der Käufer und seine Fremdkapitalgeber. Beide erhalten den VDD-Bericht, und mit
ihm gehen auch sämtliche Ansprüche über, da konkludent oder explizit-formal ein Aus-
kunftsvertrag geschlossen wird. Der VDD-Ersteller haftet somit auch gegenüber dem Käu-
fer und seinen Fremdkapitalgebern, was den Wert der VDD unterstreicht. Üblich ist jedoch
eine Haftungsbeschränkung in Höhe des ursprünglichen Auftragsverhältnisses zwischen
dem Verkäufer und dem VDD-Dienstleister. Typischerweise handelt es sich um Beträge von
einigen Millionen Euro, wobei auch höhere Haftungssummen vereinbart werden können.
Dienstleister streben jedoch meist eine Begrenzung der inhaltlichen Haftung und der Haf-
tungssumme an.

4.4.3.4.3 Fact Book oder Vendor Due Diligence?


Aufgrund der Eigenständigkeit der Analysen und Einschätzungen sowie der eingenomme-
nen Perspektive sind – aus Käufersicht – die Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit der
VDD höher einzuschätzen als die eines Fact Books (vgl. Abb. 66, S. 186). Jedoch ersetzt
eine VDD in der Praxis nicht die eigene bzw. käuferseitige Due Diligence.
Dies mag zunächst überraschen. Jedoch hegen Kaufinteressenten oftmals Zweifel unter
anderem an der Unabhängigkeit und Objektivität des VDD-Dienstleisters. Dieser wird
schließlich vom Verkäufer beauftragt und bezahlt. Da oftmals Wirtschaftsprüfer mit der
VDD beauftragt werden, bestehen gegebenenfalls weitere Vertragsverhältnisse wie etwa
der Auftrag zur Abschlussprüfung. Es ist dann naheliegend, dass Dienstleister die bei der
Interpretation von Risiken bestehenden Gestaltungsspielräume nutzen. Zudem werden
Kaufinteressenten ihre eigenen Sichtweisen bezüglich der Branche, der Strategie, der Kun-
den oder echter Synergien einbringen wollen, was ebenfalls für eine eigene Due Diligence
spricht.
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186 4 Transaktionsphase

(Financial) Fact Book Vendor Due DIligence

 konsistente Daten-  Analyse des Transak-


grundlage für jeweiligen tionsobjekts aus der
Sachbereich Sicht eines Erwerbers
Inhalte
 Financial Fact Book:  Reduzierung der
finanzielle Daten- käuferseitigen Due
grundlage Diligence

 Daten vom Verkäufer  Dienstleister führt


 keine fundierten eigene Datenerhe-
Leistungs-
Erhebungen und bungen und Analysen
umfang
Analysen durch durch (»unabhängige«
Dienstleister
Dienstleister Überprüfung)

Kosten  gering bis mittel  hoch

 geringe Sicherheit für  höhere Sicherheit für


Vertrauens-
Erwerber Erwerber
würdigkeit der
Daten und der  keine Haftung (non-  Haftung üblich (reliance)
Haftung reliance)

Abb. 66: Fact Book und Vendor Due Diligence im Vergleich

Was ist vor dem Hintergrund des oben Gesagten der Wert einer VDD? Im Kern dient sie der
Vorbereitung der käuferseitigen Due Diligence und der vertieften und relativ glaubwürdi-
gen Erstinformation von Kaufinteressenten. Dem Verkäufer entstehen beträchtliche Kos-
ten, die sich meist nur bei Auktionsverfahren lohnen. Im Fall einer Auktion greifen mehrere
Interessenten auf den VDD-Bericht zurück, und hier dient die Erstinformation einer raschen
Synchronisierung der Informationsstände und entsprechend einer Beschleunigung der
Transaktion. Zudem kann ein VDD-Bericht gegebenenfalls verhindern, dass Kaufinteres-
senten gleich zu Anfang abgeschreckt werden, weil sie hohe Due-Diligence-­Kosten befürch-
ten und angesichts dessen frühzeitig – letztlich aber vergeblich – Exklusivität fordern.
Der Bieterwettbewerb wird somit verstärkt. Des Weiteren können den Kaufinteressenten
Probleme in aggregierter Form offengelegt werden, ohne frühzeitig vertrauliche Daten im
Detail preisgeben zu müssen. Letztlich wird es Käufern auch schwerer fallen, die Kosten
ihrer Due Diligence auf den Verkäufer abzuwälzen, da dieser ohnehin die Kosten der VDD
tragen muss.
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4.4  Due Diligence 187

4.4.3.5 Dauer

Die Dauer der Due Diligence hängt nicht zuletzt vom gewählten Verkaufsverfahren ab:
yy Sollen mehrere Kaufinteressenten eingebunden werden (Auktionsverfahren), so wird
der Verkäufer die zeitliche Lage, die Dauer und auch eventuelle Stufen der Due Dili-
gence festlegen und hiervon kaum noch abweichen. Die Kaufinteressenten sollen zeit-
lich synchronisiert werden, das heißt, die Befunde der Due Diligence zeitgleich erfah-
ren und ebenso zeitgleich bindende Angebote unterbreiten. Nur so wahrt der Verkäufer
möglichst lange seine Handlungsalternativen und echte Verhandlungsmacht.
yy Sofern sich der Verkäufer auf einen bilateralen Verkaufsprozess einlässt, besteht die
Möglichkeit, dass er sich zusammen mit dem Käufer auf die Dauer und zeitliche Lage
der Due Diligence einigt. Selbst wenn der Kaufinteressent keine Exklusivität zugesi-
chert bekommen hat, kann ein Entgegenkommen an dieser Stelle signalisieren, dass er
de facto dennoch einen – wenn auch ungesicherten – Alleinbieterstatus genießt.

Die bereits bezüglich der Käuferseite besprochenen Faktoren – im Kern die Komplexität des
Transaktionsobjekts, die Aufstellung des Kaufinteressenten und die Ziele und Verhand-
lungsmacht von Verkäufer und Käufer – beeinflussen die Dauer, die der Verkäufer dem
Käufer für die Due Diligence gewährt. Wie schon bei den Ausführungen zur Käuferseite
erwähnt, erstreckt sich die Due Diligence meist über zwei bis acht Wochen. Für mittelstän-
dische Targets sind zwei bis vier Wochen üblich.

4.4.3.6 Datenraum und Nutzungsregeln

Vor dem Beginn der Due Diligence sammelt der Verkäufer die zu ihrer Durchführung not-
wendigen Daten und legt sie in strukturierter Form in einem Datenraum ab. Der Daten-
raum unterliegt seiner Kontrolle, was etwa den Zutritt oder die Art der Ansicht der Daten
betrifft.
Eine wesentliche Entscheidung, die von der Verkäuferseite zu treffen ist, betrifft die Art
der Offenlegung der Daten bzw. die Art des Datenraums: Ein physischer Datenraum besteht
aus einer Vielzahl kopierter Unterlagen, die strukturiert und mit einem Index versehen
abgelegt werden. Wird ein physischer Datenraum eingerichtet, so ist es üblich, hiermit eine
dritte Partei zu beauftragen, um Unruhe beim Transaktionsobjekt zu vermeiden. Hierzu
werden beispielsweise Räume der M&A-Berater oder Anwälte genutzt.
In den letzten Jahren haben elektronische bzw. virtuelle Datenräume enorm an Bedeu-
tung gewonnen. Mittlerweile herrschen solche Datenräume in der M&A-Praxis vor. An die
Stelle eines physischen Datenraumes tritt ein internetbasierter Zugang zu den Daten. Der
Verkäufer hinterlegt die Daten und eingescannten Dokumente des Transaktionsobjekts bei
einem Dienstleister208. Der Zugang wird Kaufinteressenten temporär gewährt und vor
unbefugten Dritten geschützt.

208 zum Beispiel Drooms, Intralinks oder Netfiles.


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188 4 Transaktionsphase

Virtuelle bzw. elektronische Datenräume weisen im Vergleich mit physischen Datenräu-


men für den Verkäufer und Käufer einige Vorteile auf. Diese werden im Folgenden kurz
vorgestellt:
yy Parallelität. Mehrere Interessenten und auch mehrere Interessenten der gleichen Partei
können simultan auf den Datenraum zugreifen.
yy Kosten- und Zeitersparnis. Reisekosten und Reisezeiten für den Kaufinteressenten
und seine Berater entfallen, wodurch der Einbezug internationaler Bieter erleichtert
wird.
yy Besseres Informations- und Dokumentenmanagement. Die Ablage der Dokumente
erfolgt oftmals in besser strukturierter Form. Die virtuellen Datenräume sind mit Such-
funktionen oder Frage-Antwort-Instrumenten (Q&A-Tool) ausgestattet und erlauben es
somit, Informationen auf effizientere Weise zu sichten und zu dokumentieren. Auch
eine spätere Hinterlegung beim Notar ist in vollständiger elektronischer Form möglich.
yy Verbesserte Kontrollmöglichkeit. Im Rahmen des Rechtemanagements kann festge-
legt werden, wer welche Dokumente sehen, ausdrucken und/oder speichern darf.
Zudem lassen Protokolle Auswertungen zu, die Aufschluss darüber geben, welche
Dokumente von Interessenten wie häufig gesichtet und/oder ausgedruckt wurden.
Hierdurch lassen sich gewisse Bekanntheitsgrade der Dokumente ermitteln. Zudem
können Verkäufer Rückschlüsse auf das mögliche Bieterverhalten ziehen und sich auf
Nachfragen vorbereiten.

Im Vergleich mit dem physischen Datenraum weist der virtuelle Datenraum im Wesentli-
chen die folgenden Nachteile auf:
yy Kosten. Es entstehen Kosten für den Datenraum und das Scannen der Dokumente, das
meist vom Dienstleister übernommen wird.
yy Einarbeitungszeit. Die Parteien und ihre Berater müssen sich in die Softwarelösung
des Datenraum-Dienstleisters einarbeiten.
yy Fehlende persönliche Beziehung. Die persönliche Betreuung entfällt und damit ein nicht
zu unterschätzender, gegebenenfalls auch deeskalierend wirkender Kommunikations-
kanal. Häufig konnten in der Vergangenheit Befunde aus einer Due Diligence, die unter-
halb der Deal-Breaker-Schwelle lagen, auf dem »kurzen Dienstweg« geklärt werden –
eine Möglichkeit, deren Nutzung durch virtuelle Datenräume erschwert wird.
yy Sicherheitsrisiken. Als schwerwiegend können im Einzelfall die Risiken des Daten-
schutzes erachtet werden. Inwieweit entsprechende Bedenken berechtigt sind, hängt
unter anderem von der verwandten Technologie (Verschlüsselungs- und Zugangstech-
nik) und dem Serverstandort (Deutschland, Schweiz, USA oder ein anderes Land) ab.
Es kann jedenfalls gemutmaßt werden, dass »Industriespionage« von einzelnen Staaten
gezielt betrieben wird und dass diese sich gezielt auch der virtuellen Datenräume
bedient. Auch die oben genannten Vorteile bei der Kontrolle relativieren sich, da sich
»Screenshots« bzw. Fotografien nicht zur Gänze verhindern lassen.

Virtuelle Datenräume sind bei Auktionsverfahren als vorherrschendem Verkaufsweg zum


Standard geworden. Bei bilateralen Transaktionsprozessen, das heißt solchen mit nur
einem Kaufinteressenten, werden jedoch weiterhin auch physische Datenräume eingesetzt.
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4.4  Due Diligence 189

Bei hochsensiblen Daten können für die entsprechenden Bereiche physische Datenräume
eingerichtet werden, die den virtuellen Datenraum ergänzen. Unabhängig davon, wofür
sich ein Verkäufer entscheidet, hinterlässt die Professionalität des Datenraums »Eindruck«
bei den Interessenten und ihren Partnern. Die Vollständigkeit, die Struktur und die Konsis-
tenz der Daten, die Organisation von Nachlieferungen und die Beantwortung von Fragen
wirken insofern als »Visitenkarte« des Unternehmens.
Der Verkäufer wird Regeln zur Nutzung des Datenraums erlassen. Beim physischen
Datenraum geht es etwa um Aspekte wie Öffnungszeiten, Zutrittsbedingungen und Anwe-
senheitskontrollen, die Möglichkeit zur Nutzung (eigener) technischer Geräte wie Compu-
ter und Smartphone und des Kopierens von Dokumenten des Datenraumes. Auch die Art,
wie Fragen zu Dokumenten gestellt werden können, kann Gegenstand einer Regel sein.
Beim virtuellen Datenraum geht es insbesondere um den Zugang des M&A-Teams des Kau-
finteressenten, das heißt, für jedes Teammitglied muss eine Einwilligung des Verkäufers
vorliegen und jede Person muss sich gesondert im Datenraum autorisieren. Auch wird das
Verhalten des M&A-Teams des Kaufinteressenten, was etwa Screenshots bzw. Fotos von
Dokumenten angeht, geregelt. Darüber hinaus sind die Verfügbarkeiten des Datenraums
und der technische Support zu regeln.

4.4.3.7 Team

In aller Regel wird ein Verkäufer externe Berater engagieren, die die Due Diligence vorbe-
reiten und begleiten (dataroom assistance und vendor assistance). Hierfür spricht eine
Reihe von Gründen.
Erstens ist der zeitliche Aufwand, den Datenraum zu füllen, selbst in Zeiten elektroni-
scher Akten nicht zu unterschätzen. Es ist in der Praxis keine Seltenheit, dass bestimmte
Dokumente nicht auffindbar sind und daher beispielsweise von dritter Seite (etwa von
Behörden oder Banken) angefordert werden müssen. Zudem sind manche Daten erst aus-
sagekräftig, nachdem sie explizit für die Kaufinteressenten aufbereitet wurden. Dies alles
ist von Mitarbeitern des Transaktionsobjekts und des Verkäufer neben dem Tagesgeschäft
kaum zu leisten.
Zweitens fehlt es nicht selten an fachlichen und sozialen Kompetenzen. So ist einzu-
schätzen, was der Kaufinteressent tatsächlich benötigt. Überdies ist es bei der Datenraum-
vorbereitung zuweilen notwendig, Druck auf Mitarbeiter des Transaktionsobjekts auszu-
üben, damit diese die Daten rechtzeitig und in der geforderten Qualität übermitteln. Ein
interner Mitarbeiter tut sich hiermit regelmäßig schwer. Auch sind während der käufersei-
tigen Due Diligence erfahrene Teammitglieder erforderlich, die das Käuferteam betreuen,
Fragen in der notwendigen Qualität gegebenenfalls schriftlich beantworten und mit Kon-
flikten umzugehen wissen.
Die genannten Gründe sprechen für die Beauftragung von Dienstleistern, etwa einer
großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Transaction Services) oder eines anerkannten
M&A-Beraters. Somit dominieren in der Praxis gemischte Teams, bestehend aus Mitar-
beitern des Transaktionsobjekts bzw. der Verkäuferseite (Konzern) und externen Dienst-
leistern.
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190 4 Transaktionsphase

4.4.4 Analysebereiche
4.4.4.1 Überblick
Eine Due Diligence ist eine arbeitsteilig durchzuführende Analyse eines Transaktionsob-
jekts. Die weiter oben bereits angedeutete typische Untergliederung der Due Diligence, die
sich im Lauf der letzten Jahrzehnte herausgebildet hat (vgl. Abb. 67, S. 192), beruht auf
der Komplexität des Targets, die wiederum auf die Unterschiedlichkeit der zu analysieren-
den Daten zurückgeht. Allerdings werden nicht in jeder Transaktion alle Bereiche, die sich
aus dieser Untergliederung ergeben, separat geprüft.
Weit verbreitet sind die finanzielle Analyse (Financial Due Diligence), die rechtliche
Analyse (Legal Due Diligence) und die steuerliche Analyse (Tax Due Diligence). Diese Ana-
lysen werden nahezu bei jedem Transaktionsvorhaben angestellt. Fast genauso häufig ist
die Commercial Due Diligence anzutreffen, bei der zunächst eine marktbezogene Prüfung
des Transaktionsobjekts stattfindet und darauf aufbauend der Businessplan validiert wird.
Diese vier zum Standard jeder Due Diligence gehörenden Untersuchungsbereiche werden
in den Folgeabschnitten näher vorgestellt. Auf weitere Analysebereiche, die in den Folge-
abschnitten nicht thematisiert werden, wird gleich im Anschluss kurz eingegangen.
Die Commercial Due Diligence überschneidet sich in Teilen mit der Operational Due
Diligence. Letztere ist allerdings stärker nach innen gerichtet und betrifft die gesamte ope-
rative Wertschöpfung. Im Rahmen der Operational Due Diligence werden Risiken, Wert­
steigerungspotenziale und gemeinsame Synergien in den operativen Prozessen des Targets
und des ins Auge gefassten neuen Unternehmensverbunds detaillierter untersucht.209 Es
werden Verbesserungs- und Restrukturierungsprogramme entwickelt und im Hinblick auf
ihre Umsetzbarkeit untersucht. Insofern bestehen enge Verbindungen zur Integrationspla-
nung, in die die Informationen der Operational Due Diligence einfließen. So ergänzt die
Operational Due Diligence die Commercial Due Diligence, die einen eher strategischen
Charakter hat, mehr am Markt ausgerichtet ist und sich auf längere Zeithorizonte bezieht.
Etwas seltener werden personalwirtschaftliche und kulturelle Analysen (Human
Resources und Cultural Due Diligence) vorgenommen. Diese beiden Richtungen lassen sich
nur schwer voneinander trennen. In ihrem Rahmen werden die harten und weichen Fak-
toren des Personalbestands analysiert. Hierbei geht es darum, die Kompetenzen und die
Motivation der Belegschaft einzuschätzen, was sich aus Arbeitsverträgen und Ausbil-
dungsgraden, aber auch aus Interviews ergeben kann. Daneben interessieren das Niveau
und die Bestandteile der Vergütungen, Pensionspläne, das Durchschnittsalter der Beleg-
schaft sowie die Zahl der Leih- und Zeitarbeitskräfte und der freien Mitarbeiter. Zudem
wird versucht, die im Unternehmen praktizierten Werte zu erfassen, um die Verträglichkeit
mit der eigenen Kultur einschätzen zu können. Hierbei stehen Instrumente zur Messung
der Kultur und der Kulturunterschiede zwischen Käufer und Target zur Verfügung.210
Bei der Compliance Due Diligence wird geprüft, ob das Target gegen gesetzliche Bestim-
mungen, etablierte Kodizes oder unternehmensinterne ethische Richtlinien verstoßen hat.
Anfällige Unternehmensbereiche sind hier stets der Einkauf und der Vertrieb sowie Toch-

209 Vgl. hierzu Frohn/Arvizu 2012.


210 Vgl. etwa Klein 2014 und Blöcher 2008.
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4.4  Due Diligence 191

tergesellschaften in weniger entwickelten Regionen. Korruptionsrisiken sind in Ländern


ohne funktionierende staatliche Verwaltungssysteme meist besonders hoch. Complian-
ce-Risiken können dazu führen, dass M&A-Transaktionen unwirtschaftlich werden bzw.
im Falle eines Kaufs massive Verluste mit sich bringen.
Die Bedeutung der Analyse der Informationstechnologie (IT Due Diligence) oder
umweltspezifischer Risiken (Environmental Due Diligence) ist stark von der Branche
abhängig. So ist die Environmental Due Diligence bei vielen Dienstleistern eher neben-
sächlich, während sie im Bereich des produzierenden Gewerbes – man denke beispiels-
weise an Unternehmen der chemischen Industrie – von herausragender Bedeutung ist. Die
IT ist gerade bei Dienstleistern oder Handelsunternehmen, die im Endkonsumentenge-
schäft tätig sind und es mit digitalen Produkten zu tun haben, von großer Bedeutung. Dies
gilt etwa für Finanzdienstleister oder Online-Händler.
Viele der beschriebenen Due-Diligence-Bereiche weisen Überschneidungen auf und
können auch zusammengefasst werden. So kann im Rahmen der Legal und der Commer-
cial Due Diligence auch die Compliance Due Diligence oder eine grundlegende Environ-
mental Due Diligence durchgeführt werden. Die IT Due Diligence kann in die Operational
oder Commercial Due Diligence integriert werden. Je wichtiger diese Bereiche bei einem
Zielunternehmen jedoch sind, umso sinnvoller ist es, mit ihrer Analyse Spezialisten zu
betrauen und in der Due Diligence entsprechende eigenständige Schwerpunkte zu bilden.
Insofern wird die konkrete Aufteilung der Due-Diligence-Bereiche – jenseits der jeweils
eigenständigen Untersuchungsbereiche der Financial, Tax, Legal und Commercial Due
Diligence – stark projektabhängig erfolgen.
Ähnlich wie der Verkäufer kann auch der Käufer einen Datenraum aufbauen, in dem er die
wichtigsten Rohdaten und Analysen zum Transaktionsobjekt und zum Verkäufer sammelt.
Dieser sollte für das Kernteam frei zugänglich sein und von Mitgliedern der verschiedenen
Untersuchungsteams gepflegt werden. Hierdurch ist gewährleistet, dass alle Due-Diligen-
ce-Teams auf dieselbe Informationsbasis zugreifen.
Im Folgenden werden die vier Standard-Untersuchungsbereiche – Financial, Legal, Tax
und Commercial Due Diligence – näher beschrieben.

4.4.4.2 Financial Due Diligence

Die Financial Due Diligence hat die finanzwirtschaftliche Analyse des Transaktionsobjekts
zum Gegenstand. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Ermittlung der »Rohdaten« für die Unter-
nehmensbewertung und zur Bestimmung der weiteren Konditionen des Transaktionsver-
trags. Oftmals kommen hier große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zum Einsatz. Anders
als bei Jahresabschlussprüfungen sind bei der Financial Due Diligence keine gesetzlichen
Regelungen zu beachten, sodass es um eine »neutrale« betriebswirtschaftliche Sichtweise
geht und Vorsichtsprinzipien oder Ähnliches keine Rolle spielen.
Die Financial Due Diligence hat sowohl einen rückwärtsgewandten Charakter, der sich
in der Analyse historischer Finanzdaten niederschlägt, als auch einen planerischen Cha-
rakter, da es um die Businesspläne und nachhaltigen Ergebnisse der Zukunft geht. Die
Financial Due Diligence benutzt als wichtigste Informationsquellen die Jahresabschlüsse
192

Financial
DD

Tax Legal
DD DD

Transaktionsobjekt Kernanliegen des


Kernanliegen des
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Käufers Commercial Environmental Verkäufers


4 Transaktionsphase

DD DD
Zu welchen Verringerung der
Bedingungen ist die Unsicherheiten bzw.
Transaktion vorteilhaft? Risiken des Käufers
Operational Real Estate
DD DD
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Beschaffung und Auswertung Bereitstellung von


von Informationen Informationen

IT DD Compliance
DD

HR / Cultural
DD

Planung der Exkulpation der


Abbruch der Transaktion? Konditionen der Transaktion?
Integration? Gremien!

Abb. 67: Due Diligence im Überblick


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4.4  Due Diligence 193

der letzten Geschäftsjahre, die entsprechenden Prüfberichte, die monatlichen Summen-


und Saldenlisten, Budgets und Businesspläne des laufenden und der nächsten Jahre,
Berichte des Controllings und Pensionsgutachten.
Die drei folgenden wichtigen Untersuchungsbereiche können unterschieden werden
(vgl. Abb. 68, S. 194):211
yy Ertragslage mit einem besonderen Augenmerk auf der Nachhaltigkeit der Ergebnisse,
yy Vermögenslage und Finanzverschuldung,
yy Finanzlage und Working Capital.

Bei der Analyse der Ertragslage steht das nachhaltige operative Ergebnis im Mittelpunkt. In
Jahresabschlüssen ausgewiesene Ergebnisse sind oftmals durch Einmaleffekte, also nicht
wiederkehrende Erträge oder Aufwendungen, oder durch nichtoperative Effekte verzerrt.
Hierzu zählen oftmals Restrukturierungsaufwendungen (zum Beispiel Kosten für den
Abbau von Stellen), Erträge aus Verkäufen von Gegenständen des Anlagevermögens (zum
Beispiel Maschinen), Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen oder aus Sale-and-­
Lease-back-Transaktionen, ungewöhnlich hohe Kosten für Berater, zu denen auch die Kos-
ten des Verkaufs zählen können, oder Erträge aus wertberichtigten Forderungen.
Hier muss im Einzelnen entschieden werden, welche Effekte tatsächlich einmalig oder
außerbetrieblich sind bzw. welche zumindest teilweise als wiederkehrend und operativ
bedingt anzusehen sind. Dementsprechend können bei der Normalisierung der histori-
schen Erträge manche Aufwendungen oder Erträge komplett ausgeklammert werden, wäh-
rend andere Effekte über mehrere Jahre zu verteilen sind. Als Ergebnis erhält man ein nor-
malisiertes EBIT(DA), das für die zurückliegenden drei bis sechs Jahre ermittelt wird.
Zudem ergibt sich ein guter Überblick über die Entwicklung der Umsatzerlöse und der
betrieblich bedingten, normalisierten Aufwendungen.
Auf dieser Basis und ergänzt durch die Ergebnisse der Commercial und der Operational
Due Diligence können die vom Verkäufer vorgelegten Businesspläne plausibilisiert wer-
den. Hierzu werden etwa verschiedene historische Kennzahlen mit den Plan-Kennzahlen
verglichen, Planungsprämissen analysiert, Sensitivitäten untersucht und Szenarien gebil-
det. Oftmals wird geprüft, ob der Verkäufer hinreichend in das Anlagevermögen investiert
hat, um die geplanten Umsätze zu erzielen, oder ob ein »Investitionsstau« vorliegt. Im
letztgenannten Fall wären auch zusätzliche Abschreibungen zu berücksichtigen. Eine
sinnvolle Businessplanung muss die Expertise anderer Due-Diligence-Bereiche einbezie-
hen. Letztlich ist das normalisierte Ergebnis – unabhängig vom verwandten Verfahren –
eine wichtige Ausgangsbasis für die Unternehmensbewertung.
Bei der Analyse der Vermögenslage werden die Bilanzen der letzten Jahre sowie die
Planbilanzen detailliert untersucht. Hierzu werden auch der Anlagenspiegel und Summen-
und Saldenlisten, insbesondere des laufenden Jahres, hinzugezogen. Ein Augenmerk liegt
auf der Werthaltigkeit der Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens. So können etwa
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen mit einem zu hohen Wert bzw. Wertberich-
tungen zu gering angesetzt sein. Gerade bei Forderungen ist es sinnvoll, sich deren Alters-
struktur anzusehen und die Forderungen zum Beispiel nach dem Datum ihrer Entstehung

211 Vgl. hierzu auch Pomp 2015.


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194 4 Transaktionsphase

Analysebereich Typische Untersuchungsobjekte

1. Ermittlung des nachhaltigen operativen


Analyse der Ergebnisses
historischen und
künftigen … 2. Prüfung der Werthaltigkeit von
Vermögensgegenständen und
Verbindlichkeiten

3. Realisierbarkeit des Businessplans


Ertragslage
4. Ermittlung der Netto-Finanzverbindlichkeiten

5. Prüfung der Geschäftsentwicklung

6. Berechnung der Cashflow-Entwicklung


Vermögenslage 7. Analyse der Investitionstätigkeit

8. Untersuchung des (normalen) Working


Capital-Bedarfs

9. Einschätzung der Qualität der


Finanzlage finanzwirtschaftlichen Funktionen
10. Ermittlung der Konsistenz der Finanzdaten

Abb. 68: Wichtige Untersuchungsfelder der Financial Due Diligence

(zum Beispiel vor bis zu 30, 60, 90, 120, 240, 360 Tagen) zu gruppieren, um ihre Werthal-
tigkeit einschätzen zu können. Diese ist auch bei anderen Positionen des Umlaufvermö-
gens, etwa bei Fertigerzeugnissen (»verderbliche Ware«), zu prüfen. Auch immaterielle
Werte des Anlagevermögens (beispielsweise Geschäfts- oder Firmenwert, Markenrechte)
sind diesbezüglich zu untersuchen.
Auf der Passivseite der Bilanz sind die Verbindlichkeiten auf ihre Angemessenheit zu
prüfen und zu niedrige Werte oder nicht angesetzte Risiken zu berücksichtigen. Die Finanz-
verbindlichkeiten am Übernahmestichtag, also typischerweise Bankdarlehen, Anleihen,
Gesellschafterdarlehen, Steuerschulden und Pensionsverbindlichkeiten, fließen in der
Regel direkt in die Unternehmensbewertung und Kaufpreisermittlung ein. Zu klären ist,
wie außerbilanzielle (Leasing-)Verpflichtungen behandelt werden sollen. Sollte ein »Inves-
titionsstau« festgestellt werden, so erhöht dieser die Finanzverbindlichkeiten.212 Typische
Kennzahlen der Bilanzanalyse und Relationen der historischen Abschlüsse werden als
Maßstäbe für die Beurteilung der Planbilanzen herangezogen. Deutliche Abweichungen
sind im Hinblick auf ihre Plausibilität zu untersuchen.

212 Es sei denn, die nicht betrieblich benötigte Liquidität des Erwerbsobjekts reicht aus, um den Investitions-
bedarf zu decken, was zu einem Aktivtausch führen würde.
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4.4  Due Diligence 195

Im Rahmen der Analyse der Finanzlage werden die Zahlungsflüsse bzw. Cashflows
untersucht. Hierbei ist es sinnvoll, zwischen operativen Cashflows, Investitions-Cashflows
und Finanzierungs-Cashflows zu unterscheiden. Wie schon bei der Ertragslage sind nach-
haltige operative Cashflows zu ermitteln, die gleichermaßen um Einmaleffekte bereinigt
werden. In der Regel wird zumindest der operative Cashflow indirekt, ausgehend vom
nachhaltigen EBITDA, berechnet.
Wie die Cashflows genau abgegrenzt werden, hängt letztlich auch von der gewählten
Methode der Unternehmensbewertung ab. Verbreitet ist die Ermittlung des freien Cashflows
(Free Cash Flow), der sich aus dem operativen und dem Investitions-Cashflow ergibt und
damit von der jeweils vorgefundenen Finanzierungsstruktur unabhängig ist. Die verschie-
denen Cashflows werden sowohl rückwirkend als auch für die künftigen Jahre ermittelt und
gehen so direkt in die Unternehmensbewertung ein. Neben den Cashflows ist die Quantifi-
zierung eines »normalen« Working-Capital-Bestands wichtig, da dieser bei der Kaufpreisan-
passung zwischen Signing und Closing oftmals als Referenzwert einbezogen wird.
Alles in allem ist die Financial Due Diligence somit maßgeblich sowohl an der Vorarbeit
für die in die Zukunft gerichtete Unternehmensbewertung beteiligt als auch an der Validie-
rung der vorhandenen Substanz, indem sie die Vermögensgegenstände auf ihre Werthaltig-
keit überprüft.213 Darüber hinaus wird allgemein die Qualität der kaufmännischen Funktio-
nen, das heißt beispielsweise des Controllings, der Finanzabteilung und der Bilanzabteilung,
beurteilt.

4.4.4.3 Legal Due Diligence

Im Rahmen der Legal Due Diligence wird das Transaktionsobjekt umfassend im Hinblick
auf rechtliche Übertragungshindernisse sowie Bestands- und Haftungsrisiken untersucht.214
Eine Legal Due Diligence wird in aller Regel, anders als etwa die Commercial Due Dili-
gence, keine Gründe für den Kauf liefern, aber Risiken aufzeigen, welche die Transaktion
gefährden können. Entsprechende Erkenntnisse führen zu einem Kaufpreisabschlag und/
oder zur Einholung von Garantien.
Die konkrete Ausgestaltung der Legal Due Diligence erfolgt projektspezifisch. Bei
einem Share Deal ist etwa zu prüfen, ob sich die Gesellschaftsanteile tatsachlich im Bestand
des Verkäufers befinden und lastenfrei übertragen werden können, das heißt, es wird
geprüft, inwieweit im Kreis der Gesellschafter Veränderungen eingetreten sind. Darüber
hinaus sind die gesellschaftsvertraglichen Grundlagen sowie die Rechtsbeziehungen zwi-
schen dem Transaktionsobjekt und den Gesellschaftern zu untersuchen.
Bei einem Asset Deal sind hingegen die Rechtsverhältnisse zwischen dem Objekt und
den Gesellschaftern sowie innerhalb des Kreises der Gesellschafter selbst nachrangig. Viel-
mehr steht dort die rechtliche Analyse der zu übernehmenden einzelnen Wirtschaftsgüter
im Mittelpunkt. Auch die rechtlichen Prüfungsgebiete, die meist branchenabhängig sind,

213 Die Vermögensgegenstände sollten wiederum der Erzielung künftiger Cashflows dienen. Andernfalls wären
sie als nicht betriebsnotwendig zu klassifizieren.
214 Vgl. im Folgenden Hettler/Stratz/Hörtnagl 2013, S. 80–87.
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196 4 Transaktionsphase

und die Bedeutung ausländischer Rechtsordnungen hängen vom Einzelfall ab. Im Folgen-
den wird auf den Share Deal näher eingegangen, da er den Regelfall darstellt.
Für einen Share Deal werden meistens folgende Bereiche geprüft:
yy gesellschaftsrechtliche Grundlagen des Targets,
yy Vertragsbeziehungen des Targets,
yy anhängige und potenzielle Rechtsstreitigkeiten,
yy arbeitsrechtliche Verhältnisse,
yy gewerblichen Schutzrechte,
yy Anlagevermögen,
yy umweltrechtliche Genehmigungen und Auflagen.

Die Prüfung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse des Targets ist zwingender Bestandteil
eines Share Deals. Diese betreffen etwa die ordnungsmäßige Gründung des Zielunterneh-
mens, dessen Eintragung in das Handelsregister, das Vorliegen sämtlicher für den Betrieb
erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen und die Einhaltung von rechtlichen
Voraussetzungen der Kapitalaufbringung. Ferner sind die Bestimmungen und die Wirk-
samkeit von Gesellschaftsverträgen zu analysieren. Dies kann insbesondere dann bedeut-
sam sein, wenn es Mitgesellschafter gibt, die ihre Anteile zunächst nicht verkaufen wollen,
sodass deren Gesellschafterrechte auch mit Blick auf ihr späteres Ausscheiden bzw. das
Ausscheiden anderer Gesellschafter zu prüfen ist. Diese Regelungen sind auch für den
bevorstehenden Kauf wichtig, da die Übertragung häufig die Zustimmung anderer Gesell-
schafter oder – bei Vorkaufsrechten – deren Verzicht voraussetzt.
Auch ist, wie oben erwähnt, zu prüfen, ob die derzeitigen Gesellschafter ihre Anteile
rechtswirksam erworben haben und frei über sie verfügen können. Hierzu ist auch zu prü-
fen, ob es eine geschlossene (notarielle) Kette von Dokumenten über die Entstehung und
Übertragung von Gesellschaftsanteilen (»Kette der Anteilsübertragungen«) gibt. Des Wei-
teren sind die Leitungs- und Überwachungsorgane zu untersuchen. Sie müssen entspre-
chend der gesellschaftsvertraglichen Regelungen besetzt sein und die Organmitglieder
müssen den Anforderungen genügen. Schließlich ist zu klären, ob Rechte vergeben wur-
den, die eine Einschränkung für die Gesellschafter zur Folge haben, ob also beispielsweise
stille Gesellschafter aufgenommen oder Genussrechte vergeben worden sind.
Der Käufer wird sich des Weiteren einen Überblick über die Vertragsbeziehungen des
Unternehmens und der hieraus erwachsenden Rechte und Pflichten verschaffen. Es wer-
den alle wesentlichen Verträge entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Unterneh-
mens betrachtet, so etwa Kundenverträge mit den massenhaft verwandten und deshalb
latent risikoreichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie Lieferverträge, Miet-, Pacht-
und Leasingverträge für Gegenstände des Anlagevermögens, Beratungs-, Wartungs- oder
Kooperationsverträge, die Einschränkungen der Geschäftstätigkeit zur Folge haben kön-
nen. Die Wirksamkeit und Laufzeiten der Verträge sowie die Anpassungs- und Beendi-
gungsmöglichkeiten sind zu prüfen. Hierbei sind Change-of-Control-Klauseln gesondert zu
beachten, die Vertragspartnern das Recht einräumen, das Vertragsverhältnis bei Erwerb
des Targets außerordentlich zu kündigen. Dies kann Kooperationsverträge, Verträge mit
Lieferanten, Firmenkunden oder auch Finanzierungsverträge betreffen. Bei Finanzierungs-
verträgen, einer Schnittstelle zur Financial Due Diligence, sind Sicherungsvereinbarungen
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4.4  Due Diligence 197

und die Einhaltung von Covenants215 zu prüfen. Des Weiteren sind konzerninterne Verträge
zu untersuchen, was auch Gegenstand der Tax Due Diligence ist.
Als Nächstes werden alle anhängigen und potenziellen Rechtsstreitigkeiten des Unter-
nehmens, seiner Gesellschafter und Organe sowie nötigenfalls auch von Mitarbeitern
untersucht. Besonders relevant sind hier oftmals Streitigkeiten im Bereich des gewerbli-
chen Rechtsschutzes. Im Mittelpunkt der Analyse steht die Frage, welche Risiken die Strei-
tigkeiten für das Unternehmen bergen, inwieweit die Risiken über bilanzielle Rückstellun-
gen berücksichtigt sind und wie sie die Reputation des Unternehmens beeinflussen.
Meist wird die Gruppe der Mitarbeiter im Rahmen der arbeitsrechtlichen Untersuchun-
gen in die Gruppe der leitenden Angestellten und Gesellschaftsorgane und die Gruppe der
sonstigen Arbeitnehmer unterteilt. Vor allem in der ersten Gruppe sind Möglichkeiten und
Kosten einer Beendigung des Vertragsverhältnisses zu prüfen. Zudem sind Change-oft-Con-
trol-Klauseln und die finanziellen Verpflichtungen aus der laufenden fixen und variablen
Vergütung sowie aus der Altersversorgung zu prüfen. In der Gruppe der sonstigen Arbeit-
nehmer werden die (Muster-)Arbeitsverträge sowie die bestehenden Betriebsvereinbarun-
gen und Tarifverträge geprüft, da sich hieraus die Rechte und Pflichten des Targets ergeben.
Auch wird die Altersversorgung mit ihren finanziellen Konsequenzen gesondert geprüft.
In vielen Branchen ist die Übernahme gewerblicher Schutzrechte von großer Bedeutung.
Dazu gehören etwa Markenrechte, Patente, Geschmacksmuster, Domains oder Urheber-
rechte. Diese Rechte und Lizenzen sind zu erfassen, deren Schutzumfang und -dauer sind
dabei von besonderer Relevanz. Zuweilen nutzt das Target als Teil einer Konzerngesell-
schaft Rechte, die der Konzerngesellschaft gehören. In solchen Fällen müssen die Rechte,
sollen sie weiterhin genutzt werden können, auf das Target übertragen werden.
Bei der Prüfung des Anlagevermögens steht die Frage im Mittelpunkt, ob das Target
Eigentümer der wesentlichen Betriebsgrundlagen ist, also etwa von Immobilien oder
Maschinen. Bei Immobilien sind die Grundbuchauszüge und wesentlichen Verträge zu
prüfen und etwaige Belastungen festzustellen. Bei vielen Mobilien wird sich der Käufer das
Eigentum mittels Garantien zusichern lassen, da eine Prüfung einen unverhältnismäßigen
Aufwand nach sich zieht.
Im Rahmen der umweltrechtlichen Prüfung wird untersucht, ob die erforderlichen
umweltrechtlichen Genehmigungen für den Betrieb des Unternehmens vorliegen. Zudem
ist die Einhaltung von Vorschriften etwa in Bezug auf Entsorgung oder die Einhaltung zer-
tifizierter Standards im Bereich des Energiemanagements (ISO 5001) zu untersuchen. Hin-
zukommen kann die Prüfung der Grundstücke und Gebäude im Hinblick auf etwaige Alt-
lasten, sodass es Überschneidungen mit der Environmental Due Diligence gibt.
Weitere Prüfungen betreffen etwa den Umfang des Versicherungsschutzes, die Einhal-
tung des Kartellrechts oder spezifische, bisher nicht genannte öffentlich-rechtliche Geneh-
migungen.

215 Hierunter werden Zusicherungen eines Kreditnehmers in einem Kreditvertrag verstanden, die etwa die Ein-
haltung bestimmter Finanzkennzahlen (zum Beispiel einen bestimmten Verschuldungsgrad oder Cashflow)
betreffen.
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198 4 Transaktionsphase

4.4.4.4 Tax Due Diligence

Bei der Tax Due Diligence stehen zwei Motive im Mittelpunkt. Zum einen erfolgt eine
Abschätzung steuerlicher Risiken und Belastungen durch die Übernahme des Transaktions-
objekts, was in die Wertermittlung und Kaufpreisfindung einfließt. Zum anderen werden
Informationen gesammelt, um die Transaktion steuerlich bestmöglich zu gestalten.
Der Umfang der Tax Due Diligence ist an die jeweiligen Transaktionsbesonderheiten
anzupassen. So sind die Risiken bei einem Share Deal deutlich größer als bei einem Asset
Deal. Bei einem Share Deal wird der Käufer die steuerlichen Risiken des Targets überneh-
men, währen diese bei einem Asset Deal grundsätzlich beim Veräußerer verbleiben, da die-
sem die um die transferierten Assets »entleerte« Zielgesellschaft weiterhin gehört und
zunächst Träger der steuerlichen Pflichten216 ist.217 Ist bei einem Share Deal absehbar, dass
der Verkäufer im Transaktionsvertrag umfangreiche Steuerfreistellungen für die vorausge-
gangenen Jahre einräumt, so kann der Umfang der Tax Due Diligence ebenso wie beim
Asset Deal auf die Deal Breaker begrenzt werden. Auch ist der Kreis der untersuchten Steu-
erarten vom Projekt abhängig: Meist stehen die Ertragsteuern im Vordergrund, jedoch kön-
nen in einigen Transaktionen die Energiesteuer oder die Grunderwerbsteuer im Mittel-
punkt stehen.
Vereinfacht gesprochen wird im Rahmen einer umfänglichen Tax Due Diligence eine
vorgezogene und inoffizielle Betriebsprüfung durchgeführt, das heißt, es werden aus steu-
erlicher Sicht die noch risikobehafteten Jahre betrachtet, also insbesondere die nach der
letzten offiziellen Betriebsprüfung verstrichenen Jahre. Es werden alle steuerlich relevan-
ten Dokumente untersucht, wobei der Ausgangspunkt die Steuererklärungen sind. Stich-
probenartig werden auch Rechnungen, sonstige Belege und Verträge hinzugezogen. Die
Ertragsteuer, die Umsatzsteuer, die Lohnsteuer, die Grunderwerbsteuer, aber auch spezi-
elle Verbrauchsteuern und die Abführung von Zöllen werden geprüft. Zu Beginn der Tax
Due Diligence ist es sinnvoll, die Prüfberichte, Anfragen und Prüfernotizen der letzten
steuerlichen Außenprüfung einzusehen. Hierbei werden oftmals schon kritische Bereiche
bzw. Risiken ersichtlich.
Steuerliche Risiken können insbesondere im Mittelstand aus verdeckten Gewinnaus-
schüttungen resultieren, die einem Gesellschafter unversteuert zugutekommen. Solche
Gewinnausschüttungen resultieren aus nicht marktgerechten Leistungsvereinbarungen
zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern bzw. ihr nahestehenden Personen.
Unangemessen hohe Geschäftsführervergütungen, Vermietungen zu überhöhten Kosten,
Verkäufe von Vermögensgegenständen der Gesellschaft zu unangemessen niedrigen Prei-
sen, Gesellschafterdarlehen zu überhöhten Konditionen oder, als umgekehrter Fall, ein
Darlehen der Gesellschaft an Gesellschafter zu niedrigen Zinsen sind typische Fälle ver-
deckter Gewinnausschüttungen, die zu Steuerbelastungen nach der Transaktion führen
können. Weitere steuerliche Risiken können sich aus steuerlich nicht wirksamen Organ-
schaften oder aus nicht marktgerechten (internationalen) Verrechnungspreisen ergeben.

216 Hierbei wird von einer Kapitalgesellschaft ausgegangen.


217 Gegebenenfalls kann bei einem Asset Deal für bestimmte Steuerarten, insbesondere für die Gewerbe-,
Umsatz- und Lohnsteuer, eine Haftung des Käufers nach § 75 der Abgabenordnung bestehen.
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4.4  Due Diligence 199

Neben der Identifizierung der steuerlichen Risikobereiche erfolgen im Rahmen der Tax Due
Diligence auch eine Quantifizierung des Risikos sowie eine Bewertung der Wahrscheinlich-
keit, mit der steuerliche Themen im Rahmen der späteren Betriebsprüfung aufgedeckt und
zu einem steuerlichen Mehrergebnis führen werden.
Die sich ergebenden steuerlichen Risiken sollten sich aus Käufersicht in der Unterneh-
mensbewertung und in den im Transaktionsvertrag festgeschriebenen Konditionen nie-
derschlagen. Um sie auszugleichen, kann eine vorläufige Kaufpreisminderung (Escrow
Account218), eine Freistellung oder eine steuerliche Gewährleistung vereinbart werden.
Klare Fehler in den Steuererklärungen müssen durch Erklärungen unverzüglich berichtigt
werden.

4.4.4.5 Commercial Due Diligence

Die Market bzw. Commercial Due Diligence219 hat im Kern die Untersuchung des Targets
aus Markt- und Branchensicht zum Ziel. Analysiert werden die vergangene und insbeson-
dere die zukünftige Entwicklung des Unternehmens, wobei hiermit die Marktposition im
Hinblick auf Kunden und Wettbewerber gemeint ist. Die erweiterte Form der Commercial
Due Diligence umfasst die Betrachtung auch der Beschaffungsmärkte sowie der internen
Leistungsfähigkeit und Wertschöpfung; hier werden Überschneidungen mit der Operatio-
nal Due Diligence offensichtlich.
Die Commercial Due Diligence ist eng mit der Financial und der Operational Due Dili-
gence zu verzahnen, um eine fundierte Geschäftsplanung erstellen zu können. Nur indem
strategische und Markteinschätzungen, Informationen zu Wertschöpfungsprozessen und
finanzielle Daten zusammenfließen, kann eine hochwertige Geschäftsplanung erfolgen.
Andernfalls kann bestenfalls mit hohem Aufwand eine methodisch richtige, integrierte
Finanzplanung erfolgen, die jedoch keinen Bezug zur Wettbewerbsstrategie, zum Absatz-
markt oder zur Wertschöpfung aufweist. Derartige Ergebnisse ließen sich mit »high tech –
low substance« umschreiben und sind leider keine Seltenheit. Sie sind formal nicht angreif-
bar, da viele strategische Informationen und Marktinformationen interpretationsbedürftig
sind und sich nicht ohne weiteres als »richtig« oder »falsch« bezeichnen lassen. Jedoch
sollte auch hier das Rechnungslegungsgebot »substance over form«, frei übersetzt als
»Inhalt vor formaler Korrektheit«, befolgt werden.
Die Commercial Due Diligence kann auf verschiedene Weisen strukturiert werden. Typisch
ist die folgende Vorgehensweise (vgl. Abb. 69, S. 200): 220
yy Analyse des Transaktionsobjekts. Hier wird insbesondere das Geschäftsmodell näher
beschrieben und bewertet. Zudem werden die Umsatzerlöse (Preis-Mengen-Gerüst),
Auftragsbestände und wesentlichen Kostenarten näher untersucht, indem sie nach
Geschäftsfeldern, Produktbereichen, Regionen, Kunden, Vertriebskanälen oder sonsti-

218 Hierbei wird ein gesondertes Bankkonto eröffnet, auf dem ein Teil des Kaufpreises einbehalten wird. Dieser
Teil wird nicht an den Verkäufer ausbezahlt, sondern stattdessen hinterlegt, um für den Fall einer Materia-
lisierung von steuerlichen Risiken als Sicherheitspuffer zu dienen.
219 Ein Teilbereich der Commercial Due Diligence ist die rein auf strategische Aspekte ausgerichtete Strategic
Due Diligence.
220 Vgl. hierzu Niederdrenk/Müller 2012.
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200 4 Transaktionsphase

Stufe Untersuchungsbereiche

1 Analyse des Transaktionsobjekts

2 Analyse des Marktes und der Branche

3 Analyse der Kunden

4 Analyse des Wettbewerbs

Validierung des Businessplans und Prüfung


5
strategischer Optionen

Abb. 69: Vorgehensweise bei der Commercial Due Diligence

gen Kriterien zergliedert werden. Recht schnell erhalten so selbst Branchenfremde


einen Überblick über das Unternehmen und ein Gefühl für die Umsatz-, Kosten- und
Werttreiber. Auch wird die Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie näher analysiert
und ihre Erfolgsträchtigkeit bewertet.
yy Analyse des Marktes und der Branche. Hier wird das Transaktionsobjekt in seinen
Absatzmarkt und – weitergehender – seine Branche eingeordnet. Im Mittelpunkt ste-
hen die Abgrenzung des Marktes und die Beurteilung der Attraktivität der Branche. Es
werden Marktsegmente sowie branchenübliche Renditen ermittelt und das Target
hierin eingeordnet. Zudem werden Prognosen für die kurz- bis mittelfristige Zukunft
des Marktpreises und des Marktwachstums sowie der Kosten wesentlicher Ressourcen
erarbeitet. Mit Blick auf die mittel- und langfristige Zukunft werden die Folgen langfris-
tig wirkender Trends herausgearbeitet und Szenarien abgeleitet.
yy Analyse der Kunden. In vielen Transaktionen ist der Kundenstamm ein wesentlicher
Grund für die Transaktion. Folglich ist gerade dann die Analyse des Kundenportfolios
von herausragender Bedeutung. Hierzu erfolgt in der Regel zunächst eine Kundenseg-
mentierung, etwa nach Kundenbranchen, geografischen Märkten, Kundengröße,
Umsatzvolumen oder Kaufverhaltenskriterien. Für die einzelnen Kundengruppen kön-
nen sodann Kennzahlen erhoben werden, die etwa den Marktanteil je Kundensegment,
Wachstumsraten, Kostenanteile, Deckungsbeiträge oder Fluktuationsraten abbilden.
Oftmals zeigen sich hier bestimmte kritische Entwicklungen, die Anlass zu näheren
Untersuchungen bzw. Nachfragen geben. Typisch ist auch die Untersuchung, wie stark
der Umsatz auf wenige Kunden konzentriert ist. Die üblicherweise durchgeführte
ABC-Analyse zeigt, dass in vielen Unternehmen einige wenige A-Kunden verantwort-
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4.4  Due Diligence 201

lich sind für den Großteil des Umsatzes, während auf die vielen C-Kunden insgesamt
nur ein geringer Teil des Umsatzes entfällt. Interessant ist es, die Deckungsbeiträge je
Kundengruppe zu ermitteln. Die ABC-Analyse kann also helfen, »Klumpenrisiken« zu
ermitteln. Zudem kann mit ihrer Hilfe die detaillierte Kundenanalyse auf die wesentli-
chen Kunden konzentriert werden. Tiefere Einblicke lassen sich mittels Kunden- und
Experteninterviews gewinnen, die Einschätzungen Außenstehender vermitteln.
yy Analyse des Wettbewerbs. Gerade wenn es im Markt eine größere Zahl von Wettbe-
werbern gibt, sollten zu Beginn Gruppen aus direkteren Konkurrenten gebildet werden.
Diese können etwa nach dem geografischen Schwerpunkt, nach der Qualität und den
Kosten der Produkte (Low-Cost-Wettbewerber oder Differenzierer), nach ihrer Größe
oder nach ihren Zielgruppen unterteilt werden. Konkurrenten der gleichen strategi-
schen Gruppe werden dann detailliert untersucht. Die Wertangebote der Wettbewerber,
ihre Kundensegmente, Ressourcen und Kernkompetenzen, ihre Innovationspipeline,
die regionale Abdeckung, ihre Wettbewerbsstrategie sowie wesentliche Finanzdaten
sollten eingeschätzt werden, um so die Stärke des Transaktionsobjekts und die ver-
folgte Strategie zu beurteilen.
yy Validierung des Businessplans und Prüfung strategischer Optionen. Die genannten
Analysen fließen letztlich alle in die Prüfung und Überarbeitung des Businessplans ein,
der die Grundlage der Unternehmensbewertung bildet. Am wichtigsten ist hier die Prü-
fung der Umsatzplanung vor dem Hintergrund der Analysen des Transaktionsobjekts
(Auftragsbestände, Kundensegmente und Wachstumsraten, Wettbewerbsintensität und
Marktwachstumsraten, Wertangebote). Sehr kritisch zu prüfen ist beispielsweise ein
Umsatzwachstum, das über viele Jahre oberhalb des Marktwachstums liegt. Oftmals
stellt sich heraus, dass Verkäufer absichtsvoll optimistisch geplant haben. Zusammen
mit den anderen Teams der Financial und Operational Due Diligence sollten im nächs-
ten Schritt Kostenpläne erarbeitet werden, zu denen auch Investitions- bzw. Abschrei-
bungspläne zählen, welche die Umsatzziele auch tatsächlich widerspiegeln. Insgesamt
sollten die Planungsannahmen kritisch hinterfragt und gegebenenfalls verändert wer-
den. Neben der direkten Prüfung des Businessplans sollten auch der Planungsprozess
und die Planungskompetenz des Transaktionsobjekts beurteilt werden. Es bietet sich
an, das gewonnene Know-how zu nutzen, um weitere strategische Optionen zu erar-
beiten, die sich nach der Eingliederung des Transaktionsobjekts bieten.

Viele der klassischen Instrumente der strategischen und finanziellen Planung finden im
Rahmen der Commercial Due Diligence Anwendung. Jüngst an Bedeutung gewonnen
haben Analysen mittels des Business Model Canvas (vgl. Abb. 70, S. 202).
Das Business Model Canvas (BMC) eignet sich aufgrund seines integrativen Charakters gut,
um die Ergebnisse verschiedener Analyseschritte zu visualisieren und in ihren Wirkungs-
zusammenhängen zu diskutieren. So kann das Geschäftsmodell des Transaktionsobjekts
analysiert werden und es können die Ergebnisse der Kundenanalyse einfließen. Zudem
kann das BMC zur Analyse der engsten Wettbewerber genutzt werden. Deren Geschäfts-
modell kann so mit dem des Transaktionsobjekts verglichen werden.
202

Schlüssel- Schlüssel- Wertangebot Kunden- Kunden-


partner aktivitäten beziehungen segmente

Was sind die Welche Art von


Schlüsselaktivitäten für Kundenbeziehung
die Wertangebote? wird gepflegt?
Welches Bedürfnis wird Wer sind die Kunden?
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befriedigt?
4 Transaktionsphase

Wer sind die Welche Kunden-


Schlüsselpartner? segmente werden
Welche Probleme werden
gelöst? unterschieden?
Was leisten diese
für das Unternehmen? Schlüssel- Kanäle
Welche Vorteile weisen Welche Kunden-
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ressourcen
die Wertangebote auf? segmente sind
werthaltig?
Welche Schlüssel- Über welche Kanäle wird
ressourcen sind zur kommuniziert, verkauft
Ausübung der und geliefert?
Schlüsselaktivitäten
nötig?

Kostenstruktur Einnahmequellen
Welche Kostenarten sind am wichtigsten? Welche Erlösquellen sind vorhanden?

Abb. 70: Geschäftsmodellanalyse mittels der Business Model Canvas (Quelle: vgl. hierzu Osterwalder/Pigneur 2011, S. 18–55)
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4.4  Due Diligence 203

Das BMC besteht aus neun Bausteinen, die zusammengenommen eine gute Mischung
aus Abstraktion und (hinreichender) Komplexität bieten und es so erlauben, ein Geschäfts-
modell vereinfacht abzubilden, ohne wichtige Charakteristika außer Acht zu lassen. Meist
wird bei der Kundenanalyse angefangen; über die Wertangebote des Unternehmens, die
Kommunikations- und Distributionskanäle und die Art und Weise der Kundenbeziehungs-
pflege221 nähert man sich Schritt für Schritt den Einnahmequellen. Diese fünf, in Abb. 70
blau gefärbten Bausteine, sind von außen sichtbar. Hingegen sind die restlichen Bausteine
eher interner Natur. Meist werden zunächst die Schlüsselaktivitäten untersucht, um dar-
aufhin die Schlüsselressourcen und die besondere Ressource der Schlüsselpartner zu iden-
tifizieren. Aus diesen drei Bausteinen ergeben sich die Kosten des Geschäftsmodells.

4.4.5 Fazit

Die Due Diligence zählt heutzutage zum Standardrepertoire von M&A-Transaktionen. Sie
ist neben der Verhandlung oftmals die intensivste Phase im Marathon einer Unterneh-
menstransaktion. Für den Käufer gilt es, die angedachte Transaktion möglichst effizient auf
Herz und Nieren zu prüfen. Der Verkäufer geht oft mit ambivalenten Gefühlen in eine Due
Diligence, wobei durch eine gute Vorbereitung negative Überraschungen vermieden wer-
den können. Der Aufwand einer Due Diligence ist für beide Seiten hoch. Für den Verkäufer
fällt er insbesondere im Vorfeld der Due Diligence an, für den Käufer hingegen während
der Due Diligence selbst.
Die Informationen der Due Diligence bilden die maßgebliche Entscheidungsbasis für
den weiteren Verlauf einer Transaktion. Der Käufer wird das Ob und Wie einer Transaktion
stark von den Ergebnissen der Untersuchung abhängig machen. Werden Deal Breaker
offenbar, so wird es umgehend »Krisengespräche« zwischen den Transaktionsparteien
geben. Nicht selten muss der Verkäufer dann erhebliche Konzessionen machen, um das
Projekt noch zu retten. Auch die Post-Merger-Integration wird maßgeblich von dem Bild
abhängen, das der Käufer während der Due Diligence gewonnen hat. Selbst dann, wenn
es später, nach dem Closing, zwischen dem Verkäufer und dem Käufer zu Streitigkeiten
kommt, wird das, was der Verkäufer in der Due Diligence offengelegt hat, den Ausgangs-
punkt für Ansätze zur Konfliktlösung bilden. Nicht zuletzt ist die Due Diligence eine Basis
für M&A-Versicherungen. Nur Bereiche, die in der Due Diligence untersucht wurden, las-
sen sich später beispielsweise über Garantie- und Freistellungsversicherungen absichern.222
Über die Dauer, die Form und die weitere Ausgestaltung der Due Diligence müssen sich
der Verkäufer und der Käufer einigen. In Auktionsprozessen haben Käufer hierauf nur
einen geringen Einfluss. Völlig frei in der Frage der Durchführung einer Due Diligence sind
sie selbstredend nach dem Closing (Post Acquisition bzw. Post Closing Due Diligence). Eine
Due Diligence nach dem Closing kann sinnvoll sein, wenn die reguläre Due Diligence zeit-
lich knapp bemessen war, sich Zweifel an der vollständigen Offenlegung relevanter Infor-

221 Die Abgrenzung der beiden Bausteine Kanäle und Kundenbeziehungen ist alles andere als eindeutig, da
auch die Kanäle der Beziehungspflege dienen.
222 Vgl. hierzu Kapitel 4 Abschnitt 4.8.1.
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204 4 Transaktionsphase

mationen durch den Verkäufer ergeben haben bzw. die Zeit zwischen der regulären Due
Diligence (vor dem Signing) und dem Closing sehr lang war. Zudem können gezielt jene
Unternehmensbereiche untersucht werden, deren Besonderheiten eine nachträgliche Kauf-
preisminderung auf der Basis des Transaktionsvertrags ermöglichen.

4.5 Finanzierung von M&A-Transaktionen

Regelmäßig wird im Zusammenhang mit der Finanzierung von M&A Transaktionen nur
die Käuferseite betrachtet. Jedoch können in vielen Verkaufsszenarien auch auf der Ver-
käuferseite nicht unerhebliche (Vor-)Finanzierungsbeträge anfallen. Das reicht von den
Kosten eingesetzter Experten, wie M&A-Berater, Steuerberater und Anwälte bis hin zu
dem Aufwand, der beispielsweise aufgrund einer Vendor Due Diligence oder einer Inven-
tur im Rahmen eines Asset Deals anfallen kann. Während im Regelfall eine Zwischenfi-
nanzierung durch eine Bank in Erwartung der Kaufpreiseinzahlung relativ unproblema-
tisch ist, kann dies zum Beispiel in Krisensituationen, in denen mit einem negativen oder
bestenfalls einem symbolischen Kaufpreis zu rechnen ist, beim Zielunternehmen zu
Schwierigkeiten führen.

4.5.1 Grundgedanken zur Finanzierung und zur optimalen Kapitalstruktur

Zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten steht Unternehmen eine Reihe von Quellen zur
Verfügung. Generell lassen sich diese bezüglich der Mittelherkunft in Eigen- und Fremdfi-
nanzierung sowie Innen- und Außenfinanzierung unterteilen (vgl. Abb. 71, S. 205).
Unter die Eigenkapitalfinanzierung (auch kurz Eigenfinanzierung) fallen jene Mittel,
die dem Unternehmen als Cashflow aus eigenen Aktivitäten oder von den Gesellschaftern
zufließen. Zuflüsse von den Eigentümern können in Form eines Ausschüttungsverzichts
(Gewinnthesaurierung), als Kapitaleinlage oder auch in Form eines Gesellschafterdarle-
hens223 erfolgen.
Unter die Fremdkapitalfinanzierung (Fremdfinanzierung) fallen hingegen all jene Mit-
tel, die dem Unternehmen vonseiten Dritter zufließen – klassischerweise entweder als Dar-
lehen von Banken und anderen Fremdkapitalgebern oder als Auszahlungsersparnis in
Form von langfristigen Rückstellungen. Insbesondere die Fremdfinanzierung von Gehalts-
bestandteilen über Pensionsrückstellungen ist in der Praxis ein wichtiger Faktor.
Am Beispiel der Pensionsrückstellungen wird auch der Unterschied zwischen Innen-
und Außenfinanzierung deutlich. Während die Fremdfinanzierung durch Darlehen und
andere Kreditvehikel die Vertragsschließung mit Dritten erfordert, also zur Außenfinanzie-
rung zählt, kann das Unternehmen auf die Rückstellungsfinanzierung direkt zugreifen.

223 Da Gesellschafterdarlehen im Rang stets hinter Kredite anderer Darlehensgeber zurücktreten, weisen diese
trotz der Ähnlichkeit mit Bankdarlehen Eigenkapitalcharakter auf. Sie gleichen damit anderen Formen des
sogenannten Mezzanine-Kapitals.
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4.5  Finanzierung von M&A-Transaktionen 205

Finanzierungsformen

Innenfinanzierung Außenfinanzierung

operativer Cashflow Kapitaleinlagen

Unternehmen/
Gesellschafter
Eigenkapital

Thesaurierung Gesellschafterdarlehen

Asset Sale Mezzanine-Kapital

Rechtliche
Stellung des Kapital-
Mittelgebers geber

(Finanzierungs-)Leasing
Fremdkapital

Anleihen

Dritte
Pensionsrückstellungen
(Bank-)Kredite

erhaltene Anzahlungen

Unternehmen Dritte/Gesellschafter

Entscheidungsmacht

Abb.71: Finanzierungsarten, Matrix Mittelherkunft

Deshalb wird die Bildung von Rückstellungen, ebenso wie die Selbstfinanzierung über den
Cashflow, der Innenfinanzierung zugerechnet, wohingegen die Finanzierung durch Bank-
kredite und Einlagen von Eigentümern als Außenfinanzierung eingestuft wird. Während
der Bedarf des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs im Normalfall durch die Innenfinanzie-
rungskraft des Unternehmens gedeckt werden sollte, muss bei größeren Investitionen oder
schlechter Ertragslage auf Mittel der Außenfinanzierung zurückgegriffen werden.
Die neoklassische Finanzierungstheorie geht unter der Annahme eines perfekten Mark-
tes davon aus, dass die Zusammensetzung der Finanzmittel eines Unternehmens für den
Unternehmenswert ohne Bedeutung ist.224 Demgegenüber kommt der Passivseite in der
Praxis erhebliche Relevanz zu. In ihrer theoretischen Betrachtung gehen Franco Modigliani
und Merton Miller von einem sogenannten friktionslosen Markt225 aus und kommen zu

224 Dies ist der Kern des sogenannten Modigliani-Miller-Theorems, vgl. etwa Kruschwitz/Husmann 2012,
S. 399–401.
225 Ein friktionsloser Markt ist ein Markt ohne Steuern, Insolvenzkosten, asymmetrische Informationen oder
Marktineffizienzen.
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206 4 Transaktionsphase

dem Schluss, dass die Kapitalherkunft keinen Einfluss auf den Unternehmenswert hat,
weil die immer gleiche Menge an Risiko und Ertragskraft nur auf verschiedene Akteure ver-
teilt wird. In diesem Zusammenhang hat die sehr bildliche Darstellung des Unternehmens-
werts als »Pizza« einige Bekanntheit erlangt. Auch die Größe einer Pizza ändert sich auch
dann nicht, wenn sie in eine größere oder kleinere Zahl von Stücken zerteilt wird. Die
Bedingungen eines friktionslosen Marktes sind jedoch in der Praxis nicht haltbar. Unter
realen Bedingungen ist es aufgrund von steuerlichen Effekten und Marktineffizienzen
möglich, aus dem zur Verfügung stehenden Angebot an Finanzierungsquellen eine opti-
male, der spezifischen Unternehmenssituation angepasste Kapitalstruktur für das Unter-
nehmen – und damit auch für eine M&A-Transaktion – zu bilden (vgl. Abb. 72).

Theorie vs. Realität

Vermögen Vermögen

= ≠

Eigenkapital EK
(EK) FK2
Marktin-
FK2
effizienzen
Fremdkapital FK1
(FK)
Steuer-
effekte

More slices, not more pizza. More slices and more pizza.

Die Kapitalstruktur hat keinen


Die Kapitalstruktur hat Einfluss auf
Einfluss auf den
den Unternehmenswert.
Unternehmenswert.

Abb. 72: Materielle Kapitalstruktur versus Bilanzdenken


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4.5  Finanzierung von M&A-Transaktionen 207

Beispiel zur Kapitalstruktur

B E I S PI E L

Kapitalstruktur und Kapitalkosten


Zunächst sei von einem vollständig eigenfinanzierten Unternehmen, der »Beispiel AG«, mit
positivem Eigenkapital (EK) ausgegangen. Die Kapitalkosten dieses Unternehmens (kC)
entsprechen in diesem Fall der erwarteten Rendite der Eigenkapitalgeber (kE). Da die
Eigenkapitalgeber das unternehmerische Risiko vollständig tragen, ist die Renditeerwar-
tung, die sie der Beispiel AG gegenüber hegen, entsprechend hoch; die Unternehmer bzw.
Eigenkapitalgeber bilden ihre Renditeerwartungen nämlich idealtypisch nach der am
Markt bei gleichem bzw. vergleichbarem Risiko erzielbaren Alternativrendite.
Fremdkapitalgeber hingegen haben vertraglich fixierte Renditeansprüche und werden in
der Regel vor den Eigenkapitalgebern bedient. Sie tragen also nur im Falle der Zahlungs-
unfähigkeit ein Verlustrisiko, welches in der Praxis zudem oft durch Besicherungen redu-
ziert wird. Aufgrund der bisher reinen Eigenkapitalfinanzierung der Beispiel AG ist das
Ausfallrisiko für neu eintretende Fremdkapitalgeber bilanziell betrachtet vom ersten Euro
an zunächst minimal. Entsprechend wäre die Rendite einer ähnlich sicheren Alternativan-
lage am Markt niedrig und daher der geforderte Zinssatz (kF) für Fremdkapital (FK) sehr
günstig.
Was heißt all dies für die Kapitalkosten der Beispiel AG? Im Fall einer Aufnahme von
Fremdkapital lassen sich die Kapitalkosten bei Mischfinanzierung als gewichteter Durch-
schnittswert aus kF und kE errechnen.226 Theoretisch würde die Aufnahme von Fremdkapi-
tal also bewirken, dass die Kapitalkosten sinken. Aus der Sicht der Beispiel AG wäre folg-
lich die Aufnahme von Fremdkapital bis hin zur vollständigen Fremdfinanzierung
vorteilhaft.
Mit steigendem Fremdkapitalanteil steigt jedoch die Ausfallwahrscheinlichkeit für die
Fremdkapitalgeber, da anteilig immer weniger Vermögenswerte zur Besicherung zur
Verfügung stehen und das Unternehmen zudem mit immer höheren vertraglich fixierten
Zinszahlungen belastet wird. Folglich wachsen die risikoadäquaten Zinserwartungen der
Fremdkapitalgeber. Zudem nimmt auch das Risiko für die Eigenkapitalgeber durch die
Aufnahme von Fremdkapital zu, da sich die Volatilität der Überschüsse der Beispiel AG
durch die steigenden Fixkosten für Zins und Tilgung erhöht. So argumentieren auch
Modigliani und Miller und leiten daraus ab, dass in einem friktionslosen Markt die durch-
schnittlichen Kapitalkosten von der Aufnahme von Fremdkapital unbeeinflusst sind
(vgl. Abb. 73, S. 208).

226 Die Formel zur Errechnung dieses gewichteten Durchschnitts – im Englischen »weighted average cost

of capital« (WACC) – lautet entsprechend


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208 4 Transaktionsphase

Kapitalkosten

Eigenkapitalkosten

Durchschnittskosten
(WACC)

Fremdkapitalkosten

Verschuldungsgrad

Abb. 73: Gleichbleibende Kapitalkosten unabhängig vom Verschuldungsgrad im Modell


von Modigliani und Miller

Unter realen Bedingungen fällt der Anstieg des Risikos für die Eigenkapitalgeber jedoch
geringer aus, da die steuerliche Abzugsfähigkeit des Zinsaufwands die Steuerlast redu-
ziert und damit der Belastung des Unternehmens durch die Zinskosten entgegenwirkt.
Dies gilt so lange, bis der Ertrag der Beispiel AG auf null sinkt.227 Bei den Fremdkapitalkos-
ten zeigen zusätzlich Marktineffizienzen, beispielsweise aufgrund von Informationsasym-
metrien, ihre Wirkung. Einerseits werden aufgrund interner Mindestrenditen und des
Sicherheitsbestrebens der Fremdkapitalgeber die Zinsansprüche regelmäßig auch bei
sehr hohen Eigenkapitalquoten etwas höher ausfallen als in der theoretischen Modigliani-­
Miller-Welt. Andererseits kann aufgrund der Auswirkungen von Covenants, Besicherun-
gen und Wettbewerbseffekten auch bei vergleichsweise hohen Verschuldungsgraden
keine lineare Erhöhung der Verzinsungsansprüche festgestellt werden.228 In der Realität
folgen die Kapitalkosten daher einer Kurvenfunktion. Die Aufnahme von Fremdkapital

227 Wir verzichten hier vereinfachend auf die Berücksichtigung steuerlicher Verlustvorträge.
228 Schließlich hat auch die individuelle Zusammensetzung der Aktivseite der Bilanz erhebliche Auswirkun-
gen auf den Fremdkapitalzins.
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4.5  Finanzierung von M&A-Transaktionen 209

senkt kC so lange, bis die positiven Effekte nicht mehr ausreichen, um den Risikoanstieg
auszugleichen. In unserer vereinfachten Betrachtung wäre also der optimale Verschul-
dungsgrad bzw. die optimale Kapitalstruktur im Minimum der Kurve des WACC erreicht
(vgl. Abb. 74).229
Kapitalkosten

Eigenkapitalkosten

Steuereffekte

Durchschnittskosten
(WACC)
Marktineffizienzen

Fremdkapitalkosten

optimaler Verschuldungsgrad Verschuldungsgrad

Abb. 74: Optimierung Verschuldungsgrad zur Minimierung Kapitalkosten (Quelle: eigene


Darstellung)

229 In der Praxis haben jedoch auch die tatsächliche Verfügbarkeit, die für eine Umsetzung benötigte Zeit
sowie die Anforderungen von Kreditgebern und die daraus resultierenden Einschränkungen für den
Geschäftsbetrieb im Allgemeinen und die Transaktion im Speziellen Bedeutung für die optimale Zusam-
mensetzung der Finanzierung.
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210 4 Transaktionsphase

4.5.2 Besonderheiten der Finanzierung von M&A-Transaktionen

Aus der Sicht des Käufers handelt es sich bei einer M&A-Transaktion grundsätzlich um
eine projektbezogene Investitionsentscheidung. Wie die Rentabilität eines jeden Invest-
ment ist auch diejenige des Projekts maßgeblich von den mit ihm verbundenen Finanzie-
rungskosten abhängig. Zudem ist der Finanzierungsbedarf im Zusammenhang mit Unter-
nehmenskäufen nicht selten hoch und erreicht Dimensionen, die über den ordentlichen
Finanzierungsspielraum der beteiligten Parteien hinausgehen. Einer maßgeschneiderten
Finanzierungslösung kommt also eine große Bedeutung zu.
Darüber hinaus steht die Umsetzung des Projekts unter hohem Zeitdruck und unter
strenger Geheimhaltung. Oftmals dauert es sehr lange, bis ein Kaufangebot in eine kon-
krete Verhandlungssituation mündet, und deshalb gilt es, zumindest die Dauer zwischen
dem Zuschlag und der Auszahlung des vereinbarten Kaufpreises so kurz zu halten wie nur
möglich.
Nicht zuletzt handelt es sich in der Regel bei einem M&A Projekt für die Käuferseite um
eine langfristige Investition, weshalb auch überwiegend eine langfristige Finanzierung
benötigt wird. Ausgenommen davon sind lediglich Transaktionsstrukturen, in denen der
Käufer lediglich eine Übergangsfinanzierung (bridging) übernimmt, die nach der Akquisi-
tion rasch durch Desinvestitionen, Cashflows des Targets oder Kredite von anderer Seite
zurückgeführt wird.
Im Ergebnis wird häufig eine Kombination aus mehreren Finanzierungsarten gewählt;
dies gilt insbesondere dann, wenn im Rahmen der Transaktion ein Teil des Kaufpreises
durch die unmittelbare Übernahme bestehender Verbindlichkeiten des Targets abgegolten
wird. Typischerweise wird eine Mischfinanzierung aus Eigen- und Fremdkapital gewählt.
Nicht selten bedingen die spezifischen Anforderungen eine komplexe Finanzierungs-
struktur.
Für gewöhnlich zeichnet sich die Finanzierung von M&A-Transaktionen deshalb durch
die folgenden Eigenschaften aus:
yy komplexe Struktur,
yy hohes Volumen,
yy langfristiger Finanzierungshorizont,
yy Zeitdruck bei der Mittelbereitstellung,
yy hohe Geheimhaltungsanforderungen,
yy vergleichsweise hohes Risiko sowie
yy enge steuerliche und rechtliche Rahmenbedingungen.

4.5.3 Finanzierung durch den Käufer

Typischerweise werden in der Praxis die Kosten der Akquisition von der Käuferseite getra-
gen. Ausgenommen davon sind die Beratungskosten des Veräußerers (Corporate-Finance-­
Berater, Rechtsanwälte, Steuerberater), die regelmäßig nicht übernommen werden und
insofern den erzielten Nettoverkaufserlös senken.
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4.5  Finanzierung von M&A-Transaktionen 211

Übliche Varianten der Mittelherkunft

Cash-flow-based
Eigenkapital Externes Eigenkapital Asset-based Lending
Lending

Finanzierungs- Gesell- Abtretung


Externe geber schaft Factor
Gesellschaft Gesellschaft Gesellschaft

Asset als Forde-


Sicherheit rungen
Eigenkapital Eigenkapital

Fremd-
kapital
Gesellschafter Neugesellschafter

nicht
bilanziertes
Fremdkapital

Abb. 75: Auswahl Finanzierungsformen

Oft werden die Aufwendungen nicht unmittelbar vom Käufer selbst vorgenommen, son-
dern von einer für den Zweck des Unternehmenskaufs gegründeten Projektgesellschaft
(NewCo), dem sogenannten Akquisitionsvehikel. Zum einen kann damit Haftungsrisiken
vorgebeugt werden, zum anderen ist so eine klare Abgrenzung vom Kern- und Tagesge-
schäft ebenso wie vom Finanzierungskreis des Käufers gewährleistet.
Im Folgenden werden die Vor- und Nachteile der wichtigsten Quellen zur Finanzierung
des Kaufpreises und der Transaktionskosten vorgestellt (vgl. auch Abb. 75).

4.5.3.1 Eigenkapital

Insbesondere für größere Finanzinvestoren, die über erhebliche Eigenmittel verfügen,


stellt die Finanzierung durch Eigen- bzw. Beteiligungskapital immer noch die wichtigste
Finanzierungsquelle für Unternehmenskäufe dar.230 Aber auch für die Gesellschafter klei-
ner und mittelständischer Unternehmen kann das Einbringen von Eigenmitteln in Zeiten
niedriger Zinsen und wenig lukrativer Alternativanlagemöglichkeiten ein effektiver Weg
der Vermögensanlage sein.
Der größte Vorteil der Finanzierung von M&A-Transaktionen mit Eigenkapital ist, dass
die Bedingungen durch die Eigentümer selbst definiert werden können. Verhandlungen mit
Dritten erübrigen sich also. Es ist weder mit einer Prüfung des Transaktionsplans noch mit
Einschränkungen des Geschäftsbetriebs zu rechnen. Zumindest bei bereits vorhandenem
Eigenkapital kann es im Fall des Scheiterns der Transaktion auch nicht etwa zu »Abrufver-
pflichtungen« in Bezug auf Finanzmittel kommen. Eigenkapital stellt somit eine sehr
schnell verfügbare, flexible, und auflagenfreie Finanzierungsoption dar.

230 Insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Anlagedrucks gilt das ganz besonders in Niedrigzinsphasen,
zum Beispiel für Family Offices.
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212 4 Transaktionsphase

Die Nachteile der Finanzierung durch Eigenkapital lassen sich in wenigen Worten
zusammenfassen: Eigenkapital gilt als die »teuerste« Finanzquelle. Deshalb ist freies, unge-
bundenes Eigenkapital in Unternehmen aus gutem Grund für gewöhnlich knapp.
Dass Eigenkapital teuer ist, resultiert im Grunde genommen aus der vollständigen Risi-
koübernahme, die mit der Einlage von Eigenkapital einhergeht. Für Transaktionen einge-
setztes Kapital kann aufgrund der schwierigen Vorhersagbarkeit des Transaktionserfolgs
als Wagniskapital betrachtet werden. Die rechnerische Rendite, ab der sich eine Akquisi-
tion mit Eigenkapital lohnt, ist ausgesprochen hoch, weil sich am Markt hochverzinsliche
Alternativinvestitionen mit vergleichbarem Risiko bieten. Einerseits senkt die Finanzie-
rung mit Eigenkapital das Risiko eines vollständigen Scheiterns im Sinne einer Zahlungs-
unfähigkeit, da der Kapitalrückfluss ebenso wie die Verzinsung des Kapitals hochgradig
flexibel gestaltet werden können. Andererseits besteht gleichzeitig – und gerade deshalb
– ein durchaus hohes Risiko, dass die Rendite, ab der das Geschäft als lohnend im betriebs-
wirtschaftlichen Sinn bezeichnet werden kann, niemals erwirtschaftet wird.
Darüber hinaus ist Eigenkapital selten in ausreichendem Maße frei verfügbar. Ginge
man davon aus, dass einem Unternehmen ungenutztes Eigenkapital zur Verfügung steht,
so würde dies aufgrund der fehlenden Verzinsung eine Fehlallokation des Kapitals bedeu-
ten. Auch im Unternehmen vorhandenes, aber beispielsweise auf verzinslichen Konten
ruhendes oder in Wertpapiere investiertes Kapital weist auf eine Fehlallokation hin. Wären
diese Anlageformen bei gleichem Risiko profitabler als das Unternehmen selbst, so wäre
es aus der Sicht eines Investors sinnvoll, das Unternehmen zu verkaufen und das gesamte
Kapital in diese alternativen Anlageformen umzuschichten.231
Zumindest theoretisch ist bei einem ertragreichen Unternehmen die sinnvollste Ver-
wendung von Eigenkapital die Investition in das Unternehmen selbst. Mit größeren freien
Beständen kann also regelmäßig nicht gerechnet werden. Trotzdem ist es oft erforderlich,
einen Teil der Finanzierung aus Eigenmitteln aufzubringen, da Fremdkapitalgeber, insbe-
sondere Banken, oft großen Wert auf eine direkte Risikobeteiligung des Käufers legen.
Eigenkapital kommt also trotz aller Nachteile eine besondere Stellung bei der Finanzierung
von Transaktionen zu, was nicht zuletzt in seiner Vorschuss-, Sicherheits-, Schutz- und
Risikokapitalfunktion begründet ist (vgl. Abb. 76, S. 213).
In der Praxis ist es daher selten, dass eine Finanzierung vollkommen ohne Eigenmittel
aufgestellt werden kann.

4.5.3.1.1 Aufnahme neuen Eigenkapitals


Wird neues Eigenkapital aufgenommen, so geht dies gewöhnlich mit einem Verlust von
Steuerungs- und Kontrollrechten einher. Zudem schmälert die direkte Beteiligung der
neuen Miteigentümer für die bereits bestehenden Eigentümer den möglichen Gewinn aus
der Transaktion. Darüber hinaus kann neues Eigenkapital, wenn es nicht im Rahmen eines
Akquisitionsvehikels aufgenommen wird, sondern in der Muttergesellschaft des Käufers,

231 Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es im Rahmen der Risikostreuung
im Sinne der Portfoliotheorie Situationen geben kann, in denen ein Festhalten an solch einer Unterneh-
mensbeteiligung dennoch sinnvoll sein kann.
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4.5  Finanzierung von M&A-Transaktionen 213

Eigenkapital in Transaktionen

Vorschuss- Sicherheits- Schutz- Risikokapital-


funktion funktion funktion funktion

Anschubfinanzie- Risikoreduktion für Wahrung von Überbrückung von


rung, bevor klare FK-Geber bzw. auch Kontrollrechten / Informations-
Züge des Kaufpro- für EK-Geber* der Unabhängigkeit asymmetrien
zesses erkennbar von FK-Gebern  Ermöglichung
sind von Geschäften, die
für FK zu riskant
sind oder wirken

* Siehe optimale Kapitalstruktur

Abb. 76: Die besondere Funktion von Eigenkapital in Transaktionen

die Rendite aus dem bestehenden Geschäft schmälern, weil diese nun auf eine größere
Gruppe verteilt wird (sogenannter Verwässerungseffekt).
Ziel ist es also häufig, den Einfluss externer Eigenkapitalgeber zu minimieren.232 Wäh-
rend es bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vergleichsweise schwierig sein
kann, stimmrechtsloses Eigenkapital aufzunehmen, ist dies bei einer Kommanditgesell-
schaft (durch die Aufnahme weiterer Kommanditisten) oder bei einer Aktiengesellschaft
(zum Beispiel durch stimmrechtslose junge Vorzugsaktien) relativ problemlos möglich.
Schließlich kann auch, gegebenenfalls nach einer vorherigen Veränderung der Gesell-
schaftsform, der direkte Zugang zum Kapitalmarkt durch einen Börsengang (Initial Public
Offering oder IPO) als Teil einer Finanzierungsstrategie für einen M&A-Deal infrage kom-
men. Die dadurch mögliche Gewinnung von Eigenmitteln ist allerdings nicht nur für Unter-
nehmer ohne Kapitalmarkterfahrung mit zusätzlichem finanziellen und juristischen Auf-
wand verbunden.233

4.5.3.1.2 Aktientausch
Insbesondere bei Aktiengesellschaften kommt noch eine weitere Form der Finanzierung
durch Eigenmittel in Betracht, bei welcher anstelle des knappen, ungebundenen Eigenka-
pitals direkt auf gebundenes Kapital zurückgegriffen wird. Dabei wird der Kaufpreis durch
die Übergabe von Anteilen an der Käufergesellschaft beglichen. Theoretisch ist dies zwar
auch bei anderen Gesellschaftsformen denkbar, jedoch vereinfacht die Wertpapierform die
Übertragung von Eigentumsanteilen bei Aktiengesellschaften erheblich. Auch in Bezug auf

232 Dabei ist zu bedenken, dass sich in bestimmten Konstellationen die Erfahrung eines weiteren Investors
durchaus als nützlich erweisen kann.
233 Auch persönliche Risiken und Anforderungen an die Organe der Gesellschaft erhöhen sich.
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214 4 Transaktionsphase

Haftungsfragen und die Beschränkung des Einflusses von Beteiligten auf die mit den Antei-
len übertragenen Stimmrechte ist die Übertragung von Aktien als Zahlungsmittel deutlich
unkomplizierter.

4.5.3.2 Asset-based Lending

Wenn vorhandene Eigenmittel nicht ausreichen oder zur Senkung der durchschnittlichen
Kapitalkosten eine günstigere Finanzierung gewählt werden soll, kann das werthaltige Anla-
gevermögen des Unternehmens als Sicherheit für die Überlassung externen Fremdkapitals
verwendet werden. Das bedeutet natürlich gleichzeitig, dass die betreffenden Vermögens-
güter nicht mehr als Sicherheit für die Eigenkapitalgeber oder andere Fremdkapitalgeber
zur Verfügung stehen – mit der Konsequenz, dass sich deren Risikoposition verschlechtert.

4.5.3.2.1 Bankdarlehen
Klassische Bankdarlehen sind die am weitesten verbreitete Variante des Asset-based Len-
ding. Kreditmittel für eine Transaktion können in vielen Fällen bei einer Hausbank bean-
tragt werden, sofern geeignete Vermögenswerte vorhanden sind und ein Businessplan für
die Transaktion mitsamt der Geschäftsentwicklung des Zielobjekts existiert.
Prinzipiell sollte diese Anforderung kein Hindernis darstellen, da die genannten Unter-
lagen ohnehin im Transaktionsprozess erarbeitet werden. Dennoch ist zu beachten, dass
insbesondere bei hochriskanten Transaktionen Darlehensgebern gegenüber eine beson-
dere Kommunikationsstrategie verfolgt werden sollte. So werden Kreditinstitute im Ver-
gleich mit Eigenkaptalgebern regelmäßig einen größeren Wert auf die Absicherung von
Downside-Risiken legen als auf das gesamte Chancen-Risikoprofil.234
Die Vorteile einer Finanzierung mit Bankkrediten liegen auf der Hand:
yy Erstens ermöglicht die Aufnahme von Krediten Transaktionen, die die verfügbaren Mit-
tel des Kaufinteressenten übersteigen.
yy Zweitens kann – zumindest ohne Berücksichtigung etwaiger Sicherheiten – das Wag-
niskapital235 des Käufers reduziert werden.
yy Drittens kann durch die Hebelwirkung des Fremdkapitals die Rendite der Eigenkapital-
geber236 drastisch angehoben werden.

Im Extremfall resultieren daraus Transaktionsfinanzierungen, die unter dem Begriff


­»Leveraged Buy-out« (LBO) bekannt sind und in denen der Kaufpreis fast ausschließlich
durch Kredite finanziert wird. Darüber hinaus sind Bankkredite ein sehr bekanntes Finan-
zierungsinstrument und dadurch für alle Beteiligten leicht verständlich und von geringem
Erklärungsbedarf. Sie können bei angemessener Vorbereitung kurzfristig beantragt und
zugeteilt werden. Aufgrund dieser Vorteile sind Bankkredite das wohl häufigste Mittel zur
Finanzierung von M&A-Deals.

234 Das Downside-Risiko entspricht dem Verlustrisiko, das durch die Differenz zwischen geplantem und rea-
lisiertem Kapitalrückfluss (Zinsen, Tilgung) entsteht. Vom »Upside-Risiko« als »positiver Differenz« (reali-
sierte Rückflüsse sind größer als die geplanten) profitieren Fremdkapitalgeber nicht.
235 Eigenkapital.
236 Wie in Kapitel 4, Abschnitt 4.5.1 beschrieben.
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4.5  Finanzierung von M&A-Transaktionen 215

Allerdings gibt es auch eine Reihe von Nachteilen, die gegen die Finanzierung von
M&A- Transaktionen durch Darlehen sprechen bzw. diese zumindest weniger vorteilhaft
erscheinen lassen:
yy Erstens ist es gang und gäbe, dass Banken für gegebenes Fremdkapital eine gewisse
Menge an eingesetztem Eigenkapital erwarten – in vielen Fällen bis zu 30 Prozent.
yy Zweitens kommt es regelmäßig vor, dass Sicherheiten in einer Höhe verlangt werden,
die weit über den tatsächlichen Beleihungswert hinausgeht. Die Verwendung von
Gegenständen des Anlagevermögens als Sicherheiten kann die Flexibilität des Unter-
nehmens auch langfristig einschränken. Besonders regionale Institute machen es häufig
zur Bedingung, dass von einzelnen Gesellschaftern oder Vertretern der Käuferseite per-
sönliche Bürgschaften gegeben werden, was deren jeweiliges Risiko unangemessen
erhöhen kann.
yy Drittens drohen hohe Auflagen bezüglich eines regelmäßigen Reportings und einer Ein-
bindung in Fragestellungen der Transaktionsstruktur, die gegebenenfalls die Kapazitä-
ten im Kaufprozess zusätzlich strapazieren und die Handlungsflexibilität mindern.
Solche Auflagen können zur Folge haben, dass Vorteile gegenüber anderen Kaufinter-
essenten verloren gehen. Besonders bei jungen Unternehmen ohne ausreichende His-
torie oder bei M&A-Transaktionen mit hoher Unsicherheit237 kann es schwierig sein,
die Auflagen von Banken zur Vergabe von Krediten überhaupt zu erfüllen.
yy Viertens muss bei der Betrachtung von Bankkrediten deren Liquiditätseffekt berück-
sichtigt werden. Zu den Zinszahlungen treten meist noch deutlich höhere Rückzah-
lungsverpflichtungen (Tilgungen), welche den Cashflow im Zeitraum nach der Trans-
aktion massiv belasten. Abhilfe schaffen können hier Vereinbarungen zur zeitweiligen
Aussetzung von Tilgungen. Solche Vereinbarungen müssen allerdings mit der Bank
ausgehandelt werden, die im Gegenzug weitergehende Kontrollrechte für die Post-Clo-
sing-Phase fordern wird.

Die Vor- und Nachteile von Bankdarlehen sind im konkreten M&A-Projekt im Rahmen der
Optimierung der Gesamtfinanzierung sorgfältig abzuwägen.

4.5.3.2.2 Sale-and-Lease-back
Anstatt die Vermögenswerte als Sicherheit für die Fremdfinanzierung einzusetzen
(Asset-based Lending), was entsprechende Reporting-Anforderungen zur Folge hat, kann
der Verkauf der Vermögenswerte ein sinnvoller Weg sein. Wenn es sich dabei um betriebs-
notwendiges Anlagevermögen handelt, beispielweise um einen Maschinenpark oder eine
Betriebsimmobilie, dann bietet es sich an, die verkauften Vermögenswerte anschließend
im Rahmen eines Leasingvertrags zurück zu »mieten«. Die Finanzmittel aus dem Verkauf
stehen dann, wie bei einer Kreditaufnahme, sofort für die Transaktion zur Verfügung und
anstelle von Zinsen und Tilgungen fallen Leasingraten an.

237 Eine besonders große Unsicherheit besteht beispielsweise dann, wenn das Target in einer Krise steckt.
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216 4 Transaktionsphase

Diese als Sale-and-Lease-back bekannte Finanzierungsmethode238 bietet für das Unter-


nehmen eine ganze Reihe von Vorteilen gegenüber einer Kreditaufnahme. Dies sind im
Wesentlichen die folgenden:
yy Die Leasingraten können steuerlich in voller Höhe ertragsmindernd angesetzt werden,
wohingegen bei einem Darlehen nur der Zinsanteil steuerlich geltend gemacht werden
kann.
yy Zusätzlich wird die Sale-and-Lease-back-Maßnahme so ausgestaltet, dass die Leasing-
verbindlichkeiten nicht in der Bilanz ausgewiesen werden. Auf der Aktivseite findet
also ein Tausch von Anlage- gegen Umlaufvermögen (Liquidität) statt, auf der Passiv-
seite wird eine Verschlechterung der Eigenkapitalquote vermieden.
yy Im Regelfall sind keine weiteren Sicherheiten notwendig, sodass das Verhältnis von ein-
gesetztem Anlagevermögen zu erhaltenem Kapital meist besser als bei einem Bankdar-
lehen ist.
yy Da an die Stelle des Kreditgebers ein Leasinggeber tritt, gibt es keine vergleichbaren
Kontrollrechte.

Den genannten Vorteilen stehen einige Nachteile gegenüber. So fällt der Aufwand (Ver­
zinsung plus Gebühren) bei Leasingverträgen für gewöhnlich höher aus als bei einem ver-
gleichbaren Bankkredit. Insbesondere das Leasing betriebsnotwendiger Immobilien wird
so immer wieder zu einer Art Wette zweier Parteien: Sowohl der Leasinggeber als auch der
Leasingnehmer wetten darauf, dass es dem Unternehmen möglich sein wird, die ver-
gleichsweise höheren Nutzungsaufwendungen239 durch die wirtschaftlichen Vorteile der
Transaktion (organisches Umsatzwachstum oder Margenverbesserung) langfristig zu
­kompensieren. Bleibt dieser wirtschaftliche Erfolg aus, so können die hohen Fixkosten in
Gestalt der Leasingraten schnell zu einer gefährlichen Belastung für die Liquidität des
­Leasingnehmers werden. Zudem muss für den Verkauf der Assets an den Leasinggeber ein
eigenes Verkaufsprojekt aufgesetzt werden, was nicht selten mit der Erstellung von Gut-
achten, eines Exposés und einer Real Estate Due Diligence sowie mit mehreren Verhand-
lungsrunden verbunden ist und somit Zeit und Kapazität im Transaktionsprozess bindet.
Wird der Asset-Verkauf nicht von Anfang an in der Transaktionsstruktur bedacht, so kann
es dadurch zu ungeplanten Verzögerungen kommen.

4.5.3.3 Cash Flow Based Lending

4.5.3.3.1 Beschreibung
Wenn kein werthaltiges Anlagevermögen zur Verfügung steht oder aus anderen Gründen
ein Asset-based Lending nicht erfolgen kann oder soll, bietet sich als weitere Finanzie-
rungsalternative die Fremdfinanzierung über den Cashflow des Unternehmens an.

238 Zu unterscheiden wäre hier im Detail noch zwischen Finance Leasing und Operate Leasing. Im Wesent-
lichen unterscheiden sich die beiden Varianten dadurch, dass beim Finance Leasing, bereits Tilgungsbe-
standteile für den späteren Eigentumsübergang in der Leasingrate enthalten sind, wohingegen die Leasing­
rate beim Operate Leasing ein reines Nutzungsentgelt darstellt.
239 Maßstab ist ein Drittvergleich im Hinblick auf den relevanten Mietmarkt.
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4.5  Finanzierung von M&A-Transaktionen 217

Während beim Asset-based Lending das im Anlagevermögen gebundene Kapital freige-


setzt wird, wird im Falle des Cash Flow Based Lending das im Forderungsbestand des
Umlaufvermögens gebundene Working Capital zur Finanzierung herangezogen. Die sich
ständig neu auf- und abbauenden Forderungen aus Lieferungen und Leistungen des Unter-
nehmens gegenüber seinen Kunden werden dabei als ein Wirtschaftsgut betrachtet, das,
wie im Falle des Asset-based Lending, entweder als Sicherheit für Kredite genutzt werden
kann240 oder aber, im Falle des Factoring, verkauft wird.
Die Verwendung als Sicherheit für einen Bankkredit folgt grundsätzlich denselben
Regeln wie die entsprechende Verwendung von Anlagevermögen, mit dem Unterschied,
dass aufgrund der schwankenden Höhe und schwerer einschätzbaren Werthaltigkeit meist
größere Abschläge hingenommen werden müssen.
Dem gegenüber steht der Verkauf der Forderungen an einen Factor, das heißt, an einen
Finanzdienstleister, der den Ankauf von Forderungen betreibt. Insbesondere dann, wenn
die Bonität der Kunden des Unternehmens besser ist als die Bonität des Unternehmens
selbst, bietet Factoring erhebliche Vorteile, weil dabei die Kapitaldienstfähigkeit der Kun-
den im Vordergrund steht. Der Ablauf des Factorings lässt sich in sieben Schritten dar­
stellen (vgl. Abb. 77).

zahlt 10 % Restbetrag Nach 30 Tagen: Kunde zahlt


Factor 6
Rechnung

7 5 4 2 3
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sendet Kopie
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zahlt 90 %
Vorschuss
Unternehmen Kunde
1
stellt Rechnung

Abb. 77: Beispiel zum Ablauf eines Factorings

Die sieben Schritte lauten wie folgt:


1. Das Unternehmen stellt eine Rechnung an einen Kunden (unter Angabe des Kontos des
Factors).
2. Der Factor erhält eine Kopie der Rechnung.
3. Der Factor prüft die Bonität des Kunden und entscheidet über den Ankauf.
4. Der Factor zahlt sofort einen hohen Prozentsatz der Rechnungssumme (meist etwa 85
bis 90 Prozent) an das Unternehmen aus.
5. Das Unternehmen zahlt den Factoring-Zins und die Factoring-Gebühr an den Factor.

240 Die Forderungsabtretung (Forderungszession) stellt keinen Verkauf dar, sondern eine Kreditsicherheit, die
bei ordnungsmäßiger Rückzahlung nicht zum Tragen kommt.
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218 4 Transaktionsphase

6. Der Kunde zahlt die Rechnung zur Fälligkeit (zum Beispiel innerhalb von 30 Tagen)
direkt an den Factor.
7. Der Factor gibt den Restbetrag (das heißt 10 bis 15 Prozent des Rechnungsbetrags) an
das Unternehmen weiter.

Factoring bewirkt also, dass das Unternehmen über einen Großteil der Rechnungssumme
sofort verfügen kann, um damit Geschäftsaktivitäten oder eben eine Transaktion zu finan-
zieren. Allein durch den schnelleren Zufluss der umsatzbedingten Mittel erhält das Unter-
nehmen Kapital in eben der Höhe, die es zur Vorfinanzierung von Ausgaben bis zum Ein-
gang der Zahlungen der Kunden benötigt. (In der Regel entspricht dieses Kapital in etwa
dem Net Working Capital.) Für seine Vorfinanzierungsleistung verlangt der Factor als Ver-
gütung eine Verzinsung des zur Verfügung gestellten Kapitals sowie eine umsatzabhängige
Factoring-Gebühr.241

4.5.3.3.2 Bewertung
Für das Factoring sprechen die folgenden Vorteile:
yy Je nach der Art des Unternehmens kann ohne Belastung des Anlagevermögens ein
nicht unerheblicher Liquiditätszufluss erreicht werden.
yy Die Höhe der gewünschten Finanzierung kann flexibel an die Bedürfnisse des Unter-
nehmens angepasst werden; prinzipiell kann sie nach der Umsatzentwicklung bemes-
sen werden.
yy Sowohl die Factoring-Gebühr als auch der mit dem Factoring verbundene Zinsaufwand
sind steuerlich abzugsfähig.
yy Ebenso wie beim Sale-and-Lease-back wird eine Verschlechterung der Eigenkapital-
quote vermieden.
yy Das Risiko und die Kosten des Forderungsmanagements können auf den Factor über-
tragen werden.

Dem gegenüber steht vor allem die Höhe der Factoring-Kosten. Da es sich bei den angekauf-
ten Forderungen für gewöhnlich um kurzfristige Forderungen handelt, ähneln die Verzins-
ungsansprüche meist kurzfristigen Verbindlichkeiten wie zum Beispiel Kontokorrentli-
nien. Zudem können die fixe, umsatzbasierte Factoring-Gebühr oder zusätzliche Gebühren,
etwa für die Bonitätsprüfung von Neukunden, den Effektivzinssatz der Factoring-Finanzie-
rung in die Höhe treiben.242 Zwar fallen demgegenüber zunächst keine Tilgungszahlungen
an, weshalb die Belastung der Liquidität während des Factorings nicht deutlich höher aus-
fällt; allerdings müssen die Tilgungen, sobald das Factoring endet, innerhalb kurzer Zeit
»nachgeholt« werden. Falls also der Vertrag mit dem Factor – aus welchen Gründen auch
immer – beendet wird, ist eine Refinanzierung zum Wiederaufbau des Net Working Capi-
tal erforderlich.

241 Einen detaillierten Überblick über Finanzierungen mittels Leasing und Factoring gibt beispielsweise
Grundmann 2013.
242 Besonders bei veränderlichen Forderungsstrukturen können solche Bestandteile beträchtliche Auswirkun-
gen haben.
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4.5  Finanzierung von M&A-Transaktionen 219

Besonders in Unternehmen mit niedriger Working-Capital-Effizienz bzw. bei hohen


Debitorenzielen kann das Factoring wertvoll sein, um gebundenes Kapital für eine alterna-
tive Nutzung im Rahmen einer M&A-Transaktion freizusetzen. Dies gilt insbesondere für
Fälle, in denen das Unternehmen eine niedrige, die Kunden des Unternehmens hingegen
eine hohe Bonität aufweisen. Die Factoring-Kosten können dann als eine Art Orientie-
rungsmarke (hurdle rate) für den Deal betrachtet werden: Überschreitet der erwartete
Return on Investment (ROI) den Effektivzinssatz der Factoring-Finanzierung, so lohnt sich
das Vorgehen.

4.5.3.4 Anleihen und Mezzanine-Instrumente

4.5.3.4.1 Beschreibung von Anleihen


In dem Spektrum, das sich zwischen externem Eigen- und externem Fremdkapital auf-
spannt, bietet sich eine Reihe alternativer Finanzierungsmöglichkeiten, die auch zur Finan-
zierung von M&A-Transaktionen genutzt werden können. Die bekannteste Gruppe bilden
verschiedene Varianten der Schuldverschreibung (Anleihe), zu denen auch nachrangige
Anleihen, ewig laufende Bonds oder Genussrechte zählen.
In der Vergangenheit waren Anleihen aufgrund ihrer hohen Mindestvolumina meist
Großunternehmen vorbehalten. Seit einigen Jahren bietet sich allerdings mit den als Mit-
telstandsanleihen bekannt gewordenen Mini-Bonds auch für Unternehmen mit geringerem
Kapitalbedarf die Möglichkeit, Fremdkapital speziell durch die Begebung und Vermarktung
von Schuldverschreibungen aufzunehmen.
Im Prinzip handelt es sich bei der Begebung einer Anleihe um eine in viele kleine Tran-
chen aufgeteilte Kreditaufnahme. Statt eine einzelne finanzierende Bank für den Gesamtbe-
trag zu suchen, werden im Rahmen einer Schuldverschreibung durch den Verkauf von
Wertpapieren an eine diversifizierte Gruppe institutioneller und privater Investoren tau-
sende kleine, standardisierte Kreditbeträge aufgenommen. Die Käufer erhalten zusätzlich
zur Rückzahlung des Kapitals am Ende der vertraglich definierten Laufzeit eine fixe, meist
jährliche Verzinsung des eingesetzten Betrags. Das Volumen der Anleihe und die Höhe des
Zinssatzes richten sich nach dem mit der Transaktion verknüpften Finanzierungsvolumen,
dem Finanzierungsmix, der (Schulden-)Tragfähigkeit und der Bonität des Unternehmens.
Dabei kann es aus haftungsrechtlichen Gründen attraktiv sein, die Anleihen im Namen der
Projektgesellschaft zu begeben, welche die Transaktion tätigt. Damit kann die Finanzierung
der Transaktion vollständig vom ordentlichen Geschäft des Käufers getrennt werden.243

4.5.3.4.2 Bewertung von Anleihen


Die Begebung und erfolgreiche Vermarktung einer Unternehmensanleihe ist mit erhebli-
chem Aufwand verbunden. So ist bei der Definition der Anleihebedingungen (zum Beispiel
im Hinblick auf Covenants und eventuelle Call-Rechte) mit Sorgfalt vorzugehen. Gleiches
gilt für die Erstellung des Wertpapierprospekts und der weiteren Vermarktungsunterlagen.
Soll die Anleihe zudem an einer öffentlichen Wertpapierbörse gehandelt werden, so ist zur

243 Zur zunehmenden direkten Inanspruchnahme des Kapitalmarkts im Rahmen von Anleihen siehe auch
Bernet 1999 oder Rometsch/Kolb 1999, Stichwort »Securitization«.
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220 4 Transaktionsphase

Erfüllung der Aufnahmekriterien oftmals ein externes Rating nötig. Zudem ist es häufig nur
für Unternehmen mit hoher Bekanntheit möglich, eine ausreichende Zahl von Privatinves-
toren zu gewinnen, während für institutionelle Investoren oft die Stückelung und Volu-
mina zu klein sind.
Die Nebenkosten einer erfolgreichen Platzierung von Mini-Bonds können daher häufig
5 bis 10 Prozent des Anleihevolumens betragen. Von Beschluss bis Listing können überdies
leicht sechs bis zwölf Monate vergehen. Das Zeitfenster der meisten M&A-Transaktionen
wird dadurch also überschritten, sodass die Zwischenzeit oftmals durch Kredite vonseiten
einer oder auch mehrerer Banken überbrückt werden muss.
Vorteilhaft ist allerdings, dass während der Laufzeit der Anleihe anstelle von tatsächli-
chen Tilgungszahlungen nur vorsorgliche Rücklagen für den Tilgungsbetrag zu bilden
sind. Überdies können je nach der Ausgestaltung der Anleihe auch steuerwirksame Rück-
stellungen für ein etwaiges Disagio gebildet werden. Hierdurch ergibt sich faktisch ein
Liquiditäts- und Zinsvorteil, sodass oftmals die mit der Anleihe verbundene effektive Zins-
last während der Laufzeit geringer als bei einem Bankdarlehen ist. Jedoch stellt die Re­­
finanzierung des gesamten Rückzahlungsbetrags am Laufzeitende besonders bei negativer
Geschäftsentwicklung nach der Transaktion ein Risiko dar. Dies gilt vor allem, weil bei
einer negativen Geschäftsentwicklung die Notwendigkeit einer Anschlussfinanzierung
hoch ist, die Voraussetzungen, um eine entsprechende Finanzierung zu erhalten, jedoch
schlecht sind. Ist die Geschäftsentwicklung nach der Transaktion positiv, so sind die Vor-
aussetzungen gut, jedoch ist eine Anschlussfinanzierung oftmals nicht notwendig, da die
Tilgung aus den laufenden Cashflows bestritten werden kann.
Wie beim Leasing stellt also auch die Begebung von Anleihen eine Wette auf die zukünf-
tige Unternehmensentwicklung dar – zumindest wenn keine entsprechenden Rücklagen
für die Auszahlung des Nennwerts gebildet werden.244

4.5.3.4.3 Equity-Mezzanine
Anleihen sind zwar gewöhnlich nachrangig gegenüber den klassischen Fremdfinanzierun-
gen (Senior Loans), werden jedoch bilanziell dem Fremdkapital zugerechnet. Mezzani-
ne-Finanzierungsinstrumente weisen hingegen vollständig nachrangigen Charakter auf
und werden daher von Investoren und Finanzierungspartnern regelmäßig dem Eigenkapi-
tal zugeordnet. So ähneln beispielsweise die durch die Prokon-Insolvenz in jüngster Ver-
gangenheit zu einiger Bekanntheit gelangten Genussrechte in vielerlei Hinsicht – insbeson-
dere bezüglich der Risikoübernahme – einer stimmrechtslosen Aktienbeteiligung.245 Diese
Eigenschaft kann besonders im Hinblick auf die weitere Finanzierungsfähigkeit nach der
Transaktion von großer Bedeutung sein. Während alle anderen Formen von Fremdkapital-
aufnahme die nachfolgende Finanzierungsfähigkeit des Unternehmens negativ beeinflus-
sen, kann bei (Equity-)Mezzanine-Instrumenten in vielen Fällen diesbezüglich sogar mit
einer Verbesserung gerechnet werden.246

244 Vgl. hierzu und generell zu Anleihen auch Fischer 2001.


245 Aus diesem Grund werden Mezzanine-Finanzierungen auch häufig als eine Mischform aus Eigen- und
Fremdkapital bezeichnet.
246 Weiterführende Informationen zu Mezzanine-Kapital finden sich beispielsweise in Brezski et al. 2007.
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4.5  Finanzierung von M&A-Transaktionen 221

4.5.4 Finanzierung aus dem Zielobjekt

Als im Jahr 2009 der waghalsige Versuch der Porsche Automobilholding SE, die um Dimen-
sionen größere Volkswagen AG zu übernehmen, scheiterte, wurde zugleich damit dem
breiten Publikum eine Praktik bekannt, die zuvor nur Insidern ein Begriff gewesen war: die
Finanzierung eines Unternehmenskaufs aus dem Target selbst. So stützten sich die Pläne
von Porsche darauf, die für die Übernahme notwendigen Kredite durch Zugriff auf die
hohen Liquiditätsreserven der Volkswagen AG zurückzuzahlen, sobald die nötigen Stimm-
rechte dafür erworben sein würden. Mit zunehmendem Stimmrechtsanteil von Porsche
stieg jedoch der Wert der benötigten Restaktien aufgrund des optionsähnlichen Charakters
der Transaktion immer weiter, bis die Übernahme schließlich bemerkenswert knapp an
den Rückzahlungsforderungen der finanzierenden Banken scheiterte. Dennoch steckt in
dem Übernahmeversuch ein Ansatz für die Finanzierung von M&A-Transaktionen, der,
wenn auch in den unterschiedlichsten Formen, häufig Anwendung findet.247

4.5.4.1 Grundgedanken zur Kaufpreisübernahme durch das Target

Der Grundgedanke jeder Investition lautet, dass anfänglich eine hohe Auszahlung (»die
Investition«) erfolgt, aus der sich im Laufe des Investitionszeitraums Einzahlungen (»Rück-
zahlung aus der Investition«) und hoffentlich ein Überschuss ergeben. Je nach der zeitli-
chen und rechtlichen Gestaltung wird dieses Prinzip jedoch unterschiedlich ausgelegt.
Im klassischen Investmentdenken fließt der Kaufpreis langsam, über viele Perioden hin-
weg im Rahmen der Ausschüttungen bzw. Nettoerlöse an den Investor zurück. Dabei ist
die Rückzahlung der ordentlichen Geschäftsentwicklung untergeordnet, das heißt, die
Ausschüttung findet aus den nicht für andere Zwecke benötigten Überschüssen statt und
belastet das übernommene Unternehmen nicht. Das Finanzierungsrisiko und die Ertrags-
belastung verbleiben vollständig beim Käufer. Kommt es bei der Erfüllung der Ansprüche
externer Kapitalgeber zu Schwierigkeiten, so stehen die besicherten Vermögenswerte des
Erwerbers – zumindest aber seine Anteile am übernommenen Unternehmen – »im Feuer«.
Bei der Finanzierung aus dem Zielobjekt wird dieser Zugriff auf die Liquidität und
Schuldentragfähigkeit des Übernahmeziels vorweggenommen. Die Lasten der Finanzie-
rung werden gleich zu Anfang auf das Zielobjekt übertragen. Dabei können neben der
finanziellen Belastung oft auch haftungsrechtliche Aspekte im Vordergrund stehen – im
Risiko stehen dann zuvorderst die Vermögenswerte des Transaktionsobjekts. Darüber hin-
aus kann es vorkommen, dass aufgrund einer erhöhten Risikodiversifikation die Finanzie-
rungskapazität von Kaufunternehmen und Target gemeinsam nach der Transaktion höher
ist als die beiden einzelnen, addierten zuvor. Man spricht in einem solchen Fall von debt
synergies. Je nachdem, ob die Übernahme der Kaufpreisfinanzierung nur beschleunigt

247 Entwickelt wurde die auch als »Bootstrap Deal« bezeichnete Praxis als besondere Ausprägung eines levera-
ged buy-outs bereits in den 1970er Jahren von der US-amerikanischen Investmentbank Bear Stearns unter
Federführung von Henry Kravis, des späteren Gründers der Investmentfirma Kohl Kravis Roberts.
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222 4 Transaktionsphase

oder gleich zu Anfang durch das Target getragen wird, spricht man von einer Kaufpreis-
übernahme mit oder ohne Überbrückung (bridging).248
Die Ziele einer Finanzierung durch das Target können folgendermaßen zusammenge-
fasst werden (vgl. hierzu auch Abb. 78):
yy Übertragung des Finanzierungsrisikos auf das Transaktionsobjekt,
yy erleichtertes Projektcontrolling durch die gemeinsame »Veranlagung« von Transakti-
onsge